Language of document : ECLI:EU:T:2021:92

URTEIL DES GERICHTS (Zehnte erweiterte Kammer)

17. Februar 2021(*)

„Staatliche Beihilfen – Französischer Luftverkehrsmarkt – Zahlungsmoratorium für die jeweils monatlich fälligen Zivilluftfahrts‑ und Solidaritätsabgaben auf Flugtickets für die Zeit von März bis Dezember 2020 im Zusammenhang mit der Covid‑19-Pandemie – Beschluss, keine Einwände zu erheben – Beihilfe zur Beseitigung der durch ein außergewöhnliches Ereignis entstandenen Schäden – Freier Dienstleistungsverkehr – Gleichbehandlung – Kriterium des Besitzes einer von den französischen Behörden erteilten Genehmigung – Verhältnismäßigkeit – Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV – Begründungspflicht“

In der Rechtssache T‑259/20,

Ryanair DAC mit Sitz in Swords (Irland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte E. Vahida, F.‑C. Laprévote, S. Rating und I.‑G. Metaxas‑Maranghidis,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch  L. Flynn, S. Noë und C. Georgieva-Kecsmar als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Französische Republik, vertreten durch E. de Moustier, C. Mosser, A. Daniel und P. Dodeller als Bevollmächtigte,

Streithelferin,

betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Beschlusses C(2020) 2097 final der Kommission vom 31. März 2020 über die staatliche Beihilfe SA.56765 (2020/N) – Frankreich – COVID‑19 – Zahlungsmoratorium für Luftverkehrsabgaben zugunsten öffentlicher Luftfahrtunternehmen

erlässt

DAS GERICHT (Zehnte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. van der Woude, der Richter A. Kornezov und E. Buttigieg (Berichterstatter), der Richterin K. Kowalik‑Bańczyk und des Richters G. Hesse,

Kanzler: S. Spyropoulos, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 23. September 2020

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 24. März 2020 meldete die Französische Republik bei der Europäischen Kommission gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV eine Beihilfemaßnahme in Form eines Zahlungsmoratoriums für die jeweils monatlich fälligen Zivilluftfahrts‑ und Solidaritätsabgaben auf Flugtickets für die Zeit von März bis Dezember 2020 (im Folgenden: in Rede stehende Beihilferegelung) an.

2        Diese Beihilferegelung, mit der sichergestellt werden soll, dass Luftfahrtunternehmen, die eine in Frankreich gemäß Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. September 2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft (ABl. 2008, L 293, S. 3) erteilte Betriebsgenehmigung (im Folgenden: französische Genehmigung) besitzen, bis zur Aufhebung der Reisebeschränkungen oder ‑verbote und der Rückkehr zu einer normalen Geschäftstätigkeit genügend Liquidität verbleibt, schiebt somit die Zahlung dieser Abgaben bis zum 1. Januar 2021 auf und verteilt die Zahlungen sodann über einen Zeitraum von 24 Monaten, d. h. bis zum 31. Dezember 2022. Die genaue Höhe der Abgaben richtet sich nach der Zahl der beförderten Passagiere und der Zahl der Flüge ab einem französischen Flughafen. Im Übrigen kommt die in Rede stehende Beihilferegelung den öffentlichen Luftfahrtunternehmen zugute, die eine französische Genehmigung besitzen, was voraussetzt, dass sie ihren „Hauptgeschäftssitz“ (siehe unten, Rn. 29) in Frankreich haben.

3        Am 31. März 2020 erließ die Kommission den Beschluss C(2020) 2097 final über die staatliche Beihilfe SA.56765 (2020/N) – Frankreich – COVID‑19 – Zahlungsmoratorium für Luftverkehrsabgaben zugunsten öffentlicher Luftfahrtunternehmen (im Folgenden: angefochtener Beschluss), mit dem sie, nachdem sie zu dem Schluss gekommen war, dass die in Rede stehende Beihilferegelung eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstelle, deren Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt prüfte, insbesondere im Licht von Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV.

4        In diesem Zusammenhang vertrat die Kommission zunächst einmal die Ansicht, dass die Covid‑19-Pandemie ein außergewöhnliches Ereignis im Sinne von Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV darstelle und dass ein Kausalzusammenhang zwischen den hierdurch entstandenen Schäden und dem durch die in Rede stehende Beihilferegelung ausgeglichenen Schaden bestehe, da Letztere die durch die Covid‑19-Pandemie verursachte Liquiditätskrise der Luftfahrtunternehmen abmildern solle, indem sie dem Liquiditätsbedarf der öffentlichen Luftfahrtunternehmen Rechnung trage, die eine französische Genehmigung besäßen.

5        Sodann vertrat die Kommission – nachdem sie auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs verwiesen hatte, der zufolge nur die unmittelbar durch ein außergewöhnliches Ereignis verursachten wirtschaftlichen Nachteile ausgeglichen werden könnten und der Ausgleich den Betrag dieser Nachteile nicht übersteigen dürfe – erstens die Ansicht, die in Rede stehende Beihilferegelung stehe in einem angemessenen Verhältnis zur Höhe der voraussichtlichen Schäden, da die geschätzte Höhe der Beihilfe geringer erscheine als die infolge der durch die Covid‑19-Pandemie verursachten Krise zu erwartenden wirtschaftlichen Schäden.

6        Zweitens vertrat die Kommission die Ansicht, die in Rede stehende Beihilferegelung sei ihrem Wesen nach eindeutig nicht diskriminierend, da alle Luftfahrtunternehmen unter sie fielen, die eine französische Genehmigung besäßen. Der Umstand, dass die Beihilfe im vorliegenden Fall in Form eines Moratoriums für bestimmte Abgaben gewährt werde, die auch die Haushalte von Luftfahrtunternehmen belasteten, die von anderen Mitgliedstaaten erteilte Betriebsgenehmigungen besäßen, habe keinen Einfluss auf ihren nicht diskriminierenden Charakter, da die fragliche Beihilferegelung eindeutig dazu bestimmt sei, Schäden auszugleichen, die Luftfahrtunternehmen entstanden seien, die eine französische Genehmigung besäßen. Der Geltungsbereich der in Rede stehenden Beihilferegelung stehe daher weiterhin in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Ziel, die durch die Covid‑19-Pandemie verursachten Schäden auszugleichen. Insbesondere trage diese Beihilferegelung dazu bei, die Struktur des Luftfahrtsektors für Luftfahrtunternehmen, die eine französische Genehmigung besäßen, zu erhalten. Daher hätten die französischen Behörden in diesem Stadium dargetan, dass die in Rede stehende Beihilferegelung nicht über die unmittelbar durch die Krise infolge der Covid‑19-Pandemie verursachten Schäden hinausgehe.

7        Die Kommission beschloss daher in Anbetracht der von der Französischen Republik gemachten Zusagen und insbesondere der Zusage, ihr ein detailliertes Verfahren betreffend die Art und Weise zu übermitteln und von ihr validieren zu lassen, in der dieser Mitgliedstaat beabsichtigte, nachträglich und für jeden Begünstigten die Höhe des Schadens im Zusammenhang mit der durch die Covid‑19-Pandemie verursachten Krise zu quantifizieren, keine Einwände gegen die in Rede stehende Beihilferegelung zu erheben.

 Verfahren und Anträge der Parteien

8        Mit Schriftsatz, der am 8. Mai 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

9        Mit Schriftsatz, der am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin gemäß den Art. 151 und 152 der Verfahrensordnung des Gerichts beantragt, über die vorliegende Klage im beschleunigten Verfahren zu entscheiden. Mit Beschluss vom 29. Mai 2020 hat das Gericht (Zehnte Kammer) diesem Antrag stattgegeben.

10      Die Kommission hat ihre Klagebeantwortung am 18. Juni 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht.

11      Gemäß Art. 106 Abs. 2 der Verfahrensordnung hat die Klägerin am 30. Juni 2020 einen mit Gründen versehenen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt.

12      Mit Schriftsatz, der am 20. Juli 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Französische Republik beantragt, im vorliegenden Verfahren als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden. Mit Schriftsatz, der am 28. Juli 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin gemäß Art. 144 Abs. 7 der Verfahrensordnung beantragt, bestimmte in der Klageschrift, in der Kurzfassung der Klageschrift und in den Anlagen zur Klageschrift enthaltene Angaben über die Zahl der Buchungen und die voraussichtliche Zahl der Fluggäste nicht an die Französische Republik zu übermitteln. Dementsprechend hat sie eine nicht vertrauliche Fassung der Klageschrift, der Kurzfassung der Klageschrift und der Anlagen zur Klageschrift beigefügt.

13      Auf Vorschlag der Zehnten Kammer hat das Gericht gemäß Art. 28 der Verfahrensordnung beschlossen, die Rechtssache an einen erweiterten Spruchkörper zu verweisen.

