Language of document : ECLI:EU:T:2021:446

URTEIL DES GERICHTS (Sechste Kammer)

14. Juli 2021(*)

„Unionsmarke – Anmeldung der Unionswortmarke Cachet – Absolute Eintragungshindernisse – Beschreibender Charakter – Unterscheidungskraft – Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung (EU) 2017/1001“

In der Rechtssache T‑622/20,

Aldi GmbH & Co. KG mit Sitz in Mülheim an der Ruhr (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte N. Lützenrath, C. Fürsen und M. Minkner,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch E. Śliwińska und D. Hanf als Bevollmächtigte,

Beklagter,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des EUIPO vom 11. August 2020 (Sache R 452/2020-4) über die Anmeldung des Wortzeichens Cachet als Unionsmarke

erlässt

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin A. Marcoulli sowie der Richter S. Frimodt Nielsen und J. Schwarcz (Berichterstatter),

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund der am 9. Oktober 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 17. Dezember 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien innerhalb von drei Wochen nach der Bekanntgabe des Abschlusses des schriftlichen Verfahrens die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des darauf gemäß Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliches Verfahren zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 10. Juli 2019 meldete die Klägerin, die Aldi GmbH & Co. KG, nach der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eine Unionsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen Cachet.

3        Die Marke wurde für Waren der Klassen 5, 18, 20, 21, 25, 27, 28 und 31 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet.

4        Mit Entscheidung vom 5. Februar 2020 wies die Prüferin die Anmeldung gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b, c und m in Verbindung mit Art. 7 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 vollständig zurück.

5        Am 21. Februar 2020 legte die Klägerin gegen die Entscheidung der Prüferin beim EUIPO eine Beschwerde nach den Art. 66 bis 71 der Verordnung 2017/1001 ein.

6        Mit Entscheidung vom 11. August 2020 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) hob die Vierte Beschwerdekammer des EUIPO die Entscheidung der Prüferin vom 5. Februar 2020 teilweise auf. Sie ließ die Unionsmarkenanmeldung für alle beantragten Waren zu, mit Ausnahme folgender Waren der Klasse 5: „Veterinärmedizinische Präparate; Medizinische Präparate; Pharmazeutische Erzeugnisse; Hygienepräparate für medizinische Zwecke; Diätetische Lebensmittel und Erzeugnisse für medizinische oder veterinärmedizinische Zwecke, Nahrungsergänzungsmittel für Menschen und Tiere“ (im Folgenden: verfahrensgegenständliche Waren).

7        In den Rn. 9 bis 11 der angefochtenen Entscheidung stellte sie fest, dass nach den ihr zur Verfügung stehenden Wörterbüchern das Wort „Cachet“ im Französischen einen Stempel (Siegel) oder eine Tablette bezeichne. In der Bedeutung „Tablette“ bezeichne der Begriff „Cachet“ eine der üblichen Darreichungsformen von Arzneimitteln. Der Begriff „Cachet“ sei beschreibend, da er den Verbraucher über die konkrete Darreichungsform der pharmazeutischen Spezialität informiere, dass es sich also nicht etwa um ein Pulver, eine Salbe oder eine Tinktur handele. Diese Bedeutung sei hinreichend sicher nachgewiesen und nicht nur bloß umgangssprachlicher Art. In Rn. 12 der angefochtenen Entscheidung führte sie ferner aus, es sei rechtlich unerheblich, dass in der pharmazeutischen Praxis die Bezeichnung „comprimé“ üblicher sei und die Bezeichnung „dragée“ ebenfalls geläufig sei, da ein Zeichen auch dann als beschreibend von der Eintragung als Unionsmarke auszuschließen sei, wenn es Synonyme gebe, um die dokumentierte Bedeutung zu beschreiben. Schließlich hob die Beschwerdekammer in den Rn. 14 bis 16 der angefochtenen Entscheidung hervor, dass, da es sich bei den verfahrensgegenständlichen Waren um Waren handele, die üblicherweise auch in Tablettenform erhältlich seien, zwischen diesen und der Wortbedeutung von „Cachet“ eine ausreichend klare und spezifische Beziehung vorliege. Sie schloss daraus, dass das Anmeldezeichen im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 beschreibend sei und ihm als beschreibender Angabe auch jegliche Unterscheidungskraft gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung fehle.

 Anträge der Parteien

8        Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Waren aufzuheben;

–        dem EUIPO die Kosten aufzuerlegen.

