URTEIL DES GERICHTS (Dritte erweiterte Kammer)
14. Mai 1998 (1)
„Wettbewerb Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag Begriff der Vereinbarung
Informationsaustausch Anordnung Geldbuße Bestimmung der Höhe
Begründung Mildernde Umstände Verteidigungsrechte Kooperation
während des Verwaltungsverfahrens Grundsatz der Gleichbehandlung“
In der Rechtssache T-347/94
Mayr-Melnhof Kartongesellschaft mbH, Gesellschaft österreichischen Rechts mit
Sitz in Wien, Prozeßbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwälte Otfried Lieberknecht,
Burkhard Richter und Klaus Brenner, Düsseldorf, sowie Rechtsanwalt Michel
Waelbroeck, Brüssel, danach Rechtsanwälte Michel Waelbroeck und Denis
Waelbroeck, Brüssel, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts Alex Bonn,
7, Val Sainte-Croix, Luxemburg,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Bernd Langeheine
und Richard Lyal, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte, Beistand: Rechtsanwalt
Dirk Schroeder, Köln, Zustellungsbevollmächtigter: Carlos Gómez de la Cruz,
Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,
wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 94/601/EG der Kommission vom 13. Juli
1994 in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag (IV/C/33.833 Karton, ABl.
L 243, S. 1)
erläßt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Dritte erweiterte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten B. Vesterdorf sowie des Richters C. P. Briët, der
Richterin P. Lindh und der Richter A. Potocki und J. D. Cooke,
Kanzler: J. Palacio González, Verwaltungsrat
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und der mündlichen Verhandlung vom 25.
Juni bis zum 8. Juli 1997,
folgendes
Urteil
Sachverhalt
- 1.
- Die vorliegende Rechtssache betrifft die Entscheidung 94/601/EG der Kommission
vom 13. Juli 1994 in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag (IV/C/33.833
Karton, ABl. L 243, S. 1), die vor ihrer Veröffentlichung durch eine Entscheidung
der Kommission vom 26. Juli 1994 (K[94] 2135 endg.) berichtigt wurde (im
folgenden: Entscheidung). In der Entscheidung wurden gegen 19 Kartonhersteller
und -lieferanten aus der Gemeinschaft wegen Verstößen gegen Artikel 85 Absatz 1
des Vertrages Geldbußen festgesetzt.
- 2.
- Gegenstand der Entscheidung ist das Erzeugnis Karton. In der Entscheidung
werden drei Kartonsorten erwähnt, die den Qualitäten „GC“, „GD“ und „SBS“
zugeordnet werden.
- 3.
- Karton der Qualität GD (im folgenden: GD-Karton) ist ein Karton mit einer
grauen unteren Lage (Altpapier), der in der Regel für die Verpackung von Non-food-Produkten verwendet wird.
- 4.
- Karton der Qualität GC (im folgenden: GC-Karton) besitzt eine obere weiße Lage
und wird gewöhnlich für die Verpackung von Nahrungsmitteln verwendet. GC-Karton ist von höherer Qualität als GD-Karton. In dem von der Entscheidung
erfaßten Zeitraum bestand zwischen diesen beiden Produkten im allgemeinen ein
Preisunterschied von etwa 30 %. In geringerem Umfang wird hochwertiger GC-Karton auch für graphische Zwecke verwendet.
- 5.
- SBS ist die Bezeichnung für durch und durch weißen Karton (im folgenden: SBS-Karton). Sein Preis liegt etwa 20 % über dem von GC-Karton. Er dient zur
Verpackung von Lebensmitteln, Kosmetika, Arzneimitteln und Zigaretten, ist aber
hauptsächlich für graphische Zwecke bestimmt.
- 6.
- Mit Schreiben vom 22. November 1990 legte die British Printing Industries
Federation (BPIF), eine Branchenorganisation der Mehrzahl der britischen
Kartonbedrucker, bei der Kommission eine informelle Beschwerde ein. Sie machte
geltend, daß die das Vereinigte Königreich beliefernden Kartonhersteller eine
Reihe gleichzeitiger und einheitlicher Preiserhöhungen vorgenommen hätten, und
ersuchte die Kommission, das Vorliegen eines Verstoßes gegen die
Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft zu prüfen. Um ihr Vorgehen publik zu
machen, gab die BPIF eine Pressemitteilung heraus. Deren Inhalt wurde von der
Fachpresse im Dezember 1990 verbreitet.
- 7.
- Am 12. Dezember 1990 reichte die Fédération française du cartonnage bei der
Kommission ebenfalls eine informelle Beschwerde mit Behauptungen betreffend
den französischen Kartonmarkt ein, die ähnlich wie die BPIF-Beschwerde lautete.
- 8.
- Am 23. und 24. April 1991 nahmen Beamte der Kommission gemäß Artikel 14
Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste
Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, Nr.
13, S. 204), in den Geschäftsräumen verschiedener Unternehmen und
Branchenorganisationen des Kartonsektors ohne Vorankündigung gleichzeitig
Nachprüfungen vor.
- 9.
- Im Anschluß an diese Nachprüfungen richtete die Kommission an alle Adressaten
der Entscheidung Auskunftsverlangen gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 und
ersuchte um die Vorlage von Dokumenten.
- 10.
- Aufgrund der im Rahmen dieser Nachprüfungen und Ersuchen um Auskünfte und
Vorlage von Dokumenten erlangten Informationen kam die Kommission zu dem
Ergebnis, daß sich die betreffenden Unternehmen von etwa Mitte 1986 bis (in den
meisten Fällen) mindestens April 1991 an einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 85
Absatz 1 des Vertrages beteiligt hätten.
- 11.
- Sie beschloß daher, ein Verfahren gemäß dieser Bestimmung einzuleiten. Mit
Schreiben vom 21. Dezember 1992 richtete sie eine Mitteilung der
Beschwerdepunkte an alle fraglichen Unternehmen. Sämtliche Adressaten
antworteten darauf schriftlich. Neun Unternehmen baten um eine mündliche
Anhörung. Ihre Anhörung fand vom 7. bis zum 9. Juni 1993 statt.
- 12.
