Language of document : ECLI:EU:T:2021:639

URTEIL DES GERICHTS (Neunte erweiterte Kammer)

29. September 2021(*)(i)

„Außenbeziehungen – Internationale Übereinkünfte – Europa-Mittelmeer-Assoziierungsabkommen EG‑Marokko – Abkommen in Form eines Briefwechsels zur Änderung der Protokolle Nr. 1 und Nr. 4 des Europa-Mittelmeer-Abkommens – Beschluss zur Genehmigung des Abkommens – Nichtigkeitsklage – Zulässigkeit – Parteifähigkeit – Unmittelbare Betroffenheit – Individuelle Betroffenheit – Räumlicher Geltungsbereich – Zuständigkeit – Auslegung internationalen Rechts durch den Gerichtshof – Grundsatz der Selbstbestimmung – Grundsatz der relativen Wirkung von Verträgen – Möglichkeit der Geltendmachung – Begriff der Zustimmung – Durchführung – Wertungsspielraum – Grenzen – Aufrechterhaltung der Wirkungen des angefochtenen Beschlusses“

In der Rechtssache T‑279/19,

Front populaire pour la libération de la Saguia el-Hamra et du Rio de oro (Front Polisario), Prozessbevollmächtigter: G. Devers, Rechtsanwalt,

Kläger,

gegen

Rat der Europäischen Union, vertreten durch P. Plaza García und V. Piessevaux als Bevollmächtigte,

Beklagter,

unterstützt durch

Französische Republik, vertreten durch A.‑L. Desjonquères, C. Mosser, J.‑L. Carré und T. Stehelin als Bevollmächtigte,

durch

Europäische Kommission, vertreten durch M. F. Castillo de la Torre, F. Clotuche-Duvieusart, A. Bouquet und B. Eggers als Bevollmächtigte,

und durch

Confédération marocaine de l’agriculture et du développement rural (Comader) mit Sitz  in  Rabat (Marokko), Prozessbevollmächtigte: G. Forwood, N. Colin und A. Hublet, Rechtsanwälte,

Streithelfer,

betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Beschlusses (EU) 2019/217 des Rates vom 28. Januar 2019 über den Abschluss eines Abkommens in Form eines Briefwechsels zwischen der Europäischen Union einerseits und dem Königreich Marokko andererseits zur Änderung der Protokolle Nr. 1 und Nr. 4 des Europa-Mittelmeer-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Königreich Marokko andererseits (ABl. 2019, L 34, S. 1)

erlässt

DAS GERICHT (Neunte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin J. Costeira, des Richters D. Gratsias (Berichterstatter), der Richterin M. Kancheva, des Richters B. Berke und der Richterin T. Perišin,

Kanzler: M. Marescaux, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 2. März 2021

folgendes

Urteil

I.      Vorgeschichte des Rechtsstreits

A.      Internationaler Kontext

1        Die Entwicklungen des internationalen Kontexts der Westsahara-Frage lassen sich wie folgt zusammenfassen.

2        Am 14. Dezember 1960 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen (UNO) die Resolution 1514 (XV) „Erklärung über die Gewährung der Unabhängigkeit an koloniale Länder und Völker“, in der es u. a. heißt: „Alle Völker haben das Recht auf Selbstbestimmung; kraft dieses Rechts bestimmen sie frei ihren politischen Status und verfolgen frei ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung. … Alsbaldige Schritte sind in den Treuhandgebieten und den Gebieten ohne Selbstregierung sowie in allen anderen Gebieten, welche noch nicht die Unabhängigkeit erlangt haben, zu unternehmen, um den Völkern dieser Gebiete alle Hoheitsbefugnisse zu übertragen, ohne irgendwelche Bedingungen oder Vorbehalte, im Einklang mit ihrem frei geäußerten Willen und Wunsch … Alle Staaten haben die Bestimmungen der Charta der Vereinten Nationen … auf der Grundlage der Gleichheit, der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten der Staaten und der Achtung vor den souveränen Rechten aller Völker und ihrer territorialen Integrität gewissenhaft und genau einzuhalten.“

3        Die Westsahara ist ein Gebiet im Nordwesten Afrikas, das Ende des 19. Jahrhunderts eine Kolonie des Königreichs Spanien wurde und zum Zeitpunkt der Resolution 1514 (XV) eine spanische Provinz war. 1963 nahm die UNO sie als Hoheitsgebiet ohne Selbstregierung im Sinne von Art. 73 der am 26. Juni 1945 in San Francisco unterzeichneten Charta der Vereinten Nationen (im Folgenden auch: UN-Charta) in die „Vorläufige Liste der Gebiete, auf die die Erklärung über die Gewährung der Unabhängigkeit an koloniale Länder und Völker [(Resolution 1514 [XV] der Generalversammlung)] anwendbar ist“ auf. Sie ist bis heute in der Liste der Hoheitsgebiete ohne Selbstregierung verzeichnet, die der Generalsekretär der UNO auf der Grundlage der ihm gemäß Art. 73 Buchst. e der UN-Charta übermittelten Informationen erstellt hat.

4        Am 20. Dezember 1966 verabschiedete die Generalversammlung der UNO die Resolution 2229 (XXI) „Die Frage der Gebiete Ifni und Spanisch-Sahara“, in der sie das „unveräußerliche Recht de[s] [Volkes] … von Spanisch-Sahara auf Selbstbestimmung gemäß der Resolution 1514 (XV) der Generalversammlung [bekräftigt]“ und das das Königreich Spanien als Verwaltungsmacht auffordert, „so bald wie möglich … die Modalitäten für die Organisation eines Referendums festzulegen, das unter der Aufsicht der [UNO] durchgeführt wird, damit die einheimische Bevölkerung dieses Gebiets ihr Recht auf Selbstbestimmung frei ausüben kann“.

5        Am 24. Oktober 1970 verabschiedete die Generalversammlung der UNO die Resolution 2625 (XXV), mit der sie die „Erklärung über Grundsätze des Völkerrechts betreffend freundschaftliche Beziehungen und Zusammenarbeit zwischen den Staaten im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen“, deren Wortlaut der Resolution als Anlage beigefügt ist, billigte. Diese Erklärung „verkündet feierlich“ insbesondere den „Grundsatz der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker“. Zu diesem Grundsatz heißt es dort u. a.:

„Kraft des in der Charta der Vereinten Nationen verankerten Grundsatzes der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker haben alle Völker das Recht, frei und ohne Einmischung von außen über ihren politischen Status zu entscheiden und ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung zu gestalten, und jeder Staat ist verpflichtet, dieses Recht im Einklang mit den Bestimmungen der Charta zu achten.

Die Gründung eines souveränen und unabhängigen Staates, die freie Assoziation mit einem unabhängigen Staat, die freie Eingliederung in einen solchen Staat oder der Eintritt in einen anderen, durch ein Volk frei bestimmten politischen Status sind Möglichkeiten der Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts durch das betreffende Volk.

Das Gebiet einer Kolonie oder eines anderen Hoheitsgebiets ohne Selbstregierung hat nach der Charta einen vom Hoheitsgebiet des Staates, von dem es verwaltet wird, gesonderten und unterschiedlichen Status; dieser gesonderte und unterschiedliche Status nach der Charta bleibt so lange bestehen, bis das Volk der Kolonie oder des Hoheitsgebiets ohne Selbstregierung sein Recht auf Selbstbestimmung im Einklang mit der Charta und insbesondere mit ihren Zielen und Grundsätzen ausgeübt hat.“

6        Der Front populaire pour la libération de la Saguia el-Hamra et du Rio de oro (Front Polisario) ist eine am 10. Mai 1973 in der Westsahara gegründete Organisation. Gemäß Art. 1 seiner Satzung versteht er sich als eine „nationale Befreiungsbewegung“, deren Mitglieder „für die völlige Unabhängigkeit und die Wiedererlangung der Souveränität des saharauischen Volkes über das gesamte Gebiet der Demokratischen Arabischen Republik Sahara kämpfen“.

7        Das Königreich Spanien teilte der UNO am 20. August 1974 mit, dass es beabsichtige, in der Westsahara unter der Aufsicht der UNO ein Referendum zu organisieren.

8        Am 13. Dezember 1974 verabschiedete die Generalversammlung der UNO die Resolution 3292 (XXIX), mit der sie beschloss, ein Gutachten des Internationalen Gerichtshofs (IGH) insbesondere zu folgenden Fragen einzuholen:

„I. Handelte es sich bei der Westsahara (Río de Oro und Sakiet el Hamra) zum Zeitpunkt der Kolonialisierung durch das Königreich Spanien um ein Niemandsland (terra nullius)?

Falls die erste Frage verneint wird:

II. Welche rechtlichen Bindungen bestanden zwischen diesem Gebiet und dem Königreich Marokko sowie der mauretanischen Einheit?“

9        Am 16. Oktober 1975 erstellte der IGH das erbetene Gutachten (vgl. Westsahara, Gutachten, I.C.J. Reports 1975, S. 12, im Folgenden: Westsahara-Gutachten). Darin kommt er in Rn. 162 zu folgendem Ergebnis:

„Nach den dem Gerichtshof vorgelegten Unterlagen und den ihm erteilten Auskünften bestanden während der spanischen Kolonialherrschaft zwischen dem Sultan von Marokko und bestimmten der im Gebiet der Westsahara lebenden Stämmen Rechtsbeziehungen in Form von Treueverhältnissen, gab es auch Rechte, u. a. bestimmte Rechte an Grund und Boden, die Rechtsbeziehungen zwischen der mauretanischen Einheit, so wie der Gerichtshof sie versteht, und dem Gebiet der Westsahara begründeten, bestand zwischen dem Gebiet der Westsahara und dem Königreich von Marokko bzw. der mauretanischen Einheit aber kein Verhältnis einer territorialen Souveränität. Der Gerichtshof hat also nicht das Vorliegen von Rechtsbeziehungen festgestellt, die geeignet wären, die Anwendung der Resolution 1514 (XV) [der Generalversammlung der UNO] auf die Entkolonialisierung der Westsahara, insbesondere die Anwendung des Grundsatzes der Selbstbestimmung auf der Basis eines frei und unverfälscht geäußerten Willens der Bevölkerung des Gebiets zu ändern.“

10      In Rn. 163 des Westsahara-Gutachtens heißt es:

„Der Gerichtshof ist der Auffassung, hinsichtlich der Frage I …, dass die Westsahara (Rio de Oro und Sakiet El Hamra) zum Zeitpunkt der Kolonisierung durch Spanien kein Niemandsland (terra nullius) war; hinsichtlich der Frage II …, dass das Gebiet zum Königreich Marokko Rechtsbeziehungen hatte, die die in Rn. 162 des vorliegenden Gutachtens genannten Merkmale aufwiesen.“

11      In einer am Tag der Veröffentlichung des Westsahara-Gutachtens gehaltenen Rede erklärte der König von Marokko, dass „alle Welt … anerkannt [hat], dass die [Westsahara] [zum Königreich Marokko] gehört“, und es „[seine] Sache [ist], dieses Gebiet friedlich zurückzuerlangen“, und rief deshalb zu einem Marsch auf.

12      Am 22. Oktober 1975 verabschiedete der vom Königreich Spanien angerufene Sicherheitsrat der UNO die Resolution 377 (1975), in der er den „Generalsekretär der [UNO] auf[fordert], sofortige Konsultationen mit den betroffenen und beteiligten Parteien aufzunehmen“, und „[an Letztere] appelliert, Zurückhaltung und Mäßigung zu üben“. Am 2. November 1975 verabschiedete der Sicherheitsrat der UNO die Resolution 379 (1975), in der er „alle betroffenen und beteiligten Parteien eindringlich auf[fordert], jede einseitige oder sonstige Handlung zu unterlassen, die die Spannung in der Region noch verschärfen könnte“, und „den Generalsekretär ersucht, seine Konsultationen fortzusetzen und zu intensivieren“. Nachdem der vom König von Marokko angekündigte Marsch, an dem 350 000 Personen teilnahmen, begonnen hatte und die Teilnehmer die Grenze zwischen dem Königreich Marokko und der Westsahara überschritten hatten, verabschiedete der Sicherheitsrat der UNO am 6. November 1975 die Resolution 380 (1975), in der er „mit Bedauern zur Kenntnis [nimmt], dass es zu dem … angekündigten Marsch gekommen ist“, und „[das Königreich] Marokko auf[fordert], alle Teilnehmer des Marsches unverzüglich aus dem Gebiet der Westsahara zurückzuziehen“.

13      Am 26. Februar 1976 setzte das Königreich Spanien den Generalsekretär der UNO davon in Kenntnis, dass es ab diesem Tag seine Präsenz in der Westsahara beenden werde und sich für die Verwaltung dieses Gebiets international nicht mehr als verantwortlich ansehe. In der oben in Rn. 3 erwähnten Liste der Hoheitsgebiete ohne Selbstregierung wird hinsichtlich der Westsahara auf diese Erklärung Bezug genommen, die in einer Fußnote wiedergegeben ist.

14      In der Zwischenzeit war in der Region zwischen dem Königreich Marokko, der Islamischen Republik Mauretanien und dem Front Polisario ein bewaffneter Konflikt ausgebrochen. Ein Teil der Bevölkerung der Westsahara floh vor diesem Konflikt und fand Zuflucht in Lagern auf algerischem Hoheitsgebiet nahe der Grenze zur Westsahara.

15      Am 14. April 1976 schloss das Königreich Marokko mit der Islamischen Republik Mauretanien einen Vertrag über die Aufteilung des Gebiets der Westsahara und annektierte den Teil dieses Gebiets, der ihm in diesem Vertrag zuerkannt worden war. Die Islamische Republik Mauretanien schloss am 10. August 1979 mit dem Front Polisario einen Friedensvertrag, mit dem sie hinsichtlich der Westsahara auf jegliche Gebietsansprüche verzichtete. Das Königreich Marokko übernahm die Kontrolle des von den mauretanischen Kräften geräumten Gebiets und annektierte es.

16      Am 21. November 1979 verabschiedete die Generalversammlung der UNO die Resolution 34/37 über die Frage der Westsahara, in der sie „das unveräußerliche Recht des Volkes der Westsahara auf Selbstbestimmung und Unabhängigkeit gemäß der Charta der [UNO] … sowie der Ziele [ihrer] Resolution 1514 (XV) [bekräftigt]“, „die Verschärfung der Lage, die durch die anhaltende Besetzung der Westsahara durch Marokko … entstanden ist[, zutiefst bedauert]“, „Marokko eindringlich [bittet], sich an den Friedensbemühungen zu beteiligen und die Besetzung des Gebiets der Westsahara zu beenden“, und „zu diesem Zweck [empfiehlt], dass [der Front Polisario] als Vertreter des Volkes der Westsahara ohne Einschränkungen an allen Bemühungen um eine gerechte, dauerhafte und endgültige politische Lösung der Frage der Westsahara gemäß den Resolutionen und Erklärungen der [UNO] … mitwirken sollte“. Auf diese Resolution folgte die Resolution 35/19 vom 11. November 1980 in deren Punkt 10 die Generalversammlung „Marokko und den Front Polisario als den Vertreter des Volkes der Westsahara eindringlich auf[fordert], direkte Verhandlungen aufzunehmen, um zu einer endgültigen Regelung der Frage der Westsahara zu gelangen“.

17      Der Konflikt zwischen dem Königreich Marokko und dem Front Polisario dauerte an, bis die beiden Parteien am 30. August 1988 den u. a. vom Generalsekretär der UNO unterbreiteten Vorschlägen für die Konfliktbeilegung grundsätzlich zustimmten, die insbesondere einen Waffenstillstand und die Organisation eines Referendums über die Selbstbestimmung unter der Aufsicht der UNO vorsahen.

18      Am 27. Juni 1990 verabschiedete der Sicherheitsrat der UNO die Resolution 658 (1990), in der er den „Bericht des Generalsekretärs [der UNO] [billigt], der die [oben in Rn. 17 dargelegten] Vorschläge für die Konfliktbeilegung sowie einen Abriss des Plans für deren Umsetzung enthält“, und „die beiden Parteien auf[fordert], uneingeschränkt mit dem Generalsekretär [der UNO] und dem amtierenden Präsidenten der Konferenz der Staatschefs und der Regierungen der Organisation für Afrikanische Einheit im Rahmen ihrer Bemühungen um eine schnelle Regelung der Frage der Westsahara zusammenzuarbeiten“. Am 29. April 1991 verabschiedete der Sicherheitsrat der UNO die Resolution 690 (1991), mit der eine Mission der Vereinten Nationen für die Organisation eines Referendums in der Westsahara (Minurso) eingesetzt wurde.

19      Bis heute sind die Parteien trotz der unter der Schirmherrschaft der UNO organisierten Konsultationen und Gespräche nicht zu einer Regelung der Situation in der Westsahara gelangt. Das Königreich Marokko kontrolliert den größten Teil des Gebiets der Westsahara, während der Front Polisario den übrigen Teil kontrolliert; beide Zonen sind durch einen von der Armee des Königreichs Marokko errichteten und überwachten Sandwall voneinander getrennt. Eine große Zahl von Flüchtlingen lebt noch immer in den vom Front Polisario verwalteten Lagern auf algerischem Hoheitsgebiet.

B.      Assoziationsabkommen und Liberalisierungsabkommen

20      Am 1. März 2000 trat das am 26. Februar 1996 in Brüssel unterzeichnete Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Königreich Marokko andererseits (ABl. 2000, L 70, S. 2, im Folgenden: Assoziationsabkommen) in Kraft.

21      Art. 1 Abs. 1 des Assoziationsabkommens lautet:

„Zwischen der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Marokko andererseits wird eine Assoziation gegründet.“

22      Art. 1 Abs. 2 des Assoziationsabkommens lautet:

„Ziel dieses Abkommens ist es,

–      einen geeigneten Rahmen für den politischen Dialog zwischen den Vertragsparteien zu schaffen, der die Stärkung ihrer Beziehungen in allen Bereichen ermöglicht, die sie im Rahmen dieses Dialogs als geeignet ansehen;

–      die Bedingungen für eine schrittweise Liberalisierung des Waren‑, des Dienstleistungs- und des Kapitalverkehrs festzulegen;

–      den Handel auszuweiten und die Entwicklung ausgewogener Wirtschafts- und Sozialbeziehungen zwischen den Vertragsparteien insbesondere im Wege des Dialogs und der Zusammenarbeit zu fördern und so die Entwicklung und den Wohlstand Marokkos und des marokkanischen Volkes zu begünstigen;

–      die Integration der Maghreb-Länder durch Begünstigung des Handels und der Zusammenarbeit zwischen Marokko und den Ländern der Region zu fördern;

–      die Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft, Soziales, Kultur und Finanzen zu fördern.“

23      Art. 16 des Assoziationsabkommens lautet:

„Die Gemeinschaft und Marokko nehmen schrittweise eine stärkere Liberalisierung ihres Handels mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Fischereierzeugnissen vor.“

24      Art. 94 des Assoziationsabkommens lautet:

„Dieses Abkommen gilt für die Gebiete, in denen der Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und der Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl angewendet werden, und nach Maßgabe jener Verträge einerseits sowie für das Gebiet des Königreichs Marokko andererseits.“

25      Zu dem Assoziationsabkommen wurden mehrere Protokolle geschlossen, darunter das Protokoll Nr. 1 über die Regelung der Einfuhr von landwirtschaftlichen Erzeugnissen, landwirtschaftlichen Verarbeitungserzeugnissen, Fisch und Fischereierzeugnissen mit Ursprung im Königreich Marokko in die Europäische Union (im Folgenden: Protokoll Nr. 1) und das Protokoll Nr. 4 über die Bestimmung des Begriffs „Erzeugnisse mit Ursprung in“ oder „Ursprungserzeugnisse“ und über die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen (im Folgenden: Protokoll Nr. 4).

26      Am 13. Dezember 2010 unterzeichneten die Union und das Königreich Marokko in Brüssel das Abkommen in Form eines Briefwechsels zwischen der Europäischen Union und dem Königreich Marokko mit Maßnahmen zur gegenseitigen Liberalisierung des Handels mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen, landwirtschaftlichen Verarbeitungserzeugnissen, Fisch und Fischereierzeugnissen, zur Ersetzung der Protokolle Nrn. 1, 2 und 3 und ihrer Anhänge sowie zur Änderung des Europa-Mittelmeer-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Königreich Marokko andererseits (ABl. 2012, L 241, S. 4, im Folgenden: Liberalisierungsabkommen). Am 8. März 2012 erließ der Rat der Europäischen Union den Beschluss 2012/497/EU zum Abschluss des Liberalisierungsabkommens (ABl. 2012, L 241, S. 2).

27      Wie sich aus dem Liberalisierungsabkommen und den Erwägungsgründen 1 bis 3 des Beschlusses 2012/497 ergibt, ist Ziel dieses Abkommens die in Art. 16 des Assoziationsabkommens vorgesehene schrittweise Liberalisierung des Handels mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Fischereierzeugnissen. Mit dem Liberalisierungsabkommen wurden insbesondere die Protokolle Nrn. 1, 2 und 3 des Assoziationsabkommens durch die in seinen Anhängen I und II enthaltenen Regelungen ersetzt.

28      Art. 2 Abs. 2 des Protokolls Nr. 4 des Assoziationsabkommens lautet:

„Für die Zwecke des Abkommens gelten als Ursprungserzeugnisse Marokkos:

a)      Erzeugnisse, die im Sinne des Artikels 5 in Marokko vollständig gewonnen oder hergestellt worden sind;

b)      Erzeugnisse, die in Marokko unter Verwendung von Vormaterialien hergestellt worden sind, die dort nicht vollständig gewonnen oder hergestellt worden sind, vorausgesetzt, dass diese Vormaterialien in Marokko im Sinne des Artikels 6 in ausreichendem Maße be- oder verarbeitet worden sind.“

29      Nach Art. 16 des Protokolls Nr. 4 erhalten die Ursprungserzeugnisse Marokkos bei der Einfuhr in die Gemeinschaft die Begünstigungen des Abkommens, sofern einer der in diesem Artikel genannten Ursprungsnachweise erbracht wird.

C.      Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit dem Assoziationsabkommen

1.      Rechtssachen T512/12 und C104/16 P

30      Mit Klageschrift, die am 19. November 2012 bei der Kanzlei des Gerichts einging und unter der Nummer T‑512/12 eingetragen wurde, erhob der Kläger Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses 2012/497 (Urteil vom 21. Dezember 2016, Rat/Front Polisario, C‑104/16 P, EU:C:2016:973, Rn. 38, im Folgenden: Urteil Rat/Front Polisario).

31      Zur Stützung seiner Klage in dieser Rechtssache machte der Kläger eine Reihe von Verstößen des Rates gegen seine Verpflichtungen nach dem Völkerrecht geltend, weil dieser mit seinem Beschluss 2012/497 die Anwendung des Liberalisierungsabkommens auf das Gebiet der Westsahara genehmigt habe (Urteil Rat/Front Polisario, Rn. 44).

32      Mit Urteil vom 10. Dezember 2015, Front Polisario/Rat (T‑512/12, EU:T:2015:953), erklärte das Gericht den Beschluss 2012/497, soweit damit die Anwendung des Liberalisierungsabkommens auf die Westsahara genehmigt wird, mit der Begründung für nichtig, dass der Rat seine Verpflichtung verletzt habe, vor dem Erlass des Beschlusses 2012/497 alle Umstände des Einzelfalls zu prüfen, weil er nicht untersucht habe, ob die Erzeugung dieser Waren nicht zum Nachteil der Bevölkerung dieses Gebiets erfolge und die Grundrechte der Betroffenen nicht verletzt würden (Urteil Rat/Front Polisario, Rn. 47 und 48).

33      Am 19. Februar 2016 legte der Rat ein Rechtsmittel gegen das Urteil vom 10. Dezember 2015, Front Polisario/Rat (T‑512/12, EU:T:2015:953), ein.

34      Mit dem Urteil Rat/Front Polisario hob der Gerichtshof das Urteil vom 10. Dezember 2015, Front Polisario/Rat (T‑512/12, EU:T:2015:953), auf und wies die vom Kläger beim Gericht erhobene Klage als unzulässig ab.

35      Zum einen folgte der Gerichtshof dabei dem zweiten Rechtsmittelgrund, mit dem ein Rechtsfehler des Gerichts bei der Prüfung der Klagebefugnis des Klägers geltend gemacht wurde, und insbesondere der Rüge, das Gericht habe zu Unrecht entschieden, dass das Liberalisierungsabkommen auf das Gebiet der Westsahara Anwendung finde (Urteil Rat/Front Polisario, Rn. 126).

36      Als Erstes befand der Gerichtshof, dass die Westsahara als Hoheitsgebiet ohne Selbstregierung im Sinne von Art. 73 der Charta der Vereinten Nationen nach dem Grundsatz der Selbstbestimmung, der in den Beziehungen zwischen der Union und dem Königreich Marokko anwendbar ist, einen gegenüber jedem Staat einschließlich des Königreichs Marokko gesonderten und unterschiedlichen Status hat. Er schloss daraus, dass der Ausdruck „Gebiet des Königreichs Marokko“ in Art. 94 des Assoziationsabkommens nicht dahin ausgelegt werden kann, dass die Westsahara in den räumlichen Geltungsbereich des Assoziationsabkommens fäll (Urteil Rat/Front Polisario, Rn. 86 bis 93).

37      Als Zweites befand der Gerichtshof, dass auch die in Art. 29 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 (United Nations Treaty Series, Bd. 1155, S. 331, im Folgenden: Wiener Übereinkommen) niedergelegte Regel des Gewohnheitsrechts zu berücksichtigen ist, nach der ein Vertrag jede Vertragspartei, sofern keine abweichende Absicht aus dem Vertrag hervorgeht oder anderweitig festgestellt ist, hinsichtlich „ihres gesamten Hoheitsgebiets“ bindet. Folglich war die Annahme, die Westsahara falle in den räumlichen Geltungsbereich des Assoziationsabkommens, grundsätzlich auch mit dieser Regel des Gewohnheitsrechts nicht vereinbar. Allerdings ergibt sich aus dieser Regel des Gewohnheitsrechts auch, dass ein Vertrag einen Staat hinsichtlich eines anderen Hoheitsgebiets binden kann, wenn eine solche Absicht aus dem Vertrag ersichtlich oder anderweitig festgestellt ist (Urteil Rat/Front Polisario, Rn. 94 bis 98).

38      Als Drittes stellte der Gerichtshof fest, dass auch der völkerrechtliche Grundsatz der relativen Wirkung von Verträgen zu berücksichtigen ist, da das Volk der Westsahara als an dem Assoziationsabkommen nicht beteiligter „Dritter“ im Sinne dieses Grundsatzes bei Einschluss des Gebiets der Westsahara in den Geltungsbereich des Assoziationsabkommens durch die Durchführung des Abkommens betroffen sein kann und dieser zustimmen müsste. Da jedoch die Erklärung einer solchen Zustimmung nicht ersichtlich ist, ist die Annahme, das Gebiet der Westsahara falle in den Geltungsbereich des Assoziationsabkommens, nicht mit dem in den Beziehungen zwischen der Union und dem Königreich Marokko anwendbaren Grundsatz der relativen Wirkung von Verträgen vereinbar (Urteil Rat/Front Polisario, Rn. 100 bis 107).

39      Als Viertes leitete der Gerichtshof aus der Feststellung, dass das Liberalisierungsabkommen als dem Assoziationsabkommen untergeordneter Vertrag anzusehen ist, ab, dass das Liberalisierungsabkommen zum Zeitpunkt seines Abschlusses nicht dahin verstanden werden konnte, dass das Gebiet der Westsahara in seinen räumlichen Geltungsbereich fällt, so dass es der Aufnahme einer Klausel, die dieses Gebiet ausdrücklich vom räumlichen Geltungsbereich des Abkommens ausschließt, hierfür nicht bedurfte. Die Praxis des Rates und der Europäischen Kommission nach dem Abschluss des Assoziationsabkommens konnte nach Ansicht des Gerichtshofs diese Sichtweise nicht in Frage stellen, da andernfalls angenommen werden müsste, dass die Union das Assoziations- und das Liberalisierungsabkommen in einer Weise durchführen wollte, die nicht mit den Grundsätzen der Selbstbestimmung und der relativen Wirkung von Verträgen und demnach mit dem Grundsatz der Durchführung der Verträge nach Treu und Glauben zu vereinbaren wäre (vgl. Urteil Rat/Front Polisario, Rn. 110 bis 125).

40      Zum anderen entschied der Gerichtshof den Rechtsstreit endgültig. Insoweit entschied er, dass der Kläger, da das Liberalisierungsabkommen nach den in den Beziehungen zwischen der Union und dem Königreich Marokko anwendbaren einschlägigen Völkerrechtssätzen dahin auszulegen ist, dass es auf das Gebiet der Westsahara keine Anwendung findet, in Anbetracht seines Vorbringens jedenfalls nicht als zur Erhebung einer Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses 2012/497 befugt anzusehen ist, ohne dass die übrigen Unzulässigkeitseinreden des Rates und der Kommission geprüft zu werden brauchten (vgl. Urteil Rat/Front Polisario, Rn. 128 bis 134).

2.      Rechtssache C266/16

41      Mit Entscheidung vom 27. April 2016 legte der High Court of Justice (England & Wales), Queen’s Bench Division (Administrative Court) (Hoher Gerichtshof [England und Wales], Abteilung Queen’s Bench [Kammer für Verwaltungsstreitsachen], Vereinigtes Königreich) dem Gerichtshof Fragen zur Vorabentscheidung vor, die der Sache nach dahin gingen, ob die Unionsrechtsakte betreffend die im Rahmen des Assoziationsabkommens geschlossenen internationalen Fischereiabkommen zwischen der Union und dem Königreich Marokko unter Berücksichtigung dessen, dass sie die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen der an das Gebiet der Westsahara grenzenden Gewässer ermöglichten, nach Art. 3 Abs. 5 EUV gültig sind (Urteil vom 27. Februar 2018, Western Sahara Campaign UK, C‑266/16, EU:C:2018:118, Rn. 1, 41 und 54, im Folgenden: Urteil Western Sahara Campaign UK).

42      Der Gerichtshof entschied u. a. auf der Grundlage der im Urteil Rat/Front Polisario getroffenen Feststellungen (siehe oben, Rn. 36 bis 39), dass die Prüfung der ersten Frage, bei der festgestellt wurde, dass die in Rede stehenden internationalen Abkommen keine Anwendung auf das Gebiet der Westsahara finden, nichts ergeben hat, was die Gültigkeit der damit zusammenhängenden Unionsrechtsakte im Hinblick auf Art. 3 Abs. 5 EUV berühren könnte (Urteil Western Sahara Campaign UK, Rn. 85).

3.      Beschlüsse in den Rechtssachen T180/14, T275/18 und T376/18

43      Mit Beschlüssen vom 19. Juli 2018, Front Polisario/Rat (T‑180/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:496), vom 30. November 2018, Front Polisario/Rat (T‑275/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:869), und vom 8. Februar 2019, Front Polisario/Rat (T‑376/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:77), wies das Gericht die vom Kläger gegen Handlungen des Rates betreffend den Abschluss oder die Änderung verschiedener internationaler Übereinkünfte zwischen der Union und dem Königreich Marokko erhobenen Klagen als unzulässig ab.

44      In den ersten beiden der in der vorstehenden Rn. 43 angeführten Beschlüsse stellte das Gericht unter Bezugnahme auf die Urteile Rat/Front Polisario und Western Sahara Campaign UK fest, dass dem Kläger die Klagebefugnis fehle, da die streitigen Übereinkünfte auf die Westsahara oder die an sie angrenzenden Gewässer nicht anwendbar seien (Beschlüsse vom 19. Juli 2018, Front Polisario/Rat, T‑180/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:496, Rn. 69 bis 71, und vom 30. November 2018, Front Polisario/Rat, T‑275/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:869, Rn. 41 und 42).

45      Im dritten der oben in Rn. 43 angeführten Beschlüsse befand das Gericht, dass der Beschluss des Rates vom 16. April 2018 über die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen mit dem Königreich Marokko im Hinblick auf die Änderung des partnerschaftlichen Fischereiabkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Marokko und den Abschluss eines Protokolls zur Durchführung dieses Abkommens gemäß Art. 218 Abs. 3 und 4 AEUV nur die Benennung des Verhandlungsführers oder des Leiters des Verhandlungsteams der Union und die Erteilung von Richtlinien für diese zum Gegenstand habe. Dies sei demnach eine Handlung, die Rechtswirkungen nur in den Beziehungen zwischen der Union und ihren Mitgliedstaaten sowie zwischen den Unionsorganen entfalte. Folglich wirke sich dieser Beschluss nicht auf die Rechtsstellung des Klägers aus, und dieser könne daher nicht als von diesem Beschluss unmittelbar betroffen angesehen werden (Beschluss vom 8. Februar 2019, Front Polisario/Rat, T‑376/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:77, Rn. 28 und 29).

D.      Angefochtener Beschluss und streitiges Abkommen

46      Im Anschluss an das Urteil Rat/Front Polisario ermächtigte der Rat mit Beschluss vom 29. Mai 2017 die Kommission zur Aufnahme von Verhandlungen im Namen der Union mit dem Königreich Marokko im Hinblick auf den Abschluss eines internationalen Abkommens zur Änderung der Protokolle Nrn. 1 und 4.

47      Im Rahmen der Ermächtigung der Kommission zur Aufnahme von Verhandlungen forderte der Rat diese auf, zum einen dafür zu sorgen, dass die von dem geplanten internationalen Abkommen betroffenen Bevölkerungsgruppen angemessen einbezogen werden, und zum anderen die möglichen Auswirkungen des Abkommens auf die nachhaltige Entwicklung der Westsahara zu bewerten, insbesondere die Vorteile für die lokalen Bevölkerungsgruppen und die Auswirkung der Nutzung der natürlichen Ressourcen auf die betroffenen Gebiete.

48      Die Kommission stellte das Ergebnis der Konsultationen und der Analyse, die sie zu den in der vorstehenden Rn. 47 genannten Fragen durchgeführt hatte, in ihrem Bericht vom 11. Juni 2018 über die Vorteile der Ausdehnung von Zollpräferenzen auf Erzeugnisse mit Ursprung in der Westsahara für die Bevölkerung der Westsahara und über die Konsultation dieser Bevölkerung (im Folgenden: Bericht vom 11. Juni 2018) dar. Dieser Bericht wurde mit dem Vorschlag für den Abschluss eines Abkommens in Form eines Briefwechsels zwischen der Europäischen Union und dem Königreich Marokko zur Änderung der Protokolle Nr. 1 und Nr. 4 des Europa-Mittelmeer-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Königreich Marokko andererseits (COM[2018] 481 final) vorgelegt.