14      Mit Beschluss vom 5. August 2020 hat der Präsident der Zehnten erweiterten Kammer des Gerichts die Französische Republik als Streithelferin zugelassen und die Übermittlung der Klageschrift, der Kurzfassung der Klageschrift und ihrer Anlagen bis zu einer etwaigen Stellungnahme der Französischen Republik zum Antrag auf vertrauliche Behandlung vorläufig auf die von der Klägerin vorgelegten nicht vertraulichen Fassungen beschränkt.

15      Mit prozessleitender Maßnahme vom 6. August 2020 ist der Französischen Republik gemäß Art. 154 Abs. 3 der Verfahrensordnung die Einreichung eines Streithilfeschriftsatzes gestattet worden.

16      Am 21. August 2020 hat die Französische Republik ihren Streithilfeschriftsatz bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht, ohne einen Einwand gegen den Antrag der Klägerin auf vertrauliche Behandlung zu erheben.

17      Die Klägerin beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären,

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

18      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen,

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

19      Die Französische Republik hält die Klage für unzulässig, soweit mit ihr die Richtigkeit der Beurteilung der Beihilfe als solche in Zweifel gezogen wird, und beantragt im Übrigen Klageabweisung. Hilfsweise beantragt sie, die Klage insgesamt als unbegründet abzuweisen.

 Rechtliche Würdigung

20      Der Unionsrichter ist befugt, anhand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob es nach den Grundsätzen einer geordneten Rechtspflege gerechtfertigt ist, eine Klage als unbegründet abzuweisen, ohne zuvor über ihre Zulässigkeit zu entscheiden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 26. Februar 2002, Rat/Boehringer, C‑23/00 P, EU:C:2002:118, Rn. 51 und 52, und vom 14. September 2016, Trajektna luka Split/Kommission, T‑57/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:470, Rn. 84). Daher ist insbesondere in Anbetracht der Erwägungen, die im vorliegenden Fall zur Bewilligung eines beschleunigten Verfahrens geführt haben, und der Bedeutung, die sowohl für die Klägerin als auch für die Kommission und die Französische Republik einer raschen Entscheidung in der Sache zukommt, zunächst die Begründetheit der Klage zu prüfen, ohne zuvor über ihre Zulässigkeit zu entscheiden.

21      Die Klägerin stützt ihre Klage auf vier Klagegründe. Mit dem ersten Klagegrund wird im Wesentlichen ein Verstoß gegen die Grundsätze der Nichtdiskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit und des freien Dienstleistungsverkehrs geltend gemacht, mit dem zweiten Klagegrund ein offensichtlicher Beurteilungsfehler bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der in Rede stehenden Beihilferegelung im Hinblick auf die durch die Covid‑19-Pandemie verursachten Schäden, mit dem dritten Klagegrund eine Verletzung der Verfahrensrechte aus Art. 108 Abs. 2 AEUV und mit dem vierten Klagegrund eine Verletzung der Begründungspflicht.

 Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen die Grundsätze der Nichtdiskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit und des freien Dienstleistungsverkehrs

22      Der erste Klagegrund besteht im Wesentlichen aus vier Teilen, nämlich dem Verstoß gegen Art. 18 AEUV, dem Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dem Vorliegen eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers und dem Verstoß gegen den Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs durch einen nicht gerechtfertigten Eingriff. Vor ihrer Prüfung ist die Einhaltung der Voraussetzungen des Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV zu überprüfen.

23      Nach Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV sind „[m]it dem Binnenmarkt vereinbar … b) Beihilfen zur Beseitigung von Schäden, die durch Naturkatastrophen oder sonstige außergewöhnliche Ereignisse entstanden sind“. Aus der Rechtsprechung geht insoweit hervor, dass diese Bestimmung Beihilfen betrifft, die rechtlich mit dem Binnenmarkt vereinbar sind, sofern sie bestimmte objektive Kriterien erfüllen. Daraus folgt, dass die Kommission solche Beihilfen für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklären muss, wenn diese Kriterien erfüllt sind, ohne dass ihr insoweit ein Ermessensspielraum zustünde (Urteil vom 25. Juni 2008, Olympiaki Aeroporia Ypiresies/Kommission, T‑268/06, EU:T:2008:222, Rn. 51, vgl. ebenfalls in diesem Sinne Urteil vom 17. September 1980, Philip Morris/Kommission, 730/79, EU:C:1980:209, Rn. 17).

24      Deshalb dürfen nur die unmittelbar durch Naturkatastrophen oder sonstige außergewöhnliche Ereignisse verursachten wirtschaftlichen Nachteile im Sinne dieser Bestimmung ausgeglichen werden. Es muss also ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den durch das außergewöhnliche Ereignis verursachten Schäden und der staatlichen Beihilfe bestehen, und die entstandenen Schäden müssen möglichst genau bewertet werden (vgl. Urteil vom 23. Februar 2006, Atzeni u. a., C‑346/03 und C‑529/03, EU:C:2006:130, Rn. 79 und die dort angeführte Rechtsprechung).

25      Die Kommission muss demzufolge prüfen, ob sich die in Rede stehenden Beihilfemaßnahmen dazu eignen, den durch außergewöhnliche Ereignisse verursachten Schaden zu beseitigen, und sie muss Maßnahmen untersagen, die allgemeiner Natur und unabhängig von Schäden sind, die angeblich durch derartige Ereignisse verursacht wurden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Februar 2018, Larko/Kommission, T‑423/14, EU:T:2018:57, Rn. 38). Der betreffende Mitgliedstaat muss außerdem die Höhe des Ausgleichs auf das beschränken, was erforderlich ist, um den Schaden auszugleichen, der den durch die betreffende Maßnahme Begünstigten entstanden ist.

26      Im vorliegenden Fall lässt sich nicht bestreiten, dass die Covid‑19-Pandemie ein außergewöhnliches Ereignis im Sinne von Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV darstellt. In Rn. 29 des angefochtenen Beschlusses werden die Kriterien der diesbezüglichen Entscheidungspraxis der Kommission dargelegt, und anschließend wird angegeben, inwieweit die Covid‑19-Pandemie diesen Kriterien entspricht. Die Klägerin hat jedoch, ohne hiergegen Einwände zu erheben, in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, die Kommission und die Französische Republik hätten in ihren Schriftsätzen die von diesem Mitgliedstaat verhängten Reise‑ und Ausgangsbeschränkungen als das besagte Ereignis angesehen, nicht aber die Pandemie selbst. In Wirklichkeit werden, wie die Kommission in Rn. 35 der Klagebeantwortung, erläutert in Fn. 18, darlegt, diese Pandemie und die von den französischen Behörden zu ihrer Bewältigung getroffenen Maßnahmen in ihrer Gesamtheit als das fragliche außergewöhnliche Ereignis angesehen, wie dem ausdrücklichen Wortlaut der Rn. 15 und 50 des angefochtenen Beschlusses zu entnehmen ist. Diese Maßnahmen, die außergewöhnlich restriktiv sind, insbesondere was die Reisefreiheit sowohl in Frankreich als auch innerhalb der Europäischen Union betrifft, dienen nämlich allein dem Ziel, die Ausbreitung der Pandemie zu begrenzen. Letztere diktierte die in Rede stehenden Maßnahmen, die wiederum ihrerseits Auswirkungen auf die auf dem französischen Markt tätigen Luftfahrtunternehmen hatten. Der Kausalzusammenhang zwischen dem außergewöhnlichen Ereignis und dem Schaden ist also lückenlos. Ein ähnlicher Ansatz ergibt sich auch aus der Rechtsprechung. So stellte das Gericht in seinem Urteil vom 25. Juni 2008, Olympiaki Aeroporia Ypiresies/Kommission (T‑268/06, EU:T:2008:222, Rn. 49), fest, dass die Kommission zu Recht auf den Charakter der Sperrung des Luftraums der Vereinigten Staaten vom 11. bis 14. September 2001 als außergewöhnliches Ereignis hingewiesen und daraus gefolgert habe, dass nicht nur die Anschläge selbst, sondern auch die Sperrung des Luftraums als außergewöhnliche Ereignisse einzustufen seien.

27      Der nach Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV erforderliche Kausalzusammenhang zwischen der Covid‑19-Pandemie samt den von den französischen Behörden verhängten Reise‑ und Ausgangsbeschränkungen und dem den in Frankreich tätigen Luftfahrtunternehmen entstandenen wirtschaftlichen Schaden ist somit gegeben, da der Luftverkehr, insbesondere der Passagierluftverkehr (vgl. Rn. 35 bis 37 des angefochtenen Beschlusses), im französischen Hoheitsgebiet auf nahezu null zurückgegangen ist.

