Language of document : ECLI:EU:C:2017:349

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

ELEANOR SHARPSTON

vom 4. Mai 2017(1)

Rechtssache C18/16

K.

gegen

Staatssecretaris van Veiligheid en Justitie

(Vorabentscheidungsersuchen der Rechtbank Den Haag zittingsplaats Haarlem [Bezirksgericht Den Haag, Sitzungsort Haarlem, Niederlande])

„Asylpolitik – Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen – Richtlinie 2013/33/EU – Art. 9 – Haft – Art. 8 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. a und b – Überprüfung der Identität oder Staatsangehörigkeit – Überprüfung der Beweise, auf die sich der Antrag auf internationalen Schutz stützt – Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Art. 6 und 52 – Verhältnismäßigkeit“






1.        Mit ihrer Vorlagefrage ersucht die Rechtbank Den Haag (Bezirksgericht Den Haag, Niederlande), Sitzungsort Haarlem, den Gerichtshof um Prüfung der Gültigkeit von Art. 8 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie 2013/33/EU zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen(2). Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob diese Bestimmungen mit dem Recht auf Freiheit und Sicherheit in Art. 6 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union(3) vereinbar sind. Diese Frage hat sich in einem Rechtsstreit über eine Entscheidung vom 17. Dezember 2015 ergeben, mit der angeordnet wurde, Herrn K., einen Asylbewerber, der am Flughafen Schiphol bei der Weiterreise in das Vereinigte Königreich wegen eines gefälschten Passes angehalten und in Haft genommen worden war, in den Niederlanden zu inhaftieren.

 Völkerrecht

 Genfer Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge

2.        Art. 31 Abs. 1 des Genfer Abkommens(4) verbietet, Strafen wegen unrechtmäßiger Einreise oder unrechtmäßigen Aufenthalts gegen Flüchtlinge zu verhängen, die unmittelbar aus einem Gebiet kommen, in dem ihr Leben oder ihre Freiheit bedroht waren, vorausgesetzt, dass sie sich unverzüglich bei den Behörden melden und Gründe darlegen, die ihre unrechtmäßige Einreise oder ihren unrechtmäßigen Aufenthalt rechtfertigen. Art. 31 Abs. 2 bestimmt, dass den Flüchtlingen beim Wechsel des Aufenthaltsorts keine Beschränkungen auferlegt werden dürfen, außer denen, die notwendig sind; diese Beschränkungen werden jedoch nur so lange Anwendung finden, wie die Rechtsstellung dieser Flüchtlinge im Aufnahmeland geregelt oder es ihnen gelungen ist, in einem anderen Land Aufnahme zu erhalten.

 Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten

3.        Art. 5 Abs. 1 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten(5) garantiert jeder Person das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Ebenfalls nach Art. 5 Abs. 1 gelten hinsichtlich dieses Rechts einige Ausnahmeregelungen, wobei das Recht jeweils „nur auf die gesetzliche Weise entzogen werden“ darf. Vorliegend geht es um die Frage, ob das Recht auf Freiheit als durch die Ausnahmeregelung in Art. 5 Abs. 1 Buchst. f wirksam eingeschränkt anzusehen ist, deren Anwendung eine „rechtmäßige Festnahme oder rechtmäßige Freiheitsentziehung zur Verhinderung der unerlaubten Einreise sowie bei Personen, gegen die ein Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren im Gange ist“, zur Voraussetzung hat.

4.        Ein Eingriff in das Recht auf persönliche Freiheit und Sicherheit aufgrund der Ausnahmeregelungen nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. a bis f EMRK muss, um rechtmäßig zu sein, auch den in Art. 5 Abs. 2 bis 5 EMRK niedergelegten Garantien entsprechen. In Bezug auf einen Asylbewerber umfassen diese Garantien die unverzügliche Mitteilung der Gründe für die Festnahme, das Recht auf unverzügliche Anfechtung der Festnahme vor den Gerichten, die, wenn die Festnahme rechtswidrig ist, die Entlassung anordnen können, und einen einklagbaren Anspruch auf Schadensersatz, wenn gegen Art. 5 EMRK verstoßen wird(6).

 Unionsrecht

 Charta

5.        Art. 6 der Charta entspricht Art. 5 Abs. 1 EMRK. Er bestimmt, dass „[j]eder Mensch … das Recht auf Freiheit und Sicherheit [hat]“.

6.        In Art. 52 („Tragweite und Auslegung der Rechte und Grundsätze“) der Charta heißt es:

„(1)      Jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten muss gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.

(2)      Die Ausübung der durch diese Charta anerkannten Rechte, die in den Verträgen geregelt sind, erfolgt im Rahmen der in den Verträgen festgelegten Bedingungen und Grenzen.

(3)      Soweit diese Charta Rechte enthält, die den durch die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten garantierten Rechten entsprechen, haben sie die gleiche Bedeutung und Tragweite, wie sie ihnen in der genannten Konvention verliehen wird. Diese Bestimmung steht dem nicht entgegen, dass das Recht der Union einen weiter gehenden Schutz gewährt.

(7)      Die Erläuterungen, die als Anleitung für die Auslegung dieser Charta verfasst wurden, sind von den Gerichten der Union und der Mitgliedstaaten gebührend zu berücksichtigen.“

 Rückführungsrichtlinie

7.        Mit der Richtlinie 2008/115/EG über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger(7) wird eine Reihe von horizontalen Vorschriften eingeführt, die für sämtliche Drittstaatsangehörigen gelten, die die Voraussetzungen für die Einreise in einen Mitgliedstaat oder den dortigen Aufenthalt nicht erfüllen(8). Die Richtlinie enthält gemäß Art. 1 „gemeinsame Normen und Verfahren, die in den Mitgliedstaaten bei der Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Einklang mit den Grundrechten als allgemeinen Grundsätzen des [Unionsrechts] und des Völkerrechts, einschließlich der Verpflichtung zum Schutz von Flüchtlingen und zur Achtung der Menschenrechte, anzuwenden sind“.

8.        Nach Art. 2 Abs. 1 findet die Rückführungsrichtlinie Anwendung auf illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhältige Drittstaatsangehörige. Als „Drittstaatsangehörige“ gelten gemäß Art. 3 Abs. 1 „alle Personen, die nicht Unionsbürger im Sinne von [Art. 20 Abs. 1 AEUV] sind und die nicht das [Unionsrecht] auf freien Personenverkehr nach Artikel 2 Absatz 5 des Schengener Grenzkodex genießen“(9). Als „Rückkehrentscheidung“ gilt nach Art. 3 Abs. 4 „die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird“.

 Anerkennungsrichtlinie

9.        Die Richtlinie 2011/95/EU(10) enthält die Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz(11). In Art. 2 Buchst. h wird ein Antrag auf internationalen Schutz definiert als „das Ersuchen eines Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen um Schutz durch einen Mitgliedstaat, wenn davon ausgegangen werden kann, dass der Antragsteller die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder die Gewährung des subsidiären Schutzstatus anstrebt, und wenn er nicht ausdrücklich um eine andere, gesondert zu beantragende Form des Schutzes außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Richtlinie ersucht“.

10.      Art. 4 Abs. 1 bestimmt, dass Mitgliedstaaten es als Pflicht des Antragstellers betrachten können, so schnell wie möglich alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte darzulegen. Gemäß Art. 4 Abs. 2 gehören zu diesen Anhaltspunkten „Angaben des Antragstellers zu Alter und familiären und sozialen Verhältnissen – auch der betroffenen Verwandten –, Identität, Staatsangehörigkeit(en), Land/Ländern und Ort(en) des früheren Aufenthalts, früheren Asylanträgen, Reisewegen und Reisedokumenten sowie zu den Gründen für seinen Antrag auf internationalen Schutz und sämtliche ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen zu diesen Angaben“. Nach Art. 4 Abs. 3 sind Anträge auf internationalen Schutz individuell zu prüfen, wobei Folgendes zu berücksichtigen ist: alle mit dem Herkunftsland verbundenen Tatsachen, die zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag relevant sind, die maßgeblichen Angaben des Antragstellers und die von ihm vorgelegten Unterlagen sowie die individuelle Lage und die persönlichen Umstände des Antragstellers, einschließlich solcher Faktoren wie familiärer und sozialer Hintergrund, Geschlecht und Alter(12). Diesbezüglich wird im 22. Erwägungsgrund festgestellt, dass „Konsultationen mit dem Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge … den Mitgliedstaaten wertvolle Hilfe bei der Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft nach Artikel 1 der Genfer Flüchtlingskonvention bieten [können]“.

11.      Die Ausschlussgründe für die Anerkennung als Flüchtling werden in Art. 12 aufgeführt. Bei Vorliegen der Ausschlussgründe wird dem Antragsteller die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt. Diese Gründe stellen daher für eine Person, der ansonsten Asyl gewährt würde, eine Ausnahme von diesem Schutz dar(13).

 Verfahrensrichtlinie

12.      Nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32/EU zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes(14) dürfen Antragsteller während der Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz im Mitgliedstaat verbleiben.

13.      Art. 10 legt bestimmte Anforderungen für diese Prüfung fest. So ist als Erstes festzustellen, ob der Antragsteller die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling erfüllt, und wenn nicht, ob er Anspruch auf subsidiären Schutz hat; außerdem ist sicherzustellen, dass die Entscheidung nach angemessener Prüfung getroffen wird und dass die Anträge einzeln, objektiv und unparteiisch geprüft und entschieden werden(15).