49      Am 25. Oktober 2018 unterzeichneten die Union und das Königreich Marokko in Brüssel das Abkommen in Form eines Briefwechsels zwischen der Europäischen Union einerseits und dem Königreich Marokko andererseits zur Änderung der Protokolle Nr. 1 und Nr. 4 des Europa-Mittelmeer-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Königreich Marokko andererseits (im Folgenden: streitiges Abkommen).

50      Am 28. Januar 2019 erließ der Rat den Beschluss (EU) 2019/217 über den Abschluss eines Abkommens in Form eines Briefwechsels zwischen der Europäischen Union einerseits und dem Königreich Marokko andererseits zur Änderung der Protokolle Nr. 1 und Nr. 4 des Europa-Mittelmeer-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Königreich Marokko andererseits (ABl. 2019, L 34, S. 1, im Folgenden: angefochtener Beschluss).

51      In den Erwägungsgründen 3 bis 10 des angefochtenen Beschlusses heißt es:

„(3)      Die Union beeinträchtigt nicht das Ergebnis des politischen Prozesses unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen über den endgültigen Status der Westsahara und hat immer wieder ihr Engagement für die Beilegung der Streitigkeiten in der Westsahara, die gegenwärtig von den Vereinten Nationen in die Liste der Hoheitsgebiete ohne Selbstregierung aufgenommen ist und derzeit in weiten Teilen durch das Königreich Marokko verwaltet wird, bekräftigt. …

(4)      Seit dem Inkrafttreten des Assoziationsabkommens wurden aus der Westsahara stammende Erzeugnisse mit marokkanischem Ursprungszeugnis unter Inanspruchnahme der in den einschlägigen Bestimmungen dieses Abkommens vorgesehenen Zollpräferenzen in die Union eingeführt.

(5)      In seinem Urteil in der Rechtssache C‑104/16 P … hat der Gerichtshof jedoch klargestellt, dass das Assoziationsabkommen nur für das Gebiet des Königreichs Marokko und nicht für die Westsahara, ein Hoheitsgebiet ohne Selbstregierung, gilt.

(6)      Es muss dafür gesorgt werden, dass die Handelsströme, die sich im Laufe der Jahre entwickelt haben, nicht gestört werden, wobei gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz des internationalen Rechts, einschließlich der Menschenrechte, und die nachhaltige Entwicklung der betroffenen Gebiete vorgesehen werden. Der Rat hat die Kommission am 29. Mai 2017 ermächtigt, mit dem Königreich Marokko Verhandlungen im Hinblick auf die im Einklang mit dem Urteil des Gerichtshofs erfolgende Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Gewährung der im Rahmen des Assoziationsabkommens vorgesehenen Zollpräferenzen für Erzeugnisse mit Ursprung in der Westsahara aufzunehmen. Ein Abkommen zwischen der Europäischen Union und dem Königreich Marokko ist das einzige Mittel, um sicherzustellen, dass bei der Einfuhr von Erzeugnissen mit Ursprung in der Westsahara ein präferenzieller Ursprung gewährt wird, da die marokkanischen Behörden als einzige dafür sorgen können, dass die für die Gewährung solcher Präferenzen erforderlichen Vorschriften eingehalten werden.

(7)      Die Kommission hat die möglichen Auswirkungen eines solchen Abkommens auf die nachhaltige Entwicklung bewertet, insbesondere im Hinblick auf die Vor- und Nachteile, die sich durch die für die Erzeugnisse der Westsahara gewährten Zollpräferenzen für die betroffene Bevölkerung ergeben, sowie die Auswirkungen auf die Nutzung der natürlichen Ressourcen der betroffenen Gebiete. …

(8)      [A]us dieser Bewertung [ergibt sich], dass die Vorteile für die Wirtschaft in der Westsahara, die sich durch die Gewährung der im Rahmen des Assoziationsabkommens vorgesehenen Zollpräferenzen für Erzeugnisse mit Ursprung in der Westsahara ergeben, insbesondere die starke wirtschaftliche Hebelwirkung und die damit verbundene soziale Entwicklung, die im Rahmen der Konsultationen genannten Nachteile – darunter die extensive Nutzung der natürlichen Ressourcen … – insgesamt überwiegen.

(9)      Es wurde die Auffassung vertreten, dass die Ausdehnung der Zollpräferenzen auf Erzeugnisse mit Ursprung in der Westsahara insgesamt positive Auswirkungen auf die betroffene Bevölkerung haben [wird]. …

(10)      Unter Berücksichtigung der Erwägungen über die Zustimmung im Urteil des Gerichtshofs hat die Kommission gemeinsam mit dem Europäischen Auswärtigen Dienst alle im aktuellen Kontext sinnvollen und möglichen Maßnahmen zur angemessenen Einbeziehung der betroffenen Bevölkerung getroffen, um sich deren Zustimmung zum Abkommen zu vergewissern. Es wurde ein breites Spektrum an Konsultationen durchgeführt, und die sozialen, ökonomischen und politischen Akteure, die an den Konsultationen teilgenommen haben, sprachen sich mehrheitlich für die Ausdehnung der Zollpräferenzen des Assoziationsabkommens auf die Westsahara aus. Diejenigen, die diese Ausdehnung abgelehnt haben, waren im Wesentlichen der Auffassung, dass ein solches Abkommen den Standpunkt Marokkos bezüglich des Gebiets der Westsahara bekräftige. In den Bestimmungen des Abkommens lässt jedoch nichts darauf schließen, dass mit ihm die Souveränität Marokkos über die Westsahara anerkannt würde. Darüber hinaus wird die Union ihre Anstrengungen zur Unterstützung des unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen eingeleiteten und fortgesetzten Prozesses der friedlichen Beilegung der Streitigkeiten verstärken.“

52      Mit Art. 1 Abs. 1 des angefochtenen Beschlusses wird das streitige Abkommen im Namen der Union genehmigt. Dieses Abkommen ist am 19. Juli 2019 in Kraft getreten (ABl. 2019, L 197, S. 1).

53      Die Abs. 3 bis 9 des streitigen Abkommens lauten:

„Das vorliegende Abkommen gilt unbeschadet der Standpunkte der Europäischen Union bzw. des Königreichs Marokko zum Status der Westsahara.

Die beiden Vertragsparteien bekräftigen ihre Unterstützung für den Prozess im Rahmen der Vereinten Nationen und unterstützen die Bemühungen des Generalsekretärs um eine endgültige politische Lösung im Einklang mit den Grundsätzen und Zielen der Charta der Vereinten Nationen und auf der Grundlage der Resolutionen des Sicherheitsrates.

Die Europäische Union und das Königreich Marokko haben vereinbart, nach Protokoll Nr. 4 die folgende gemeinsame Erklärung in das Assoziationsabkommen einzufügen.

,Gemeinsame Erklärung über die Anwendung der Protokolle Nr. 1 und Nr. 4 des Europa-Mittelmeer-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Königreich Marokko andererseits (im Folgenden: ‚Assoziationsabkommen‘)

1.      Für Erzeugnisse mit Ursprung in der Westsahara, die der Kontrolle der Zollbehörden des Königreichs Marokko unterliegen, gelten die gleichen Handelspräferenzen wie die, die von der Europäischen Union für unter das Assoziationsabkommen fallende Erzeugnisse gewährt werden.

2.      Das Protokoll Nr. 4 gilt sinngemäß für die Zwecke der Bestimmung der Ursprungseigenschaft der in Absatz 1 genannten Erzeugnisse, auch in Bezug auf die Ursprungsnachweise.

3.      Die Zollbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und des Königreichs Marokko sind damit betraut, die Anwendung des Protokolls Nr. 4 auf diese Erzeugnisse sicherzustellen.‘

Die Europäische Union und das Königreich Marokko bekräftigen ihre Zusage, die Protokolle entsprechend den Bestimmungen des Assoziationsabkommens bezüglich der Achtung der Grundfreiheiten und der Menschenrechte anzuwenden.

Die Einfügung dieser gemeinsamen Erklärung basiert auf der seit Langem bestehenden privilegierten Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und dem Königreich Marokko, die insbesondere dadurch besiegelt wird, dass dem Königreich Marokko der fortgeschrittene Status zuerkannt wurde, sowie auf den gemeinsamen Bestrebungen der Vertragsparteien, diese Partnerschaft zu vertiefen und auszuweiten.

Im Sinne dieser Partnerschaft und um es den Vertragsparteien zu ermöglichen, die Auswirkungen dieses Abkommens insbesondere auf die nachhaltige Entwicklung zu bewerten, und zwar vor allem hinsichtlich der Vorteile für die betroffene Bevölkerung und der Nutzung der natürlichen Ressourcen der betreffenden Gebiete, haben die Europäische Union und das Königreich Marokko vereinbart, im Rahmen des Assoziationsausschusses mindestens einmal jährlich untereinander Informationen auszutauschen.

Die spezifischen Modalitäten für diese Bewertung werden mit Blick auf ihre spätestens zwei Monate nach dem Inkrafttreten dieses Abkommens erfolgende Annahme durch den Assoziationsausschuss zu einem späteren Zeitpunkt festgelegt.“

II.    Verfahren und Anträge der Parteien

54      Mit Klageschrift, die am 27. April 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden ist, hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.

55      Am 1. August 2019 hat der Rat die Klagebeantwortung eingereicht.

56      Mit Entscheidungen des Präsidenten der Fünften Kammer des Gerichts vom 10. bzw. 18. September 2019 sind die Französische Republik und die Kommission als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen worden.

57      Am 1. Oktober 2019 hat der Kläger die Erwiderung eingereicht.

58      Nach einer Änderung der Zusammensetzung der Kammern ist der Berichterstatter mit Beschluss vom 16. Oktober 2019 gemäß Art. 27 Abs. 5 der Verfahrensordnung des Gerichts der Neunten Kammer des Gerichts zugeteilt worden, der die vorliegende Rechtssache demgemäß zugewiesen worden ist.

59      Die Französische Republik und die Kommission haben ihre Streithilfeschriftsätze am 23. bzw. 29. Oktober 2019 eingereicht.

60      Mit Beschluss vom 15. November 2019, Front Polisario/Rat (T‑279/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:808), hat die Präsidentin der Neunten Kammer des Gerichts die Confédération marocaine de l’agriculture et du développement rural (Comader) als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen.

61      Am 5. Dezember 2019 hat der Rat die Gegenerwiderung eingereicht.

62      Der Kläger hat am 20. Dezember 2019 bzw. 6. Januar 2020 Stellungnahmen zu den Streithilfeschriftsätzen der Französischen Republik und der Kommission eingereicht.

63      Am 23. Januar 2020 hat die Comader ihren Streithilfeschriftsatz eingereicht. Der Kläger hat am 17. Februar 2020 seine Stellungnahme hierzu vorgelegt.

64      Am 23. November 2020 hat das Gericht auf Vorschlag der Neunten Kammer gemäß Art. 28 der Verfahrensordnung entschieden, die Rechtssache an eine mit einer höheren Richterzahl tagende Kammer zu verweisen.

65      Am 9. Dezember 2020 hat das Gericht gemäß Art. 106 Abs. 1 der Verfahrensordnung die Eröffnung des mündlichen Verfahrens beschlossen.

66      Mit zwei prozessleitenden Maßnahmen vom 17. bzw. 18. Dezember 2020 hat das Gericht zum einen den Parteien Fragen zur schriftlichen Beantwortung gestellt sowie den Kläger und die Kommission aufgefordert, ihm zusätzliche Auskünfte vorzulegen, und zum anderen die Parteien aufgefordert, in der Sitzung ihre Auffassung zu mehreren für den vorliegenden Rechtsstreit relevanten Grundsatzfragen darzulegen.

67      Der Rat auf der einen Seite sowie der Kläger, die Französische Republik, die Kommission und die Comader auf der anderen haben ihre schriftlichen Antworten auf die Fragen des Gerichts am 24. bzw. 25. Januar 2021 vorgelegt. Der Kläger und die Kommission haben im Rahmen dieser Antworten die angeforderten Auskünfte erteilt.

68      Die mündliche Verhandlung hat am 2. März 2021 stattgefunden. Am Ende dieser Sitzung ist das mündliche Verfahren für abgeschlossen erklärt worden.

69      Am 19. April 2021 hat die Kommission eine Stellungnahme zum Protokoll der mündlichen Verhandlung vorgelegt. Mit Beschluss vom 30. April 2021 hat das Gericht das mündliche Verfahren wiedereröffnet, um diese Stellungnahme zu den Akten zu nehmen und dem Kläger, dem Rat, der Französischen Republik und der Comader Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu zu geben. Der Rat und die Französische Republik sowie der Kläger und die Comader haben ihre Stellungnahmen am 12. bzw. 17. Mai 2021 abgegeben. Das mündliche Verfahren ist am 19. Mai 2021 für abgeschlossen erklärt und die Rechtssache zur Beratung gestellt worden. Ein geändertes Protokoll ist den Parteien am 22. Juni 2021 zugegangen.

70      Nach dem Tod von Richter Berke am 1. August 2021 haben die drei Richter, deren Unterschriften das vorliegende Urteil trägt, die Beratung gemäß Art. 22 und Art. 24 Abs. 1 der Verfahrensordnung fortgesetzt.

71      Der Kläger beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

–        dem Rat, der Französischen Republik, der Kommission und der Comader die Kosten aufzuerlegen.

72      Der Rat beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

73      Die Französische Republik beantragt, die Klage abzuweisen.

74      Die Kommission stellt keine förmlichen Anträge und erklärt, die Anträge des Rates zu unterstützen.

75      Die Comader beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

III. Rechtliche Würdigung

76      Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass der vorliegende Rechtsstreit den Abschluss eines Abkommens zwischen der Union und dem Königreich Marokko im Namen der Union betrifft, in dem diese Parteien übereingekommen sind, nach dem Protokoll Nr. 4 des Assoziationsabkommens eine „Gemeinsame Erklärung über die Anwendung der Protokolle Nr. 1 und Nr. 4 des Europa-Mittelmeer-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Königreich Marokko andererseits“ (im Folgenden: Gemeinsame Erklärung über die Westsahara) aufzunehmen, mit der die Handelspräferenzen, die den nach dem Protokoll Nr. 1 in die Union ausgeführten Erzeugnissen mit Ursprung in Marokko gewährt werden (siehe oben, Rn. 53), auf Erzeugnisse mit Ursprung in der Westsahara, „die der Kontrolle der Zollbehörden des Königreichs Marokko unterliegen“, ausgedehnt werden.

77      Mit seiner Klage beantragt der Kläger, der nach seinem Vorbringen „im Namen des saharauischen Volkes“ handelt, die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses, weil der Rat durch die Genehmigung des streitigen Abkommens ohne die Zustimmung dieses Volkes, obwohl das Abkommen für die Westsahara gelte, mit diesem Beschluss die unions- und die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Union im Rahmen ihrer Beziehungen mit dem Königreich Marokko verletzt habe. Insbesondere stehe das streitige Abkommen nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs in den Urteilen Rat/Front Polisario und Western Sahara Campaign UK, mit der eine solche räumliche Geltung ausgeschlossen worden sei.

78      Ohne eine förmliche Einrede der Unzulässigkeit zu erheben, macht der Rat, unterstützt von der Französischen Republik, der Kommission und der Comader, in erster Linie geltend, die vorliegende Klage sei aus zwei Gründen unzulässig, denn zum einen sei der Kläger vor den Unionsgerichten nicht parteifähig und zum anderen sei er in Bezug auf den angefochtenen Beschluss nicht klagebefugt. Im Rahmen dieser Unzulässigkeitseinwände stellen diese Verfahrensbeteiligten u. a. die Bedeutung und Ausschließlichkeit der Rolle in Frage, die der Kläger in Bezug auf das Volk der Westsahara für sich in Anspruch nimmt. Die Comader zieht die Gültigkeit der Vollmacht in Zweifel, die der Kläger seinem Anwalt erteilt habe. Hilfsweise beantragen der Rat, die Französische Republik, die Kommission und die Comader, das Vorbringen des Klägers als unbegründet zurückzuweisen. Der Rat, unterstützt von der Französischen Republik, macht der Sache nach geltend, er habe mit der Genehmigung des streitigen Abkommens der Rechtsprechung des Gerichtshofs Folge geleistet. Die Kommission und die Comader schließen sich diesem Vorbringen an und machen geltend, jedenfalls sei diese Rechtsprechung für die Prüfung der Klage u. a. deshalb nicht relevant, weil sie die Auslegung der Abkommen zwischen der Union und dem Königreich Marokko und nicht deren Gültigkeit betreffe. Zudem tragen der Rat, die Französische Republik, die Kommission und die Comader vor, eine Berufung auf die völkerrechtlichen Grundsätze, auf die der Kläger sein Vorbringen stütze, sei im vorliegenden Fall nicht möglich.

A.      Zur Zulässigkeit der Klage

1.      Zum ersten Unzulässigkeitseinwand des Rates, mit dem dieser dem Kläger die Parteifähigkeit abspricht

79      Zur Stützung seines ersten Unzulässigkeitseinwands macht der Rat geltend, der Kläger sei keine vor den Unionsgerichten parteifähige juristische Person im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV. Als Erstes habe der Kläger keine Rechtspersönlichkeit nach dem innerstaatlichen Recht eines Mitgliedstaats. Als Zweites sei der Kläger kein Völkerrechtssubjekt. Als Drittes erfülle der Kläger nicht die von den Unionsgerichten aufgestellten Kriterien für die Zuerkennung der Parteifähigkeit an eine Entität ohne Rechtspersönlichkeit, insbesondere die Voraussetzung, dass die betreffende Entität von der Union als ein gesondertes Subjekt mit Rechten und Pflichten behandelt werde.

80      Das Vorbringen der Französischen Republik, der Kommission und der Comader entspricht der Sache nach dem des Rates. Die Comader macht darüber hinaus geltend, der Kläger verfüge angesichts seiner Beziehungen zu der von der UNO und von der Union nicht anerkannten Demokratischen Arabischen Republik Sahara (DARS) nicht über die nötige Eigenständigkeit, um als eine verantwortliche Entität in Rechtsbeziehungen handeln zu können.

81      Der Kläger stützt seine Parteifähigkeit darauf, dass er eine nationale Befreiungsbewegung sei, die ihre Rechte und Pflichten aufgrund des gesonderten und unterschiedlichen Status der Westsahara und des Rechts des saharauischen Volkes auf Selbstbestimmung unmittelbar aus dem Völkerrecht ableite. Dieser Status werde u. a. durch seine Fähigkeit zum Abschluss von Übereinkünften und durch seine Anerkennung als alleiniger Vertreter dieses Volkes durch die Generalversammlung der UNO bestätigt. Als Völkerrechtssubjekt erfülle er erst recht die von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien dafür, dass eine Entität ohne Rechtspersönlichkeit als eine juristische Person im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV angesehen werden könne.

82      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 263 Abs. 4 AEUV jede natürliche oder juristische Person unter den Bedingungen nach den Abs. 1 und 2 gegen die an sie gerichteten oder sie unmittelbar und individuell betreffenden Handlungen sowie gegen Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die sie unmittelbar betreffen und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen, Klage erheben kann.

83      Sodann setzt der Begriff der juristischen Person im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV nach der Rechtsprechung zwar grundsätzlich das Bestehen einer Rechtspersönlichkeit voraus, das anhand des nationalen Rechts zu prüfen ist, nach dem die in Rede stehende juristische Person gegründet worden ist, er stimmt jedoch nicht unbedingt mit den Begriffen überein, die in den verschiedenen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten verwendet werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. April 2017, Saremar/Kommission, T‑220/14, EU:T:2017:267, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung). Demgemäß hat die Rechtsprechung bereits Entitäten die Parteifähigkeit vor den Unionsgerichten unabhängig davon zuerkannt, ob sie nach nationalem Recht als juristische Person gegründet wurden.

84      So wurde entschieden, wenn die betreffende Entität zum einen hinreichend repräsentativ für die Personen war, deren aus dem Unionsrecht fließende Rechte sie zu verteidigen behauptete, und über die nötige Autonomie und Verantwortlichkeit zum Handeln im Rahmen von durch dieses Recht bestimmten Rechtsbeziehungen verfügte und wenn sie zum anderen von den Organen als Gesprächspartner bei Verhandlungen über diese Rechte anerkannt worden war (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. Oktober 1974, Gewerkschaftsbund – Europäischer Öffentlicher Dienst u. a./Rat, 175/73, EU:C:1974:95, Rn. 9 bis 17, und vom 8. Oktober 1974, Allgemeine Gewerkschaft der Europäischen Beamten/Kommission, 18/74, EU:C:1974:96, Rn. 5 bis 13).

85      Ebenfalls in diesem Sinne wurde entschieden, wenn die Unionsorgane diese Entität als ein gesondertes Subjekt mit eigenen Rechten und Pflichten behandelt hatten. Denn es ist ein Gebot der Kohärenz und der Gerechtigkeit, einer solchen Entität die Parteifähigkeit zuzuerkennen, damit sie die ihre Rechte beschränkenden Maßnahmen der Organe oder die von diesen ihr gegenüber erlassenen nachteiligen Entscheidungen anfechten kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 28. Oktober 1982, Groupement des Agences de voyages/Kommission, 135/81, EU:C:1982:371, Rn. 9 bis 11, vom 18. Januar 2007, PKK und KNK/Rat, C‑229/05 P, EU:C:2007:32, Rn. 107 bis 112, und vom 15. Juni 2017, Al-Faqih u. a./Kommission, C‑19/16 P, EU:C:2017:466, Rn. 40).

86      Den in den vorstehenden Rn. 84 und 85 angeführten Urteilen lässt sich entnehmen, dass der Gerichtshof keinen allzu formalistischen oder strengen Ansatz gewählt hat, sondern mit seiner Rechtsprechung den überaus unterschiedlichen Umständen des jeweiligen Einzelfalls Rechnung tragen wollte (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet in der Rechtssache Rat/Front Polisario, C‑104/16 P, EU:C:2016:677, Rn. 140). Dieser Begriff ist nämlich nicht restriktiv auszulegen, wie der Gerichtshof kürzlich bestätigt hat (Urteil vom 22. Juni 2021, Venezuela/Rat [Betroffenheit eines Drittstaats], C‑872/19 P, EU:C:2021:507, Rn. 44). Folglich schließt diese Rechtsprechung nicht aus, in Anbetracht von Umständen, die sich von den in den genannten Urteilen geprüften unterscheiden, einer Entität die Parteifähigkeit vor den Unionsgerichten unabhängig davon zuzuerkennen, ob sie nach innerstaatlichem Recht über Rechtspersönlichkeit verfügt, insbesondere wenn die Erfordernisse eines wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes dies gebieten.

87      Schließlich lässt sich der Rechtsprechung entnehmen, dass Völkerrechtsubjekte wie Drittstaaten juristische Personen im Sinne des Unionsrechts sind (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 10. September 2020, Kambodscha und CRF/Kommission, T‑246/19, EU:T:2020:415, Rn. 47, 49 und 50 sowie die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. ebenfalls in diesem Sinne und entsprechend Beschluss des Vizepräsidenten des Gerichtshofs vom 17. Mai 2018, Vereinigte Staaten von Amerika/Apple Sales International u. a., C‑12/18 P[I], nicht veröffentlicht, EU:C:2018:330, Rn. 9 und die dort angeführte Rechtsprechung), wie der Gerichtshof im Übrigen kürzlich bestätigt hat (vgl. Urteil vom 22. Juni 2021, Venezuela/Rat [Betroffenheit eines Drittstaats], C‑872/19 P, EU:C:2021:507, Rn. 53).

88      Im vorliegenden Fall besitzt der Kläger unstreitig keine Rechtspersönlichkeit nach dem Recht eines Mitgliedstaats oder eines Drittstaats. Aus den Erläuterungen des Klägers geht insbesondere hervor, dass er sich in Bezug auf den Status der Westsahara als Hoheitsgebiet ohne Selbstregierung nur auf Völkerrecht und nicht auf irgendeine innerstaatliche Rechtsordnung beruft. Seine Eigenschaft als juristische Person im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV kann daher nicht nach Maßgabe einer solchen Rechtsordnung festgestellt werden.

89      Was dagegen die Frage betrifft, ob der Kläger Rechtspersönlichkeit nach Maßgabe des Völkerrechts besitzt, gehen die Auffassungen der Parteien insbesondere darin auseinander, wie sich die Rolle des Klägers im Rahmen des Selbstbestimmungsprozesses der Westsahara auf diese Frage auswirkt. Der Rat, die Französische Republik, die Kommission und die Comader führen aus, seine Repräsentativität für das Volk dieses Gebiets sei auf diese Rolle beschränkt und die Organe der UNO hätten ihm keine anderen Befugnisse auf internationaler Ebene verliehen, so dass ihm – der weder ein Staat noch eine internationale Organisation sei – seine Rechtspersönlichkeit keine Handlungsbefugnis außerhalb dieses Prozesses verleihe. Demgegenüber macht der Kläger geltend, seine internationale Rechtspersönlichkeit folge unmittelbar aus dem Selbstbestimmungsrecht dieses Volkes und aus der Rolle, die ihm von diesen Organen sowie von anderen internationalen Organisationen, von Drittstaaten und von der Union zuerkannt worden sei.

90      Somit ist im Licht der oben in den Rn. 83 bis 87 angeführten Rechtsprechung zum Begriff der juristischen Person zu prüfen, ob das Vorbringen des Klägers zu der Rolle, die er im Rahmen des Selbstbestimmungsprozesses der Westsahara spielt, geeignet ist, ihm die Parteifähigkeit vor den Unionsgerichten zu verschaffen.

91      Hierzu ist als Erstes darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in Rn. 89 des Urteils Rat/Front Polisario, auf das sich der Kläger im Rahmen der vorliegenden Klage beruft, ausgeführt hat, dass der Grundsatz der Selbstbestimmung zu den in den Beziehungen zwischen der Union und dem Königreich Marokko anwendbaren einschlägigen Völkerrechtssätzen gehört, die das Gericht hätte berücksichtigen müssen. In Rn. 105 dieses Urteils hat der Gerichtshof auf das Gutachten des IGH über die Westsahara verwiesen, wonach die Bevölkerung dieses Gebiets nach allgemeinem Völkerrecht das Recht auf Selbstbestimmung hat, wie in den Rn. 90 und 91 dieses Urteils dargelegt worden ist. Zudem hat er ausgeführt, dass die Generalversammlung der UNO in Punkt 7 ihrer Resolution 34/37 über die Frage der Westsahara empfohlen hatte, dass der Kläger „als Vertreter des Volkes der Westsahara ohne Einschränkungen an allen Bemühungen um eine gerechte, dauerhafte und endgültige politische Lösung der Frage der Westsahara … mitwirken sollte“ (siehe oben, Rn. 16).

92      Aus diesen Erwägungen ergibt sich somit, dass das Völkerrecht dem Volk der Westsahara das Selbstbestimmungsrecht zuerkennt, was von den Unionsgerichten zu berücksichtigen ist, und dass auf der Grundlage dieses Rechts dem Kläger als Vertreter dieses Volkes von der Vollversammlung der UNO das Recht zuerkannt worden ist, „ohne Einschränkungen“ an den Bemühungen um eine Lösung der Frage des endgültigen Status dieses Gebiets mitzuwirken. Darüber hinaus ist dieses Recht, wie dargelegt, in der Resolution 35/19 bekräftigt worden (siehe oben, Rn. 16), und der Kläger hat es im Rahmen der unter der Schirmherrschaft der UNO geführten Verhandlungen, an denen das Königreich Marokko und er selbst seit 1988 beteiligt sind, ausgeübt (siehe oben, Rn. 17 bis 19).

93      Im Rahmen des vorliegenden Unzulässigkeitseinwands stellen der Rat, die Französische Republik, die Kommission und die Comader indes nicht die Ausübung des Rechts zur Mitwirkung am Selbstbestimmungsprozess der Westsahara durch den Kläger als Vertreter des Volkes dieses Gebiets in Frage, das ihm von den Organen der UNO zuerkannt worden ist.

94      Zudem ist der Kläger, wie er darlegt, in seiner Eigenschaft als Vertreter des Volkes der Westsahara eine Reihe von völkerrechtlichen Verpflichtungen eingegangen. Erstens ist er Partei eines Friedensvertrags mit der Islamischen Republik Mauretanien, mit dem diese hinsichtlich der Westsahara auf jegliche Gebietsansprüche verzichtet hat (siehe oben, Rn. 15). Zweitens haben der Kläger und das Königreich Marokko Übereinkünfte über eine Reihe von Fragen bezüglich der Umsetzung der vom Sicherheitsrat mit der Resolution 658 (1990) gebilligten Vorschläge des Generalsekretärs der UNO erzielt. Es ist festzustellen, dass diese Organe, wie der Kläger in der Erwiderung geltend gemacht hat und wie aus den von ihm angeführten Schreiben und Resolutionen der Organe der UNO hervorgeht, das Königreich Marokko und den Kläger regelmäßig an ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen erinnern und somit u. a. Letzteren als an die kraft dieser Übereinkünfte eingegangenen Verpflichtungen gebunden ansehen. Drittens unterliegt der Kläger, wie er ebenfalls geltend macht, den Anforderungen des humanitären Völkerrechts, die u. a. in den vier Genfer Abkommen vom 12. August 1949 und in dem am 8. Juni 1977 unterzeichneten Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte (Protokoll I), dem er am 23. Juni 2015 beigetreten ist, niedergelegt sind.

95      Außerdem bestreiten der Rat, die Französische Republik, die Kommission und die Comader nicht, dass der Kläger, wie er geltend macht, an den Arbeiten des Sonderausschusses für Entkolonialisierung zur Frage der Westsahara und an den gemeinsamen Arbeiten der im Rahmen des Wirtschafts- und Sozialausschusses der Vereinten Nationen geschaffenen Wirtschaftskommission für Afrika (ECA) und des Technischen Sonderausschusses der Afrikanischen Union zu Finanzen, Währungsangelegenheiten, wirtschaftlicher Planung und Integration mitgewirkt hat.

96      Der Kläger ist demnach auf internationaler Ebene als Vertreter des Volkes der Westsahara anerkannt, selbst wenn sich, wie der Rat, die Französische Republik, die Kommission und die Comader geltend machen, diese Anerkennung in dem begrenzten Rahmen des Selbstbestimmungsprozesses dieses Gebiets bewegt. Zudem bedeutet seine Teilnahme an diesem Prozess, dass er über die erforderliche Autonomie und Verantwortlichkeit verfügt, um in diesem Rahmen zu handeln, was im Übrigen durch seine zu den Akten gereichte Satzung bestätigt wird.

97      Art und Umfang der Rechte und Pflichten des Klägers sind zwar, wie der Rat, die Französische Republik, die Kommission und die Comader der Sache nach geltend machen, den Rechten und Pflichten von Staaten oder internationalen Organisationen nicht gleichwertig, was der Kläger im Übrigen nicht bestreitet. Es ist jedoch festzustellen, dass seine Fähigkeit, als Vertreter des Volkes eines Hoheitsgebiets ohne Selbstregierung im Kontext des Selbstbestimmungsprozesses der Westsahara zu verhandeln und internationale Verpflichtungen einzugehen und an den Arbeiten internationaler Organisationen zu dieser Frage teilzunehmen, zu den Grundelementen der Rechtspersönlichkeit gehört (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet in der Rechtssache Rat/Front Polisario, C‑104/16 P, EU:C:2016:677, Nr. 146; vgl. ebenfalls in diesem Sinne und entsprechend Beschluss vom 11. Dezember 1973, Générale sucrière u. a./Kommission, 41/73, 43/73 bis 48/73, 50/73, 111/73, 113/73 und 114/73, EU:C:1973:151, Rn. 3).

98      Als Zweites macht der Kläger zu Recht geltend, dass die Unionsorgane seine Rolle und seine Repräsentativität zur Kenntnis genommen hätten. Zum einen hat der Gerichtshof selbst in Rn. 105 des Urteils Rat/Front Polisario die Anerkennung dieser Repräsentativität durch die Vollversammlung der UNO zur Kenntnis genommen (siehe oben, Rn. 91). Zum anderen macht der Kläger Angaben, aus denen hervorgeht, dass er in regelmäßigem Gedankenaustausch mit der Kommission über Fragen zur Situation der Westsahara steht. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die Parteien zwar über die Einstufung des Gedankenaustauschs zwischen dem Kläger und dem Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) vor Abschluss des streitigen Abkommens uneins sind, dass aber nicht bestritten wird, dass dieser Gedankenaustausch am 5. Februar 2018 stattgefunden hat und u. a. die Frage der Anwendung des Assoziationsabkommens auf Erzeugnisse mit Ursprung in der Westsahara betraf. In ihrem Bericht vom 11. Juni 2018 legte die Kommission die Haltung des Klägers zum geplanten Abschluss des streitigen Abkommens unter ausdrücklicher Bezugnahme auf diesen Austausch dar. Obwohl der Kläger nicht an den Verhandlungen über das streitige Abkommen beteiligt war, macht er somit zu Recht geltend, dass er von den Unionsorganen als legitimer Ansprechpartner zu Fragen angesehen wird, die dieses Gebiet betreffen können, und zwar auch, um seine Haltung zum Abschluss dieses Abkommens zum Ausdruck zu bringen.

99      Als Drittes ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in Rn. 106 des Urteils Rat/Front Polisario festgestellt hat, dass das Volk der Westsahara in Anbetracht der Ausführungen in Rn. 105 dieses Urteils (siehe oben, Rn. 91) als „Dritter“ im Sinne des Grundsatzes der relativen Wirkung von Verträgen anzusehen ist und als solcher im Fall des Einschlusses des Gebiets der Westsahara in den Geltungsbereich des Assoziationsabkommens von der Durchführung des Abkommens betroffen sein kann, so dass diese jedenfalls seiner Zustimmung bedürfte.

100    Mit der vorliegenden Klage will der Kläger aber das Selbstbestimmungsrecht des Volkes der Westsahara verteidigen, weil er der Ansicht ist, dass der angefochtene Beschluss dieses Recht dadurch verletze, dass mit ihm der Abschluss eines Abkommens mit dem Königreich Marokko genehmigt werde, das entgegen der Entscheidung des Gerichtshofs ohne seine Zustimmung auf dieses Gebiet Anwendung finde (siehe oben, Rn. 77). Folglich ist festzustellen, dass es in dieser besonderen Situation die Erfordernisse eines wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes jedenfalls gebieten, dem Kläger die Fähigkeit zur Erhebung einer Klage beim Gericht zur Verteidigung dieses Rechts zuzuerkennen.

101    In Anbetracht aller dieser Umstände ist der Kläger als juristische Person im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV einzustufen, die über die Parteifähigkeit vor den Unionsgerichten für die Erhebung der vorliegenden Klage verfügt. Diese Parteifähigkeit besteht unbeschadet seiner Verpflichtung, darzutun, dass er die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt und insbesondere in Bezug auf den angefochtenen Beschluss klagebefugt ist.