 Zu den ersten drei Teilen des ersten Klagegrundes, mit denen ein Verstoß gegen Art. 18 AEUV, ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und ein offensichtlicher Beurteilungsfehler geltend gemacht werden

28      Erstens besteht im vorliegenden Fall die in Rede stehende Beihilferegelung in der Gewährung eines Moratoriums für die Zahlung von Luftverkehrsabgaben an Luftfahrtunternehmen, die über eine französische Genehmigung verfügen, was voraussetzt, dass ihr „Hauptgeschäftssitz“ in Frankreich liegt (siehe unten, Rn. 29). Diese Regelung ist zeitlich begrenzt, da sie den Betrag der normalerweise monatlich zu zahlenden Abgaben für den Zeitraum von März bis Dezember 2020 betrifft. Wie oben aus Rn. 2 hervorgeht, bezieht sich der Begriff „französische Genehmigung“ auf eine von den französischen Behörden gemäß Art. 3 der Verordnung Nr. 1008/2008 erteilte Genehmigung.

29      Zweitens wird der Begriff „Hauptgeschäftssitz“ in Art. 2 Nr. 26 der Verordnung Nr. 1008/2008 definiert als die Hauptverwaltung oder der eingetragene Sitz eines Luftfahrtunternehmens der Union in dem Mitgliedstaat, in dem die wichtigsten Finanzfunktionen und die betriebliche Kontrolle über das Luftfahrtunternehmen, einschließlich der Leitungsaufgaben zur Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit, ausgeübt werden. Der Begriff „Hauptgeschäftssitz“ entspricht in der Praxis dem Gesellschaftssitz des betreffenden Luftfahrtunternehmens (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. März 2014, International Jet Management, C‑628/11, EU:C:2014:171, Rn. 66). Es trifft daher zu, dass, wie die Klägerin vorträgt, diese Verordnung für eine bestimmte juristische Person nur die Errichtung eines einzigen Hauptgeschäftssitzes und folglich die Erteilung nur einer Genehmigung durch die Behörden des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet sich dieser Hauptgeschäftssitz befindet, zulässt. Dennoch ist es für ein Luftfahrtunternehmen möglich, mehrere Genehmigungen zu erhalten, indem es verschiedene juristische Personen, z. B. in der Form von Tochtergesellschaften, gründet.

30      Im Anschluss an diese Klarstellungen ist darauf hinzuweisen, dass sich der Rechtsprechung zufolge aus der allgemeinen Systematik des Vertrags ergibt, dass das in Art. 108 AEUV vorgesehene Verfahren niemals zu einem Ergebnis führen darf, das zu den besonderen Bestimmungen des Vertrags im Widerspruch steht. Daher kann eine staatliche Beihilfe, die wegen bestimmter Modalitäten gegen andere Bestimmungen des Vertrags verstößt, von der Kommission nicht für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werden. Ebenso kann eine staatliche Beihilfe, die wegen bestimmter Modalitäten gegen allgemeine Grundsätze des Unionsrechts wie den Grundsatz der Gleichbehandlung verstößt, von der Kommission nicht für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werden (Urteil vom 15. April 2008, Nuova Agricast, C‑390/06, EU:C:2008:224, Rn. 50 und 51).

31      Im vorliegenden Fall ist zunächst festzustellen, dass das Förderkriterium des Besitzes einer französischen Genehmigung eine unterschiedliche Behandlung von Luftfahrtunternehmen mit Hauptgeschäftssitz in Frankreich, die in den Genuss des vom Staat gewährten Moratoriums kommen können, und solchen mit einem derartigen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat, die im Rahmen der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit Flüge in Frankreich, nach Frankreich und von Frankreich durchführen und die darauf keinen Anspruch haben, zur Folge hat.

32      Unterstellt, diese Ungleichbehandlung kann, wie die Klägerin geltend macht, einer Diskriminierung im Sinne von Art. 18 Abs. 1 AEUV gleichgestellt werden, so ist darauf hinzuweisen, dass nach dieser Bestimmung – „unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge“ – in deren Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten ist. Daher ist zu prüfen, ob diese Ungleichbehandlung nach Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV, der die Rechtsgrundlage des angefochtenen Beschlusses bildet, zulässig ist. Diese Prüfung richtet sich zum einen darauf, ob das Ziel der in Rede stehenden Beihilferegelung den Anforderungen der letztgenannten Bestimmung entspricht, und zum anderen darauf, dass die Modalitäten der Beihilfegewährung nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.

33      Was zunächst das Ziel der in Rede stehenden Beihilferegelung angeht, ist zu bedenken, dass diese Regelung im Einklang mit Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV allgemein dazu dient, auf dem Gebiet des Luftverkehrs die Schäden zu beseitigen, die durch das fragliche außergewöhnliche Ereignis entstanden sind. Der spezifische Zweck der in Rede stehenden Beihilferegelung besteht daher nicht darin, die Struktur des Luftverkehrsmarkts in Frankreich als solche aufrechtzuerhalten, wie die Klägerin vorträgt (Rn. 66 der Klageschrift, zu Beginn), sondern, wie die Kommission zu Recht geltend macht, durch die Gewährung eines Moratoriums die Belastungen der Luftfahrtunternehmen, die von den von der Französischen Republik zur Bewältigung der Covid‑19-Pandemie verhängten Reise‑ und Ausgangsbeschränkungen unmittelbar betroffen sind (vgl. insoweit Rn. 2 und 3 [„Ziel der Maßnahme“] des angefochtenen Beschlusses), zu mildern, und zwar unter Nutzung der steuerlichen Hebelwirkung die Zahlung der beiden fraglichen, für den Zeitraum von März bis Dezember 2020 fälligen Luftverkehrsabgaben zu stunden, und zwar zugunsten von Luftfahrtunternehmen, die über eine französische Genehmigung verfügen, also keine nationale Genehmigung, wie die Klägerin glauben machen will, sondern eine von den französischen Behörden gemäß der Verordnung Nr. 1008/2008 erteilte EU‑Betriebsgenehmigung. Da zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses diese Reise‑ und Ausgangsbeschränkungen bereits zu einem Flugverbot für eine große Zahl von Flugzeugen geführt hatten und diese Situation sich in der Folgezeit nur noch verschlimmerte, was zur Schließung von Flughäfen in Frankreich und auf dem Höhepunkt der Phase der Ausgangsbeschränkungen zur Annullierung fast aller geplanten Flüge führte, dient eine Maßnahme wie die in Rede stehende Beihilferegelung offensichtlich tatsächlich dazu, den Schaden zu mindern, der den in dem betreffenden Gebiet tätigen Luftfahrtunternehmen durch die von der Französischen Republik beschlossenen Reise‑ und Ausgangsbeschränkungen entstanden ist.

34      Da das Vorliegen eines außergewöhnlichen Ereignisses im Zusammenhang mit den Schäden, die mit der in Rede stehenden Beihilferegelung behoben werden sollen, feststeht und diese Regelung insbesondere darauf abzielt, die Belastungen der Luftfahrtunternehmen zu verringern, die durch die von der Französischen Republik zur Bewältigung der Covid‑19-Pandemie verhängten Reise‑ und Ausgangsbeschränkungen stark betroffen sind, erfüllt das Ziel der in Rede stehenden Beihilferegelung die in Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV genannten Voraussetzungen.

35      Was sodann die Prüfung angeht, ob die Modalitäten der Beihilfegewährung nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des Ziels der in Rede stehenden Beihilferegelung und zur Erfüllung der Voraussetzungen des Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV erforderlich ist, sind folgende Überlegungen zu berücksichtigen.

36      Erstens ist hinsichtlich der Angemessenheit der in Rede stehenden Beihilferegelung festzustellen, dass die Modalitäten dieser Regelung darin bestehen, dass durch die Gewährung eines Moratoriums von den anspruchsberechtigten Unternehmen, d. h. denjenigen, die eine französische Genehmigung besitzen, vorübergehend keine Abgaben erhoben werden.

