Language of document : ECLI:EU:T:2015:844

URTEIL DES GERICHTS (Rechtsmittelkammer)

12. November 2015

Verbundene Rechtssachen T‑515/14 P und T‑516/14 P

Christodoulos Alexandrou

gegen

Europäische Kommission

„Rechtsmittel – Öffentlicher Dienst – Einstellung – Bekanntmachung des Auswahlverfahrens EPSO/AD/231/12 – Nichtzulassung zu den Prüfungen – Begründungspflicht – Zugang zu Dokumenten – Ablehnung des Antrags auf Zugang zu den in den Zulassungstests gestellten Multiple-Choice-Fragen – Geheimhaltung der Arbeiten des Prüfungsausschusses – Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 – Zuständigkeitsbereich des Gerichts für den öffentlichen Dienst – Art. 270 AEUV – Begriff der beschwerenden Maßnahme – Art. 90 Abs. 2 des Statuts“

Gegenstand:      Rechtsmittel gegen die Urteile des Gerichts für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union (Dritte Kammer) vom 14. Mai 2014, Alexandrou/Kommission (F‑34/13, SlgÖD, EU:F:2014:93, und F‑140/12, SlgÖD, EU:F:2014:94), wegen Aufhebung dieser Urteile

Entscheidung:      Das Rechtsmittel in der Rechtssache T‑516/14 P wird zurückgewiesen. In der Rechtssache T‑515/14 P wird das Urteil des Gerichts für den öffentlichen Dienst vom 14. Mai 2014, Alexandrou/Kommission (F‑34/13), teilweise aufgehoben, soweit darin nicht auf den ersten Klagegrund eingegangen worden ist, soweit mit ihm ein Begründungsmangel in Bezug auf das Vorbringen gerügt wurde, dass es besondere Umstände gerechtfertigt hätten, Herrn Christodoulos Alexandrou Zugang zu den streitigen Fragen zu gewähren, und soweit darin der vierte Klagegrund zurückgewiesen worden ist. Im Übrigen wird das Rechtsmittel in der Rechtssache T‑515/14 P zurückgewiesen. Die Klage in der Rechtssache F‑34/13 wird abgewiesen, soweit sie zum einen auf den Begründungsmangel der angefochtenen Entscheidungen in Bezug auf das Vorbringen von Herrn Alexandrou, besondere Umstände hätten seinen Zugang zu den streitigen Fragen gerechtfertigt, und zum anderen auf den Klagegrund der Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren, andernfalls des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf, gestützt ist. In der Rechtssache T‑516/14 P trägt jede Partei ihre eigenen Kosten. In der Rechtssache T‑515/14 P trägt jede Partei ihre eigenen Kosten.

Leitsätze

1.      Rechtsmittel – Gründe – Unzureichende Begründung – Zulässigkeit

(Satzung des Gerichtshofs, Art. 36 und Anhang I Art. 7 Abs. 1)

2.      Beamtenklage – Zuständigkeit des Gerichts für den öffentlichen Dienst – Antrag auf Zugang zu Dokumenten eines Auswahlverfahrens – Einbeziehung

(Art. 256 Abs. 1 AEUV, 263 AEUV und 270 AEUV; Satzung des Gerichtshofs, Anhang I Art. 1; Beamtenstatut, Art. 90 Abs. 2 und Art. 91 Abs. 1)

3.      Organe der Europäischen Union – Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten – Verordnung Nr. 1049/2001 – Antrag auf Zugang zu Dokumenten eines Auswahlverfahrens zur Einstellung von Beamten der Union – Geltung sowohl des Beamtenstatuts als auch der Verordnung Nr. 1049/2001

(Art. 15 Abs. 3 AEUV; Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 42; Beamtenstatut, Anhang III Art. 6; Verordnung Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 4 Abs. 3)

4.      Organe der Europäischen Union – Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten – Verordnung Nr. 1049/2001 – Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu Dokumenten – Schutz des Entscheidungsprozesses – Geltungsbereich – In den Vorauswahlprüfungen eines allgemeinen Auswahlverfahrens zur Einstellung von Beamten der Union gestellte Multiple-Choice-Fragen – Einbeziehung

(Beamtenstatut, Anhang III Art. 6; Verordnung Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 4 Abs. 3)