- Am Ende des Verfahrens erließ die Kommission die Entscheidung, die folgende
Bestimmungen enthält:
„Artikel 1
Buchmann GmbH, Cascades S.A., Enso-Gutzeit Oy, Europa Carton AG, Finnboard
the Finnish Board Mills Association, Fiskeby Board AB, Gruber & Weber GmbH
& Co. KG, Kartonfabriek .De Eendracht' NV (unter der Firma BPB de
Eendracht handelnd), NV Koninklijke KNP BT NV (ehemals Koninklijke
Nederlandse Papierfabrieken NV), Laakmann Karton GmbH & Co. KG, Mo Och
Domsjö AB (MoDo), Mayr-Melnhof Gesellschaft mbH, Papeteries de Lancey S.A.,
Rena Kartonfabrik A/S, Sarrió SpA, SCA Holding Ltd (ehemals Reed Paper &
Board (UK) Ltd), Stora Kopparbergs Bergslags AB, Enso Española S.A. (früher
Tampella Española S.A.) und Moritz J. Weig GmbH & Co. KG haben gegen
Artikel 85 Absatz 1 des EG-Vertrages verstoßen, indem sie sich
im Falle von Buchmann und Rena von etwa März 1988 bis mindestens
Ende 1990,
im Falle von Enso Española von mindestens März 1988 bis mindestens
Ende April 1991 und
im Falle von Gruber & Weber von mindestens 1988 bis Ende 1990,
in den [übrigen] Fällen von Mitte 1986 bis mindestens April 1991,
an einer seit Mitte 1986 bestehenden Vereinbarung und abgestimmten
Verhaltensweise beteiligten, durch die die Kartonanbieter in der Gemeinschaft
sich regelmäßig an einer Reihe geheimer und institutionalisierter Sitzungen
zwecks Erörterung und Festlegung eines gemeinsamen Branchenplans zur
Einschränkung des Wettbewerbs trafen;
sich über regelmäßige Preiserhöhungen für jede Kartonsorte in jeder
Landeswährung verständigten;
gleichzeitige und einheitliche Preiserhöhungen für die gesamte Gemeinschaft
planten und durchführten;
sich vorbehaltlich gelegentlicher Änderungen über die Aufrechterhaltung
konstanter Marktanteile der führenden Hersteller verständigten;
in zunehmendem Maße ab Anfang 1990 abgestimmte Maßnahmen zur
Kontrolle des Kartonangebots in der Gemeinschaft trafen, um die
Durchsetzung der vorerwähnten abgestimmten Preiserhöhungen
sicherzustellen;
als Absicherung der vorgenannten Maßnahmen Geschäftsinformationen
(über Lieferungen, Preise, Abstellzeiten, Auftragsbestände und
Kapazitätsauslastung) austauschten.
...
Artikel 3
Gegen die nachstehenden Unternehmen werden für den in Artikel 1 festgestellten
Verstoß folgende Geldbußen festgesetzt:
...
xi) gegen Mayr-Melnhof Karton Gesellschaft mbH eine Geldbuße in Höhe von
21 000 000 ECU;
...“
- 13.
- Der Entscheidung zufolge geschah die Zuwiderhandlung im Rahmen einer aus
mehreren Gruppen oder Ausschüssen bestehenden Organisation namens
„Produktgruppe Karton“ (im folgenden: PG Karton).
- 14.
- Im Rahmen dieser Organisation sei Mitte 1986 ein Ausschuß namens „Presidents'
Working Group“ (PWG) eingesetzt worden, der aus hochrangigen Vertretern der
(etwa acht) führenden Kartonlieferanten der Gemeinschaft bestanden habe.
- 15.
- Der PWG habe sich u. a. mit der Erörterung und Abstimmung der Märkte,
Marktanteile, Preise und Kapazitäten beschäftigt. Er habe insbesondere umfassende
Beschlüsse über die zeitliche Folge und die Höhe der von den Herstellern
vorzunehmenden Preiserhöhungen gefaßt.
- 16.
- Der PWG habe der „Präsidentenkonferenz“ (PK) Bericht erstattet, an der (mehr
oder weniger regelmäßig) fast alle Generaldirektoren der betreffenden
Unternehmen teilgenommen hätten. Die PK habe im maßgeblichen Zeitraum
zweimal pro Jahr getagt.
- 17.
- Ende 1987 sei das „Joint Marketing Committee“ (JMC) eingesetzt worden. Die
Hauptaufgabe des JMC habe darin bestanden, zum einen zu ermitteln, ob und,
wenn ja, wie sich Preiserhöhungen durchsetzen ließen, und zum anderen die vom
PWG beschlossenen Preisinitiativen nach Ländern und wichtigsten Kunden im
Detail auszuarbeiten, um zu einem einheitlichen Preissystem in Europa zu
gelangen.
- 18.
- Schließlich habe die „Wirtschaftliche Kommission“ (WK) u. a. die Preisentwicklung
auf den nationalen Märkten und die Auftragslage erörtert und dem JMC oder bis
Ende 1987 dessen Vorgänger, dem „Marketing Committee“, über die Ergebnisse
ihrer Arbeit berichtet. Die WK habe aus Vertriebs- und/oder Verkaufsleitern der
meisten fraglichen Unternehmen bestanden und sei mehrmals pro Jahr
zusammengetreten.
- 19.
- Aus der Entscheidung geht ferner hervor, daß die Tätigkeiten der PG Karton nach
Ansicht der Kommission durch einen Informationsaustausch über die
Treuhandgesellschaft FIDES mit Sitz in Zürich (Schweiz) unterstützt wurden. In
der Entscheidung heißt es, die meisten Mitglieder der PG Karton hätten der
FIDES regelmäßig Berichte über Auftragslage, Produktion, Verkäufe und
Kapazitätsauslastung geliefert. Diese Berichte seien im Rahmen des FIDES-Systems bearbeitet worden, und die Teilnehmer hätten die zusammengefaßten
Daten erhalten.
- 20.
- Die Klägerin hat der Entscheidung zufolge an Sitzungen der vier oben genannten
Gremien der PG Karton PWG, PK, JMC und WK teilgenommen.
