Language of document : ECLI:EU:T:2020:400

URTEIL DES GERICHTS (Dritte Kammer)

9. September 2020(*)

„Staatliche Beihilfen – Beihilfe für ein Investitionsvorhaben in der Westslowakei – Regionale Investitionsbeihilfe – Zurückweisung einer Beschwerde – Entscheidung, keine Einwendungen zu erheben – Freistellungsvoraussetzungen – Art. 14 der Verordnung (EU) Nr. 651/2014 – Umfang der Kontrollbefugnis der Kommission – Leitlinien für Regionalbeihilfen 2014-2020 – Begriff des KMU – Art. 3 Abs. 2 und 3 des Anhangs I der Verordnung Nr. 651/2014 – Für die Berechnung der Mitarbeiterzahl und der finanziellen Schwellenwerte zugrunde zu legende Angaben sowie maßgeblicher Zeitraum – Art. 4 des Anhangs I der Verordnung Nr. 651/2014 – Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt – Art. 4 Abs. 4 der Verordnung (EU) 2015 /1589 – Ernsthafte Schwierigkeiten“

In der Rechtssache T‑745/17,

Kerkosand spol. s r. o. mit Sitz in Šajdíkove Humence (Slowakei), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte A. Rosenfeld und C. Holtmann,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch K. Blanck und A. Bouchagiar als Bevollmächtigte,

Beklagte,

betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Beschlusses C(2017) 5050 final der Kommission vom 20. Juli 2017 über die Investitionsbeihilfe zugunsten der slowakischen Quarzsand-Produzentin NAJPI a. s. (SA.38121 [2016/FC] – Slowakei) (ABl. 2017, C 336, S. 1)


erlässt

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. M. Collins, des Richters V. Kreuschitz (Berichterstatter) und der Richterin G. Steinfatt,

Kanzler: S. Bukšek Tomac, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 21. Januar 2020

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Die Klägerin, die Kerkosand spol. s r. o., unterhält in Šajdíkove Humence (Slowakei) ein Abbaugebiet und eine Aufbereitungsanlage für Quarzsand.

2        Am 12. Dezember 2013 reichte die Klägerin bei der Europäischen Kommission eine Beschwerde ein, mit der sie geltend machte, die Slovenská inovačná a energetická agentúra (Slowakische Innovations- und Energieagentur, Slowakei) habe dem Unternehmen NAJPI a. s. (im Folgenden: begünstigtes Unternehmen) mit Entscheidung vom 22. Juli 2013 für ein Investitionsvorhaben in der Westslowakei eine rechtswidrige Beihilfe in Höhe von 4 999 999,46 Euro (im Folgenden: fragliche Beihilfe) gewährt.

3        Diese Beihilfe wurde auf der Grundlage des Schéma štátnej pomoci na podporu zavádzania inovatívnych a vyspelých technológií v priemysle a v službách (SA.28652 [X518/2009]) (Staatliche Beihilferegelung zur Einführung innovativer und fortgeschrittener Technologien im Industrie- und Dienstleistungsbereich, im Folgenden: fragliche Beihilferegelung) gewährt, das nach Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 800/2008 der Kommission vom 6. August 2008 zur Erklärung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt in Anwendung der Artikel 87 und 88 [EG] (allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung) (ABl. 2008, L 214, S. 3) als regionale Investitions- und Beschäftigungsbeihilfe eingestuft wurde. Sie bezog sich auf ein Investitionsvorhaben des begünstigten Unternehmens, mit dem es in den Lagerstätten von Borský Peter (Slowakei) und Šajdíkove Humence eine Anlage zur Quarzsandförderung errichten wollte (im Folgenden: Investitionsvorhaben).


4        Mit Schreiben vom 24. Februar und vom 2. Mai 2014 übermittelte die Kommission den slowakischen Behörden eine nicht vertrauliche Fassung der Beschwerde und forderte sie zur Stellungnahme auf. Die slowakischen Behörden nahmen mit Schreiben vom 30. Mai und vom 1. Juli 2014 Stellung.

5        Am 30. Juli 2014 übersandte die Kommission der Klägerin ein vorläufiges Beurteilungsschreiben, in dem sie die Auffassung vertrat, dass die fragliche Beihilfe im Einklang mit der Verordnung Nr. 800/2008 gewährt worden sei.

6        Mit Schreiben vom 12. Februar, 4. September, 7. und 21. November 2014, vom 28. Mai, 8. Juli, 15. Juli, 1. September, 15. Oktober und 3. November 2015 sowie vom 13. Juni, 5. Juli und 17. August 2016 unterbreitete die Klägerin der Kommission zusätzliche Informationen.

7        Mit Schreiben vom 2. Mai, 30. Juni und 10. September 2014, vom 9. Januar 2015, vom 25. Februar, 10. März, 22. April und 23. Juni 2016 sowie vom 25. Januar, 15. März und 13. Juni 2017 richtete die Kommission Auskunftsersuchen an die slowakischen Behörden. Diese antworteten mit Schreiben vom 1. Juli und 3. Oktober 2014, vom 6. Februar 2015, vom 22. April, 19. Mai und 1. Juli 2016 sowie vom 7. Februar, 12. April und 21. Juni 2017.

8        Am 9. Juli 2015 übersandte die Kommission der Klägerin ein weiteres vorläufiges Beurteilungsschreiben, in dem sie die Auffassung vertrat, die fragliche Beihilfe sei rechtmäßig, da sie im Einklang mit der Verordnung Nr. 800/2008 gewährt worden sei, und mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar. Die Kommission ging insbesondere davon aus, dass das begünstigte Unternehmen, als die Beihilfe am 22. Juli 2013 gewährt worden sei, zur Kategorie der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) gehört und sich nicht in Schwierigkeiten befunden habe.

9        Mit Schreiben vom 15. Oktober 2015 (siehe auch oben, Rn. 6) antwortete die Klägerin auf das weitere vorläufige Beurteilungsschreiben und unterbreitete zusätzliche Informationen.

10      Am 26. November 2015 fand eine Besprechung der Klägerin mit den Dienststellen der Kommission statt.

11      Am 20. Juli 2017 erließ die Kommission den Beschluss C(2017) 5050 final über die Investitionsbeihilfe zugunsten der slowakischen Quarzsand-Produzentin NAJPI a. s. (SA.38121 [2016/FC] – Slowakei) (ABl. 2017, C 336, S. 1, im Folgenden: angefochtener Beschluss), der an das slowakische Außenministerium gerichtet war, in dem aber keine Rechtsgrundlage angegeben wurde. Darin ging sie erstens davon aus, dass begrifflich eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV vorliege (Rn. 43 und 44). Zweitens sei die fragliche Beihilfe am 7. November 2013 gewährt worden, d. h. am Tag nach der Eintragung der Fördervereinbarung vom 29. Oktober 2013 in das zentrale slowakische Vertragsregister (Rn. 45 bis 47). Drittens erfüllten sowohl die fragliche Beihilferegelung, auf deren Grundlage die Beihilfe gewährt worden sei, als auch die Beihilfe selbst die in der Verordnung Nr. 800/2008 aufgestellten Voraussetzungen, allerdings mit Ausnahme der Voraussetzung in Art. 3 Abs. 2 der Verordnung, wonach in der Einzelbeihilfemaßnahme anzugeben sei, dass sie auf der Grundlage dieser Verordnung gewährt worden sei (Rn. 50 bis 55). Viertens sei zu prüfen, ob die Beihilfe gemessen an der Verordnung (EU) Nr. 651/2014 der Kommission vom 17. Juni 2014 zur Feststellung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Binnenmarkt in Anwendung der Artikel 107 und 108 [AEUV] (ABl. 2014, L 187, S. 1) gemäß deren Art. 58 als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden könne (Rn. 56). Fünftens erfülle die Beihilfe die in dieser Verordnung genannten Voraussetzungen, insbesondere was den Status des begünstigten Unternehmens als KMU betreffe, so dass sie von der Anmeldepflicht befreit gewesen sei und als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden müsse (Rn. 57 bis 63). Die Kommission zog daraus den Schluss, dass sie zu einer Untersuchung der fraglichen Beihilfe im Rahmen der in Art. 4 der Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Art. 108 [AEUV] (ABl. 2015, L 248, S. 9) vorgesehenen vorläufigen Prüfung nicht befugt sei (Rn. 64 des Beschlusses). Infolgedessen wurde die von der Klägerin nach Art. 24 Abs. 2 der Verordnung 2015/1589 anonym erhobene Beschwerde von der Kommission als unbegründet „zurückgewiesen“ (Rn. 65 des Beschlusses).

12      Mit Schreiben vom 5. September 2017 übersandte die Kommission der Klägerin eine Abschrift des angefochtenen Beschlusses, den sie als „Entscheidung über die fragliche Beihilfe“ bezeichnete.

13      Am 6. Oktober 2017 wurde der angefochtene Beschluss im Amtsblatt der Europäischen Union in Form einer Zusammenfassung (sogenannte Veröffentlichung in Kurzfassung) im Sinne von Art. 32 Abs. 1 der Verordnung 2015/1589 unter der Überschrift „Genehmigung staatlicher Beihilfen nach den Artikeln 107 und 108 [AEUV]“ in der Rubrik „Vorhaben, gegen die von der Kommission keine Einwände erhoben werden“ veröffentlicht (ABl. 2017, C 336, S. 1).

 Verfahren und Anträge der Parteien

14      Mit Klageschrift, die am 14. November 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

15      Mit Schreiben, das am 16. Juli 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin ein Dokument mit den Jahresabschlüssen des begünstigten Unternehmens für die Jahre 2014 bis 2018 vorgelegt und das Gericht ersucht, es als neues Beweisangebot zu berücksichtigen. In ihrer fristgerecht eingereichten Stellungnahme beantragt die Kommission, das Beweisangebot als verspätet im Sinne von Art. 85 der Verfahrensordnung des Gerichts und als für die Entscheidung des Rechtsstreits offensichtlich ungeeignet zurückzuweisen und das Dokument aus der Gerichtsakte zu entfernen.

16      Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts ist nach Art. 27 Abs. 5 der Verfahrensordnung der Berichterstatter der Dritten Kammer zugeteilt worden, der die vorliegende Rechtssache deshalb zugewiesen worden ist.

17      Auf Vorschlag des Berichterstatters hat das Gericht (Dritte Kammer) beschlossen, das mündliche Verfahren zu eröffnen. Im Rahmen prozessleitender Maßnahmen gemäß Art. 89 der Verfahrensordnung hat es den Parteien schriftliche Fragen zur schriftlichen Beantwortung gestellt. Die Antworten der Parteien sind fristgerecht bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen.

18      Die Parteien haben in der Sitzung vom 21. Januar 2020 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

19      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

–        hilfsweise, das Schreiben vom 5. September 2017 für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

20      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Zu den Nichtigkeitsgründen

21      Die Klägerin stützt ihre Klage auf zwei Gründe.

22      Mit dem ersten Klagegrund macht die Klägerin eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften geltend, und zwar von Art. 15 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 4 der Verordnung 2015/1589.

23      Der zweite Klagegrund ist in drei gesonderte Teile untergliedert.

24      Mit dem ersten Teil des zweiten Klagegrundes macht die Klägerin einen Verstoß gegen Art. 107 Abs. 3 Buchst. a AEUV geltend. Sie trägt im Wesentlichen vor, die Kommission hätte sich nicht auf die Feststellung beschränken dürfen, dass die fragliche Beihilfe gemäß der Verordnung Nr. 651/2014 mit dem Binnenmarkt vereinbar sei, sondern hätte auch ihre Vereinbarkeit mit der genannten Bestimmung prüfen müssen.