5.      Organe der Europäischen Union – Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten – Verordnung Nr. 1049/2001 – Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu Dokumenten – Schutz des Entscheidungsprozesses – Offenlegung der in den Vorauswahlprüfungen eines allgemeinen Auswahlverfahrens zur Einstellung von Beamten der Union gestellten Fragen – Vermutung einer Beeinträchtigung des Entscheidungsprozesses – Grenzen

(Beamtenstatut, Anhang III Art. 6; Verordnung Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 4 Abs. 2 und 3)

6.      Beamte – Auswahlverfahren – Auswahlverfahren aufgrund von Befähigungsnachweisen und Prüfungen – Bewertung der Verdienste der Bewerber – Ausschluss von Bewerbern anhand ihrer gewichteten Antworten auf die in der Phase der Vorauswahl gestellten Fragen – Bewerber, der eine deutlich niedrigere Note als bei anderen Zulassungstests erzielt – Umstand, der für sich allein nicht geeignet ist, die Ordnungsmäßigkeit der Prüfung in Frage zu stellen

1.      Ein Rechtsmittelgrund, mit dem gerügt wird, dass sich das erstinstanzliche Gericht mit einem Antrag oder einem bei ihm geltend gemachten Klagegrund nicht auseinandergesetzt habe, läuft im Wesentlichen auf die Rüge hinaus, dass das Gericht für den öffentlichen Dienst gegen die Begründungspflicht verstoßen habe, die sich aus Art. 36 der Satzung des Gerichtshofs ergibt, der gemäß Art. 7 Abs. 1 des Anhangs I dieser Satzung auch für das Gericht für den öffentlichen Dienst gilt.

In diesem Zusammenhang kann dem Rechtsmittelführer, der die fehlende Auseinandersetzung mit seinem Vorbringen rügt, nicht vorgeworfen werden, dass er keinen Abschnitt oder Teil des angefochtenen Urteils nennt, auf den sich seine Rüge konkret bezieht, denn es wird ja gerade geltend gemacht, dass es dazu keine Ausführungen gebe.

(vgl. Rn. 34 und 35)

Verweisung auf:

Gericht: Urteil vom 8. Oktober 2014, Bermejo Garde/EWSA, T‑529/12 P, SlgÖD, EU:T:2014:861, Rn. 43

2.      Das Gericht für den öffentlichen Dienst ist sowohl in persönlicher Hinsicht, wenn ein ausgeschlossener Bewerber einen Antrag auf Zugang zu Dokumenten als Bewerber eines Auswahlverfahrens stellt, als auch sachlich, da dieser Antrag seinen Ursprung im Ausschluss dieses Bewerbers vom Auswahlverfahren hat, ausschließlich dafür zuständig, über einen Rechtsstreit im Zusammenhang mit einem allgemeinen Auswahlverfahren zu entscheiden.

Nach Art. 256 Abs. 1 AEUV und Art. 1 des Anhangs I der Satzung des Gerichtshofs ist das Gericht für den öffentlichen Dienst nämlich für Entscheidungen im ersten Rechtszug über Klagen gemäß Art. 270 AEUV zuständig, die nach dieser Bestimmung alle Streitsachen zwischen der Union und deren Bediensteten innerhalb der Grenzen und nach Maßgabe der Bedingungen betreffen, die im Statut der Beamten der Union und in den Beschäftigungsbedingungen der sonstigen Bediensteten der Union festgelegt sind.

Diese Abgrenzung der Zuständigkeiten des Gerichts für den öffentlichen Dienst richtet sich nach der persönlichen Stellung der betroffenen Person und dem Ursprung des Rechtsstreits. Ein Rechtsstreit zwischen einem Beamten und dem Organ, dem der Betreffende angehört, fällt insoweit, sofern er im Dienstverhältnis zwischen dem Beamten und dem Organ wurzelt, unter Art. 270 AEUV und die Art. 90 und 91 des Beamtenstatuts und wird folglich vom Anwendungsbereich des Art. 263 AEUV, der die allgemeine Regelung der Klage auf Nichtigerklärung der Handlungen der Organe oder Einrichtungen der Union enthält, nicht erfasst.