- 21.
- Während des gesamten von der Entscheidung erfaßten Zeitraums waren die
Management- und Marketing-Tätigkeiten der Klägerin und von FS-Karton, einem
von ihr 1984 erworbenen deutschen Kartonhersteller, völlig integriert. Aus diesem
Grund wurde die Klägerin für die Beteiligung von FS-Karton am Kartell zur
Verantwortung gezogen (Randnr. 150 der Entscheidung).
- 22.
- Die Klägerin wurde auch als verantwortlich für die Kartellteilnahme ihrer in der
Schweiz ansässigen 66%igen Tochtergesellschaft Deisswil während der gesamten
Dauer der Teilnahme angesehen (Randnr. 150 der Entscheidung). Schließlich
wurde sie als verantwortlich für die Kartellteilnahme der in den Niederlanden
ansässigen Mayr-Melnhof Eerbeek BV (im folgenden: Eerbeek) angesehen, die sie
im September 1990 erwarb. Für das Verhalten von Eerbeek wurde sie ab 1. Januar
1990 verantwortlich gemacht, dem Zeitpunkt, zu dem der Erwerb wirksam wurde.
Verfahren
- 23.
- Mit Klageschrift, die am 18. Oktober 1994 bei der Kanzlei des Gerichts
eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.
- 24.
- Sechzehn der achtzehn anderen für die Zuwiderhandlung verantwortlich gemachten
Unternehmen haben ebenfalls Klage gegen die Entscheidung erhoben
(Rechtssachen T-295/94, T-301/94, T-304/94, T-308/94, T-309/94, T-310/94,
T-311/94, T-317/94, T-319/94, T-327/94, T-334/94, T-337/94, T-338/94, T-348/94,
T-352/94 und T-354/94).
- 25.
- Die Klägerin in der Rechtssache T-301/94, die Laakmann Karton GmbH, hat ihre
Klage mit Schreiben, das am 10. Juni 1996 bei der Kanzlei des Gerichts
eingegangen ist, zurückgenommen; durch Beschluß vom 18. Juli 1996 in der
Rechtssache T-301/94 (Laakmann Karton/Kommission, nicht in der amtlichen
Sammlung veröffentlicht) ist diese Rechtssache im Register des Gerichts gestrichen
worden.
- 26.
- Vier finnische Unternehmen, die als Mitglieder der Wirtschaftsvereinigung
Finnboard gesamtschuldnerisch für die Zahlung der gegen diese festgesetzten
Geldbuße haftbar gemacht wurden, haben ebenfalls gegen die Entscheidung geklagt
(verbundene Rechtssachen T-339/94, T-340/94, T-341/94 und T-342/94).
- 27.
- Schließlich hat der Verband CEPI-Cartonboard, der nicht zu den Adressaten der
Entscheidung gehört, Klage erhoben. Er hat sie jedoch mit Schreiben, das am 8.
Januar 1997 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, zurückgenommen; durch
Beschluß vom 6. März 1997 in der Rechtssache T-312/94 (CEPI-Cartonboard/Kommission, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht) ist diese
Rechtssache im Register des Gerichts gestrichen worden.
- 28.
- Mit Schreiben vom 5. Februar 1997 hat das Gericht die Parteien zu einer
informellen Sitzung geladen, in der sie sich u. a. zu einer etwaigen Verbindung der
Rechtssachen T-295/94, T-304/94, T-308/94, T-309/94, T-310/94, T-311/94, T-317/94,
T-319/94, T-327/94, T-334/94, T-337/94, T-338/94, T-347/94, T-348/94, T-352/94 und
T-354/94 zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung äußern sollten. In dieser
Sitzung, die am 29. April 1997 stattfand, haben sich die Parteien mit einer solchen
Verbindung einverstanden erklärt.
- 29.
- Mit Beschluß vom 4. Juni 1997 hat der Präsident der Dritten erweiterten Kammer
des Gerichts die genannten Rechtssachen wegen ihres Zusammenhangs gemäß
Artikel 50 der Verfahrensordnung zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung
verbunden und einem Antrag der Klägerin in der Rechtssache T-334/94 auf
vertrauliche Behandlung stattgegeben.
- 30.
- Mit Beschluß vom 20. Juni 1997 hat er einem Antrag der Klägerin in der
Rechtssache T-337/94 auf vertrauliche Behandlung eines in Beantwortung einer
schriftlichen Frage des Gerichts vorgelegten Dokuments stattgegeben.
- 31.
- Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Dritte erweiterte Kammer)
beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und hat prozeßleitende
Maßnahmen getroffen, indem es die Parteien ersucht hat, einige schriftliche Fragen
zu beantworten und bestimmte Dokumente vorzulegen. Die Parteien sind diesen
Ersuchen nachgekommen.
- 32.
- Die Parteien in den in Randnummer 28 genannten Rechtssachen haben in der
Sitzung, die vom 25. Juni bis zum 8. Juli 1997 stattfand, mündlich verhandelt und
Fragen des Gerichts beantwortet.
Anträge der Parteien
- 33.
- Die Klägerin beantragt,
Artikel 1 der Entscheidung für nichtig zu erklären;
Artikel 2 der Entscheidung für nichtig zu erklären;
Artikel 3 der Entscheidung für nichtig zu erklären oder zumindest die in
dieser Bestimmung festgesetzte Geldbuße herabzusetzen;
der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
- 34.
- Die Kommission beantragt,
die Klage abzuweisen;
die Klägerin zu verurteilen, die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Zum Antrag auf Nichtigerklärung von Artikel 1 der Entscheidung
A Zu den auf die Verletzung wesentlicher Formvorschriften gestützten Klagegründen
Zum Klagegrund einer Verletzung von Artikel 190 des Vertrages
Vorbringen der Parteien
- 35.
- Die Klägerin weist darauf hin, daß die Begründungspflicht dem Schutz der Bürger
dienen und dem Gemeinschaftsrichter die Ausübung der gerichtlichen Kontrolle
ermöglichen solle (Urteil des Gerichtshofes vom 20. März 1959 in der Rechtssache
18/57, Nold/Hohe Behörde, Slg. 1959, 91). Die Kommission müsse insbesondere die
sachlichen und rechtlichen Gesichtspunkte angeben, die sie zum Erlaß ihrer
Entscheidung veranlaßt hätten und von denen deren Rechtmäßigkeit abhänge.