25      Im Rahmen des zweiten Teils des zweiten Klagegrundes macht die Klägerin einen Verstoß gegen Art. 109 AEUV in Verbindung mit Art. 58 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 651/2014 geltend. Der Sache nach macht sie geltend, dass die fragliche Beihilfe die in dieser Verordnung vorgesehenen Voraussetzungen nicht erfülle, da sie eine Ad-hoc-Beihilfe für ein Großunternehmen darstelle.

26      Mit dem dritten Teil des zweiten Klagegrundes rügt die Klägerin einen Verstoß gegen Art. 108 Abs. 2 AEUV in Verbindung mit Art. 4 Abs. 4 der Verordnung 2015/1589. Sie führt aus, die Kommission habe gegen ihre Verpflichtung zur Eröffnung eines förmlichen Prüfverfahrens verstoßen, die für sie aufgrund ihrer ernsthaften Schwierigkeiten bei der Prüfung der fraglichen Beihilfe bestanden habe.

 Zur Zulässigkeit

27      Im Verlauf des schriftlichen Verfahrens hat die Kommission zum einen geltend gemacht, der zweite, auf die Nichtigerklärung des Schreibens vom 5. September 2017, mit dem ihr der angefochtene Beschluss mitgeteilt worden sei, gerichtete Antrag der Klägerin sei unzulässig. Zum anderen lege die Klägerin in Bezug auf den ersten und den zweiten Teil des zweiten Klagegrundes keine Klagebefugnis dar.

28      Die Klägerin tritt dem Vorbringen der Kommission entgegen.

29      Auf eine Frage hierzu in der mündlichen Verhandlung hat die Kommission angegeben, dass sie keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage mehr habe. Dies ist in das Sitzungsprotokoll aufgenommen worden.

30      Der angefochtene Beschluss richtet sich zwar förmlich allein an die Slowakische Republik, doch heißt es in seiner abschließenden, mit „Ergebnis“ überschriebenen Rn. 65: „Die von einem anonymen Beschwerdeführer auf der Grundlage von Art. 24 Abs. 2 der [Verordnung 2015/1589] eingereichte Beschwerde wird als unbegründet zurückgewiesen.“ Da es sich bei diesem Beschwerdeführer offensichtlich um die Klägerin handelt, ist festzustellen, dass die Kommission die Beschwerde ausdrücklich im Rahmen einer den Beschluss tragenden Begründung, die sogar dessen Tenor gleichkommt, zurückgewiesen hat, obwohl sie dazu nach ständiger Rechtsprechung nicht verpflichtet war (Urteil vom 2. April 1998, Kommission/Sytraval und Brink's France, C‑367/95 P, EU:C:1998:154, Rn. 45 und 46). Daher ist die Klägerin als in einer dem Adressaten des Beschlusses entsprechenden Weise individualisiert im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV anzusehen.


31      Demzufolge ist die Klage insgesamt zulässig, unabhängig davon, ob der angefochtene Beschluss als Beschluss, keine Einwände zu erheben, im Sinne von Art. 4 Abs. 3 der Verordnung 2015/1589 anzusehen ist (siehe unten, Rn. 35 bis 59). Jedenfalls kann ein Kläger nach gefestigter Rechtsprechung gegen einen solchen Beschluss jeden Klagegrund anführen, mit dem dargetan werden kann, dass die Beurteilung der für die Kommission in der Phase der vorläufigen Prüfung der angemeldeten Maßnahme verfügbaren Informationen und Angaben Anlass zu Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der fraglichen Maßnahme mit dem Binnenmarkt hätte geben müssen (vgl. Urteil vom 24. Mai 2011, Kommission/Kronoply und Kronotex, C‑83/09 P, EU:C:2011:341, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im vorliegenden Fall zielt die Klägerin als ein mit der Begünstigten der fraglichen Beihilfe im Wettbewerb stehendes Unternehmen und als Betroffene im Sinne von Art. 108 Abs. 2 AEUV mit ihrer Klage u. a. darauf ab, die Verfahrensrechte zu wahren, die ihr nach dieser Bestimmung zustünden, wenn die Kommission das förmliche Prüfverfahren eröffnet hätte. Zu diesem Zweck sind somit nicht nur der erste Klagegrund und der dritte Teil des zweiten Klagegrundes zulässig, sondern auch der erste und der zweite Teil des zweiten Klagegrundes, mit denen nachgewiesen werden soll, dass die Beurteilung der für die Kommission in der Phase der vorläufigen Prüfung verfügbaren Informationen und Angaben Anlass zu Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der fraglichen Beihilfe mit dem Binnenmarkt hätte geben müssen.

32      Da der erste Antrag der Klägerin zulässig ist, kann die Zulässigkeit des zweiten Antrags, der hilfsweise für den Fall gestellt worden ist, dass der erste Antrag für unzulässig befunden werden sollte, dahingestellt bleiben.

 Zur Begründetheit

 Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 15 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 4 der Verordnung 2015/1589

33      Mit dem ersten Klagegrund macht die Klägerin eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften geltend, und zwar von Art. 15 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 4 der Verordnung 2015/1589. In der Sache meint sie, die Kommission hätte in Beantwortung ihrer Beschwerde anstelle des angefochtenen Beschlusses einen der in Art. 4 Abs. 2 bis 4 der Verordnung vorgesehenen Beschlüsse erlassen müssen.

34      Die Kommission hält dem im Wesentlichen entgegen, angesichts ihrer Schlussfolgerung, dass die fragliche Beihilfe gemäß der Verordnung Nr. 651/2014 von der in Art. 108 Abs. 3 AEUV genannten Melde- und Genehmigungspflicht freigestellt gewesen sei, habe sich die von ihr ausgeübte Kontrolle außerhalb des Rahmens des Vorprüfungsverfahrens bewegt, und sie sei weder befugt noch verpflichtet gewesen, einen der in Art. 4 Abs. 2 bis 4 der Verordnung 2015/1589 vorgesehenen Beschlüsse zu erlassen. Der angefochtene Beschluss stelle einen rein deklaratorischen Beschluss sui generis dar.

35      Nach ständiger Rechtsprechung hat die Kommission, sobald etwaige zusätzliche Ausführungen von den Betroffenen vorgelegt worden sind oder die angemessene Frist abgelaufen ist, nach Art. 15 Abs. 1 der Verordnung 2015/1589 die Vorprüfungsphase mit dem Erlass eines Beschlusses nach Art. 4 Abs. 2, 3 oder 4 dieser Verordnung abzuschließen, also mit einem Beschluss, durch den festgestellt wird, dass keine Beihilfe vorliegt, dass keine Einwände erhoben werden oder dass das förmliche Prüfverfahren eröffnet wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 31. Mai 2017, DEI/Kommission, C‑228/16 P, EU:C:2017:409, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36      Diese Verpflichtung ist die logische Folge des einem Beschwerdeführer im Bereich der staatlichen Beihilfen zuerkannten Rechts, mit der Einreichung einer Beschwerde oder der Vorlage von Informationen über eine mutmaßlich rechtswidrige Beihilfe die Einleitung der Vorprüfungsphase zu erwirken, die von der Kommission zwingend mit einem Beschluss nach Art. 4 der Verordnung 2015/1589 abzuschließen ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. Juli 2008, Athinaïki Techniki/Kommission, C‑521/06 P, EU:C:2008:422, Rn. 37 bis 40, vom 16. Dezember 2010, Athinaïki Techniki/Kommission, C‑362/09 P, EU:C:2010:783, Rn. 62 und 63, sowie vom 16. Mai 2013, Kommission/Ryanair, C‑615/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:310, Rn. 35).

37      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Kommission mit einer Beschwerde befasst wurde, die Informationen über eine mutmaßlich rechtswidrige Beihilfe enthielt, in Bezug auf die behauptet wurde, sie sei nicht angemeldet worden sowie mit den aus der Verordnung Nr. 651/2014 und aus Art. 107 Abs. 3 Buchst. a AEUV resultierenden Anforderungen unvereinbar.

38      Die in den Rn. 35 und 36 angeführten Grundsätze gelten entgegen dem Vorbringen der Kommission entsprechend für die Beschwerde eines Betroffenen, der sich auf die Unanwendbarkeit oder die fehlerhafte Anwendung der Voraussetzungen einer Gruppenfreistellungsverordnung wie der Verordnung Nr. 651/2014 beruft, die die Annahme rechtfertigen, dass eine Beihilfemaßnahme von der Meldepflicht nach Art. 108 Abs. 3 AEUV ausgenommen ist. Mit dem Erlass derartiger Gruppenfreistellungsverordnungen delegiert die Kommission ihre Prüfungs- und Entscheidungsbefugnisse im Bereich staatlicher Beihilfen  – einschließlich der Bearbeitung von Beschwerden – nämlich nicht an die nationalen Behörden, sondern behält in vollem Umfang ihre Überwachungsbefugnis gemäß Art. 108 AEUV und Art. 12 Abs. 1 der Verordnung 2015/1589, insbesondere hinsichtlich der Beachtung der grundlegenden Pflicht zur Anmeldung von Beihilfemaßnahmen und des Verbots ihrer Umsetzung gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV durch diese Behörden. Eine solche Beurteilung drängt sich im Licht der in der neueren Rechtsprechung des Gerichtshofs (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Juli 2019, Bayerische Motoren Werke und Freistaat Sachsen/Kommission, C‑654/17 P, EU:C:2019:634, Rn. 132 bis 135 und 140 bis 144 sowie die dort angeführte Rechtsprechung) anerkannten Kriterien, zu deren Relevanz sich die Parteien in ihren Antworten auf eine schriftliche Frage des Gerichts (siehe oben, Rn. 17) sowie in der mündlichen Verhandlung äußern konnten, umso stärker auf.

39      Dabei handelt es sich insbesondere um folgende Kriterien.

40      Erstens ist ein Mitgliedstaat nur dann, wenn eine von ihm erlassene Beihilfemaßnahme die einschlägigen in der Verordnung Nr. 651/2014 vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt, von seiner Anmeldepflicht befreit; umgekehrt wurde eine Beihilfe, wenn sie nach dieser Verordnung gewährt wurde, obwohl nicht alle für ihre Gewährung aufgestellten Voraussetzungen erfüllt waren, unter Verstoß gegen die Anmeldepflicht gewährt und ist als rechtswidrig anzusehen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. März 2019, Eesti Pagar, C‑349/17, EU:C:2019:172, Rn. 99, und vom 29. Juli 2019, Bayerische Motoren Werke und Freistaat Sachsen/Kommission, C‑654/17 P, EU:C:2019:634, Rn. 138).

41      Zweitens obliegt es der Kommission nach Art. 12 Abs. 1 der Verordnung 2015/1589, eine solche unter Verstoß gegen die Verordnung Nr. 651/2014 gewährte Beihilfe entweder von Amts wegen oder im Rahmen der Beschwerde eines Betroffenen anhand der Art. 107 und 108 AEUV zu prüfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Juli 2019, Bayerische Motoren Werke und Freistaat Sachsen/Kommission, C‑654/17 P, EU:C:2019:634, Rn. 140 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42      Drittens können Gruppenfreistellungsverordnungen, auch wenn die Kommission sie für Beihilfekategorien erlassen kann, um eine wirksame Überwachung der Wettbewerbsregeln im Bereich staatlicher Beihilfen zu gewährleisten und die Verwaltungsabläufe zu vereinfachen, in keiner Weise ihre Kontrollbefugnis in diesem Bereich schwächen (vgl. Urteil vom 29. Juli 2019, Bayerische Motoren Werke und Freistaat Sachsen/Kommission, C‑654/17 P, EU:C:2019:634, Rn. 141 und die dort angeführte Rechtsprechung).