Aus Art. 270 AEUV in Verbindung mit Art. 91 Abs. 1 des Statuts ergibt sich im Übrigen ausdrücklich, dass das Kriterium, anhand dessen sich bestimmen lässt, ob eine Klage von einer Person, auf die das Statut Anwendung findet, nach Art. 270 AEUV erhoben werden kann, darin besteht, zu überprüfen, ob die Handlung, deren Rechtmäßigkeit in Abrede gestellt wird, eine beschwerende Maßnahme im Sinne von Art. 90 Abs. 2 des Statuts darstellt. Aus dieser Bestimmung geht hervor, dass die Entscheidungen oder die Unterlassungen, eine im Statut vorgeschriebene Maßnahme zu ergreifen, unter den in Kapitel VII des Statuts vorgesehenen Beschwerdeweg und Rechtsschutz fallen.

Außerdem steht der in Kapitel VII des Statuts vorgesehene Beschwerdeweg und Rechtsschutz den Bewerbern allgemeiner Auswahlverfahren oder Ausleseverfahren unabhängig davon offen, ob sie Bedienstete der Union sind.

(vgl. Rn. 59 bis 63)

Verweisung auf:

Gerichtshof: Beschluss vom 10. Juni 1987, Pomar/Kommission, 317/85, Slg, EU:C:1987:267, Rn. 7 und die dort angeführte Rechtsprechung

Gericht: Beschluss vom 20. April 2012, Pachtitis/Kommission, T‑374/07, EU:T:2012:188, Rn. 13 bis 15

3.      Indem Art. 15 Abs. 3 AEUV den Erlass von Verordnungen wie der Verordnung Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission vorsieht, um die Grundsätze und Einschränkungen des Rechts auf Zugang zu den Dokumenten der Organe der Union festzulegen, steht er dem Erlass und der Beibehaltung von Sondervorschriften über den Zugang zu bestimmten Dokumenten in bestimmten Bereichen nicht entgegen, wenn das Bestehen solcher Vorschriften durch die Notwendigkeit, spezifischen Zielen Rechnung zu tragen, gerechtfertigt ist.

Soweit es weder in der Verordnung Nr. 1049/2001 noch in der Sonderregelung in einem bestimmten Bereich des Unionsrechts mit einem anderen Zweck als der Transparenz eine Bestimmung gibt, die ausdrücklich den Vorrang einer dieser Regelungen gegenüber der anderen vorsieht, ist aber sicherzustellen, dass jede dieser beiden Regelungen in einer Weise angewandt wird, die mit der Anwendung der jeweils anderen vereinbar ist und somit eine kohärente Anwendung erlaubt.

Folglich kann der in Art. 6 des Anhangs III des Statuts verankerte Grundsatz der Geheimhaltung der Arbeiten des Prüfungsausschusses, wonach die Arbeiten des Prüfungsausschusses geheim sind, die Anwendung der Verordnung Nr. 1049/2001 nicht ausschließen, da diese im konkreten Fall unter Berücksichtigung der Sonderbestimmungen des Statuts auszulegen ist. Diese Vorschriften des Statuts und die in dieser Verordnung festgelegten allgemeinen Grundsätze müssen aber kohärent angewandt werden. Unter diesen Umständen kann sich ein Antragsteller auf Zugang nicht erfolgreich auf den allgemeinen Grundsatz der Transparenz nach Art. 15 Abs. 3 AEUV und Art. 42 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stützen, um die alleinige Anwendung der Bestimmungen der Verordnung Nr. 1049/2001 zu rechtfertigen und somit Art. 6 des Anhangs III des Statuts außer Acht zu lassen.

(vgl. Rn. 68 bis 71)

Verweisung auf:

Gerichtshof: Urteil vom 27. Februar 2014, Kommission/EnBW, C‑365/12 P, Slg, EU:C:2014:112, Rn. 84 und die dort angeführte Rechtsprechung

4.      Was den Zugang zu Dokumenten im Zusammenhang mit den Arbeiten des Prüfungsausschusses für ein Auswahlverfahren betrifft, können die Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu Dokumenten in Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission nicht ausgelegt werden, ohne im konkreten Fall die in Art. 6 des Anhangs III des Statuts und in Ziff. 6.2 des Leitfadens für allgemeine Auswahlverfahren vorgesehenen Sondervorschriften zu berücksichtigen. Diese Sondervorschriften verfolgen nämlich andere Ziele als das mit der Verordnung Nr. 1049/2001 angestrebte Ziel der Transparenz. Nach der Systematik dieser Verordnung wird das Recht auf Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten der Organe zum Grundsatz erhoben, um die Ausübung dieses Rechts so weit wie möglich zu erleichtern und eine gute Verwaltungspraxis durch die Gewährleistung der größtmöglichen Transparenz des Entscheidungsprozesses öffentlicher Stellen und der Informationen, auf denen ihre Entscheidungen beruhen, zu fördern. Die Ausnahmen von diesem Grundsatz sind daher eng auszulegen.