- 36.
- Die Kommission brauche nur auf solche Argumente der Adressaten der
Entscheidung nicht einzugehen, die sie für völlig unbegründet halte (Urteil des
Gerichts vom 10. März 1992 in der Rechtssache T-15/89, Chemie Linz/Kommission,
Slg. 1992, II-1275, Randnr. 328). Im vorliegenden Fall habe sie gegen diesen
Grundsatz verstoßen, da sie auf mehrere Hauptargumente der Klägerin nicht
eingegangen sei.
- 37.
- Sie habe sich weitgehend über das Vorbringen hinweggesetzt, daß die angeblichen
Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen keine spürbaren
Auswirkungen auf die Marktverhältnisse gehabt hätten. Dieses Vorbringen sei auf
ein umfängliches Gutachten den Bericht von London Economics (im folgenden:
LE-Bericht) gestützt worden. In der Entscheidung (Randnr. 115) werde nicht auf
die Thesen dieses Berichts eingegangen.
- 38.
- Außerdem habe sich die Kommission nicht mit den Besonderheiten des Marktes
auseinandergesetzt, die die Klägerin sowohl in ihrer Erwiderung auf die
Beschwerdepunkte als auch in der Anhörung vor der Kommission dargelegt habe.
Die in der Branche üblichen regelmäßigen Listenpreiserhöhungen würden in der
Entscheidung nur als tatsächlicher Gesichtspunkt erwähnt, mit dem sich die
Existenz des angeblichen Kartells belegen lasse (Randnrn. 18 bis 20). Durch diese
Vorgehensweise habe es die Kommission unter Verstoß gegen Artikel 190 des
Vertrages unterlassen, zu den Erläuterungen der Klägerin Stellung zu nehmen.
- 39.
- Schließlich sei die Kommission von einem unzutreffenden Gewinnbegriff
ausgegangen.
- 40.
- Die Beklagte weist darauf hin, daß eine Entscheidung ausreichend begründet sei,
wenn darin die sie tragenden sachlichen und rechtlichen Gesichtspunkte, von denen
die Rechtmäßigkeit der Maßnahme abhänge, genannt würden (Urteil des Gerichts
vom 24. Oktober 1991 in der Rechtssache T-3/89, Atochem/Kommission, Slg. 1991,
II-1177, Randnr. 222). Diese Anforderungen seien im vorliegenden Fall voll und
ganz erfüllt worden.
- 41.
- Auf den LE-Bericht sei sie nicht nur in Randnummer 115 der Entscheidung
eingegangen, sondern auch in den Randnummern 16, 21 und 101. Die Entscheidung
enthalte ferner eine eingehende Darstellung des Kartonmarkts (Randnrn. 6 bis 21).
Die Kommission sei insbesondere sowohl auf die Frage der Kapitalintensität des
Marktes (Randnr. 13 der Entscheidung) als auch auf die Tatsache eingegangen, daß
in dieser Branche gleichzeitige Listenpreiserhöhungen zu bestimmten Terminen
üblich seien (Randnr. 18 der Entscheidung).
Würdigung durch das Gericht
- 42.
- Nach ständiger Rechtsprechung hat die Pflicht zur Begründung von
Einzelfallentscheidungen den Zweck, dem Gemeinschaftsrichter die Überprüfung
der Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu ermöglichen und den Betroffenen
so ausreichend zu unterrichten, daß er erkennen kann, ob die Entscheidung
zutreffend begründet oder eventuell mit einem Mangel behaftet ist, der ihre
Anfechtung ermöglicht; dabei hängt der Umfang der Begründungspflicht von der
Art des fraglichen Rechtsakts und den Umständen ab, unter denen er erlassen
wurde (vgl. u. a. Urteil des Gerichts vom 11. Dezember 1996 in der Rechtssache
T-49/95, Van Megen Sports/Kommission, Slg. 1996, II-1799, Randnr. 51). Die
Kommission hat zwar gemäß Artikel 190 des Vertrages die sachlichen und
rechtlichen Gesichtspunkte, von denen die Rechtmäßigkeit der Entscheidung
abhängt, sowie die Erwägungen anzugeben, die sie zu ihrem Erlaß veranlaßt haben;
sie braucht jedoch nicht auf alle sachlichen und rechtlichen Fragen einzugehen, die
während des Verwaltungsverfahrens aufgeworfen wurden (vgl. u. a. Urteil des
Gerichtshofes vom 29. Oktober 1980 in den Rechtssachen 209/78 bis 215/78 und
218/78, Van Landewyck u. a./Kommission, Slg. 1980, 3125, Randnr. 66).
- 43.
- Im vorliegenden Fall enthält die Entscheidung eine eingehende Darstellung der
Gründe, aus denen die Kommission angenommen hat, daß dem Vorbringen einiger
Unternehmen u. a. der Klägerin , wonach sich die festgestellte Zuwiderhandlung
nicht auf den Markt ausgewirkt habe, nicht zu folgen sei (vgl. insbesondere
Randnrn. 101, 102 und 115 der Entscheidung). Auch auf alle von der Klägerin
genannten Besonderheiten des Marktes wurde in der Entscheidung eingegangen
(vgl. namentlich Randnrn. 13 und 18).
- 44.
- Das Vorbringen der Klägerin schließlich, das sich gegen die Richtigkeit der von der
Kommission vorgenommenen Beurteilung des von den Herstellern der Branche
erzielten Gewinns richtet (siehe oben, Randnr. 39), betrifft die inhaltliche
Überprüfung der Entscheidung und ist daher im vorliegenden Zusammenhang
irrelevant.
- 45.
- Dieser Klagegrund ist somit abzuweisen.
Zum Klagegrund einer Verletzung der Beweisanforderungen des Gemeinschaftsrechts
- 46.