102    Das Vorbringen des Rates, der Französischen Republik, der Kommission und der Comader stellt diese Schlussfolgerung nicht in Frage.

103    Als Erstes ist ihr Vorbringen, der Kläger sei nicht der alleinige Vertreter des Volkes der Westsahara und seine Repräsentativität für dieses Volk sei auf den Selbstbestimmungsprozess dieses Hoheitsgebiets ohne Selbstregierung begrenzt, auf jeden Fall zurückzuweisen, da nicht bestritten wird, dass die Organe der UNO dem Kläger die Eigenschaft des Vertreters des Volkes der Westsahara zuerkannt haben. Gleiches gilt für das Vorbringen, er sei von den Organen der UNO nicht ausdrücklich als eine nationale Befreiungsbewegung definiert worden oder er habe keinen Beobachterstatus bei diesen Organen erhalten. Aus denselben Gründen kann auch das Vorbringen nicht durchgreifen, er habe nur eine allenfalls „funktionale“ oder „transitorische“ Rechtspersönlichkeit. Dieses gesamte Vorbringen bezieht sich nämlich nur auf die Grenzen der Rolle und der Repräsentativität des Klägers, stellt jedoch nicht deren Bestehen in Frage.

104    Als Zweites ist zum Vorbringen der Comader, der Kläger sei nicht unabhängig von der DARS, festzustellen, dass diesem als Vertreter des Volkes der Westsahara und nicht zur Vertretung der DARS das Recht zur Mitwirkung an dem unter der Schirmherrschaft der UNO stehenden Prozess im Hinblick auf den endgültigen Status dieses Gebiets zuerkannt worden ist und dass er im Zusammenhang mit diesem Prozess Verpflichtungen eingegangen ist. Jedenfalls geht, wie der Kläger darlegt, aus dem Gesamttext von Art. 31 der „Verfassung“ der DARS, der von der Comader zur Stützung ihres Vorbringens in Teilen angeführt wird, hervor, dass diese Bestimmung dem Kläger eine Autonomie zuerkennt als politische Organisation mit dem Auftrag, den Kampf für die Unabhängigkeit dieses Gebiets zu strukturieren und zu fördern. Das Vorbringen der Comader erlaubt daher nicht die Annahme, dass dem Kläger wegen seiner Verbindungen zur DARS die erforderliche Autonomie und Verantwortlichkeit für ein Handeln im Rahmen dieser Rechtsbeziehungen fehlten.

105    Als Drittes ist festzustellen, dass die Parteifähigkeit des Klägers nicht durch das Vorbringen in Frage gestellt wird, zwischen ihm und der Union oder zwischen ihm und den Mitgliedstaaten bestehe keinerlei Rechtsbeziehung, aus der sich für ihn Rechte und Pflichten ergäben und die seitens der Union oder der Mitgliedstaaten eine Form der „völkerrechtlichen Anerkennung“ darstellte.

106    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Union eine Rechtsunion ist, in der weder ihre Mitgliedstaaten noch ihre Organe der Kontrolle daraufhin entzogen sind, ob ihre Handlungen mit der vom EU- und vom AEU-Vertrag gebildeten Verfassungsurkunde der Union im Einklang stehen, und dass mit diesem Vertrag ein umfassendes System von Rechtsbehelfen und Verfahren geschaffen worden ist, das dem Gerichtshof die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Handlungen der Organe zuweist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. September 2008, Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission, C‑402/05 P und C‑415/05 P, EU:C:2008:461, Rn. 281 und die dort angeführte Rechtsprechung).

107    Gemäß Art. 256 Abs. 1 und Art. 263 AEUV ist das Gericht für die Entscheidung über die Nichtigkeitsklage gegen eine Handlung der Union zuständig, mit der es im vorliegenden Fall befasst ist. Der Kläger macht geltend, der angefochtene Beschluss betreffe ihn als Vertreter des Volkes der Westsahara unmittelbar und individuell. Das Selbstbestimmungsrecht dieses Volkes, das der Kläger im Rahmen der vorliegenden Klage zu verteidigen beabsichtigt, haben die Organe zu beachten. Folglich kann im Stadium der Prüfung seiner Parteifähigkeit nicht ausgeschlossen werden, dass eine Rechtsbeziehung zwischen der Union und dem Kläger besteht, was im Rahmen der Prüfung der unmittelbaren und individuellen Betroffenheit des Klägers durch den angefochtenen Beschluss zu untersuchen sein wird. Dem steht die vom Rat angeführte Rn. 22 des Beschlusses vom 3. April 2008, Landtag Schleswig-Holstein/Kommission (T‑236/06, EU:T:2008:91), nicht entgegen, der, wie der Kläger geltend gemacht hat, im vorliegenden Fall nicht einschlägig ist. Diese Randnummer des genannten Beschlusses bezieht sich nämlich auf die Frage, ob eine Gebietseinheit eines Mitgliedstaats die Eigenschaft einer juristischen Person im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV hat.

108    Jedenfalls ist oben in Rn. 98 bereits festgestellt worden, dass die Unionsorgane die Rolle und die Repräsentativität des Klägers zur Kenntnis genommen und ihn als legitimen Ansprechpartner in der Frage der Westsahara angesehen haben. Der Umstand, dass er kein Adressat irgendeiner Unionshandlung ist, ist somit für die Beurteilung seiner Parteifähigkeit nicht entscheidend.

109    Als Viertes wandelt sich das Gericht entgegen dem, was die Kommission der Sache nach vorbringt, mit der Feststellung, dass der Kläger vor ihm parteifähig ist, nicht zu einem „quasi internationalen“ Gericht, das von einer Partei einer internationalen „Streitigkeit“ angerufen werden kann, auch wenn dieser nach dem Recht eines Mitgliedstaats oder eines Drittstaats die Parteifähigkeit fehlt.

110    Zum einen betrifft nämlich der vorliegende Rechtsstreit, wie bereits dargelegt, eine Klage auf Nichtigerklärung einer Handlung der Union. Er betrifft nicht die internationale „Streitigkeit“, in der der Kläger Partei ist.

111    Zum anderen können eine internationale Übereinkunft oder Handlungen einer internationalen Organisation nicht die in den Verträgen festgelegte Zuständigkeitsordnung und damit die Autonomie des Rechtssystems der Europäischen Union beeinträchtigen, deren Wahrung der Gerichtshof kraft der ihm mit Art. 19 EUV verliehenen ausschließlichen Zuständigkeit sichert. Zudem schreibt die UN‑Charta den Mitgliedern der UNO oder den von einigen dieser Mitglieder gebildeten regionalen Organisationen kein bestimmtes Modell für die Beachtung oder die Berücksichtigung der Resolutionen ihrer Organe in ihrer internen Rechtsordnung vor (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 3. September 2008, Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission, C‑402/05 P und C‑415/05 P, EU:C:2008:461, Rn. 282 und 298).

112    Folglich kommt es im vorliegenden Fall nur darauf an, dass der Kläger die im Unionsrecht geltenden Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt, insbesondere die Voraussetzungen, die sich aus dem Begriff der juristischen Person im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV ergeben. Die Anerkennung der Parteifähigkeit des Klägers im Rahmen des vorliegenden Verfahrens hat somit keineswegs zur Folge, das Gericht zu einem „quasi internationalen Gericht“ zu machen, da diese Anerkennung im strikten Rahmen der Ausübung der dem Gericht durch das Unionsrecht zugewiesenen Aufgaben erfolgt.

113    Als Fünftes ist zum Vorbringen der Kommission, das Gericht würde sich an die Stelle der Organe setzen, die für die Außenbeziehungen der Union zuständig seien, und eine „politische“ Entscheidung erlassen, wenn es dem Kläger die Parteifähigkeit zuerkennte, darauf hinzuweisen, dass die Ausübung der den Unionsorganen übertragenen Zuständigkeiten im internationalen Bereich gleichwohl nicht der gerichtlichen Kontrolle entzogen ist. Im Übrigen kann der Unionsrichter Erwägungen der internationalen Politik und der Opportunität keinen Vorrang vor den Zuständigkeitsregeln des Art. 263 Abs. 4 AEUV einräumen, da er damit seine Befugnisse überschreiten würde (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Beschluss vom 25. September 2019, Magnan/Kommission, T‑99/19, EU:T:2019:693, Rn. 34 und 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

114    Nach alledem ist der Unzulässigkeitseinwand des Rates, mit dem dieser dem Kläger die Parteifähigkeit abspricht, zurückzuweisen.

2.      Zur Gültigkeit der Vollmacht, die der Kläger seinem Anwalt erteilt hat

115    Die Comader bezweifelt die Gültigkeit der Vollmacht, die der Kläger seinem Anwalt erteilt hat. Es sei fraglich, ob diese Vollmacht rechtswirksam vom „politischen Sekretär“ des Klägers, wie im vorliegenden Fall geschehen, unterschrieben werden könne. Zudem werde die Funktion des „politischen Sekretärs“ in dem vom Kläger vorgelegten Auszug seiner Satzung nicht erwähnt. Das Gericht müsse die Ordnungsgemäßheit dieser Vollmacht überprüfen. Falls diese nicht gegeben sei, müsse die Klage insbesondere nach Art. 51 Abs. 3 der Verfahrensordnung für unzulässig erklärt werden.

116    Auf eine entsprechende Frage im Rahmen der prozessleitenden Maßnahme vom 17. Dezember 2020 hat der Kläger ausgeführt, erstens sei er keine „juristische Person des Privatrechts“ im Sinne von Art. 51 Abs. 3 der Verfahrensordnung. Zweitens habe allen Klagen, die er seit 2012 erhoben habe, eine von seinem „politischen Sekretär“ unterschriebene Vollmacht zugrunde gelegen, ohne dass deren Gültigkeit je angezweifelt worden sei. Drittens sei das „Sekretariat der politischen Organisation“, an dessen Spitze der Unterzeichner der Vollmacht stehe, Teil der „wesentlichen Strukturen des Front“ und sei Gegenstand der Art. 119 bis 130 seiner Satzung. Viertens gingen aus den online verfügbaren Dokumenten der Unterzeichner der Vollmacht und seine Aufgaben eindeutig hervor. Aus alledem ergebe sich nach der Rechtsprechung die unzweifelhafte Absicht des Klägers, die vorliegende Klage zu erheben. Zur Stützung dieses Vorbringens legt der Kläger den vollen Text seiner Satzung, die auf seinem vom 16. bis 23. Dezember 2015 abgehaltenen 14. Kongress verabschiedet worden sei, sowie die von ihm in Bezug genommenen online verfügbaren Dokumente vor.

117    Einleitend ist zum einen darauf hinzuweisen, dass der Unionsrichter von Amts wegen zu prüfen hat, ob unverzichtbare Prozessvoraussetzungen fehlen, auch wenn dies erstmals von einem Streithelfer geltend gemacht worden ist (vgl. entsprechend Urteil vom 14. April 2005, Sniace/Kommission, T‑88/01, EU:T:2005:128, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).

118    Wie dargelegt, ist der Kläger keine juristische Person des Privatrechts nach dem Recht eines Mitgliedstaats oder eines Drittstaats (siehe oben, Rn. 88).

119    Zudem verfügt der Kläger, wie sich aus den vorstehenden Rn. 91 bis 114 ergibt, als juristische Person im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV über die Parteifähigkeit vor dem Unionsrichter.

120    Die Bestimmungen der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und der Verfahrensordnung, insbesondere diejenigen über die juristischen Personen des Privatrechts wie Art. 51 Abs. 3 und Art. 78 Abs. 4 der Verfahrensordnung, sind nicht im Hinblick auf die Erhebung einer Klage durch Organisationen ohne Rechtspersönlichkeit gemäß innerstaatlichem Recht abgefasst worden. In dieser Situation sind die Verfahrensvorschriften über die Zulässigkeit einer Nichtigkeitsklage bei ihrer Anwendung soweit erforderlich den Umständen des konkreten Falles anzupassen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 18. Januar 2007, PKK und KNK/Rat, C‑229/05 P, EU:C:2007:32, Rn. 114).

121    Zum anderen ist jedenfalls darauf hinzuweisen, dass nach Art. 51 Abs. 3 der Verfahrensordnung Anwälte, die eine juristische Person des Privatrechts als Partei vertreten, bei der Kanzlei eine Vollmacht dieser Partei zu hinterlegen haben. Dagegen sieht die Verfahrensordnung keine Verpflichtung für juristische Personen des Privatrechts vor, den Nachweis zu erbringen, dass die dem Anwalt erteilte Vollmacht ordnungsgemäß von einer hierzu ermächtigen Vertretungsperson ausgestellt worden ist.

122    Die Klage einer Entität ist allerdings nur dann zulässig, wenn diese nicht nur ihre Parteifähigkeit dartut, sondern auch, dass sie tatsächlich entschieden hat, die Klage zu erheben, und dass den Anwälten, die als ihre Vertreter auftreten, tatsächlich Vollmacht hierzu erteilt wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. November 2019, EZB u. a./Trasta Komercbanka u. a., C‑663/17 P, C‑665/17 P und C‑669/17 P, EU:C:2019:923, Rn. 57).

123    Im vorliegenden Fall ist die dem Anwalt vom Kläger erteilte und gemäß Art. 51 Abs. 3 der Verfahrensordnung vorgelegte Vollmacht, am 12. April 2019 im Namen des Klägers ausgestellt und von dem als „politischer Sekretär“ dieser Organisation bezeichneten A unterschrieben worden.

124    Insoweit können die Organe des Klägers, die zur Entscheidung über die Erhebung der Klage ermächtigt sind, denknotwendig nicht anhand irgendeines innerstaatlichen Rechts bestimmt werden, da der Kläger keinem solchen Recht unterliegt. Zudem ist dieser Bereich unionsrechtlich nicht geregelt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. November 2019, EZB u. a./Trasta Komercbanka u. a., C‑663/17 P, C‑665/17 P und C‑669/17 P, EU:C:2019:923, Rn. 58). Somit ist diese Frage allein anhand der Satzung dieser Organisation zu beurteilen, die diese im Rahmen ihrer Antwort vom 25. Januar 2021 auf die Fragen des Gerichts zu den Akten gereicht hat.

125    Zunächst geht aus den Erläuterungen des Klägers und den zu ihrer Stützung vorgelegten, inhaltlich nicht bestrittenen Dokumenten hervor, dass der Ausdruck „politischer Sekretär“ so zu verstehen ist, dass er die Person an der Spitze des Organs bezeichnet, das in deren Satzung „Sekretariat der politischen Organisation“ genannt wird. Ebenso wenig wird bestritten, dass, wie sich im Übrigen ausdrücklich aus diesen Dokumenten ergibt, die Person, die die dem Anwalt vom Kläger erteilte Vollmacht unterschrieben hat, zum Zeitpunkt der Klageerhebung tatsächlich die Funktionen eines „politischen Sekretärs“ des Klägers innehatte.

126    Sodann hat nach Art. 92 Nr. 7 der Satzung des Klägers das nationale Sekretariat, das nach Art. 76 dieser Satzung das „höchste Organ“ des Klägers zwischen zwei Kongressen ist, u. a. die Aufgabe, „den Front in seinen Beziehungen zu politischen Parteien, Regierungen, Befreiungsbewegungen und anderen Organisationen zu vertreten“. Nach Art. 120 dieser Satzung setzt „[d]as Sekretariat der politischen Organisation … die Beschlüsse des nationalen Sekretariats und seines Präsidiums im Zusammenhang mit der Natur und den Aufgaben der politischen Organisation um und verfolgt sie weiter“.

127    Aus diesen Artikeln der Satzung des Klägers lässt sich somit, wie dieser in der Sitzung bestätigt hat, ableiten, dass die Umsetzung der Beschlüsse des nationalen Sekretariats in seinen Beziehungen zu Regierungen und anderen Organisationen, darunter die Union, in die Zuständigkeit des Sekretariats der politischen Organisation fallen kann und dass A daher ermächtigt war, die Vollmacht des Anwalts des Klägers zu unterschreiben.

128    Die Comader hat zwar in der Sitzung geltend gemacht, dass die Rolle des „politischen Sekretärs“ als Vertreter bei internationalen Organisationen wie der Union und vor Gerichten wie dem Gericht der Europäischen Union nicht aus der Aufzählung der Aufgaben des Sekretariats der politischen Organisation in den Art. 122 und 131 ihrer Satzung hervorgehe, sondern dass sich diese Rolle aus der alleinigen Zuständigkeit des nationalen Sekretariats ergebe.

129    Zum einen bestimmen sich jedoch, wie bereits dargelegt, die Organe des Klägers, die zum Erlass der Entscheidung für die Klageerhebung ermächtigt sind, nicht nach den Regeln irgendeiner internen Rechtsordnung. Zudem ist die Natur dieser Organisation zu berücksichtigen, die nicht nach den gewöhnlich für juristische Personen des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts geltenden Rechtsvorschriften gebildet ist (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 18. Januar 2007, PKK und KNK/Rat, C‑229/05 P, EU:C:2007:32, Rn.121). Zum anderen verleiht Art. 120 der Satzung dem Sekretariat der politischen Organisation die Zuständigkeit für die Umsetzung und die Weiterverfolgung der Beschlüsse und Programme des nationalen Sekretariats, und aus den Art. 122 und 131 dieser Satzung geht nicht hervor, dass die in ihnen enthaltene Aufzählung seiner Aufgaben abschließend wäre.

130    Aus diesen Erwägungen ist demnach abzuleiten, dass A, „politischer Sekretär“ des Klägers, ermächtigt war, den Beschluss des „höchsten Organs“ des Klägers, des nationalen Sekretariats, zur Erhebung der vorliegenden Klage umzusetzen.

131    Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass der Anwalt des Klägers, der Mitglied der Anwaltschaft eines Mitgliedstaats ist und als solches einer Standesordnung unterliegt, in der Antwort vom 25. Januar 2021 auf die Fragen des Gerichts erklärt hat, dass der Kläger „sehr wohl die Absicht [hatte], Klage zu erheben“, und dass er „rückhaltlos entschlossen [ist], die tatsächliche Beachtung der Urteile des Gerichtshofs durchzusetzen“, was er in der Sitzung bekräftigt hat (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 18. Januar 2007, PKK und KNK/Rat, C‑229/05 P, EU:C:2007:32, Rn.119).

132    Nach alledem sind die Zweifel der Comader an der Gültigkeit der Vollmacht, die der Kläger seinem Anwalt erteilt hat, zu verwerfen.

3.      Zum zweiten Unzulässigkeitseinwand des Rates, mit dem dieser dem Kläger die Klagebefugnis abspricht

133    Im Rahmen seines zweiten Unzulässigkeitseinwands macht der Rat, unterstützt von der Französischen Republik, der Kommission und der Comader geltend, der Kläger, der nicht Adressat des angefochtenen Beschlusses sei, sei von diesem weder unmittelbar noch individuell betroffen.

134    Demgegenüber sieht sich der Kläger von dem angefochtenen Beschluss unmittelbar und individuell betroffen, weil das streitige Abkommen auf die Westsahara Anwendung finde und daher die Bevölkerung dieses Gebiets betreffe.

135    Vorab ist zum einen darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung eine Handlung wie der angefochtene Beschluss, mit der eine von der Union geschlossene internationale Übereinkunft genehmigt wird, mit einer Klage anfechtbar ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 9. August 1994, Frankreich/Kommission, C‑327/91, EU:C:1994:305, Rn. 14 bis 17, vom 3. September 2008, Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission, C‑402/05 P und C‑415/05 P, EU:C:2008:461, Rn. 285 bis 289, und Western Sahara Campaign UK, Rn. 45 bis 51). Ein Beschluss, mit dem der Abschluss einer internationalen Übereinkunft genehmigt wird, ist eine „Handlung“ im Sinne von Art. 263 AEUV, ein Begriff, der unabhängig von ihrer Form alle von den Organen erlassenen Bestimmungen erfasst, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen sollen (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 19. März 2019, Shindler u. a./Rat, C‑755/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:221, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

136    Zum anderen ist zu beachten, dass in Art. 263 AEUV deutlich zwischen dem Klagerecht der Unionsorgane und der Mitgliedstaaten einerseits und dem Klagerecht natürlicher und juristischer Personen andererseits unterschieden wird. So können gemäß Abs. 2 dieses Artikels die Unionsorgane und die Mitgliedstaaten die Rechtmäßigkeit jeglicher „Handlung“ im Sinne dieses Artikels mit einer Nichtigkeitsklage anfechten, ohne dass die Ausübung dieses Rechts davon abhängt, dass ein Rechtsschutzinteresse oder die Parteifähigkeit dargetan wird, während nach Abs. 4 dieses Artikels natürliche oder juristische Personen Klage erheben können gegen die an sie gerichteten oder sie unmittelbar und individuell betreffenden Handlungen sowie gegen Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die sie unmittelbar betreffen und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen, (vgl. Urteil vom 3. Oktober 2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat, C‑583/11 P, EU:C:2013:625, Rn. 53 und 54 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. in diesem Sinne auch Beschluss vom 19. März 2019, Shindler u. a./Rat, C‑755/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:221, Rn. 38 und 39).

137    Im vorliegenden Fall ist weder der angefochtene Beschluss noch das streitige Abkommen an den Kläger gerichtet.

138    Insoweit ist zum einen hervorzuheben, dass die von der Union geschlossenen internationalen Übereinkünfte einen besonderen Platz in ihrer Rechtsordnung einnehmen, da die Unionsorgane nach Art. 216 Abs. 2 AEUV an diese Übereinkünfte gebunden sind, die deshalb gegenüber den Handlungen der Union und insbesondere ihren Gesetzgebungsakten Vorrang haben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. März 2014, Z., C‑363/12, EU:C:2014:159, Rn. 71 und 72 und die dort angeführte Rechtsprechung). Zum anderen verlangen die besonderen Modalitäten des Erlasses des angefochtenen Beschlusses, der auf Art. 218 Abs. 6 Unterabs. 2 Buchst. a Ziff. i AEUV gestützt ist, die Zustimmung des Parlaments und spiegeln damit nach außen die für den Erlass von Gesetzgebungsakten nach innen geltende Aufteilung der Befugnisse zwischen Parlament und Rat wider (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Juni 2014, Parlament/Rat, C‑658/11, EU:C:2014:2025, Rn. 55).

139    Folglich kann die Klage des Klägers gegen den angefochtenen Beschluss nicht weniger strengen Zulässigkeitsvoraussetzungen unterliegen, als sie für eine Klage gegen Gesetzgebungsakte gelten, die von der in Art. 263 Abs. 4 dritter Satzteil AEUV vorgesehenen Lockerung dieser Voraussetzungen nicht umfasst sind, da der Begriff des Rechtsakts mit Verordnungscharakter im Sinne dieses Satzteils solche Handlungen gerade ausschließt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 3. Oktober 2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat, C‑583/11 P, EU:C:2013:625, Rn. 60 und 61, und vom 6. November 2018, Scuola Elementare Maria Montessori/Kommission, Kommission/Scuola Elementare Maria Montessori und Kommission/Ferracci, C‑622/16 P bis C‑624/16 P, EU:C:2018:873, Rn. 23, 24 und 28).

140    Somit muss der Kläger seine unmittelbare und individuelle Betroffenheit durch den angefochtenen Beschluss dartun, was er im Übrigen nicht bestreitet. Zunächst ist die unmittelbare Betroffenheit des Klägers zu prüfen.

a)      Zur unmittelbaren Betroffenheit des Klägers

141    Nach Ansicht des Rates erfüllt der Kläger nicht die von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien für die unmittelbare Betroffenheit einer natürlichen oder juristischen Person durch die angefochtene Handlung. Die angefochtene Handlung sei nicht an den Kläger gerichtet und erzeuge diesem gegenüber keine Rechtswirkungen. Vielmehr erzeuge der angefochtene Beschluss Rechtswirkungen nur gegenüber der Union oder ihren Organen, nicht aber gegenüber Dritten. Zudem entfalte er seine Wirkungen nicht außerhalb des Geltungsbereichs der Verträge. Darüber hinaus würde das Gericht, wenn es sich für die Feststellung der unmittelbaren Betroffenheit des Klägers auf die Wirkungen des streitigen Abkommens in einem Gebiet außerhalb der Union stützen würde, über die Rechtmäßigkeit der Rechte und Pflichten des Königreichs Marokko aus diesem Abkommen entscheiden, das dieser Staat frei und souverän geschlossen habe, und damit seine Befugnisse überschreiten. In der Gegenerwiderung fügt der Rat hinzu, für den Fall, dass der angefochtene Beschluss Wirkungen außerhalb des Unionsgebiets entfalte, könne das streitige Abkommen nur die Wirtschaftsbeteiligten betreffen, die in den von ihm erfassten Wirtschaftszweigen tätig seien.

142    Der Kläger macht demgegenüber geltend, er erfülle die beiden Kriterien für die unmittelbare Betroffenheit. Zum einen ergebe sich aus dem Urteil Rat/Front Polisario, dass, da mit dem angefochtenen Beschluss ein Abkommen geschlossen werde, das das Gebiet der Westsahara und ihre natürlichen Ressourcen ohne Zustimmung des Volkes dieses Gebiets in seinen Geltungsbereich einbeziehe, dieses Abkommen Letzteres als daran nicht beteiligten Dritten unmittelbar betreffe. Allein deshalb wirke sich dieses Abkommen auf die Rechtslage des Klägers als des alleinigen Vertreters dieses Volkes aus. Zum anderen sei Gegenstand des Abkommens nur, die unter die Zollpräferenzen fallende geografische Zone zu erweitern, so dass seine Umsetzung nahezu automatisch erfolge und nicht des Erlasses weiterer Durchführungsbestimmungen bedürfe.

143    Das Vorbringen der Französischen Republik, der Kommission und der Comader entspricht der Sache nach dem des Rates.

144    Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die in Art. 263 Abs. 4 AEUV vorgesehene Voraussetzung, dass eine natürliche oder juristische Person von dem mit der Klage angefochtenen Beschluss unmittelbar betroffen sein muss ist, nach ständiger Rechtsprechung nur vorliegt, wenn zwei Kriterien kumulativ erfüllt sind. Als Erstes muss sich die beanstandete Maßnahme der Union auf die Rechtsstellung der betreffenden Person unmittelbar auswirken. Als Zweites darf sie ihren Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lassen, ihre Umsetzung muss vielmehr rein automatisch erfolgen und sich allein aus der Unionsregelung ohne Anwendung anderer Durchführungsvorschriften ergeben (vgl. Urteil vom 13. Oktober 2011, Deutsche Post und Deutschland/Kommission, C‑463/10 P und C‑475/10 P, EU:C:2011:656, Rn. 66 und die dort angeführte Rechtsprechung; Beschluss vom 6. März 2012, Northern Ireland Department of Agriculture and Rural Development/Kommission, T‑453/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:106, Rn. 42).

145    Somit ist in zwei gesonderten Schritten zu prüfen, ob der Kläger jedes dieser beiden Kriterien erfüllt.

1)      Zur Erfüllung des ersten Kriteriums für die unmittelbare Betroffenheit durch den Kläger, wonach sich die beanstandete Maßnahme unmittelbar auf seine Rechtsstellung auswirken muss

146    Was das erste Kriterium für die unmittelbare Betroffenheit angeht, lässt sich das Vorbringen des Rates, der Französischen Republik, der Kommission und der Comader, mit dem sie das Vorliegen unmittelbarer Auswirkungen des angefochtenen Beschlusses auf die Rechtsstellung des Klägers in Abrede stellen, der Sache nach in drei Teile gliedern. Der erste Teil ist auf die immanenten Rechtswirkungen eines Beschlusses zum Abschluss einer internationalen Übereinkunft im Namen der Union gestützt. Der zweite betrifft die spezifischen Rechtswirkungen des angefochtenen Beschlusses unter Berücksichtigung seiner räumlichen Geltung. Der dritte Teil betrifft das Fehlen einer Änderung der Rechtsstellung des Klägers, da diesem nur eine auf die Mitwirkung am Selbstbestimmungsprozess der Westsahara begrenzte Rolle zukomme.

i)      Zum ersten Teil des Vorbringens des Rates, der die immanenten Rechtswirkungen eines Beschlusses zum Abschluss einer internationalen Übereinkunft im Namen der Union betrifft

147    Der Rat, unterstützt von der Französischen Republik, macht zum einen der Sache nach geltend, ein Beschluss zum Abschluss einer internationalen Übereinkunft im Namen der Union erzeuge keine Wirkungen gegenüber Dritten und mit den behaupteten Auswirkungen des streitigen Abkommens auf den Kläger könne nicht dargetan werden, dass dieser Beschluss dessen Rechtsstellung betreffe. Zum anderen bringt der Rat, unterstützt von der Französischen Republik, der Kommission und der Comader, der Sache nach vor, ein derartiger Beschluss könne keine Rechtswirkungen außerhalb der Union entfalten.

148    Der Kläger macht demgegenüber geltend, zum einen sei der angefochtene Beschluss, da mit ihm das streitige Abkommen geschlossen werde, mit diesem untrennbar verknüpft, solle eine solche anfechtbare Handlung nicht der gerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle entzogen werden, und zum anderen werde mit dem angefochtenen Beschluss ein Abkommen geschlossen, das das Gebiet der Westsahara und seine natürlichen Ressourcen ausdrücklich in seinen Geltungsbereich einbeziehe. Schließlich ergebe sich die Betroffenheit des Volkes der Westsahara jedenfalls aus dem Unionsrecht, da die Verbringung von Erzeugnissen mit Ursprung in der Westsahara mit marokkanischen Ursprungszeugnissen in das Gebiet der Union den gesonderten und unterschiedlichen Status des Gebiets der Westsahara verletze.

149    Hierzu ist als Erstes darauf hinzuweisen, dass ein auf Art. 218 Abs. 6 AEUV gestützter Beschluss zum Abschluss einer internationalen Übereinkunft nicht mit den nach den Abs. 3 und 4 dieses Artikels erlassenen Beschlüssen verwechselt werden darf, die die Führung von internationalen Verhandlungen betreffen und Rechtswirkungen grundsätzlich nur in den Beziehungen zwischen der Union und ihren Mitgliedstaaten sowie zwischen den Unionsorganen entfalten (vgl. Beschluss vom 8. Februar 2019, Front Polisario/Rat, T‑376/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:77, Rn. 28 und 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

150    Ein Beschluss zum Abschluss einer internationalen Übereinkunft verkörpert nämlich die Zustimmung der Union, durch diese Übereinkunft gebunden zu sein (vgl. in diesem Sinne Gutachten 2/00 [Übereinkommen von Cartagena über die biologische Vielfalt] vom 6. Dezember 2001, EU:C:2001:664, Rn. 5). Er ist daher ein Bestandteil dieser Übereinkunft, ebenso wie der Akt, mit dem die übrigen Parteien der Übereinkunft dieser beigetreten sind (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Gutachten 1/13 [Beitritt von Drittstaaten zum Haager Übereinkommen] vom 14. Oktober 2014, EU:C:2014:2303, Rn. 39 bis 41 und 65). Somit entfaltet dieser Beschluss Rechtswirkungen gegenüber diesen Parteien, da er die Zustimmung der Union zu den von ihr im Rahmen dieser Übereinkunft eingegangenen Verpflichtungen gegenüber diesen Parteien formalisiert.

151    Zudem kann nach der in Art. 29 des Wiener Übereinkommens niedergelegten Regel des Gewohnheitsrechts eine internationale Übereinkunft abweichend von der Grundregel, wonach eine solche Handlung jede Vertragspartei hinsichtlich ihres gesamten Hoheitsgebiets bindet, einen Staat hinsichtlich eines anderen Hoheitsgebiets binden, wenn eine solche Absicht aus dem Vertrag ersichtlich ist oder anderweitig festgestellt ist. In diesem Zusammenhang kann eine solche Übereinkunft einen Dritten im Sinne des völkerrechtlichen Grundsatzes der relativen Wirkung von Verträgen betreffen, und dieser Dritte muss ihr zustimmen (vgl. in diesem Sinne Urteil Rat/Front Polisario, Rn. 94, 98, 103 und 106).

152    Folglich sind wegen der Untrennbarkeit einer solchen internationalen Übereinkunft und des Beschlusses zu ihrem Abschluss im Namen der Union die Auswirkungen der Durchführung dieser Übereinkunft auf die Rechtsstellung eines solchen Dritten relevant für die Beurteilung seiner unmittelbaren Betroffenheit oder die seines Vertreters durch diesen Beschluss.

153    Daraus folgt, dass der Rat zu Unrecht vorbringt, der angefochtene Beschluss entfalte seinem Wesen nach nur Wirkungen gegenüber der Union und ihren Organen. Aus denselben Gründen ist das Vorbringen der Französischen Republik zurückzuweisen, der angefochtene Beschluss als solcher entfalte keine Rechtswirkungen gegenüber dem Kläger, da er allein nicht das Inkrafttreten des streitigen Abkommens bewirke, für das es einer Ratifizierung gemäß den anwendbaren Verfahren bedürfe. Diese Auffassung beruht nämlich, wie der Kläger ausführt, auf der Prämisse, dass die Rechtswirkungen des angefochtenen Beschlusses und des streitigen Abkommens voneinander zu trennen seien. Aus den oben in den Rn. 149 bis 152 dargelegten Gründen ist diese Prämisse indes unrichtig.

154    Als Zweites ist, wie die Französische Republik selbst ausführt, eine Nichtigkeitsklage gegen eine internationale Übereinkunft als gegen den Beschluss gerichtet anzusehen, mit dem diese Übereinkunft im Namen der Union geschlossen wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. August 1994, Frankreich/Kommission, C‑327/91, EU:C:1994:305, Rn. 15 bis 17). Ebenso hat der Gerichtshof entschieden, dass, da die von der Union geschlossenen internationalen Übereinkünfte nicht nur die Unionsorgane binden, sondern auch die Drittstaaten, die Vertragsparteien der Übereinkunft sind, ein Ersuchen um Vorabentscheidung über die Gültigkeit einer von der Union geschlossenen internationalen Übereinkunft als auf den Rechtsakt bezogen zu verstehen ist, mit dem die Union die internationale Übereinkunft geschlossen hat (vgl. Urteil Western Sahara Campaign UK, Rn. 49 und 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).

155    Da der Gerichtshof jedoch sowohl im Rahmen einer Nichtigkeitsklage als auch im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens für die Beurteilung der Frage zuständig ist, ob eine von der Union geschlossene internationale Übereinkunft mit den Verträgen und mit den die Union bindenden Regeln des Völkerrechts vereinbar ist, ist entschieden worden, dass sich die Kontrolle der Gültigkeit eines Beschlusses zum Abschluss einer internationalen Übereinkunft durch den Gerichtshof darauf erstrecken kann, ob dieser Rechtsakt in Ansehung des Inhalts der in Rede stehenden internationalen Übereinkunft rechtmäßig ist (vgl. Urteil Western Sahara Campaign UK, Rn. 48 und 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).