43      Daraus ergibt sich viertens, dass die Kommission mit dem Erlass der Verordnung Nr. 651/2014 den nationalen Stellen keine Befugnis zur endgültigen Entscheidung in Bezug auf den Umfang der Freistellung von der Anmeldepflicht und damit in Bezug auf die Beurteilung der in dieser Verordnung aufgestellten Voraussetzungen für eine solche Freistellung übertragen hat, da sich diese Stellen insoweit auf derselben Ebene wie die potenziellen Beihilfeempfänger befinden und sich vergewissern müssen, dass ihre Entscheidungen im Einklang mit der Verordnung stehen; gewährt eine nationale Stelle in fehlerhafter Anwendung der Verordnung eine Beihilfe, tut sie dies mithin unter Missachtung sowohl der Verordnung als auch von Art. 108 Abs. 3 AEUV (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. März 2019, Eesti Pagar, C‑349/17, EU:C:2019:172, Rn. 101 bis 103, und vom 29. Juli 2019, Bayerische Motoren Werke und Freistaat Sachsen/Kommission, C‑654/17 P, EU:C:2019:634, Rn. 142 und 143).

44      Fünftens gilt für eine Beihilfe, die nach Auffassung eines Mitgliedstaats die Voraussetzungen der Verordnung Nr. 651/2014 erfüllt, allenfalls eine Vermutung der Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt; sowohl vor einem nationalen Gericht oder einer nationalen Behörde als auch vor der Kommission kann in Frage gestellt werden, ob eine solche Beihilfe tatsächlich diesen Voraussetzungen entspricht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Juli 2019, Bayerische Motoren Werke und Freistaat Sachsen/Kommission, C‑654/17 P, EU:C:2019:634, Rn. 144).

45      Sechstens ändert die Verordnung Nr. 651/2014 nichts an der ausschließlichen Zuständigkeit der Kommission für die Beurteilung der Zulässigkeit einer nach dieser Verordnung gewährten Beihilfe anhand von Art. 107 Abs. 3 AEUV, so dass allein die Kommission berechtigt ist, eine solche Beihilfe aufgrund dieser Vorschrift für mit dem Binnenmarkt vereinbar zu erklären (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Juli 2019, Bayerische Motoren Werke und Freistaat Sachsen/Kommission, C‑654/17 P, EU:C:2019:634, Rn. 146).

46      Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass das Vorbringen der Kommission zurückzuweisen ist, sie habe den angefochtenen Beschluss außerhalb des Rahmens eines Vorprüfungsverfahrens erlassen und sei nicht einmal befugt gewesen, im Wege einer Vorprüfung zu klären, ob die fragliche Beihilfe die Voraussetzungen für eine Freistellung nach der Verordnung Nr. 651/2014 erfülle. Zum einen ist festzustellen, dass durch die Beschwerde der Klägerin das Vorprüfungsverfahren eingeleitet wurde, welches die Kommission mit einem Beschluss gemäß Art. 4 der Verordnung 2015/1589 hätte abschließen müssen (vgl. die oben in den Rn. 35 und 36 angeführte Rechtsprechung). Zum anderen ergibt sich aus den vorstehenden Rn. 38 bis 45, dass Gegenstand einer solchen Beschwerde sehr wohl die etwaige Missachtung von Bestimmungen einer Gruppenfreistellungsverordnung sein konnte, zu deren Kontrolle die Kommission nach ihrer in Art. 107 Abs. 3 und Art. 108 Abs. 3 AEUV vorgesehenen Überwachungsbefugnis verpflichtet war. Daher war die Kommission im vorliegenden Fall im Anschluss an die Beschwerde der Klägerin verpflichtet, eine solche Vorprüfung durchzuführen, um zu klären, ob die slowakischen Behörden die Bestimmungen der Verordnung Nr. 651/2014 korrekt angewandt oder ob sie im Gegenteil gegen ihre Anmeldepflicht verstoßen hatten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Juli 2019, Bayerische Motoren Werke und Freistaat Sachsen/Kommission, C‑654/17 P, EU:C:2019:634, Rn. 138, 140 bis 144 und 146). Die Prüfungspflicht der Kommission umfasste somit zwingend – unter der Kontrolle des Unionsrichters – das Erfordernis, die Reichweite der einschlägigen Freistellungsvoraussetzungen auszulegen und deren korrekte Anwendung auf den Einzelfall zu prüfen. Die Kommission scheint im angefochtenen Beschluss im Übrigen beabsichtigt zu haben, diesen Erfordernissen zu entsprechen.


47      Ferner kann dem Vorbringen der Kommission nicht gefolgt werden, sie wäre zur Durchführung einer solchen Prüfung nur dann befugt gewesen, wenn der Klägerin der Nachweis gelungen wäre, dass die einschlägigen Freistellungsvoraussetzungen nicht erfüllt gewesen seien, da dieses Vorbringen auf einer Verkennung des Umfangs ihrer Prüfungspflicht, wenn nicht sogar auf einer unzulässigen Umkehr der Beweislast beruht. Wenn die Kommission mit einer Beschwerde befasst ist, mit der geltend gemacht wird, bestimmte Vorschriften einer Gruppenfreistellungsverordnung seien missachtet worden und somit sei eine rechtswidrige, weil nicht angemeldete Beihilfe gewährt worden, ist sie vielmehr nicht nur befugt, die Stichhaltigkeit der Angaben des Beschwerdeführers nachzuprüfen, sondern dazu auch verpflichtet, um zu klären, ob die fragliche Maßnahme bei ihr hätte angemeldet werden müssen und daher eine rechtswidrige Beihilfe darstellt. Andernfalls stünde den nationalen Behörden eine übermäßige Autonomie bei der Umsetzung dieser Bestimmungen zu, was den oben in den Rn. 40 bis 43 angeführten Rechtsprechungsgrundsätzen widerspräche.

48      Aus den oben in den Rn. 46 und 47 dargelegten Gründen entbehrt auch das Vorbringen der Kommission jeder Grundlage, sie dürfe die Durchführung einer Maßnahme, die nach Auffassung der nationalen Behörden im Rahmen einer solchen Gruppenfreistellungsverordnung freigestellt sei, nur dann „blockieren“, wenn die Freistellungsvoraussetzungen in Wirklichkeit nicht erfüllt seien. In diesem Fall verstoßen die fehlende Anmeldung der Maßnahme und ihre Durchführung nämlich gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV, was eine Rüge darstellt, mit der die Kommission u. a. mittels einer Beschwerde befasst werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Juli 2019, Bayerische Motoren Werke und Freistaat Sachsen/Kommission, C‑654/17 P, EU:C:2019:634, Rn. 140 und 144).

49      Desgleichen beruht das Vorbringen der Kommission, Art. 4 der Verordnung 2015/1589 beziehe sich nur auf die Prüfung einer Anmeldung und sei nicht anwendbar, wenn eine Beihilfemaßnahme alle erforderlichen Voraussetzungen einer Gruppenfreistellungsverordnung erfülle, auf einem Fehlverständnis der oben in den Rn. 40 und 41 angeführten Rechtsprechungsgrundsätze, da mit einer Beschwerde die Vereinbarkeit der Beihilfemaßnahme mit diesen Voraussetzungen und damit ihre Rechtmäßigkeit im Licht von Art. 108 Abs. 3 AEUV in Frage gestellt werden kann. Damit vermengt die Kommission die Prämissen der Kontrolle, die im Anschluss an eine Beschwerde und im Rahmen eines Vorprüfungsverfahrens vorzunehmen ist, d. h. der Prüfung, ob u. a. deswegen eine rechtswidrige Beihilfe vorliegt, weil die Freistellungsvoraussetzungen nicht eingehalten wurden, mit dem Ergebnis dieser Prüfung (vgl. die oben in Rn. 46 angeführte Rechtsprechung).

50      Aus den gleichen Gründen ist der Zirkelschluss der Kommission zurückzuweisen, mit dem dargetan werden soll, dass eine Beschwerde nur zulässig sei, wenn sie sich auf einen Verstoß gegen die Anmeldepflicht und folglich auf das Vorliegen einer rechtswidrigen Beihilfe, nicht aber auf angemeldete Beihilfen beziehe, und dass eine Beihilfemaßnahme, die die Freistellungsvoraussetzungen einer Gruppenfreistellungsverordnung erfülle, keine solche rechtswidrige Beihilfe darstellen könne. Bei diesem Vorbringen werden nämlich die in den Rn. 138 bis 144 des Urteils vom 29. Juli 2019, Bayerische Motoren Werke und Freistaat Sachsen/Kommission (C‑654/17 P, EU:C:2019:634), aufgestellten Grundsätze außer Acht gelassen, nach denen es der Kommission obliegt, die Beschwerde gerade deshalb zu prüfen, um zu klären, ob der Vorwurf einer Missachtung der Freistellungsvoraussetzungen und damit der Anmeldepflicht begründet ist.

51      Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass keines der Argumente durchgreift, mit denen die Kommission geltend macht, dass der angefochtene Beschluss als ein außerhalb des Rahmens des Vorprüfungsverfahrens und des in Art. 4 der Verordnung 2015/1589 vorgesehenen Rahmens ergangener Beschluss sui generis einzustufen sei.

52      Dies bedeutet jedoch nicht, dass der angefochtene Beschluss wegen eines Rechtsfehlers, wegen des Fehlens einer Rechtsgrundlage oder wegen Unzuständigkeit für nichtig zu erklären wäre. Unabhängig davon, wie die Kommission den Beschluss einstuft, ist es letztlich Sache des Unionsrichters, anhand der anwendbaren Vorschriften die tatsächliche Rechtsnatur und rechtliche Tragweite des Beschlusses zu bestimmen, ebenso wie er zu beurteilen hat, ob ein Rechtsakt der Kommission im Bereich staatlicher Beihilfen mit einer Klage anfechtbar ist (vgl. Beschluss vom 11. Juli 2019, Vattenfall Europe Nuclear Energy/Kommission, T‑674/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:501, Rn. 31 ff. und die dort angeführte Rechtsprechung). Eine solche Beurteilung ist nämlich insbesondere erforderlich, um dem Unionsrichter die Feststellung zu ermöglichen, ob der fragliche Rechtsakt deshalb rechtswidrig ist, weil er von einer unzuständigen Behörde erlassen wurde oder weil ihm eine hinreichende Rechtsgrundlage fehlt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. September 2017, Slowakei und Ungarn/Rat, C‑643/15 und C‑647/15, EU:C:2017:631, Rn. 57 bis 84, und vom 25. Oktober 2017, Kommission/Rat [WRC‑15], C‑687/15, EU:C:2017:803, Rn. 40 bis 59).

53      Somit ist zu prüfen, ob der angefochtene Beschluss inhaltlich und nicht nach seiner Form in Wirklichkeit einen Beschluss gemäß Art. 4 der Verordnung 2015/1589 darstellt, ungeachtet der von der Kommission insbesondere im Lauf des Verfahrens geäußerten gegenteiligen Ansicht.

54      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in Rn. 64 des angefochtenen Beschlusses zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die fragliche Beihilfe insbesondere aufgrund ihrer Vereinbarkeit mit der Verordnung Nr. 651/2014 von der Gruppenfreistellung erfasst werde, so dass sie nicht befugt sei, die Beihilfe im Rahmen des in Art. 4 der Verordnung 2015/1589 vorgesehenen Vorprüfungsverfahrens zu prüfen. Ferner heißt es in Rn. 65 des angefochtenen Beschlusses, dass die von der Klägerin auf der Grundlage von Art. 24 Abs. 2 der Verordnung 2015/1589 erhobene Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen werde. Zudem hat die Kommission im Schreiben vom 5. September 2017, mit dem dieser Beschluss der Klägerin mitgeteilt wurde, keine Rechtsgrundlage für ihn angegeben. Sie hat sich vielmehr auf die Angabe beschränkt, dass es sich um „eine Entscheidung über die fragliche Beihilfe“ handele. Schließlich hat die Kommission in ihren Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, bei dem fraglichen Beschluss handele es sich um einen Beschluss sui generis, der außerhalb des Rahmens des Vorprüfungsverfahrens und des in Art. 4 in Verbindung mit Art. 15 Abs. 1 der Verordnung 2015/1589 vorgesehenen Verfahrens ergangen sei und rein deklaratorischen Charakter habe, ohne dass sie hierfür eine ausdrückliche oder geeignete Rechtsgrundlage hätte nennen können.