9        Das EUIPO beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

10      Die Klägerin stützt ihre Klage auf zwei Klagegründe, und zwar erstens auf einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 und zweitens auf einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung.

 Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001

11      Die Klägerin rügt, die Beschwerdekammer habe zu Unrecht festgestellt, dass das in Rede stehende Wortzeichen in Bezug auf die verfahrensgegenständlichen Waren beschreibenden Charakter habe.

12      Nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 sind von der Eintragung ausgeschlossen Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geografischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können. Nach Art. 7 Abs. 2 finden die Vorschriften des Abs. 1 auch dann Anwendung, wenn die Eintragungshindernisse nur in einem Teil der Europäischen Union vorliegen.

13      Das Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 zugrunde liegende Allgemeininteresse besteht darin, sicherzustellen, dass die Zeichen, die eines oder mehrere Merkmale der Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung als Unionsmarke beantragt wird, beschreiben, von allen Wirtschaftsteilnehmern, die solche Waren oder Dienstleistungen anbieten, frei verwendet werden können (Urteile vom 23. Oktober 2003, HABM/Wrigley, C‑191/01 P, EU:C:2003:579, Rn. 31 und vom 10. März 2011, Agencja Wydawnicza Technopol/HABM, C‑51/10 P, EU:C:2011:139, Rn. 37).

14      Durch die Verwendung der Begriffe „Art, … Beschaffenheit, … Menge, … Bestimmung, … Wer[t], … geografisch[e] Herkunft oder … Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder … sonstig[e] Merkmale der Ware oder Dienstleistung“ in Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 hat der Unionsgesetzgeber zum einen vorgegeben, dass diese Begriffe allesamt als Merkmale der Waren oder Dienstleistungen anzusehen sind und zum anderen klargestellt, dass diese Liste nicht abschließend ist und jedes andere Merkmal von Waren oder Dienstleistungen ebenfalls berücksichtigt werden kann (Urteil vom 10. März 2011, Agencja Wydawnicza Technopol/HABM, C‑51/10 P, EU:C:2011:139, Rn. 49).

15      Die Wahl des Begriffs „Merkmal“ durch den Unionsgesetzgeber hebt den Umstand hervor, dass die von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 erfassten Zeichen nur solche sind, die dazu dienen, eine leicht von den maßgeblichen Verkehrskreisen zu erkennende Eigenschaft der Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, zu bezeichnen. Auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 kann die Eintragung eines Zeichens daher nur dann verweigert werden, wenn vernünftigerweise davon auszugehen ist, dass es von den maßgeblichen Verkehrskreisen tatsächlich als eine Beschreibung eines dieser Merkmale erkannt werden wird (Urteile vom 10. März 2011, Agencja Wydawnicza Technopol/HABM, C‑51/10 P, EU:C:2011:139, Rn. 50, und vom 3. Juli 2013, Airbus/HABM [NEO], T‑236/12, EU:T:2013:343, Rn. 32).

16      Ferner ist nach der Rechtsprechung für die Anwendung von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 zu prüfen, ob aus der Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise ein hinreichend direkter und konkreter Bezug zwischen dem als Marke angemeldeten Zeichen und den in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen besteht, der es diesen Verkehrskreisen ermöglicht, unmittelbar und ohne weitere Überlegung eine Beschreibung der Waren oder Dienstleistungen oder eines ihrer Merkmale zu erkennen (vgl. Urteil vom 7. Mai 2019, Fissler/EUIPO [vita], T‑423/18, EU:T:2019:291, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

17      Schließlich ist daran zu erinnern, dass sich der beschreibende Charakter eines Zeichens nur danach, wie die maßgeblichen Verkehrskreise es verstehen, und im Hinblick auf die betreffenden Waren oder Dienstleistungen beurteilen lässt (vgl. Urteil vom 8. Juli 2009, Lancôme/HABM – CMS Hasche Sigle [COLOR EDITION], T‑160/07, EU:T:2008:261, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

18      Der Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 ist im Licht dieser Grundsätze zu prüfen.

19      Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass der Begriff „Cachet“ keinen beschreibenden Charakter habe, da darunter nicht unbedingt sofort „Tabletten“ verstanden würden, nicht alle verfahrensgegenständlichen Waren üblicherweise in Tablettenform erhältlich seien und die in Form von Tabletten erhältlichen Waren in größeren Verpackungen mit mehreren Tabletten verkauft würden, nicht als einzelne Tabletten.