156    Diese Erwägungen gelten für den Fall einer Nichtigkeitsklage einer juristischen Person im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV gegen einen Beschluss zum Abschluss einer internationalen Übereinkunft – wie der vorliegenden Klage –, für die das Gericht nach Art. 256 Abs. 1 AEUV zuständig ist.

157    Da nämlich ein solcher Beschluss eine anfechtbare Handlung ist und natürliche und juristische Personen unter den Voraussetzungen des Art. 263 Abs. 4 AEUV deren Nichtigerklärung beantragen können, können sie im Rahmen ihrer Klage beim Gericht beantragen, die Rechtmäßigkeit dieses Beschlusses in Ansehung des Inhalts der damit genehmigten Übereinkunft selbst zu überprüfen. Jede andere Auslegung würde, wie der Kläger der Sache nach ausführt, dazu führen, den angefochtenen Beschluss zu einem großen Teil der materiellen Rechtmäßigkeitskontrolle zu entziehen, was mit dem Grundsatz effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes unvereinbar wäre.

158    Folglich sind bei der Prüfung der unmittelbaren und individuellen Betroffenheit einer natürlichen oder juristischen Person durch einen solchen Beschluss gegebenenfalls die Auswirkungen der mit diesem Beschluss geschlossenen internationalen Übereinkunft auf die Rechtsstellung dieser Person zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Beschluss vom 24. Juni 2020, Price/Rat, T‑231/20 R, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:280, Rn. 39 bis 43).

159    Andernfalls würde den natürlichen und juristischen Personen, die unmittelbar und individuell von den Bestimmungen der betreffenden internationalen Übereinkunft betroffen sind, die Möglichkeit genommen, vom Unionsrichter überprüfen zu lassen, ob diese mit den Verträgen und mit den Regeln des Völkerrechts, die die Union nach den Verträgen binden, vereinbar sind (vgl. in diesem Sinne Urteil Western Sahara Campaign UK, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung), und folglich prüfen zu lassen, ob die Union rechtmäßig zugestimmt hat, durch diese Übereinkunft gebunden zu sein.

160    Im vorliegenden Fall ist festgestellt worden, dass der Kläger in Anbetracht seiner Rolle als Vertreter des Volkes der Westsahara über die Parteifähigkeit vor den Unionsgerichten verfügt, um die Rechte zu verteidigen, die diesem Volk aus den die Union bindenden Regeln des Völkerrechts erwachsen. Folglich muss sich der Kläger, wie er der Sache nach geltend macht, zum Nachweis seiner unmittelbaren und individuellen Betroffenheit auf die Auswirkungen des streitigen Abkommens auf diese Rechte berufen können, soll nicht deren effektiver gerichtlicher Schutz zu einem großen Teil seiner praktischen Wirksamkeit beraubt werden.

161    Als Drittes ist zu der Frage, ob die Wirkungen des angefochtenen Beschlusses auf das Gebiet der Union begrenzt sind, zunächst zwischen den Wirkungen eines auf Art. 218 Abs. 6 AEUV gestützten Beschlusses zum Abschluss einer internationalen Übereinkunft wie des angefochtenen Beschlusses und denen einer internen Unionsmaßnahme zu unterscheiden. Der Anwendungsbereich Letzterer ist nach dem einschlägigen Völkerrecht grundsätzlich auf die Gebiete zu begrenzen, die der uneingeschränkten Hoheitsgewalt der Union unterstehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Dezember 2011, Air Transport Association of America u. a., C‑366/10, EU:C:2011:864, Rn. 123 und 124 und die dort angeführte Rechtsprechung).

162    Dagegen entfaltet ein Beschluss wie der angefochtene Beschluss zum Abschluss eines bilateralen Abkommens mit dem Königreich Marokko zwangsläufig Wirkungen in der internationalen Rechtsordnung. Wie sich aus Rn. 150 des vorliegenden Urteils ergibt, ist nämlich ein solcher Beschluss als Bestandteil des Ausdrucks der Willensübereinstimmung zweier Völkerrechtssubjekte dazu bestimmt, Rechtswirkungen im Rahmen der Beziehung zwischen der Union und diesem Drittstaat zu entfalten.

163    Zudem kann eine von der Union geschlossene internationale Übereinkunft Rechtswirkungen im Gebiet der anderen Vertragspartei entfalten oder, wie oben in Rn. 151 dargelegt, in einem anderen Gebiet, wenn eine solche Absicht aus dem Vertrag ersichtlich oder anderweitig festgestellt ist. Folglich können diese Wirkungen zum Nachweis der unmittelbaren und individuellen Betroffenheit einer natürlichen oder juristischen Person durch den Beschluss zum Abschluss dieser Übereinkunft angeführt werden, da dieser die Zustimmung der Union ausdrückt, dass die Übereinkunft solche Wirkungen entfaltet.

164    Im Übrigen kann nach der Rechtsprechung die Analyse der Wirkungen einer Übereinkunft wie des streitigen Abkommens in einem anderen Gebiet als dem der Union und insbesondere in einem von dem der Vertragsparteien verschiedenen Gebiet anhand der Bestimmungen dieser Übereinkunft und des Kontexts seines Abschlusses relevant für die Frage sein, ob ein Kläger, der sich auf diese Wirkungen beruft, von dem Beschluss zum Abschluss dieser Übereinkunft unmittelbar betroffen ist.

165    In den Rn. 81, 83 und 116 des Urteils Rat/Front Polisario hat der Gerichtshof nämlich die Erwägungen, aufgrund deren das Gericht in Rn. 103 des Urteils vom 10. Dezember 2015, Front Polisario/Rat (T‑512/12, EU:T:2015:953), geschlossen hatte, dass das Liberalisierungsabkommen auch auf das Gebiet der Westsahara Anwendung finde, auf ihre Richtigkeit überprüft, um festzustellen, ob diese Schlussfolgerung als Prämisse für die Analyse der Klagebefugnis des Klägers herangezogen werden konnte. Nach seiner eigenen Prüfung des Assoziations- und des Liberalisierungsabkommens im Licht des Völkerrechts ist der Gerichtshof zu dem Ergebnis gelangt, dass diese Auslegung weder vom Wortlaut des Assoziations- und des Liberalisierungsabkommens noch von den Umständen des Abschlusses dieser beiden Abkommen getragen wird.

166    Im vorliegenden Fall stützt sich der Kläger indes unter Berufung auf das Urteil Rat/Front Polisario auf die Anwendung des streitigen Abkommens auf das Gebiet der Westsahara und auf die Eigenschaft des Volkes dieses Gebiets als an dem Abkommen nicht beteiligter Dritter im Sinne der relativen Wirkung von Verträgen, um geltend zu machen, dass er als Vertreter dieses Volkes von dem angefochtenen Beschluss unmittelbar betroffen sei.

167    Der vom Rat und von der Französischen Republik angeführte Umstand, dass die Wirkungen des Abkommens und seine Durchführung im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei, des Königreichs Marokko, nach dem einschlägigen Völkerrecht in dessen souveräne Zuständigkeit fallen, stellt das Recht des Klägers, eine solche unmittelbare Betroffenheit geltend zu machen, nicht in Frage.

168    Zum einen begründet nämlich der Kläger im vorliegenden Fall seine unmittelbare Betroffenheit weder mit den Wirkungen des streitigen Abkommens noch mit denen seiner Durchführung im Gebiet des Königreichs Marokko im Sinne von Art. 94 des Assoziationsabkommens, sondern mit den Wirkungen, die es nach seiner Ansicht im Gebiet der Westsahara entfaltet.

169    Zum anderen führt die Analyse der unmittelbaren Betroffenheit des Klägers aufgrund der Wirkungen des streitigen Abkommens im Gebiet der Westsahara nicht dazu, dass das Gericht über die Rechtmäßigkeit der Rechte und Pflichten eines Drittstaats, hier des Königreichs Marokko, aus diesem Abkommen entscheidet. Nach der Rechtsprechung (siehe oben, Rn. 154) kann das Gericht im vorliegenden Fall nicht über die Rechtmäßigkeit der Zustimmung dieses Drittstaats zu den Rechten und Pflichten aus diesem Abkommen, sondern nur über die Rechtmäßigkeit der Zustimmung der Union hierzu entscheiden. Die insoweit vom Rat und der Französischen Republik angeführten Rn. 90 und 94 des Beschlusses vom 3. Juli 2007, Commune de Champagne u. a./Rat und Kommission (T‑212/02, EU:T:2007:194), können die Erwägungen in den Rn. 161 bis 165 des vorliegenden Urteils, die auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs aus der Zeit nach dem Erlass dieses Beschlusses gestützt sind, nicht in Frage stellen.

170    Da das streitige Abkommen die Einfuhr von Erzeugnissen mit Ursprung in der Westsahara regelt, kann sich der Kläger jedenfalls, wie er der Sache nach geltend macht, für seine unmittelbare Betroffenheit auf die Wirkungen dieses Abkommens und damit des angefochtenen Beschlusses im Gebiet der Union berufen.

171    Nach alledem kann in Anbetracht der Natur eines Beschlusses zum Abschluss einer internationalen Übereinkunft und der ihm eigenen Rechtswirkungen nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass der angefochtene Beschluss unmittelbare Auswirkungen auf die Rechtsstellung des Klägers hat. Der erste Teil des Vorbringens des Rates ist somit zurückzuweisen.

ii)    Zum zweiten Teil des Vorbringens des Rates, der die spezifischen Rechtswirkungen des angefochtenen Beschlusses unter Berücksichtigung seiner räumlichen Geltung betrifft

172    Der Rat, unterstützt von der Französischen Republik, der Kommission und der Comader, bestreitet das Vorliegen von Rechtswirkungen des angefochtenen Beschlusses und des streitigen Abkommens auf das Gebiet der Westsahara. Die Auswirkungen dieser Handlungen auf dieses Gebiet seien rein wirtschaftlicher und nicht rechtlicher Art. Diese Handlungen schüfen somit weder Rechte noch Pflichten für das Volk dieses Gebiets und hätten ihm gegenüber keine Wirkung. In ihren schriftlichen Antworten auf die vom Gericht im Rahmen der prozessleitenden Maßnahme vom 17. Dezember 2020 und in der Sitzung gestellten Fragen haben der Rat, die Kommission und die Comader der Sache nach vorgetragen, das streitige Abkommen finde auf die Erzeugnisse mit Ursprung in diesem Gebiet Anwendung, nicht aber auf dieses Gebiet selbst.

173    Der Kläger macht demgegenüber geltend, wegen der ausdrücklichen Einbeziehung des Gebiets der Westsahara und seiner natürlichen Ressourcen in den Geltungsbereich des streitigen Abkommens betreffe dieses und damit der angefochtene Beschluss das Volk dieses Gebiets in Bezug auf sein Selbstbestimmungsrecht. Zudem ergebe sich wegen der Verbringung von Erzeugnissen mit Ursprung in der Westsahara mit marokkanischen Ursprungszeugnissen in das Gebiet der Union die Betroffenheit des Volkes der Westsahara jedenfalls aus dem Unionsrecht.

174    Dieses Vorbringen verlangt eine gesonderte Prüfung zum einen der Frage der Geltung des streitigen Abkommens für die Westsahara und zum anderen der Betroffenheit des Volkes dieses Gebiets aufgrund dieser Geltung.

–       Zur Geltung des streitigen Abkommens für die Westsahara

175    Insoweit ist als Erstes darauf hinzuweisen, dass mit dem streitigen Abkommen, wie oben in Rn. 76 dargelegt, durch Einfügung der gemeinsamen Erklärung über die Westsahara nach dem Protokoll Nr. 4 der Anwendungsbereich der Zollpräferenzen, die ursprünglich im Rahmen des Assoziationsabkommens den Erzeugnissen mit Ursprung in Marokko gewährt wurden, auf Erzeugnisse mit Ursprung in der Westsahara, die aufgrund ausdrücklicher Bestimmungen unter der Kontrolle der Zollbehörden des Königreichs Marokko ausgeführt werden, ausgedehnt werden soll. Dies ergibt sich ausdrücklich aus Abs. 1 dieser Erklärung sowie aus ihren Abs. 2 und 3, wonach zum einen das Protokoll Nr. 4 „sinngemäß“ für die Zwecke der Bestimmung der Ursprungseigenschaft dieser Erzeugnisse gilt und zum anderen die Zollbehörden der Mitgliedstaaten und des Königreichs Marokko für die Anwendung der Protokolle Nr. 1 und Nr. 4 auf diese Erzeugnisse zuständig sind (siehe oben, Rn. 53).

176    Als Zweites lässt sich aus der Rechtsprechung ableiten, dass, wenn die Union im Rahmen einer internationalen Übereinkunft Zollpräferenzen für in ihr Gebiet ausgeführte Erzeugnisse nach Maßgabe der geografischen Zone, in der diese ihren Ursprung haben, gewährt, diese Zone den Anwendungsbereich dieser Präferenzen bestimmt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Juli 1994, Anastasiou u. a., C‑432/92, EU:C:1994:277, Rn. 37 und 66, vom 25. Februar 2010, Brita, C‑386/08, EU:C:2010:91, Rn. 64, und Urteil Rat/Front Polisario, Rn. 121 und 122).

177    Im vorliegenden Fall legen der Rat und die Kommission zwar dar, dass die Erzeugnisse, auf die die Bestimmungen der gemeinsamen Erklärung über die Westsahara anwendbar seien, in der Praxis ihren Ursprung in dem vom Königreich Marokko kontrollierten Teil dieses Gebiets hätten, doch stellt diese Erläuterung nicht den Umstand in Frage, dass diese Bestimmungen auf jedes Erzeugnis mit Ursprung in der Westsahara Anwendung finden können, das unter der Kontrolle der Zollbehörden Marokkos ausgeführt wird.

178    Ferner gelten zwar, wie der Rat und die Kommission ausführen, die Zollpräferenzen für Erzeugnisse mit Ursprung in der Westsahara bei ihrer Einfuhr in das Unionsgebiet, doch ergibt sich aus der gemeinsamen Erklärung über die Westsahara ausdrücklich, dass deren Gewährung von der Einhaltung der Bestimmungen des Protokolls Nr. 4 abhängt, einschließlich derjenigen über die Ursprungsnachweise, deren Anwendung von den marokkanischen Zollbehörden sicherzustellen ist.

179    Folglich entfaltet das streitige Abkommen Wirkungen nicht nur im Unionsgebiet, sondern auch in den Gebieten, über die die marokkanischen Zollbehörden ihre Befugnisse ausüben, einschließlich des vom Königreich Marokko kontrollierten Teils der Westsahara (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 25. Februar 2010, Brita, C‑386/08, EU:C:2010:91, Rn. 51).

180    Zudem entfaltet das streitige Abkommen entgegen dem Vorbringen des Rates, der Französischen Republik, der Kommission und der Comader nicht nur wirtschaftliche Wirkungen im Gebiet der Westsahara. Zum einen liegt nämlich auf der Hand, dass sich die Ausführer mit Sitz in der Westsahara, deren Erzeugnissen die in diesem Abkommen vorgesehenen Zollpräferenzen zugutekommen können, gemäß Nr. 2 der gemeinsamen Erklärung über die Westsahara den Bestimmungen des Protokolls Nr. 4 unterwerfen müssen. Zum anderen ist die völlige oder teilweise Abschaffung der Zölle auf die von diesen Wirtschaftsbeteiligten ausgeführten Erzeugnisse bei deren Eintritt in die Union abschließend im Protokoll Nr. 1 zum Assoziationsabkommen geregelt, so dass die Vorteile, die sie daraus ziehen können, eng von der Anwendung der Bestimmungen dieses Abkommens abhängen. Daher ist festzustellen, dass das streitige Abkommen Rechtswirkungen gegenüber diesen Wirtschaftsbeteiligten entfaltet.

181    Als Drittes geht aus den Bestimmungen des streitigen Abkommens klar hervor, dass die Union und das Königreich Marokko die gemeinsame Absicht bekundet haben, dieses Abkommen auf die Westsahara anzuwenden.

182    Zum einen lassen sich nämlich die Erklärungen dieser Parteien in den Abs. 3 und 4 des streitigen Abkommens nur in diesem Sinne verstehen. So gilt dieses Abkommen gemäß seinem Abs. 3 „unbeschadet der Standpunkte der Europäischen Union bzw. des Königreichs Marokko zum Status der Westsahara“. In Abs. 4 „[bekräftigen d]ie beiden Vertragsparteien … ihre Unterstützung für den Prozess im Rahmen der Vereinten Nationen und unterstützen die Bemühungen des Generalsekretärs um eine endgültige politische Lösung“.

183    Zum anderen wird mit Abs. 8 des streitigen Abkommens zwischen den Parteien ein Mechanismus des Informationsaustauschs vor allem hinsichtlich „der Vorteile für die betroffene Bevölkerung“ und „der Nutzung der natürlichen Ressourcen der betreffenden Gebiete“ eingeführt. Unter Berücksichtigung der Begrenzung der von der räumlichen Ausdehnung der Zollpräferenzen betroffenen Zone auf die Westsahara durch dieses Abkommen beziehen sich diese Ausdrücke zwangsläufig auf die Vorteile für deren Bevölkerung zum einen und auf die Nutzung der natürlichen Ressourcen dieses Gebiets zum anderen. Dieser Weiterverfolgungsmechanismus spiegelt damit die von den Parteien des Abkommens verfolgten Ziele der wirtschaftlichen Entwicklung des betreffenden Gebiets und des Erhalts seiner natürlichen Ressourcen wider.

184    Diese gemeinsame Absicht der Union und des Königreichs Marokko wird durch die Erwägungsgründe 5 und 6 des angefochtenen Beschlusses bestätigt, in denen klar der Wille des Rates zum Ausdruck kommt, ausgehend von der Feststellung des Gerichtshofs, dass „das Assoziationsabkommen nur für das Gebiet des Königreichs Marokko und nicht für die Westsahara … gilt“, „dafür [zu sorgen], dass die Handelsströme, die sich im Laufe der Jahre“ zwischen der Westsahara und der Union „entwickelt haben, nicht gestört werden, wobei gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz des internationalen Rechts, einschließlich der Menschenrechte,“ in diesem Gebiet und dessen „nachhaltige Entwicklung“ vorgesehen werden (siehe oben, Rn. 51). Aus den Erwägungsgründen 7 und 10 des angefochtenen Beschlusses ergibt sich zudem, dass die Kommission zur Festlegung dieser Garantien zum einen die Auswirkungen der für die Erzeugnisse der Westsahara gewährten Zollpräferenzen auf die Bevölkerung dieses Gebiets und auf die Nutzung seiner natürlichen Ressourcen bewertet hat und zum anderen „die Bevölkerung“ dieses Gebiets „[einbezogen hat], um sich deren Zustimmung zum Abkommen zu vergewissern“.

185    Folglich macht der Kläger zu Recht geltend, dass das streitige Abkommen für die Westsahara gelte und dass daher seine unmittelbare Betroffenheit durch den angefochtenen Beschluss, der die Zustimmung der Union zu dieser Geltung zum Ausdruck bringe, auf diese Prämisse gestützt werden könne.

186    Diese Analyse wird nicht durch die Auslegung in Frage gestellt, die der Gerichtshof dem Assoziations- und dem Liberalisierungsabkommen in den Rn. 86 bis 126 des Urteils Rat/Front Polisario gegeben hat.

187    Im Urteil Rat/Front Polisario hat der Gerichtshof nämlich nicht ausgeschlossen, dass mit einer Bestimmung eines nach dem Assoziationsabkommen geschlossenen Abkommens der Geltungsbereich des Assoziationsabkommens auf die Westsahara erstreckt werden kann. Er hat lediglich ausgeschlossen, dass in Ermangelung einer solchen ausdrücklichen Bestimmung dieser Geltungsbereich, der für das Königreich Marokko grundsätzlich auf dessen eigenes Gebiet begrenzt ist, nach den einschlägigen Grundsätzen des Völkerrechts dahin ausgelegt werden kann, dass er sich auf dieses Hoheitsgebiet ohne Selbstregierung erstreckt (Urteil Rat/Front Polisario, Rn. 86, 87, 92 und 94 bis 98).

188    Somit betraf der vom Gerichtshof mit diesem Urteil entschiedene Rechtsstreit nicht ein nach dem Assoziationsabkommen geschlossenes Abkommen, das eine ausdrückliche Bestimmung zur Erstreckung des Geltungsbereichs des Assoziationsabkommens auf die Westsahara enthielt, sondern ein solches Abkommen ohne eine derartige ausdrückliche Bestimmung.

189    Dagegen wird im vorliegenden Fall, wie oben in den Rn. 175 bis 184 dargelegt, mit dem streitigen Abkommen eine gemeinsame Erklärung eingefügt, die ausdrücklich die Ausdehnung der dem Königreich Marokko von der Union mit diesem Abkommen gewährten Zollpräferenzen auf die Erzeugnisse mit Ursprung in der Westsahara vorsieht und die klare und eindeutige Absicht der Parteien dieses Abkommens zum Ausdruck bringt, eine Rechtsgrundlage für diese Ausdehnung zu schaffen. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass im Unterschied zu dem vom Gerichtshof geprüften Liberalisierungsabkommen (vgl. in diesem Sinne Urteil Rat/Front Polisario, Rn. 111 bis 114) das streitige Abkommen als Abweichung von Art. 94 des Assoziationsabkommens über dessen räumlichen Geltungsbereich anzusehen ist, da der Geltungsbereich der auf landwirtschaftliche Erzeugnisse, landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse, Fisch und Fischereierzeugnisse anwendbaren Regelung betroffen ist, die Gegenstand des Protokolls Nr. 1 ist.

190    Zudem ist zu beachten, dass zwar nach Art. 31 Abs. 3 Buchst. c des Wiener Übereinkommens die Bestimmungen eines Vertrags unter Berücksichtigung jedes in den Beziehungen zwischen den Vertragsparteien anwendbaren einschlägigen Völkerrechtssatzes auszulegen sind, dass dieses Erfordernis aber nicht als Grundlage für eine Auslegung solcher Bestimmungen gegen ihren Wortlaut dienen kann, wenn deren Bedeutung klar ist und im Übrigen feststeht, dass diese Bedeutung derjenigen entspricht, die die Vertragsparteien ihnen geben wollten (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 13. Juli 2018, Confédération nationale du Crédit mutuel/EZB, T‑751/16, EU:T:2018:475, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

191    Insbesondere darf die Anwendung des in Art. 31 Abs. 3 Buchst. c des Wiener Übereinkommens niedergelegten Auslegungsgrundsatzes nicht unvereinbar sein mit dem in Abs. 1 dieses Artikels niedergelegten Grundsatz, dass ein Vertrag nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Licht seines Zieles und Zweckes auszulegen ist.

192    Zudem würde im vorliegenden Fall eine Auslegung der Bestimmungen der gemeinsamen Erklärung über die Westsahara dahin, dass sie nicht für das Gebiet der Westsahara gelten, dieser gemeinsamen Erklärung und damit dem streitigen Abkommen jeden Inhalt nehmen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 23. November 2016, Kommission/Stichting Greenpeace Nederland und PAN Europe, C‑673/13 P, EU:C:2016:889, Rn. 50). Denn wie aus der oben in den Rn. 175 bis 184 vorgenommenen Prüfung hervorgeht, ist alleiniger Gegenstand dieses Abkommens, die ursprünglich im Rahmen des Assoziationsabkommens den Erzeugnissen marokkanischen Ursprungs gewährten Zollpräferenzen mittels dieser gemeinsamen Erklärung auf die Erzeugnisse mit Ursprung in der Westsahara auszudehnen. Eine solche Auslegung wäre darüber hinaus ein Hindernis für jede effektive Durchführung dieses Abkommens, was nicht mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit im Einklang stünde.

193    Jedenfalls kann sich, wie bereits oben in Rn. 170 dargelegt, die unmittelbare Betroffenheit des Klägers aus den Auswirkungen ergeben, die das streitige Abkommen und der angefochtene Beschluss wegen der Gewährung der Zollpräferenzen für Erzeugnisse mit Ursprung in der Westsahara bei ihrer Einfuhr in die Union im Gebiet der Union entfalten.

–       Zur Betroffenheit des Volkes der Westsahara als an dem streitigen Abkommen nicht beteiligter Dritter durch dieses Abkommen

194    Vorab ist darauf hinzuweisen, dass, wie der Gerichtshof in Rn. 100 des Urteils Rat/Front Polisario ausgeführt hat, Verträge nach dem völkerrechtlichen Grundsatz der relativen Wirkung von Verträgen, der in Art. 34 des Wiener Übereinkommens eine besondere Ausprägung gefunden hat, Dritten ohne deren Zustimmung weder schaden noch nützen dürfen. Im vorliegenden Fall hat, wie das Gericht bereits dargelegt hat, der Gerichtshof in Rn. 106 des Urteils Rat/Front Polisario gemäß diesem Grundsatz das Volk der Westsahara als „Dritten“ eingestuft, der bei Einbeziehung des Gebiets der Westsahara in den Geltungsbereich des Assoziationsabkommens von der Durchführung des Abkommens betroffen sein kann. Daraus hat er in derselben Randnummer dieses Urteils weiter abgeleitet, dass eine solche Einbeziehung in jedem Fall der Zustimmung dieses Volkes bedürfte, ob die Durchführung ihm nun schaden oder vielmehr nützen könnte.

195    Diese Erwägungen können relevant sein für jede Bestimmung des Assoziationsabkommens oder eines späteren Abkommens, das ausdrücklich dessen Geltung für die Westsahara vorsieht. Da nämlich die eventuelle Durchführung eines solchen Abkommens in diesem Gebiet dessen Volk als Dritten betreffen könnte, gilt Gleiches erst recht für seine ausdrückliche Anwendung auf dieses Gebiet. Wie aber oben in Rn. 189 festgestellt worden ist, wird mit dem streitigen Abkommen, das nach dem Assoziationsabkommen geschlossen wurde, von dessen Art. 94 abgewichen, da damit die im Protokoll Nr. 1 vorgesehene Regelung für die Einfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse in die Union ausdrücklich auf dieses Gebiet erstreckt wird.

196    Jedenfalls ist aus der Rechtsprechung abzuleiten, dass die Gewährung von Zollpräferenzen für die Erzeugnisse mit Ursprung in der Westsahara bei ihrer Einfuhr in die Union auf der Grundlage von durch die Zollbehörden des Königreichs Marokko ausgestellten Bescheinigungen der Zustimmung des Volkes dieses Gebiets bedarf (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Februar 2010, Brita, C‑386/08, EU:C:2010:91, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).

197    Diese Schlussfolgerung wird nicht durch das Vorbringen der Comader in Frage gestellt, das streitige Abkommen habe jedenfalls gegenüber dem Volk der Westsahara keine Wirkung, so dass der Kläger keine Klage vor den Unionsgerichten erheben könne.

198    Insoweit ist zum einen, wie sich aus Rn. 106 des Urteils Rat/Front Polisario ergibt, die Betroffenheit eines an einer internationalen Übereinkunft nicht beteiligten Dritten durch diese im Sinne des Grundsatzes der relativen Wirkung von Verträgen eine Vorfrage im Verhältnis zu der Frage, ob dieser Dritte seine Zustimmung zu dem betreffenden Abkommen erteilt hat. Wenn das Fehlen der Zustimmung des betreffenden Dritten zu dem Abkommen, wie die Comader meint, dazu führen sollte, dass es diesem gegenüber keine Wirkung hat, hätte dies folglich keine Auswirkung auf die Zulässigkeit einer Klage vor den Unionsgerichten, mit der die von dem Abkommen betroffenen Rechte dieses Dritten verteidigt werden sollen. Jedenfalls bestimmt sich die Zulässigkeit einer Klage nach Art. 263 Abs. 4 AEUV allein nach den in diesem Artikel festgelegten Voraussetzungen in ihrer Auslegung durch die Rechtsprechung. Sie kann nicht von den Voraussetzungen abhängen, unter denen in der Völkerrechtsordnung eine internationale Übereinkunft einem Dritten gegenüber Wirkung hat.

199    Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass durch die Ausführungen der Comader zur Wirkungslosigkeit des streitigen Abkommen gegenüber dem Volk der Westsahara nicht die Feststellung des Gerichtshofs in Frage gestellt werden kann, dass dieses Volk als Dritter im Sinne des Grundsatzes der relativen Wirkung von Verträgen in Bezug auf ein Abkommen zwischen der Union und dem Königreich Marokko im Fall der Durchführung dieses Abkommens in diesem Gebiet betroffen sein kann. Was das Gutachten des Professors für Völkerrecht, auf das sich die Comader stützt, angeht, steht es dem Unionsrichter zwar frei, für die Prüfung einer vom Unionsrecht noch nicht entschiedenen Frage gegebenenfalls Äußerungen aus dem Schrifttum heranzuziehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juli 1957, Algera u. a./Gemeinsame Versammlung, 7/56 und 3/57 bis 7/57, EU:C:1957:7, S. 118 und 119), doch kann sich das Gericht nicht auf solche Äußerungen stützen, um die Auslegung des Völkerrechts durch den Gerichtshof in Frage zu stellen.

200    Aus alledem ergibt sich, dass der Geltungsbereich des streitigen Abkommens das Gebiet der Westsahara einschließt und dass dieses Abkommen daher das Volk dieses Gebiets betreffen und demnach seiner Zustimmung bedürfen kann. Somit ist zu prüfen, ob sich in Anbetracht der Rolle, die der Kläger als Vertreter dieses Volkes im Rahmen des Selbstbestimmungsprozesses dieses Gebiets spielt, aus diesen Umständen seine unmittelbare Betroffenheit ergeben kann.

iii) Zum dritten Teil des Vorbringens des Rates, der das Fehlen einer Änderung der Rechtsstellung des Klägers betrifft, da diesem nur eine auf die Mitwirkung am Selbstbestimmungsprozess der Westsahara begrenzte Rolle zukomme

201    Nach Ansicht des Rates, der Französischen Republik, der Kommission und der Comader folgt aus der dem Kläger im Rahmen des Selbstbestimmungsprozesses der Westsahara übertragenen Rolle nicht, dass sich der angefochtene Beschluss und das streitige Abkommen unmittelbar auf seine Rechtsstellung auswirken. Seine Vertretungsmacht sei begrenzt und nicht ausschließlich, und er sei kein Wirtschaftsbeteiligter. Zudem griffen der angefochtene Beschluss und das streitige Abkommen dem Ausgang dieses Prozesses nicht vor. Somit habe der angefochtene Beschluss allenfalls mittelbare und politische Auswirkungen auf den Kläger.

202    Der Kläger macht demgegenüber geltend, der angefochtene Beschluss habe allein deshalb, weil er das Volk der Westsahara im Sinne der Rn. 106 des Urteils Rat/Front Polisario betreffe, unmittelbare Rechtswirkungen für seine Stellung als einziger und alleiniger Vertreter dieses Volkes. Dem Vorbringen des Rates hält er zudem entgegen, der Selbstbestimmungsprozess schließe „offenkundig“ wirtschaftliche Fragen ein, die mit der Nutzung der natürlichen Ressourcen zusammenhingen, und jedenfalls werfe das streitige Abkommen eine „territoriale“ Frage auf, so dass der Rechtsstreit uneingeschränkt in den Rahmen falle, innerhalb dessen er seine Aufgabe wahrnehme.

203    Hierzu ist zunächst auf die besondere Situation der Westsahara hinzuweisen, wie sie sich aus der Entwicklung des in den Rn. 2 bis 19 des vorliegenden Urteils geschilderten internationalen Kontexts ergibt. Der Selbstbestimmungsprozess dieses Hoheitsgebiets ohne Selbstregierung ist zwar noch immer im Gang, doch hat die Verwaltungsmacht dieses Gebiets im Sinne von Art. 73 der UN-Charta, das Königreich Spanien, die Organe der UNO davon in Kenntnis gesetzt, dass sie seit dem 26. Februar 1976, keinerlei völkerrechtliche Verantwortung mehr für die Verwaltung dieses Gebiets ausübe (siehe oben, Rn. 13). Folglich sind die Parteien dieses unter der Schirmherrschaft der UNO geführten Prozesses auf der einen Seite das Königreich Marokko, das die Ausübung von Souveränitätsrechten über dieses Gebiet beansprucht, und auf der anderen Seite der Kläger als Vertreter des Volkes dieses Gebiets. Somit besteht, wie die Kommission in ihrem Streithilfeschriftsatz der Sache nach ausführt, zwischen dem Königreich Marokko und dem Kläger ein „Legitimitätskonflikt“ hinsichtlich der Repräsentativität für dieses Gebiet und seine Bevölkerung. Insbesondere besteht, wie die Erörterung zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits zeigt, zwischen dem Königreich Marokko und dem Kläger keine Einigkeit in der Frage der Zuständigkeit für den Abschluss einer für dieses Gebiet geltenden internationalen Übereinkunft.

204    Was sodann das Maß der Repräsentativität des Klägers für das Volk der Westsahara und dessen Bedeutung für seine unmittelbare Betroffenheit durch einen Beschluss zum Abschluss eines ausdrücklich für dieses Gebiet geltenden Abkommens zwischen der Union und dem Königreich Marokko angeht, so haben die Unionsgerichte weder in den Urteilen Rat/Front Polisario und Western Sahara Campaign UK noch in den oben in Rn. 43 angeführten Beschlüssen zu dieser Frage Stellung genommen.

205    Dagegen bezieht sich der Rat auf die Nrn. 183 bis 194 der Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet in der Rechtssache Rat/Front Polisario (C‑104/16 P, EU:C:2016:677). In den Nrn. 185 und 186 dieser Schlussanträge hat der Generalanwalt ausgeführt, der Kläger sei von der UNO lediglich als Vertreter des Volkes der Westsahara in dem politischen Prozess zur Lösung der Frage der Selbstbestimmung des Volkes dieses Gebiets anerkannt. Der Rechtsstreit in den Rechtssachen T‑512/12 und C‑104/16 P sei aber nicht Teil dieses politischen Prozesses.

206    Punkt 7 der Resolution 34/37 ist indes zu entnehmen, dass die Generalversammlung der UNO der Ansicht war, der Kläger müsse an den Verhandlungen mit dem Königreich Marokko über den endgültigen Status der Westsahara mitwirken, weil er ein legitimer Vertreter des Volkes dieses Gebiets sei (siehe oben, Rn. 16 und 91). Somit geht die Anerkennung der Repräsentativität des Klägers für dieses Volk durch die Organe der UNO der Anerkennung seines Rechts auf Teilnahme am Selbstbestimmungsprozess dieses Gebiets logisch voraus. Diese Auslegung wird durch den Wortlaut von Punkt 10 der Resolution 35/19 (siehe oben, Rn. 16) bestätigt.

