Language of document : ECLI:EU:T:2004:42

Rechtssache T-282/01

Aslantrans AG

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

„Zollrecht – Erstattung von Einfuhrabgaben – Während des Transports gestohlene Zigarettenladung – Begriff des besonderen Falles im Sinne des Artikels 905 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 – Fristwahrung“

Leitsätze des Urteils

1.      Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaften – Erstattung oder Erlass von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben – Befassung der Kommission mit einem Erstattungsantrag – Nicht ausreichende Angaben der nationalen Behörde – Ersuchen um weitere Auskünfte – Verlängerung der Frist für die Entscheidung der Kommission – Voraussetzung – Möglicher Einfluss dieser Auskünfte auf die Entscheidung – Verpflichtung der Kommission, sämtliche relevanten Tatsachen zu berücksichtigen

(Verordnung Nr. 2454/93 der Kommission, Artikel 905 Absatz 2 Unterabsatz 3 und 907 Absatz 2)

2.      Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaften – Erstattung oder Erlass von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben – Billigkeitsklausel des Artikels 905 der Verordnung Nr. 2454/93 – Tragweite – Entscheidungsbefugnis der Kommission – Ausübungsmodalitäten – „Besonderer Fall“ – Begriff – Diebstahl von Waren während des Transports – Ausschluss

(Verordnung Nr. 2913/92 des Rates, Artikel 239; Verordnung Nr. 2454/93 der Kommission, Artikel 905)

1.      Wird die Kommission von den Zollbehörden eines Mitgliedstaats mit einem Antrag auf Erstattung von Zöllen befasst, der auf das Vorliegen eines besonderen Falles im Sinne des Artikels 239 der Verordnung Nr. 2913/92 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften gestützt wird, und stellt sich heraus, dass die mitgeteilten Angaben nicht ausreichen, um in voller Kenntnis der Sachlage über den Fall zu entscheiden, kann sie nach Artikel 905 Absatz 2 Unterabsatz 3 der Verordnung Nr. 2454/93 mit Durchführungsvorschriften zum Zollkodex zusätzliche Angaben anfordern.

Um feststellen zu können, ob eine solche Anfrage die Frist, über die die Kommission für ihre Stellungnahme zu dem Erstattungsantrag verfügt, nach Artikel 907 Absatz 2 der Durchführungsverordnung wirksam verlängert hat, ist zu prüfen, ob die Auskünfte, die Gegenstand dieser Anfrage waren, diese Stellungnahme hätten beeinflussen können. In diesem Zusammenhang muss die Kommission für die Frage, ob nach Lage des Falles besondere Umstände vorliegen, sämtliche relevanten Tatsachen berücksichtigen.

(vgl. Randnrn. 37-39)

2.      Artikel 905 der Verordnung Nr. 2454/93 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung Nr. 2913 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, der die Regelung des Artikels 239 des Zollkodex über die Erstattung oder den Erlass von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben präzisiert und näher ausführt, stellt eine allgemeine Billigkeitsklausel für außergewöhnliche Fälle dar, die als solche unter keinen der in den Artikeln 900 bis 904 der Durchführungsverordnung beschriebenen Tatbestände fallen. Da die Erstattung von Eingangsabgaben von der Erfüllung zweier kumulativer Voraussetzungen abhängt, nämlich erstens vom Vorliegen eines besonderen Falles und zweitens vom Fehlen offensichtlicher Fahrlässigkeit und betrügerischer Absicht des Beteiligten, ist die Erstattung der Abgaben bereits dann zu versagen, wenn eine der beiden Voraussetzungen fehlt.

Erlässt die Kommission in Anwendung dieser auf Billigkeitserwägungen beruhenden Generalklausel eine Entscheidung, verfügt sie über einen Beurteilungsspielraum. Da die Erstattung oder der Erlass von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben, die nur unter bestimmten Voraussetzungen und in den eigens dafür vorgesehenen Fällen gewährt werden können, ferner eine Ausnahme vom gewöhnlichen Einfuhr- und Ausfuhrsystem darstellt, sind die Vorschriften, die eine solche Erstattung oder einen solchen Erlass vorsehen, eng auszulegen.

Auf einen besonderen Fall im Sinne des Artikels 905 der Durchführungsverordnung kann somit geschlossen werden, wenn im Licht des an der Billigkeit ausgerichteten Regelungszwecks des Artikels 239 des Zollkodex Umstände festgestellt werden, aufgrund deren sich der Antragsteller in einer Lage befinden kann, die gegenüber derjenigen anderer Wirtschaftsteilnehmer, die die gleiche Tätigkeit ausüben, außergewöhnlich ist. Der Diebstahl von Waren während des Transports zählt jedoch zu den am häufigsten festgestellten Schadensfällen, gegen die die Wirtschaftsteilnehmer, insbesondere diejenigen, die sich auf die Beförderung von aufgrund ihrer hohen Besteuerung so genannten Risikowaren spezialisiert haben, gewöhnlich versichert sind.

(vgl. Randnrn. 52-53, 55-56, 65)