55      Im Licht dieser Begründung macht die Klägerin im Rahmen ihres ersten Klagegrundes geltend, die Kommission habe gegen eine wesentliche Formvorschrift verstoßen, was zur Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses führen müsse.

56      Wie oben in den Rn. 35 bis 51 ausgeführt, ist es aber rechtlich unmöglich, den angefochtenen Beschluss nicht als einen am Ende eines Vorprüfungsverfahrens und damit gemäß Art. 4 Abs. 3 der Verordnung 2015/1589 ergangenen Beschluss einzustufen.

57      Insoweit ist hervorzuheben, dass der angefochtene Beschluss genau wie ein Beschluss nach Art. 4 Abs. 3 der Verordnung 2015/1589 formal an die Slowakische Republik, genauer gesagt an das slowakische Außenministerium, gerichtet ist (siehe oben, Rn. 11) und nicht an die Klägerin, die im Einklang mit Art. 24 Abs. 2 Unterabs. 3 dieser Verordnung lediglich eine Abschrift des Beschlusses erhielt (siehe oben, Rn. 12).

58      Ferner ist darauf hinzuweisen, dass der angefochtene Beschluss in Form einer Zusammenfassung (sogenannte Veröffentlichung in Kurzfassung) im Sinne von Art. 32 Abs. 1 der Verordnung 2015/1589 im Amtsblatt (ABl. 2017, C 336, S. 1) unter der Rubrik „Vorhaben, gegen die von der Kommission keine Einwände erhoben werden“ veröffentlicht wurde (siehe oben, Rn. 13), also bei den Verfahren, in denen sich die Kommission zum Erlass von Beschlüssen im Sinne von Art. 4 Abs. 3 der Verordnung 2015/1589 veranlasst sah.

59      Somit ist der erste Klagegrund, mit dem gerügt wird, die Kommission habe dadurch wesentliche Formvorschriften verletzt, dass sie keinen der in Art. 4 Abs. 2 bis 4 der Verordnung 2015/1589 vorgesehenen Beschlüsse erlassen habe, in Anbetracht dessen zurückzuweisen, dass der angefochtene Beschluss nichts anderes sein kann als ein Beschluss, keine Einwände gegen die fragliche Beihilfe zu erheben, im Sinne von Art. 4 Abs. 3 dieser Verordnung.

60      Dieses Ergebnis lässt jedoch den Umfang der vom Gericht u. a. auf der Grundlage des zweiten Klagegrundes vorzunehmenden Kontrolle des angefochtenen Beschlusses unberührt.

 Zum ersten Teil des zweiten Klagegrundes: Verstoß gegen Art. 107 Abs. 3 Buchst. a AEUV

61      Mit dem ersten Teil des zweiten Klagegrundes macht die Klägerin einen Verstoß gegen Art. 107 Abs. 3 Buchst. a AEUV geltend, und zwar im Wesentlichen mit der Begründung, dass die Kommission neben der Prüfung der Zulässigkeit der fraglichen Beihilfe auf der Grundlage der Verordnung Nr. 651/2014 hätte prüfen müssen, ob die Beihilfe gemessen an Art. 107 Abs. 3 Buchst. a AEUV im Licht der Leitlinien für Regionalbeihilfen 2014-2020 (ABl. 2013, C 209, S. 1, im Folgenden: Regionalbeihilfeleitlinien), in denen eine Berücksichtigung des Kriteriums, Überkapazitäten zu vermeiden, vorgesehen sei, mit dem Binnenmarkt vereinbar sei. Die Kommission hält dem im Wesentlichen entgegen, dass der im vorliegenden Fall relevante Rechtsrahmen ausschließlich durch die anwendbaren Gruppenfreistellungsverordnungen gebildet werde und nicht durch die Leitlinien.

62      Dieser Teil des zweiten Klagegrundes greift nicht durch. Er beruht auf der unzutreffenden Prämisse, dass sich die Kommission, wenn sie mit einer Beschwerde befasst werde, mit der die Nichteinhaltung der Voraussetzungen einer – u. a. zur Umsetzung der Kriterien von Art. 107 Abs. 3 Buchst. a AEUV dienenden – Gruppenfreistellungsverordnung gerügt werde, nicht auf die Prüfung beschränken dürfe, ob die fragliche Beihilfe diese Voraussetzungen erfülle, sondern auch die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt anhand dieser Bestimmung des AEU-Vertrags prüfen müsse. Die Klägerin ist überdies zu Unrecht der Auffassung, dass diese Bestimmung u. a. im Licht der Verhaltensregeln zu verstehen sei, die sich die Kommission selbst auferlegt habe und zu denen ihre Regionalbeihilfeleitlinien gehörten.

63      Erstens stellen die Bestimmungen einer Gruppenfreistellungsverordnung nämlich unbeschadet der Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit einer vorgeblich lückenhaften Bestimmung dieser Verordnung anhand von Art. 107 Abs. 3 Buchst. a AEUV mit einer Einrede der Rechtswidrigkeit im Sinne von Art. 277 AEUV in Frage zu stellen – was die Klägerin im vorliegenden Fall nicht getan hat –, aus der Sicht des betreffenden Mitgliedstaats und der Normunterworfenen eine abschließende Regelung der darin vorgesehenen unmittelbar anwendbaren Freistellungsvoraussetzungen dar. Jede andere Auslegung hätte zur Folge, dass die nationalen Behörden trotz der Erfüllung der Freistellungsvoraussetzungen nicht automatisch befugt wären, auf eine Anmeldung der fraglichen Maßnahme zu verzichten und sie durchzuführen, und weiterhin Gefahr liefen, gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV zu verstoßen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. März 2019, Eesti Pagar, C‑349/17, EU:C:2019:172, Rn. 59, 86, 87 und 99 sowie die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 29. Juli 2019, Bayerische Motoren Werke und Freistaat Sachsen/Kommission, C‑654/17 P, EU:C:2019:634, Rn. 128 und 138).


64      Eine solche Auslegung brächte die Gefahr mit sich, nicht nur die unmittelbare Anwendbarkeit der Bestimmungen einer Gruppenfreistellungsverordnung im Sinne von Art. 288 Abs. 2 AEUV zu beeinträchtigen, sondern auch ihre praktische Wirksamkeit, die gerade in der in Art. 109 AEUV genannten Zielsetzung besteht, Arten von Beihilfen festzulegen, die als solche von dem in Art. 108 Abs. 3 AEUV vorgesehenen Verfahren ausgenommen sind, und damit den Grundsatz der Rechtssicherheit. So ergibt sich aus dem siebten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 651/2014, dass nur staatliche Beihilfen, die nicht von ihr erfasst werden, weiter der in Art. 108 Abs. 3 AEUV vorgesehenen Anmeldepflicht unterliegen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. März 2019, Eesti Pagar, C‑349/17, EU:C:2019:172, Rn. 57 bis 59, und vom 29. Juli 2019, Bayerische Motoren Werke und Freistaat Sachsen/Kommission, C‑654/17 P, EU:C:2019:634, Rn. 127 und 128).

65      Diese Grundsätze gelten entsprechend, wenn die Kommission zu prüfen hat, ob die nationalen Behörden die Bestimmungen einer Gruppenfreistellungsverordnung richtig angewandt haben. Andernfalls würden die Rechtsfolgen einer solchen Verordnung – die sofortige Wirkung der Freistellung von der Pflicht zur Anmeldung einer Beihilfe sowie die unmittelbare Anwendbarkeit der Voraussetzungen für die Freistellung und ihr rechtlich abschließender Charakter –allein deshalb in Frage gestellt, weil die Kommission mit einer Beschwerde befasst ist, aufgrund deren sie ex post facto zu prüfen hat, ob die nationalen Behörden insoweit Fehler begangen und somit gegen ihre Anmeldepflicht verstoßen haben. Auch wenn es der Kommission obliegt, unter der Kontrolle des Unionsrichters das Vorliegen solcher Fehler zu prüfen, kann ihre Überwachungspflicht diese Rechtsnatur der Bestimmungen einer Gruppenfreistellungsverordnung nicht berühren.

66      Zweitens wird das Kriterium der Vermeidung von Überkapazitäten auf dem fraglichen Markt nicht als Voraussetzung für die Freistellung einer regionalen Investitionsbeihilfe im Sinne von Art. 14 der Verordnung Nr. 651/2014 genannt. Daher kann die Klägerin nicht mit Erfolg geltend machen, dass in dieser Verordnung von den nationalen Behörden oder der Kommission verlangt werde, die etwaige Schaffung solcher Überkapazitäten zu berücksichtigen. Die Kommission macht somit zutreffend geltend, dass sie auf der Grundlage dieser Verordnung nicht befugt war, diesen Aspekt bei der Prüfung der Beschwerde der Klägerin heranzuziehen, und dass ihre in Rn. 57 Buchst. a und b des angefochtenen Beschlusses dargelegte Analyse der Voraussetzungen von Art. 14 der Verordnung grundsätzlich ausreichte.

67      Daraus folgt, dass auch das Vorbringen der Klägerin, die Kommission habe mit dem Erlass einer Gruppenfreistellungsverordnung ihr Ermessen nach Art. 107 Abs. 3 AEUV nicht „erschöpft“, zurückzuweisen ist. Selbst wenn sich einige Vorschriften einer Gruppenfreistellungsverordnung als lückenhaft und mit dem Primärrecht, insbesondere mit Art. 107 Abs. 3 AEUV, unvereinbar erweisen sollten, was automatisch einen Verstoß gegen die Anmeldepflicht und gegebenenfalls gegen das Verbot der Umsetzung der fraglichen Beihilfe im Sinne von Art. 108 Abs. 3 AEUV zur Folge hätte, könnte das Gericht nur aufgrund einer gemäß Art. 277 AEUV erhobenen Einrede der Rechtswidrigkeit darüber befinden. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin jedoch nicht aufgrund dieser Bestimmung und aus diesen Gründen geltend gemacht, dass Art. 14 der Verordnung Nr. 651/2014 zumindest teilweise rechtswidrig sei.

68      Dabei ist klarzustellen, dass die Kommission, sofern sie im Anschluss an die Einreichung einer Beschwerde feststellt, dass die nationalen Behörden die Voraussetzungen einer Gruppenfreistellungsverordnung falsch angewandt haben, so dass die fragliche Beihilfe in Wirklichkeit nach Art. 108 Abs. 3 AEUV anzumelden gewesen wäre, jedenfalls verpflichtet ist, die Vereinbarkeit dieser Beihilfe anhand von Art. 107 Abs. 3 Buchst. a AEUV zu beurteilen, und zwar unter Berücksichtigung der ergänzenden Kriterien der Regionalbeihilfeleitlinien, die sie sich insoweit selbst auferlegt hat. Die eigentliche Wahrnehmung der Kontrolle, ob die nationalen Behörden die in einer Gruppenfreistellungsverordnung vorgesehenen Freistellungsvoraussetzungen eingehalten haben, kommt hingegen einer reinen Rechtmäßigkeitskontrolle gleich, die notwendigerweise keine Erwägungen umfasst, die auf einem Ermessen der Kommission beruhen, da sie darüber nur dann verfügt, wenn sie Art. 107 Abs. 3 Buchst. a AEUV in einem Einzelfall anwendet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. März 2019, Eesti Pagar, C‑349/17, EU:C:2019:172, Rn. 78 und 79).

