Language of document : ECLI:EU:T:2020:419

URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer)

23. September 2020(*)

„Öffentlicher Dienst – Beamte – Beförderung – Beförderungsverfahren 2014 bis 2017 – Entscheidung, den Kläger nicht in die Besoldungsgruppe AST 8 zu befördern – Recht auf Anhörung“

In der Rechtssache T‑174/19,

Guillaume Vincenti, wohnhaft in Alicante (Spanien), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt H. Tettenborn,

Kläger,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch A. Lukošiūtė und K. Tóth als Bevollmächtigte,

Beklagter,

betreffend eine Klage nach Art. 270 AEUV auf Aufhebung der Entscheidung des EUIPO vom 6. Juni 2018, den Kläger anlässlich der Beförderungsverfahren 2014 bis 2017 nicht in die Besoldungsgruppe AST 8 zu befördern,

erlässt

DAS GERICHT (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten H. Kanninen sowie der Richterinnen N. Półtorak (Berichterstatterin) und O. Porchia,

Kanzler: E. Coulon,

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Der Kläger, Herr Guillaume Vincenti, ist Beamter des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) in der Besoldungsgruppe AST 7. Er hat diese Besoldungsgruppe seit dem 1. April 2009 inne. Seit dem 10. Juni 2013 befindet sich der Kläger im Krankheitsurlaub.

2        Seine Beurteilungen für die Jahre 2009 bis 2012 zeigten, dass „die bewertete(n) Leistungen, Befähigung und dienstliche Führung insgesamt das für seine Position erforderliche Niveau erfüllen“. Seine Beurteilungen für die Jahre 2013 bis 2016 wurden aufgrund seines gerechtfertigten Fernbleibens nicht abgeschlossen.

3        Die Beförderungsschwelle in der Besoldungsgruppe des Klägers liegt bei 9 Punkten. Mit Schreiben vom 12. Juni 2014 schlug die Personalabteilung des EUIPO dem Kläger die Zuteilung von 0,5 Punkten vor. Gleichzeitig wurde der Kläger anlässlich des Beförderungsverfahrens 2014 darüber informiert, dass der beratende Verwaltungsausschuss nach einer Abwägung der Verdienste der beförderungsfähigen Beamten einstimmig der Auffassung war, dass die besonders negativen Bewertungen in der jüngsten Beurteilung eine Verschiebung der Beförderung rechtfertigten.

4        Am 25. Juni 2014 legte der Kläger gegen diesen Vorschlag beim paritätischen Beurteilungs- und Beförderungsausschuss (im Folgenden: PBBA) Einspruch ein.

5        Nach Prüfung des Falls des Klägers empfahl der PBBA der Anstellungsbehörde am 11. Juli 2014, dem Antrag des Klägers stattzugeben. Er war der Auffassung, dass keinerlei Gründe vorlägen, die Beförderung zu verschieben. Mit Schreiben vom 21. Juli 2014 entschied die Anstellungsbehörde, weitere Punkte an den Kläger zu vergeben. Die Gesamtzahl der Punkte betrug somit 9,25. Der Kläger wurde im Rahmen des Beförderungsverfahrens 2014 dennoch nicht befördert.

6        Mit Personalmitteilung vom 27. April 2015 leitete das EUIPO das Beförderungsverfahren 2015 ein und informierte sein Personal, dass es gemäß Art. 110 des Statuts der Beamten der Europäischen Union (im Folgenden: Statut) den in den Verwaltungsmitteilungen Nr. 55-2013 vom 19. Dezember 2013 veröffentlichten Beschluss C(2013) 8968 final der Kommission vom 16. Dezember 2013 mit allgemeinen Durchführungsbestimmungen zu Artikel 45 des Statuts (im Folgenden: ADB 45) entsprechend anwenden werde.

7        Im Rahmen des Beförderungsverfahrens 2015 nahm der beratende Verwaltungsausschuss des EUIPO den Namen des Klägers nicht in die Liste der zur Beförderung vorgeschlagenen Beamten auf.


