Language of document : ECLI:EU:T:2017:912

Rechtssache T304/16

bet365 Group Ltd

gegen

Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum,

„Unionsmarke – Nichtigkeitsverfahren – Unionswortmarke BET 365 – Absolutes Eintragungshindernis – Durch Benutzung erworbene Unterscheidungskraft – Beweis – Benutzung der Marke für mehrere Zwecke – Art. 7 Abs. 3 und Art. 52 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 (jetzt Art. 7 Abs. 3 und Art. 59 Abs. 2 der Verordnung [EU] 2017/1001)“

Leitsätze – Urteil des Gerichts (Neunte Kammer) vom 14. Dezember 2017

1.      Unionsmarke – Verzicht, Verfall und Nichtigkeit – Absolute Nichtigkeitsgründe – Eintragung entgegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b bis d der Verordnung Nr. 207/2009 – Ausnahme – Erwerb der Unterscheidungskraft durch Benutzung – Zeitpunkt der Beurteilung der durch Benutzung erworbenen Unterscheidungskraft

(Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 7 Abs. 1 Buchst. b bis d und Abs. 3 sowie Art. 52 Abs. 2)

2.      Unionsmarke – Definition und Erwerb der Unionsmarke – Absolute Eintragungshindernisse – Marken ohne Unterscheidungskraft – Ausnahme – Erwerb der Unterscheidungskraft durch Benutzung – Marke, die in einem Teil der Union keine Unterscheidungskraft besitzt – Erlangung der Unterscheidungskraft in diesem Teil – Extrapolation der durch Benutzung in bestimmten Mitgliedstaaten erworbenen Unterscheidungskraft auf andere Mitgliedstaaten

(Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 1 Abs. 2, Art. 7 Abs. 2 und 3 sowie Art. 52 Abs. 2)

3.      Unionsmarke – Definition und Erwerb der Unionsmarke – Absolute Eintragungshindernisse – Marken ohne Unterscheidungskraft – Ausnahme – Erwerb der Unterscheidungskraft durch Benutzung – Beurteilungskriterien

(Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3)

4.      Unionsmarke – Verzicht, Verfall und Nichtigkeit – Absolute Nichtigkeitsgründe – Eintragung entgegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung Nr. 207/2009 – Ausnahme – Erwerb der Unterscheidungskraft durch Benutzung – Wortmarke BET 365

(Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c und Abs. 3 sowie Art. 52 Abs. 2)

5.      Unionsmarke – Definition und Erwerb der Unionsmarke – Absolute Eintragungshindernisse – Marken ohne Unterscheidungskraft – Ausnahme – Erwerb der Unterscheidungskraft durch Benutzung – Benutzung einer Marke als Teil einer eingetragenen Marke oder in Verbindung mit dieser

(Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3)

6.      Unionsmarke – Definition und Erwerb der Unionsmarke – Absolute Eintragungshindernisse – Marken ohne Unterscheidungskraft – Ausnahme – Erwerb der Unterscheidungskraft durch Benutzung – Angaben, die zum Nachweis des Erwerbs der Unterscheidungskraft durch Benutzung beitragen können

(Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3)

7.      Unionsmarke – Definition und Erwerb der Unionsmarke – Absolute Eintragungshindernisse – Marken ohne Unterscheidungskraft – Ausnahme – Erwerb der Unterscheidungskraft durch Benutzung – Angaben, die zum Nachweis des Erwerbs der Unterscheidungskraft durch Benutzung beitragen können

(Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3)