69      Drittens hat die Klägerin unabhängig von den vorstehenden Ausführungen nicht dargetan, dass die Rechtsprechung zu Art. 107 Abs. 3 Buchst. a AEUV die Berücksichtigung eines Kriteriums der Vermeidung von Überkapazitäten auf dem fraglichen Markt als Erfordernis vorsieht, das sich aus dem Primärrecht als solchem ergibt. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass diese Ausnahmevorschrift nicht das Fehlen einer Wettbewerbsverfälschung oder einer drohenden Wettbewerbsverfälschung erfordert; dabei handelt es sich lediglich um ein Kriterium des Beihilfebegriffs in Art. 107 Abs. 1 AEUV. Die Anwendung von Art. 107 Abs. 3 Buchst. a AEUV oder einer Gruppenfreistellungsverordnung, mit der dessen Tragweite auf der Ebene des Sekundärrechts klargestellt wird, setzt vielmehr zwingend voraus, dass die fragliche Maßnahme sämtliche Voraussetzungen des Beihilfebegriffs, einschließlich derjenigen der Verfälschung des Wettbewerbs, erfüllt, ohne dass ihre wettbewerbswidrigen Auswirkungen – insbesondere aufgrund der Schaffung von Überkapazitäten auf dem fraglichen Markt – erneut untersucht werden müssten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 29. Juli 2019, Bayerische Motoren Werke und Freistaat Sachsen/Kommission, C‑654/17 P, EU:C:2019:634, Rn. 93 und 94, sowie vom 20. Juni 2019, a&o hostel and hotel Berlin/Kommission, T‑578/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:437, Rn. 123). Im Rahmen von Art. 107 Abs. 3 Buchst. a AEUV braucht nämlich, anders als bei Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV, nicht einmal geprüft zu werden, ob die Handelsbedingungen in einer dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise verändert werden.


70      Die von der Klägerin angeführte Rechtsprechung bezieht sich hingegen ausschließlich auf die Auslegung und Umsetzung der Verhaltensregeln, die sich die Kommission selbst auferlegt hat, und nicht auf die der Tragweite des Primärrechts, mit dem diese Regeln, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs das der Kommission nach Art. 107 Abs. 3 AEUV zustehende Ermessen nicht vollständig ausschöpfen können, jedoch vereinbar seien müssen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. März 2016, Griechenland/Kommission, C‑431/14 P, EU:C:2016:145, Rn. 71 und 72, vom 19. Juli 2016, Kotnik u. a., C‑526/14, EU:C:2016:570, Rn. 41, und vom 29. Juli 2019, Bayerische Motoren Werke und Freistaat Sachsen/Kommission, C‑654/17 P, EU:C:2019:634, Rn. 83). Der Unionsrichter hat sich zudem außerhalb des Anwendungsbereichs einer Gruppenfreistellungsverordnung auf die Prüfung beschränkt, ob die Kommission die Verhaltensregeln, die sich ausdrücklich auf das Problem der Überkapazität bezogen, falsch angewendet und damit insoweit einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hatte (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. Januar 1997, Spanien/Kommission, C‑169/95, EU:C:1997:10, Rn. 22, und vom 9. September 2009, Holland Malt/Kommission, T‑369/06, EU:T:2009:319, Rn. 136). In diesem Zusammenhang hat der Unionsrichter allerdings weder geprüft, ob sich im Umkehrschluss – wie die Klägerin geltend macht – bestimmte in solche Verhaltensregeln aufgenommene Kriterien unmittelbar aus Erfordernissen des Primärrechts als solchem ergeben, noch hat er die rechtliche Tragweite oder die Rechtmäßigkeit einer Gruppenfreistellungsverordnung anhand des Primärrechts beurteilt.

71      Viertens ist auf die gefestigte Rechtsprechung hinzuweisen, wonach die Kommission in Ausübung ihres weiten Ermessens gemäß Art. 107 Abs. 3 AEUV Leitlinien erlassen kann, um die Kriterien festzulegen, auf deren Grundlage sie die Vereinbarkeit von den Mitgliedstaaten geplanter Beihilfemaßnahmen mit dem Binnenmarkt zu beurteilen gedenkt. Durch den Erlass solcher Verhaltensregeln und indem sie durch ihre Veröffentlichung ankündigt, dass sie diese künftig auf die von ihnen erfassten Fälle anwenden werde, beschränkt die Kommission selbst die Ausübung ihres Ermessens und kann grundsätzlich nicht von diesen Regeln abweichen, ohne dass dies gegebenenfalls wegen eines Verstoßes gegen allgemeine Rechtsgrundsätze wie die Gleichbehandlung oder den Vertrauensschutz geahndet würde (vgl. Urteil vom 29. Juli 2019, Bayerische Motoren Werke und Freistaat Sachsen/Kommission, C‑654/17 P, EU:C:2019:634, Rn. 81 und 82 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Außerdem ist die Kommission zwar an solche Regeln gebunden, doch unterliegt sie dieser Bindung nur insoweit, als diese Regeln nicht von einer ordnungsgemäßen Anwendung des Vertrags abweichen, da sie nicht in einem Sinne ausgelegt werden dürfen, durch den die Tragweite der Art. 107 und 108 AEUV eingeschränkt würde oder der den mit ihnen verfolgten Zielen zuwiderliefe (vgl. Urteil vom 11. September 2008, Deutschland u. a./Kronofrance, C‑75/05 P und C‑80/05 P, EU:C:2008:482, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).


72      Diese Erwägungen gelten für die Bestimmungen einer Gruppenfreistellungsverordnung entsprechend. Solche Bestimmungen stellen ebenfalls das Ergebnis einer ex ante erfolgten Wahrnehmung der der Kommission durch Art. 107 Abs. 3 AEUV verliehenen Befugnisse dar (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. März 2019, Eesti Pagar, C‑349/17, EU:C:2019:172, Rn. 65 und 102, sowie vom 29. Juli 2019, Bayerische Motoren Werke und Freistaat Sachsen/Kommission, C‑654/17 P, EU:C:2019:634, Rn. 135), sind aber im Unterschied zu Verhaltensregeln rechtlich verbindlich und in der internen Rechtsordnung der Mitgliedstaaten nach Art. 288 Abs. 2 AEUV unmittelbar anwendbar. Sie entfalten nämlich gegenüber der Kommission insofern eine beschränkende Wirkung, als sie die Kriterien von Beihilfen konkretisieren, die als ipso facto gemäß Art. 107 Abs. 3 AEUV befreit anzusehen und deshalb von der Pflicht zur Anmeldung und zur Prüfung durch die Kommission ausgenommen sind, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die Kriterien mit höherrangigen Rechtsvorschriften wie den Art. 107 und 108 AEUV im Einklang stehen. Zudem kann die Tragweite rechtlich verbindlicher und unmittelbar anwendbarer Bestimmungen einer Gruppenfreistellungsverordnung grundsätzlich nicht durch Verhaltensregeln relativiert werden. Dies gilt umso mehr, weil diese Regeln zum einen für die Mitgliedstaaten in keinem Fall rechtlich verbindlich sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Juli 2016, Kotnik u. a., C‑526/14, EU:C:2016:570, Rn. 44) und zum anderen u. a. dazu dienen, die Ausübung des Ermessens, das der Kommission bei der Anwendung von Art. 107 Abs. 3 AEUV im Rahmen eines Verfahrens nach Art. 108 Abs. 2 AEUV und somit außerhalb des Anwendungsbereichs einer Gruppenfreistellungsverordnung zusteht, zu leiten und zu begrenzen.

73      Derartige Verhaltensregeln, die von der Kommission aufgrund ihrer Organisationshoheit für ihre Verfahren im Bereich staatlicher Beihilfen erlassen wurden, können folglich höherrangige Rechtsnormen – einschließlich Gruppenfreistellungsverordnungen – nicht abbedingen. Daher sind sie unabhängig von ihrer Tragweite als solche nicht geeignet, die Tragweite der in solchen Verordnungen vorgesehenen Freistellungsvoraussetzungen zu relativieren.

74      Fünftens ist festzustellen, dass der im vorliegenden Fall anwendbare Art. 14 der Verordnung Nr. 651/2014 nicht auf die Regionalbeihilfeleitlinien und insbesondere auf deren Nr. 114 zu den wettbewerbswidrigen Auswirkungen einer durch eine staatliche Beihilfe ausgelösten Kapazitätszunahme verweist. Insoweit unterscheidet sich dieser Artikel deutlich von Art. 15 Abs. 1 der Verordnung, der regionale Betriebsbeihilfen betrifft und in dem Nr. 161 der Leitlinien ausdrücklich erwähnt wird. Die Kommission hatte mithin nicht die Absicht, die Voraussetzungen für die Zulässigkeit regionaler Investitionsbeihilfen von den in diesen Leitlinien vorgesehenen Verhaltensregeln abhängig zu machen. Folglich waren entgegen dem Vorbringen der Klägerin weder die nationalen Behörden noch die Kommission verpflichtet, die Leitlinien bei der Auslegung und Anwendung von Art. 14 der Verordnung zu berücksichtigen.

75      Schließlich wird diese Beurteilung auch nicht durch das Vorbringen der Klägerin zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und zu ihrem Recht auf unternehmerische Freiheit in Frage gestellt. Hierzu genügt die Feststellung, dass sie weder die etwaige Rechtswidrigkeit von Art. 14 der Verordnung Nr. 651/2014 in Ansehung höherrangiger Rechtsvorschriften gemäß Art. 277 AEUV dargelegt noch auch nur erläutert hat, inwieweit diese Verordnung trotz ihres klaren und erschöpfenden Wortlauts einer mit diesen Regeln im Einklang stehenden Auslegung zugänglich sein soll, mit dem Ergebnis, dass die etwaige Schaffung von Überkapazitäten auf dem fraglichen Markt hätte berücksichtigt werden müssen.

76      Folglich ist der erste Teil des zweiten Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum zweiten Teil des zweiten Klagegrundes: Verstoß gegen Art. 109 AEUV in Verbindung mit Art. 58 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 651/2014

–       Zur ersten Rüge: fehlerhafte Einstufung des begünstigten Unternehmens als KMU

77      Mit dem zweiten Teil des zweiten Klagegrundes macht die Klägerin im Rahmen ihrer ersten Rüge einen Beurteilungs- oder Rechtsfehler der Kommission bei der Anwendung von Art. 6 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 651/2014 geltend und führt zur Begründung in erster Linie aus, die fragliche Beihilfe stelle in Wirklichkeit eine Ad-hoc-Beihilfe für ein Großunternehmen dar. Die Kommission habe diese Bestimmung verletzt, da sie zu Unrecht und ohne Überprüfung die Einstufung des begünstigten Unternehmens als KMU im Sinne von Art. 2 Abs. 1 des Anhangs I der Verordnung durch die slowakischen Behörden akzeptiert habe. In Anbetracht der gesellschaftsrechtlichen Verbindungen und Beherrschungsverhältnisse, die bei diesem Unternehmen vor und nach der Veräußerung seiner Anteile durch die Gesellschaft P. an die Gesellschaft N. bestanden hätten, hätte es gemäß Art. 3 oder zumindest gemäß Art. 4 Abs. 2 des Anhangs I als Großunternehmen eingestuft werden müssen. Die Kommission habe insbesondere weder die zwischen der Gesellschaft P. einerseits sowie einer Familie und anderen von ihren Mitgliedern geleiteten oder kontrollierten Gesellschaften andererseits bestehenden Verbindungen noch die Situation des Hauptaktionärs der Gesellschaft N. seit dem 7. August 2013, einschließlich seiner Verbindungen zu anderen Gesellschaften, hinreichend untersucht. Aus diesen Gründen habe die Kommission die für Ad-hoc-Beihilfen für große Unternehmen im Sinne von Art. 6 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung geltenden Kriterien falsch angewandt; da diese Gesichtspunkte nicht sorgfältig und umfassend geprüft worden seien, hätte sie Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt haben müssen. In ihrer Antwort auf die schriftlichen Fragen des Gerichts fügt die Klägerin hinzu, um das fragliche Unternehmen als KMU einstufen zu können, hätte die Kommission in jedem Fall prüfen müssen, ob die Voraussetzungen von Art. 4 Abs. 2 des Anhangs I erfüllt seien; darauf gebe es in der Begründung des angefochtenen Beschlusses entgegen den Anforderungen von Art. 296 Abs. 2 AEUV keinen Hinweis.