- Die Klägerin trägt vor, die Kommission habe die Beweisanforderungen des
Gemeinschaftsrechts verkannt, da sie sich auf bloße Vermutungen und
Unterstellungen sowie auf nicht bestehende Erfahrungssätze gestützt habe. Sie habe
insbesondere den Beweiswert der Aussagen von Stora überschätzt, da dieses
Unternehmen nach den eigenen Angaben der Kommission die Hauptverantwortung
für die angeblichen Zuwiderhandlungen trage (Randnr. 46 der Entscheidung).
- 47.
- Mit diesem Vorbringen rügt die Klägerin in Wirklichkeit die Würdigung der in der
Entscheidung angeführten Beweise durch die Kommission. Da ein solches
Vorbringen die inhaltliche Überprüfung der Entscheidung betrifft, ist der
vorliegende Klagegrund abzuweisen.
B Zu den auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Klagegründen
Zum Klagegrund des Fehlens von Preisabsprachen
Vorbringen der Parteien
- 48.
- Die Klägerin weist zunächst auf einige Besonderheiten des Kartonmarkts hin, die
für das Verständnis der Art und Weise wichtig seien, in der sowohl die Listenpreise
als auch die tatsächlichen Verkaufspreise zustande kämen. Um etwaige
Erhöhungen der Kartonpreise an ihre Kunden weitergeben zu können, hätten die
Verarbeiter stets verlangt, daß sich die Kartonhersteller preislich für das jeweilige
Halbjahr festlegten und ihnen ihre Preiserhöhungsabsichten mindestens zwei
Monate im voraus mitteilten. Die Verarbeiter hätten verlangt, daß etwaige
Erhöhungen des Kartonpreises mindestens 5 % betrügen.
- 49.
- Die Zusammenkünfte der Kartonhersteller hätten deshalb nicht die ihnen von der
Kommission beigelegte Bedeutung gehabt. Die Vorstellungen der Hersteller über
das Ausmaß der jeweiligen Preiserhöhung seien nämlich durch die
Kostensteigerungen beeinflußt worden, die sie alle in mehr oder weniger gleichem
Umfang getroffen hätten. Alle Preiserhöhungen seien aufgrund des Anstiegs der
Produktionskosten zwingend erforderlich gewesen.
- 50.
- Außerdem hätten sich die Hersteller der Entscheidung eines einzelnen Herstellers,
die Preise um einen bestimmten Betrag zu erhöhen, nicht anschließen müssen. Es
sei auf derartigen Massengutmärkten jedoch üblich, daß die mehr oder weniger
homogenen Güter nach einheitlichen Preislisten verkauft würden, so daß sich der
tatsächliche Wettbewerb in den Einzelgesprächen mit den Kunden abspiele.
- 51.
- Für die Transparenz der Preisinitiativen habe der Markt gesorgt, da die Hersteller
nach der Übersendung der Schreiben, in denen Preiserhöhungen angekündigt
worden seien, innerhalb der von den Verarbeitern verlangten ausreichenden
Vorlauffrist von den Plänen der übrigen Hersteller sowie von der Reaktion der
Abnehmer hätten Kenntnis erlangen können, bevor sie selbst darüber entschieden
hätten, ob sie sich der Initiative anschließen wollten. Die Kommission habe nicht
geltend gemacht, daß es Wettbewerbsbeschränkungen gegeben habe, die sich auf
die individuellen Preisverhandlungen mit den Abnehmern ausgewirkt hätten.
- 52.
- Die Kommission habe außer acht gelassen, daß die Nachfrage nach Karton allein
von der Nachfrage nach den zu verpackenden Gütern bestimmt werde. Daher
könne ein bestimmter Hersteller auch durch eine Preissenkung nicht ohne weiteres
seinen Marktanteil erhöhen, weil die Verarbeiter oft auf die Kartonsorten ihres
bisherigen Lieferanten eingestellt seien und ihn ohne große Schwierigkeiten dazu
veranlassen könnten, seine Preise ebenfalls zu senken.
- 53.
- Schließlich habe die Kommission die in der Kartonbranche erforderlichen hohen
Investitionen nicht angemessen berücksichtigt.
- 54.
- Sodann sei darauf hinzuweisen, daß nach der Rechtsprechung nur dann eine
Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 des Vertrages vorliege, wenn die
Unternehmen ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht hätten, sich auf
dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten (Urteil Chemie
Linz/Kommission, Randnr. 301). Dem Begriff der Vereinbarung sei folglich das
Vorliegen einer Verpflichtung in Form eines Bindungswillens der Beteiligten
immanent, die nicht unbedingt rechtlich verbindlich sein müsse. Um vom Vorliegen
einer Vereinbarung ausgehen zu können, sei jedoch zumindest die Übernahme
einer moralischen Verpflichtung zu fordern, sich absprachegemäß zu verhalten. Die
Kommission habe in der Entscheidung jedoch nicht einmal behauptet, daß sich die
Unternehmen faktisch zu einem bestimmten wettbewerbsbeschränkenden Verhalten
verpflichtet hätten.
- 55.
- Die Klägerin räumt ein, daß sie am Informationsaustausch über geplante
Listenpreiserhöhungen teilgenommen habe und daß dieser Informationsaustausch
als wettbewerbsbeschränkende abgestimmte Verhaltensweise angesehen werden
könne. Die von der Kommission in den Randnummern 74 ff. der Entscheidung
genannten Beweismittel seien jedoch kein Beleg für die Existenz von
Vereinbarungen. Insbesondere die zweite Aussage von Stora (Anlage 39 zur
Mitteilung der Beschwerdepunkte), auf die sich die Kommission stütze, enthalte
keinen Anhaltspunkt für das Vorliegen solcher Vereinbarungen. Die Aussagen von
Stora hätten im übrigen keinen Beweiswert.
- 56.
- Auch die Tatsache, daß die Hersteller im wesentlichen einheitliche und mehr oder
weniger gleichzeitig in Kraft getretene Preiserhöhungen vorgenommen hätten, sei
kein Beweis für das Vorliegen verbindlicher Preisabsprachen. Darin kämen nur die
Besonderheiten des relevanten Marktes zum Ausdruck.
- 57.