37      Zum einen erfolgt die Schadenswiedergutmachung somit nicht dadurch, dass als Verteilungsschlüssel die Staatszugehörigkeit der Geschädigten als solche herangezogen wird; vielmehr erfordert sie eine institutionelle Verbindung mit dem Ort des Eintritts der durch die Reise‑ und Ausgangsbeschränkungen verursachten Schäden, d. h. dem Ort des Hauptgeschäftssitzes, da das Kriterium für die Inanspruchnahme der in Rede stehenden Beihilferegelung die Erteilung einer französischen Genehmigung ist, was voraussetzt, dass sich der Hauptgeschäftssitz des Luftfahrtunternehmens in Frankreich befindet. Zum anderen hat diese Verbindung in Wirklichkeit auch eine zeitliche Dimension, weil es, wie die Klägerin in Rn. 59 der Klageschrift ausführt, nicht einfach ist, eine Genehmigung eines anderen Mitgliedstaats zu erhalten, da eine Fluggesellschaft dann nicht nur den Ort ihres Hauptgeschäftssitzes verlegen, sondern auch einen neuen Antrag auf Erteilung einer Betriebsgenehmigung stellen muss, während die Erbringung von Dienstleistungen von heute auf morgen eingestellt werden kann. Es ist daher normal, dass der betreffende Mitgliedstaat bestrebt ist, eine stabile Präsenz der für die in Rede stehende Beihilferegelung in Betracht kommenden Luftfahrtunternehmen sicherzustellen, damit sie in Frankreich präsent sind, um die gewährte Steuerstundung zu honorieren, so dass der Ausfall von Steuereinnahmen mittelfristig so gering wie möglich ist. Das Kriterium des Besitzes einer französischen Genehmigung gewährleistet dadurch, dass es voraussetzt, dass der Hauptgeschäftssitz der Luftfahrtunternehmen in Frankreich liegt, eine stabile Präsenz der Luftfahrtunternehmen zumindest in administrativer und finanzieller Hinsicht, so dass die Behörden des Mitgliedstaats, der die Beihilfe gewährt, die Art und Weise der Verwendung der Beihilfe durch die Begünstigten überwachen können, was nicht der Fall gewesen wäre, wenn die Französische Republik ein anderes Kriterium angewandt hätte, das im französischen Hoheitsgebiet aufgrund einer von einem anderen Mitgliedstaat erteilten Genehmigung als bloße Dienstleistende tätigen Luftfahrtunternehmen wie der Klägerin eine Anspruchsberechtigung eröffnet hätte, da die Erbringung von Dienstleistungen der Natur der Sache nach sehr kurzfristig, wenn nicht sogar sofort, eingestellt werden kann.

38      Zweitens spiegeln die Modalitäten der Beihilfegewährung, die steuerlicher Natur sind, die Möglichkeit und die Verpflichtung der französischen Behörden wider, eine Finanzkontrolle der Begünstigten durchzuführen. Eine solche Möglichkeit und eine solche Verpflichtung bestehen jedoch nur in Bezug auf Luftfahrtunternehmen, die eine französische Genehmigung besitzen, da die französischen Behörden allein dafür zuständig sind, die Finanzlage dieser Unternehmen zu überwachen, und zwar gemäß den Verpflichtungen, die sich insbesondere aus Art. 5 und aus Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1008/2008 ergeben, wie in Rn. 46 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt wird. In dieser Randnummer heißt es nämlich, dass die in Rede stehende Beihilferegelung „auch vorsieht, dass die geschäftlichen Verluste pro anspruchsberechtigtem Unternehmen im Nachhinein durch die Generaldirektion für die Zivilluftfahrt auf der Grundlage der testierten und geprüften Betriebsabschlüsse für das Jahr 2020, die von jedem der Luftfahrtunternehmen vorgelegt werden, das die Beihilfe in Anspruch nimmt, bewertet und beziffert werden“ und dass „die Gewährung der Beihilfen von der Vorlage der für die Schadensberechnung erforderlichen Belege durch die öffentlichen Luftfahrtunternehmen abhängig gemacht wird“. Dagegen sind die französischen Behörden nach dieser Verordnung nicht befugt, die Finanzlage von Luftfahrtunternehmen zu überwachen, die keine französische Genehmigung besitzen.

39      Drittens hat der Gerichtshof zwar festgestellt, dass der Begriff des Hauptgeschäftssitzes in der Praxis dem des eingetragenen Sitzes entspreche (siehe oben, Rn. 29) und dass ein Wechsel des eingetragenen Sitzes relativ schnell erfolgen könne, doch darf nicht aus den Augen verloren werden, dass Art. 2 Nr. 26 der Verordnung Nr. 1008/2008 weitere Klarstellungen enthält, wonach u. a. die Leitungsaufgaben zur Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit vom Hauptgeschäftssitz aus ausgeübt werden, im vorliegenden Fall also in Frankreich. Diese Überlegung wird durch Art. 5 („Finanzielle Bedingungen für die Erteilung einer Betriebsgenehmigung“), Art. 7 („Führungszeugnis“) oder Art. 8 („Gültigkeit von Betriebsgenehmigungen“) der Verordnung Nr. 1008/2008 gestützt. Diese Bestimmungen begründen gegenseitige normative Verpflichtungen zwischen den Fluggesellschaften, die eine französische Genehmigung besitzen, und den französischen Behörden und damit eine spezifische und stabile Verbindung zwischen ihnen, die die in Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV festgelegten Voraussetzungen, wonach die Beihilfe den durch außergewöhnliche Ereignisse verursachten Schaden beseitigen muss, in angemessener Weise erfüllt. Im Übrigen lässt sich der Wegfall dieser Verbindung zu dem betreffenden Mitgliedstaat, der durch die Verlegung des Hauptgeschäftssitzes in einen anderen Mitgliedstaat eintreten würde, nicht auf eine bloße Sitzverlegung reduzieren, da das Luftfahrtunternehmen, wie die Klägerin in Rn. 59 der Klageschrift selbst ausführt, darüber hinaus alle Verwaltungsformalitäten in dem letztgenannten Staat erledigen muss, um eine neue Betriebsgenehmigung zu erhalten, und alle hierfür erforderlichen Voraussetzungen erfüllen muss, wovon die Anerkennung des Ortes seines neuen Hauptgeschäftssitzes nur ein Element ist.

40      Folglich steht fest, dass die Französische Republik mit der Aufstellung dieses Kriteriums im Wesentlichen eine dauerhafte Verbindung zwischen ihr und den Luftfahrtunternehmen, die das Moratorium in Anspruch nehmen, sicherstellen wollte, die darin zum Ausdruck kommt, dass eine wichtige rechtliche Einheit, nämlich der Hauptgeschäftssitz dieser Luftfahrtunternehmen, in ihrem Hoheitsgebiet liegt, die insoweit bei Unternehmen, die aufgrund einer von einem anderen Mitgliedstaat als Frankreich selbst erteilten Genehmigung tätig sind, nicht bestünde, da diese nicht der Finanzaufsicht und der Aufsicht über die Zuverlässigkeit durch die französischen Behörden im Sinne der Verordnung Nr. 1008/2008 unterliegen und es in deren Fall an dieser stabilen und spezifischen gegenseitigen Verbindung zwischen Frankreich und den Gesellschaften, die eine von ihm erteilte Betriebsgenehmigung besitzen, mangelt.

41      Somit ist die in Rede stehende Beihilferegelung dadurch, dass sie die Gewährung der Beihilfe wegen ihrer stabilen und gegenseitigen Beziehungen zur französischen Wirtschaft allein auf Luftfahrtunternehmen beschränkt, die eine französische Genehmigung besitzen, geeignet, das Ziel der Beseitigung von Schäden, die durch ein außergewöhnliches Ereignis entstanden sind, im Sinne von Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV zu erreichen.

42      Nach alledem macht die Klägerin zu Unrecht geltend, die Kommission habe angesichts dessen, dass sich ihr Hauptgeschäftssitz in Irland befinde, dass sie am Markt für den Passagierverkehr von und nach Frankreich einen bedeutenden Anteil in Höhe von etwa 7 % habe, dort das drittgrößte Luftfahrtunternehmen sei und seit 1997 Teil der Struktur des französischen Luftverkehrsmarkts sei (Rn. 66 der Klageschrift), einen Beurteilungsfehler begangen, indem sie Luftfahrtunternehmen wie die Klägerin ausgeschlossen habe, da der betreffende Mitgliedstaat bei Gesellschaften, die mit einer von einem anderen Mitgliedstaat erteilten Genehmigung tätig seien, nicht über die Mittel zur Durchführung der in Rn. 46 des angefochtenen Beschlusses genannten Kontrollen verfüge. Außerdem bezieht sich dieser Marktanteil nur auf die Beförderung von Fluggästen, nicht aber auf die Beförderung von Fracht, und betrifft der Natur der Sache nach einen vor dem außergewöhnlichen Ereignis liegenden Zeitraum, während es nach der oben in Rn. 24 angeführten Rechtsprechung darum geht, den entstandenen Schaden so genau wie möglich zu ermitteln.