8        Am 2. Juli 2015 legte der Kläger gegen diese Entscheidung Einspruch beim paritätischen Beförderungsausschuss (im Folgenden: paritätischer Ausschuss) ein und beantragte, seinen Namen in die Liste der zur Beförderung vorgeschlagenen Beamten aufzunehmen.

9        Nach Prüfung des Falls gab der paritätische Ausschuss gegenüber der Anstellungsbehörde seine Empfehlung ab. Darin empfahl er, dem Antrag des Klägers nicht stattzugeben.

10      Am 24. Juli 2015 veröffentlichte die Anstellungsbehörde die Liste der im Beförderungsjahr 2015 beförderten Beamten, auf der sich der Name des Klägers nicht befand.

11      Nachdem er eine Beschwerde nach Art. 90 Abs. 2 des Statuts eingelegt hatte, die am 8. Dezember 2015 ausdrücklich zurückgewiesen wurde, erhob der Kläger am 18. März 2016 nach Art. 270 AEUV beim Gericht eine unter der Rechtssachennummer T‑586/16 eingetragene Klage gegen die Entscheidung der Anstellungsbehörde vom 24. Juli 2015.

12      Der Sache nach war der Kläger der Auffassung, dass die Anstellungsbehörde Art. 3 fünfter Gedankenstrich Satz 2 der ADB 45 insoweit verkannt habe, als seine Beurteilungen aus einem Grund – nämlich seinem Krankheitsurlaub – nicht abgeschlossen worden seien, für den er nicht verantwortlich gemacht werden könne. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung habe sein Fall nicht vom Beförderungsverfahren 2015 ausgenommen werden dürfen.

13      Mit Urteil vom 14. November 2017, Vincenti/EUIPO (T‑586/16, EU:T:2017:803), hat das Gericht die Entscheidung der Anstellungsbehörde vom 24. Juli 2015 zur Erstellung der Liste der im Beförderungsverfahren 2015 beförderten Beamten aufgehoben, soweit der Kläger darin nicht berücksichtigt wurde.

14      Mit Schreiben vom 6. Juni 2018, das am 11. Juni 2018 per E‑Mail übermittelt wurde (im Folgenden: angefochtene Entscheidung), teilte die Anstellungsbehörde dem Kläger mit, dass die noch offenen ihn betreffenden Beförderungsverfahren, d. h. die der Jahre 2014 bis 2017, nunmehr abgeschlossen worden seien. Die Anstellungsbehörde teilte dem Kläger weiterhin mit, dass sein Name nach einer Abwägung der Verdienste nicht in die Liste der in den Dienstgrad AST 8 beförderten Beamten aufgenommen worden sei, und zwar weder im Zuge des Beförderungsverfahrens 2014, noch im Zuge der Verfahren für 2015 bis 2017.

15      Am 11. September 2018 legte der Kläger gemäß Art. 90 Abs. 2 des Statuts Beschwerde gegen die angefochtene Entscheidung ein.


16      Mit Schreiben vom 12. Dezember 2018, das dem Kläger am selben Tag per E‑Mail übermittelt wurde, wies die Anstellungsbehörde die Beschwerde zurück.

 Verfahren und Anträge der Parteien

17      Mit Klageschrift, die am 22. März 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.

18      Mit einer aufgrund von Art. 89 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen prozessleitenden Maßnahme vom 31. März 2020 hat das Gericht die Parteien aufgefordert, zum Verlauf des Beförderungsverfahrens 2014 Stellung zu nehmen. Die Parteien haben ihre Stellungnahmen fristgerecht abgegeben.

19      Der Kläger beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem EUIPO die Kosten aufzuerlegen.

20      Das EUIPO beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

21      Da keine der Parteien innerhalb von drei Wochen nach der Bekanntgabe des Abschlusses des schriftlichen Verfahrens einen entsprechenden Antrag gestellt hat, hat das Gericht, das sich für durch die Aktenstücke der Rechtssache hinreichend unterrichtet hält, gemäß Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung beschlossen, ohne mündliches Verfahren zu entscheiden.