- Schließlich bestehe kein Kausalzusammenhang zwischen den Gesprächen über
Erhöhungen der Listenpreise und den am Markt zu beobachtenden Erhöhungen
der tatsächlichen Verkaufspreise; daher könnten die tatsächlichen Preiserhöhungen
nicht als Beleg für die Existenz von Preisabsprachen angesehen werden.
- 58.
- Die Kommission trägt vor, nach der Rechtsprechung liege eine Vereinbarung im
Sinne von Artikel 85 schon dann vor, wenn die betreffenden Unternehmen ihren
gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht hätten, sich auf dem Markt in einer
bestimmten Weise zu verhalten (vgl. Urteil des Gerichts vom 17. Dezember 1991
in der Rechtssache T-7/89, Hercules Chemicals/Kommission, Slg. 1991, II-1711,
Randnr. 256).
- 59.
- Sie habe in den Randnummern 72 bis 90 der Entscheidung die Beweise aufgeführt,
aus denen die Art der in Rede stehenden Zuwiderhandlung hervorgehe. Nach
diesen Beweisen hätten sich die Kartonhersteller im Rahmen des PWG im voraus
über den Umfang jeder Preisanhebung verständigt und abgesprochen, wer von
ihnen die einzelnen Preiserhöhungen als erster ankündigen solle, wann dies
geschehen solle und zu welchen Zeitpunkten die übrigen Hersteller durch
Absendung ihrer eigenen Ankündigungsschreiben folgen würden (Randnr. 73 der
Entscheidung).
- 60.
- Unter diesen Umständen werde die Existenz von Absprachen nicht durch das
Vorbringen der Klägerin widerlegt, daß die Periodizität und die Art der
Vorankündigung von Preiserhöhungen auf die Wünsche der Kunden
zurückzuführen seien. Auch ihr Vorbringen zu der durch die Ankündigungsbriefe
geschaffenen Markttransparenz und zu den Besonderheiten des Marktes sei nicht
stichhaltig, da feststehe, daß sich die Unternehmen im voraus über die
Preiserhöhungen abgestimmt hätten.
- 61.
- Im übrigen sei die Preisabsprache Teil eines umfassenden Planes gewesen. Bei
einem derart komplexen System von Absprachen seien die einzelnen Maßnahmen
aber in ihrer Gesamtheit vor dem Hintergrund des übergreifenden Zieles des
Kartells zu beurteilen (Randnr. 128 der Entscheidung). In Anbetracht der
fortschreitenden Konkretisierung der Absprachen, der gemeinsamen Planung und
Durchführung der Preisinitiativen und der Verständigung über die Marktanteile und
die Mengenkontrolle bleibe sie bei ihren in den Randnummern 131 und 132 der
Entscheidung dargestellten Schlußfolgerungen, daß die Zuwiderhandlung ab Mitte
1986 als abgestimmte Verhaltensweise anzusehen sei und von Ende 1987 an alle
Merkmale einer echten Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 des Vertrages
aufgewiesen habe.
- 62.
- Schließlich hätten sich die Preiserhöhungen auf die tatsächlich angewandten Preise
ausgewirkt.
Würdigung durch das Gericht
- 63.
- Die Klägerin räumt ihre Beteiligung an einer Abstimmung der geplanten
Preiserhöhungen ein.
- 64.
- Gemäß der Entscheidung setzten die in ihrem Artikel 1 genannten Unternehmen
die „auf jedem nationalen Markt anzuwendenden regelmäßigen Preiserhöhungen
im Wege der Absprache“ fest (Randnr. 130 Absatz 2, dritter Gedankenstrich). Die
Kommission ging, wie sie ausgeführt hat (siehe oben, Randnr. 61), davon aus, daß
eine solche Absprache ab Ende 1987 bestand.
- 65.
- Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine Vereinbarung im Sinne von Artikel 85
Absatz 1 des Vertrages schon dann vor, wenn die betreffenden Unternehmen ihren
gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht haben, sich auf dem Markt in einer
bestimmten Weise zu verhalten (vgl. u. a. Urteile des Gerichtshofes vom 15. Juli
1970 in der Rechtssache 41/69, ACF Chemiefarma/Kommission, Slg. 1970, 661,
Randnr. 112, und in den Rechtssachen Van Landewyck u. a./Kommission, Randnr.
86, sowie Urteil Hercules Chemicals/Kommission, Randnr. 256). Unter diesen
Umständen braucht entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht geprüft zu
werden, ob sich die betreffenden Unternehmen für rechtlich, tatsächlich oder
moralisch verpflichtet hielten, sich absprachegemäß zu verhalten.
- 66.
- Somit ist zu prüfen, ob die Kommission nachgewiesen hat, daß die Adressaten der
Entscheidung ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck brachten, auf dem Markt
ein bestimmtes Preisverhalten zu zeigen.
- 67.
- In bezug auf die Preisinitiativen führt Stora insbesondere aus (Anlage 39 zur
Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkte 27, 28 und 30):
„1987 war ... ein annäherndes Gleichgewicht zwischen Kapazität und Verbrauch
eingetreten. In diesem Jahr lag die Kapazität um 5 % über dem Verbrauch. Diese
Diskrepanz (die viel geringer war, als der Industrie selbst bis dahin bewußt war)
gab dem PWG Gelegenheit, ab 1987 Preiserhöhungen zu vereinbaren und dabei
eine gewisse Sicherheit zu haben, daß diese Erhöhungen mit Erfolg durchgeführt
würden. Als sich diese Gelegenheit bot, waren die Hersteller bestrebt, die in den
Vorjahren eingetretenen Verluste wettzumachen.
Der PWG war der Ansicht, daß 1988 eine erste Erhöhung um 10 % durchgeführt
werden sollte. Sie betrug z. B. auf dem französischen Markt 50 FF pro 100
Kilogramm für GC-Sorten und 35 FF pro 100 Kilogramm für GD-Sorten. Ähnliche
Erhöhungen erfolgten in anderen Ländern. Bei späteren Erhöhungen wurden
ähnliche absolute Beträge vereinbart, so daß sich der Prozentsatz der Erhöhungen
verringerte ...
...