43      Was viertens die Verhältnismäßigkeit der in Rede stehenden Beihilferegelung angeht, ist zu bedenken, dass der betreffende Mitgliedstaat durch die Verwendung des Kriteriums der französischen Genehmigung unter Berücksichtigung dessen, dass die Mitgliedstaaten, wie die Kommission zu Recht hervorhebt, nicht über unbegrenzte Mittel verfügen, den Nutzen dieser Beihilferegelung denjenigen Luftfahrtunternehmen vorbehalten hat, die am stärksten von den Reise‑ und Ausgangsbeschränkungen betroffen sind, die dieser Staat verhängt hat und die sich der Natur der Sache nach auf sein Hoheitsgebiet auswirken. Wie die Kommission in der Klagebeantwortung angibt, führte Air France im Jahr 2019 98,83 % ihrer Flüge in Frankreich, von Frankreich und nach Frankreich durch, Transavia.com 97,05 %, und für Hop!, Aigle Azur, Air Corsica, Corsair, XL Airways France usw. beträgt dieser Prozentsatz 100 %. Demgegenüber hatten Flüge in, nach und von Frankreich einen viel geringeren Anteil an den Aktivitäten der anderen Unternehmen, nämlich z. B. 22,99 % bei easyJet, 8,3 % bei der Klägerin, 18,93 % bei Vueling airlines usw.

44      Diese Angaben belegen, dass die in Betracht kommenden Luftfahrtunternehmen im Verhältnis sehr viel stärker betroffen sind als die Klägerin, die nach den zuletzt vorgelegten Zahlen nur 8,3 % ihrer Tätigkeit in Frankreich, nach Frankreich und von Frankreich ausübte, gegenüber 100 % bei einigen der in Betracht kommenden Unternehmen.

45      Fünftens beruft sich die Klägerin auf die Möglichkeit einer alternativen Beihilferegelung auf der Grundlage der jeweiligen Marktanteile der Luftfahrtunternehmen. In der mündlichen Verhandlung hat sie auch andere mögliche Kriterien genannt, wie z. B. die Zahl der beförderten Fluggäste oder die Routen.

46      Nach der Rechtsprechung ist die Kommission jedoch nicht verpflichtet, eine abstrakte Betrachtung aller in Betracht kommenden alternativen Maßnahmen vorzunehmen, da der betreffende Mitgliedstaat zwar die Gründe, die zum Erlass der in Rede stehenden Beihilferegelung geführt haben, insbesondere in Bezug auf die festgelegten Förderkriterien im Einzelnen darlegen muss, aber nicht darüber hinaus noch positiv belegen muss, dass keine andere vorstellbare, der Natur der Sache nach hypothetische Maßnahme es erlaubte, das angestrebte Ziel besser zu erreichen. Wenn der besagte Mitgliedstaat keiner solchen Verpflichtung unterliegt, kann die Klägerin nicht verlangen, dass das Gericht die Kommission auffordert, bei dieser normativen Sondierung zur Prüfung denkbarer alternativer Regelungen an die Stelle der nationalen Behörden zu treten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Mai 2019, Scor/Kommission, T‑135/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:287, Rn. 94 und die dort angeführte Rechtsprechung).

47      In jedem Fall ist darauf hinzuweisen, dass aus den oben in den Rn. 37 bis 41 angeführten Gründen die Erstreckung der in Rede stehenden Beihilferegelung auf nicht in Frankreich niedergelassene Unternehmen die Erreichung des Ziels dieser Regelung nicht so präzise und ohne Gefahr einer Überkompensation ermöglicht hätte, da, wie oben in Rn. 42 ausgeführt, das Erfordernis, den Luftverkehr betreffend Frankreich in seiner Gesamtheit, seiner Vielfalt und seiner Dauer zu berücksichtigen, durch die Annahme der von der Klägerin vorgeschlagenen Kriterien nicht ebenso gut gewährleistet worden wäre, so dass die Kommission sie zu Recht nicht gebilligt hat.

48      Folglich hat der betreffende Mitgliedstaat, indem er die in Rede stehende Beihilferegelung auf einen der am stärksten von den Folgen der Reise‑ und Ausgangsbeschränkungen betroffenen Wirtschaftszweige, nämlich den Luftfahrtsektor, konzentrierte und innerhalb dieses Sektors auf Luftfahrtunternehmen mit französischer Genehmigung abstellte, dem oben in Rn. 32 genannten Gebot der Rechtsprechung entsprochen, und die Kommission musste diese Abgrenzung nicht beanstanden, vorausgesetzt, die Wahl dieses Förderkriteriums ermöglicht es, die Verhältnismäßigkeit der in Rede stehenden Beihilferegelung zu gewährleisten.

49      Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Kommission somit eine Beihilferegelung genehmigt, die tatsächlich zur Beseitigung der durch das außergewöhnliche Ereignis, wie es das Auftreten der Covid‑19-Pandemie und die von der Französischen Republik als Reaktion darauf verhängten Reise‑ und Ausgangsbeschränkungen darstellen, entstandenen Schäden dient und deren Modalitäten nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des Ziels dieser Regelung erforderlich ist. In Anbetracht der oben in Rn. 32 angeführten Grundsätze ist daher festzustellen, dass die Folgen der besagten Regelung, die darin bestehen, dass die französischen Behörden ihren Anwendungsbereich auf Luftfahrtunternehmen beschränkt haben, die eine französische Genehmigung besitzen, nicht gegen Art. 18 Abs. 1 AEUV verstoßen, nur weil sie Luftfahrtunternehmen begünstigt, die ihren Hauptgeschäftssitz im französischen Hoheitsgebiet haben.

50      Aus alledem ergibt sich, dass das Ziel der in Rede stehenden Beihilferegelung die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung des Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV erfüllt und dass die Modalitäten der Beihilfegewährung nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.

51      Folglich sind die ersten drei Teile des ersten Klagegrundes zurückzuweisen, ohne dass über die von der Kommission bestrittene Zulässigkeit der Anlagen A.3.1 und A.3.2 zur Klageschrift, die von den Sachverständigen der Klägerin erstellte Berichte enthalten, entschieden zu werden braucht.

 Zum vierten Teil des ersten Klagegrundes: Verstoß gegen den Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs durch einen nicht gerechtfertigten Eingriff

52      Die Klägerin weist zum einen darauf hin, dass eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs zulässig sei, wenn sie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt, nicht diskriminierend, erforderlich und im Hinblick auf das verfolgte Ziel des Allgemeininteresses verhältnismäßig sei, und zum anderen darauf, dass diese Voraussetzungen kumulativ seien und eine Beschränkung nicht mehr gerechtfertigt sei, wenn nur eine von ihnen nicht erfüllt sei. Das sei hier indessen der Fall. Zunächst einmal sei die in Rede stehende Beihilferegelung nämlich diskriminierend, da sie Luftfahrtunternehmen je nach dem Mitgliedstaat, der ihre EU‑Betriebsgenehmigung erteilt habe, unterschiedlich behandele, obwohl alle in Frankreich tätigen Luftfahrtunternehmen der Union durch die Covid‑19-Pandemie verursachte Schäden erlitten hätten, die durch die in Rede stehende Beihilferegelung beseitigt werden sollten, und Teil der Struktur des Luftfahrtsektors seien, die durch diese Regelung erhalten werden solle. Sodann sei diese Beihilferegelung nicht verhältnismäßig, da sie über das hinausgehe, was erforderlich sei, um ihr Ziel – die Beseitigung der durch die Covid‑19-Pandemie entstandenen Schäden und die Erhaltung der Struktur des Luftfahrtsektors – zu erreichen, da dies erreicht werden könnte, ohne den freien Dienstleistungsverkehr zu beeinträchtigen, wenn sie allen in Frankreich tätigen Luftfahrtunternehmen unabhängig von dem Mitgliedstaat, der ihre EU‑Betriebsgenehmigung erteilt habe, zugutekäme, indem einfach ihr globaler Beitrag zu den unter die in Rede stehende Beihilferegelung fallenden Abgaben berücksichtigt würde.

53      Schließlich mache es das im Allgemeininteresse liegende Ziel, den Luftfahrtsektor für die durch die Covid‑19-Pandemie verursachten Verluste zu entschädigen, um dessen Struktur zu erhalten, nicht erforderlich, nur Luftfahrtunternehmen, die eine französische Genehmigung besäßen, zu unterstützen, da Luftfahrtunternehmen, die in Frankreich mit einer von einem anderen Mitgliedstaat erteilten Genehmigung tätig seien, für die Erhaltung der Struktur des Luftfahrtsektors in Frankreich und in der gesamten Union ebenso wichtig seien. Dagegen fragmentiere eine Beihilfe für nationale Luftfahrtunternehmen den Binnenmarkt und schalte Konkurrenten aus anderen Mitgliedstaaten aus, schwäche den Wettbewerb, verschlimmere die durch die Covid‑19-Pandemie verursachten Schäden, untergrabe letztendlich die Struktur des Luftfahrtsektors, die durch die in Rede stehende Beihilferegelung erhalten werden solle, und schränke die Rechte der Luftfahrtunternehmen der Union zur freien Erbringung von Luftverkehrsdiensten innerhalb des Binnenmarkts, unabhängig von dem Mitgliedstaat, der ihnen die Genehmigung erteilt habe, ein.