 Rechtliche Würdigung

22      Der Kläger stützt seine Klage auf zwei Gründe, und zwar erstens einen Verstoß gegen Art. 45 des Statuts, einen offensichtlichen Beurteilungsfehler und eine fehlerhafte Umsetzung bzw. Nichtbeachtung des Urteils vom 14. November 2017, Vincenti/EUIPO (T‑586/16, EU:T:2017:803), sowie zweitens eine Verletzung des in Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) verankerten Rechts auf Anhörung und einen Verstoß gegen die in Art. 5 Abs. 5 und 7 der ADB 45 vorgesehenen Verfahrensrechte.

23      Das Gericht hält es für zweckmäßig, zunächst den zweiten Klagegrund zu prüfen.


24      Der Kläger macht geltend, dass die angefochtene Entscheidung rechtswidrig sei, weil sie – unter Verstoß gegen das – in Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta verankerte und durch Art. 5 Abs. 5 und 7 der ADB 45 konkretisierte Recht auf Anhörung – erlassen worden sei, ohne dass ihm Gelegenheit eingeräumt worden wäre, vorher eine Stellungnahme abzugeben und seine Argumente zur Stützung seines Antrags auf Beförderung vorzubringen. Mit der Nichtbeachtung der in Art. 5 Abs. 5 und 7 der ADB 45 vorgesehenen Verfahrensregeln bei den Beförderungsverfahren 2014 bis 2017 seien die Rechte des Klägers verletzt worden, da diese Regeln durchaus der Wahrung seiner Rechte dienten. Der Kläger beruft sich insoweit darauf, dass die Entscheidung zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, wenn er vor deren Erlass sachgerecht angehört worden wäre.

25      Das EUIPO tritt diesem Vorbringen entgegen.

26      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass das allgemein anwendbare, in Art. 41 der Charta verankerte Recht auf eine gute Verwaltung das in dessen Abs. 2 vorgesehene prozessuale Recht jeder Person umfasst, gehört zu werden, bevor ihr gegenüber eine für sie nachteilige individuelle Maßnahme getroffen wird (vgl. Urteil vom 24. April 2017, HF/Parlament, T‑584/16, EU:T:2017:282, Rn. 149 und die dort angeführte Rechtsprechung).

27      So gebietet das Recht auf Anhörung, das auch ohne eine geltende Regelung gewährleistet werden muss, dass dem Betroffenen Gelegenheit gegeben wird, zu den Punkten, die ihm in dem zu erlassenden Rechtsakt zur Last gelegt werden könnten, sachgerecht Stellung zu nehmen (vgl. Urteil vom 6. Februar 2019, Karp/Parlament, T‑580/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:62, Rn. 88 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28      Das Recht auf Anhörung verfolgt ein doppeltes Ziel: Es dient zum einen der Zusammenstellung der Akten und einer möglichst genauen und zutreffenden Ermittlung des Sachverhalts und ermöglicht es zum anderen, einen wirksamen Schutz der betroffenen Person zu gewährleisten. Das Recht auf Anhörung soll insbesondere gewährleisten, dass jede beschwerende Entscheidung in Kenntnis aller Umstände getroffen wird, und soll u. a. der zuständigen Behörde erlauben, einen Fehler zu berichtigen, und der betroffenen Person, individuelle Umstände vorzutragen, die für oder gegen den Erlass oder für oder gegen einen bestimmten Inhalt der Entscheidung sprechen (vgl. Urteil vom 13. Dezember 2017, HQ/CPVO, T‑592/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:897, Rn. 85 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29      Das Recht auf Anhörung setzt auch voraus, dass die Verwaltung mit aller gebotenen Sorgfalt die entsprechenden Erklärungen der betroffenen Person zur Kenntnis nimmt, indem sie sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls untersucht (vgl. Urteil vom 22. November 2012, M., C‑277/11, EU:C:2012:744, Rn. 88 und die dort angeführte Rechtsprechung).