... Im PWG wurde erörtert und vereinbart, wer die jeweilige Preiserhöhung zuerst
ankündigen würde und wann die Ankündigungen der anderen führenden Hersteller
folgen. Der Ablauf war nicht immer gleich.“
- 68.
- Sie fügt hinzu (Anlage 39 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkte 13 und
14):
„[Der] Zweck [des JMC] bestand u. a. darin, Preisvergleiche in bezug auf einige
Großkunden anzustellen und Einzelheiten für die Durchführung der
Preisentscheidungen des PWG sowohl für GC- als auch für GD-Sorten in den
einzelnen Ländern auszuarbeiten.
Das JMC erörterte für jeden Markt die genaue Durchführung der
Preisentscheidungen des PWG und erstattete dem PWG Bericht.“
- 69.
- Nach Angaben von Stora brachten die dem PWG und dem JMC angehörenden
Unternehmen somit ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck, auf den einzelnen
nationalen Märkten identische und gleichzeitige Preiserhöhungen vorzunehmen.
- 70.
- Die Aussagen von Stora werden in diesem Punkt durch mehrere schriftliche
Beweise gestützt, auf die sich die Kommission in den Randnummern 74 ff. der
Entscheidung berufen hat.
- 71.
- Insoweit genügt es, auf die drei in den Randnummern 79, 80 und 83 der
Entscheidung erwähnten Preislisten hinzuweisen. Die Listen, die die Kommission
von Rena (Anlagen 110 und 111 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte) und von
Finnboard (UK) Ltd erlangte, enthalten für mehrere Kartonsorten und mehrere
Länder der Gemeinschaft Angaben über die genauen Daten und Beträge der von
den fraglichen Unternehmen im April 1989, im September/Oktober 1989 und im
April 1990 vorgenommenen Preiserhöhungen. Die in den drei Preislisten
enthaltenen Angaben entsprechen hinsichtlich des Umfangs der Preiserhöhungen
und der Daten ihrer Vornahme dem tatsächlichen Marktverhalten der betreffenden
Unternehmen (vgl. die der Entscheidung beigefügten Tabellen D, E und F).
- 72.
- Außerdem erlangte die Kommission von Rena handschriftliche Notizen über eine
Sitzung des JMC vom 6. September 1990 (Anlage 118 zur Mitteilung der
Beschwerdepunkte), in denen es u. a. heißt:
„Preiserhöhung wird nächste Woche im September angekündigt:
Frankreich 40 FF
Niederlande 14
Deutschland 12 DM
Italien 80 LIT
Belgien 2,50 BFR
Schweiz 9 FS
England 40 UKL
Irland 45 IRL
Alle Sorten sollten gleich heraufgesetzt werden: GD, UD, GT, GC usw.
Nur 1 Preiserhöhung pro Jahr.
Für Lieferungen ab 7. Januar.
Nicht später als 31. Januar.
Schreiben vom 14. September mit Preiserhöhung (Mayr-Melnhof).
19. September. Brief von Feldmühle geht raus.
Cascades vor Ende September.
Alle Schreiben müssen vor dem 8. Oktober raus sein.“
- 73.
- Die Klägerin bestreitet weder, daß sich die drei oben erwähnten Preislisten auf eine
Preisabsprache beziehen, noch daß sich Anlage 118 zur Mitteilung der
Beschwerdepunkte auf die Sitzung des JMC vom 6. September 1990 bezieht.
- 74.
- Ohne daß die übrigen Beweismittel geprüft zu werden brauchen, ist das Gericht
deshalb der Ansicht, daß die Kommission den Beweis dafür erbracht hat, daß die
an den Sitzungen des PWG und des JMC teilnehmenden Unternehmen ihren
gemeinsamen Willen zum Ausdruck brachten, einheitliche und gleichzeitige
Preiserhöhungen vorzunehmen. Die Kommission war daher berechtigt, die
Willensübereinstimmung zwischen der Klägerin und anderen Kartonherstellern über
die Preisinitiativen ab Ende 1987 als Vereinbarung einzustufen.
- 75.
- Unter diesen Umständen ist das auf die angeblichen Besonderheiten des
Kartonmarkts und den fehlenden Kausalzusammenhang zwischen den Erhöhungen
der Listenpreise und den Erhöhungen der tatsächlichen Verkaufspreise gestützte
Vorbringen der Klägerin unerheblich. Denn selbst wenn man unterstellt, daß die
von der Klägerin im Rahmen dieses Vorbringens aufgestellten
Tatsachenbehauptungen zutreffen, könnte dies die Einstufung der von der Klägerin
ab Ende 1987 bei den Preisen begangenen Zuwiderhandlung als Vereinbarung
nicht in Frage stellen.
- 76.
- Der vorliegende Klagegrund ist somit abzuweisen.
Zum Klagegrund des Fehlens einer Vereinbarung und abgestimmten Verhaltensweise
in bezug auf die angebliche „Preis-vor-Menge“-Politik
Vorbringen der Parteien
- 77.
- Das Vorbringen der Klägerin gliedert sich in drei Teile.
- 78.
- Erstens äußert sie sich zum Fehlen einer Vereinbarung und abgestimmten
Verhaltensweise zur Aufrechterhaltung konstanter Marktanteile.
- 79.
- Sie trägt vor, das Vorbringen der Kommission zur angeblichen Absprache über ein
„Einfrieren“ der Marktanteile der führenden Kartonhersteller beruhe ausschließlich
auf den Aussagen von Stora sowie auf der bei FS-Karton gefundenen vertraulichen
Aktennotiz vom 28. Dezember 1988 (Anlage 73 zur Mitteilung der
Beschwerdepunkte). Diese Unterlagen enthielten jedoch keinen Beleg für das
Vorliegen einer auf ein „Einfrieren“ der Marktanteile gerichteten Vereinbarung
oder abgestimmten Verhaltensweise.
- 80.