54      Zunächst ist, soweit die Klägerin ihr Vorbringen auf das Vorliegen einer Diskriminierung durch die in Rede stehende Beihilferegelung und deren fehlende Verhältnismäßigkeit stützt, auf die Prüfung der ersten drei Teile des ersten Klagegrundes zu verweisen.

55      Zu Art. 56 AEUV ist festzustellen, dass für den freien Dienstleistungsverkehr auf dem Gebiet des Verkehrs nach Art. 58 Abs. 1 AEUV die Bestimmungen des Titels über den Verkehr, d. h. des Titels VI des AEU-Vertrags, gelten. Der freie Dienstleistungsverkehr im Bereich des Verkehrs unterliegt somit im Rahmen des Primärrechts einer besonderen rechtlichen Regelung (Urteil vom 18. März 2014, International Jet Management, C‑628/11, EU:C:2014:171, Rn. 36). Folglich gilt Art. 56 AEUV nicht als solcher für den Bereich der Luftfahrt (Urteil vom 25. Januar 2011, Neukirchinger, C‑382/08, EU:C:2011:27, Rn. 22).

56      Maßnahmen zur Liberalisierung des Luftverkehrs können daher nur auf der Grundlage von Art. 100 Abs. 2 AEUV erlassen werden (Urteil vom 18. März 2014, International Jet Management, C‑628/11, EU:C:2014:171, Rn. 38). Der Unionsgesetzgeber hat auf der Grundlage dieser Bestimmung die Verordnung Nr. 1008/2008 erlassen, die gerade darauf gerichtet ist, auf dem Gebiet des Luftverkehrs die Bedingungen für die Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs festzulegen (vgl. entsprechend Urteil vom 6. Februar 2003, Stylianakis, C‑92/01, EU:C:2003:72, Rn. 23 und 24). Allerdings ist festzustellen, dass die Klägerin keinen Verstoß gegen diese Verordnung rügt.

57      Jedenfalls trifft es zwar zu, dass die Klägerin aufgrund der Definition des Anwendungsbereichs der in Rede stehenden Beihilferegelung vom Zugang zu dem von der Französischen Republik gewährten Moratorium für die Erhebung der fraglichen Abgaben ausgeschlossen ist, doch hat sie nicht dargetan, inwiefern dieser Ausschluss geeignet ist, sie von der Erbringung von Dienstleistungen von und nach Frankreich abzuhalten. Insbesondere hat die Klägerin nicht die tatsächlichen oder rechtlichen Umstände angegeben, die dazu führen würden, dass die in Rede stehende Beihilferegelung wettbewerbsbeschränkende Wirkungen entfaltet, die über diejenigen hinausgehen, die das Verbot des Art. 107 Abs. 1 AEUV auslösen, die aber, wie im Zusammenhang mit den ersten drei Teilen des ersten Klagegrundes ausgeführt, gleichwohl erforderlich und verhältnismäßig sind, um die durch das außergewöhnliche Ereignis, welches die Pandemie darstellt, entstandenen Schäden im Einklang mit den Anforderungen des Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV zu beseitigen.

58      Nach alledem kann kein Teil des ersten Klagegrundes durchgreifen, so dass dieser Klagegrund zurückzuweisen ist.

 Zum zweiten Klagegrund: offensichtlicher Beurteilungsfehler der Kommission bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Beihilfe im Hinblick auf die durch die Covid19-Krise verursachten Schäden

59      Mit ihrem zweiten Klagegrund macht die Klägerin geltend, die Kommission habe den Wert des den Beihilfeempfängern gewährten Vorteils nicht angemessen beurteilt und daher einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen.

60      Insoweit verweist die Klägerin insbesondere darauf, dass die Kommission in dem angefochtenen Beschluss die Verhältnismäßigkeit des Beihilfevolumens im Hinblick auf die durch die Covid‑19-Krise verursachten Schäden beurteilt habe und zu dem Ergebnis gekommen sei, dass das Beihilfevolumen 29,9 Mio. Euro betrage. Dieser Betrag sei so berechnet worden, dass er den Zinsbetrag widerspiegele, den die Beihilfeempfänger hätten zahlen müssen, um einen Barbetrag in Höhe des Abgabenbetrags zu erhalten, der durch die Beihilfe gestundet werde. Eine solche Argumentation sei jedoch in zweierlei Hinsicht offenkundig fehlerhaft.

61      Erstens nämlich gehe aus Rn. 47 des angefochtenen Beschlusses hervor, dass die Kommission bei der Berechnung des Beihilfevolumens von der Anwendung eines um 1 000 Basispunkte angehobenen Euribor (Euro interbank offered rate) Referenzsatzes ausgehe, der ihrer Mitteilung über die Änderung der Methode zur Festsetzung der Referenz- und Abzinsungssätze (ABl. 2008, C 14, S. 6) zufolge dem Fall eines Marktzinses für einen Kredit an einen Kreditnehmer der Ratingkategorie „Schlecht/Finanzielle Schwierigkeiten (CCC und darunter)“ mit geringer Besicherung entspreche. Diese Berechnung beruhe jedoch zum einen auf der unbewiesenen Annahme, dass es auf dem Markt noch Kreditgeber gebe, die unter den gegenwärtigen Umständen bereit seien, beihilfeberechtigten Luftfahrtunternehmen Liquidität zu solchen Sätzen zur Verfügung zu stellen, und zum anderen erläutere die Kommission nicht, wieso diese Annahme fundiert sei. Ebenso plausibel sei darüber hinaus die Annahme, dass kein Kreditgeber auf dem Markt den Begünstigten der in Rede stehenden Beihilferegelung Liquidität zur Verfügung gestellt hätte, was nach der gängigen Entscheidungspraxis der Kommission bedeuten würde, dass der für die Zwecke des Ausgleichs zu berücksichtigende Beihilfebetrag so hoch wäre wie der Nominalbetrag der bereitgestellten Liquidität. Auf dieser Grundlage wäre der tatsächlich zu berücksichtigende Ausgleichsbetrag viel höher und beliefe sich auf 200,1 Mio. Euro.

62      Zweitens berücksichtige die von der Kommission vorgenommene Berechnung des Ausgleichs den Liquiditätsvorteil, lasse aber einen anderen Vorteil, der den Begünstigten der in Rede stehenden Beihilferegelung gewährt werde, außer Acht, nämlich den Wettbewerbsvorteil, der sich aus deren diskriminierenden Charakter ergebe, da die in Rede stehende Beihilferegelung Luftfahrtunternehmen vorbehalten sei, die über eine von der Französischen Republik erteilte Betriebsgenehmigung der Union verfügten. Diese Regelung verschaffe Letzteren genau zu dem Zeitpunkt einen Liquiditätsschub, zu dem der Verkehr wieder anziehe, d. h. zum erwarteten Ende der Krise infolge der Covid‑19-Pandemie, zum Nachteil ihrer Wettbewerber, die die gleichen Abgaben weiterzuzahlen hätten. Somit habe dieser Wettbewerbsvorteil auch einen Wert und führe dazu, dass die Beihilfeempfänger größere Marktanteile erlangten als ihnen sonst möglich wäre.

63      Die Prüfung der Angemessenheit des Ausgleichs der Schäden durch die Kommission sei daher fehlerhaft, da eines der Elemente des Vergleichs zwischen den Schäden und deren Ausgleich zu niedrig bewertet sei. Außerdem seien die in dem angefochtenen Beschluss aufgestellten Rückzahlungsbedingungen nicht geeignet, diesen Mangel zu beheben, da sie sich nicht auf den Wert des den Beihilfeempfängern gewährten Wettbewerbsvorteils bezögen.

64      Die Kommission, unterstützt von der Französischen Republik, weist dieses Vorbringen zurück.

65      Zunächst ist auf die bereits im Zusammenhang mit dem ersten Klagegrund angestellten Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit der in Rede stehenden Beihilferegelung zu verweisen (vgl. oben, Rn. 35 bis 49).

66      Sodann ist zum ersten Teil des zweiten Klagegrundes, betreffend einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und einen offensichtlichen Beurteilungsfehler insofern, als die Kommission bei der Ermittlung des Volumens der in Rede stehenden Beihilferegelung nur den Nominalbetrag berücksichtigt habe, der sich aus der mit dem Moratorium verbundenen Stundung von Abgaben ergebe, was dazu führe, dass das Volumen der in Rede stehenden Beihilferegelung den durch das außergewöhnliche Ereignis entstandenen Schaden überkompensiere, Folgendes festzustellen.