30      Demnach soll das Recht auf Anhörung es der Verwaltung ermöglichen, das Verfahren so durchzuführen, dass sie in Kenntnis aller Umstände entscheiden und ihre Entscheidung angemessen begründen kann, damit der Betroffene gegebenenfalls von seinem Recht, einen Rechtsbehelf einzulegen, wirksam Gebrauch machen kann (Urteil vom 10. Januar 2019, RY/Kommission, T‑160/17, EU:T:2019:1, Rn. 27).

31      Die Frage, ob eine Verletzung des Rechts auf Anhörung vorliegt, ist u. a. anhand der Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet zu prüfen (Urteile vom 9. Februar 2017, M, C‑560/14, EU:C:2017:101, Rn. 33, und vom 24. April 2017, HF/Parlament, T‑584/16, EU:T:2017:282, Rn. 154).

32      Im vorliegenden Fall ist die Frage, ob das Recht des Klägers auf Anhörung verletzt wurde, in Ansehung der vorstehenden Erwägungen zu klären.

33      Zu der Beurteilung der Beamten der Europäischen Union, die dem Beförderungsverfahren vorangeht, bestimmt Art. 43 Abs. 1 des Statuts, dass über die Befähigung, Leistung und dienstliche Führung aller Beamten unter den von der Anstellungsbehörde gemäß Art. 110 des Statuts festgelegten Bedingungen eine jährliche Beurteilung erstellt wird. Nach Art. 43 Abs. 1 und 3 des Statuts wird diese Beurteilung dem Beamten bekannt gegeben. Gegen die Beurteilung kann im Rahmen des Beurteilungsverfahrens Einspruch eingelegt werden; dieses Recht muss vor Einreichung einer Beschwerde nach Art. 90 Abs. 2 des Statuts in Anspruch genommen werden. Der Beschwerdeführer ist berechtigt, der Beurteilung alle Bemerkungen hinzuzufügen, die er für zweckdienlich hält.

34      Was das Beförderungsverfahren beim EUIPO betrifft, so ist darauf hinzuweisen, dass das Recht auf Anhörung auch durch die internen Regelungen garantiert wird (vgl. entsprechend Urteil vom 20. November 2018, Barata/Parlament, T‑854/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:809, Rn. 91).

35      So können Stelleninhaber gemäß Art. 5 Abs. 7 der ADB 45 innerhalb einer Frist von fünf Arbeitstagen ab Bekanntmachung der Liste der Beamten, die der Generaldirektor zur Beförderung vorschlagen möchte, beim paritätischen Ausschuss begründeten Einspruch dagegen einlegen, dass sie nicht auf dieser Liste aufgeführt sind. Nach der Bekanntmachung der Liste vergleicht der paritätische Ausschuss unter Berücksichtigung der Einsprüche die Verdienste der beförderungsfähigen Beamten und legt der Anstellungsbehörde die Liste der Beamten vor, deren Beförderung er empfiehlt. Gleichzeitig übermittelt er die Einsprüche und teilt gegebenenfalls die Unstimmigkeiten gemäß Anhang III der ADB 45 mit. Nach Art. 5 Abs. 8 wägt die Anstellungsbehörde, nachdem sie die in Abs. 7 genannten Informationen erhalten hat und über die Akten aller beförderungsfähigen Beamten verfügt, ein letztes Mal die Verdienste der beförderungsfähigen Beamten ab und nimmt unter Berücksichtigung der verfügbaren Haushaltsmittel die Liste der beförderten Beamten an. Die Beförderung bewirkt, dass der betreffende Beamte in die nächsthöhere Besoldungsgruppe seiner Funktionsgruppe ernannt wird.

36      Was den Kläger betrifft, so stand ihm, da die Beurteilungen im Rahmen der Beförderungsverfahren 2014 bis 2017 aufgrund seines Krankheitsurlaubs nicht rechtzeitig erstellt werden konnten, um in den einschlägigen Beförderungsverfahren berücksichtigt zu werden, gemäß den ADB 45 das Recht zu, als beförderungsfähig angesehen zu werden, am Beförderungsverfahren und mithin an der Abwägung der Verdienste der beförderungsfähigen Beamten auf der Grundlage anderer verwertbarer Informationen anstelle der fehlenden Beurteilungen teilzunehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. November 2017, Vincenti/EUIPO, T‑586/16, EU:T:2017:803, Rn. 29).