14.      Nach Art. 13 verpflichten die Mitgliedstaaten die Antragsteller, mit den zuständigen Behörden zur Feststellung ihrer Identität und anderer in Art. 4 Abs. 2 der Anerkennungsrichtlinie genannter Angaben zusammenzuarbeiten.

15.      Für bestimmte Antragsteller gelten gemäß Art. 24 besondere Garantien, und für die Situation unbegleiteter Minderjähriger gilt Art. 25.

16.      Art. 26 Abs. 1 entspricht insoweit Art. 31 der Genfer Konvention, als der allgemeine Grundsatz gilt, dass die Mitgliedstaaten eine Person, die als Drittstaatsangehöriger internationalen Schutz beantragt, nicht allein deshalb während des Antragsverfahrens in Gewahrsam nehmen dürfen. In Fällen, in denen ein Antragsteller festgenommen wurde, bestimmen sich die Gründe für den Gewahrsam und die Gewahrsamsbedingungen sowie die Garantien für in Gewahrsam befindliche Antragsteller nach der Aufnahmerichtlinie.

17.      Nach Art. 33 der Verfahrensrichtlinie können die Mitgliedstaaten einen Antrag auf internationalen Schutz in bestimmten Fällen als unzulässig betrachten, insbesondere gemäß Art. 33 Abs. 2 Buchst. a, wenn bereits ein anderer Mitgliedstaat internationalen Schutz gewährt hat.

 Die Aufnahmerichtlinie

18.      Die Erwägungsgründe der Aufnahmerichtlinie enthalten folgende Feststellungen:

–        Eine gemeinsame Asylpolitik einschließlich eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) ist wesentlicher Bestandteil des Ziels der Europäischen Union, schrittweise einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts aufzubauen, der allen offensteht, die wegen besonderer Umstände rechtmäßig in der Union um Schutz nachsuchen(16).

–        Das GEAS stützt sich auf eine uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Genfer Konvention(17).

–        In Bezug auf die Behandlung von Personen, die unter die Aufnahmerichtlinie fallen, sind die Mitgliedstaaten gehalten, ihren Verpflichtungen aus völkerrechtlichen Instrumenten nachzukommen, denen sie beigetreten sind(18).

–        Die Inhaftnahme von Antragstellern sollte im Einklang mit dem Grundsatz erfolgen, wonach eine Person nicht allein deshalb in Haft genommen werden darf, weil sie um internationalen Schutz nachsucht; insbesondere sollte die Inhaftnahme im Einklang mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten und unter Beachtung von Art. 31 der Genfer Konvention erfolgen. Antragsteller dürfen nur in den in der Richtlinie eindeutig definierten Ausnahmefällen und im Einklang mit den Grundsätzen der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit in Bezug auf die Art und Weise und den Zweck der Inhaftnahme in Haft genommen werden. Befindet sich ein Antragsteller in Haft, sollte er effektiven Zugang zu den erforderlichen Verfahrensgarantien haben und beispielsweise zur Einlegung eines Rechtsbehelfs bei einer nationalen Justizbehörde berechtigt sein(19).

–        Was die Verwaltungsverfahren im Zusammenhang mit den Gründen für die Haft betrifft, so setzt der Begriff „gebotene Sorgfalt“ zumindest voraus, dass „konkrete und sinnvolle Maßnahmen“ ergriffen werden, um sicherzustellen, dass die zur Überprüfung der Gründe für die Inhaftierung erforderliche Zeit so kurz wie möglich ist. Die Dauer der Haft darf den Zeitraum, der vernünftigerweise erforderlich ist, um die einschlägigen Verfahren abzuschließen, nicht überschreiten(20).

–        Die Inhaftnahme eines Antragstellers soll lediglich als letztes Mittel eingesetzt werden und darf erst zur Anwendung kommen, nachdem alle Alternativen zu freiheitsentziehenden Maßnahmen sorgfältig darauf geprüft worden sind, ob sie besser geeignet sind, die körperliche und geistige Unversehrtheit des Antragstellers sicherzustellen. Alle Alternativen zur Haft müssen mit den grundlegenden Menschenrechten der Antragsteller in Einklang stehen(21).

–        Die Aufnahmerichtlinie steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die insbesondere mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannt wurden(22).

19.      Art. 2 Buchst. a der Aufnahmerichtlinie übernimmt die Definition des Begriffs „Antrag auf internationalen Schutz“ aus der Anerkennungsrichtlinie. Art. 2 Buchst. b definiert einen „Antragsteller“ als „einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, über den noch nicht endgültig entschieden wurde“(23). Der Begriff „Haft“ wird in Art. 2 Buchst. h definiert als „die räumliche Beschränkung eines Antragstellers durch einen Mitgliedstaat auf einen bestimmten Ort, an dem der Antragsteller keine Bewegungsfreiheit hat“.

20.      Nach Art. 3 Abs. 1 gilt die Aufnahmerichtlinie „für alle Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze, in den Hoheitsgewässern oder in den Transitzonen internationalen Schutz beantragen, solange sie als Antragsteller im Hoheitsgebiet verbleiben dürfen, sowie für ihre Familienangehörigen, wenn sie nach einzelstaatlichem Recht von diesem Antrag auf internationalen Schutz erfasst sind“.

21.      Art. 8 lautet:

„(1)      Die Mitgliedstaaten nehmen eine Person nicht allein deshalb in Haft, weil sie ein Antragsteller im Sinne der [Verfahrensrichtlinie] ist.

(2)      In Fällen, in denen es erforderlich ist, dürfen die Mitgliedstaaten auf der Grundlage einer Einzelfallprüfung den Antragsteller in Haft nehmen, wenn sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen.

(3)      Ein Antragsteller darf nur in Haft genommen werden,

a)      um seine Identität oder Staatsangehörigkeit festzustellen oder zu überprüfen;

b)      um Beweise zu sichern, auf die sich sein Antrag auf internationalen Schutz stützt und die ohne Haft unter Umständen nicht zu erhalten wären, insbesondere wenn Fluchtgefahr des Antragstellers besteht;

Haftgründe werden im einzelstaatlichen Recht geregelt.

…“

22.      Art. 9 enthält bestimmte Garantien für in Haft befindliche Antragsteller. Hierzu gehören die folgenden Anforderungen:

–        Ein Antragsteller wird für den kürzestmöglichen Zeitraum und nur so lange in Haft genommen, wie die in Art. 8 Abs. 3 genannten Gründe gegeben sind (Art. 9 Abs. 1).

–        Die Haft der Antragsteller wird von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde schriftlich angeordnet. In der Anordnung werden die sachlichen und rechtlichen Gründe für die Haft angegeben (Art. 9 Abs. 2).

–        Die Mitgliedstaaten sorgen für eine zügige gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Inhaftnahme (Art. 9 Abs. 3).

–        In Haft befindliche Antragsteller werden unverzüglich schriftlich und in einer Sprache, die sie verstehen oder von der vernünftigerweise angenommen werden darf, dass sie sie verstehen, über die Gründe für die Haft und die Verfahren für die Anfechtung der Haftanordnung informiert (Art. 9 Abs. 4).

–        Die Haft wird in angemessenen Zeitabständen von einer Justizbehörde überprüft (Art. 9 Abs. 5).

–        Antragsteller sind berechtigt, unentgeltliche Rechtsberatung und ‑vertretung in Anspruch nehmen zu können, um einen Antrag nach Art. 9 Abs. 3 zu stellen (Art. 9 Abs. 6 und 7).

 Nationales Recht

23.      Art. 59b Abs. 1 Buchst. a und b der Vreemdelingenwet 2000 (Ausländergesetz 2000, im Folgenden: Vw) bestimmt:

„(1)      Ein Ausländer, dessen Aufenthalt aufgrund von Art. 8 Buchst. f[(24)] rechtmäßig ist, soweit dies einen Antrag auf Erteilung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis wegen Asyls betrifft, kann vom Minister [für Sicherheit und Justiz] in Haft genommen werden, wenn

a)      die Inhaftnahme erforderlich ist, um die Identität oder Staatsangehörigkeit des Ausländers festzustellen;

b)      die Inhaftnahme erforderlich ist, um Beweise zu sichern, die für die Beurteilung eines Antrags auf Erteilung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis … benötigt werden, insbesondere wenn die Gefahr besteht, dass der Betreffende sich dem Zugriff entziehen wird;

(2)      Die Haftdauer beträgt in den Fällen von Abs. 1 Buchst. a [und] b … höchstens vier Wochen …“.

 Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefragen

24.      Das Ausgangsverfahren betrifft Herrn K. (im Folgenden: Kläger), einen iranischen Staatsangehörigen. Er kam am 30. November 2015 mit einem Flug aus Wien (Österreich) am Flughafen Amsterdam Schiphol (Niederlande) an und hatte vor, noch am selben Tag nach Edinburgh (Vereinigtes Königreich) weiterzufliegen. Als er an Bord des Flugs nach Edinburgh gehen wollte, geriet er bei der Ausweiskontrolle in den Verdacht, einen falschen Pass zu benutzen. Bei weiterer Überprüfung wurde festgestellt, dass er tatsächlich einen falschen Pass benutzte.