67      Erstens unterlässt es die Klägerin, darauf hinzuweisen, dass der sich aus dem Moratorium ergebende Aufschub der Abgabenlast nur die Luftverkehrsabgaben und nicht alle von den in Betracht kommenden Luftfahrtunternehmen zu zahlenden Abgaben betrifft. Da jedoch Abgaben wie die Körperschaftsteuer im Jahr 2020 für die Ergebnisse des Geschäftsjahrs 2019 entrichtet werden, müssten die für die in Rede stehende Beihilferegelung in Betracht kommenden Unternehmen, die in Frankreich abgabenpflichtig sind, weil sie dort ihren Hauptgeschäftssitz haben, weiterhin bestimmte Abgaben entrichten, die nicht auf der Klägerin lasten, da diese als Dienstleistende aus einem anderen Mitgliedstaat oder im Rahmen der Niederlassungsfreiheit tätig ist.

68      Zweitens ist, wie die Kommission in dem angefochtenen Beschluss geltend macht, die Höhe des Schadens, den die Begünstigten der in Rede stehenden Beihilferegelung infolge des außergewöhnlichen Ereignisses erlitten haben, aller Wahrscheinlichkeit nach nominal höher als der nominale Gesamtbetrag der in Rede stehenden Beihilferegelung (etwa 680 Mio. Euro gegenüber 200,1 Mio. Euro), so dass das Risiko einer etwaigen Überkompensation eindeutig auszuschließen ist.

69      Drittens verweist die Klägerin zwar zu Recht auf die etwaige Zurückhaltung oder jedenfalls große Vorsicht der Bankinstitute im Zusammenhang mit der Pandemie, doch hat ihre Unterstellung, Letztere vergäben überhaupt keine Darlehen, keine Grundlage. Abgesehen davon, dass, wie die Kommission zutreffend ausführt, die Beweislast bei der Klägerin liegt, die also beweisen muss, dass die von der Kommission vorgenommene Beurteilung nicht plausibel ist, ist die Behauptung, die in Betracht kommenden Luftfahrtunternehmen erhielten keine Darlehen, rein hypothetisch. Diese Behauptung mag zwar in Bezug auf das eine oder andere Luftfahrtunternehmen, dem die in Rede stehende Beihilferegelung zugutekommt, zutreffen, ist aber nicht generell gültig und kann jedenfalls nicht ohne den Hauch eines Beweises akzeptiert werden. Es ist wahrscheinlicher, dass die Banken geneigt sein werden, Letztere zu unterstützen, gleichzeitig aber die Darlehen zu für sie selbst attraktiven Zinssätzen gewähren. Unter diesen Umständen erscheint die von der Kommission vertretene Hypothese von Darlehen mit einem um die höchste Marge gemäß der Mitteilung über die Änderung der Methode zur Festsetzung der Referenz- und Abzinsungssätze (1 000 Basispunkte), entsprechend der Situation, in der der Kreditnehmer ein schlechtes Rating und geringe Sicherheiten hat, angehobenen Zinssatz als umsichtig und angemessen. Die Kommission hat daher keinen Beurteilungsfehler begangen.

70      Jedenfalls kann dem Vorbringen, die Höhe der den Luftfahrtunternehmen mit Hauptgeschäftssitz in Frankreich durch das außergewöhnliche Ereignis, das die Covid‑19-Pandemie darstelle, entstandenen Schäden könne durch die Gewährung eines Moratoriums für die Luftverkehrsabgaben überschätzt werden – unabhängig davon, ob das Volumen der in Rede stehenden Beihilferegelung auf der Grundlage der Berechnung der angehobenen Zinsen auf den Betrag dieser Gebühren entsprechend der Dauer des Zahlungsaufschubs, d. h. 29,9 Mio. Euro, oder ob der volle Nennwert, d. h. 200,1 Mio. Euro, zugrunde gelegt werde – schon aus den oben in Rn. 68 genannten Gründen nicht gefolgt werden. Im Übrigen zielen die angeordneten, in Rn. 46 des angefochtenen Beschlusses angeführten Kontrollmaßnahmen gerade darauf ab, der Gefahr einer Überkompensation vorzubeugen, und wären bei in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Dienstleistenden wie der Klägerin nicht möglich gewesen.

71      Darüber hinaus ist anzumerken, dass die Kommission, als sie die in Rede stehende Beihilferegelung für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärte, die Zusage der Französischen Republik berücksichtigte, ihr ein Verfahren zu übermitteln, was eine zusätzliche Garantie zur Vermeidung jeglicher Gefahr einer Überkompensation darstellt.

72      Der erste Teil des zweiten Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.

73      Zum zweiten Teil des zweiten Klagegrundes genügt im Einklang mit der Kommission die Feststellung, dass ihm nicht stattgegeben werden kann, da er im Widerspruch zur unionsrichterlichen Rechtsprechung betreffend die Ermittlung des Beihilfebetrags steht, und zwar sowohl unter dem Gesichtspunkt der Bewertung des Vorteils als auch unter dem der Rückforderung einer rechts‑ und binnenmarktwidrigen Beihilfe. Vorteile „zweiter Ebene“ können, da sie in Wirklichkeit zu hypothetisch und zu komplex sind, um mit Sicherheit ermittelt werden zu können, nicht berücksichtigt werden, was die Klägerin angesichts des Wortlauts des Urteils vom 21. Dezember 2016, Kommission/Aer Lingus und Ryanair Designated Activity (C‑164/15 P und C‑165/15 P, EU:C:2016:990, Rn. 90 bis 92), nicht verkennen konnte.

74      Nach alledem ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum vierten Klagegrund: Verletzung der Begründungspflicht

75      Mit dem vierten Klagegrund macht die Klägerin geltend, die Kommission unterliege nach Art. 296 Abs. 2 AEUV einer Begründungspflicht, und eine Verletzung dieser Pflicht rechtfertige die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses. Außerdem müsse die Kommission nach dieser Vorschrift „klar und eindeutig“ die Gründe für den Erlass der in Rede stehenden Maßnahme offenlegen, damit sowohl die betroffenen Parteien als auch der zuständige Unionsrichter die Gründe nachvollziehen könnten, aus denen die angefochtene Maßnahme erlassen worden sei. Diese Begründungspflicht sei im vorliegenden Fall von umso größerer Bedeutung, als der angefochtene Beschluss erlassen worden sei, ohne dass ein förmliches Prüfverfahren eingeleitet worden sei, das den Betroffenen Gelegenheit gegeben hätte, ihre Argumente vorzubringen.

76      Die Kommission habe zum einen ihre Begründungspflicht verletzt, weil sie erstens nicht geprüft habe, ob die Beihilfe nicht diskriminierend sei und dem Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs entspreche, weil sie zweitens keine auch nur summarische Beurteilung des Wertes des den beihilfeberechtigten Luftfahrtunternehmen gewährten Wettbewerbsvorteils vorgenommen habe und weil sie drittens ihre Berechnung des Beihilfebetrags nicht begründet habe.

77      Zum anderen sei die Kommission auch nicht ihrer Pflicht nachgekommen, eine angemessene Begründung zu geben. In dem angefochtenen Beschluss werde nämlich eingeräumt, dass die Abgaben, für die die Beihilfe ein Moratorium gewähre, auch von Luftfahrtunternehmen zu entrichten seien, deren EU‑Betriebsgenehmigung von einem anderen Mitgliedstaat erteilt worden sei, wobei dies dem Beschluss zufolge jedoch keinen Einfluss auf ihren nicht diskriminierenden Charakter habe, da die Maßnahme eindeutig dazu bestimmt sei, Schäden auszugleichen, die Luftfahrtunternehmen mit einer von der Französischen Republik erteilten Betriebsgenehmigung entstanden seien. Dies sei jedoch widersprüchlich, da es auf die Behauptung hinauslaufe, dass die Beihilfe nicht diskriminierend sei, weil ihr Hauptziel darin bestehe zu diskriminieren. Im Übrigen sei der in Fn. 23 des angefochtenen Beschlusses enthaltene Verweis auf den Präzedenzfall, der sich aus ihrem Beschluss vom 12. März 2002 (Sache N 854/2001 – Vereinigtes Königreich – Beihilfe an Luftfahrtunternehmen wegen Schließung des Luftraums) ergebe, lediglich ein erfolgloser Versuch, den Anschein einer Rechtsgrundlage für eine von vornherein grundsätzlich fehlerhafte Argumentation zu finden. Die Argumentation der Kommission sei somit entweder nicht vorhanden, tautologisch oder widersprüchlich. Der Widerspruch zwischen den angegebenen Zielen, nämlich Beseitigung der durch die Covid‑19-Pandemie entstandenen Schäden und Erhaltung der Struktur des Luftfahrtsektors für Luftfahrtunternehmen mit in Frankreich erteilter EU‑Betriebsgenehmigung, und den unverhältnismäßigen und kontraproduktiven Mitteln zur Erreichung dieser Ziele, nämlich der Gewährung diskriminierender Beihilfen, erlaube es weder den Betroffenen noch dem Gericht, zu verstehen, welches Ziel mit der in Rede stehenden Beihilfemaßnahme verfolgt werde, mit Ausnahme des Ziels, Luftfahrtunternehmen, die über eine von anderen Mitgliedstaaten als der Französischen Republik erteilte EU‑Betriebsgenehmigung verfügten, von der Beihilferegelung auszuschließen.