37      Nach dem Urteil vom 14. November 2017, Vincenti/EUIPO (T‑586/16, EU:T:2017:803), hat das EUIPO den Kläger für beförderungsfähig befunden und die Beförderungsverfahren 2014 bis 2017 abgeschlossen. Im vorliegenden Fall hat das EUIPO eine Abwägung der Verdienste der Beamten, die in den Beförderungsverfahren 2014 bis 2017 für eine Beförderung in die Besoldungsgruppe AST 8 in Betracht kamen, durchgeführt, um eine Entscheidung über die Beförderung des Klägers für jedes dieser Jahre zu treffen.

38      Da zum einen die Beurteilungen des Klägers für die Beförderungsverfahren 2014 bis 2017 aufgrund seines Krankheitsurlaubs nicht abgeschlossen werden konnten und das EUIPO zum anderen das Beförderungsverfahren ab dem Stadium der Abwägung der Verdienste der beförderungsfähigen Beamten wiederaufgenommen hat, konnte das Recht des Klägers auf Anhörung unter den besonderen Umständen des Einzelfalls nicht mehr unter den Voraussetzungen von Art. 43 Abs. 3 des Statuts und Art. 5 Abs. 7 der ADB 45 ausgeübt werden.

39      Gemäß der oben in den Rn. 26 und 27 angeführten Rechtsprechung hatte das EUIPO dem Kläger nach Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta nichtsdestoweniger Gelegenheit zu geben, vor der Entscheidung, ihn nicht zu befördern, zu den Punkten, die ihm zur Last gelegt werden könnten, sachgerecht Stellung zu nehmen.

40      Zu der Frage, ob das Recht des Klägers auf Anhörung im vorliegenden Fall beachtet wurde, ist darauf hinzuweisen, dass sich das EUIPO darauf beruft, er sei 2014 und 2015 anlässlich der dazugehörigen Beförderungsverfahren angehört worden. Da seine Verdienste bei den Beförderungsverfahren 2016 und 2017 identisch gewesen seien, gebe es keine relevanten neuen Informationen, zu denen der Kläger hätte angehört werden können und die geeignet gewesen wären, nach Abschluss der Abwägung der Verdienste zu einer anderen Entscheidung zu führen. Im vorliegenden Fall meint das EUIPO, der Kläger habe Gelegenheit gehabt, zu seinen eigenen Verdiensten, die während seiner Abwesenheit unverändert geblieben seien, im Rahmen der Beförderungsverfahren 2014 und 2015 Stellung zu nehmen. Folglich hätte er vor dem Erlass der angefochtenen Entscheidung keine neuen Umstände geltend machen können.

41      In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, ob das Recht auf Anhörung in den 2018 wiederaufgenommenen Beförderungsverfahren tatsächlich hätte ausgeübt werden müssen.

42      Hierzu führt die angefochtene Entscheidung aus, dass „die Anstellungsbehörde für alle [Beförderungsverfahren] unter Berücksichtigung … [der] Verdienste [des Klägers], wie sie sich aus den Beurteilungen seit [seiner] letzten Beförderung und ‚anderen verfügbaren Informationen‘ ergeben, die sich auf die im Nachgang durch den Bericht des OLAF bestätigten Fälle von Fehlverhalten beziehen, beschlossen hat, [den Kläger] nicht zu befördern, da [sein] Verhalten dies nicht rechtfertigt“. Weiterhin wird in der Zurückweisung der Beschwerde des Klägers angegeben, dass „ein im März 2014 erstelltes Audit zur Telekommunikationsnutzung … mehrere Schwächen beim Management der Telekommunikationsverträge ergeben [habe]“.