25.      Der Kläger wurde daraufhin in Haft genommen, und es wurde gegen ihn wegen des falschen Passes, den er den niederländischen Behörden vorgelegt hatte, ein Strafverfahren eingeleitet. Wie das vorlegende Gericht feststellt, geschah der Freiheitsentzug nicht, um den Kläger an der unrechtmäßigen Einreise in die Niederlande zu hindern. Seine erstmalige Inhaftnahme erfolgte vielmehr als Untersuchungshaft wegen des Verdachts der Begehung einer Straftat (oder mehrerer Straftaten). Die genaue Art der Beschuldigung oder Beschuldigungen gegen ihn ist dem Vorlagebeschluss nicht zu entnehmen. Das vorlegende Gericht führt jedoch aus, dass in dem Strafverfahren Folgendes geltend gemacht worden sei: irreguläre Einreise in die Niederlande, Verstoß gegen die Ausländergesetzgebung, fehlende oder mangelnde Mitwirkung bei der Feststellung der Identität und der Staatsangehörigkeit, Unvermögen, eine triftige Begründung für den Verlust der Reise- und Identitätsdokumente anzugeben, und die Benutzung falscher oder gefälschter Dokumente. Diese Gründe werden als „schwerwiegende Gründe“ bezeichnet. Folgende „minder schwere Gründe“ werden ebenfalls in Bezug auf Herrn K. angegeben: Verstoß gegen eine Verpflichtung oder mehrere Verpflichtungen nach Kapitel 4 des Vreemdelingenbesluit 2000 (Ausländerverordnung 2000), Fehlen eines festen Wohn- oder Aufenthaltsorts, Fehlen ausreichender finanzieller Mittel und Verdacht der Begehung einer Straftat oder Verurteilung wegen einer Straftat.

26.      In der Haft gab Herr K. an, dass er vorhabe, in den Niederlanden Asyl zu beantragen, da er im Iran um sein Leben fürchte. Nach seiner Darstellung wurde dieser Antrag am 9. Dezember 2015 gestellt.

27.      Am 15. Dezember 2015 entschied das nationale Strafgericht, dass das Strafverfahren gegen Herrn K. unzulässig sei. Offenbar beschlossen die zuständigen Behörden daraufhin, das Verfahren gegen ihn nicht fortzusetzen(25). Am 16. Dezember 2015 ordnete die Staatsanwaltschaft seine „sofortige Entlassung“ aus der Haft an. Am 17. Dezember 2015 stellte Herr K. einen förmlichen Asylantrag. Am selben Tag wurde er gemäß Art. 59 Abs. 1 Buchst. a und b Vw in Haft genommen (im Folgenden: Haftanordnung).

28.      Die Haftanordnung wurde wie folgt begründet: Erstens sei die Haft erforderlich, um die Identität und die Staatsangehörigkeit des Antragstellers festzustellen(26), und zweitens sei sie erforderlich, um die Beweise zu sichern, die für die Beurteilung seines Asylantrags benötigt würden. Man war insbesondere der Ansicht, es bestehe Fluchtgefahr(27).

29.      Am 17. Dezember 2015 erhob Herr K. Klage gegen die Haftanordnung und forderte zugleich Schadensersatz. Herr K. machte geltend, dass seine Inhaftnahme im Hinblick auf das Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache N.(28) gegen Art. 5 EMRK verstoße und dass die Bestimmungen in Art. 8 Abs. 3 Buchst. a und b der Aufnahmerichtlinie gegen Art. 5 EMRK und Art. 6 der Charta verstießen.

30.      Das vorlegende Gericht weist auf Folgendes hin. Erstens: Gegen Herrn K. sei keine Rückkehrentscheidung erlassen worden. Zweitens: Art. 9 Abs. 1 der Verfahrensrichtlinie enthalte den Grundsatz, dass ein Antragsteller (im Sinne dieser Richtlinie) so lange in dem betreffenden Mitgliedstaat verbleiben dürfe, bis über seinen Antrag auf internationalen Schutz entschieden worden sei. Eine solche Person gelte daher nicht als im Sinne der Rückführungsrichtlinie rechtswidrig im Gebiet eines Mitgliedstaats aufhältig. Drittens: Sowohl die Verfahrensrichtlinie als auch das nationale Recht schlössen offenbar bei einem solchen Sachverhalt die Abschiebung aus. Viertens: Dieses Ergebnis werde durch die Entscheidung des EGMR zur Auslegung von Art. 5 Abs. 1 Buchst. f EMRK in der Rechtssache Nabil u. a./Ungarn(29) bestätigt. Fünftens: Eine Inhaftnahme nach Art. 8 Abs. 3 Buchst. a und b der Aufnahmerichtlinie (im Folgenden: die umstrittenen Bestimmungen) erfolge offenkundig nicht mit dem Ziel der Rückführung des Drittstaatsangehörigen. Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, dass die dargestellte Sachlage mit Art. 5 Abs. 1 Buchst. f EMRK unvereinbar sei. Es sei daher erforderlich, die Gültigkeit von Art. 8 Abs. 3 Buchst. a und b dieser Richtlinie zu überprüfen.

31.      Das vorlegende Gericht stellt fest, dass ein nationales Gericht nach dem Urteil Foto-Frost(30) nicht befugt ist, Handlungen von Organen der Europäischen Union für ungültig zu erklären. Daher hat es dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist Art. 8 Abs. 3 Buchst. a und b der Aufnahmerichtlinie im Licht von Art. 6 der Charta gültig,

1.      wenn ein Drittstaatsangehöriger gemäß Art. 8 Abs. 3 Buchst. a und b der Aufnahmerichtlinie in Haft genommen wurde und nach Art. 9 der Verfahrensrichtlinie das Recht hat, in einem Mitgliedstaat zu verbleiben, bis erstinstanzlich über seinen Asylantrag entschieden wurde, und

2.      angesichts der Erläuterung (ABl. 2007, C 303, S. 17), wonach die Einschränkungen, die legitim an den Rechten aus Art. 6 der Charta vorgenommen werden können, nicht über die Einschränkungen hinausgehen dürfen, die im Rahmen von Art. 5 Abs. 1 Buchst. f EMRK zulässig sind, und der vom EGMR u. a. im Urteil Nabil vorgenommenen Auslegung dieser Bestimmung, nach der die Inhaftnahme eines Asylbewerbers gegen Art. 5 Abs. 1 Buchst. f EMRK verstößt, wenn sie nicht im Hinblick auf die Abschiebung vorgenommen wird?

32.      Schriftliche Stellungnahmen sind von Belgien, Estland, Irland und den Niederlanden sowie von dem Rat der Europäischen Union, dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission eingereicht worden. Eine mündliche Verhandlung ist nicht beantragt und nicht durchgeführt worden.

 Prüfung

 Zulässigkeit

33.      Nach Ansicht des Parlaments ist die Frage des vorlegenden Gerichts unzulässig. Die gestellte Frage und die zugrunde liegende Begründung seien im Wesentlichen identisch mit den vom Raad van State in der Rechtssache N.(31) aufgeworfenen Problemen. Gegen den Antragsteller in jener Rechtssache hatte eine Rückkehrentscheidung vorgelegen, während dies bei Herrn K. nicht der Fall ist. Nach Auffassung des Parlaments sind die Gesichtspunkte, die im Vorlagebeschluss dargestellt werden, für die Frage, ob die umstrittenen Bestimmungen mit der Charta in Einklang stehen, nicht relevant.

34.      Aus folgenden Gründen teile ich nicht die Auffassung des Parlaments.

35.      Erstens: Nach ständiger Rechtsprechung müssen die nationalen Gerichte bei Zweifeln über die Gültigkeit einer Handlung der Union dem Gerichtshof ein Vorabentscheidungsersuchen vorlegen(32). Zweitens: Es ist Sache des nationalen Gerichts, vor dem eine Frage nach der Gültigkeit einer Handlung der Union aufgeworfen wird, zu beurteilen, ob für seine Entscheidung eine Klärung dieses Punktes erforderlich ist, und den Gerichtshof gegebenenfalls zu ersuchen, über diese Frage zu befinden. Betreffen die vom nationalen Gericht vorgelegten Fragen die Gültigkeit einer Bestimmung des Unionsrechts, ist der Gerichtshof daher grundsätzlich gehalten, darüber zu befinden. Der Gerichtshof kann es nur dann ablehnen, über eine von einem nationalen Gericht zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage zu befinden, wenn u. a. offensichtlich ist, dass die Auslegung oder die Beurteilung der Gültigkeit einer Vorschrift des Unionsrechts, um die das vorlegende Gericht ersucht, in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsverfahrens steht oder wenn das Problem hypothetischer Natur ist(33).

36.      Drittens: Wie das vorlegende Gericht in dem einführenden Abschnitt seines Vorlagebeschlusses über die „Gründe“ für das Vorabentscheidungsersuchen erläutert, wäre die Inhaftnahme von Herrn K. rechtswidrig und seiner Klage stattzugeben, wenn die umstrittenen Bestimmungen ungültig wären. Auch für den wegen rechtswidriger Haft geltend gemachten Schadensersatzanspruch ist der Ausgang dieses Verfahrens von Bedeutung. Es ist daher offensichtlich, dass die Frage der Gültigkeit der umstrittenen Bestimmungen unmittelbaren Einfluss auf das Ausgangsverfahren hat.

37.      Viertens: Nach Art. 6 Abs. 3 EUV sind die durch die EMRK anerkannten Grundrechte als allgemeine Grundsätze Teil des Unionsrechts. In den Erläuterungen zur Charta wird klargestellt, dass die Rechte nach Art. 6 der Charta den Rechten, die durch Art. 5 EMRK garantiert sind, gleichkommen(34). Wenn also die umstrittenen Bestimmungen im Licht der EMRK als unvereinbar mit der Charta anzusehen wären, wären sie ungültig, und die Inhaftnahme von Herrn K., die auf nationale Vorschriften zur Umsetzung von Art. 8 Abs. 3 Buchst. a und b der Aufnahmerichtlinie gestützt wird, wäre rechtswidrig.