78      Die Kommission entgegnet im Wesentlichen, das begünstigte Unternehmen sei im Anschluss an einen am 31. Dezember 2012 zwischen den Gesellschaften P. und N. abgeschlossenen und am 7. August 2013 in das slowakische Handelsregister eingetragenen Kaufvertrag über 100 % der Anteile an ihm zum Zeitpunkt der Gewährung der fraglichen Beihilfe (7. November 2013) ein KMU im Alleinbesitz der Gesellschaft N. gewesen. Das Vorbringen, die Gesellschaft P. sei von bestimmten natürlichen Personen kontrolliert worden, gehe somit ins Leere, da P. und das begünstigte Unternehmen nur bis zum Erwerb der Anteile durch die Gesellschaft N. verbundene Unternehmen im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 3 des Anhangs der Empfehlung der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (ABl. 2003, L 124, S. 36, im Folgenden: KMU-Empfehlung) gewesen seien. Es habe jedenfalls keinen Grund gegeben, an den von den slowakischen Behörden gelieferten Informationen zu zweifeln, wonach die Gesellschaft P. und die mit ihr verbundenen Unternehmen in den Jahren 2010 und 2011 nicht mehr als 120 Beschäftigte gehabt hätten und ein Umsatz von 50 Mio. Euro oder eine Jahresbilanzsumme von 43 Mio. Euro nicht überschritten worden seien. Zudem hätten die Beteiligungen dieses Unternehmens an anderen Unternehmen ab dem 9. Juli 2011 die in Art. 3 Abs. 2 und 3 des Anhangs I der Verordnung Nr. 651/2014 genannten Kriterien nicht erfüllt. Das Vorbringen, eine Familie habe weiterhin bestimmenden Einfluss auf die Gesellschaft P. ausgeübt, gehe ins Leere, da diese Gesellschaft keine Anteile an dem betreffenden Unternehmen mehr gehalten habe, als die fragliche Beihilfe gewährt worden sei. Auch das Vorbringen, das sich auf die in Art. 4 Abs. 2 des Anhangs I vorgesehene Zweijahresfrist stütze, gehe ins Leere, da die Gesellschaft P. im fraglichen Zeitraum nicht als Großunternehmen habe eingestuft werden können.

79      Das begünstigte Unternehmen und die Gesellschaft N. seien nicht über bestimmte natürliche Personen mit anderen Unternehmen im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 4 des Anhangs I der Verordnung Nr. 651/2014 verbunden gewesen. Zwar hätten der Vorstandsvorsitzende des begünstigten Unternehmens in der Zeit vom 1. März bis zum 28. Dezember 2012 und dessen stellvertretender Vorstandsvorsitzender seit dem 28. Dezember 2012 mehrere Mandate in verschiedenen Unternehmen bekleidet. Mit Ausnahme eines Pachtvertrags mit der Gesellschaft E. F. sei jedoch keines dieser Unternehmen auf demselben Markt wie das begünstigte Unternehmen oder auf einem benachbarten Markt tätig. Insbesondere sei die Gesellschaft L. nach den im slowakischen Handelsregister zugänglichen Informationen in einer Vielzahl von Wirtschaftsbereichen tätig. Der von der Klägerin vorgelegten Karte der Lagerstätte Borský Peter mangele es an Genauigkeit sowie an Aussagekraft zu etwaigen Verbindungen zwischen der letztgenannten Gesellschaft und dem begünstigten Unternehmen. Der Kommission lägen weder Anhaltspunkte dafür vor, dass der Vorstandsvorsitzende einen beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft L. gehabt habe oder deren Eigentümer gewesen sei, noch dafür, dass sich das begünstigte Unternehmen oder die Gesellschaft N. mit der Gesellschaft L. dergestalt abgestimmt habe, dass sie nicht mehr als wirtschaftlich voneinander unabhängige Unternehmen angesehen werden könnten.

80      Im Ergebnis habe das begünstigte Unternehmen, als die Beihilfe gewährt worden sei, sämtliche Voraussetzungen erfüllt, um als KMU eingestuft zu werden. Zur Darlegung des Anreizeffekts der Beihilfe im Sinne von Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 651/2014 reiche daher der Nachweis aus, dass der Beihilfeantrag vor dem Beginn der Arbeiten am Investitionsvorhaben gestellt worden sei.

81      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Parteien, wie im Sitzungsprotokoll der mündlichen Verhandlung vermerkt worden ist, der Auffassung sind, dass es sich bei der Frage, ob das begünstigte Unternehmen zum Zeitpunkt der Gewährung der fraglichen Beihilfe ein KMU im Sinne des Anhangs I der Verordnung Nr. 651/2014 – dessen Wortlaut dem des Anhangs der KMU-Empfehlung entspricht – war, um eine der Kontrolle des Gerichts unterliegende und für den Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits entscheidende Rechtsfrage handelt. Hierzu stellt die Kommission, ohne dass ihr die Klägerin widersprochen hätte, klar, dass die als Bruttosubventionsäquivalent (BSÄ) ausgedrückte Beihilfeintensität, wie sich aus Rn. 57 Buchst. b des angefochtenen Beschlusses ergebe, gemäß Art. 14 Abs. 12 der Verordnung die Beihilfenhöchstintensität nicht überschreiten dürfe, die in der zum Zeitpunkt der Gewährung der Beihilfe für die betreffende Zone geltenden Fördergebietskarte, im vorliegenden Fall in der Slowakischen Fördergebietskarte 2007-2013, die ein BSÄ von 40 % für Großunternehmen vorsehe, festgelegt sei. Ferner müsse gemäß dieser Randnummer im Einklang mit Art. 14 Abs. 2 der Verordnung in Verbindung mit der Definition des „Fördergebiets“ in ihrem Art. 2 das Höchst-BSÄ nach der Slowakischen Fördergebietskarte 2014-2020 (25 % für große, 35 % für mittlere und 45 % für kleine Unternehmen) beachtet werden.

82      Zum Inhalt des angefochtenen Beschlusses ist festzustellen, dass die Rüge der Klägerin in dessen Rn. 24 kurz zusammengefasst wird; dort wird angegeben, welche Verbindungen zwischen dem begünstigten Unternehmen und der Gesellschaft P. sowie ihren Eigentümern oder Führungskräften bestehen sollen. In den Rn. 38 und 39 des Beschlusses werden die von den slowakischen Behörden gelieferten Informationen zu den gesellschaftlichen Verflechtungen dargelegt, die sich auf die Situation des Unternehmens zum Zeitpunkt der Gewährung der fraglichen Beihilfe auswirkten, als 100 % der Gesellschaftsanteile allein von der Gesellschaft N. gehalten wurden, die ihrerseits von zwei natürlichen Personen in Höhe von 99,94 % und 0,06 % kontrolliert wurde, wobei es sich bei der erstgenannten Person um den Vorstandsvorsitzenden dieses Unternehmens handelte.

83      In den Rn. 38 und 39 des angefochtenen Beschlusses fehlt jedoch eine Darstellung der gesellschaftsrechtlichen Verbindungen und Beherrschungsverhältnisse, die zwischen dem begünstigten Unternehmen und insbesondere der Vorgängerin der Gesellschaft N., der Gesellschaft P. sowie ihren Anteilsinhabern oder Führungskräften, bestanden. Dies entspricht dem Inhalt der von den slowakischen Behörden mit Schreiben vom 13. Mai 2016 in Beantwortung eines Auskunftsersuchens der Kommission abgegebenen Stellungnahme. Darin machten sie geltend, das Vorbringen der Klägerin gehe ins Leere, weil es zum Zeitpunkt der Gewährung der fraglichen Beihilfe gesellschaftsrechtliche Verbindungen oder Beherrschungsverhältnisse im Sinne von Art. 3 des Anhangs I der Verordnung Nr. 651/2014 weder zwischen der Gesellschaft P. und dem begünstigten Unternehmen noch zwischen ihr und der Gesellschaft N. gegeben habe. Hinsichtlich der Situation der Gesellschaft P. beschränkten sich die slowakischen Behörden auf die Angabe, dass ihnen die Struktur der Anteilseigner dieser Gesellschaft nicht bekannt sei, da derartige Informationen nicht öffentlich zugänglich seien. Im Übrigen sei der bis zum 14. März 2012 amtierende stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende des begünstigten Unternehmens in der Zeit vom 14. März bis zum 31. Dezember 2012 weder Anteilseigner noch Mitglied einer anderen Gesellschaft mit Sitz in der Slowakei gewesen.

84      Diesen Anhaltspunkten lässt sich in Verbindung mit den von der Kommission im Lauf des Verfahrens – die Beantwortung der schriftlichen Fragen des Gerichts eingeschlossen (siehe oben, Rn. 78 bis 80) – vorgebrachten Argumenten entnehmen, dass sie sich mit dieser Stellungnahme der slowakischen Behörden zur Situation des begünstigten Unternehmens vor der Veräußerung seiner Anteile an die Gesellschaft N., d. h., als es sich noch unter der Kontrolle der Gesellschaft P. befand, zufriedengab. Diese Beurteilung wird durch die Begründung in Rn. 57 Buchst. d des angefochtenen Beschlusses bestätigt, in der die Kommission ihren Standpunkt zur Rüge der Klägerin unter Berücksichtigung der Stellungnahme der slowakischen Behörden darstellt. Dort stellt die Kommission im Wesentlichen fest, diese Behörden hätten hinreichend dargetan, dass das begünstigte Unternehmen zum Zeitpunkt der Gewährung der fraglichen Beihilfe, die nach dem einschlägigen slowakischen Recht am 7. November 2013 stattgefunden habe, ein KMU gewesen sei. Es gebe keinerlei Verbindung zwischen dem begünstigten Unternehmen und der Gesellschaft N. im Sinne der Begriffe „Partnerunternehmen“ oder „verbundene Unternehmen“ nach der Definition in Art. 3 Abs. 2 und 3 Unterabs. 1 bis 3 des Anhangs der KMU-Empfehlung, deren Wortlaut dem von Art. 3 Abs. 2 und 3 des Anhangs I der Verordnung Nr. 651/2014 entspreche. Desgleichen sei in Anbetracht der Rechtsprechung und der Entscheidungspraxis der Kommission das Kriterium der über eine natürliche Person oder eine gemeinsam handelnde Gruppe natürlicher Personen verbundenen Unternehmen im vorliegenden Fall nicht erfüllt, sofern sie zumindest teilweise auf demselben Markt oder auf benachbarten Märkten im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 4 und 5 des Anhangs der Empfehlung – deren Wortlaut dem von Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 4 und 5 des Anhangs I der Verordnung entspreche – tätig seien. Da es keinen Nachweis für enge Geschäftsbeziehungen, etwa in Form von Verkaufs- oder Kaufverträgen, gemeinsamen Lieferanten oder anderen geschäftlichen Interessen, zwischen dem begünstigten Unternehmen einerseits sowie der Gesellschaft N. und deren Hauptanteilseigner andererseits gebe, könnten das Unternehmen und die Gesellschaft nicht als zum Zeitpunkt der Gewährung der Beihilfe verbundene Unternehmen eingestuft werden. Deshalb sei den slowakischen Behörden beizupflichten, dass dieses Unternehmen zusammen mit der Gesellschaft N. ein KMU darstelle. Zur Stützung dieses Ergebnisses enthält der angefochtene Beschluss eine Tabelle mit der Gesamtzahl der Beschäftigten, der Umsätze und der Jahresergebnisse des begünstigten Unternehmens und der Gesellschaft N. in den Jahren 2010 bis 2015.