Art. 6 des Anhangs III des Statuts, der sich speziell auf Auswahlverfahren bezieht, führt hingegen den Grundsatz der Geheimhaltung der Arbeiten des Prüfungsausschusses ein, um die Unabhängigkeit der Prüfungsausschüsse für Auswahlverfahren und die Objektivität ihrer Arbeiten zu gewährleisten, indem die Ausschüsse vor allen äußeren Einmischungen und Pressionen geschützt werden, gleichgültig, ob diese von der Unionsverwaltung selbst, von beteiligten Bewerbern oder von Dritten ausgehen.

Was insbesondere die allgemeinen Auswahlverfahren betrifft, geht im Übrigen aus Ziff. 6.2 des Leitfadens für diese Verfahren hervor, dass der Grundsatz der Geheimhaltung der Arbeiten des Prüfungsausschusses den Text der im Rahmen der Vorauswahltests gestellten Multiple-Choice-Fragen umfasst. Mit dieser Beschränkung des Rechts auf Zugang zu Dokumenten soll verhindert werden, dass die Fragen, die im Rahmen späterer Auswahlverfahren wieder verwendet werden können, nicht gegenüber anderen zukünftigen Bewerbern offengelegt werden. Angesichts der großen Zahl der Bewerber der Auswahlverfahren, die zur Durchführung der Vorauswahlprüfungen an mehreren Tagen führt, ist allgemein bekannt, dass die im Rahmen dieser Prüfungen dem einzelnen Bewerber gestellten Fragen in jeder vom Prüfungsausschuss für das Auswahlverfahren auf der Grundlage objektiver und gleichartiger Kriterien für alle Bewerber festgelegten Gruppe von Fragen vergleichbarer Art und Schwierigkeit nach dem Zufallsprinzip von einer EDV-Anwendung aus einer Datenbank mit Multiple-Choice-Fragen ausgewählt werden.

Unter diesen Umständen ist anzuerkennen, dass in den Zulassungstests für ein Auswahlverfahren zur Einstellung von Beamten der Union gestellte Multiple-Choice-Fragen, soweit sie eng mit dem Einstellungsverfahren im Zusammenhang stehen, zum Entscheidungsprozess der Kommission gehören und somit in den Anwendungsbereich von Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 fallen. Auch wenn diese Fragen in einem allgemeinen Auswahlverfahren Tausenden von Bewerbern gestellt werden, gehören sie nämlich nichtsdestoweniger zu einer internen Datenbank des Organs, die von Prüfungsausschüssen bei der Veranstaltung von Auswahlverfahren durch das Europäische Amt für Personalauswahl verwendet werden soll, und sind somit interne Dokumente, die unter die Ausnahme zum Schutz des Entscheidungsprozesses der Kommission fallen.

(vgl. Rn. 78 bis 81 und 86)

Verweisung auf:

Gerichtshof: Urteil vom 27. Februar 2014, Kommission/EnBW, EU:C:2014:112, Rn. 83 und die dort angeführte Rechtsprechung

Gericht: Urteile vom 5. April 2005, Hendrickx/Rat, T‑376/03, SlgÖD, EU:T:2005:116, Rn. 56, und vom 14. Juli 2005, Le Voci/Rat, T‑371/03, SlgÖD, EU:T:2005:290, Rn. 123

5.      Als Rechtfertigung für die Verweigerung des Zugangs zu einem Dokument, dessen Offenlegung nach der Verordnung Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission beantragt wurde, genügt es grundsätzlich nicht, dass dieses Dokument in Zusammenhang mit einer in Art. 4 Abs. 2 und 3 dieser Verordnung erwähnten Tätigkeit steht. Das betroffene Organ muss auch erläutern, inwiefern der Zugang zu diesem Dokument das Interesse, das durch eine Ausnahme nach diesem Artikel geschützt wird, konkret und tatsächlich beeinträchtigen könnte. Dem betreffenden Unionsorgan steht es aber frei, sich hierbei auf allgemeine Vermutungen zu stützen, die für bestimmte Kategorien von Dokumenten gelten, da für Anträge auf Offenlegung von Dokumenten gleicher Art vergleichbare allgemeine Erwägungen gelten können.