38.      Fünftens: Das vorlegende Gericht stellt das Vorabentscheidungsersuchen im Wesentlichen deshalb, weil nach seiner Meinung das Urteil Nabil des EGMR dahin auszulegen ist, dass die Inhaftnahme einer Person (etwa eines Asylbewerbers) nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. f EMRK nur so lange gerechtfertigt sei, wie ein Abschiebungs- oder Auslieferungsverfahren im Gange sei. Das vorlegende Gericht meint, dass sich aus Art. 9 Abs. 1 der Verfahrensrichtlinie ergebe, dass die Abschiebung eines Asylbewerbers in der Zeit, während der sein Antrag auf internationalen Schutz anhängig sei, ausgeschlossen sei. Es weist darauf hin, dass gegen Herrn K. keine Rückkehrentscheidung nach der Rückführungsrichtlinie ergangen sei. Seine Inhaftnahme sei nicht zum Zweck seiner Abschiebung aus dem Unionsgebiet erfolgt.

39.      Da die Rechte aus Art. 6 der Charta den durch Art. 5 EMRK garantierten Rechten entsprechen und diesen nach Art. 52 Abs. 3 der Charta an Bedeutung und Tragweite gleichkommen(35), ist es meines Erachtens erforderlich, die Entscheidung Nabil des EGMR zu prüfen, um festzustellen, ob diese Rechtssache Einfluss auf die Auslegung und Gültigkeit von Art. 8 Abs. 3 Buchst. a und b der Aufnahmerichtlinie hat. Diese Prüfung muss sich sowohl auf den im Vorlagebeschluss dargestellten Sachverhalt als auch auf die für das Vorabentscheidungsersuchen gegebenen Gründe beziehen. Die Antwort des Gerichtshofs wird die Kernfrage des Ausgangsverfahrens entscheiden, nämlich die Frage der Rechtmäßigkeit der Inhaftnahme von Herrn K. Die Frage des vorlegenden Gerichts ist auch offenkundig nicht hypothetischer Natur. Das Vorabentscheidungsersuchen ist somit zulässig.

 Vorbemerkungen

40.      Nach Art. 78 Abs. 1 AEUV muss die gemeinsame Asylpolitik mit der Genfer Konvention sowie den anderen einschlägigen Verträgen im Einklang stehen. Der Unionsgesetzgeber ist gemäß Art. 78 Abs. 2 Buchst. c und f AEUV ermächtigt, Maßnahmen zu erlassen, und zwar u. a. „Normen über die Aufnahmebedingungen von Personen, die Asyl … beantragen“.

41.      Art. 31 der Genfer Konvention untersagt Strafen wegen unrechtmäßiger Einreise oder unrechtmäßigen Aufenthalts gegen Flüchtlinge, die unmittelbar aus einem Gebiet kommen, in dem ihr Leben oder ihre Freiheit bedroht waren. Dieser Grundsatz gilt für Flüchtlinge, die ohne Erlaubnis einreisen oder sich ohne Erlaubnis aufhalten, sofern die betreffenden Personen sich unverzüglich bei den Behörden melden und Gründe darlegen, die ihre unrechtmäßige Einreise oder ihren unrechtmäßigen Aufenthalt rechtfertigen. Die Haftrichtlinien des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge(36) enthalten die Feststellung: „Das Völkerrecht enthält kein grundsätzliches Verbot von Haft im Migrationskontext, noch ist das Recht auf persönliche Freiheit absolut.“ In diesen Richtlinien werden die nachstehenden allgemeinen Grundsätze aufgeführt: Haft in diesem Kontext i) muss im Einklang mit den Gesetzen stehen und durch ein Gesetz erlaubt sein, ii) darf nicht willkürlich sein und muss auf einer Beurteilung der individuellen Umstände der betroffenen Person beruhen, iii) darf nur in Ausnahmefällen verhängt werden und muss einem legitimen Zweck dienen, z. B. der ersten Überprüfung der Identität und der Feststellung der Beweise, auf die sich ein Antrag auf internationalen Schutz stützt und die ohne Haft unter Umständen nicht zu erhalten wären, und iv) muss verhältnismäßig sein(37).

42.      Auf eine frühere Fassung dieser Richtlinien hat sich der Gerichtshof in seiner Entscheidung in der Rechtssache N.(38) bezogen. Allerdings war in diesem Fall der Asylbewerber auf der Grundlage von Art. 8 Abs. 3 Buchst. e der Aufnahmerichtlinie (Schutz der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung) in Haft genommen worden. Gegen ihn war eine Rückkehrentscheidung ergangen, also die Aufforderung, die Europäische Union zu verlassen, sowie – nach Ablehnung eines früheren Asylantrags – ein Einreiseverbot für die Dauer von zehn Jahren. Diese Maßnahmen waren gemäß den nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Rückführungsrichtlinie auferlegt worden(39). Herr N. befand sich zur Zeit des Vorabentscheidungsersuchens an den Gerichtshof tatsächlich in Haft.

43.      Im Fall von Herrn K. ist der Sachverhalt ein völlig anderer. Es steht nicht in Frage, dass seine Inhaftnahme eine Freiheitsentziehung darstellt(40). Die Grundlage für die Haft in seinem Fall ist jedoch Art. 8 Abs. 3 Buchst. a und b der Aufnahmerichtlinie. Das vorlegende Gericht gibt keinen Hinweis darauf, dass in seinem Fall jemals Maßnahmen nach der Rückführungsrichtlinie ergriffen worden wären. Gegen ihn ist weder eine Aufforderung, das Unionsgebiet zu verlassen, noch ein Einreiseverbot erlassen worden, und folglich ist auch keine derartige Maßnahme wegen der Anhängigkeit seines Antrags auf internationalen Schutz ausgesetzt.

44.      Dennoch bin ich der Auffassung, dass der Gerichtshof im vorliegenden Fall in gleicher Weise vorgehen sollte wie in der Rechtssache N. Somit ist die Prüfung allein anhand der durch die Charta garantierten Grundrechte vorzunehmen(41).

 Vereinbarkeit mit Art. 52 Abs. 1 der Charta

45.      Alle Beteiligten, die dem Gerichtshof im vorliegenden Verfahren schriftliche Erklärungen vorgelegt haben – Herr K. hat dies allerdings nicht getan –, sind der Ansicht, dass an der Gültigkeit von Art. 8 Abs. 3 Buchst. a und b der Aufnahmerichtlinie kein Zweifel besteht.

46.      Ich teile diese Auffassung.

47.      Aus dem Vorlagebeschluss ergibt sich, dass der Kläger ursprünglich wegen des Verdachts der Begehung einer Straftat in Haft genommen worden war. Nach dem 17. Erwägungsgrund der Aufnahmerichtlinie lassen die Haftgründe nach Art. 8 Abs. 3 andere Gründe – einschließlich der Haftgründe im Rahmen eines Strafverfahrens – unberührt. Die ursprüngliche Inhaftnahme des Klägers durch die niederländischen Behörden wegen des Verdachts der Begehung einer Straftat, nämlich der Vorlage eines falschen Passes, ist somit nicht Gegenstand der vorliegenden Rechtssache.

48.      Nachdem das Strafverfahren für unzulässig erklärt worden war, wurde Herr K. im Zusammenhang mit seinem Asylantrag in Haft genommen. Nach allgemeiner Meinung ist diese räumliche Beschränkung „Haft“ im Sinne der Aufnahmerichtlinie(42). Die niederländischen Behörden nannten für die Inhaftnahme von Herrn K. zwei Gründe, erstens die Feststellung seiner Identität und/oder Staatsangehörigkeit und zweitens die Notwendigkeit, Beweise zu sichern, die für die Beurteilung seines Antrags benötigt würden, und Fluchtgefahr.

49.      Das in Art. 6 der Charta garantierte Recht auf Freiheit hat die gleiche Bedeutung wie in Art. 5 EMRK, auch wenn letztere Vorschrift nicht formell in die Unionsrechtsordnung übernommen wurde(43). Die „Einschränkungen, die legitim an der Ausübung der in Art. 6 der Charta verankerten Rechte vorgenommen werden können, [dürfen] nicht über die Einschränkungen hinausgehen …, die nach der EMRK … zulässig sind“(44). Überdies ist nach einem allgemeinen Auslegungsgrundsatz ein Unionsrechtsakt so weit wie möglich in einer seine Gültigkeit nicht in Frage stellenden Weise und im Einklang mit dem gesamten Primärrecht und insbesondere mit den Bestimmungen der Charta auszulegen(45).

50.      Soweit die Mitgliedstaaten gemäß Art. 8 Abs. 3 Buchst. a und b berechtigt sind, Asylbewerber in Haft zu nehmen, enthalten diese Bestimmungen eine Einschränkung des in Art. 6 der Charta verankerten Rechts auf Freiheit(46). Diese Einschränkung beruht auf einer Richtlinie, also auf einem Gesetzesakt der Union. Sie ist somit gesetzlich vorgesehen im Sinne von Art. 52 Abs. 1 der Charta(47).