43      Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass sich all diese Bewertungen – wie sich aus der Akte ergibt – nicht in der letzten Beurteilung des Klägers befinden, die sich wegen seines Krankheitsurlaubs auf das Jahr 2012 bezieht. Die Anstellungsbehörde muss also weitere Umstände berücksichtigt haben, die nicht in dieser Beurteilung aufgeführt sind, um die Abwägung der Verdienste der beförderungsfähigen Beamten für die Jahre 2014 bis 2017 durchzuführen.

44      Insoweit ist zu dem 2014 durchgeführten Beförderungsverfahren darauf zu verweisen, dass der Kläger einen Einspruch beim PBBA eingelegt hat. Dieser Einspruch konnte sich nur auf die dem Kläger bekannten Umstände beziehen, mithin die zu seiner letzten Beurteilung von 2012. Diese Beurteilung enthält eine grundsätzlich positive Beurteilung des Klägers und kommt zu dem Ergebnis, dass „[d]ie bewertete Leistung, Befähigung und dienstliche Führung … insgesamt das für seine Position erforderliche Niveau [erfüllen]“. Die Beurteilung enthält auch negative Anmerkungen zur Dokumentation seiner Arbeit. Wie oben in Rn. 42 ausgeführt, ergibt sich zudem aus den Akten, dass die im Rahmen des 2018 wiederaufgenommenen Beförderungsverfahrens 2014 berücksichtigten Umstände umfangreicher waren und sich u. a. auf andere verfügbare Informationen bezogen, insbesondere auf entdeckte und in der Folge durch einen Bericht des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) bestätigte Fälle von Fehlverhalten und ein im März 2014 erstelltes Audit zur Telekommunikationsnutzung, das in der Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde des Klägers genannt wird. Die im Bericht des OLAF aufgeführten Umstände decken sich allerdings nicht mit denen, die Gegenstand der Anhörung des Klägers im Jahr 2014 waren. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass sich der Bericht des OLAF insbesondere auf Vorwürfe zu Interessenkonflikten, zu einem Missbrauch der dienstlichen Stellung, zu Versuchen der Beeinflussung von Ausschreibungen und zu Versuchen der Beeinflussung des Verfahrens auf Anerkennung der Berufsunfähigkeit des Klägers bezieht. Er hatte somit keine Gelegenheit, sein Recht auf Anhörung zu jedem der im 2018 wiederaufgenommenen Beurteilungsverfahren 2014 berücksichtigten Umstände auszuüben.

45      Diese Feststellung wird durch den Verweis des EUIPO auf die Zwischenbeurteilung des Klägers für das Jahr 2013 sowie den E‑Mail-Wechsel zwischen seiner Beurteilerin und der Anstellungsbehörde im August 2014 nicht in Frage gestellt. In der Zwischenbeurteilung von 2013 wird nämlich ausgeführt, dass „[die] Arbeit [des Klägers] … im Allgemeinen seinen Zielvorgaben [entspricht]“ und „[e]r … flexibel [ist] und bei Bedarf schnell handelt“. Die einzige negative Bemerkung bezieht sich auf den Umstand, dass „[e]s … erforderlich ist, dass er seine Arbeit besser und an einem Ort dokumentiert, der für die übrigen Dienstangehörigen zugänglich ist“. Der E‑Mail-Wechsel bezieht sich zudem nur auf einige punktuelle Vorwürfe gegen den Kläger und deckt sich nicht mit den im Bericht des OLAF dargestellten Umständen.

46      Da es sich im Hinblick auf das 2014 ausgerichtete Beförderungsverfahren um neue Umstände handelt, hätte dem Kläger, wie sich aus den Rn. 26 bis 30 oben ergibt, anlässlich des 2018 wiederaufgenommenen Beförderungsverfahrens 2014 von neuem die Möglichkeit zur Ausübung seines Rechts auf Anhörung eingeräumt werden müssen.