In diesem Zusammenhang kann die Kommission in Bezug auf einen Antrag auf Zugang zu im Rahmen von Vorauswahltests eines allgemeinen Auswahlverfahrens zur Einstellung von Unionsbeamten gestellten Multiple-Choice-Fragen entsprechend den mit dem Grundsatz des Schutzes der Geheimhaltung der Arbeiten des Prüfungsausschusses für ein Auswahlverfahren verfolgten Zielen zu Recht vermuten – ohne eine konkrete und individuelle Prüfung dieser Dokumente vorzunehmen –, dass die Offenlegung solcher Fragen ihren Entscheidungsprozess grundsätzlich ernsthaft beeinträchtigt. Die Anwendung einer solchen allgemeinen Vermutung in Bezug auf im Rahmen eines allgemeinen Auswahlverfahrens gestellte Multiple-Choice-Fragen fügt sich voll und ganz ins System der Verordnung Nr. 1049/2001 ein, die mit den geltenden Sondervorschriften, die durch spezielle Ziele gerechtfertigt sind, in Einklang gebracht werden muss. Demnach kann die Anwendung einer solchen allgemeinen Vermutung nicht als zusätzliche neue Ausnahme verstanden werden, wenn die Kommission beschließt, sich bei der Zurückweisung eines nach der Verordnung Nr. 1049/2001 gestellten Antrags auf Zugang zu den im Rahmen eines allgemeinen Auswahlverfahrens gestellten Multiple-Choice-Fragen auf die Ausnahme zum Schutz des Entscheidungsprozesses zu berufen.

Außerdem kann diese allgemeine Vermutung im Rahmen einer Abwägung der bestehenden Interessen entsprechend dem nach Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen System unter bestimmten besonderen Umständen widerlegt werden. Das ist der Fall, wenn ein Bewerber konkret die Eignung bestimmter Fragen oder die Richtigkeit der als richtig angesehenen Antworten in Zweifel zieht, vorausgesetzt, der Abstand zwischen seinen Ergebnissen und der Mindestpunktzahl für das Bestehen ist so gering, dass er, wenn seine Beanstandung begründet sein sollte, zu den Bewerbern gehören könnte, die die betreffenden Prüfungen bestanden haben. In einem solchen Fall ist die Übermittlung des Wortlauts der in Rede stehenden Fragen an den Betreffenden nämlich notwendig, damit er beurteilen kann, ob die Entscheidung, ihn von dem Auswahlverfahren auszuschließen, ordnungsgemäß erfolgt ist und ob die Einlegung eines Rechtsbehelfs zweckmäßig ist, und um die richterliche Kontrolle zu ermöglichen. In diesem Fall geht das Recht des Betroffenen auf Zugang zu den Gründen für diese Entscheidung dem Grundsatz der Geheimhaltung der Arbeiten des Prüfungsausschusses für ein Auswahlverfahren vor.

(vgl. Rn. 87, 88, 94, 95 und 98)

Verweisung auf:

Gerichtshof: Urteil vom 27. Februar 2014, Kommission/EnBW, EU:C:2014:112, Rn. 64 und 65 und die dort angeführte Rechtsprechung

6.      Im Rahmen von Zulassungstests für ein allgemeines Auswahlverfahren betrifft der Umstand, dass ein Bewerber eine deutlich niedrigere Note als bei anderen Zulassungstests erzielt hat, mangels anderer Hinweise ausschließlich die eigenen Fähigkeiten des Betreffenden und stellt keinen besonderen Umstand dar, der sich auf die gestellten Fragen oder die Richtigkeit der Antworten bezieht und die Ordnungsmäßigkeit des Tests selbst in Frage stellen kann.

(vgl. Rn. 167)