207    Folglich umfasst zwar der in der Westsahara unter der Schirmherrschaft der UNO geführte Prozess keine Wirtschafts- oder Zollfragen, doch bedeutet die Mitwirkung des Klägers an diesem Prozess nicht, dass er das Volk der Westsahara nicht im Zusammenhang mit einem Abkommen zwischen der Union und dem Königreich Marokko über diese Bereiche vertreten könnte, wenn sich diese Vertretung als notwendig zur Wahrung des Selbstbestimmungsrechts dieses Volkes erweist. Wie der Kläger zu Recht ausführt, wirft das streitige Abkommen nicht nur Handels- oder Zollfragen auf, sondern auch eine besondere Frage territorialer Natur, die ihn betrifft, da das Abkommen für das Gebiet gilt, für das diesem Volk das Selbstbestimmungsrecht zusteht.

208    Was schließlich die Frage angeht, ob die Repräsentativität für das Volk der Westsahara ausschließlich dem Kläger zukommt, genügt an dieser Stelle der Hinweis, dass, wie der Kläger der Sache nach vorträgt, aus den Akten nicht hervorgeht, dass die Organe der UNO die in den Resolutionen 34/37 und 35/19 zum Ausdruck gebrachte Haltung in Frage gestellt und andere Organisationen als ihn als zur Vertretung dieses Volkes ermächtigt anerkannt hätten. Entgegen dem Vorbringen der Kommission und der Comader ist der Umstand, dass diese Stellen gemäß ihrem Mandat mit anderen Organisationen als dem Kläger, insbesondere solchen der Zivilgesellschaft, und mit den marokkanischen Behörden Beziehungen unterhalten und in einem Gedankenaustausch stehen, insoweit nicht entscheidend.

209    Auch die in den Nrn. 187 bis 192 der Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet in der Rechtssache Rat/Front Polisario (C‑104/16 P, EU:C:2016:677) angesprochene Frage, ob das Königreich Spanien trotz seiner Erklärung vom 26. Februar 1976 seine Eigenschaft als Verwaltungsmacht im Sinne von Art. 73 der UN-Charta behalten hat, ist im vorliegenden Fall nicht relevant. Zum einen hat nämlich der Gerichtshof in Rn. 106 des Urteils Rat/Front Polisario das Volk der Westsahara als vom Königreich Spanien verschiedenen, an dem Assoziationsabkommen nicht beteiligten Dritten angesehen, der in der Lage ist, selbst seine Zustimmung zur Durchführung dieses Abkommens oder eines Folgeabkommens in seinem Gebiet zum Ausdruck zu bringen. Zum anderen könnten, wie der Kläger der Sache nach geltend macht, dem Königreich Spanien möglicherweise verbliebene Befugnisse ihm gegenüber jedenfalls keine Wirkung haben, da er von der UNO als Vertreter dieses Volkes anerkannt worden ist und seine Mitwirkung am Selbstbestimmungsprozess, wie oben in Rn. 207 dargelegt, nicht ausschließt, dass er dessen Zustimmung zu einem für dieses Gebiet geltenden Abkommen zum Ausdruck bringen kann.

210    Jedenfalls entfaltet der von der Union vorgenommene Abschluss des streitigen Abkommens mit einer der Parteien des laufenden Selbstbestimmungsprozesses für das Gebiet der Westsahara, die Souveränitätsrechte über dieses Gebiet beansprucht und die selbst das Abkommen auf dieser Grundlage geschlossen hat, wegen des zwischen diesen Parteien bestehenden „Legitimitätskonflikts“ betreffend dieses Gebiet zwangsläufig Rechtswirkungen gegenüber der anderen Partei dieses Prozesses.

211    Im Übrigen geht aus der Begründung des Abkommens und den Erwägungsgründen des angefochtenen Beschlusses hervor, dass sich die Vertragsparteien selbst und insbesondere die Union bewusst sind, dass zwischen dem Abschluss dieses Abkommens und dem in der Westsahara laufenden Selbstbestimmungsprozess ein Zusammenhang besteht.

212    Davon zeugt die Klarstellung der Parteien in Abs. 3 des streitigen Abkommens, dass dessen Abschluss unbeschadet ihrer jeweiligen Standpunkte zum Status der Westsahara erfolgt, bei der es sich aus der Sicht der Union um ein Hoheitsgebiet ohne Selbstregierung und aus der des Königreichs Marokko um einen Teil seines Hoheitsgebiets handelt. Gleiches gilt für die Bekräftigung ihrer Unterstützung des „Prozesses im Rahmen der Vereinten Nationen“ in Abs. 4 dieses Abkommens. Wie daraus abzuleiten ist, haben die Parteien die Gefahr gesehen, dass der Abschluss des streitigen Abkommens als Ausdruck einer gemeinsamen Haltung zum Status dieses Gebiets und als Beeinträchtigung dieses Selbstbestimmungsprozesses gesehen werden konnte und dass es dieser Klarstellungen bedurfte, um dieser Gefahr zu begegnen.

213    Diese Überlegungen kommen auch in den Erwägungsgründen 3 und 10 des angefochtenen Beschlusses (siehe oben, Rn. 51) zum Ausdruck. Im letztgenannten Erwägungsgrund antwortet der Rat den „sozialen, ökonomischen und politischen Akteure[n]“, die an den von der Kommission und vom EAD durchgeführten Konsultationen teilgenommen und „die Ausdehnung [der Zollpräferenzen des Assoziationsabkommens auf die Westsahara] abgelehnt haben“, weil sie „im Wesentlichen der Auffassung [waren], dass ein solches Abkommen den Standpunkt Marokkos bezüglich des Gebiets der Westsahara bekräftige“. Hierzu führt der Rat aus, dass „[i]n den Bestimmungen des Abkommens … nichts darauf schließen [lässt], dass mit ihm die Souveränität Marokkos über die Westsahara anerkannt würde“, und dass „die Union ihre Anstrengungen zur Unterstützung des unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen eingeleiteten und fortgesetzten Prozesses der friedlichen Beilegung der Streitigkeiten verstärken [wird]“.

214    Zudem ist zwar der Kläger nicht förmlich zu den in der vorstehenden Rn. 213 angesprochenen Konsultationen eingeladen worden, es hat aber doch, wie bereits dargelegt, am 5. Februar 2018 einen Gedankenaustausch zwischen ihm und dem EAD über das streitige Abkommen gegeben und die Kommission hat in ihrem Bericht vom 11. Juni 2018 die Haltung des Klägers zum geplanten Abschluss des streitigen Abkommens unter ausdrücklicher Bezugnahme auf diesen Austausch wiedergegeben. Diese Haltung entsprach derjenigen der im zehnten Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses bezeichneten „sozialen, ökonomischen und politischen Akteure“, d. h., der Kläger lehnte den Abschluss des streitigen Abkommens ab. Folglich sahen die Organe den Kläger, auch wenn er nicht Partei dieses Abkommens ist und an den Verhandlungen über dessen Abschluss, an denen nur die Behörden der Union und die marokkanischen Behörden beteiligt waren, nicht teilgenommen hat, als legitimen Ansprechpartner an, um seine Haltung zum Abschluss dieses Abkommens zu äußern (siehe oben, Rn. 98).

215    Folglich wirkt sich der angefochtene Beschluss, da der Abschluss des streitigen Abkommens das Volk der Westsahara betrifft und seiner Zustimmung bedarf, unmittelbar auf die Rechtsstellung des Klägers als Vertreter dieses Volkes aus. Da dieses Abkommen mit dem Königreich Marokko geschlossen wurde, betrifft es ihn unmittelbar als Partei des Selbstbestimmungsprozesses für dieses Gebiet. Zum einen steht nämlich fest, dass der Kläger dem Abschluss des streitigen Abkommens nicht zugestimmt hat. Zum anderen macht er im Rahmen der vorliegenden Klage geltend, die Zustimmung des Volkes der Westsahara sei u. a. deshalb nicht wirksam eingeholt worden, weil er sie nicht selbst zum Ausdruck gebracht habe.

216    Das Vorbringen des Rates, der Französischen Republik, der Kommission und der Comader stellt diese Schlussfolgerung nicht in Frage.

217    Zum einen ist nämlich die Tatsache, dass der Kläger kein Wirtschaftsbeteiligter ist, ohne Belang, da er sich nicht auf diese Eigenschaft beruft und seine unmittelbare Betroffenheit nicht von der Anwendung der Bestimmungen, von denen die Gewährung von Zollpräferenzen für Erzeugnisse mit Ursprung in der Westsahara abhängt, auf ihn herleitet, sondern vom räumlichen Geltungsbereich dieses Abkommens selbst. Was zudem den Vergleich der vorliegenden Rechtssache mit der vom Rat und der Kommission angeführten Rechtssache angeht, in der das Urteil vom 20. September 2019, Venezuela/Rat (T‑65/18, EU:T:2019:649), ergangen ist, genügt der Hinweis, dass der Gerichtshof dieses Urteil auf Rechtsmittel mit Urteil vom 22. Juni 2021, Venezuela/Rat (Betroffenheit eines Drittstaats) (C‑872/19 P, EU:C:2021:507), mit der Begründung aufgehoben hat, dass das Gericht rechtsfehlerhaft befunden hat, dass sich die fraglichen restriktiven Maßnahmen nicht unmittelbar auf die Rechtsstellung der Bolivarischen Republik Venezuela auswirkten, und auf dieser Grundlage dem zweiten Unzulässigkeitsgrund des Rates stattgegeben hat (Urteil vom 22. Juni 2021, Venezuela/Rat [Betroffenheit eines Drittstaats], C‑872/19 P, EU:C:2021:507, Rn. 73). Folglich kann sich der Rat nicht auf das vorgenannte Urteil des Gerichts stützen, um die unmittelbare Betroffenheit des Klägers in Frage zu stellen. Überdies betraf dieser Rechtsstreit zwischen dem genannten Drittstaat und dem Rat einseitige Rechtsakte, die nur im Gebiet der Union galten und nicht der Zustimmung eines an diesen Rechtsakten nicht beteiligten Dritten bedurften, so dass dieser Vergleich ohnehin fehlgeht.

218    Zum anderen bedeutet die Tatsache, dass das streitige Abkommen und der angefochtene Beschluss dem Ausgang des Selbstbestimmungsprozesses nicht vorgreifen, nicht, dass diese Handlungen nicht geeignet sind, die Rechtsstellung des Klägers als Vertreter eines an diesem Abkommen nicht beteiligten Dritten und Partei dieses Prozesses zu verändern. Gleiches gilt für die Entfaltung „politischer“ „mittelbarer“ Auswirkungen auf diesen Prozess.

219    Aus alledem ergibt sich, dass die drei Teile des Vorbringens des Rates zum ersten Kriterium für die unmittelbare Betroffenheit zurückzuweisen sind und dass der Kläger dieses Kriterium erfüllt.

2)      Zum zweiten Kriterium für die unmittelbare Betroffenheit, wonach die Umsetzung der beanstandeten Maßnahme rein automatisch erfolgen und sich allein aus der Unionsregelung ergeben muss

220    Zum zweiten Kriterium für die unmittelbare Betroffenheit, wonach die Umsetzung der beanstandeten Maßnahme rein automatisch erfolgen und sich allein aus der Unionsregelung ergeben muss, hat der Rat nicht gesondert vorgetragen.

221    Wie der Kläger geltend macht, stellt das streitige Abkommen eine bloße räumliche Ausdehnung der dem Königreich Marokko bereits gewährten Zollpräferenzen dar, ohne Änderung der Menge oder der Erzeugnisse, die unter diese Präferenzen fallen. Folglich lässt die Umsetzung dieses Abkommens im Gebiet der Union den mit der Anwendung dieser Zollpräferenzen betrauten Behörden keinerlei Ermessensspielraum, denn da die in Rede stehenden Erzeugnisse solche mit Ursprung in der Westsahara sind, müssen die in dem streitigen Abkommen vorgesehenen Zollpräferenzen auf sie angewandt werden.

222    Da zudem der Kläger, wie oben in Rn. 215 dargelegt, als Vertreter des Volkes der Westsahara dem Abschluss des streitigen Abkommens, das für dieses Gebiet gilt, nicht zugestimmt hat, bewirkt der angefochtene Beschluss, mit dem dieses Abkommen genehmigt wird, eine sofortige Änderung seiner Rechtsstellung, ohne dass es weiterer Maßnahme bedarf.

223    Die Kommission bestreitet zwar, dass sich die unmittelbare Betroffenheit des Klägers aus der unmittelbaren Wirkung des streitigen Abkommens für die Einzelnen ergeben kann. Nach der Rechtsprechung (siehe oben, Rn. 144) hängt jedoch die Erfüllung des zweiten Kriteriums für die unmittelbare Betroffenheit von der Beantwortung der Frage ab, ob die Umsetzung der Bestimmungen des streitigen Abkommens rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Unionsregelung ohne Anwendung anderer Durchführungsvorschriften ergibt. Der Relevanz dieser Frage steht nicht entgegen, dass die unmittelbare Wirkung dieser Bestimmungen ausschlaggebend dafür sein kann, ob sich der Einzelne auf materiell-rechtlicher Ebene auf sie berufen kann.

224    Das führt zu dem Schluss, dass der Kläger von dem angefochtenen Beschluss unmittelbar betroffen ist.

b)      Zur individuellen Betroffenheit des Klägers

225    Der Rat macht geltend, die Teilnahme des Klägers an den Verhandlungen über den Status der Westsahara sei nicht geeignet, ihn in Bezug auf den angefochtenen Beschluss zu individualisieren, und das streitige Abkommen berühre nicht seine Position im Rahmen dieser Verhandlungen. In der Gegenerwiderung fügt der Rat hinzu, selbst wenn der Kläger für die wirtschaftlichen Fragen der Westsahara zuständig sein sollte, ergebe sich insbesondere aus Rn. 69 des Urteils vom 10. April 2003, Kommission/Nederlandse Antillen (C‑142/00 P, EU:C:2003:217), dass diese Zuständigkeit nicht genüge, um ihn als vom streitigen Abkommen individuell betroffen anzusehen.

226    Das Vorbringen der Französischen Republik, der Kommission und der Comader entspricht der Sache nach dem des Rates.

227    Der Kläger sieht sich individuell betroffen, weil nach den Rn. 100 bis 106 des Urteils Rat/Front Polisario das Volk der Westsahara, dessen Vertreter er sei, jeder für dieses Gebiet geltenden internationalen Übereinkunft zustimmen müsse. Aufgrund der Rolle, die er für dieses Volk insbesondere beim Ausdruck seiner Zustimmung zum Eingehen vertraglicher Bindungen spiele, besitze er besondere Eigenschaften, die geeignet seien, ihn aus dem Kreis aller übrigen Personen herauszuheben, und sei somit von dem angefochtenen Beschluss individuell betroffen. In der Erwiderung fügt der Kläger hinzu, mit der Durchführung der oben in Rn. 48 bezeichneten Konsultationen habe ihn der Rat daran gehindert, seine Befugnis zum Ausdruck der Zustimmung des Volkes der Westsahara auszuüben, und wiederholt im Wesentlichen das Vorbringen zu seiner unmittelbaren Betroffenheit durch diesen Beschluss.

228    Nach ständiger Rechtsprechung können andere Personen als die Adressaten einer Entscheidung nur dann individuell betroffen sein, wenn diese Entscheidung sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie dadurch in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten einer solchen Entscheidung (Urteil vom 13. Oktober 2011, Deutsche Post und Deutschland/Kommission, C‑463/10 P und C‑475/10 P, EU:C:2011:656, Rn. 71 und die dort angeführte Rechtsprechung).

229    Im vorliegenden Fall verfügt der Kläger als Vertreter des Volkes eines Hoheitsgebiets ohne Selbstregierung, dem das Recht auf Selbstbestimmung zusteht, nach dem Völkerrecht über eigene und von denen der Parteien des streitigen Abkommens verschiedene Befugnisse. Um darzutun, dass er von dem angefochtenen Beschluss individuell betroffen sei, kann er daher in sachdienlicher Weise geltend machen, dass dieser ihn daran hindere, diese Befugnisse nach seinem Belieben auszuüben.

230    Erstens hat aber die Prüfung der unmittelbaren Betroffenheit des Klägers ergeben, dass dessen Mitwirkung an dem in der Westsahara laufenden politischen Prozess nicht bedeutet, dass er das Volk dieses Gebiets nicht im Zusammenhang mit einem Handels- und Zollabkommen zwischen der Union und dem Königreich Marokko, das für Letzteres gilt, vertreten könnte, wenn sich diese Vertretung als notwendig zur Wahrung des Selbstbestimmungsrechts dieses Volkes erweist. Wie zudem zweitens festgestellt worden ist, geht aus den Akten nicht hervor, dass die Organe der UNO andere Organisationen als ihn als zur Vertretung dieses Volkes anerkannt hätten. Drittens wirft entgegen dem Vorbringen des Rates, der Französischen Republik, der Kommission und der Comader der Abschluss des streitigen Abkommens mit einer der Parteien des Selbstbestimmungsprozesses für das Gebiet der Westsahara durch die Union Fragen auf, die nicht als völlig außerhalb dieses Prozesses liegend angesehen werden können und die folglich den Kläger als Partei desselben betreffen (siehe oben, Rn. 206 bis 215).

231    Unter diesen Umständen ist der Kläger wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften, die ihn in ähnlicher Weise individualisieren wie den Adressaten des angefochtenen Beschlusses, als Vertreter des Volkes der Westsahara und als Partei des Selbstbestimmungsprozesses als von diesem Beschluss betroffen anzusehen. Es muss ihm somit möglich sein, vom Unionsrichter prüfen zu lassen, ob die Union rechtmäßig der Geltung des streitigen Abkommens für dieses Gebiet zustimmen konnte.

232    Diese Erwägungen werden durch das Vorbringen des Rates, der Französischen Republik, der Kommission und der Comader nicht in Frage gestellt.

233    Was erstens das Urteil vom 10. April 2003, Kommission/Nederlandse Antillen (C‑142/00 P, EU:C:2003:217), angeht, so war der Gerichtshof in dieser Rechtssache mit einem Rechtsmittel der Kommission gegen ein Urteil des Gerichts in einem Rechtsstreit befasst, in dem sich die Niederländischen Antillen, ein durch ein Assoziationsabkommen mit den Europäischen Gemeinschaften verbundenes überseeisches Gebiet, gegen Schutzmaßnahmen gegen die Einfuhr von Reis mit Ursprung in den überseeischen Ländern und Gebieten (ÜLG) wandten. Dabei handelte es sich um allgemein geltende Maßnahmen, die, obwohl sie den Sektor der Reismühlen in den Niederländischen Antillen berührten und obwohl die Einfuhren von Reis mit Ursprung in den ÜLG in die Gemeinschaft größtenteils von den Niederländischen Antillen stammten, nicht speziell für die Einfuhren aus diesem überseeischen Gebiet galten, sondern für die aus sämtlichen ÜLG.

234    In diesem Zusammenhang befand der Gerichtshof, dass das allgemeine Interesse der Niederländischen Antillen am wirtschaftlichen Wohlergehen ihres Gebiets und die Auswirkungen der beanstandeten Maßnahmen auf den Sektor der Reisverarbeitung, einer Tätigkeit, die jederzeit von jedem beliebigen Wirtschaftsteilnehmer in irgendeinem ÜLG ausgeübt werden kann, nicht zur Individualisierung der Klägerin geeignet waren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. April 2003, Kommission/Nederlandse Antillen, C‑142/00 P, EU:C:2003:217, Rn. 66 bis 79).

235    Die Umstände des mit dem Urteil vom 10. April 2003, Kommission/Nederlandse Antillen (C‑142/00 P, EU:C:2003:217), entschiedenen Rechtsstreits, sind demnach nicht vergleichbar mit denen der vorliegenden Rechtssache. Denn zum einen zielten die in dem genannten Rechtsstreit beanstandeten Maßnahmen nicht speziell auf das Gebiet der Klägerin. Zum anderen bedurfte es jedenfalls für den Erlass dieser Maßnahmen nicht der Zustimmung des Volkes dieses Gebiets.

236    Zweitens geht die Bezugnahme der Kommission und der Französischen Republik auf die Rechtsprechung zur individuellen Betroffenheit von Vereinigungen (vgl. Urteil vom 18. Januar 2007, PKK und KNK/Rat, C‑229/05 P, EU:C:2007:32, Rn.70 und die dort angeführte Rechtsprechung, und Beschluss vom 3. April 2014, ADEAS/Kommission, T‑7/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:221, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung) im vorliegenden Fall fehl. Denn die individuelle Betroffenheit einer Vereinigung, die die privaten Interessen einer Gesamtheit von Einzelpersonen oder Unternehmen vertritt, ist nicht zu vergleichen mit der einer Organisation, die wie der Kläger das Volk eines Hoheitsgebiets ohne Selbstregierung vertritt.

237    Drittens kann dem Kläger in Anbetracht seiner Rolle und der oben in Rn. 230 dargelegten Umstände, die ausreichen, um ihn in Bezug auf den angefochtenen Beschluss zu individualisieren, nicht entgegengehalten werden, dass er nicht an den von der Union geführten Verhandlungen über den Abschluss des streitigen Abkommens beteiligt war. Überdies stellt der Kläger im Rahmen der vorliegenden Klage die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses eben deswegen in Frage, weil er nicht am Abschluss dieses Abkommens beteiligt worden ist, um die Zustimmung des Volkes der Westsahara zu diesem zum Ausdruck zu bringen.

238    Daraus folgt, dass der Kläger nicht nur unmittelbar, sondern auch individuell von dem angefochtenen Beschluss betroffen ist. Daher ist der Unzulässigkeitseinwand des Rates, mit dem dieser dem Kläger die Parteifähigkeit abspricht, zurückzuweisen und die Begründetheit der Klage zu prüfen.

B.      Zur Begründetheit der Klage

239    Der Kläger stützt seine Klage auf zehn Klagegründe, und zwar erstens Unzuständigkeit des Rates für den Erlass des angefochtenen Beschlusses, zweitens Verstoß gegen seine Verpflichtung, sich der Beachtung der Grundrechte und des humanitären Völkerrechts zu vergewissern, drittens Verstoß gegen die Verpflichtung zur Durchführung der Urteile des Gerichtshofs, viertens Verletzung der Grundrechte als Grundsätze und Werte, die das auswärtige Handeln der Union bestimmen müssen, fünftens Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes, sechstens fehlerhafte Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, siebtens Verletzung des Selbstbestimmungsrechts, achtens Verletzung des Grundsatzes der relativen Wirkung von Verträgen, neuntens Verletzung des humanitären Völkerrechts und zehntens Verstoß gegen die Verpflichtungen der Union nach dem Recht der völkerrechtlichen Haftung.

1.      Zum ersten Klagegrund: Unzuständigkeit des Rates für den Erlass des angefochtenen Beschlusses

240    Der Kläger macht geltend, der Rat als Unionsorgan habe keine Zuständigkeit für den Erlass des angefochtenen Beschlusses besessen, da mit diesem der Abschluss einer internationalen Übereinkunft genehmigt worden sei, die für ein unter der Souveränität eines Drittvolks stehendes Gebiet gelte, für das weder der Union noch ihrem Vertragspartner Hoheitsgewalt zukomme.

241    Der Rat meint, der Kläger bestreite mit dem vorliegenden Klagegrund in Wirklichkeit die Zuständigkeit der Union wegen Verletzung des Grundsatzes der Selbstbestimmung und des Grundsatzes der relativen Wirkung von Verträgen, und verweist auf sein Vorbringen zum siebten und zum achten Klagegrund. Seine Zuständigkeit zum Abschluss internationaler Übereinkünfte ergebe sich aus Art. 218 Abs. 6 AEUV.

242    Die Kommission macht geltend, das Völkerrecht stehe dem Abschluss einer für ein Hoheitsgebiet ohne Selbstregierung geltenden internationalen Übereinkunft durch die Verwaltungsmacht dieses Gebiets nicht entgegen. Im vorliegenden Fall sei das Königreich Marokko als De-facto-Verwaltungsmacht der Westsahara anzusehen. Die Französische Republik vertritt der Sache nach den gleichen Standpunkt. Die Comader schließt sich der Sache nach dem Vorbringen des Rates zum vorliegenden Klagegrund an.

243    Vorab ist darauf hinzuweisen, dass nach dem in Art. 5 Abs. 1 und 2 EUV verankerten Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung die Union nur innerhalb der Grenzen der Zuständigkeiten tätig wird, die die Mitgliedstaaten ihr in den Verträgen zur Verwirklichung der darin niedergelegten Ziele übertragen haben. Was die Unionsorgane betrifft, handelt gemäß Art. 13 Abs. 2 EUV jedes von ihnen nach Maßgabe der ihm in den Verträgen zugewiesenen Befugnisse nach den Verfahren, Bedingungen und Zielen, die in den Verträgen festgelegt sind (Urteil vom 12. September 2017, Anagnostakis/Kommission, C‑589/15 P, EU:C:2017:663, Rn. 97 und 98).

244    Im vorliegenden Fall hat der Rat den angefochtenen Beschluss dessen erstem Begründungsvermerk zufolge auf der Grundlage von Art. 207 Abs. 4 Unterabs. 1 AEUV in Verbindung mit Art. 218 Abs. 6 Unterabs. 2 Buchst. a Ziff. i AEUV erlassen.

245    Der Kläger stellt nicht in Abrede, dass der Rat im Einklang mit den Verfahren und den Voraussetzungen gehandelt hat, die für einen Rechtsakt gelten, der auf der Grundlage der in der vorstehenden Rn. 244 genannten Bestimmungen des AEU-Vertrags erlassen worden ist. Im Rahmen der vorliegenden Klage bestreitet er lediglich die Zuständigkeit der Union für den Abschluss des streitigen Abkommens, weil dieses Abkommen für ein fremdes, unter der Souveränität des Volkes der Westsahara stehendes Hoheitsgebiet gelte. Insoweit beruft sich der Kläger insbesondere auf den in dem lateinischen Rechtssprichwort „nemo plus juris ad alium transferre potest quam ipse habet“ gefassten allgemeinen Rechtsgrundsatz.

246    Hierzu lässt sich zwar darauf verweisen, dass bestimmte Regeln des Völkerrechts dem Beitritt der Union als solcher zu einer internationalen Übereinkunft wegen ihres Status als internationale Organisation entgegenstehen oder einen solchen Beitritt zumindest strikten Vorgaben unterwerfen können (vgl. in diesem Sinne Gutachten 2/91 [Übereinkommen Nr. 170 der IAO] vom 19. März 1993, EU:C:1993:106, Rn. 5, und Urteil vom 20. November 2018, Kommission/Rat [Meeresschutzgebiet Antarktis], C‑626/15 und C‑659/16, EU:C:2018:925, Rn. 128 bis 130). Ebenso stand das Völkerrecht dem Abschluss von auf einem Gebiet ohne Selbstregierung geltenden Verträgen mit einem bestimmten Drittstaat wegen von diesem Staat in diesem Gebiet begangenen Rechtsverstößen entgegen (Gutachten des IGH vom 21. Juni 1971, Rechtsfolgen der andauernden Präsenz Südafrikas in Namibia [Südwestafrika] ungeachtet der Resolution 276 [1970] des Sicherheitsrats, I.C.J. Reports 1971, S. 16, Rn. 122 bis 126).

247    Im vorliegenden Fall beruft sich der Kläger jedoch nicht auf einen Völkerrechtssatz, der geeignet wäre, die Befugnis der Union zum Abschluss einer zweiseitigen internationalen Übereinkunft wie des streitigen Abkommens wegen ihres Status als internationale Organisation einzuschränken. Der Kläger meint zwar, dass bestimmte Grundsätze des Völkergewohnheitsrechts dem Abschluss dieses Abkommens entgegenstünden, er führt indes keinen etwa aus einer Resolution des UN-Sicherheitsrats oder einem Urteil des IGH folgenden Rechtssatz an, der ausdrücklich jede für das Gebiet der Westsahara geltende internationale Übereinkunft mit dem Königreich Marokko untersagte.

248    Zudem geht aus Rn. 98 des Urteils Rat/Front Polisario hervor, dass der Gerichtshof nicht grundsätzlich ausgeschlossen hat, dass die Union nach Maßgabe der auf die Beziehungen zwischen ihr und dem Königreich Marokko im Rahmen des Assoziationsabkommens anwendbaren Grundsätze des Völkerrechts berechtigt ist, mit diesem Drittstaat eine Übereinkunft zu schließen, die sich in diesen Rahmen einfügt und ausdrücklich ihre Geltung für die Westsahara vorsieht.

249    Aus diesen Gründen ist der erste Klagegrund zurückzuweisen.

250    Die Prüfung der Begründetheit der Klage ist mit der Untersuchung des dritten Klagegrundes fortzusetzen.

2.      Zum dritten Klagegrund, mit dem der Sache nach der Verstoß des Rates gegen seine Verpflichtung geltend gemacht wird, den Anforderungen zu entsprechen, die sich nach der Rechtsprechung aus dem Grundsatz der Selbstbestimmung und dem Grundsatz der relativen Wirkung von Verträgen ergeben

251    Nach Ansicht des Klägers hat der Rat gegen seine Verpflichtung nach Art. 266 AEUV verstoßen, den Urteilen des Gerichtshofs Folge zu leisten, indem er ohne Zustimmung des Klägers ein ausdrücklich für das Gebiet der Westsahara geltendes Abkommen geschlossen hat. Der Gerichtshof habe nämlich befunden, dass die stillschweigende Einbeziehung dieses Gebiets in den Geltungsbereich der Übereinkünfte zwischen der Union und dem Königreich Marokko gemäß dem Grundsatz der Selbstbestimmung und dem Grundsatz der relativen Wirkung von Verträgen rechtlich nicht möglich sei. Demzufolge sei eine ausdrückliche Geltung solcher Übereinkünfte für dieses Gebiet erst recht ausgeschlossen. Zudem macht der Kläger im ersten Teil der Klageschrift sowie in den Vorbemerkungen der Erwiderung und in den Stellungnahmen zu den Streithilfeschriftsätzen insbesondere geltend, der Abschluss des streitigen Abkommens laufe der Rechtsprechung zuwider, weil damit der gesonderte und unterschiedliche Status der Westsahara und das Erfordernis der Zustimmung des Volkes dieses Gebiets nicht beachtet werde.

252    Der Rat meint, er habe mit dem Abschluss eines Abkommens, das es ausdrücklich ermögliche, dass das Assoziationsabkommen nach Einholung der Zustimmung des Volkes der Westsahara Wirkungen in diesem Gebiet entfalte, dem Urteil Rat/Front Polisario Folge geleistet.

253    Dazu führt der Rat in der Klagebeantwortung in den mit „Querschnittsfragen“ überschriebenen Vorbemerkungen der Sache nach aus, in Anbetracht der besonderen Situation der Westsahara, die es unmöglich mache, das Volk dieses Gebiets unmittelbar oder unter Einschaltung eines institutionellen Vertreters zu konsultieren, hätten die Organe von ihrem Wertungsspielraum Gebrauch machen können, um Konsultationen auf der Grundlage eines objektiven Kriteriums durchzuführen, mit dem auf den Nutzen für die Bevölkerung dieses Gebiets abgestellt werde, und hätten insoweit im Einklang mit den anwendbaren Grundsätzen des Völkerrechts gehandelt. Zudem seien die für Verwaltungsmächte geltenden Bestimmungen und Grundsätze des Völkerrechts im vorliegenden Fall wegen der „De-facto-Verwaltung“ dieses Gebiets durch das Königreich Marokko einschlägig, und der Kläger verfüge jedenfalls weder über die rechtliche Befähigung noch über die administrativen Mittel zum Abschluss eines Handelsabkommens mit der Union. Schließlich erfülle der Kläger nicht die von der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen für eine Berufung auf Völkerrechtssätze, und die gerichtliche Kontrolle des angefochtenen Beschlusses anhand der Grundsätze des Völkergewohnheitsrechts sei zwingend auf das Vorliegen eines offenkundigen Beurteilungsfehlers beschränkt.

254    In dem mit „Rechtliche Vorbemerkungen“ überschriebenen Teil ihres Streithilfeschriftsatzes entwickelt die Kommission der Sache nach eine ähnliche Argumentation zur Berufung eines Einzelnen auf Grundsätze des Völkergewohnheitsrechts und zur Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle anhand dieser Grundsätze. Zudem führt sie zum siebten und zum achten Klagegrund aus, zum einen könne eine Verletzung des Selbstbestimmungsrechts nicht gegenüber einer Handlung des Rates geltend gemacht werden und zum anderen könne der Grundsatz der relativen Wirkung von Verträgen nur bewirken, dass eine internationale Übereinkunft gegenüber einem Dritten keine Wirkung entfalte, er könne aber nicht deren Gültigkeit in Frage stellen. Schließlich ziehe der Kläger die falschen Schlussfolgerungen aus den Urteilen Rat/Front Polisario und Western Sahara Campaign UK. Diese Urteile beschränkten sich auf die Auslegung der für das Staatsgebiet von Marokko geltenden Übereinkünfte anhand der einschlägigen Grundsätze des Völkerrechts, beträfen aber nicht die Gültigkeit dieser Abkommen.

255    In dem mit „Vorbemerkungen zum ,Sachverhalt‘“ überschriebenen Teil ihres Streithilfeschriftsatzes analysiert die Kommission den Prozess bis zum Abschluss des streitigen Abkommens der Sache nach in der gleichen Weise wie der Rat. Sie führt weiter aus, nach diesem Abkommen würden die Erzeugnisse mit Ursprung in der Westsahara nicht als solche marokkanischen Ursprungs angesehen, sondern ausdrücklich als Erzeugnisse mit Ursprung in diesem Gebiet bezeichnet. Zudem sei im Rahmen des unter der Schirmherrschaft der UNO geführten Verhandlungsprozesses nicht ausschließlich dem Kläger die Aufgabe zugewiesen, „im Namen“ des Volkes der Westsahara „zu sprechen“.

256    Die Französische Republik teilt der Sache nach die Analyse des Rates und der Kommission.

257    In dem mit „Zum Sachverhalt“ überschriebenen Teil ihres Streithilfeschriftsatzes schließt sich die Comader der Analyse der Kommission und des Rates hinsichtlich des Prozesses bis zum Abschluss des streitigen Abkommens teilweise an. Darüber hinaus trägt sie vor, die örtlichen Mandatsträger, die an der Konsultation teilgenommen hätten, seien die legitimen Vertreter der Bevölkerung der Westsahara und verfügten über demokratische Legitimation. Zudem sei Art. 266 AEUV im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Schließlich sei der Grundsatz der relativen Wirkung von Verträgen im vorliegenden Fall nicht anwendbar, und jedenfalls entfalte das streitige Abkommen keine Wirkung gegenüber dem Kläger.