47      Was das Beförderungsverfahren 2015 angeht, so ist festzustellen, dass der Kläger ursprünglich aufgrund seiner Abwesenheit wegen Krankheitsurlaubs für nicht beförderungsfähig befunden wurde. Danach legte der Kläger 2015 beim paritätischen Ausschuss Einspruch gegen die Entscheidung über die Nichtbeförderung ein. Somit ist festzuhalten, dass dieser Einspruch in einer Situation eingelegt wurde, in der der Kläger nicht über alle bei der Abwägung seiner Verdienste berücksichtigten Umstände informiert worden war, obgleich er nicht als beförderungsfähig eingestuft wurde. Die angefochtene Entscheidung stützt sich jedoch für das 2018 wiederaufgenommene Beförderungsverfahren 2015 auf die oben in Rn. 42 ausgeführten Umstände, die 2015 nicht Gegenstand des Verfahrens waren.

48      Der Kläger hatte nämlich im Rahmen der Umsetzung des Urteils vom 14. November 2017, Vincenti/EUIPO (T‑586/16, EU:T:2017:803), und nachdem er für das Beförderungsverfahren 2015 in die Liste der beförderungsfähigen Beamten aufgenommen worden war, nie Gelegenheit, sich zu den Verdiensten zu äußern, die bei der Abwägung der Verdienste und dem Erlass der angefochtenen Entscheidung zum Beförderungsverfahren 2015 berücksichtigt wurden (vgl. oben, Rn. 42).

49      Zu den Beförderungsverfahren 2016 und 2017 ist anzumerken, dass der Kläger weder anlässlich der Beförderungsverfahren 2016 und 2017 noch anlässlich der 2018 wiederaufgenommenen Beförderungsverfahren 2016 und 2017 angehört wurde.


50      Insoweit beruft sich das EUIPO darauf, dass der Kläger im Rahmen der Beförderungsverfahren 2014 und 2015 angehört worden sei und dass das Recht auf Anhörung, da seitdem keine Veränderung seiner Verdienste eingetreten sei, in den Beförderungsverfahren 2016 und 2017 garantiert worden sei. Wie oben in den Rn. 44 und 48 ausgeführt, konnte der Kläger allerdings anlässlich der Beförderungsverfahren 2014 und 2015 tatsächlich nicht zu allen oben in Rn. 42 angeführten Umständen, die vom EUIPO für die 2018 wiederaufgenommenen Beförderungsverfahren berücksichtigt wurden, Stellung nehmen. Daher kann nicht geltend gemacht werden, dass die vom Kläger beim PBBA und beim paritätischen Ausschuss 2014 und 2015 eingelegten Einsprüche für die Annahme ausreichen, er habe sein Recht auf Anhörung hinsichtlich seiner bei der Abwägung der Verdienste und dem Erlass der angefochtenen Entscheidung zu den Beförderungsjahren 2016 und 2017 berücksichtigten Verdienste ausüben können.

51      Nach alledem ist festzustellen, dass das EUIPO dem Kläger in keinem Stadium der 2018 wiederaufgenommenen Beförderungsverfahren 2014 bis 2017 das Recht auf Anhörung garantiert hat, bevor die angefochtene Entscheidung erlassen wurde.

52      Damit eine Verletzung des Rechts auf Anhörung zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führen kann, muss allerdings noch geprüft werden, ob das Verfahren ohne diese Regelwidrigkeit zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Juni 2020, HF/Parlament, C‑570/18 P, EU:C:2020:490, Rn. 72).

53      Hierzu ist an die ständige Rechtsprechung zu erinnern, nach der von einem Kläger, der die Verletzung seines Rechts auf Anhörung rügt, nicht der Nachweis verlangt werden darf, dass die angefochtene Entscheidung des betreffenden Unionsorgans anders ausgefallen wäre, sondern lediglich, dass dies nicht völlig ausgeschlossen ist (Urteile vom 1. Oktober 2009, Foshan Shunde Yongjian Housewares & Hardware/Rat, C‑141/08 P, EU:C:2009:598, Rn. 94, und vom 18. Juni 2020, Kommission/RQ, C‑831/18 P, EU:C:2020:481, Rn. 106).