20      Im vorliegenden Fall ist erstens festzustellen, dass die Beschwerdekammer in Übereinstimmung mit der Prüferin den beschreibenden Charakter der angemeldeten Marke aus der Sicht der französisch- und englischsprachigen Verbraucher der Union beurteilt hat. Es besteht kein Anlass, diese Beurteilung, die von der Klägerin auch nicht beanstandet wird, in Frage zu stellen.

21      Zweitens ist zur Bedeutung der angemeldeten Marke zunächst festzustellen, dass die Klägerin nicht bestreitet, dass eine der möglichen Bedeutungen des Begriffs „Cachet“ im Französischen bzw. im Englischen „Tablette“ ist. Im Übrigen stellt sie in der Klageschrift weder die Feststellung der Beschwerdekammer in Rn. 10 der angefochtenen Entscheidung in Frage, wonach der Begriff „Cachet“ im Sinne von „Tablette“ eine der üblichen Darreichungsformen von Arzneimitteln bezeichne, noch die Feststellung in Rn. 24 der angefochtenen Entscheidung, wonach dieser Begriff im Englischen der Bedeutung „Tablette“ („comprimé“) im Französischen entspreche.

22      Die Klägerin wendet sich vielmehr gegen die Beurteilung der Beschwerdekammer in Rn. 11 der angefochtenen Entscheidung, wonach die Bedeutung des Begriffs „Cachet“ als „Tablette“ hinreichend sicher nachgewiesen sei. In Rn. 22 der Klageschrift macht sie geltend, dass dieser Bedeutungsgehalt nicht der „nächstliegende“ sei und dass dem „Bedenken [begegnen]“. Sie betont insoweit, dass Auszüge aus französisch-deutschen oder englisch-deutschen Wörterbüchern oder Datenbanken, die bereits der Beschwerdekammer vorgelegt worden seien, „jeweils nur die Bedeutung als ‚Gütesiegel‘, ‚Stempel‘ und dergleichen“ auswiesen. Die Klägerin macht geltend, dass „dies … gegen die Annahme [spricht], der Verkehr werde sofort und ohne Nachdenken vom Begriffsinhalt ‚Tablette‘ ausgehen“, und dass „[f]ür den Verkehr … der Begriff ‚Cachet‘ derart ungewöhnlich und ungebräuchlich [ist], dass er durchaus als Herkunftshinweis wahrgenommen und aufgefasst wird“.

23      Insoweit ist festzustellen, dass allgemein bekannt ist, dass es sich beim Begriff „Cachet“ um einen zu dem Grundwortschatz der französischen Sprache gehörenden Begriff handelt, der insbesondere eine Tablette oder eine mit Arzneimittelpulver gefüllte Kapsel bezeichnet, die geschluckt wird. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin wird, wie das EUIPO zu Recht geltend macht, dieser Begriff häufig im Zusammenhang mit medizinischen Produkten benutzt, z. B. in den Wendungen „prendre un cachet“ (eine Tablette einnehmen) oder „prendre un cachet d’aspirine“ (eine Aspirintablette einnehmen) – so auch die Beschwerdekammer in Rn. 12 der angefochtenen Entscheidung – oder in der Wendung „prendre un cachet pour dormir“ (eine Schlaftablette einnehmen). Im Übrigen ist diese Bedeutung klar erwiesen, wie der in Rn. 2 der angefochtenen Entscheidung erwähnte Eintrag im renommierten Wörterbuch Larousse belegt, in dem zum einen steht, dass es sich beim Begriff „cachet“ um ein „[e]nsemble de deux capsules de pain azyme dont la cavité renferme des poudres médicamenteuses [eine aus zwei Oblatenkapseln bestehende Einheit, gefüllt mit Arzneimittelpulver]“ handelt, und zum anderen, dass der Begriff „comprimé“ (Tablette) ein gebräuchliches Synonym des Begriffs „cachet“ ist.

24      Unabhängig davon, dass in den Auszügen aus französisch-deutschen oder englisch-deutschen Wörterbüchern oder Datenbanken, die die Klägerin der Beschwerdekammer vorgelegt hat, „nur die Bedeutung als ‚Gütesiegel‘, ‚Stempel‘ und dergleichen ausgewiesen“ ist, existiert demnach für den Begriff „Cachet“ auch die Bedeutung „Tablette“. Durch die Aufnahme dieses Begriffs in ein Wörterbuch kommt zum Ausdruck, dass die Öffentlichkeit ihn in einem gewissen Maß kennt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Dezember 2010, Rubinstein/HABM – Allergan [BOTOLIST], T‑345/08 und T‑357/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2010:529, Rn. 56).