258    Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der Rat, die Französische Republik, die Kommission und die Comader die rechtlichen Grundlagen des vorliegenden Klagegrundes in Frage stellen und dass ihr Vorbringen letztlich die Frage aufwirft, ob dieser nicht wirkungslos ist. Daher ist zunächst diese Frage zu prüfen, bevor gegebenenfalls auf die Begründetheit dieses Klagegrundes eingegangen wird.

a)      Zum Vorbringen des Rates, der Französischen Republik, der Kommission und der Comader, mit dem der Sache nach geltend gemacht wird, der dritte Klagegrund sei wirkungslos

259    Das Vorbringen des Rates, der Französischen Republik, der Kommission und der Comader stellt die rechtlichen Grundlagen des vorliegenden Klagegrundes unter drei Aspekten in Frage. Erstens sei Art. 266 AEUV nicht anwendbar. Zweitens könne die Gültigkeit der Abkommen zwischen der Union und dem Königreich Marokko nicht unter Berufung auf die angeführten Urteile bestritten werden. Drittens könne der Kläger sich nicht auf die Grundsätze des Völkergewohnheitsrechts berufen, deren Verletzung er im vorliegenden Fall geltend mache.

260    Als Erstes ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 266 Abs. 1 AEUV die Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen, denen das für nichtig erklärte Handeln zur Last fällt oder deren Untätigkeit für vertragswidrig erklärt worden ist, die sich aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union ergebenden Maßnahmen zu ergreifen haben.

261    Nach ständiger Rechtsprechung bedeutet die in Art. 266 AEUV festgelegte Verpflichtung, die für Urteile, mit denen ein Rechtsakt der Union für ungültig erklärt wird, entsprechend gilt, dass die betroffenen Organe nicht nur den Tenor des die Nichtigkeit oder Ungültigkeit aussprechenden Urteils zu beachten haben, sondern auch die Gründe, die zu diesem geführt haben und die es in dem Sinne tragen, dass sie zur Bestimmung der genauen Bedeutung des Tenors unerlässlich sind. Diese Gründe benennen nämlich zum einen die Bestimmung, die als rechtswidrig angesehen wird, und lassen zum anderen die Gründe der im Tenor festgestellten Rechtswidrigkeit erkennen, die das betroffene Organ bei der Ersetzung der für nichtig oder ungültig erklärten Handlung zu beachten hat (vgl. Urteil vom 28. Januar 2016, CM Eurologistik und GLS, C‑283/14 und C‑284/14, EU:C:2016:57, Rn. 48 und 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

262    Weder aus dem Wortlaut von Art. 266 AEUV noch aus der in der vorstehenden Rn. 261 angeführten Rechtsprechung geht indes hervor, dass sich die in diesem Artikel festgelegte Verpflichtung auf die Gründe eines Urteils erstreckt, mit dem eine Nichtigkeitsklage gegen eine Handlung der Union abgewiesen worden ist.

263    Im vorliegenden Fall hat der Gerichtshof jedoch, wie oben in den Rn. 34 und 40 dargelegt, mit dem Urteil Rat/Front Polisario das Urteil vom 10. Dezember 2015, Front Polisario/Rat (T‑512/12, EU:T:2015:953), aufgehoben und den Rechtsstreit endgültig entschieden, indem er die Klage wegen fehlender Klagebefugnis als unzulässig abgewiesen hat.

264    Zum Urteil Western Sahara Campaign UK genügt jedenfalls, abgesehen davon, dass dieses die Gültigkeit der beanstandeten Handlungen der Union, die Gegenstand der Vorlagefragen an den Gerichtshof waren, unberührt gelassen hat, der Hinweis, dass es einen Beschluss und internationale Übereinkünfte im Bereich der Fischerei betraf, deren sachlicher Geltungsbereich sich von dem des angefochtenen Beschlusses und des streitigen Abkommens unterscheidet. Gleiches lässt sich entsprechend feststellen in Bezug auf die Beschlüsse vom 19. Juli 2018, Front Polisario/Rat (T‑180/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:496), und vom 30. November 2018, Front Polisario/Rat (T‑275/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:869).

265    Folglich kann der Kläger, wie die Comader der Sache nach geltend macht, aus Art. 266 AEUV keine Verpflichtung für die Organe ableiten, die in den vorstehenden Rn. 263 und 264 genannten Entscheidungen der Unionsgerichte umzusetzen. Soweit der vorliegende Klagegrund auf die Bestimmungen dieses Artikels gestützt ist, ist er somit wirkungslos.

266    Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung eine Partei die Vorschriften, auf die sie die von ihr angeführten Klagegründe stützt, nicht ausdrücklich zu nennen braucht, solange der Gegenstand ihrer Klage sowie die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte, auf die sie sich stützt, in der Klageschrift hinreichend klar ausgeführt sind. Diese Rechtsprechung ist entsprechend zu übertragen auf den Fall eines Irrtums bei der Nennung der Vorschriften, auf die sich die Klagegründe stützen (vgl. Urteil vom 23. November 2017, Aurora/CPVO – SESVanderhave [M 02205], T‑140/15, EU:T:2017:830, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

267    Im vorliegenden Fall wird, wie sich aus Rn. 251 des vorliegenden Urteils ergibt, dieser Klagegrund auf eine Rüge gestützt, die der Sache nach dahin geht, dass die Organe gegen ihre Verpflichtung verstoßen hätten, der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Auslegung der Abkommen zwischen der Union und dem Königreich Marokko nach Maßgabe der einschlägigen Völkerrechtssätze Folge zu leisten. Auf eine in der Sitzung gestellte Frage zur rechtlichen Grundlage dieses Klagegrundes hat der Kläger der Sache nach ausgeführt, da es in den Erwägungsgründen des angefochtenen Beschlusses heiße, dass dieser erlassen worden sei, um dem Urteil Rat/Front Polisario Folge zu leisten, könne er sich für sein Vorbringen, mit diesem Beschluss werde das genannte Urteil nicht beachtet, auf die Begründung dieses Urteils berufen. So haben es im Übrigen der Rat und die Kommission verstanden, wie ihre Entgegnung auf das Vorbringen des Klägers zeigt.

268    Nach ständiger Rechtsprechung ist die Union eine Rechtsunion, in der ihre Organe der Kontrolle daraufhin unterliegen, ob ihre Handlungen insbesondere mit den Verträgen und den allgemeinen Rechtsgrundsätzen im Einklang stehen, und in der natürliche und juristische Personen die Möglichkeit haben müssen, effektiven gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen (vgl. Urteil vom 30. Mai 2017, Safa Nicu Sepahan/Rat, C‑45/15 P, EU:C:2017:402, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

269    Die Unionsorgane sind insbesondere verpflichtet, den Verpflichtungen nachzukommen, die sich aus dem Unionsrecht in seiner Auslegung durch ein Urteil, mit dem eine Vertragsverletzung festgestellt wird, ein Urteil im Vorabentscheidungsverfahren oder eine gefestigte einschlägige Rechtsprechung ergeben (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 30. Mai 2017, Safa Nicu Sepahan/Rat, C‑45/15 P, EU:C:2017:402, Rn. 31 und 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

270    Im Rahmen einer Nichtigkeitsklage ist hat somit der Unionsrichter, dem ein solcher Klagegrund vorgetragen wird, zu prüfen, ob der angefochtene Beschluss im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs steht, wenn in dieser aus dem Unionsrecht oder dem anwendbaren Völkerrecht Anforderungen abgeleitet worden sind, die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieses Beschlusses relevant sind.

271    So verhält es sich im vorliegenden Fall mit den Verpflichtungen, die sich dem Urteil Rat/Front Polisario zufolge insbesondere aus dem Grundsatz der Selbstbestimmung und dem Grundsatz der relativen Wirkung von Verträgen ergeben. Denn wie aus den Erwägungsgründen 6 und 10 des angefochtenen Beschlusses (siehe oben, Rn. 51) hervorgeht, haben die Organe das streitige Abkommen im Hinblick darauf ausgehandelt und geschlossen, die Folgerungen aus dem Urteil Rat/Front Polisario zu ziehen, indem sie eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für die Anwendung der Präferenzregelung des Assoziationsabkommens auf die Erzeugnisse mit Ursprung in der Westsahara vorgesehen haben, verbunden mit Garantien für den Schutz des internationalen Rechts und der Grundrechte, insbesondere um so den „Erwägungen über die Zustimmung“ in Rn. 106 dieses Urteils Rechnung zu tragen.

272    Daraus folgt, dass der vorliegende Klagegrund, mit dem der Sache nach der Verstoß des Rates gegen seine Verpflichtung geltend gemacht wird, der Auslegung des Assoziationsabkommens nach Maßgabe der anwendbaren Völkerrechtssätze insbesondere durch das Urteil Rat/Front Polisario Folge zu leisten, trotz der unrichtigen Bezugnahme des Klägers auf Art. 266 AEUV nicht wirkungslos ist.

273    Als Zweites ist der Umstand, dass der Gerichtshof im Urteil Rat/Front Polisario den Grundsatz der Selbstbestimmung und den Grundsatz der relativen Wirkung von Verträgen im Kontext der Auslegung des Assoziations- und des Liberalisierungsabkommens und nicht der Kontrolle der Gültigkeit Letzterer ausgelegt hat, nicht entscheidend.

274    Wie sich nämlich zum einen aus der oben in Rn. 269 angeführten Rechtsprechung ergibt, müssen die Organe den Verpflichtungen nachkommen, die sich aus dem Unionsrecht in seiner Auslegung durch die Rechtsprechung ergeben, und zwar ungeachtet des Zusammenhangs, in dem diese ergangen ist. Dieser Grundsatz gilt für die Auslegung von Völkerrechtssätzen durch den Gerichtshof, da die Union nach ständiger Rechtsprechung ihre Befugnisse unter Beachtung des gesamten Völkerrechts ausüben muss (vgl. Urteil Western Sahara Campaign UK, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung). Zudem ist der Unionsrichter, wie dargelegt, dafür zuständig, zu beurteilen, ob eine von der Union geschlossene internationale Übereinkunft mit den Verträgen und den Regeln des Völkerrechts, die die Union nach den Verträgen binden, vereinbar ist (siehe oben, Rn. 155 und 156).

275    Zum anderen waren, wie oben in Rn. 195 dargelegt, die Regeln, die der Gerichtshof den von ihm im Urteil Rat/Front Polisario ausgelegten Grundsätzen des Völkerrechts entnommen hat, relevant für die Frage, ob das Assoziationsabkommen rechtmäßig stillschweigend für die Westsahara gelten konnte. Sie sind es somit erst recht für die Prüfung, ob es möglich ist, in dieses Abkommen eine Bestimmung aufzunehmen, die eine solche räumliche Geltung ausdrücklich vorsieht. Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses kann mithin anhand dieser Regeln geprüft werden.

276    Was als Drittes die Frage angeht, ob eine Berufung auf die vom Gerichtshof ausgelegten Grundsätze des Völkerrechts, insbesondere den Grundsatz der Selbstbestimmung und den Grundsatz der relativen Wirkung von Verträgen, möglich ist, ist zunächst ein weiteres Mal darauf hinzuweisen, dass der Unionsrichter für die Beurteilung der Vereinbarkeit eines Beschlusses zum Abschluss einer internationalen Übereinkunft mit u. a. den Regeln des Völkerrechts zuständig ist, da die Union ihre Befugnisse unter Beachtung dieser Regeln, die sie nach den Verträgen binden, ausüben muss.

277    Nach Art. 3 Abs. 5 und Art. 21 Abs. 1 EUV lässt sich die Union bei ihrem Handeln auf internationaler Ebene von den Werten und Grundsätzen leiten, die für ihre eigene Entstehung, Entwicklung und Erweiterung maßgebend waren. Sie leistet u. a. einen Beitrag zur strikten Einhaltung und Weiterentwicklung des Völkerrechts, insbesondere zur Wahrung der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen.

278    Dem ist hinzuzufügen, dass gemäß Art. 207 Abs. 1 AEUV und im Übrigen dem zwölften Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zufolge die gemeinsame Handelspolitik im Rahmen der Grundsätze und Ziele des auswärtigen Handelns der Union, einschließlich der in der vorstehenden Rn. 277 genannten, gestaltet wird. Die Union ist verpflichtet, diese Grundsätze und Ziele in die Durchführung dieser Politik zu integrieren (vgl. in diesem Sinne Gutachten 2/15 [Freihandelsabkommen mit Singapur] vom 16. Mai 2017, EU:C:2017:376, Rn. 142 bis 147].

279    Sodann ist auf die Feststellung des Gerichtshofs in den Rn. 88 und 89 des Urteils Rat/Front Polisario hinzuweisen, dass das Recht auf Selbstbestimmung erga omnes gilt und ein Grundprinzip des Völkerrechts ist und dass dieser Grundsatz deshalb zu den in den Beziehungen zwischen der Union und dem Königreich Marokko anwendbaren einschlägigen Völkerrechtssätzen gehört, den der Unionsrichter berücksichtigen muss. Des Weiteren hat der Gerichtshof in den Rn. 90 bis 93 dieses Urteils auf der Grundlage der Resolutionen der Generalversammlung der UNO und des Gutachtens über die Westsahara entschieden, dass der gesonderte und unterschiedliche Status der Westsahara im Rahmen der Beziehungen zwischen der Union und dem Königreich Marokko zu achten und diesem Erfordernis bei der Auslegung des Assoziationsabkommens Rechnung zu tragen ist.

280    Nach dem Hinweis in den Rn. 104 und 105 des Urteils Rat/Front Polisario zum einen auf die Feststellungen des IGH in dem Gutachten über die Westsahara, insbesondere die Feststellung, dass der Bevölkerung dieses Gebiets das Recht auf Selbstbestimmung zusteht, und zum anderen auf die Empfehlung der Generalversammlung der UNO zur Mitwirkung bei den Bemühungen um eine endgültige Lösung für den Status dieses Gebiets hat der Gerichtshof in Rn. 106 dieses Urteils hieraus abgeleitet, dass dieses Volk als Dritter im Sinne des Grundsatzes der relativen Wirkung von Verträgen anzusehen ist, der der Durchführung des Assoziationsabkommens in diesem Gebiet zustimmen muss.

281    Daraus ergibt sich, dass der Gerichtshof im Urteil Rat/Front Polisario aus dem Grundsatz der Selbstbestimmung und dem Grundsatz der relativen Wirkung von Verträgen klare, bestimmte und unbedingte Verpflichtungen abgeleitet hat (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 21. Dezember 2011, Air Transport Association of America u. a., C‑366/10, EU:C:2011:864, Rn. 55), die in Bezug auf die Westsahara in den Beziehungen zwischen der Union und dem Königreich Marokko zu beachten sind, nämlich zum einen die Achtung ihres gesonderten und unterschiedlichen Status und zum anderen die Verpflichtung, sich im Fall der Durchführung des Assoziationsabkommens in diesem Gebiet der Zustimmung ihres Volkes zu vergewissern. Wie oben in Rn. 275 dargelegt, ist daraus abzuleiten, dass diese Verpflichtungen erst recht relevant für die Entscheidung darüber sind, ob die Bestimmungen, in denen die Geltung dieses Abkommens oder seiner Protokolle für dieses Gebiet ausdrücklich vorgesehen ist, rechtmäßig sind.

282    Daher muss im vorliegenden Fall der Kläger zur Verteidigung der Rechte, die dem Volk der Westsahara aus dem Grundsatz der Selbstbestimmung und dem Grundsatz der relativen Wirkung von Verträgen erwachsen, die Möglichkeit haben, gegenüber dem angefochtenen Beschluss den Verstoß gegen diese klaren, bestimmten und unbedingten Verpflichtungen geltend zu machen, da dieser behauptete Verstoß dieses Volk als an einem Abkommen zwischen der Union und dem Königreich Marokko nicht beteiligten Dritten betreffen kann (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 16. Juni 1998, Racke, C‑162/96, EU:C:1998:293, Rn. 51).

283    Entgegen dem Vorbringen des Rates, der Französischen Republik, der Kommission und der Comader steht der Möglichkeit für den Kläger, sich auf den Grundsatz der Selbstbestimmung und den Grundsatz der relativen Wirkung von Verträgen zu berufen, die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Frage der Geltendmachung von Grundsätzen des Völkergewohnheitsrechts u. a. im Urteil vom 21. Dezember 2011, Air Transport Association of America u. a. (C‑366/10, EU:C:2011:864), nicht entgegen.

284    In Rn. 107 des Urteils vom 21. Dezember 2011, Air Transport Association of America u. a. (C‑366/10, EU:C:2011:864), hat der Gerichtshof entschieden, dass ein Bürger die in Rn. 103 dieses Urteils genannten Grundsätze des Völkergewohnheitsrechts im Hinblick auf die Prüfung der Gültigkeit eines Rechtsakts der Union durch den Gerichtshof nur insoweit geltend machen kann, als zum einen durch diese Grundsätze die Zuständigkeit der Union für den Erlass des Rechtsakts in Frage gestellt werden kann und zum anderen durch den in Rede stehenden Rechtsakt Rechte des Bürgers aus dem Unionsrecht beeinträchtigt oder Verpflichtungen des Bürgers aus dem Unionsrecht begründet werden können. In jener Rechtssache handelte es sich um den Grundsatz, dass jeder Staat über seinem Hoheitsgebiet volle und ausschließliche Lufthoheit besitzt, den Grundsatz, dass kein Staat den Anspruch erheben darf, irgendeinen Teil der hohen See seiner Hoheit zu unterstellen, und den Grundsatz der Freiheit von Flügen über hoher See.

285    Demgemäß hat der Gerichtshof entschieden, dass, da diese Grundsätze im Ausgangsverfahren geltend gemacht wurden, um vom Gerichtshof beurteilen zu lassen, ob die Union für den Erlass der Richtlinie 2008/101/EG des Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG zwecks Einbeziehung des Luftverkehrs in das System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft (ABl. 2009, L 8, S. 3) zuständig war, und da diese Richtlinie unionsrechtliche Verpflichtungen für die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens begründen konnte, nicht auszuschließen war, dass Letztere diese Grundsätze geltend machen konnten, auch wenn sie offenbar nur Verpflichtungen zwischen Staaten begründen sollten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Dezember 2011, Air Transport Association of America u. a., C‑366/10, EU:C:2011:864, Rn. 108 und 109).

286    Es ist jedoch festzustellen, dass die Umstände, unter denen der Gerichtshof die in den vorstehenden Rn. 284 und 285 dargelegten Ausführungen gemacht hat, sich von hier gegebenen unterscheiden.

287    Als Erstes geht aus dem Urteil vom 21. Dezember 2011, Air Transport Association of America u. a. (C‑366/10, EU:C:2011:864), nicht hervor, dass aus den in Rn. 103 dieses Urteils genannten Grundsätzen des Völkergewohnheitsrechts vor dessen Erlass für die Union bereits klare, bestimmte und unbedingte Verpflichtungen gegenüber Unternehmen aus Drittländern wie den Klägerinnen des Ausgangsverfahrens bestanden. So war der Gerichtshof im Rahmen der ihm in dieser Rechtssache vorgelegten Fragen der Sache nach aufgefordert, die Gültigkeit des unmittelbar angefochtenen Rechtsakts anhand dieser allgemein angeführten Grundsätze zu kontrollieren.

288    Als Zweites waren die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens Luftverkehrsunternehmen und Berufsverbände solcher Unternehmen. Es handelte sich demnach um Einzelne, für die die von ihnen geltend gemachten Grundsätze des Völkergewohnheitsrechts grundsätzlich keine Rechte begründeten, da diese Grundsätze, wie der Gerichtshof in Rn. 109 des Urteils vom 21. Dezember 2011, Air Transport Association of America u. a. (C‑366/10, EU:C:2011:864), ausgeführt hat, nur Verpflichtungen zwischen Staaten begründen sollten. Wie der Kläger der Sache nach in seiner Stellungnahme zum Streithilfeschriftsatz der Kommission und in der Sitzung geltend gemacht hat, ist die Situation solcher Einzelnen nicht zu vergleichen mit seiner eigenen im vorliegenden Fall als Vertreter eines Dritten, der an dem mit dem angefochtenen Beschluss geschlossenen Abkommen nicht beteiligt ist und dem aus dem Grundsatz der Selbstbestimmung und dem Grundsatz der relativen Wirkung von Verträgen Rechte erwachsen, die er gegenüber diesem Beschluss geltend machen kann.

289    Als Drittes war die Richtlinie 2008/101, deren Gültigkeit von den Klägerinnen des Ausgangsverfahrens in Frage gestellt wurde, ein Rechtsakt, der im Rahmen der Ausübung der internen Befugnisse der Union erlassen worden war, und ihr Anwendungsbereich war grundsätzlich auf das Gebiet der Union begrenzt. Die Klägerinnen beriefen sich jedoch gerade auf die in Rn. 103 des Urteils vom 21. Dezember 2011, Air Transport Association of America u. a. (C‑366/10, EU:C:2011:864), genannten Grundsätze des Völkergewohnheitsrechts, um der Sache nach geltend zu machen, die Union habe ihre Befugnisse verkannt, denn diese Richtlinie habe auf die außerhalb des Luftraums der Mitgliedstaaten durchgeführten Abschnitte von internationalen Flügen Anwendung finden können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Dezember 2011, Air Transport Association of America u. a., C‑366/10, EU:C:2011:864, Rn. 121 bis 130).

290    Demgegenüber wurde im vorliegenden Fall der angefochtene Beschluss nicht im Rahmen der internen Befugnisse der Union erlassen, sondern in dem ihres auswärtigen Handelns, bei dem sich die Union insbesondere gemäß Art. 21 EUV von den Grundsätzen der UN-Charta und des Völkerrechts leiten lässt. Wie aber oben in Rn. 247 im Rahmen des ersten Klagegrundes – Unzuständigkeit des Rates für den Erlass des angefochtenen Beschlusses – festgestellt worden ist, stellt der Umstand, dass das streitige Abkommen für die Westsahara gilt, als solcher keine Verletzung eines die Befugnisse der Union zum Abschluss eines solchen Abkommens beschränkenden Völkerrechtssatzes durch den Rat dar.

291    Aus alledem ergibt sich, dass im vorliegenden Fall die Frage, ob die Geltendmachung des Grundsatzes der Selbstbestimmung und des Grundsatzes der relativen Wirkung von Verträgen möglich ist, nicht anhand der Erwägungen in den Rn. 107 bis 109 des Urteils vom 21. Dezember 2011, Air Transport Association of America u. a. (C‑366/10, EU:C:2011:864), beurteilt werden kann, da diese Erwägungen auf einer Beurteilung der besonderen Umstände jener Rechtssache beruhten, die sich aus der Art der geltend gemachten Grundsätze des Völkerrechts und des beanstandeten Rechtsakts sowie aus der Rechtsstellung der Klägerinnen des Ausgangsverfahrens ergaben und die mit denen des vorliegenden Falles nicht vergleichbar sind. Insbesondere kann die Möglichkeit der Geltendmachung der beiden genannten Grundsätze im vorliegenden Fall nicht darauf beschränkt sein, der Union die Zuständigkeit für den Erlass des angefochtenen Beschlusses abzusprechen, denn zum einen beruft sich der Kläger auf klare, bestimmte und unbedingte Verpflichtungen der Union im Rahmen des Erlasses dieses Beschlusses und zum anderen soll mit dieser Berufung die Achtung der Rechte eines an dem Abkommen nicht beteiligten Dritten, die von einem Verstoß gegen diese Verpflichtungen betroffen sein können, sichergestellt werden.

292    Jedenfalls erhebt der Kläger, wie oben in den Rn. 267, 271 und 272 im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes dargelegt worden ist, eine Rüge, mit er der Sache nach geltend macht, der Rat und die Kommission hätten gegen ihre Verpflichtung verstoßen, der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Auslegung der Abkommen zwischen der Union und dem Königreich Marokko anhand der anwendbaren Völkerrechtssätze und insbesondere dem Urteil Rat/Front Polisario Folge zu leisten, und auf die er eine Klage gegen einen Beschluss stützt, mit dessen Erlass die Folgerungen aus diesem Urteil gezogen werden sollten. Folglich kann ihm in diesem Kontext nicht das Recht verwehrt werden, die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses in Frage zu stellen, indem er sich im Rahmen dieser Rüge auf solche grundlegenden Rechtssätze beruft, da diese die Union binden und der Beschluss erlassen wurde, um deren Auslegung durch den Gerichtshof Folge zu leisten (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 16. Juni 1998, Racke, C‑162/96, EU:C:1998:293, Rn. 48 und 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).

293    Schließlich ist festzustellen, dass das Vorbringen der Kommission und der Comader speziell zur Möglichkeit der Geltendmachung des Grundsatzes der Selbstbestimmung zum einen und des Grundsatzes der relativen Wirkung von Verträgen zum anderen nur zurückgewiesen werden kann.

294    Zum einen ist zum Vorbringen der Kommission, der Grundsatz der Selbstbestimmung bezeichne ein „kollektives“ Recht, das einen im Wesentlichen politischen Prozess eröffne, dessen Ausgang nicht im Vorhinein bestimmt sei, darauf hinzuweisen, dass aus den Rn. 88 bis 106 des Urteils Rat/Front Polisario nicht hervorgeht, dass diese vermeintlichen Besonderheiten des Rechts auf Selbstbestimmung bei der Kontrolle der Einhaltung der oben in Rn. 281 dargelegten klaren, bestimmten und unbedingten Verpflichtungen zu berücksichtigen wären.

295    Jedenfalls ist der Umstand, dass das Selbstbestimmungsrecht ein Kollektivrecht ist, nicht von Belang, da der vom Kläger vertretene Dritte gerade Inhaber dieses Rechts ist. Auch das Vorbringen, das Selbstbestimmungsrecht eröffne einen politischen Prozess, dessen Ausgang nicht im Vorhinein bestimmt sei, beruht letztlich auf der unrichtigen Prämisse, dass das Volk der Westsahara das Selbstbestimmungsrecht noch nicht genieße, weil der Prozess bezüglich des endgültigen Status dieses Gebiets nicht abgeschlossen und dieses Volk somit nicht in der Lage sei, dieses Recht voll auszuüben. Wie jedoch der Gerichtshof in Rn. 105 des Urteils Rat/Front Polisario festgestellt hat, haben die Organe der UNO anerkannt, dass dieses Volk das Selbstbestimmungsrecht genießt, und eben deshalb hat der Kläger an diesem Prozess mitgewirkt. Folglich steht der Umstand, dass dieser Prozess gegenwärtig noch nicht abgeschlossen ist, der Geltendmachung dieses Grundsatzes nicht entgegen.

296    Zum anderen ist zur Möglichkeit der Geltendmachung des Grundsatzes der relativen Wirkung von Verträgen, eines Grundsatzes des allgemeinen Völkerrechts, der für jede Partei einer internationalen Übereinkunft gilt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Februar 2010, Brita, C‑386/08, EU:C:2010:91, Rn. 44), darauf hinzuweisen, dass die Ausführungen oben in den Rn. 197 bis 199 entsprechend übertragbar sind auf die Frage, ob dieser Grundsatz im Rahmen der vorliegenden Klage geltend gemacht werden kann. Insbesondere sind, wie der Kläger der Sache nach vorträgt, die Folgen der Nichtbeachtung des Grundsatzes der relativen Wirkung von Verträgen in der internationalen Rechtsordnung von den Folgen zu unterscheiden, die ein Verstoß der Organe gegen eine sich aus diesem Grundsatz ergebende Verpflichtung unter Berücksichtigung der Zuständigkeit des Unionsrichters für die Kontrolle ihrer Einhaltung hat.

297    Aus alledem ergibt sich, dass sich der Kläger im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes zu dessen Stützung in sachdienlicher Weise auf das Urteil Rat/Front Polisario und die dort vorgenommene Auslegung des Grundsatzes der Selbstbestimmung und des Grundsatzes der relativen Wirkung von Verträgen berufen kann. Dieser Klagegrund ist somit nicht wirkungslos.

b)      Zur Begründetheit des Vorbringens des Klägers zur Stützung des vorliegenden Klagegrundes

298    Das Vorbringen, auf das der Kläger den vorliegenden Klagegrund stützt, gliedert sich der Sache nach in drei Teile, mit denen geltend gemacht wird, erstens könnten die Union und das Königreich Marokko keine für die Westsahara geltende Übereinkunft abschließen, zweitens sei der gesonderte und unterschiedliche Status dieses Gebiets unter Verstoß gegen den Grundsatz der Selbstbestimmung verletzt und drittens sei das Erfordernis der Zustimmung des Volkes dieses Gebiets als eines an dem streitigen Abkommen nicht beteiligten Dritten im Sinne des Grundsatzes der relativen Wirkung von Verträgen verletzt.

1)      Zum ersten Teil des dritten Klagegrundes, wonach die Union und das Königreich Marokko keine für die Westsahara geltende Übereinkunft abschließen könnten

299    Mit dem ersten Teil des dritten Klagegrundes macht der Kläger geltend, wie sich aus den Urteilen Rat/Front Polisario und Western Sahara Campaign UK ergebe, sei die Geltung einer Übereinkunft zwischen der Union und dem Königreich Marokko für die Westsahara insbesondere wegen Verletzung des Grundsatzes der Selbstbestimmung und des Grundsatzes der relativen Wirkung von Verträgen rechtlich nicht möglich. Mit dem streitigen Abkommen solle aber in Wirklichkeit die De-facto-Geltung des Assoziationsabkommens für den von den marokkanischen Behörden kontrollierten Teil dieses Gebiets, die mit dem ersten dieser Urteile ausgeschlossen worden sei, „festgeschrieben“ werden.

300    Insoweit hat der Gerichtshof, wie oben in Rn. 187 dargelegt, im Urteil Rat/Front Polisario nur ausgeschlossen, dass in Ermangelung einer solchen ausdrücklichen Bestimmung, mit der der für das Königreich Marokko grundsätzlich auf dessen eigenes Gebiet begrenzte Geltungsbereich des Assoziationsabkommens auf das Gebiet der Westsahara ausgedehnt wird, das Liberalisierungsabkommen dahin ausgelegt werden kann, dass diese Ausdehnung mit ihm erfolgt ist.

301    Zunächst hat der Gerichtshof nämlich festgestellt, dass die Generalversammlung der UNO und der IGH der Westsahara, einem Hoheitsgebiet ohne Selbstregierung im Sinne von Art. 73 der UN-Charta, gemäß dem Grundsatz der Selbstbestimmung einen gesonderten und unterschiedlichen Status gegenüber jedem Staat einschließlich des Königreichs Marokko zuerkannt haben. Sodann hat er zu der in Art. 29 des Wiener Übereinkommens niedergelegten Regel der Sache nach ausgeführt, dass danach ein Vertrag einen Staat nur dann hinsichtlich eines anderen als seines eigenen Hoheitsgebiets binden kann, wenn eine solche Absicht aus dem Vertrag ersichtlich ist oder anderweitig festgestellt ist. Nach dem Hinweis darauf, dass gemäß dem Grundsatz der relativen Wirkung von Verträgen die Durchführung des Assoziationsabkommens bei Einbeziehung des Gebiets der Westsahara in dessen Geltungsbereich der Zustimmung des Volkes dieses Gebiets als eines an diesem Abkommen nicht beteiligten Dritten bedarf, hat der Gerichtshof schließlich festgestellt, dass aus dem Urteil vom 10. Dezember 2015, Front Polisario/Rat (T‑512/12, EU:T:2015:953), nicht ersichtlich ist, dass das Volk der Westsahara eine solche Zustimmung erklärt hätte. Er ist zu dem Schluss gelangt, dass diese drei Völkerrechtssätze der Annahme entgegenstanden, dass dieses Gebiet ohne Selbstregierung aufgrund einer stillschweigenden Übereinstimmung zwischen der Union und dem Königreich Marokko in den räumlichen Geltungsbereich des Assoziations- und des Liberalisierungsabkommens falle (Urteil Rat/Front Polisario, Rn. 92 bis 116).

302    Des Weiteren hat der Gerichtshof befunden, dass die Praxis nach Abschluss des Assoziationsabkommens eine Auslegung dieses und des Liberalisierungsabkommens dahin, dass sie rechtlich für die Westsahara gelten, nicht rechtfertigen kann, da das Gericht entgegen Art. 31 Abs. 3 Buchst. b des Wiener Übereinkommens nicht geprüft hat, ob aus dieser Praxis eine Übereinstimmung der Vertragsparteien hervorgeht, und da ein etwaiger Wille der Union, diese Abkommen in einer Weise durchzuführen, die nicht mit den Grundsätzen der Selbstbestimmung und der relativen Wirkung der Verträge zu vereinbaren wäre, mit dem Grundsatz der Durchführung der Verträge nach Treu und Glauben unvereinbar gewesen wäre (Urteil Rat/Front Polisario, Rn. 122 bis 125).

303    Die oben in den Rn. 42 und 44 angeführten Entscheidungen der Unionsgerichte, die nach dem Urteil Rat/Front Polisario ergangen sind, enthalten entsprechende Ausführungen unter ausdrücklicher Bezugnahme auf dieses Urteil. Die Rechtssache, in denen diese Entscheidungen ergangen sind, betrafen Abkommen zwischen der Union und dem Königreich Marokko, die keine ausdrücklichen Bestimmungen enthielten, mit denen ihr räumlicher Geltungsbereich auf die Westsahara oder die an sie angrenzenden Gewässer ausgedehnt wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil Western Sahara Campaign UK, Rn. 62, 63, 71 bis 73, 79 und 83; Beschlüsse vom 19. Juli 2018, Front Polisario/Rat, T‑180/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:496, Rn. 44 bis 69, und vom 30. November 2018, Front Polisario/Rat, T‑275/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:869, Rn. 27 bis 41).

304    Dagegen betrafen die Rechtsstreitigkeiten, in denen diese Entscheidungen der Unionsgerichte ergangen sind, keine Übereinkünfte zwischen der Union und dem Königreich Marokko mit einer ausdrücklichen Bestimmung zur Einbeziehung der Westsahara in den Geltungsbereich dieses Abkommens.

305    Wie jedoch oben in Rn. 301 dargelegt worden ist und wie im Übrigen die Kommission und die Französische Republik hervorgehoben haben, hat der Gerichtshof im Urteil Rat/Front Polisario festgestellt, dass die in Art. 29 des Wiener Übereinkommens niedergelegte Regel der Bindung eines Staates hinsichtlich eines anderen als seines eigenen Hoheitsgebiets nicht entgegensteht, wenn eine solche Absicht aus dem Vertrag ersichtlich ist. Im vorliegenden Fall ist aber eine solche Absicht ausdrücklich aus dem Wortlaut der gemeinsamen Erklärung über die Westsahara ersichtlich und wird im sechsten Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses bekräftigt. Entgegen dem Vorbringen des Klägers kann das streitige Abkommen demnach nicht als „Bestätigung“ einer von der Rechtsprechung ausgeschlossenen Praxis angesehen werden. Zum einen hat diese nämlich nicht völlig die Möglichkeit ausgeschlossen, dass eine Übereinkunft zwischen der Union und dem Königreich Marokko für die Westsahara gelten kann. Zum anderen ergibt sich diese Geltung im vorliegenden Fall nicht aus einer bloßen „Praxis“, sondern aus dem ausdrücklichen Wortlaut des streitigen Abkommens selbst, der den gemeinsamen Willen der Parteien und insbesondere der Union widerspiegelt. Der vorliegende Teil dieses Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.