51.      Sind die umstrittenen Bestimmungen mit dem Recht auf Freiheit in Art. 6 der Charta vereinbar?

52.      Meines Erachtens ist diese Frage zu bejahen.

53.      Erstens: Auszugehen ist von Art. 8 Abs. 1 der Aufnahmerichtlinie, wonach Mitgliedstaaten eine Person nicht allein deshalb in Haft nehmen dürfen, weil sie internationalen Schutz beantragt hat(48). Zweitens: Die Aufnahmerichtlinie trägt der Tatsache Rechnung, dass die Inhaftnahme „eine besonders drastische Maßnahme gegenüber einer um internationalen Schutz nachsuchenden Person darstellt“(49), die nur in „eindeutig definierten Ausnahmefällen“(50) eingesetzt werden darf. Drittens: Nach Art. 8 Abs. 2 ist die Inhaftnahme unter folgenden Voraussetzungen zulässig: i) in Fällen, in denen es erforderlich ist, ii) auf der Grundlage einer Einzelfallprüfung und iii) wenn sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen. Viertens: Ein Antragsteller darf nur in Haft genommen werden, wenn einer der in Art. 8 Abs. 3 aufgezählten Gründe vorliegt. Jeder von ihnen entspricht einem besonderen Bedürfnis und hat einen autonomen Charakter(51).

54.      Diese strengen Bedingungen unterliegen ihrerseits der Anforderung, dass die Haftgründe im einzelstaatlichen Recht geregelt werden und dass die verfahrensrechtlichen Garantien für den in Haft genommenen Antragsteller gewährleistet werden(52). Diese Garantien schließen die Bedingung ein, dass ein Antragsteller für den kürzestmöglichen Zeitraum und nur so lange in Haft genommen wird, wie die in Art. 8 Abs. 3 genannten Gründe gegeben sind (Art. 9 Abs. 1).

55.      Aus dem bloßen Wortlaut von Art. 8 Abs. 3 Buchst. a und b der Aufnahmerichtlinie lässt sich kein Verstoß gegen das in Art. 6 der Charta verankerte Recht auf Freiheit herleiten(53).

56.      Aus Art. 78 AEUV ergibt sich, dass die Verwirklichung und das reibungslose Funktionieren des GEAS ein von der Union anerkanntes im Gemeinwohl liegendes Ziel darstellt.

57.      Es ist zu prüfen, ob die durch diese Bestimmungen gestatteten Eingriffe in das Recht auf Freiheit nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung der mit der fraglichen Regelung zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist. Die durch die Rechtsvorschriften verursachten Nachteile dürfen nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen(54).

58.      Zu den Elementen des GEAS gehört die Gewährleistung eines einheitlichen Status für Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, der sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der GenferKonvention stützt(55). Das System beruht auf dem Konzept, dass die Mitgliedstaaten gemeinsame Kriterien anwenden, die als Grundlage für die Anerkennung von Personen dienen, die tatsächlich Schutz benötigen(56).

59.      Was Art. 8 Abs. 3 Buchst. a der Aufnahmerichtlinie betrifft, so ist die Feststellung und Überprüfung der Identität oder Staatsangehörigkeit eines Antragstellers ein wesentlicher Teil der Prüfung, ob ein Antragsteller die Voraussetzungen für die Erlangung der Flüchtlingseigenschaft erfüllt. Im Hinblick auf die Definition des Begriffs „Flüchtling“ in Art. 2 Buchst. d der Anerkennungsrichtlinie ist festzustellen, ob ein Antragsteller „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder [er ein Staatenloser ist,] der sich aus denselben vorgenannten Gründen außerhalb des Landes seines vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts befindet und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht dorthin zurückkehren will …“. Die Staatsangehörigkeit eines Antragstellers ist ein wichtiges Kriterium, das bei der Prüfung gemäß Art. 4 Abs. 3 dieser Richtlinie berücksichtigt werden muss. Informationen über die Lage im Herkunftsland des Antragstellers sind genau diejenigen Angaben, die die Mitgliedstaaten eventuell mit Hilfe von Organisationen wie dem Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge überprüfen wollen(57). Solche Nachforschungen können aber nur dann erfolgen, wenn die Staatsangehörigkeit (oder Staatenlosigkeit) des Antragstellers bekannt ist.

60.      Außerdem muss der Mitgliedstaat prüfen können, ob die betreffende Person möglicherweise keinen internationalen Schutz verdient, weil sie aufgrund von Art. 12 der Anerkennungsrichtlinie von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen ist. Dazu bedarf es der vorherigen Feststellung der Identität dieser Person.

61.      Allgemein ist die Identität eines Antragstellers ein wesentliches Element im Rahmen des GEAS und besonders für die Durchführung des sogenannten „Dublin-Systems“(58) von Bedeutung. Dieses System regelt das Verfahren für die Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist. Ohne Informationen über die Identität des Antragstellers wäre es einem Mitgliedstaat nicht möglich, in einem konkreten Fall die Kriterien der Verordnung Nr. 604/2013 zur Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats anzuwenden.

62.      Die Identität ist auch für die Frage von Bedeutung, ob ein Antrag gemäß Art. 33 der Verfahrensrichtlinie unzulässig ist. Ein Asylantrag wäre nach Art. 33 Abs. 2 Buchst. a dieser Richtlinie unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat bereits internationalen Schutz gewährt hat.

63.      Die Identität eines Antragstellers hat schließlich auch Bedeutung für die Frage, ob gemäß Art. 24 der Verfahrensrichtlinie oder im Fall von unbegleiteten Minderjährigen (Art. 25 der Verfahrensrichtlinie) besondere Verfahrensgarantien zu gewähren sind.

64.      Angesichts dieser systemimmanenten Merkmale des GEAS kann nach meiner Auffassung die Inhaftnahme eines Antragstellers zur Feststellung seiner Identität oder Staatsangehörigkeit auf der Grundlage von Art. 8 Abs. 3 Buchst. a der Aufnahmerichtlinie in einem gegebenen Fall eine geeignete Maßnahme sein.

65.      Art. 8 Abs. 3 Buchst. b der Aufnahmerichtlinie bezieht sich auf „Beweise …, auf die sich [der] Antrag auf internationalen Schutz stützt und die ohne Haft unter Umständen nicht zu erhalten wären“. Hierzu verweise ich auf Art. 4 Abs. 1 der Anerkennungsrichtlinie, wonach die Mitgliedstaaten es als Pflicht des Antragstellers betrachten können, so schnell wie möglich alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte darzulegen. Vielfach wird der Antragsteller selbst die Hauptinformationsquelle sein, da die Überprüfung durch den Mitgliedstaat sich in erster Linie auf seine Darstellung seiner Geschichte stützt, die dann durch Bezugnahme auf andere Quellen nachgeprüft werden kann(59). Die Mitgliedstaaten haben die Anträge auf internationalen Schutz einzeln, objektiv und unparteiisch zu prüfen(60). Dabei müssen sie die Glaubhaftigkeit der Aussage des Asylbewerbers überprüfen(61).

66.      Wenn also eine Person aus Furcht vor Verfolgung wegen ihrer politischen Überzeugung Asyl beantragt, haben die Mitgliedstaaten eine solche Behauptung gemäß der Aufnahmerichtlinie und der Verfahrensrichtlinie zu überprüfen. Nach Art. 13 der Verfahrensrichtlinie sind die Antragsteller auch verpflichtet, mit den zuständigen Behörden zur Feststellung ihrer Identität und anderer in Art. 4 Abs. 2 der Anerkennungsrichtlinie genannter Angaben zusammenzuarbeiten.

67.      Wenn ein Antragsteller zur Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden nicht bereit ist und erst recht, wenn er eine Befragung verweigert oder sich durch Flucht entzieht, ist eine solche Prüfung nicht möglich.

68.      Art. 8 Abs. 3 Buchst. b der Aufnahmerichtlinie enthält daher meines Erachtens eine geeignete Maßnahme zur Erreichung des allgemeinen Ziels des GEAS, einheitliche Kriterien anzuwenden, um diejenigen Personen, die tatsächlich internationalen Schutz benötigen, zu identifizieren und sie von Antragstellern zu unterscheiden, die keinen Anspruch auf diesen Schutz haben.

69.      Der Gerichtshof hat hervorgehoben, dass angesichts der Bedeutung des in Art. 6 der Charta verankerten Rechts auf Freiheit und der Schwere des in einer Inhaftnahme bestehenden Eingriffs in dieses Recht die Einschränkungen seiner Ausübung auf das absolut Notwendige beschränkt bleiben müssen(62).

70.      Die Anwendung der beiden umstrittenen Bestimmungen hängt von der Einhaltung mehrerer Voraussetzungen ab, mit denen der Rückgriff auf die jeweilige Maßnahme eng begrenzt werden soll(63).

71.      Die Bestimmungen des Art. 8 Abs. 3 Buchst. a und b enthalten eigenständige Haftgründe. Ich werde daher jede Maßnahme gesondert prüfen, um festzustellen, ob sie dem Grundsatz der Erforderlichkeit entspricht.

72.      Asylbewerber, die auf der Flucht vor Verfolgung sind, werden oftmals mit falschen oder unvollständigen Dokumenten reisen. Aus Art. 8 Abs. 3 Buchst. a der Aufnahmerichtlinie in Verbindung mit deren Art. 8 Abs. 1 und 2 ergibt sich, dass ein Antragsteller nur dann aus diesem Grund in Haft genommen werden darf, wenn er seine Identität oder Staatsangehörigkeit nicht bekannt gibt oder wenn die zuständige Behörde seiner Aussage keinen Glauben schenkt. Die Inhaftnahme eines jedweden Antragstellers zur Feststellung seiner Identität oder Staatsangehörigkeit wäre unzulässig. Außerdem darf Art. 8 Abs. 3 Buchst. a nur im Einklang mit dem Zielen der Aufnahmerichtlinie angewendet werden. Diese umfassen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Erforderlichkeit sowie das Ziel, die Zeit für die Nachprüfung des Haftgrundes so kurz wie möglich zu halten(64).