25      Die Beschwerdekammer konnte daher zu Recht in Rn. 10 der angefochtenen Entscheidung feststellen, dass der Begriff „Cachet“ in der Bedeutung „Tablette“ eine der üblichen Darreichungsformen von Arzneimitteln bezeichnet, die für Waren beschreibend ist, die im Allgemeinen in Tablettenform erhältlich sind, und in Rn. 11 der angefochtenen Entscheidung, dass diese Bedeutung hinreichend sicher nachgewiesen ist.

26      Diese Schlussfolgerung kann nicht durch das Vorbringen der Klägerin in Frage gestellt werden, wonach der Begriff „Cachet“, da er im Singular verwendet werde, für die verfahrensgegenständlichen Waren nicht beschreibend sein könne, da bei Waren, die üblicherweise in Tablettenform angeboten würden, nicht eine Tablette (also ein „Cachet“) angeboten werde, sondern eine ganze Packung Tabletten (also „Cachets“). Entgegen dem Vorbringen der Klägerin wird die Verwendung des Begriffs „Cachet“ im Singular die maßgeblichen Verkehrskreise in keiner Weise stutzig machen. Wie das EUIPO zu Recht hervorhebt, vermittelt der Begriff „Cachet“, der als „Tablette“ verstanden wird, unmittelbar eine Information über die Eigenschaft der Ware bzw. über die Warenkategorie, und zwar unabhängig davon, dass die Waren einzeln oder in Packungen verkauft werden können.

27      Drittens ist das Vorbringen der Klägerin zu prüfen, wonach nicht auf einen hinreichend direkten und konkreten Bezug zwischen der Bedeutung des Begriffs „Cachet“ und den verfahrensgegenständlichen Waren geschlossen werden könne. Insbesondere seien einige der verfahrensgegenständlichen Waren üblicherweise nicht in Tablettenform erhältlich. Dies betreffe „Hygienepräparate für medizinische Zwecke“, die keine Waren seien, die dazu dienten, von Menschen aufgenommen zu werden. Auch „diätetische Lebensmittel für medizinische oder veterinärmedizinische Zwecke“ seien keine solchen, die typischerweise in Tablettenform vertrieben und eingenommen würden; vielmehr handle es sich um normale Lebensmittel, die bestimmte besondere Eigenschaften aufwiesen.

28      In Bezug auf die „Hygienepräparate für medizinische Zwecke“ hält das EUIPO das Vorbringen der Klägerin für unbegründet und macht im Wesentlichen geltend, dass diese Desinfektionsmittel in Form von Desinfektionstabletten beinhalteten, die in Wasser auflösbar seien und z. B. zur Reinigung verwendet werden könnten. Der Begriff „Cachet“ ist nach Ansicht des EUIPO daher für diese Warenkategorie beschreibend. Diesem Vorbringen kann jedoch nicht gefolgt werden. Wie nämlich oben in Rn. 23 ausgeführt, ist zwar allgemein bekannt, dass der Begriff „Cachet“ zum Grundwortschatz der französischen Sprache gehört, doch werden dieser Begriff sowie der Begriff „comprimé“ (Tablette) im medizinischen und pharmazeutischen Bereich für Kapseln verwendet, die Arzneimittelpulver enthalten und geschluckt werden. Auch wenn bestimmte „Hygienepräparate für medizinische Zwecke“ in Form von „wasserlöslichen Tabletten“ erhältlich sein mögen, werden die maßgeblichen Verkehrskreise bei diesen Waren keinen direkten Bezug zum Begriff „Cachet“ sehen, da ein „Cachet“ für sie eine Tablette oder eine Arzneimittelkapsel bezeichnet, die geschluckt wird, und keinesfalls eine Pastille oder eine Desinfektionstablette, die zu Reinigungszwecken in Wasser aufzulösen ist.

29      Die Beschwerdekammer ist daher zu Unrecht davon ausgegangen, dass das angemeldete Zeichen für „Hygienepräparate für medizinische Zwecke“ im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 beschreibend sei.