78      Die Kommission weist dieses Vorbringen zurück. Die Französische Republik verweist insoweit auf die Klagebeantwortung.

79      Erstens muss die durch Art. 296 Abs. 2 AEUV vorgeschriebene Begründung eines Rechtsakts der Union zwar die Überlegungen des Urhebers dieses Rechtsakts so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die getroffene Maßnahme entnehmen können und der Gerichtshof seine Kontrolle ausüben kann, doch muss sie nicht sämtliche rechtlich oder tatsächlich erheblichen Gesichtspunkte enthalten. Die Beachtung der Begründungspflicht ist im Übrigen nicht nur anhand des Wortlauts des Rechtsakts zu beurteilen, sondern auch anhand seines Kontexts und sämtlicher Rechtsvorschriften, die das betreffende Gebiet regeln (vgl. Urteil vom 7. Februar 2018, American Express, C‑304/16, EU:C:2018:66, Rn. 75 und die dort angeführte Rechtsprechung). Der Kontext besteht im vorliegenden Fall aus der Pandemie und der äußersten Dringlichkeit, mit der die Kommission die ihr von den Mitgliedstaaten mitgeteilten Maßnahmen prüfte und die Beschlüsse betreffend diese Maßnahmen, einschließlich des angefochtenen Beschlusses, erließ. Insoweit ergibt sich aus den obigen Rn. 1 und 3, dass zwischen der Anmeldung der in Rede stehenden Beihilferegelung und dem Erlass des angefochtenen Beschlusses nur sieben Tage verstrichen sind.

80      Ungeachtet dieser außergewöhnlichen Umstände ist allerdings festzustellen, dass im vorliegenden Fall der angefochtene Beschluss 53 Randnummern umfasst und es grundsätzlich ermöglicht, die tatsächlichen und rechtlichen Gründe zu verstehen, aus denen die Kommission beschloss, keine Einwände gegen die fragliche Beihilferegelung zu erheben.

81      Zweitens sind die Zahlen, die der Festlegung des Ziels der in Rede stehenden Beihilferegelung und der Art und Weise der Erreichung dieses Ziels (Moratorium betreffend die Luftverkehrsabgaben für Luftfahrtunternehmen, die eine französische Genehmigung besitzen) zugrunde lagen, genau angegeben. Insbesondere ist in Anbetracht des Wortlauts von Rn. 3 des angefochtenen Beschlusses festzustellen, dass sich die Klägerin über das Ziel der in Rede stehenden Beihilferegelung nicht getäuscht haben kann. Was die Behauptung betrifft, es sei unmöglich gewesen, das Volumen dieser Regelung zu ermitteln, so hat diese aus den von der Kommission angegebenen Gründen, denen zufolge Rn. 47 und Fn. 22 des angefochtenen Beschlusses in Verbindung mit dessen Rn. 7 und 8 eindeutige Gründe liefern, die zu dem Betrag von 29,9 Mio. Euro führen, keine sachliche Grundlage.

82      Was drittens die Begründung betreffend die Vorteile „zweiter Ebene“ angeht, so bestand für die Kommission insoweit keinerlei Verpflichtung, da diese Vorteile nicht unter dem Gesichtspunkt der Ermittlung des Beihilfebetrags geprüft werden müssen.

83      Viertens ist, da der angefochtene Beschluss auf der Grundlage von Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV erlassen wurde, seine Begründung im Hinblick auf die Einhaltung der in dieser Bestimmung aufgestellten Voraussetzungen zu prüfen. Die Begründung des angefochtenen Beschlusses zeigt, dass die von der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen sowohl hinsichtlich der Einstufung des Ereignisses als „außergewöhnlich“ als auch hinsichtlich der Prüfung des Kausalzusammenhangs zwischen diesem Ereignis und den von den Begünstigten der in Rede stehenden Beihilferegelung erlittenen Schäden gewissenhaft eingehalten wurden.

84      Da die Kommission somit in dem angefochtenen Beschluss dargelegt hat, warum die in Rede stehende Beihilferegelung die Voraussetzungen des Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV erfüllte, und insbesondere, inwiefern das Förderkriterium des Besitzes einer französischen Genehmigung erforderlich, geeignet und verhältnismäßig war, hat sie die Begründungspflicht erfüllt.

85      Der vierte Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

 Zum dritten Klagegrund: Verletzung der Verfahrensrechte aus Art. 108 Abs. 2 AEUV

86      Der dritte Klagegrund, betreffend die Wahrung der Verfahrensrechte der Klägerin insofern, als die Kommission trotz des angeblichen Bestehens ernsthafter Zweifel kein förmliches Prüfverfahren eingeleitet habe, hat in Wirklichkeit subsidiären Charakter, für den Fall, dass das Gericht die Beurteilung der Beihilfe als solche nicht prüfen sollte. Nach ständiger Rechtsprechung soll dieser Klagegrund es einer betroffenen Partei nämlich ermöglichen, in dieser Eigenschaft eine Klage nach Art. 263 AEUV zu erheben, was ihr andernfalls verweigert würde (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. Mai 2011, Kommission/Kronoply und Kronotex, C‑83/09 P, EU:C:2011:341, Rn. 48, sowie vom 27. Oktober 2011, Österreich/Scheucher-Fleisch u. a, C‑47/10 P, EU:C:2011:698, Rn. 44). Das Gericht hat jedoch die ersten beiden Klagegründe geprüft, die sich auf die Beurteilung der Beihilfe als solche beziehen, so dass ein derartiger Klagegrund gegenstandslos ist.

87      Außerdem ist zu beachten, dass dieser Klagegrund keinen eigenständigen Inhalt hat. Im Rahmen eines solchen Klagegrundes kann die Klägerin zur Wahrung der ihr im Rahmen des förmlichen Prüfverfahrens zustehenden Verfahrensrechte nur Angriffsmittel anführen, die geeignet sind, zu zeigen, dass die Beurteilung der Informationen und Angaben, über die die Kommission in der Phase der vorläufigen Prüfung der angemeldeten Maßnahme verfügte oder hätte verfügen können, Anlass zu Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der fraglichen Maßnahme mit dem Binnenmarkt hätte geben müssen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. Dezember 2008, Régie Networks, C‑333/07, EU:C:2008:764, Rn. 81, vom 9. Juli 2009, 3F/Kommission, C‑319/07 P, EU:C:2009:435, Rn. 35, und vom 24. Mai 2011, Kommission/Kronoply und Kronotex, C‑83/09 P, EU:C:2011:341, Rn. 59), wie z. B. die Unzulänglichkeit oder Unvollständigkeit der von der Kommission im Vorprüfungsverfahren durchgeführten Prüfung oder das Vorliegen von Beschwerden Dritter. Indessen ist festzustellen, dass der dritte Klagegrund die im ersten und im zweiten Klagegrund vorgebrachten Argumente zusammenfasst, ohne besondere Elemente in Bezug auf etwaige ernsthafte Schwierigkeiten hervorzuheben.

88      Da das Gericht diese Klagegründe in der Sache geprüft hat, ist eine Prüfung der Stichhaltigkeit dieses Klagegrundes somit nicht erforderlich.

89      Daher ist die Klage insgesamt in der Sache abzuweisen, wobei der Klägerin gleichzeitig die beantragte vertrauliche Behandlung zu gewähren ist, da die Französische Republik insoweit keine Einwände erhoben hat.

 Kosten

90      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission ihre eigenen Kosten und die Kosten der Kommission, einschließlich der im Zusammenhang mit dem Antrag auf vertrauliche Behandlung entstandenen Kosten, aufzuerlegen.

91      Die Französische Republik trägt gemäß Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zehnte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Ryanair DAC trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten der Europäischen Kommission, einschließlich der im Zusammenhang mit dem Antrag auf vertrauliche Behandlung entstandenen Kosten.

3.      Die Französische Republik trägt ihre eigenen Kosten.

Van der Woude

Kornezov

Buttigieg

Kowalik-Bańczyk

 

      Hesse

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 17. Februar 2021.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Englisch.