73.      Der Geltungsbereich von Art. 8 Abs. 3 Buchst. b ist ausdrücklich auf Fälle beschränkt, in denen Beweise zur Begründung des Antrags „ohne Haft unter Umständen nicht zu erhalten wären“. Der Wortlaut macht somit den Wunsch des Gesetzgebers deutlich, dass die Mitgliedstaaten zu einer willkürlichen Anwendung dieses Haftgrundes nicht in der Lage sein sollen. Mit den Worten „insbesondere wenn Fluchtgefahr des Antragstellers besteht“ wird diese Eingrenzung betont. Auch die in den Erwägungsgründen 15 und 16 genannten Ziele bestätigen, dass von dieser Bestimmung nur dann Gebrauch gemacht werden darf, wenn dies unbedingt notwendig ist.

74.      Es ist zudem darauf hinzuweisen, dass die gesetzlichen Schutzbestimmungen in Art. 8 Abs. 1 und 2 sowohl die Empfehlung Rec(2003)5 des Ministerkomitees des Europarats als auch die UNHCR-Haftrichtlinien widerspiegeln, wonach die Inhaftnahme auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben muss.

75.      Die Aufnahmerichtlinie muss auch im Zusammenhang mit den Verfahrensanforderungen in der Verfahrensrichtlinie gelesen werden. Art. 26 der Verfahrensrichtlinie untersagt, eine Person allein deshalb in Gewahrsam zu nehmen, weil sie einen Antrag gestellt hat. Auch aus dem breiteren Kontext des GEAS wird deutlich, dass sich die Bestimmungen über die Inhaftnahme in Art. 8 Abs. 3 der Aufnahmerichtlinie auf Ausnahmefälle beziehen und keine allgemeinen Regeln darstellen.

76.      Die Entstehungsgeschichte der Aufnahmerichtlinie bestätigt, dass die Frage der Inhaftnahme auf der Grundlage der allgemeinen Systematik und der Ziele des GEAS betrachtet wurde und dass die Haft nur zulässig sein soll, wenn sie im Einklang mit den Grundrechten steht sowie erforderlich und verhältnismäßig ist(65).

77.      Durch die umstrittenen Bestimmungen wird meines Erachtens auch ein ausgewogenes Verhältnis zwischen dem Interesse des Einzelnen und dem Allgemeininteresse an einem ordnungsgemäß funktionierenden GEAS hergestellt, das denjenigen Drittstaatsangehörigen, die die Kriterien erfüllen, internationalen Schutz gewährt und Anträge zurückweist, die die Kriterien nicht erfüllen, und das die Mitgliedstaaten in die Lage versetzt, bei der Erfüllung ihrer internationalen Verpflichtungen, einschließlich der unionsrechtlichen Anforderungen, wie sie sich im Licht der in der Genfer Konvention und der EMRK aufgestellten Grundsätze entwickelt haben, ihre begrenzten Mittel einzusetzen(66).

 Vereinbarkeit mit Art. 52 Abs. 3 der Charta

78.      Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass Art. 6 der Charta Art. 5 Abs. 1 EMRK entspricht(67). Gemäß Art. 52 Abs. 3 der Charta hat das in Art. 6 der Charta garantierte Recht auf persönliche Freiheit und Sicherheit daher die gleiche Bedeutung und Tragweite, wie sie in der EMRK verliehen wird(68). Der Gerichtshof hat deshalb Art. 5 EMRK in seiner Auslegung durch den EGMR zu berücksichtigen, wenn er die Gültigkeit der umstrittenen Bestimmungen anhand von Art. 6 der Charta prüft.

79.      Zu Art. 5 EMRK gibt es eine reichhaltige Rechtsprechung des EGMR. Das Recht auf Freiheit und Sicherheit, das in dieser Vorschrift garantiert wird, ist nicht absolut. Es unterliegt mehreren abschließend aufgezählten Gründen, aus denen einer Person ihre Freiheit entzogen werden darf(69). Art. 5 Abs. 1 Buchst. f ist als Grund beschrieben worden, der es den Staaten erlaubt, einen „Ausländer“ (oder Drittstaatsangehörigen) im Zusammenhang mit der Erfüllung von Aufgaben im Bereich der Einwanderung oder des Asyls in Haft zu nehmen. Dieser Grund unterscheidet zwei Fallgestaltungen: Die Inhaftnahme ist erstens erlaubt, um eine unerlaubte Einreise in ein Land zu verhindern. Ein Drittstaatsangehöriger kann zweitens im Hinblick auf eine Ausweisung oder Auslieferung in Haft genommen werden.

80.      Auf der Grundlage der im Vorlagebeschluss dargestellten Umstände dürfte die Gültigkeit der umstrittenen Bestimmungen allein nach der ersten Fallgestaltung von Art. 5 Abs. 1 Buchst. f EMRK zu beurteilen sein.

81.      Der EGMR hat sich mit dieser Fallgestaltung erstmals in der Rechtssache Saadi(70) befasst. Er hat darauf hingewiesen, dass „die Staaten vorbehaltlich ihrer Verpflichtungen aus der Konvention das ‚unbestreitbare Recht haben, die Einreise von Ausländern in ihr Land und deren Aufenthalt dort zu kontrollieren‘. … Dazu gehört notwendigerweise das Recht der Staaten, Personen in Gewahrsam zu nehmen, die einreisen wollen und eine Einreiseerlaubnis beantragt haben, ob über einen Asylantrag oder nicht. [Es ist klar, dass] die Inhaftierung von potenziellen Einwanderern, auch von Asylbewerbern, grundsätzlich mit Art. 5 Abs. 1 Buchst. f EMRK vereinbar sein kann“(71).

82.      Der EGMR hat weiter ausgeführt, dass „eine Einreise, solange sie ein Staat nicht ‚genehmigt‘ hat, ‚unerlaubt‘ ist und die Freiheitsentziehung bei einer Person, die einreisen möchte und dazu einer Erlaubnis bedarf, die sie noch nicht hat, ohne Verdrehung des Wortlauts eine Freiheitsentziehung ‚zur Verhinderung der unerlaubten Einreise‘ sein kann. [Die Große Kammer] lehnt die Vorstellung ab, dass ein Asylbewerber, sobald er sich selbst bei den Einwanderungsbehörden gemeldet hat, damit ‚erlaubt‘ einzureisen sucht, so dass eine Freiheitsentziehung nach der ersten Fallgestaltung von Art. 5 Abs. 1 Buchst. f EMRK nicht gerechtfertigt werden könnte. Die erste Fallgestaltung von Art. 5 Abs. 1 Buchst. f dahin auszulegen, dass sie die Freiheitsentziehung nur bei einer Person zulässt, die nachweislich Einreisebeschränkungen zu umgehen sucht, würde den Wortlaut dieser Vorschrift zu sehr einengen und die Befugnisse der Vertragsstaaten, ihre oben erwähnten unbestreitbaren Kontrollrechte auszuüben, zu sehr beschränken“(72). Nach Ansicht des EGMR entspräche eine solche Auslegung außerdem weder dem Beschluss Nr. 44 des Exekutivkomitees des Flüchtlingsprogramms des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge noch den UNHCR-Richtlinien, noch der Empfehlung (2003)5 des Ministerkomitees des Europarats(73). In diesen Texten werde anerkannt, dass Asylbewerber unter bestimmten Umständen in Haft genommen werden können, z. B. während die Identität überprüft wird oder um Beweise zu sichern, auf die sich der Antrag auf internationalen Schutz stützt.

83.      Die erste Fallgestaltung von Art. 5 Abs. 1 Buchst. f EMRK enthält somit für Asylbewerber, die keiner Maßnahme zur Abschiebung aus dem Unionsgebiet unterliegen, eine Ausnahme von der grundsätzlich garantierten Freiheit. Im Grundsatz ist es mit dieser Bestimmung und folglich mit Art. 6 der Charta nicht unvereinbar, einen Asylbewerber beim Versuch der Einreise in das Unionsgebiet in Haft zu nehmen, um seine Identität festzustellen (Art. 8 Abs. 3 Buchst. a der Aufnahmerichtlinie). Es ist auch nicht unvereinbar mit dieser Bestimmung, einen Antragsteller in Haft zu nehmen, um Beweise zu sichern, auf die sich sein Antrag auf internationalen Schutz stützt und die ohne Haft unter Umständen nicht zu erhalten wären, insbesondere wenn Fluchtgefahr des Antragstellers besteht (Art. 8 Abs. 3 Buchst. b der Aufnahmerichtlinie).

84.      Besteht die Möglichkeit, dass der Antragsteller flieht, bedarf es meines Erachtens keines Nachweises, dass die Inhaftnahme notwendig ist, um zu verhindern, dass sich die betreffende Person dem Zugriff entzieht(74). Voraussetzung ist, dass die Maßnahme erfolgt, damit die zuständigen Behörden ihre Aufgaben gemäß Art. 4 der Anerkennungsrichtlinie und Art. 10 der Verfahrensrichtlinie zur Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz erfüllen können, und dass die mögliche Gefahr besteht, dass sich der Antragsteller durch Flucht entzieht.

85.      Der EGMR hat allerdings verschiedentlich festgestellt, dass jede Freiheitsentziehung nicht nur unter eine der Ausnahmen in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a bis f EMRK fällt, sondern außerdem „rechtmäßig“ sein muss. Hierzu verweise die EMRK „im Wesentlichen auf das nationale Recht und verpflichtet dazu, dessen materielle und verfahrensrechtliche Vorschriften einzuhalten“(75).