306    Nunmehr ist der dritte Teil des vorliegenden Klagegrundes zu prüfen.

2)      Zum dritten Teil des dritten Klagegrundes, wonach das Erfordernis der Zustimmung des Volkes dieses Gebiets als eines an dem streitigen Abkommen nicht beteiligten Dritten im Sinne des Grundsatzes der relativen Wirkung von Verträgen verletzt sei

307    Mit dem dritten Teil des dritten Klagegrundes stellt der Kläger insbesondere die Gültigkeit der von der Kommission und vom EAD durchgeführten Konsultationen und die Relevanz des Berichts vom 11. Juni 2018, in dem u. a. auf diese Konsultationen Bezug genommen wird, in Abrede. Diese Konsultationen und dieser Bericht seien nämlich auf den Nutzen des streitigen Abkommens konzentriert, während der Gerichtshof als alleiniges relevantes Kriterium die Zustimmung des Volkes der Westsahara zu diesem Abkommen aufgestellt habe. Zudem hätten diese Konsultationen, für die das Königreich Marokko nicht zuständig gewesen sei, nicht die Einholung dieser Zustimmung bezwecken oder bewirken können, denn zum einen könne sich diese nicht aus einem informellen Konsultationsprozess ergeben und zum anderen betreffe Letzterer Entitäten, die gemäß marokkanischen Rechts eingerichtet worden seien und den Teil dieses Volkes, der außerhalb der vom Königreich Marokko kontrollierten Zone lebe, nicht eingeschlossen habe. Darüber hinaus habe der Rat im zehnten Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses Art und Tragweite dieser Konsultationen geändert, indem er sie als Ausdruck der Zustimmung der „betroffenen Bevölkerung“ bezeichnet habe. Diese Erwägungen des Rates stünden nicht im Einklang mit dem Urteil Rat/Front Polisario, insbesondere dessen Rn. 106.

308    Der Rat, die Französische Republik, die Kommission und die Comader machen der Sache nach geltend, in Anbetracht der besonderen Situation der Westsahara, die es nicht erlaube, die Zustimmung ihres Volkes unmittelbar oder unter Einschaltung des Klägers einzuholen, und des großen Wertungsspielraums der Organe seien die einschlägigen Völkerrechtssätze mit den durchgeführten Konsultationen gewahrt (siehe oben, Rn. 252 bis 257).

309    Zur Prüfung des vorliegenden Teils sind erstens die Anwendung des Grundsatzes der relativen Wirkung von Verträgen im vorliegenden Fall, zweitens die Modalitäten der, wie es im zehnten Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses heißt, „Berücksichtigung der Erwägungen über die Zustimmung im Urteil [Rat/Front Polisario]“ durch die Organe und drittens die Begründetheit des oben in Rn. 307 wiedergegebenen Vorbringens zu prüfen.

i)      Zur Anwendung des Grundsatzes der relativen Wirkung von Verträgen im vorliegenden Fall

310    Als Erstes ist darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der relativen Wirkung von Verträgen, wie sich aus den Rn. 100 bis 107 des Urteils Rat/Front Polisario ergibt, im vorliegenden Fall entgegen der Auffassung der Comader Anwendung findet. Insbesondere ist das Vorbringen, das Königreich Marokko habe angesichts seiner Haltung in der Frage Westsahara weder Rechte noch Pflichten für das Volk dieses Gebiets begründen wollen, ohne Bedeutung für die Anwendbarkeit dieses Grundsatzes im Rahmen der von den Unionsgerichten anhand des Völkerrechts vorgenommenen Auslegung einer für die Westsahara geltenden Übereinkunft zwischen der Union und dem Königreich Marokko wie des streitigen Abkommens.

311    Als Zweites ist festzustellen, dass der Gerichtshof im Urteil Rat/Front Polisario weder die Kriterien dafür, ob das Volk der Westsahara seine Zustimmung zur Durchführung des Assoziationsabkommens gegeben hat, noch die Art und Weise, in der diese Zustimmung ausgedrückt werden konnte, bezeichnet hat, da er lediglich festgestellt hat, dass aus dem Urteil vom 10. Dezember 2015, Front Polisario/Rat (T‑512/12, EU:T:2015:953), nicht ersichtlich ist, dass das Volk der Westsahara eine solche Zustimmung erklärt hätte.

312    Zudem ist nicht ersichtlich, dass die Organe der UNO zur Frage der Zustimmung des Volkes der Westsahara zu einer für dieses Gebiet geltenden internationalen Übereinkunft Stellung genommen hätten. Insoweit sei darauf hingewiesen, dass das Schreiben des Rechtsberaters, des Stellvertretenden Generalsekretärs für Rechtsfragen der UNO, vom 29. Januar 2002 (im Folgenden: Schreiben des Rechtsberaters der UNO vom 29. Januar 2002), auf das der Rat Bezug nimmt, keine Äußerung zu dieser Frage enthält. Zum einen betrifft es nämlich die Frage der Rechtmäßigkeit von privatrechtlichen Verträgen zwischen marokkanischen öffentlichen Einrichtungen und Erdölgesellschaften zur Prospektion und Bewertung von Erdölressourcen vor den Küsten der Westsahara, und zum anderen ist darin nur von der Notwendigkeit die Rede, die Interessen und den Willen dieses Volkes zu berücksichtigen, nicht aber von den Modalitäten dieser Berücksichtigung.

313    Als Drittes dürfen Verträge, wie oben in Rn. 194 dargelegt, gemäß dem allgemeinen völkerrechtlichen Grundsatz der relativen Wirkung von Verträgen, der in Art. 34 des Wiener Übereinkommens eine besondere Ausprägung gefunden hat, Dritten ohne deren Zustimmung weder schaden noch nützen.

314    Des Weiteren sieht Art. 35 des Wiener Übereinkommens vor:

„Ein Drittstaat wird durch eine Vertragsbestimmung verpflichtet, wenn die Vertragsparteien beabsichtigen, durch die Vertragsbestimmung eine Verpflichtung zu begründen, und der Drittstaat diese Verpflichtung ausdrücklich in Schriftform annimmt.“

315    Art. 36 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens lautet:

„Ein Drittstaat wird durch eine Vertragsbestimmung berechtigt, wenn die Vertragsparteien beabsichtigen, durch die Vertragsbestimmung dem Drittstaat oder einer Staatengruppe, zu der er gehört, oder allen Staaten ein Recht einzuräumen, und der Drittstaat dem zustimmt. Sofern der Vertrag nichts anderes vorsieht, wird die Zustimmung vermutet, solange nicht das Gegenteil erkennbar wird.“

316    Den Bestimmungen der Art. 35 und 36 des Wiener Übereinkommens, die für die Staaten die aus dem Grundsatz der relativen Wirkung von Verträgen folgenden Regeln zum Ausdruck bringen, lässt sich entnehmen, dass die Zustimmung des Volkes der Westsahara zu dem streitigen Abkommen nur dann vermutet werden kann, wenn die Parteien dieses Abkommens beabsichtigt haben, ihm ein Recht einzuräumen, und solange nicht das Gegenteil erkennbar wird, während demgegenüber diese Zustimmung in Bezug auf Verpflichtungen, die ihm diese Parteien aufzuerlegen beabsichtigen, ausdrücklich erfolgen muss.

317    Diese Schlussfolgerung wird nicht durch das Vorbringen des Rates und der Kommission in Frage gestellt, das Zustimmungserfordernis könne für einen Staat und für ein Gebiet ohne Selbstregierung nicht in derselben Weise gelten. Zum einen können nämlich die im Wiener Übereinkommen kodifizierten Grundsätze, obwohl dessen Bestimmungen nur auf die Beziehungen zwischen Staaten Bezug nehmen, auf andere Völkerrechtssubjekte Anwendung finden (vgl. in diesem Sinne Urteil Rat/Front Polisario, Rn. 100). Zum anderen ist festzustellen, dass eine solche Unterscheidung nicht aus Rn. 106 dieses Urteils hervorgeht. In dieser Randnummer hat der Gerichtshof nämlich in der Sache nicht zwischen der Einstufung des Volkes der Westsahara als „Dritter“ im Sinne des Grundsatzes der relativen Wirkung von Verträgen und der Einstufung eines Staates als „Dritter“ im Sinne von Art. 34 des Wiener Übereinkommens unterschieden.

318    Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass mit dem streitigen Abkommen dem Volk der Westsahara als an diesem Abkommen nicht beteiligtem Dritten keine Rechte eingeräumt werden sollen.

319    Zum einen ist Rechtsinhaber hinsichtlich der von der Union den Erzeugnissen mit Ursprung in der Westsahara gewährten Zollpräferenzen das Königreich Marokko als Partei des streitigen Abkommens. Diese Feststellung wird dadurch bestätigt, dass, wie der Kläger ausführt und die Kommission in der Begründung des Vorschlags für den Abschluss des streitigen Abkommens erläutert, mit den Bestimmungen der gemeinsamen Erklärung über die Westsahara weder die Menge noch die Kategorien der unter das Protokoll Nr. 1 fallenden Erzeugnisse geändert werden. Somit werden die Zollpräferenzen für die unter der Kontrolle der marokkanischen Behörden stehenden Erzeugnisse mit Ursprung in der Westsahara in den Grenzen der Gesamtmengen gewährt, die im Protokoll Nr. 1 für die Erzeugnisse mit marokkanischem Ursprung festgelegt sind, und nur für die von diesem Protokoll erfassten Erzeugniskategorien.

320    Zudem kann nicht angenommen werden, dass das Königreich Marokko diese Rechte im Namen des Volkes der Westsahara ausübt, da es in Anbetracht seines in Abs. 3 des streitigen Abkommens zum Ausdruck gebrachten Standpunkts zu diesem Gebiet und nach dem, was die Comader der Sache nach ausführt, nicht beabsichtigt, diesem Volk derartige Rechte einzuräumen.

321    Zum anderen kann das streitige Abkommen zwar Rechte für die Ausführer mit Sitz in der Westsahara begründen, doch betreffen diese Wirkungen nur Einzelpersonen und nicht einen an dem Abkommen nicht beteiligten Dritten, der diesem zustimmen kann. Was zudem den Nutzen angeht, den die Bevölkerung dieses Gebiets in ihrer Gesamtheit aus dem Abkommen ziehen kann, handelt es sich dabei jedenfalls um rein sozioökonomische, nicht aber um rechtliche Auswirkungen. Dieser, im Übrigen mittelbare, Nutzen kann somit einem Dritten eingeräumten Rechten im Sinne des Grundsatzes der relativen Wirkung von Verträgen nicht gleichgestellt werden.

322    Dagegen bewirkt das streitige Abkommen, dass dem in Rede stehenden Dritten eine Verpflichtung auferlegt wird, da damit einer der Parteien des Abkommens eine Zuständigkeit für sein Gebiet eingeräumt wird, die er somit nicht selbst ausüben oder deren Ausübung er nicht delegieren kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Februar 2010, Brita, C‑386/08, EU:C:2010:91, Rn. 52). Das Vorbringen der Kommission, dass dieser Dritte gegenwärtig aufgrund seines Status als Hoheitsgebiet ohne Selbstregierung nicht in der Lage sei, diese Zuständigkeiten auszuüben, kann weder diese Feststellung noch die Notwendigkeit der Zustimmung des Dritten in Frage stellen.

323    Daraus folgt, dass der in Art. 36 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens niedergelegte Grundsatz, wonach die Zustimmung eines an einem Vertrag nicht beteiligten Dritten, wenn dieser durch den Vertrag berechtigt wird, vermutet werden kann, solange nicht das Gegenteil erkennbar wird, im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist. Diese Zustimmung muss demnach ausdrücklich erklärt werden.

324    Was als Viertes Inhalt und Tragweite des Begriffs der Zustimmung angeht, wie er in den Art. 34 bis 36 des Wiener Übereinkommens verwendet und in Rn. 106 des Urteils Rat/Front Polisario in Bezug genommen wird, ist darauf hinzuweisen, dass nach Abs. 3 der Präambel dieses Übereinkommens der Grundsatz der freien Zustimmung, wie der Grundsatz von Treu und Glauben und der Rechtsgrundsatz „pacta sunt servanda“, ein „allgemein anerkannt[er]“ Grundsatz ist, dem im Vertragsrecht eine grundlegende Rolle zukommt.

325    Ist nach einem Völkerrechtssatz die Zustimmung einer Partei oder eines Dritten erforderlich, so bedeutet das erstens, dass der Ausdruck dieser Zustimmung eine Voraussetzung für die Gültigkeit der Handlung ist, zu der sie erforderlich ist, zweitens, dass die Gültigkeit dieser Zustimmung selbst davon abhängt, dass sie „frei und unverfälscht“ erteilt wurde, und drittens, dass diese Handlung gegenüber der Partei oder dem Dritten wirkt, die bzw. der ihr rechtsgültig zugestimmt hat (vgl. in diesem Sinne Urteil des IGH vom 12. Oktober 1984, Delimitation of the Maritime Boundary in the Gulf of Maine Area, I.C.J. Reports 1984, S. 246, Rn. 127 bis 130 und 138 bis 140, und Gutachten des IGH vom 25. Februar 2019, Rechtswirkungen der Trennung des Chagos-Archipels von Mauritius im Jahr 1965, I.C.J. Reports 2019, S. 95, Rn. 160, 172 und 174; vgl. in diesem Sinne und entsprechend auch Urteil vom 23. Januar 2014, Manzi und Compagnia Naviera Orchestra, C‑537/11, EU:C:2014:19, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

326    Daher ist festzustellen, dass die Zustimmung des Volkes der Westsahara als eines an dem streitigen Abkommen nicht beteiligten Dritten im Sinne der Rn. 106 des Urteils Rat/Front Polisario denselben Anforderungen genügen und dieselben Rechtswirkungen entfalten muss, die in der vorstehenden Rn. 325 genannt sind.

327    Im Licht dieser Erwägungen sind die konkreten Schritte zu prüfen, die der Rat und die Kommission unternommen haben, um Rn 106 des Urteils Rat/Front Polisario Folge zu leisten.

ii)    Zu den Konsultationen, die der Rat und die Kommission durchgeführt haben, um der Auslegung des Grundsatzes der relativen Wirkung von Verträgen durch den Gerichtshof im Urteil Rat/Front Polisario Folge zu leisten

328    Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der Rat im zehnten Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausführt, dass „die Kommission gemeinsam mit dem [EAD] alle im aktuellen Kontext sinnvollen und möglichen Maßnahme[n] zur angemessenen Einbeziehung der betroffenen Bevölkerung getroffen [hat], um sich deren Zustimmung zum Abkommen zu vergewissern“. Wie die Erläuterungen des Rates, der Kommission und der Französischen Republik vor dem Gericht bestätigen, beabsichtigten die Organe, die „Erwägungen über die Zustimmung“ in Rn. 106 des Urteils Rat/Front Polisario im Rahmen dieser Konsultationen zu berücksichtigen.

329    Insoweit geht erstens aus den Erläuterungen des Rates und dem Bericht vom 11. Juni 2018 hervor, dass der Rat in seinem Beschluss vom 29. Mai 2017 zur Ermächtigung der Kommission zur Aufnahme von Verhandlungen mit dem Königreich Marokko gemäß Art. 218 Abs. 2 AEUV diese Ermächtigung unter zwei Bedingungen erteilt hatte, von denen die eine die Bewertung der „möglichen Auswirkungen des Abkommens auf die nachhaltige Entwicklung der Westsahara“ durch die Kommission betraf und die andere dahin ging, dass „die von diesem Abkommen betroffenen Bevölkerungsgruppen angemessen einbezogen werden“.

330    Zweitens heißt es in dem Bericht vom 11. Juni 2018, in dem die Kommission die Ergebnisse der Bewertung und der Konsultationen darstellt, die sie im Auftrag des Rates durchgeführt hat:

„Da es keine denkbare Alternative zur direkten Konsultation der Bevölkerung der Westsahara gibt, haben die Dienststellen der … Kommission und der EAD folglich Konsultationen mit einer breiten Palette von Organisationen durchgeführt, die repräsentativ für die saharauische Zivilgesellschaft sind, sowie mit Abgeordneten, Wirtschaftsteilnehmern und Organisationen, darunter der [Kläger]. … Im Mittelpunkt dieser Konsultationen stand das Hauptziel, Standpunkte und Kommentare über den Nutzen, den die Bevölkerungsgruppen der Westsahara und die Wirtschaft des Gebiets aus der Ausdehnung der Zollpräferenzen, die marokkanischen Erzeugnissen gewährt werden, auf Erzeugnisse der Westsahara bei ihrer Einfuhr in die Europäische Union ziehen könnten.“

331    Im Einzelnen führt die Kommission in dem Bericht vom 11. Juni 2018 aus:

„[D]ie von den Dienststellen der Europäischen Kommission und dem EAD durchgeführte Konsultation [wies] drei Aspekte auf. Als Verhandlungspartner hat die Regierung Marokkos ihrerseits gemäß und in Übereinstimmung mit den eigenen institutionellen Regeln eine umfangreiche Befragung der regionalen Amtsträger vorgenommen und die Schlussfolgerungen mit den Dienststellen der … Kommission und dem EAD geteilt. Zudem hatten Letztere ebenfalls den Wunsch, die größtmögliche Palette an politischen, sozioökonomischen oder zivilgesellschaftlichen Organisationen hinzuzuziehen, die imstande sind, die lokalen oder regionalen Interessen der Westsahara zu vertreten. Zuletzt fanden auch Gespräche mit dem [Kläger] als einer der Parteien des von den Vereinten Nationen geleiteten Friedensprozesses statt.“

332    Drittens heißt es in der Schlussfolgerung dieses Berichts zu den Ergebnissen der „Konsultationen“ der „betroffenen Bevölkerungsgruppen“:

„Der von den Dienststellen der … Kommission und dem EAD verfolgte Konsultationsprozess ergibt, dass die Mehrheit der aktuell in der Westsahara lebenden Bevölkerungsgruppen die Ausdehnung der Zollpräferenzen im Rahmen des Assoziationsabkommens … auf die Erzeugnisse mit Ursprung in der Westsahara weitestgehend unterstützt. Die gewählten Vertreter der Westsahara aus nationalen, regionalen und lokalen Organen brachten nach dem Sensibilisierungs- und Konsultationsprozess, bei dem die Behörden marokkanische Institutionen hinzuzogen hatten, ebenfalls eine positive Meinung zum Ausdruck. Diese Meinung wird von einer großen Mehrheit der sozioökonomischen Basisorganisationen der Zivilgesellschaft geteilt.“

333    Hingegen führt die Kommission in der oben in Rn. 331 genannten Schlussfolgerung aus, dass „[der Kläger] die Änderung zur Ausdehnung der Zollpräferenzen im Rahmen des Assoziationsabkommens EU-Marokko auf die Erzeugnisse der Westsahara ab[lehnt], hauptsächlich da die Abdeckung der Westsahara vom Assoziationsabkommen … als Festigung der marokkanischen Ansprüche auf die Westsahara wahrgenommen wird, und nicht, weil die Ausdehnung der Zollpräferenzen zum Nachteil der Entwicklung der im Gebiet lebenden Bevölkerung wäre“.

334    Somit war die Kommission, wie sie in ihrem Streithilfeschriftsatz darlegt, der Ansicht, dass sie zum einen wegen der Unmöglichkeit, das Volk der Westsahara unmittelbar oder vermittelt durch einen einzigen „legitimen“ Vertreter zu konsultieren, und zum anderen im Bemühen um „Nichteinmischung“ in den „Legitimitätskonflikt zwischen [dem Königreich] Marokko und dem Kläger“, in dem „keine [dieser] Parteien allein über die Legitimität verfügt“, in Verbindung mit dem EAD „durch größtmögliche Erweiterung der Basis für die Konsultation über die von der einen oder der anderen Partei geförderten Gesprächspartner hinaus auf die Zivilgesellschaft“ „möglichst ,inklusive‘ Konsultationen durchzuführen“ habe. Der Rat hat dieses Vorgehen im zehnten Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses mit der Feststellung gebilligt, dass die Kommission und der EAD „alle im aktuellen Kontext sinnvollen und möglichen Maßnahme[n] … getroffen [haben], um sich [der] Zustimmung [der betroffenen Bevölkerung] zum [streitigen] Abkommen zu vergewissern“.

335    Aus diesen Erwägungen lassen sich mehrere Schlussfolgerungen ziehen.

336    Zunächst kann daraus abgeleitet werden, dass es die Organe in der Praxis nicht für möglich gehalten haben, die Zustimmung des Volkes der Westsahara als eines an dem streitigen Abkommen nicht beteiligten Dritten wegen der besonderen Situation dieses Gebiets unmittelbar oder unter Einschaltung nur des Klägers einzuholen, dass sie dagegen der Ansicht waren, dass es die Konsultation für die „betroffenen Bevölkerungsgruppen“ „repräsentativer Organisationen“ zur Einholung von deren Zustimmung angesichts dieser Situation gleichwohl erlaubte, den sich aus Rn. 106 des Urteils Rat/Front Polisario ergebenden Anforderungen so weit wie möglich zu entsprechen.

337    Sodann lässt sich daraus ableiten, dass der von den Organen verwendete Begriff „betroffene Bevölkerungsgruppen“ im Wesentlichen die Bevölkerungsgruppen umfasst, die sich gegenwärtig im Gebiet der Westsahara befinden, unabhängig davon, ob sie zum Volk dieses Gebiets gehören oder nicht, allerdings, wie es im Bericht vom 11. Juni 2018 heißt, unbeschadet der „[Einholung der] Auffassung der saharauischen Flüchtlingsbevölkerung“, die die „[Einbeziehung des Klägers] in die konsultierten Parteien“ erlauben würde. Somit unterscheidet sich dieser Begriff von dem Begriff „Volk der Westsahara“ zum einen dadurch, dass er die Gesamtheit der von der Geltung des streitigen Abkommens in diesem Gebiet – positiv oder negativ – betroffenen lokalen Bevölkerungsgruppen einschließen kann, und zum anderen dadurch, dass er nicht den politischen Gehalt dieses zweiten Begriffs hat, der sich insbesondere aus dem diesem Volk zuerkannten Selbstbestimmungsrecht ergibt.

338    Schließlich beruhen, wie der Kläger der Sache nach geltend gemacht hat, die von der Kommission und vom EAD durchgeführten Konsultationen auf einem Ansatz, der mit dem in Art. 11 Abs. 3 EUV und in Art. 2 des Protokolls Nr. 2 zum AEU-Vertrag über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit geforderten vergleichbar ist, wonach die Kommission umfangreiche Anhörungen der Betroffenen durchführt, bevor sie einen Gesetzgebungsakt vorschlägt.

339    Dieser Ansatz bedeutet indes grundsätzlich nur, dass die Ansichten der verschiedenen Betroffenen im Interesse von Kohärenz und Transparenz einzuholen und insbesondere für den Erlass des vorgeschlagenen Rechtsakts zu berücksichtigen sind. Demnach kann die Berücksichtigung dieser Ansichten zwar Einfluss darauf haben, ob dieser Rechtsakt erlassen wird oder nicht, sie entfaltet jedoch keine Rechtswirkungen, die mit derjenigen des für den Erlass dieses Rechtsakts erforderlichen Ausdrucks der Zustimmung einer Vertragspartei oder eines Dritten vergleichbar ist.

340    Folglich kann, wenn der Rat im zehnten Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses auf die „Zustimmung“ „der betroffenen Bevölkerung“ Bezug nimmt, dieser Begriff nicht dahin ausgelegt werden, dass er den oben in Rn. 325 beschriebenen rechtlichen Gehalt hat. Wie sich nämlich insbesondere aus der Schlussfolgerung des Berichts vom 11. Juni 2018 ergibt, haben sich die von der Kommission und vom EAD als repräsentativ für die „betroffenen Bevölkerungsgruppen“ angesehenen und von diesen wie auch vom Königreich Marokko konsultierten Institutionen und Organisationen nur mehrheitlich für den Abschluss des streitigen Abkommens ausgesprochen. Dagegen kann diese Auffassung für sich genommen nicht so verstanden werden, dass damit die Voraussetzung für die Gültigkeit dieses Abkommens und des angefochtenen Beschlusses erfüllt wäre und diese Institutionen und die Organisationen oder die „betroffenen Bevölkerungsgruppen“ selbst gebunden wären, so dass dieses Abkommen ihnen gegenüber wirkte. Der im angefochtenen Beschluss verwendete Begriff der Zustimmung ist somit in diesem besonderen Zusammenhang so zu verstehen, dass er lediglich auf diese mehrheitlich befürwortende Meinung verweist. Im Rahmen der Prüfung der Begründetheit des vorliegenden Teils wird zu untersuchen sein, ob der besondere Sinn, der dem Begriff der Zustimmung in dem angefochtenen Beschluss gegeben wird, mit der Auslegung des Grundsatzes der relativen Wirkung von Verträgen durch den Gerichtshof in Rn. 106 des Urteils Rat/Front Polisario vereinbar ist.

iii) Zur Frage, ob der besondere Sinn, der dem Begriff der Zustimmung in dem angefochtenen Beschluss gegeben wird, mit der Auslegung des Grundsatzes der relativen Wirkung von Verträgen durch den Gerichtshof im Urteil Rat/Front Polisario vereinbar ist

341    Vorab ist festzustellen, dass das Vorbringen, auf das der Kläger den vorliegenden Teil des dritten Klagegrundes stützt, die Frage aufwirft, ob der Rat angesichts der besonderen Situation der Westsahara von seinem Wertungsspielraum Gebrauch machen durfte, um das Erfordernis der Zustimmung des Volkes dieses Gebiets zu dem streitigen Abkommen dahin auszulegen, dass es insoweit genügte, im Rahmen der von der Kommission und vom EAD durchgeführten Konsultationen die mehrheitlich befürwortende Meinung der „betroffenen“ Bevölkerungsgruppen einzuholen.

342    Hierzu ist als Erstes darauf hinzuweisen, dass die Unionsorgane im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik, insbesondere bei handelspolitischen Schutzmaßnahmen, wegen der Komplexität der von ihnen zu prüfenden wirtschaftlichen, politischen und rechtlichen Sachverhalte über ein weites Ermessen verfügen (vgl. Urteil vom 27. September 2007, Ikea Wholesale, C‑351/04, EU:C:2007:547, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im Rahmen eines Assoziationsabkommens wie des hier in Rede stehenden, das ein komplexes System internationaler Übereinkünfte mit mehreren Teilen darstellt und dem gemeinsamen Willen der Parteien entspricht, enge Beziehungen herzustellen und gegebenenfalls zu vertiefen (vgl. in diesem Sinne Urteil Western Sahara Campaign UK, Rn. 59 bis 61), müssen die Organe in der Lage sein, die erforderliche Abwägung der verschiedenen Interessen, die in den Beziehungen zu dem Drittland und Partner der Union betroffen sind, vorzunehmen und die hierfür am besten geeignete Strategie festzulegen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Beschluss vom 25. September 2019, Magnan/Kommission, T‑99/19, EU:T:2019:693, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).

343    Des Weiteren hat der Gerichtshof entschieden, dass sich die gerichtliche Kontrolle angesichts dessen, dass ein Grundsatz des Völkergewohnheitsrechts nicht dieselbe Bestimmtheit aufweist wie eine Bestimmung einer internationalen Übereinkunft, zwangsläufig auf die Frage beschränken muss, ob den Organen der Union beim Erlass des betreffenden Rechtsakts offensichtliche Fehler bei der Beurteilung der Voraussetzungen für die Anwendung eines solchen Grundsatzes unterlaufen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Dezember 2011, Air Transport Association of America u. a., C‑366/10, EU:C:2011:864, Rn. 110 und die dort angeführte Rechtsprechung).

344    Wie der Gerichtshof demgemäß zum einen entschieden hat, ist es für die gerichtliche Kontrolle offensichtlicher Beurteilungsfehler erforderlich, dass die Gemeinschaftsorgane, die den in Rede stehenden Rechtsakt erlassen haben, vor dem Unionsrichter belegen können müssen, dass sie beim Erlass des Rechtsakts ihre Beurteilungsbefugnis tatsächlich ausgeübt haben, was voraussetzt, dass alle erheblichen Faktoren und Umstände der Situation, die mit diesem Rechtsakt geregelt werden sollte, berücksichtigt worden sind (Urteil vom 7. September 2006, Spanien/Rat, C‑310/04, EU:C:2006:521, Rn. 122).

345    Zum anderen hat der Gerichtshof auch entschieden, dass er zur Beantwortung der Frage, ob die Voraussetzung, dass ein Beschluss über die Ermächtigung zu einer Verstärkten Zusammenarbeit als letztes Mittel erlassen worden war, erfüllt war oder nicht, zu prüfen hatte, ob der Rat, der am besten beurteilen konnte, ob die Mitgliedstaaten in der Lage waren, Vorschläge zu unterbreiten, die in absehbarer Zukunft zum Erlass einer Regelung für die Union in ihrer Gesamtheit führen konnten, sorgfältig und unparteiisch alle insoweit relevanten Gesichtspunkte geprüft hatte und ob das Ergebnis, zu dem der Rat gelangt war, hinreichend begründet worden war (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. April 2013, Spanien und Italien/Rat, C‑274/11 und C‑295/11, EU:C:2013:240, Rn. 52 bis 54).

346    Die in den vorstehenden Rn. 344 und 345 dargelegten Erwägungen des Gerichtshofs, mit denen dieser sich zum einen zu einer Klage gegen einen Gesetzgebungsakt und zum anderen zu einer Klage gegen einen Beschluss des Rates über die Ermächtigung zu einer Verstärkten Zusammenarbeit auf der Grundlage von Art. 329 Abs. 1 AEUV geäußert hat, d. h. zu Handlungen, für die deren Urheber über einen besonders weiten Wertungsspielraum verfügen, sind entsprechend auf eine Klage gegen einen Beschluss zum Abschluss einer internationalen Übereinkunft übertragbar (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet in der Rechtssache Rat/Front Polisario, C‑104/16 P, EU:C:2016:677, Rn. 224 bis 227).

347    Ferner kann der Wertungsspielraum der Organe, und zwar auch im Rahmen der auswärtigen Beziehungen, durch einen Rechtsbegriff eingeschränkt sein, mit dem objektive Kriterien eingeführt werden und der unionsrechtlich geforderte Grad von Vorhersehbarkeit garantiert wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 2014, National Iranian Oil Company/Rat, T‑578/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:678, Rn. 123).

348    Im vorliegenden Fall hat der Gerichtshof, wie oben in Rn. 281 festgestellt, zum einen aus dem Grundsatz der Selbstbestimmung die Verpflichtung abgeleitet, in den Beziehungen zwischen der Union und dem Königreich Marokko den gesonderten und unterschiedlichen Status der Westsahara zu achten, und zum anderen aus dem Grundsatz der relativen Wirkung von Verträgen das Erfordernis, dass das Volk dieses Gebiets einem Abkommen zwischen der Union und dem Königreich Marokko, das in diesem Gebiet durchgeführt werden soll, zustimmen muss, und hat damit den Organen klare, bestimmte und unbedingte Verpflichtungen gegenüber dem vom Kläger vertretenen Dritten auferlegt.

349    Folglich wird der Wertungsspielraum, über den der Rat für den Abschluss eines Abkommens mit dem Königreich Marokko verfügt, das ausdrücklich für die Westsahara gilt, rechtlich begrenzt durch die in der vorstehenden Rn. 348 bezeichneten Verpflichtungen. Insbesondere war es hinsichtlich des Erfordernisses der Zustimmung des Volkes dieses Gebiets zu einem solchen Abkommen zwar Sache des Rates, zu beurteilen, ob die gegenwärtige Situation dieses Gebiets eine Anpassung der Modalitäten des Ausdrucks dieser Zustimmung rechtfertigte und ob die Voraussetzungen dafür erfüllt waren, diese Zustimmung als zum Ausdruck gebracht anzusehen. Dagegen stand ihm, wollte er nicht gegen dieses Erfordernis verstoßen, nicht die Entscheidung darüber zu, ob von dieser Zustimmung abgesehen werden konnte.

350    Als Zweites ist oben in Rn. 203 auf die besondere Situation der Westsahara hingewiesen worden, eines Hoheitsgebiets ohne Selbstregierung, für das die Verwaltungsmacht im Sinne von Art. 73 der UN-Charta auf die Ausübung jeder völkerrechtlichen Verantwortung verzichtet hat und für das noch immer ein Selbstbestimmungsprozess im Gang ist, weil die Parteien dieses Prozesses, das Königreich Marokko und der Kläger als Vertreter des Volkes dieses Gebiets, u. a. wegen des zwischen ihnen insoweit bestehenden „Legitimitätskonflikts“ nicht zu einer Einigung über die Regelung der Situation dieses Gebiets gelangt sind.

351    Im Einzelnen kann festgestellt werden, dass es bis heute zwischen diesen Parteien nicht zu einer Einigung gekommen ist, aufgrund deren sich eine von ihnen damit einverstanden erklärt hätte, dass die andere zum Nutzen dieses Gebiets Zuständigkeiten für Zoll- und Handelsfragen, insbesondere im Rahmen einer dafür geltenden internationalen Übereinkunft wie des streitigen Abkommens, ausübt.

352    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass der Rat im sechsten Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausgeführt hat, dass „[e]in Abkommen zwischen der Europäischen Union und dem Königreich Marokko … das einzige Mittel [ist], um sicherzustellen, dass bei der Einfuhr von Erzeugnissen mit Ursprung in der Westsahara ein präferenzieller Ursprung gewährt wird, da die marokkanischen Behörden als einzige dafür sorgen können, dass die für die Gewährung solcher Präferenzen erforderlichen Vorschriften eingehalten werden“. Daraus ist abzuleiten, dass der Rat in der Absicht, die Folgerungen aus der in den vorstehenden Rn. 350 und 351 beschriebenen besonderen Situation der Westsahara zu ziehen, beschlossen hat, das streitige Abkommen mit dem Königreich Marokko abzuschließen, das aus seiner Sicht als einzige der Parteien des Selbstbestimmungsprozesses für dieses Gebiet in Lage ist, die nach diesem Abkommen erforderlichen Zuständigkeiten auszuüben, was im Übrigen durch das Vorbringen des Rates und der Kommission im vorliegenden Rechtsstreit zur fehlenden Fähigkeit des Klägers zur Ausübung derartiger Befugnisse bestätigt wird.

