Language of document : ECLI:EU:T:2015:907

Rechtssache T‑640/14

Carsten René Beul

gegen

Europäisches Parlament
und

Rat der Europäischen Union

„Nichtigkeitsklage – Funktionieren der Finanzmärkte – Verordnung (EU) Nr. 537/2014 – Gesetzgebungsakt – Keine individuelle Betroffenheit – Unzulässigkeit“

Leitsätze – Beschluss des Gerichts (Neunte Kammer) vom 23. November 2015

1.      Nichtigkeitsklage – Natürliche oder juristische Personen – Begriff des Rechtsakts mit Verordnungscharakter im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV – Jede Handlung mit allgemeiner Geltung mit Ausnahme der Gesetzgebungsakte

(Art. 263 Abs. 4 AEUV und 289 Abs. 1 und 3 AEUV)

2.      Nichtigkeitsklage – Natürliche oder juristische Personen – Handlungen, die sie unmittelbar und individuell betreffen – Individuelle Betroffenheit – Kriterien – Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über spezifische Anforderungen an die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse – Klage eines Abschlussprüfers, der seine Tätigkeit in einem durch die Verordnung geregelten Bereich ausübt – Fehlende individuelle Betroffenheit – Unzulässigkeit

(Art. 263 Abs. 4 AEUV; Verordnung Nr. 537 des Europäischen Parlaments und des Rates)

3.      Nichtigkeitsklage – Natürliche oder juristische Personen – Handlungen, die sie unmittelbar und individuell betreffen – Voraussetzungen, die kumulativ vorliegen müssen – Unzulässigkeit der Klage, wenn eine dieser Voraussetzungen nicht vorliegt

(Art. 263 Abs. 4 AEUV)

4.      Grundrechte – Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz – Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Unionshandlungen – Umstände – Schutz dieses Rechts durch den Unionsrichter oder durch die nationalen Gerichte, je nach der Rechtsnatur der angefochtenen Handlung – Möglichkeit der Prüfung der Gültigkeit im Wege einer Nichtigkeitsklage oder eines Ersuchens um Vorabentscheidung

(Art. 263 Abs. 4 AEUV, 267 AEUV und 277 AEUV; Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 47)

1.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 17-20)

2.      Eine natürliche oder juristische Person ist von einer nicht an sie gerichteten Handlung nur dann individuell betroffen, wenn die fragliche Handlung sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder wegen besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie dadurch in ähnlicher Weise individualisiert wie einen Adressaten.

Was die Verordnung Nr. 537/2014 über spezifische Anforderungen an die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse betrifft, ist ein Kläger, der diese Tätigkeit in seiner Eigenschaft als Abschlussprüfer ausübt, weder durch die Verordnung insgesamt noch durch Art. 21 dieser Verordnung individuell betroffen und ist daher nicht nach Art. 263 Abs. 4 AEUV klagebefugt. Denn erstens belegt der Umstand, dass die Verordnung Nr. 537/2014 für in ihren eigenen Vorschriften objektiv bestimmte Situationen gilt und Rechtswirkungen gegenüber allgemein und abstrakt umschriebenen Personengruppen entfaltet, dass keine individuelle Betroffenheit gegeben ist. Der Kläger ist jedoch von dieser Verordnung allein in seiner Eigenschaft als Abschlussprüfer, der die Tätigkeit der Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse ausübt, betroffen. Das ist eine Situation, auf die diese Verordnung objektiv abstellt, ohne dass der Gesetzgeber die individuelle Situation der Angehörigen dieses Berufsstands in irgendeiner Weise berücksichtigt hätte. Darüber hinaus sind die Anforderungen in Bezug auf die Zusammensetzung der Einrichtungen, die mit der Beaufsichtigung der eine solche Tätigkeit ausübenden Abschlussprüfer betraut sind, allgemein formuliert und gelten unterschiedslos für jeden Wirtschaftsteilnehmer und für jede Behörde, die in den Geltungsbereich der Verordnung fallen.

Zweitens standen die Personen, die von den in Art. 21 der Verordnung Nr. 537/2014 beschriebenen Anforderungen berührt werden, zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Verordnung aber weder fest, noch waren sie feststellbar. Wenn zu der Personengruppe, der der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Verordnung angehörte, eine unbekannte Zahl von Wirtschaftsteilnehmern hinzukommen kann, kann diese Gruppe nicht als beschränkter Kreis eingestuft werden. Vielmehr handelt es sich damit um eine unbestimmte und unbestimmbare Vielzahl von Wirtschaftsteilnehmern, deren Kreis sich nach dem Erlass der angefochtenen Verordnung ausweiten kann. Die einer solchen offenen Gruppe angehörenden Wirtschaftsteilnehmer sind aber von der in Rede stehenden Handlung nicht individuell betroffen. Selbst wenn drittens ein angebliches Recht, von einer selbstverwalteten berufsständischen Einrichtung überwacht zu werden, die sich aus Angehörigen des Berufsstands der Abschlussprüfer zusammensetzt, als erwiesen unterstellt würde, individualisiert es den Kläger in keiner Weise gegenüber der unbestimmten und unbestimmbaren Vielzahl der diesen Beruf ausübenden Wirtschaftsteilnehmer, die die Abschlüsse bei Unternehmen von öffentlichem Interesse prüfen.

(vgl. Rn. 31, 39, 40, 42, 45, 46, 48, 49, 51)

3.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 50)

4.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 55-59)