86.      Eine Inhaftnahme nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. f steht nicht im Einklang mit der EMRK, wenn sie willkürlich erfolgt(76). Eine allgemeingültige Definition des Begriffs des willkürlichen Verhaltens nationaler Behörden gibt es nicht. Ein Schlüsselbegriff, der im Rahmen einer Einzelfallprüfung angewendet wird, ist, ob die Inhaftnahme – selbst wenn sie in Übereinstimmung mit dem Buchstaben des nationalen Rechts erfolgt – Elemente bösen Glaubens oder der Täuschung durch die Behörden enthält(77). Die Inhaftnahme eines Asylbewerbers „muss … eng mit dem Zweck zusammenhängen, eine unerlaubte Einreise des Betroffenen zu verhindern“. Der EGMR hat ferner festgestellt, dass der Haftort und die Haftbedingungen angemessen sein müssen, denn „die Maßnahme ergeht nicht gegen Personen, die eine Straftat begangen haben, sondern gegen Ausländer, die häufig unter Angst um ihr Leben aus ihren Heimatländern geflohen sind“. Die Dauer der Inhaftnahme darf daher nicht über das hinausgehen, was vernünftigerweise notwendig ist, um den beabsichtigten Zweck zu erreichen(78).

87.      Meine Prüfung von Art. 8 Abs. 3 Buchst. a und b der Aufnahmerichtlinie im Hinblick auf Art. 52 Abs. 1 der Charta hat ergeben, dass die Inhaftnahme in einem gegebenen Fall, in dem die Voraussetzungen dieser Bestimmungen vorliegen, eine dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechende Einschränkung des Rechts auf Freiheit darstellt. Diese Feststellung gilt auch für Art. 52 Abs. 3 der Charta(79).

88.      Hinzuzufügen ist, dass die Beschränkungen nach Art. 8 Abs. 3 Buchst. a und b auch in Verbindung mit Art. 9 der Aufnahmerichtlinie zu lesen sind, der den Rechtsgarantien für Antragsteller Rechnung trägt, die durch Art. 5 Abs. 2 bis 5 EMRK gewährt werden. Diese umfassen die unverzügliche Mitteilung der Gründe für die Festnahme, die unverzügliche richterliche Überprüfung der Festnahme oder Freiheitsentziehung, das Recht, ein Verfahren zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung zu beantragen, sowie einen einklagbaren Anspruch auf Schadensersatz wegen unrechtmäßiger Festnahme oder Freiheitsentziehung. Entsprechende Garantien gewährt Art. 9 der Aufnahmerichtlinie, insbesondere in den Abs. 1 bis 5. Wie ich in meiner Stellungnahme in der Rechtssache N. ausgeführt habe, enthält diese Richtlinie keine Entsprechung zu Art. 5 Abs. 5 EMRK, aber sie „belässt [den Mitgliedstaaten] den Spielraum …, der erforderlich ist, um dem [Erfordernis der Gewährleistung eines einklagbaren Schadensersatzanspruchs] nachzukommen“(80).

89.      Die Einschränkungen des Rechts auf Freiheit in Art. 8 Abs. 3 Buchst. a und b der Aufnahmerichtlinie gewährleisten somit in Verbindung mit den Rechtsgarantien für in Haft genommene Antragsteller, dass das Recht auf Freiheit – das „von höchster Bedeutung in einer ‚demokratischen Gesellschaft‘“ ist(81) – in Übereinstimmung mit Sinn und Geist von Art. 5 EMRK gewahrt bleibt.

90.      Schließlich ist anzumerken, dass das vorlegende Gericht seine Frage unter Bezugnahme auf das Urteil des EGMR in der Rechtssache Nabil formuliert. In diesem Fall waren gegen die Asylbewerber sowohl eine Maßnahme zur Abschiebung aus Ungarn als auch ein Einreiseverbot erlassen worden. Beide Maßnahmen waren erlassen worden, bevor die Betroffenen einen Asylantrag gestellt hatten. Die Prüfung der Verfahren der Antragsteller erfolgte, um festzustellen, ob die Inhaftnahme mit dem Recht auf Freiheit im Hinblick auf die zweite Fallgestaltung von Art. 5 Abs. 1 Buchst. f – Freiheitsentziehung in Bezug auf eine Person, gegen die ein Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren im Gange ist(82) – vereinbar war.

91.      Demgegenüber ist über den Asylantrag von Herrn K. noch nicht entschieden worden, und der Vorlagebeschluss enthält keine Hinweise darauf, dass irgendeine Maßnahme nach der Rückführungsrichtlinie gegen ihn ergriffen wurde. Es gibt somit keine Anhaltspunkte dafür, dass gegen ihn gegenwärtig ein „Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren“ im Gange ist. Er befindet sich daher in einer völlig anderen Situation als die Antragsteller im Fall Nabil. Aus diesem Grund und im Hinblick auf die Sachverhaltsschilderung des vorlegenden Gerichts fallen die bei ihm vorliegenden Umstände nicht unter die zweite Fallgestaltung von Art. 5 Abs. 1 Buchst. f EMRK. Die Auslegung dieser Bestimmung durch den EGMR hat daher vorliegend für die Prüfung der Gültigkeit von Art. 8 Abs. 3 Buchst. a der Aufnahmerichtlinie keine Bedeutung.

92.      Angesichts der Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache N., dass aus der Rechtsprechung des EGMR in der Rechtssache Nabil nicht notwendigerweise folgt, dass ein anhängiges Asylverfahren dazu führt, dass eine Person angesichts eines von ihr gestellten Asylantrags nicht mehr im „Hinblick auf ihre Ausweisung“ inhaftiert ist, ist der Vollständigkeit halber darauf hinzuweisen, dass die Situation sich differenzierter darstellt, als sie vom vorlegenden Gericht gesehen wird(83).

 Ergebnis

93.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, wie folgt zu entscheiden:

Die Prüfung der dem Gerichtshof der Europäischen Union von der Rechtbank Den Haag (Bezirksgericht Den Haag, Niederlande), Sitzungsort Haarlem, dem Gerichtshof vorgelegten Frage hat nichts ergeben, was die Gültigkeit von Art. 8 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen, im Licht der Art. 6 und 52 Abs. 1 und 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union beeinträchtigen könnte.


1      Originalsprache: Englisch.


2      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (ABl. 2013, L 180, S. 96) (im Folgenden: Aufnahmerichtlinie).


3      ABl. 2010, C 83, S. 389 (im Folgenden: Charta).


4      Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, unterzeichnet in Genf am 28. Juli 1951 und in Kraft getreten am 22. April 1954 (United Nations Treaty Series, Bd. 189, S. 150, Nr. 2545, 1954), in der Fassung, die durch das am 31. Januar 1967 in New York abgeschlossene und am 4. Oktober 1967 in Kraft getretene Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge ergänzt wurde (im Folgenden: Genfer Konvention). Das Protokoll ist für die Entscheidung im vorliegenden Vorabentscheidungsverfahren ohne Belang.


5      Am 4. November 1950 in Rom unterzeichnet (im Folgenden: EMRK).


6      Vgl. Art. 5 Abs. 2, 4 und 5. Art. 5 Abs. 3 betrifft Personen, die von Festnahme oder Freiheitsentziehung nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c betroffen sind, wenn hinreichender Verdacht besteht, dass sie eine Straftat begangen haben oder, wenn begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass es notwendig ist, sie an der Begehung einer Straftat zu hindern. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. Urteil vom 31. Juli 2000, Jėčius/Litauen, CE:ECHR:2000:0731JUD003457897, § 50) gilt die Bestimmung nur in Strafsachen. Aus dem Vorlagebeschluss ergibt sich, dass die Haft von Herrn K. sich nicht auf ein Strafverfahren bezieht (vgl. unten, Nrn. 24 bis 28). Art. 5 Abs. 1 Buchst. c und Art. 5 Abs. 3 EMRK sind daher für das vorliegende Verfahren ohne Belang.


7      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 (ABl. 2008, L 348, S. 98) (im Folgenden: Rückführungsrichtlinie).


8      Fünfter Erwägungsgrund.


9      Die Personengruppen, die im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie nach Unionsrecht Anspruch auf freien Personenverkehr innerhalb der EU haben, sind in Art. 2 Abs. 5 der Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) (ABl. 2016, L 77, S. 1) festgelegt. Mit dieser Verordnung wurde die Verordnung (EU) Nr. 562/2006, die die frühere Fassung des Kodex enthielt, aufgehoben und ersetzt. Zu diesen Personengruppen gehören Unionsbürger im Sinne von Art. 20 Abs. 1 AEUV sowie Drittstaatsangehörige, die Familienangehörige eines sein Recht auf freien Personenverkehr ausübenden Unionsbürgers sind. Sie umfassen auch Drittstaatsangehörige und ihre Familienangehörigen, die aufgrund von Übereinkommen zwischen der Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und den betreffenden Drittstaaten andererseits ein Recht auf freien Personenverkehr genießen, das dem der Unionsbürger gleichwertig ist (diese Staaten sind Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz).


10      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. 2011, L 337, S. 9) (im Folgenden: Anerkennungsrichtlinie).


11      Art. 1 der Anerkennungsrichtlinie.


12      Vgl. Art. 4 Abs. 3 Buchst. a, b und c.


13      Die einzelnen Gründe werden von mir nicht aufgeführt, da es vorliegend nur um den Begriff des Ausschlusses der Flüchtlingseigenschaft geht.


14      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (ABl. 2013, L 180, S. 60) (im Folgenden: Verfahrensrichtlinie).


15      Vgl. insbesondere Art. 10 Abs. 2 und 3 Buchst. a.


16      Zweiter Erwägungsgrund.


17      Dritter Erwägungsgrund.


18      Zehnter Erwägungsgrund.


19      15. Erwägungsgrund.