30      Was hingegen die „diätetischen Lebensmittel für medizinische oder veterinärmedizinische Zwecke“ betrifft, ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen. Zum einen dienen diese Waren nämlich, auch wenn sie keine Arzneimittel enthalten, medizinischen Zwecken und können daher im Rahmen der Behandlung von Krankheiten verwendet werden. Sie werden deshalb von den maßgeblichen Verkehrskreisen mit Arzneimitteln gleichgesetzt. Die Klägerin behauptet im Übrigen nicht das Gegenteil. Zum anderen können diese Waren auch in Tablettenform vertrieben werden. Die Beschwerdekammer hat somit keinen Beurteilungsfehler begangen, als sie festgestellt hat, dass das angemeldete Zeichen für diese Waren im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 beschreibend ist.

31      Nach alledem ist dem ersten Klagegrund der Klägerin, mit dem ein Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 geltend gemacht wird, stattzugeben, soweit er „Hygienepräparate für medizinische Zwecke“ betrifft. Im Übrigen ist er zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001

32      Zum zweiten Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 geltend gemacht wird, da das Wortzeichen Cachet Unterscheidungskraft besitze, ist darauf hinzuweisen, dass aus dem Wortlaut von Art. 7 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 eindeutig hervorgeht, dass ein Zeichen bereits dann von der Eintragung als Unionsmarke ausgeschlossen ist, wenn nur eines der dort genannten Eintragungshindernisse vorliegt (vgl. Urteile vom 19. September 2002, DKV/HABM, C‑104/00 P, EU:C:2002:506, Rn. 29, und vom 16. Oktober 2014, Larrañaga Otaño/HABM [GRAPHENE], T‑458/13, EU:T:2014:891, Rn. 31).

33      Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer in Rn. 16 der angefochtenen Entscheidung im Wesentlichen festgestellt, dass der angemeldeten Marke wegen ihres beschreibenden Charakters auch jede Unterscheidungskraft fehle.

34      Was als Erstes die verfahrensgegenständlichen Waren außer den „Hygienepräparaten für medizinische Zwecke“ betrifft, hat die Klägerin nichts vorgetragen, was die Schlussfolgerung der Beschwerdekammer, dass die angemeldete Marke im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 beschreibend sei, widerlegen könnte. Da dieser Grund für sich genommen bereits die angefochtene Versagung der Eintragung rechtfertigt, braucht folglich die Begründetheit des zweiten Klagegrundes, mit dem ein Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 geltend gemacht wird, nicht geprüft zu werden, und er ist als ins Leere gehend zurückzuweisen (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 13. Februar 2008, Indorata-Serviços e Gestão/HABM, C‑212/07 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2008:83, Rn. 28).

35      Was als Zweites die „Hygienepräparate für medizinische Zwecke“ betrifft, hat die Beschwerdekammer, wie oben in Rn. 29 ausgeführt, zu Unrecht angenommen, dass die angemeldete Marke beschreibend sei.

36      Da der einzige Grund, aus dem die Beschwerdekammer in Rn. 16 der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, dass die angemeldete Marke keine Unterscheidungskraft habe, ihr beschreibender Charakter ist, ist somit auch die Schlussfolgerung der Beschwerdekammer zu verwerfen, dass der angemeldeten Marke für „Hygienepräparate für medizinische Zwecke“ die Unterscheidungskraft fehle.

37      Daher ist dem zweiten Klagegrund in Bezug auf „Hygienepräparate für medizinische Zwecke“ stattzugeben.

38      Nach alledem ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben, soweit sie die „Hygienepräparate für medizinische Zwecke“ betrifft, und die Klage im Übrigen abzuweisen.

 Kosten

39      Nach Art. 134 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts trägt jede Partei ihre eigenen Kosten, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt.

40      Da im vorliegenden Fall sowohl die Klägerin als auch das EUIPO teils obsiegt haben und teils unterlegen sind, hat jede Partei ihre eigenen Kosten zu tragen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 11. August 2020 (Sache R 452/2020-4) wird aufgehoben, soweit sie die von der Markenanmeldung umfassten „Hygienepräparate für medizinische Zwecke“ betrifft.

2.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.      Die Aldi GmbH & Co. KG und das EUIPO tragen ihre eigenen Kosten.

Marcoulli

Frimodt Nielsen

Schwarcz

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 14. Juli 2021.

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon

 

      S. Papasavvas


*Verfahrenssprache: Deutsch.