1.      Nach Art. 52 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 über die Unionsmarke kann eine an sich beschreibende und nicht unterscheidungskräftige Marke, die unter Verstoß gegen Art. 7 der Verordnung Nr. 207/2009 eingetragen worden ist, nicht für nichtig erklärt werden, wenn sie nach ihrer Eintragung durch Benutzung im Verkehr Unterscheidungskraft für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, erlangt hat. Das in Art. 52 der Verordnung Nr. 207/2009 vorgesehene Verfahren der Nichtigerklärung wegen absoluter Eintragungshindernisse verweist nämlich, worauf im Urteil vom 28. September 2016, European Food/EUIPO – Société des produits Nestlé (FITNESS), T‑476/15, im Kern hingewiesen worden ist, unmittelbar auf die absoluten Eintragungshindernisse in Art. 7 dieser Verordnung sowie auf die Ausnahme des Erwerbs von Unterscheidungskraft durch Benutzung, die diese Hindernisse abschwächt, wobei der einzige mögliche materielle Unterschied zwischen den beiden Verfahren in dem Zeitpunkt besteht, zu dem der Erwerb einer solchen Unterscheidungskraft zu beurteilen ist. Insoweit hat das Gericht im Urteil vom 15. Dezember 2016, Mondelez UK Holdings & Services/EUIPO – Société des produits Nestlé (Form einer Schokoladentafel), T‑112/13, bestätigt, dass der Inhaber der angegriffenen Marke im Rahmen eines Verfahrens der Nichtigerklärung wegen absoluter Eintragungshindernisse die Möglichkeit hat, entweder zu beweisen, dass die Marke vor ihrer Eintragung Unterscheidungskraft durch Benutzung erlangt hatte, oder zu beweisen, dass dies zwischen ihrer Eintragung und der Stellung des Antrags auf Nichtigerklärung geschehen ist.

(vgl. Rn. 23)

2.      Was das Gebiet betrifft, für das die durch Benutzung erlangte Unterscheidungskraft nachzuweisen ist, damit die in Art. 7 Abs. 3 und in Art. 52 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 über die Unionsmarke genannten Ausnahmen anwendbar sind, ist darauf hinzuweisen, dass die Unionsmarke nach Art. 1 Abs. 2 dieser Verordnung (jetzt Art. 1 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001) einheitlich ist, was bedeutet, dass sie einheitliche Wirkung für die gesamte Union hat. Aus der Einheitlichkeit der Unionsmarke folgt, dass ein Zeichen, um zur Eintragung zugelassen zu werden, in der gesamten Union Unterscheidungskraft haben muss. Daher ist eine Marke nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 7 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001) von der Eintragung auszuschließen, wenn sie in einem Teil der Union keine Unterscheidungskraft besitzt. Folglich ist der Nachweis erforderlich, dass die Marke in dem gesamten Gebiet durch Benutzung Unterscheidungskraft erworben hat, in dem ihr diese Eigenschaft ursprünglich nicht zukam, wobei dieses Gebiet gegebenenfalls auch ein einziger Mitgliedstaat sein kann. Wie jedoch entschieden worden ist, ginge es zu weit, zu verlangen, dass der Nachweis einer durch Benutzung erlangten Unterscheidungskraft für jeden Mitgliedstaat einzeln erbracht werden muss. Insoweit kann nicht ausgeschlossen werden, einen Erwerb der Unterscheidungskraft durch Benutzung in bestimmten Mitgliedstaaten im Wege der Extrapolation auf andere Mitgliedstaaten auszuweiten, sofern objektive und glaubhafte Anhaltspunkte den Schluss zulassen, dass diese Märkte vergleichbar sind, was die Wahrnehmung der angegriffenen Marke durch die maßgeblichen Verkehrskreise betrifft.

(vgl. Rn. 26)

3.      Die Anerkennung des Erwerbs von Unterscheidungskraft durch Benutzung der Marke setzt voraus, dass zumindest ein erheblicher Teil der maßgeblichen Verkehrskreise die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aufgrund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennt. Jedoch können die Umstände, unter denen die Voraussetzung des Erwerbs von Unterscheidungskraft durch Benutzung als erfüllt anzusehen ist, nicht nur anhand von generellen und abstrakten Angaben festgestellt werden. Gesichtspunkte wie der von der Marke gehaltene Marktanteil, die Intensität, die geografische Verbreitung und die Dauer ihrer Benutzung, der Werbeaufwand des Unternehmens für die Marke, der Anteil der beteiligten Verkehrskreise, die die Ware aufgrund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennen, sowie Erklärungen von Industrie- und Handelskammern oder anderen Berufsverbänden sind zu berücksichtigen.