20      16. Erwägungsgrund.


21      20. Erwägungsgrund.


22      35. Erwägungsgrund.


23      Dieselbe Definition wird auch in Art. 2 Abs. 2 Buchst. i der Anerkennungsrichtlinie und in Art. 2 Buchst. c der Verfahrensrichtlinie verwendet.


24      Wie sich aus dem Vorlagebeschluss ergibt, bestimmt Art. 8 Buchst. f Vw, dass sich ein Drittstaatsangehöriger, der einen Asylantrag gestellt hat, so lange rechtmäßig in den Niederlanden aufhält, wie über seinen Antrag auf Aufenthaltserlaubnis noch nicht entschieden wurde, und dass seine Abschiebung aufgrund seines Antrags (oder einer gerichtlichen Entscheidung) bis zur Entscheidung über den Asylantrag unterbleiben muss.


25      Wie den nationalen Akten zu entnehmen ist, beruht die Feststellung der „Unzulässigkeit“ darauf, dass Herr K. die Anerkennung als Flüchtling beantragt hatte. Die niederländischen Behörden behandelten ihn daraufhin als unter dem Schutz der Genfer Konvention, insbesondere deren Art. 31, stehend.


26      Art. 59b Abs. 1 Buchst. a Vw.


27      Art. 59b Abs. 1 Buchst. b Vw.


28      Urteil vom 15. Februar 2016, N. (C‑601/15 PPU, EU:C:2016:84).


29      Urteil vom 22. September 2015, CE:ECHR:2015:0922JUD006211612 (im Folgenden: Urteil Nabil).


30      Urteil vom 22. Oktober 1987 (314/85, EU:C:1987:452, Rn. 15 und 16).


31      Urteil vom 15. Februar 2016, N. (C‑601/15 PPU, EU:C:2016:84).


32      Urteil vom 10. Januar 2006, IATA und ELFAA (C‑344/04, EU:C:2006:10, Rn. 30 und 31).


33      Urteil vom 12. Juli 2012, Association Kokopelli (C‑59/11, EU:C:2012:447, Rn. 28 und 29 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).


34      Art. 6 Abs. 1 EUV und Art. 52 Abs. 7 der Charta. Siehe auch die Erläuterungen zur Charta der Grundrechte (ABl. 2007, C 303, S. 17) (im Folgenden: Erläuterungen).


35      Erläuterung zu Art. 6 – Recht auf Freiheit und Sicherheit, S. 19 der Erläuterungen.


36      Detention Guidelines – Guidelines on the applicable criteria and standards relating to the detention of asylum-seekers and alternatives to detention (Richtlinien über anzuwendende Kriterien und Standards betreffend die Haft von Asylsuchenden und Alternativen zur Haft), Veröffentlichung des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) (2012) (im Folgenden: UNHCR-Haftrichtlinien).


37      Vgl. auch Generalversammlung der Vereinten Nationen, Bericht der Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen vom 4. Mai 2015, Guideline 21, Specific measures for non-nationals, including migrants regardless of their migration status, asylum seekers, refugees and stateless persons (Richtlinie 21, Besondere Maßnahmen für Ausländer, einschließlich Migranten unabhängig von ihrem Migrationsstatus, Asylsuchende, Flüchtlinge und Staatenlose).


38      Hoher Kommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge, Guidelines on Applicable Criteria and Standards Relating to the Detention of Asylum Seekers (Richtlinien über anzuwendende Kriterien und Standards betreffend die Haft von Asylsuchenden) vom 26. Februar 1999.


39      Wegen des anhängigen Asylantrags des Herrn N. war seine Abschiebung aus den Niederlanden gemäß dem nationalen Recht und in Übereinstimmung mit Art. 9 der Verfahrensrichtlinie ausgesetzt.


40      Urteil des EGMR vom 23. Februar 2012, Creangă/Rumänien, CE:ECHR:2012:0223JUD002922603, § 92.


41      Urteil vom 15. Februar 2016, N. (C‑601/15 PPU, EU:C:2016:84, Rn. 46).


42      Vgl. Art. 2 Buchst. h der Aufnahmerichtlinie.


43      Urteil vom 15. Februar 2016, N. (C‑601/15 PPU, EU:C:2016:84, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).


44      Urteil vom 15. Februar 2016, N. (C‑601/15 PPU, EU:C:2016:84, Rn. 47).


45      Urteil vom 15. Februar 2016, N. (C‑601/15 PPU, EU:C:2016:84, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).


46      Vgl. entsprechend (zu Art. 8 Abs. 3 Buchst. e) Urteil vom 15. Februar 2016, N. (C‑601/15 PPU, EU:C:2016:84, Rn. 49).


47      Vgl. entsprechend (zu Art. 8 Abs. 3 Buchst. e) Urteil vom 15. Februar 2016, N. (C‑601/15 PPU, EU:C:2016:84, Rn. 50 und 51).


48      Vgl. auch Art. 9 der Verfahrensrichtlinie.


49      Vgl. meine Stellungnahme in der Rechtssache N. (C‑601/15 PPU, EU:C:2016:85, Nr. 113); vgl. auch 20. Erwägungsgrund der Aufnahmerichtlinie.


50      Vgl. 15. Erwägungsgrund der Aufnahmerichtlinie.


51      Urteil vom 15. Februar 2016, N. (C‑601/15 PPU, EU:C:2016:84, Rn. 59).


52      Vgl. Art. 8 Abs. 3 letzter Satz und Art. 9 der Aufnahmerichtlinie.


53      Vgl. entsprechend Urteil vom 15. Februar 2016, N. (C‑601/15 PPU, EU:C:2016:84, Rn. 52).


54      Urteil vom 15. Februar 2016, N. (C‑601/15 PPU, EU:C:2016:84, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).


55      Vgl. Art. 1 der Anerkennungsrichtlinie und dritten Erwägungsgrund der Aufnahmerichtlinie.


56      Art. 4 der Anerkennungsrichtlinie.


57      Vgl. 22. Erwägungsgrund der Anerkennungsrichtlinie.


58      Das „Dublin-System“ bezieht sich u. a. auf die Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrag auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. 2013, L 180, S. 31). Diese Verordnung enthält in Art. 28 eine besondere Bestimmung über die Inhaftnahme von Antragstellern für Zwecke der Überstellung. Diese Bestimmung ist jedoch vorliegend nicht relevant.


59      Art. 4 der Anerkennungsrichtlinie.


60      Art. 10 Abs. 2 und 3 Buchst. a der Verfahrensrichtlinie.


61      Vgl. z. B. Urteil vom 2. Dezember 2014, A. u. a. (C‑148/13 bis C‑150/13, EU:C:2014:2406, Rn. 55 ff.).


62      Urteil vom 15. Februar 2016, N. (C‑601/15 PPU, EU:C:2016:84, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).


63      Vgl. entsprechend Urteil vom 15. Februar 2016, N. (C‑601/15 PPU, EU:C:2016:84, Rn. 57).


64      Vgl. entsprechend Erwägungsgründe 15 und 16 der Aufnahmerichtlinie.


65      Vgl. Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten (KOM[2008] 815 endgültig, S. 5 und 6); vgl. auch 35. Erwägungsgrund der Aufnahmerichtlinie.


66      Vgl. entsprechend Urteil vom 15. Februar 2016, N. (C‑601/15 PPU, EU:C:2016:84, Rn. 68).


67      Siehe oben, Nr. 5.


68      Siehe oben, Nrn. 49 und 50.


69      Vgl. Urteil Nabil, § 26.


70      Urteil des EGMR vom 29. Januar 2008, Saadi/Vereinigtes Königreich, CE:ECHR:2008:0129JUD001322903 (im Folgenden: Urteil Saadi).


71      Urteil Saadi, § 64.


72      Urteil Saadi, § 65.


73      Urteil Saadi, §§ 34, 35 und 37.


74      Vgl. entsprechend Urteil des EGMR vom 15. November 1996, Chahal/Vereinigtes Königreich, CE:ECHR:1996:1115JUD002241493, § 112.


75      Urteil Saadi, § 67.


76      Urteil Saadi, § 67.


77      Urteil Saadi, §§ 69 bis 73.


78      Urteil Saadi, § 74.


79      Siehe oben, Nrn. 57 bis 77.


80      Siehe meine Stellungnahme in der Rechtssache N. (C‑601/15 PPU, EU:C:2016:85, Nr. 136).


81      Vgl. Urteil des EGMR vom 29. März 2010, Medvedyevu. a./Frankreich, CE:ECHR:2010:0329JUD000339403, § 76.


82      Urteil Nabil, §§ 28 und 38 ff.


83      Ausreichend ist, dass ein Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren im Gange ist (vgl. Urteil vom 15. Februar 2016, N., C‑601/15 PPU, EU:C:2016:84, Rn. 79 und 80). Diese Auffassung wird durch die Rechtsprechung des EGMR gestützt (vgl. z. B. Urteil des EGMR vom 23. Oktober 2008, Soldatenko/Ukraine, CE:ECHR:2008:1023JUD000244007, § 109). Der EGMR hat außerdem entschieden, dass eine Inhaftnahme auch nach der zweiten Fallgestaltung von Art. 5 Abs. 1 Buchst. f EMRK gerechtfertigt sein kann, selbst wenn weder ein förmliches Auslieferungsersuchen noch ein Auslieferungsbeschluss vorliegt, vgl. Entscheidung der Europäischen Kommission für Menschenrechte vom 9. Dezember 1980 (X./Schweiz,CE:ECHR:1980:1209DEC000901280).