Language of document : ECLI:EU:T:2009:19

Rechtssache T-125/06

Centro Studi Antonio Manieri Srl

gegen

Rat der Europäischen Union

„Öffentliche Dienstleistungsaufträge – Ausschreibung über den Gesamtbetrieb einer Kindertagesstätte – Entscheidung, die Dienste des Amtes für Gebäude, Anlagen und Logistik (OIB) in Anspruch zu nehmen und auf eine Ausschreibung zu verzichten“

Leitsätze des Urteils

1.      Verfahren – Klagefristen – Ausschluss

(Satzung des Gerichtshofs, Art. 45)

2.      Haushalt der Europäischen Gemeinschaften – Haushaltsordnung – Auf Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge anwendbare Vorschriften – Anwendungsbereich

(Verordnung Nr. 1605/2002 des Rates, Art. 88; Verordnung Nr. 2342/2002 der Kommission, Art. 116 Abs. 7)

3.      Öffentliche Aufträge der Europäischen Gemeinschaften – Ausschreibungsverfahren – Pflicht zur Wahrung des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Bieter und des Grundsatzes der Transparenz

4.      Öffentliche Aufträge der Europäischen Gemeinschaften – Ausschreibungsverfahren – Einem Bieter entstandene Kosten – Kein Anspruch auf Entschädigung

(Verordnung Nr. 1605/2002 des Rates, Art. 101)

1.      Die Begriffe „höhere Gewalt“ und „Zufall“ im Sinne von Art. 45 der Satzung des Gerichtshofs umfassen außer einem objektiven Merkmal, das sich auf ungewöhnliche, außerhalb der Sphäre des Betroffenen liegende Umstände bezieht, auch ein subjektives Merkmal, das mit der Verpflichtung des Betroffenen zusammenhängt, sich gegen die Folgen ungewöhnlicher Ereignisse zu wappnen, indem er, ohne übermäßige Opfer zu bringen, geeignete Maßnahmen trifft. Insbesondere muss der Betroffene den Ablauf des Verfahrens sorgfältig überwachen und zum Zweck der Einhaltung der vorgesehenen Fristen Sorgfalt walten lassen. Der Begriff der höheren Gewalt trifft daher nicht auf eine Situation zu, in der eine sorgfältige und umsichtige Person objektiv in der Lage gewesen wäre, den Ablauf einer Klagefrist zu verhindern.

(vgl. Randnr. 28)

2.      Aus Art. 88 der Verordnung Nr. 1605/2002 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften und Art. 116 Abs. 7 der Verordnung Nr. 2342/2002 mit Durchführungsbestimmungen zur Haushaltsordnung folgt, dass die Erbringung von Dienstleistungen nicht in den Anwendungsbereich der Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge fällt, wenn sie auf einer zwischen den Dienststellen der Gemeinschaftsorgane getroffenen Verwaltungsvereinbarung beruht. Das Amt für Gebäude, Anlagen und Logistik (OIB) ist eine Dienststelle der Gemeinschaftsorgane im Sinne des genannten Art. 116 Abs. 7. Daraus folgt, dass der Rat nicht verpflichtet war, die für öffentliche Aufträge geltenden Regeln zu beachten, als er beschloss, die Dienste des OIB in Anspruch zu nehmen.

(vgl. Randnrn. 46-48)

3.      Der Auftraggeber muss in allen Abschnitten eines Ausschreibungsverfahrens sowohl den Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter als auch den Grundsatz der Transparenz wahren. Der Grundsatz der Transparenz umfasst die Verpflichtung des Auftraggebers, genaue Informationen über den gesamten Verfahrensablauf zu veröffentlichen. Die Bekanntmachungserfordernisse, denen der öffentliche Auftraggeber im Rahmen der Verpflichtung zur Transparenz entsprechen muss, bestehen darin, zum einen dafür zu sorgen, dass alle Bieter die gleichen Chancen haben, und zum anderen, die legitimen Erwartungen der Bieter zu schützen, die veranlasst wurden, im Voraus nicht wieder rückgängig zu machende Investitionen zu tätigen.

(vgl. Randnrn. 86-87, 89)

4.      Aus Art. 101 der Verordnung Nr. 1605/2002 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften ergibt sich, dass der öffentliche Auftraggeber den Bietern, die an einer Ausschreibung teilgenommen haben, die aufgehoben wurde, keinerlei Entschädigung leisten muss. Somit können die Kosten, die einem Bieter durch seine Teilnahme an einem Ausschreibungsverfahren entstehen, grundsätzlich keinen ersatzfähigen Schaden darstellen.

(vgl. Randnr. 102)