Ferner ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung die Unterscheidungskraft einer Marke einschließlich der durch Benutzung erworbenen Unterscheidungskraft in Bezug auf die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marke angemeldet worden ist, auch unter Berücksichtigung der mutmaßlichen Wahrnehmung eines normal informierten sowie angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der betreffenden Kategorie von Waren oder Dienstleistungen zu beurteilen ist.

Aus der Rechtsprechung geht ebenfalls hervor, dass der Nachweis der durch Benutzung erlangten Unterscheidungskraft nicht allein durch Angaben zu Verkaufsmengen der Waren oder Dienstleistungen und die Vorlage von Werbematerial erbracht werden kann. Ebenso wenig genügt allein die Tatsache, dass das Zeichen seit einiger Zeit in der Union benutzt wurde, für den Nachweis, dass das von den fraglichen Waren oder Dienstleistungen angesprochene Publikum das Zeichen als Hinweis auf die betriebliche Herkunft auffasst.

Insoweit muss der Nachweis des Erwerbs von Unterscheidungskraft durch Benutzung auf der „Benutzung der Marke als Marke“ beruhen, d. h. auf einer Benutzung der Marke, die dem Ziel dient, dass die angesprochenen Verkehrskreise die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennen.

(vgl. Rn. 27-30)

4.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 31-37)

5.      Die durch Benutzung erworbene Unterscheidungskraft einer Marke verlangt nicht notwendigerweise eine eigenständige Benutzung dieser Marke, sondern kann sich auch aus ihrer Benutzung als Teil oder in Verbindung mit einer anderen eingetragenen Marke ergeben, vorausgesetzt, dass die beteiligten Verkehrskreise in beiden Fällen aufgrund dieser Benutzung die nur durch die zu beurteilende Marke gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen tatsächlich als von dem bestimmten Unternehmen stammend wahrnehmen, das diese Marke als Teil einer anderen Marke oder zusammen mit einer anderen Marke benutzt.

(vgl. Rn. 39)

6.      Die Benutzung einer Marke als Domain-Name kann eine Benutzung der Marke als Marke sein. Alles hängt nämlich von den insoweit vorgelegten Dokumenten und Angaben sowie davon ab, was sie zur Beurteilung der Wahrnehmung durch die maßgeblichen Verkehrskreise beitragen können, wenn diese die Marke im Rahmen der Internetnutzung sehen oder verwenden.

Informationen wie die Zahl der Abrufe der Website der Klägerin, das Ranking dieser Website anhand der Zahl der Abrufe in verschiedenen Ländern oder die Häufigkeit, mit der die angegriffene Marke oder die von ihr abgeleiteten Marken im Internet mit Suchmaschinen gesucht wurden, stellen folglich Angaben dar, die zum Nachweis beitragen können, dass die angegriffene Marke durch Benutzung Unterscheidungskraft erlangt hat. Dasselbe kann auch für die Auszüge aus den Seiten der Website des Markeninhabers oder aus anderen Websites – in verschiedenen Sprachen – gelten, in denen die angegriffene Marke oder die von ihr abgeleiteten Marken vorkommen, sofern der Umfang der vorgelegten Beweisstücke veranschaulicht, dass die angegriffene Marke in erheblichem Umfang als Marke benutzt worden ist.

(vgl. Rn. 43, 46)

7.      Die Benutzung einer Marke als Firmenbezeichnung kann eine Benutzung der Marke als Marke darstellen. Presseausschnitte, in denen die Gesellschaft erwähnt wird, können veranschaulichen, dass die Marke als Marke verwendet wird, um die Herkunft der angebotenen oder erwähnten Dienstleistungen zu kennzeichnen, sie von den Dienstleistungen der Mitbewerber zu unterscheiden und sie gegebenenfalls zu bewerben.

(vgl. Rn. 51, 52)