54      Im vorliegenden Fall beruft sich der Kläger auf eine fehlerhafte Umsetzung des Urteils vom 14. November 2017, Vincenti/EUIPO (T‑586/16, EU:T:2017:803). Nach Auffassung des Klägers hat das Gericht in diesem Urteil festgestellt, dass der Bericht des OLAF im Rahmen des Beförderungsverfahrens 2015 nicht habe berücksichtigt werden dürfen, da er nach der Entscheidung über die Nichtbeförderung für das Jahr 2015 erstellt worden sei. Der Kläger macht weiterhin geltend, dass die im Bericht des OLAF thematisierten Unregelmäßigkeiten keinen Bezug zu seinen Aufgaben im Bereich des Telekommunikationsmanagements aufwiesen. Außerdem sei ihm nie Gelegenheit gegeben worden, zum Großteil dieser Unregelmäßigkeiten Stellung zu nehmen und damit Argumente vorzubringen, um sie zu widerlegen. Die im Bericht des OLAF geschilderten Umstände könnten somit in keinem Fall als „objektive Tatsachen“ betrachtet werden. Weiterhin überwögen diese Umstände seine vorhergehenden positiven Beurteilungen nicht. Der Kläger ist folglich der Auffassung, dass er, wenn er vor dem Erlass der angefochtenen Entscheidung angehört worden wäre, Gesichtspunkte hätte vortragen können, die vom EUIPO nicht berücksichtigt worden seien. Es könne also nicht vollkommen ausgeschlossen werden, dass das EUIPO eine andere Entscheidung getroffen hätte, wenn er in die Lage versetzt worden wäre, seinen Standpunkt darzustellen.

55      Der oben in Rn. 54 wiedergegebene Vortrag des Klägers bezieht sich unmittelbar auf die Begründungserwägungen der angefochtenen Entscheidung, zu denen er nicht angehört wurde. Daher kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Entscheidung vernünftigerweise zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, wenn das EUIPO den Kläger in einer Weise, die sein Recht auf Anhörung garantiert hätte, in die Lage versetzt hätte, zu allen oben in Rn. 42 dargestellten Umständen sachgerecht seinen Standpunkt vorzutragen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. April 2019, OZ/EIB, C‑558/17 P, EU:C:2019:289, Rn. 78, vom 18. Juni 2020, Kommission/RQ, C‑831/18 P, EU:C:2020:481, Rn. 106 und 107, sowie vom 25. Juni 2020, HF/Parlament, C‑570/18 P, EU:C:2020:490, Rn. 73).

56      Dieses Ergebnis kann durch den Vortrag des EUIPO, der Kläger habe keinerlei Verdienste geltend gemacht, die die mangels Beurteilung berücksichtigten Verdienste hätten übertreffen und damit das Ergebnis der Abwägung der Verdienste der Bewerber anlässlich der fraglichen Beförderungsverfahren hätten abändern können, nicht in Frage gestellt werden. Aus der angefochtenen Entscheidung ergibt sich nämlich, dass die im Bericht des OLAF angeführten Umstände im Rahmen der Abwägung der Verdienste der Bewerber im Beförderungsverfahren als relevanter Gesichtspunkt für die Beurteilung der Schwächen des Klägers festgehalten wurden. Demnach kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Vorbringen des Klägers zu seinen Schwächen die Gesamtabwägung seiner Verdienste hätte beeinflussen können, wenn er vor dem Erlass der angefochtenen Entscheidung angehört worden wäre.

57      Nach alledem greift der zweite Klagegrund durch, soweit er auf eine Verletzung des Rechts auf Anhörung gestützt ist. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben, ohne dass eine Prüfung des ersten Klagegrundes erforderlich wäre.

 Kosten

58      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das EUIPO unterlegen ist, sind ihm, wie vom Kläger beantragt, die Kosten aufzuerlegen.


Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 6. Juni 2018, Herrn Guillaume Vincenti anlässlich der Beförderungsverfahren 2014 bis 2017 nicht in die Besoldungsgruppe AST 8 zu befördern, wird aufgehoben.

2.      Das EUIPO trägt die Kosten.

Kanninen

Półtorak

Porchia

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 23. September 2020.

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon

 

S. Papasavvas


*      Verfahrenssprache: Deutsch.