85      Hierzu ist festzustellen, dass es zwar am 7. November 2013, an dem die fragliche Beihilfe gewährt wurde, in der Tat keine strukturelle Verflechtung zwischen dem begünstigten Unternehmen und der Gesellschaft P., die ihre gesamte Beteiligung an ihm an die Gesellschaft N. veräußert hatte, mehr gab. Wie die Kommission geltend macht, wird der „Tag der Gewährung der Beihilfe“ in Art. 2 Nr. 28 der Verordnung Nr. 651/2014 im Einklang mit der Rechtsprechung (Urteile vom 21. März 2013, Magdeburger Mühlenwerke, C‑129/12, EU:C:2013:200, Rn. 40, und vom 6. Juli 2017, Nerea, C‑245/16, EU:C:2017:521, Rn. 32 und 33) so definiert, dass es sich um den Tag handelt, an dem der Beihilfeempfänger nach dem geltenden nationalen Recht einen Rechtsanspruch auf die Beihilfe erwirbt. Wie sich aus den Rn. 45 bis 47 des angefochtenen Beschlusses ergibt, trat die am 29. Oktober 2013 zwischen der Slovenská inovačná a energetická agentúra (Slowakische Innovations- und Energieagentur) und dem begünstigten Unternehmen geschlossene Fördervereinbarung nach dem anwendbaren slowakischen Recht erst am 7. November 2013 in Kraft, einen Tag nach ihrer Veröffentlichung im zentralen slowakischen Vertragsregister. Daher hatte die Kommission im vorliegenden Fall zu prüfen, ob die slowakischen Behörden zutreffend davon ausgegangen waren, dass das begünstigte Unternehmen am 7. November 2013, als es ausschließlich von der Gesellschaft N. kontrolliert wurde, ein KMU war.

86      Ungeachtet des Umstands, dass der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung des Status des begünstigten Unternehmens als KMU der 7. November 2013 war, waren die von der Klägerin vorgelegten Indizien für Verflechtungen zwischen dem begünstigten Unternehmen und der Gesellschaft P., der Rechtsvorgängerin der Gesellschaft N., jedoch geeignet, bei der Kommission Bedenken im Sinne von Art. 4 Abs. 4 der Verordnung 2015/1589 hinsichtlich der Einstufung des begünstigten Unternehmens als KMU im Sinne des Anhangs I der Verordnung Nr. 651/2014 und damit hinsichtlich des Vorliegens einer rechtswidrigen und mit dem Binnenmarkt unvereinbaren Beihilfe entstehen zu lassen.

87      Insoweit beruft sich die Klägerin zu Recht auf Art. 4 („Für die Mitarbeiterzahl und die finanziellen Schwellenwerte sowie für den Berichtszeitraum zugrunde zu legende Daten“) des Anhangs I der Verordnung Nr. 651/2014, dessen Wortlaut voll und ganz dem von Art. 4 des Anhangs der KMU-Empfehlung entspricht. Die Abs. 1 und 2 dieses Artikels lauten:

„1.      Die Angaben, die für die Berechnung der Mitarbeiterzahl und der finanziellen Schwellenwerte herangezogen werden, beziehen sich auf den letzten Rechnungsabschluss und werden auf Jahresbasis berechnet. Sie werden vom Stichtag des Rechnungsabschlusses an berücksichtigt. Die Höhe des herangezogenen Umsatzes wird abzüglich der Mehrwertsteuer (MwSt.) und sonstiger indirekter Steuern oder Abgaben berechnet.

2.      Stellt ein Unternehmen am Stichtag des Rechnungsabschlusses fest, dass es auf Jahresbasis die in Artikel 2 genannten Schwellenwerte für die Mitarbeiterzahl oder die Bilanzsumme über- oder unterschreitet, so verliert beziehungsweise erwirbt es dadurch den Status eines [KMU] erst dann, wenn es in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren zu einer Über- oder Unterschreitung kommt.“

88      Art. 4 des Anhangs I der Verordnung Nr. 651/2014 sieht vor, anhand welcher Berechnungsmethode – bezogen auf den letzten Rechnungsabschluss und auf Jahresbasis – festzustellen ist, ob die drei in Art. 2 Abs. 1 dieses Anhangs genannten, für ein KMU konstitutiven Kriterien – eine Mitarbeiterzahl von weniger als 250 Personen, ein Jahresumsatz von höchstens 50 Mio. Euro und eine Jahresbilanzsumme von höchstens 43 Mio. Euro – vorliegen. Außerdem ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Berechnung im Sinne von Art. 3 Abs. 3 des Anhangs bei verbundenen Unternehmen die relevanten Daten all dieser Unternehmen umfassen muss. Im Einklang mit diesem Erfordernis befindet sich am Ende von Rn. 57 Buchst. d des angefochtenen Beschlusses eine Tabelle mit den kombinierten Daten zu den drei in Art. 2 Abs. 1 des Anhangs genannten, für ein KMU konstitutiven Kriterien für das begünstigte Unternehmen und die Gesellschaft N. in Bezug auf die Jahre 2010 bis 2015.

89      In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission jedoch unter Berufung auf S. 14 des im Jahr 2015 vom Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union veröffentlichten „Benutzerleitfaden[s] zur Definition von KMU“ die Anwendbarkeit von Art. 4 Abs. 2 des Anhangs I der Verordnung Nr. 651/2014 auf einen Wechsel des Eigentümers eines Unternehmens, wie er im vorliegenden Fall hinsichtlich des begünstigten Unternehmens zwischen den Gesellschaften P. und N. stattfand, bestritten. In diesem Benutzerleitfaden heißt es, dass die analoge Vorschrift des Anhangs der KMU-Empfehlung „nicht im Fall von Unternehmen [gilt], die die entsprechenden KMU-Schwellenwerte aufgrund einer Änderung in den Eigentümerverhältnissen nach einer Fusion oder Übernahme überschreiten“, und dass solche Unternehmen „auf der Grundlage ihrer Beteiligungsstruktur zum Zeitpunkt des Vorgangs bewertet werden [müssen], nicht zum Zeitpunkt der Erstellung des letzten Abschlusses“. Daran schließt sich ein Verweis auf Abschnitt 1.1.3.1 Nr. 6 Buchst. e des Beschlusses 2012/838/EU, Euratom der Kommission vom 18. Dezember 2012 über die Annahme der Regeln zur Gewährleistung einer einheitlichen Prüfung der Existenz und des rechtlichen Status sowie der operativen und finanziellen Leistungsfähigkeit von Teilnehmern an indirekten Maßnahmen, die durch eine Finanzhilfe des Siebten Rahmenprogramms der Europäischen Gemeinschaft für Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration und des Siebten Rahmenprogramms der Europäischen Atomgemeinschaft für Forschungs- und Ausbildungsmaßnahmen im Nuklearbereich gefördert werden (ABl. 2012, L 359, S. 45), an, in dem klargestellt wird, dass die genannte „Regel … nicht [gilt], wenn ein KMU mit einer größeren Gruppe fusioniert oder von einer solchen erworben wird. In diesem Fall verliert das KMU seinen Status unmittelbar mit dem Tag der Transaktion.“

90      Hierzu genügt der Hinweis, dass der „Benutzerleitfaden zur Definition von KMU“, auf den im angefochtenen Beschluss im Übrigen nicht Bezug genommen wird, keinen rechtsverbindlichen Text darstellt, der die Tragweite der bindenden Regel in Art. 4 Abs. 2 des Anhangs I der Verordnung Nr. 651/2014 abändern oder einschränken könnte. Ferner wird durch einen „Haftungsausschluss“ auf der zweiten Seite des Leitfadens klargestellt, dass mit ihm „Unternehmer und sonstige Interessierte allgemeine Leitlinien [erhalten], an die sie sich bei der Anwendung der KMU-Definition halten sollten“, dass er aber „keinerlei rechtliche Wirkung [hat] und … für die Kommission in keiner Hinsicht bindend [ist]“, da die KMU-Empfehlung „die einzig verbindliche Grundlage bei der Bestimmung der Voraussetzungen für die Erfüllung der KMU-Kriterien [ist]“. Der Verweis auf Abschnitt 1.1.3.1 Nr. 6 Buchst. e des Beschlusses 2012/838 kann daran nichts ändern, da diese Bestimmung nur für Forschungs- und Ausbildungsmaßnahmen im Nuklearbereich gilt und somit im vorliegenden Fall nicht einschlägig ist. Folglich ist dieses Vorbringen der Kommission als unbegründet zurückzuweisen.

91      Daher war die Kommission im vorliegenden Fall verpflichtet, Art. 4 Abs. 2 des Anhangs I der Verordnung Nr. 651/2014 anzuwenden.

92      Zum einen ergibt sich aber weder aus der zu den Akten genommenen Stellungnahme der slowakischen Behörden noch aus dem angefochtenen Beschluss oder aus den im Lauf des Verfahrens eingereichten Schriftsätzen der Kommission – selbst nachdem das Gericht hierzu eine präzise schriftliche Frage gestellt hatte –, welchen letzten Rechnungsabschluss die slowakischen Behörden bei der gemäß Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 651/2014 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 und Art. 4 Abs. 2 ihres Anhangs I auf Jahresbasis vorgenommenen Berechnung herangezogen hatten. Zum anderen bleibt bei der Präsentation der kombinierten Daten des begünstigten Unternehmens und der Gesellschaft N. für die Jahre 2010 bis 2012 im angefochtenen Beschluss unberücksichtigt, dass das begünstigte Unternehmen in diesem Zeitraum und während eines erheblichen Teils des Jahres 2013 von der Gesellschaft P. kontrolliert wurde, deren Daten jedoch nicht herangezogen wurden. Jedenfalls war, als am 7. November 2013 die fragliche Beihilfe gewährt wurde, der letzte Rechnungsabschluss, anhand dessen eine Berechnung auf Jahresbasis durchzuführen gewesen wäre, der des Jahres 2012, in dem das begünstigte Unternehmen ausschließlich von der Gesellschaft P. und nicht von der Gesellschaft N. kontrolliert wurde. In ihrer Antwort auf die schriftlichen Fragen des Gerichts hat die Kommission im Übrigen die Relevanz des Jahres 2012 für die Anwendung von Art. 4 Abs. 1 des Anhangs I bestätigt.