353    Wie jedoch oben in Rn. 336 dargelegt, waren die Organe auch der Ansicht, dass es ihnen die besondere Situation der Westsahara in der Praxis nicht erlaubte, die Zustimmung des Volkes der Westsahara als eines an dem streitigen Abkommen nicht beteiligten Dritten einzuholen, und dass sie eine Konsultation der örtlichen Bevölkerungsgruppen dieses Gebiets zur Einholung ihrer Zustimmung durchzuführen hatten. Insbesondere hielten es die Organe nicht für möglich, dieses Volk unmittelbar oder unter Einschaltung nur eines Vertreters, nämlich des Klägers, vermittelt zu konsultieren, und meinten, möglichst inklusive Konsultationen durchführen zu sollen, um sich nicht in den Legitimitätskonflikt zwischen dem Kläger und dem Königreich Marokko einzumischen.

354    Dazu ist festzustellen, dass die vom Rat und von der Kommission angeführten Gesichtspunkte betreffend die besondere Situation der Westsahara, mit denen die in der vorstehenden Rn. 353 genannte Entscheidung gerechtfertigt werden soll, nicht durchgreifen.

355    Erstens nämlich ist zum Vorbringen des Rates und der Kommission, das Zustimmungserfordernis könne für einen Staat und für ein Hoheitsgebiet ohne Selbstregierung nicht in derselben Weise gelten, oben in Rn. 317 festgestellt worden, dass die im Wiener Übereinkommen kodifizierten Grundsätze auf andere Völkerrechtssubjekte als Staaten Anwendung finden können und dass jedenfalls der Gerichtshof in Rn. 106 des Urteils Rat/Front Polisario in der Sache nicht zwischen der Einstufung des Volkes der Westsahara als „Dritter“ im Sinne des Grundsatzes der relativen Wirkung von Verträgen und der Einstufung eines Staates als „Dritter“ im Sinne von Art. 34 des Wiener Übereinkommens unterschieden hat.

356    Zweitens ist der von der Kommission angeführte, in Art. 36 Abs. 1 Satz 2 des Wiener Übereinkommens niedergelegte Grundsatz, wonach die Zustimmung eines an einem Vertrag nicht beteiligten Dritten vermutet werden kann, wenn dieser durch den Vertrag begünstigt oder berechtigt wird, aus den oben in den Rn. 319 bis 322 dargelegten Gründen, wie in Rn. 323 festgestellt worden ist, nicht anwendbar.

357    Drittens ist zum Vorbringen des Rates und der Kommission betreffend die Schwierigkeit, die Angehörigen des Volkes der Westsahara zu bestimmen, mit dem Kläger festzustellen, dass eine derartige Schwierigkeit als solche kein Hindernis dafür sein kann, dass dieses Volk dem streitigen Abkommen zustimmen kann. Zum einen ist nämlich weder dem Urteil Rat/Front Polisario noch den verschiedenen in diesem Urteil ausgelegten Grundsätzen des Völkerrechts zu entnehmen, dass die Zustimmung dieses Volkes unbedingt durch eine unmittelbare Konsultation seiner Angehörigen eingeholt werden müsste. Im Übrigen vertritt der Kläger selbst eine solche These nicht und macht im Gegenteil in der Erwiderung geltend, die Organe seien zu einer solchen Konsultation nicht befugt. Zum anderen ist, wie der Kläger zu Recht ausführt, das Selbstbestimmungsrecht ein Kollektivrecht, und die Organe der UNO haben diesem Volk dieses Recht zu- und damit seine Existenz anerkannt, unabhängig von den Einzelpersonen, aus denen es besteht, und von deren Zahl. Im Übrigen ist aus Rn. 106 des vorgenannten Urteils abzuleiten, dass der Gerichtshof dieses Volk implizit als ein autonomes Rechtssubjekt angesehen hat, das in der Lage ist, seine Zustimmung zu einer internationalen Übereinkunft unabhängig von der Bestimmung seiner Angehörigen zum Ausdruck zu bringen.

358    Viertens genügt zu der vom Rat und von der Kommission angeführten Notwendigkeit, sich nicht in den „Legitimitätskonflikt“ zwischen dem Kläger und dem Königreich Marokko hinsichtlich der Westsahara einzumischen, der Hinweis, dass dieses Vorbringen schwer damit zu vereinbaren ist, dass der Rat, wie er selbst darlegt, im zehnten Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausdrücklich ausgeführt hat, in den Bestimmungen des Abkommens lasse nichts darauf schließen, dass mit ihm die Souveränität Marokkos über die Westsahara anerkannt würde. Da nämlich die Union gemäß dem Völkerrecht und seiner Auslegung durch den Gerichtshof die Ansprüche Marokkos auf dieses Gebiet nicht anerkennen konnte, können sich die Organe nicht auf die Gefahr einer Einmischung in den Streit zwischen dem Kläger und diesem Drittland über diese Ansprüche berufen, um davon abzusehen, die geeigneten Schritte zu unternehmen, um sich der Zustimmung des Volkes dieses Gebiets zu vergewissern.

359    Fünftens ist unabhängig von der Frage, ob die Zustimmung des Volkes der Westsahara nur durch den Kläger zum Ausdruck gebracht werden kann, der insbesondere vom Rat angeführte Umstand, dass die Westsahara gegenwärtig ein Hoheitsgebiet ohne Selbstregierung ist und somit nicht über die Fähigkeit verfügt, seine Zustimmung wie ein unabhängiger Staat auszudrücken, nicht entscheidend.

360    Zum einen beruht dieses Vorbringen letztlich auf der oben in Rn. 295 genannten unrichtigen Prämisse, dass das Volk der Westsahara das Selbstbestimmungsrecht noch nicht genieße, weil der Prozess bezüglich des endgültigen Status dieses Gebiets nicht abgeschlossen und dieses Volk somit nicht in der Lage sei, dieses Recht voll auszuüben. Wie in dieser Randnummer festgestellt worden ist, ist diese Prämisse nicht mit den Feststellungen vereinbar, die der Gerichtshof zur Anerkennung des diesem Volk zustehenden Selbstbestimmungsrechts durch die Organe der UNO getroffen hat.

361    Zum anderen folgt aus dem Vorbringen, dass die Völker von Hoheitsgebieten ohne Selbstregierung nicht unbedingt in der Lage seien, einen Vertrag über die Gewährung von Handelspräferenzen abzuschließen oder die mit einem solchen Vertrag verbundenen Befugnisse auszuüben, nicht, dass sie nicht in der Läge wären, als an einem solchen Vertrag nicht beteiligte Dritte wirksam ihre Zustimmung zu diesem zum Ausdruck zu bringen. Insbesondere ist aus dem Grundsatz der relativen Wirkung von Verträgen in seiner Auslegung durch den Gerichtshof nicht abzuleiten, dass die Zustimmung eines solchen Dritten zwangsläufig mittels eines Vertrags eingeholt werden müsste.

362    Sechstens erscheint die Tatsache, dass die Organe das Königreich Marokko als die „De-facto-Verwaltungsmacht“ in der Westsahara ansehen, nicht als ein Umstand, der geeignet ist, die Notwendigkeit der Zustimmung des Volkes dieses Gebiets zu dem streitigen Abkommen auszuschließen. Insoweit genügt der Hinweis auf die Feststellung des Gerichtshofs in Rn. 72 des Urteils Western Sahara Campaign UK, dass das Königreich Marokko kategorisch ausgeschlossen hat, u. a. eine Verwaltungsmacht des Gebiets der Westsahara zu sein.

363    Es ist nicht ersichtlich, dass sich die Haltung des Königreichs Marokko geändert hat, da dieser Drittstaat, wie die Comader darlegt, noch immer der Ansicht ist, dass „das Gebiet der Westsahara ein Bestandteil seines Staatsgebiets ist, in dem [es] die Gesamtheit seiner Souveränitätsattribute wie im übrigen Staatsgebiet ausübt“. Diese Haltung, auf die im Übrigen in Abs. 3 des streitigen Abkommens hingewiesen wird, ist unvereinbar mit der Eigenschaft einer Verwaltungsmacht im Sinne von Art. 73 der UN-Charta, die, wie es in der Resolution 2625 (XXV) der Generalversammlung der UNO (siehe oben, Rn. 5) heißt und wie der Kläger hervorgehoben hat, bedeutet, dass ein Hoheitsgebiet ohne Selbstregierung einen vom Hoheitsgebiet des Staates, von dem es verwaltet wird, gesonderten und unterschiedlichen Status hat. Jedenfalls könnte, selbst wenn davon ausgegangen würde, dass das Königreich Marokko die Rolle einer „De-facto“-Verwaltungsmacht in Bezug auf die Westsahara spielt, dieser Umstand aufgrund des Selbstbestimmungsrechts ihres Volkes und der Anwendung des Grundsatzes der relativen Wirkung von Verträgen nicht bewirken, dass die Zustimmung dieses Volkes zu dem streitigen Abkommen entbehrlich wäre.

364    Siebtens ist darauf hinzuweisen, dass, wie im Rahmen der Prüfung der Klagebefugnis des Klägers festgestellt worden ist, dessen Mitwirkung am Selbstbestimmungsprozess nicht bedeutet, dass er dieses Volk nicht im Zusammenhang mit einem Abkommen zwischen der Union und dem Königreich Marokko vertreten kann, und dass aus den Akten nicht hervorgeht, dass die Organe der UNO andere Organisationen als ihn als zur Vertretung dieses Volkes ermächtigt anerkannt hätten (siehe oben, Rn. 207 und 208). Folglich war es nicht unmöglich, dessen Zustimmung unter Einschaltung des Klägers einzuholen. Das Vorbringen des Rates und der Kommission, mit einem solchen Vorgehen würde dieser Organisation ein „Vetorecht“ in der Frage der Geltung des streitigen Abkommens eingeräumt, kann nur zurückgewiesen werden. Hierzu genügt nämlich der Hinweis darauf, dass dem Rat, wie oben in Rn. 349 festgestellt, nicht die Entscheidung darüber zustand, ob von der Zustimmung des Volkes der Westsahara zum Abschluss des streitigen Abkommens abgesehen werden konnte. Demzufolge kann eine solche Entscheidung nicht mit dem Vorbringen gerechtfertigt werden, eine Befugnis des Klägers zur Äußerung dieser Zustimmung würde diesem ein „Vetorecht“ einräumen.

365    Daraus folgt, dass die vom Rat und von der Kommission angeführten Gesichtspunkte betreffend die besondere Situation der Westsahara nicht geeignet sind, die Möglichkeit für das Volk der Westsahara auszuschließen, seine Zustimmung zu diesem Abkommen als an ihm nicht beteiligter Dritter zum Ausdruck zu bringen.

366    Als Drittes sollte, wie oben in Rn. 339 festgestellt worden ist, mit den von der Kommission und vom EAD durchgeführten Konsultationen nur die Meinung der „betroffenen Bevölkerungsgruppen“ zu dem streitigen Abkommen und nicht die Zustimmung des Volkes der Westsahara zu diesem eingeholt werden. Folglich können, wie der Kläger zu Recht geltend macht, diese Konsultationen nicht als den Anforderungen genügend angesehen werden, die der Gerichtshof aus dem Grundsatz der relativen Wirkung von Verträgen, der für dieses Volk kraft seines Selbstbestimmungsrechts gilt, abgeleitet hat.

367    Das Vorbringen des Rates, der Französischen Republik, der Kommission und der Comader, mit den in Rede stehenden Konsultationen seien die einschlägigen Grundsätze des Völkerrechts beachtet worden, können diese Schlussfolgerung nicht in Frage stellen.

368    Insoweit macht der Rat zum einen geltend, die von der Union durchgeführte Konsultation stehe im Einklang mit den einschlägigen Grundsätzen des Völkerrechts, da sie bei repräsentativen Instanzen mit dem Ziel der Einholung einer Zustimmung durchgeführt worden sei. Diese Kriterien entnimmt der Rat insbesondere dem Übereinkommen Nr. 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) über eingeborene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern, angenommen am 27. Juni 1989 in Genf, und der Deklaration der Vereinten Nationen über die Rechte indigener Völker, angenommen von der Generalversammlung der UNO am 13. September 2007. Demgemäß habe mit der in Rede stehenden Konsultation die größtmögliche Beteiligung der für die betroffenen Bevölkerungsgruppen repräsentativen Instanzen und Organisationen sichergestellt werden sollen. In diesem Rahmen habe das Königreich Marokko insbesondere die regionalen Mandatsträger konsultiert, die 2015 in allgemeinen direkten Wahlen bestimmt worden seien und zu einem erheblichen Teil Angehörige der örtlichen Stämme seien. Die Kommission und der EAD hätten eine breite Palette lokaler politischer und sozioökonomischer Organisationen sowie Vertreter der Zivilgesellschaft und den Kläger konsultiert.

369    Zum anderen hätten sich die Organe, so der Rat, unterstützt von der Französischen Republik und der Kommission, auf ein objektives Kriterium gestützt, nämlich darauf, ob die Zollpräferenzen, die aus dem Assoziationsabkommen folgten, das den dem Schreiben des Rechtsberaters der UNO vom 29. Januar 2002 zu entnehmenden Grundsätzen entspreche, für die Bevölkerungsgruppen der Westsahara von Vorteil seien oder nicht.

370    Zu dem oben in Rn. 368 wiedergegebenen Vorbringen des Rates genügt der Hinweis, dass, wie der Kläger der Sache nach geltend macht, die diesem Übereinkommen und dieser Deklaration vom Rat entnommenen Kriterien, wonach Konsultationen bei für die betroffenen Bevölkerungsgruppen repräsentativen Instanzen mit dem Ziel der Einholung einer Zustimmung durchgeführt werden müssten, nicht den Anforderungen entsprechen, die der Gerichtshof aus dem Grundsatz der relativen Wirkung von Verträgen in Verbindung mit dem Grundsatz der Selbstbestimmung abgeleitet hat.

371    Zum einen ist nämlich ein weiteres Mal darauf hinzuweisen, dass der Rat dem Begriff der Zustimmung nicht die Rechtswirkungen beimisst, die dieser grundsätzlich im Völkerrecht hat, da der Rat im vorliegenden Fall nicht auf die Zustimmung eines an dem streitigen Abkommen nicht beteiligten Dritten im Sinne der Rn. 106 des Urteils Rat/Front Polisario abstellt, sondern auf die mehrheitlich befürwortende Meinung der örtlichen Bevölkerungsgruppen (siehe oben, Rn. 336 bis 340).

372    Im Übrigen bezieht sich, wie der Kläger hervorhebt, die Kommission im Bericht vom 11. Juni 2018 nicht auf den Begriff der Zustimmung, sondern führt in ihrer Schlussfolgerung nur aus, dass „die Mehrheit der aktuell in der Westsahara lebenden Bevölkerungsgruppen die Ausdehnung der Zollpräferenzen im Rahmen des Assoziationsabkommens … auf die Erzeugnisse mit Ursprung in der Westsahara weitestgehend unterstützt“. Des Gleichen bezieht sie sich auf die „positive Meinung“, die „[d]ie gewählten Vertreter der Westsahara aus nationalen, regionalen und lokalen Organen … nach dem Sensibilisierungs- und Konsultationsprozess, bei dem die Behörden marokkanische Institutionen hinzugezogen hatten, … zum Ausdruck [gebracht]“ hätten und die „von einer großen Mehrheit der sozioökonomischen Basisorganisationen der Zivilgesellschaft geteilt“ werde.

373    Zum anderen deckt sich, wie oben in Rn. 337 dargelegt worden ist und wie der Kläger mehrfach zur Stützung seiner Klage, u. a. im Rahmen des vorliegenden Teils, geltend gemacht hat, der von den Organen verwendete Begriff „betroffene Bevölkerungsgruppen“ nicht mit dem Begriff „Volk der Westsahara“, der das Recht auf Selbstbestimmung umfasst. Folglich können die Organe nicht geltend machen, diese beiden Begriffe seien gleichbedeutend, um darzutun, dass sie den aus der Achtung dieses Rechts folgenden Anforderungen entsprochen hätten.

374    Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass, vom Kläger abgesehen, die von der Kommission konsultierten Parteien als für das Volk der Westsahara „repräsentative Instanzen“ gelten können.

375    Erstens ist hinsichtlich der Konsultation der lokalen Mandatsträger durch das Königreich Marokko darauf hinzuweisen, dass, wie die Kommission erläutert, diese lokalen und regionalen Amtsträger gemäß der marokkanischen Verfassungsordnung bestimmt worden sind und dass, wie der Kläger der Sache nach ausführt, die Ausübung ihrer Befugnisse auf die Souveränitätsansprüche des Königreichs Marokko in Bezug auf die Westsahara gestützt wird. Folglich können die Organe jedenfalls nicht geltend machen, dass die bei diesen Amtsträgern dieses Staates, einer Partei des streitigen Abkommens, durchgeführten Konsultationen auf die Einholung der Zustimmung eines daran nicht beteiligten Dritten zu diesem Abkommen gerichtet gewesen seien, sondern allenfalls, dass damit die lokalen Gebietskörperschaften und die relevanten betroffenen öffentlichen Einrichtungen dieses Staates in den Abschluss dieses Abkommens einbezogen werden sollten.

376    Der vom Rat angeführte Umstand, dass diese Mandatsträger „saharauischer Herkunft“ seien, ist in dieser Hinsicht unerheblich, zumal das Königreich Marokko, wie die Kommission im Bericht vom 11. Juni 2018 erläutert hat und wie der Kläger ausführt, keinen Unterschied zwischen den Bevölkerungsgruppen, die sich in dem von ihm kontrollierten Teil der Westsahara befinden, auf der Grundlage der Zugehörigkeit zu einer Ethnie oder Gemeinschaft macht.

377    Zweitens hat die Kommission hinsichtlich der von ihr und vom EAD durchgeführten Konsultation der verschiedenen Nichtregierungsorganisationen und der Wirtschaftsbeteiligten, auf die im Bericht vom 11. Juni 2018 Bezug genommen wird, auf dahin gehende Fragen des Gerichts im Rahmen einer prozessleitenden Maßnahme angegeben, zur Auswahl dieser Entitäten hätten sich der EAD und sie selbst im Wesentlichen auf drei Kriterien gestützt. Diese Kriterien seien erstens die tatsächliche Präsenz der Entität oder die regelmäßige Tätigkeit in der Westsahara, zweitens die Art der ausgeübten Tätigkeit (sozioökonomisch und menschenrechtlich) und drittens die Bedeutung oder Relevanz der Tätigkeit zum Nutzen der Bevölkerung der Westsahara und deren Anerkennung in ihrem Sektor in der Westsahara oder auf internationaler Ebene. In ihrer schriftlichen Antwort fügt sie hinzu, die Mehrheit der konsultierten Gesprächspartner habe erklärt, saharauischer Herkunft zu sein.

378    In dieser Hinsicht lässt sich zum einen sagen, dass diese Auswahlkriterien nicht als darauf gerichtet angesehen werden können, für das Volk der Westsahara „repräsentative Instanzen“ auszuwählen, sondern allenfalls darauf, eine Stichprobe von Entitäten zu ermitteln, die in diesem Gebiet – sei es im sozioökonomischen Bereich oder im Grundrechtsbereich – Tätigkeiten ausüben, die für die lokale Bevölkerung von Nutzen sein können. Die Angabe der Kommission, dass die Mehrheit der konsultierten Gesprächspartner erklärt hätten, „saharauischer Herkunft“ zu sein, ist insoweit nicht von Belang. Aus den Erläuterungen der Kommission geht nämlich hervor, dass eine solche Herkunft kein Kriterium für die Auswahl dieser Entitäten war und dass sich diese Gesprächspartner jedenfalls nicht als Angehörige dieses Volkes, sondern als Vertreter der konsultierten Entitäten geäußert haben.

379    Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass diese Entitäten und Einrichtungen allenfalls für die verschiedenen sozioökonomischen Interessen und die spezifischen Interessen der Zivilgesellschaft repräsentativ sind, dass aber weder aus dem Bericht vom 11. Juni 2018 noch aus den Schriftsätzen des Rates und der Kommission hervorgeht, dass diese Entitäten oder diese Einrichtungen sich selbst als für das Volk der Westsahara repräsentative und zum Ausdruck seiner Zustimmung ermächtigte Instanzen ansehen oder als solche angesehen werden müssten. Selbst wenn die oben in Rn. 368 genannten Kriterien anwendbar sein sollten, geht jedenfalls auch aus den Akten nicht hervor, dass sie sich als für die „betroffenen Bevölkerungsgruppen“ „repräsentative Instanzen“ ansehen oder als solche angesehen werden müssten.

380    Hinzu kommt, dass die Repräsentativität der von der Kommission und vom EAD konsultierten Entitäten und Einrichtungen vom Kläger bestritten wird, der zum einen geltend macht, die allermeisten Organisationen, die die Kommission dem Bericht vom 11. Juni 2018 zufolge konsultiert habe, hätten in Wirklichkeit nicht an dieser Konsultation teilgenommen (94 der 112 im Anhang des Berichts genannten Organisationen), und dieses Vorbringen mit genauen und konkreten Anhaltspunkten belegt. Zum anderen behauptet der Kläger, die Kommission habe nur Entitäten konsultiert, die in ihrer großen Mehrheit entweder marokkanische Wirtschaftsbeteiligte oder Organisationen seien, die die Interessen des Königreichs Marokko befürworteten. Der Rat und die Kommission bestreiten die erste dieser Behauptungen nicht, und die Erläuterungen der Kommission zu den tatsächlich konsultierten Entitäten bestätigen in ihrer Tendenz die zweite.

381    Drittens macht der Kläger selbst geltend, das Treffen vom 5. Februar 2018 in Brüssel zwischen seinem Vertreter und dem des EAD habe als solches nicht im Rahmen der oben in Rn. 377 angesprochenen Konsultationen stattgefunden. Der Kläger wendet sich nämlich ganz grundsätzlich gegen diese Konsultationen, für die die Kommission und der EAD nicht zuständig gewesen seien, und führt aus, dieses Treffen sei auf seinen Wunsch und nur mit dem Ziel der Wiederaufnahme des Dialogs mit der Kommission veranstaltet worden. Die Kommission spricht im Bericht vom 11. Juni 2018 von „technischen Gesprächen“ mit dem Kläger „als Ansprechpartner der Vereinten Nationen und Teilhaber am Friedensprozess der Vereinten Nationen“.

382    Da die Meinung des Klägers zu dem streitigen Abkommen gleichwohl im Bericht vom 11. Juni 2018 wie die der anderen in diesem Bericht genannten Entitäten berücksichtigt worden ist, ist vor diesem Hintergrund jedenfalls festzustellen, dass die Kommission den Kläger nicht als eine für das Volk der Westsahara repräsentative, zum Ausdruck seiner Zustimmung ermächtigte Instanz angesehen hat, sondern allenfalls als einen der zahlreichen „Betroffenen“ im Sinne von Art. 11 Abs. 3 EUV, die sie gemäß dieser Bestimmung anzuhören hatte.

383    Daher kann nicht gesagt werden, dass die im Bericht vom 11. Juni 2018 bezeichneten Konsultationen bei für das Volk der Westsahara „repräsentativen Instanzen“ durchgeführt worden sind, sondern allenfalls, wie der Kläger der Sache nach geltend macht, dass sie bei „Betroffenen“ stattgefunden haben, die die Organe gemäß den Verträgen ohnehin am Abschluss des streitigen Abkommens beteiligen konnten, unabhängig von den im zehnten Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses genannten „Erwägungen [des Gerichtshofs] über die Zustimmung“.

384    Aus den vorstehenden Rn. 371 bis 383 ergibt sich somit, dass mit den von der Kommission und vom EAD im Auftrag des Rates durchgeführten Konsultationen nicht die Zustimmung des Volkes der Westsahara zu dem streitigen Abkommen gemäß dem Grundsatz der relativen Wirkung von Verträgen in seiner Auslegung durch den Gerichtshof eingeholt werden konnte.

385    Zu der Auslegung des Völkerrechts, die der Rat, insoweit unterstützt von der Kommission und der Französischen Republik, auf der Grundlage des Schreibens des Rechtsberaters der UNO vom 29. Januar 2002 vertritt (siehe oben, Rn. 369), ist erstens darauf hinzuweisen, dass, wie bereits oben in Rn. 111 dargelegt, die Union ein autonomes Rechtssystem darstellt. Folglich können sich die Organe nicht der Verpflichtung, der Auslegung der für ein Hoheitsgebiet ohne Selbstregierung geltenden Völkerrechtssätze durch den Gerichtshof Folge zu leisten, entziehen, indem sie an die Stelle dieser Auslegung andere, einem Schreiben des Rechtsberaters der UNO entnommene Kriterien setzen, die überdies nicht bindend sind.

386    Im Übrigen werden die Stellungnahmen des Rechtsberaters der UNO im Rahmen der Aufgaben des Sekretariats dieser internationalen Organisation gemäß Art. 98 der UN-Charta für deren Organe erstellt. Sie haben daher nicht dieselbe Tragweite wie die gemäß Art. 96 der UN-Charta abgegebenen Gutachten des IGH, des Hauptrechtsprechungsorgans der Vereinten Nationen gemäß Art. 92 der UN-Charta, die das auf die gestellte Frage anwendbare Recht festlegen (vgl. in diesem Sinne Gutachten des IGH vom 25. Februar 2019, Rechtswirkungen der Trennung des Chagos-Archipels von Mauritius im Jahr 1965, I.C.J. Reports 2019, S. 95, Rn. 137).

387    Zweitens ist zu beachten, dass, wie oben in Rn. 312 dargelegt, das Schreiben des Rechtsberaters der UNO vom 29. Januar 2002 nicht die Frage der Zustimmung des Volkes der Westsahara zu einer für dieses Gebiet geltenden internationalen Übereinkunft betraf, sondern die Frage der Rechtmäßigkeit der privatrechtlichen Verträge zwischen marokkanischen öffentlichen Einrichtungen und Erdölgesellschaften zur Prospektion und Bewertung von Erdölressourcen vor den Küsten der Westsahara.

388    Drittens ist darauf hinzuweisen, dass der Rechtsberater der UNO in seinem Schreiben vom 29. Januar 2002 die Frage des Sicherheitsrats auf der Grundlage von Analogien zu der Frage geprüft hat, ob allgemeiner die Tätigkeiten einer Verwaltungsmacht im Sinne von Art. 73 der UN-Charta, die die Bodenschätze eines Hoheitsgebiets ohne Selbstregierung berühren, als solche rechtswidrig sind oder nur unter bestimmten Umständen. Wie bereits oben in den Rn. 362 und 363 dargelegt, versteht sich das Königreich Marokko nicht als Verwaltungsmacht der Westsahara und kann in Anbetracht seines Standpunkts zum Status dieses Gebiets, die im Übrigen in der Präambel des streitigen Abkommens zum Ausdruck gebracht wird, nicht als solche angesehen werden.

389    Viertens ergibt sich aus dem Abschnitt „Schlussfolgerungen“ des Schreibens des Rechtsberaters der UNO vom 29. Januar 2002, dass dieser der Ansicht ist, dass die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen von Hoheitsgebieten ohne Selbstregierung gegen die für diese Gebiete geltenden Grundsätze des Völkerrechts verstößt, wenn sie unter Missachtung der Interessen und des Willens der Völker dieser Hoheitsgebiete ohne Selbstregierung erfolgt. Selbst wenn diese Schlussfolgerungen entsprechend auf die Ausdehnung der von der Union im Rahmen des Assoziationsabkommens gewährten Handelspräferenzen zu übertragen sein sollten, ist demnach festzustellen, dass sie die Ansicht des Rates, der Kommission und der Französischen Republik, die Organe hätten im Einklang mit den anwendbaren Grundsätzen des Völkerrechts gehandelt, nicht zu stützen vermögen. Aus diesen folgt nämlich ausdrücklich, dass Prospektions- und Ausbeutungstätigkeiten in der Westsahara nicht nur den Interessen des Volkes dieses Gebiets, sondern auch seinem Willen entsprechen müssen und dass sie andernfalls diesen Grundsätzen zuwiderlaufen.

390    Folglich konnten sich der Rat und die Kommission jedenfalls nicht auf das Schreiben des Rechtsberaters der UNO vom 29. Januar 2002 für ihre Ansicht stützen, dass das streitige Abkommen im Einklang mit den für die Hoheitsgebiete ohne Selbstregierung geltenden Grundsätzen des Völkerrechts stehe, weil es als vorteilhaft für die wirtschaftliche Entwicklung der Westsahara angesehen werden könne, unabhängig von der Frage, ob die Zustimmung des Volkes der Westsahara zum Ausdruck gebracht worden war. Somit macht der Kläger zu Recht geltend, dass die Organe nicht das Kriterium des Nutzens des streitigen Abkommens für die betroffenen Bevölkerungsgruppen an die Stelle des vom Gerichtshof in Rn. 106 des Urteils Rat/Front Polisario aufgestellten Erfordernisses des Ausdrucks dieser Zustimmung setzen durften.

391    Aus alledem ergibt sich, dass der Rat mit dem Erlass des angefochtenen Beschlusses nicht alle relevanten Gesichtspunkte betreffend die Situation der Westsahara hinreichend berücksichtigt hat und zu Unrecht der Auffassung war, er verfüge über einen Wertungsspielraum für die Entscheidung, ob dem Erfordernis nachzukommen war, dass das Volk dieses Gebiets als an diesem Abkommen nicht beteiligter Dritter gemäß der Auslegung des Grundsatzes der relativen Wirkung von Verträgen in Verbindung mit dem Grundsatz der Selbstbestimmung durch den Gerichtshof seine Zustimmung zur Geltung des streitigen Abkommens in diesem Gebiet zum Ausdruck bringen musste. Im Einzelnen waren der Rat und die Kommission erstens zu Unrecht der Ansicht, dass die gegenwärtige Situation dieses Gebiets es nicht zulasse, sich des Vorliegens dieser Zustimmung, insbesondere unter Einschaltung des Klägers, zu vergewissern. Zweitens hat der Rat mit der Auffassung, dass mit den von der Kommission und vom EAD durchgeführten Konsultationen, die nicht die Einholung einer solchen Zustimmung zum Gegenstand hatten und nicht bezweckten, sich an die für dieses Volk „repräsentativen Instanzen“ zu wenden, dem Grundsatz der relativen Wirkung von Verträgen in seiner Auslegung durch den Gerichtshof in Rn. 106 des Urteils Rat/Front Polisario entsprochen worden sei, sowohl die Tragweite dieser Konsultationen als auch die des in dieser Randnummer aufgestellten Erfordernisses verkannt. Drittens war der Rat zu Unrecht der Ansicht, dass er sich auf das Schreiben des Rechtsberaters der UNO vom 29. Januar 2002 stützen könne, um an die Stelle dieses Erfordernisses die diesem Schreiben von ihm entnommenen Kriterien zu setzen. Folglich ist der vorliegende Teil des dritten Klagegrundes begründet und geeignet, zur Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses zu führen.

392    Aus alledem ergibt sich, dass der angefochtene Beschluss für nichtig zu erklären ist, ohne dass der zweite Teil des dritten Klagegrundes geprüft zu werden braucht.

C.      Zur zeitweiligen Aufrechterhaltung der Wirkungen des angefochtenen Beschlusses

393    Gemäß Art. 264 Abs. 2 AEUV kann das Gericht, falls es dies für notwendig hält, die Wirkungen einer für nichtig erklärten Handlung bezeichnen, die als fortgeltend zu betrachten sind.

394    Nach der Rechtsprechung können die Wirkungen einer angefochtenen Handlung, etwa eines Beschlusses zum Abschluss einer internationalen Übereinkunft, aus Gründen der Rechtssicherheit aufrechterhalten werden, wenn die unmittelbaren Auswirkungen der Nichtigerklärung dieser Handlung schwerwiegende negative Folgen hätten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 28. April 2015, Kommission/Rat, C‑28/12, EU:C:2015:282, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 4. September 2018, Kommission/Rat [Abkommen mit Kasachstan], C‑244/17, EU:C:2018:662, Rn. 51).

395    Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses mit sofortiger Wirkung schwerwiegende Folgen für das auswärtige Handeln der Union haben und die Rechtssicherheit der von ihr eingegangenen internationalen Verpflichtungen gefährden kann, die die Organe und die Mitgliedstaaten binden.

396    Unter diesen Umständen ist von Amts wegen Art. 264 Abs. 2 AEUV anzuwenden, und die Wirkungen des angefochtenen Beschlusses sind für einen auf die Frist gemäß Art. 56 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union begrenzten Zeitraum oder, falls innerhalb dieser Frist ein Rechtsmittel eingelegt worden ist, bis zur Verkündung des Urteils des Gerichtshofs, mit dem über dieses Rechtsmittel entschieden wird, aufrechtzuerhalten.

 Kosten

397    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen

398    Da der Rat unterlegen ist, sind ihm dem Antrag des Klägers entsprechend die Kosten aufzuerlegen.

399    Gemäß Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Französische Republik und die Kommission ihre eigenen Kosten.

400    Gemäß Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht entscheiden, dass ein anderer Streithelfer als die in den Abs. 1 und 2 genannten seine eigenen Kosten trägt.

401    Im vorliegenden Fall ist zu entscheiden, dass die Comader ihre eigenen Kosten trägt.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Neunte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Der Beschluss (EU) 2019/217 des Rates vom 28. Januar 2019 über den Abschluss eines Abkommens in Form eines Briefwechsels zwischen der Europäischen Union einerseits und dem Königreich Marokko andererseits zur Änderung der Protokolle Nr. 1 und Nr. 4 des Europa-Mittelmeer-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Königreich Marokko andererseits wird für nichtig erklärt.

2.      Die Wirkungen des Beschlusses 2019/217 werden für einen auf die Frist gemäß Art. 56 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union begrenzten Zeitraum oder, falls innerhalb dieser Frist ein Rechtsmittel eingelegt worden ist, bis zur Verkündung des Urteils des Gerichtshofs, mit dem über dieses Rechtsmittel entschieden wird, aufrechterhalten.

3.      Der Rat wird verurteilt, neben seinen eigenen Kosten die Kosten des Front populaire pour la libération de la Saguia el-Hamra et du Rio de oro (Front Polisario) zu tragen.

4.      Die Französische Republik, die Kommission und die Confédération marocaine de l’agriculture et du développement rural (Comader) tragen ihre eigenen Kosten.

Costeira

Gratsias

Kancheva

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 29. September 2021.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis



*      Verfahrenssprache: Französisch.


i      Die vorliegende Sprachfassung ist in Rn. 85 gegenüber der ursprünglich online gestellten Fassung geändert worden.