93      Selbst wenn insoweit das Jahr 2013 zu berücksichtigen wäre, macht die Klägerin zu Recht geltend, dass der Jahresabschluss des begünstigten Unternehmens zwangsläufig Daten aus dem Zeitraum umfasste, in dem seine Anteile noch von der Gesellschaft P. gehalten wurden, da der Aktionärswechsel erst am 7. August 2013 in das slowakische Handelsregister eingetragen wurde (vgl. Rn. 57 Buchst. d Abs. 3 des angefochtenen Beschlusses). Um in einem solchen Fall den in Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 651/2014 in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 und 2 ihres Anhangs I vorgesehenen Kriterien zu genügen und korrekt zu bestimmen, ob das begünstigte Unternehmen zum Zeitpunkt der Gewährung der fraglichen Beihilfe ein KMU war, reichte es nicht aus, die Daten der übernehmenden Muttergesellschaft, die im Lauf des maßgeblichen Geschäftsjahrs die Kontrolle übernahm, als des mit dem begünstigten Unternehmen verbundenen Unternehmens zu berücksichtigen. Vielmehr hätten auch die Daten der übertragenden Muttergesellschaft berücksichtigt werden müssen, unter deren Kontrolle das Unternehmen einen wesentlichen Teil seiner wirtschaftlichen Tätigkeit in diesem Geschäftsjahr ausübte. Jede andere Auslegung liefe nämlich dem Sinn von Art. 4 Abs. 2 des Anhangs I zuwider, mit dem gewährleistet werden soll, dass die Beihilfe tatsächlich einem KMU zuteil wird und dass die Definition des KMU nicht durch eine rein formale Erfüllung der Kriterien umgangen wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Februar 2014, HaTeFo, C‑110/13, EU:C:2014:114, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

94      Daraus folgt, dass im vorliegenden Fall sowohl die slowakischen Behörden als auch die Kommission zum einen verpflichtet waren, den relevanten Rechnungsabschluss und das relevante Jahr für die Zwecke einer Zusammenrechnung der jeweiligen Daten der „verbundenen Unternehmen“ im Sinne von Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 651/2014 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 und Art. 4 Abs. 2 ihres Anhangs I genau zu bestimmen, und zum anderen präzisieren mussten, welche Gesellschaft oder Gesellschaften dabei zu berücksichtigen waren. Auf dieser Grundlage hatten sie überdies zu prüfen, ob gemäß Art. 4 Abs. 2 des Anhangs I die maßgeblichen Schwellenwerte für die Einstufung des begünstigten Unternehmens als KMU in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren überschritten wurden.

95      Wie oben in den Rn. 83 und 84 ausgeführt, enthält der angefochtene Beschluss hierzu jedoch keine Angaben; dies bestätigt, dass die im vorliegenden Fall relevanten Umstände unzureichend ermittelt und geprüft wurden. Die mangelnde Sorgfalt der Kommission bei der Ermittlung der bei den Gesellschaften P. und N. sowie bei ihren Führungskräften bestehenden Situation wird zudem durch die zu den Akten genommenen Informationen bestätigt. Sie lässt sich nicht damit rechtfertigen, dass sich die Kommission, ohne Bedenken im Sinne von Art. 4 Abs. 4 der Verordnung 2015/1589 haben zu müssen, auf die von den slowakischen Behörden übermittelten Informationen habe verlassen dürfen, weil diese gemäß Art. 4 Abs. 3 EUV zu loyaler Zusammenarbeit verpflichtet gewesen seien.

96      Erstens bestanden die Vorstände und Aufsichtsräte des begünstigten Unternehmens und der Gesellschaft P., wie aus den Anlagen A.21 und A.22 zur Klageschrift hervorgeht, in den Jahren 2012 und 2013 zum Teil und zeitweise aus Mitgliedern derselben Familie, wobei ein Familienmitglied beiden Vorständen angehörte. Insoweit verließ sich die Kommission trotz der von der Klägerin während des Verwaltungsverfahrens vorgelegten Nachweise zu der von dieser Familie in der Slowakei geführten Unternehmensgruppe – ohne hierzu zusätzliche Ermittlungen anzustellen – auf die vagen Angaben der slowakischen Behörden, wonach ihnen zum einen die Aktionärsstruktur der Gesellschaft P. unbekannt gewesen sei, weil derartige Informationen nicht öffentlich zugänglich seien, und zum anderen das betreffende Familienmitglied in der Zeit vom 14. März bis zum 31. Dezember 2012 weder Aktionär noch Mitglied einer anderen Gesellschaft mit Sitz in der Slowakei gewesen sei. Diese Gesichtspunkte sind jedenfalls, wie oben in Rn. 83 dargelegt, im angefochtenen Beschluss weder genannt noch gewürdigt worden. Schließlich durfte sich die Kommission insoweit nicht darauf beschränken, in ihrem Schreiben vom 9. Juli 2015 kurz zur Situation der Gesellschaft P. Stellung zu nehmen, um die in dieser Hinsicht bestehenden Bedenken zu zerstreuen und den Standpunkt zu rechtfertigen, dass der Klägerin die Gesichtspunkte, aufgrund deren die Kommission diese Gesellschaft ebenfalls als KMU eingestuft habe, hinreichend bekannt gewesen seien.

97      Zweitens beschränkte sich die Kommission hinsichtlich der Situation der Gesellschaft N. und insbesondere ihres Hauptaktionärs trotz der von der Klägerin im Lauf des Verwaltungsverfahrens vorgelegten Nachweise darauf, vage und im Vertrauen auf die von den slowakischen Behörden gelieferten Informationen in Rn. 57 Buchst. d (S. 16, Abs. 17) des angefochtenen Beschlusses festzustellen, dass „die meisten Unternehmen, in denen [dieser Aktionär] eine Führungsposition bekleidet, nicht auf demselben Markt wie [das begünstigte Unternehmen] tätig sind“. Sie vertiefte ihre Ermittlungen dazu, ob die Gesellschaft L., in der dieser Aktionär Aufsichtsratsvorsitzender war, tatsächlich auf demselben oder einem benachbarten Markt im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 4 und 5 des Anhangs I der Verordnung Nr. 651/2014 tätig war, jedoch nicht, obwohl es gewichtige, zu Bedenken Anlass gebende Anhaltspunkte dafür gab, insbesondere die Karte der Lagerstätte Borský Peter, auf der die Gesellschaft L. eindeutig als Eigentümerin einer Sandförderstätte verzeichnet ist, die an die Förderstätten der Klägerin und des begünstigten Unternehmens angrenzt.

98      Daraus folgt, dass die Kommission insoweit Bedenken im Sinne von Art. 4 Abs. 4 der Verordnung 2015/1589 hätte haben müssen.

99      Folglich greift die erste Rüge durch, ohne dass über die Zulässigkeit des neuen, die Abschlüsse des begünstigten Unternehmens für die Jahre 2014 bis 2018 betreffenden Beweisangebots (siehe oben, Rn. 15) entschieden zu werden braucht.

–       Zur zweiten Rüge: Gewährung der fraglichen Beihilfe auf der Grundlage einer Beihilferegelung

100    Mit der zweiten Rüge des zweiten Teils ihres zweiten Klagegrundes wirft die Klägerin der Kommission im Wesentlichen vor, nicht geprüft zu haben, ob die in Rede stehende Beihilfe den in der fraglichen Beihilferegelung vorgesehenen Kriterien entsprochen habe, insbesondere dem Kriterium des innovativen Charakters des Investitionsvorhabens. Damit soll dargetan werden, dass die Beihilfe in Wirklichkeit eine Ad-hoc-Beihilfe für ein Großunternehmen im Sinne von Art. 6 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 651/2014 gewesen sei.

101    Die Kommission hält dem im Wesentlichen entgegen, dass sie nicht befugt sei, Maßnahmen, die sämtliche Voraussetzungen der Verordnung Nr. 651/2014 erfüllten, allein deshalb für mit ihr unvereinbar zu erklären, weil die Maßnahmen möglicherweise zusätzlichen Kriterien des nationalen Rechts zuwiderliefen. Beim innovativen Charakter der fraglichen Beihilfe handele es sich nicht um ein in der Verordnung aufgestelltes Kriterium, das deshalb insoweit irrelevant sei.

102    Die vorliegende Rüge kann nicht durchgreifen, da keine Bestimmung der Verordnung Nr. 651/2014 vorsieht, dass die Kommission prüfen muss, ob eine Einzelbeihilfe im Einklang mit den Bewilligungskriterien der betreffenden Beihilferegelung gewährt wurde; dies fällt grundsätzlich in die Zuständigkeit der nationalen Behörden und Gerichte (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 6. Juli 2017, Nerea, C‑245/16, EU:C:2017:521, Rn. 35 und 37, sowie Schlussanträge des Generalanwalts Campos Sánchez-Bordona in der Rechtssache Nerea, C‑245/16, EU:C:2017:271, Nrn. 76 bis 78). Weder Art. 6 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung, der nach Ansicht der Klägerin im vorliegenden Fall hätte Anwendung finden müssen, da es sich bei dem begünstigten Unternehmen um ein Großunternehmen handele, noch ihr Art. 14 enthält ein solches Erfordernis.

103    Folglich ist die zweite Rüge des zweiten Teils des zweiten Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum dritten Teil des zweiten Klagegrundes: Verstoß gegen Art. 108 Abs. 2 AEUV in Verbindung mit Art. 4 Abs. 4 der Verordnung 2015/1589

104    Mit dem dritten Teil ihres zweiten Klagegrundes rügt die Klägerin, dass die Kommission gegen Art. 108 Abs. 2 AEUV in Verbindung mit Art. 4 Abs. 4 der Verordnung 2015/1589 verstoßen habe, weil sie trotz der ernsthaften Schwierigkeiten, auf die sie bei der Prüfung der fraglichen Beihilfe gestoßen sei, kein förmliches Prüfverfahren eröffnet habe.

105    Die Kommission trägt vor, sie sei nie auf ernsthafte Schwierigkeiten hinsichtlich der Vereinbarkeit der fraglichen Beihilfe mit dem Binnenmarkt gestoßen.

106    Hierzu genügt die Feststellung, dass die erste Rüge des zweiten Teils des zweiten Klagegrundes Erfolg hat, weil Bedenken im Sinne von Art. 4 Abs. 4 der Verordnung 2015/1589 bestanden (siehe oben, Rn. 81 bis 99); da dieser Begriff dem der ernsthaften Schwierigkeiten entspricht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Februar 2008, BUPA u. a./Kommission, T‑289/03, EU:T:2008:29, Rn. 328), greift der dritte Teil des zweiten Klagegrundes ebenfalls durch.

107    Folglich ist der angefochtene Beschluss für nichtig zu erklären, so dass der Klage insgesamt stattzugeben ist.

 Kosten

108    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Der Beschluss C(2017) 5050 final der Kommission vom 20. Juli 2017 über die Investitionsbeihilfe zugunsten der slowakischen Quarzsand-Produzentin NAJPI a. s. (SA.38121 [2016/FC] – Slowakei) wird für nichtig erklärt.

2.      Die Europäische Kommission trägt die Kosten.

Collins

Kreuschitz

Steinfatt

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 9. September 2020.

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon

 

      S. Papasavvas


Inhaltsverzeichnis


Vorgeschichte des Rechtsstreits

Verfahren und Anträge der Parteien

Rechtliche Würdigung

Zu den Nichtigkeitsgründen

Zur Zulässigkeit

Zur Begründetheit

Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 15 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 4 der Verordnung 2015/1589

Zum ersten Teil des zweiten Klagegrundes: Verstoß gegen Art. 107 Abs. 3 Buchst. a AEUV

Zum zweiten Teil des zweiten Klagegrundes: Verstoß gegen Art. 109 AEUV in Verbindung mit Art. 58 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 651/2014

– Zur ersten Rüge: fehlerhafte Einstufung des begünstigten Unternehmens als KMU

– Zur zweiten Rüge: Gewährung der fraglichen Beihilfe auf der Grundlage einer Beihilferegelung

Zum dritten Teil des zweiten Klagegrundes: Verstoß gegen Art. 108 Abs. 2 AEUV in Verbindung mit Art. 4 Abs. 4 der Verordnung 2015/1589

Kosten


*      Verfahrenssprache: Deutsch.