- Bei Anlage 73 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte handele es sich nur um einen
allgemeinen Lagebericht des Verkaufsleiters von FS-Karton, der dazu gedient habe,
die Stagnation des Umsatzes von FS-Karton gegenüber der Konzernleitung zu
rechtfertigen. Insoweit gehe aus der Aktennotiz hervor, daß der Verkaufsleiter
Vorbehalte gegen die neue Verkaufspolitik des Konzerns geltend gemacht habe,
die in der Verpflichtung der Tochtergesellschaften zu absoluter Preisdisziplin auch
unter Inkaufnahme von Umsatzverlusten bestanden habe. Die fragliche Notiz
beweise, daß es sich um eine Entscheidung der Konzernleitung gehandelt habe, die
gegenüber dem Verkaufsleiter von FS-Karton durchgesetzt worden sei. Dieser habeim übrigen keine Kenntnis vom Inhalt der Gespräche innerhalb der PG Karton
gehabt.
- 81.
- Die Aussagen von Stora enthielten keinen Beweis für das Vorliegen der
angeblichen Grundvereinbarung über eine sogenannte „Preis-vor-Menge“-Politik.
In ihrer zweiten Aussage spreche Stora nur von „Diskussionen“ über Marktanteile
(Anlage 39 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte, S. 4 und 11). Auch in ihrer
dritten Aussage (Anlage 43 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte) sei von
„discussions“ und „understandings“ die Rede (S. 1 und 2). Außerdem sei nicht von
einer Grundvereinbarung die Rede, sondern von mehreren einzelnen im übrigen
nirgends durch andere Dokumente bestätigten Vereinbarungen auf der Basis der
Zahlen des Vorjahrs. Stora habe das Wort „Vereinbarung“ nicht im speziellen
Sinne von Artikel 85 des Vertrages verwendet (siehe oben, Randnrn. 54 f.), denn
sie habe erklärt, daß die zwischen den Herstellern geschlossenen „Vereinbarungen“
nicht verbindlich gewesen und von ihnen nur eingehalten worden seien, soweit dies
in ihrem eigenen Interesse gelegen habe (Anlage 39 zur Mitteilung der
Beschwerdepunkte, S. 4, und Randnr. 59 der Entscheidung).
- 82.
- Überdies bestünden Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Aussagen von Stora, da
die Erklärung für die Kooperation dieses Unternehmens mit der Kommission darin
bestehen könnte, daß Gespräche über den Umfang des als Gegenleistung
gewährten Bußgeldnachlasses geführt worden seien.
- 83.
- Schließlich sei der beim Verkaufsleiter von FS-Karton gefundene handschriftliche
Vermerk vom 11. Januar 1990 (Anlage 113 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte,
vgl. Randnrn. 84 bis 86 der Entscheidung) zur Vorbereitung eines internen Berichts
an die Geschäftsführung von Mayr-Melnhof verfaßt worden; die darin enthaltenen
Angaben beruhten auf eigenen Schätzungen des Geschäftsführers sowie auf
Informationen, die aus Gesprächen mit Kollegen und Kunden stammten. Auch die
übrigen von der Kommission erwähnten Dokumente stützten ihre Behauptungen
nicht.
- 84.
- Zweitens argumentiert die Klägerin mit der Entwicklung ihrer Marktanteile. Sie
führt hierzu aus, die 1990 erfolgte Erhöhung der Kapazität von FS-Karton um
200 000 Jahrestonnen zeuge davon, daß sie ihren Marktanteil in ihrem
Hauptabsatzgebiet dem Gemeinschaftsmarkt habe vergrößern wollen. Daß sie
auf Märkte außerhalb der Gemeinschaft exportiert habe, habe nichts mit effektiver
Angebotskontrolle zu tun, sondern entspreche den einfachsten Regeln
marktkonformen Verhaltens. Die von ihr betriebene „Preis-vor-Menge“-Politik
habe auf einer autonomen Entscheidung beruht, mit der ein Verfall des gesamten
Preisniveaus auf dem Gemeinschaftsmarkt habe verhindert werden sollen.
- 85.
- Darüber hinaus hätten sich auch die Marktanteile der verschiedenen Hersteller
einschließlich ihrer eigenen verändert. Die Kommission erkläre die Schwankungen
der Marktanteile zu Unrecht damit, daß sie nicht statisch gewesen, sondern in
regelmäßigen Abständen angepaßt und neu ausgehandelt worden seien und daß die
Gespräche über die Marktanteile jedes Jahr auf einer neuen Basis wieder
aufgenommen worden seien. Weder hierfür noch für die Behauptung der
Kommission, daß die Hersteller, die ihren Marktanteil ausgeweitet hätten, zur
Ordnung gerufen worden seien, gebe es einen Beweis.
- 86.
- Drittens äußert sich die Klägerin zu den Abstellzeiten und zur Entwicklung der
Produktionsmengen.
- 87.
- Zunächst habe die Kommission nicht hinreichend berücksichtigt, daß der
europäische Kartonmarkt ein Käufermarkt sei. Die Klägerin beschreibt in diesem
Zusammenhang das auf diesem Markt bestehende Verhältnis zwischen Herstellern
und Kunden.
- 88.
- Auch für eine Verständigung der großen Hersteller über die Abstellzeiten habe die
Kommission nicht den geringsten Beweis geliefert. Diese Behauptungen beruhten
nur auf einigen vagen Andeutungen in der zweiten Aussage von Stora. Ferner habe
die Kommission nie auf das Vorbringen der Klägerin geantwortet, daß sie ihre
Produktionskapazitäten stets voll genutzt habe, obwohl dieses Vorbringen durch
eine ihrer Klageschrift beigefügte Übersicht über die Auslastung ihrer Kapazitäten
bestätigt werde. Die für das Jahr 1990 in den Fabriken des Mayr-Melnhof-Konzerns
festgestellten tatsächlichen Abstellzeiten der Maschinen seien durch die
Inbetriebnahme einer neuen Maschine, Wartungsarbeiten, Tests und
Umstellungsarbeiten bedingt gewesen.
- 89.
- Die Kommission verweist zur Entgegnung auf das Vorbringen der Klägerin im
wesentlichen auf die in der Entscheidung enthaltenen Feststellungen zur
„Preis-vor-Menge“-Politik (Randnrn. 51 bis 60). Sie verweist ferner auf die zweite
Aussage von Stora (Anlage 39 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte, insbesondere
S. 3, 12, 14 und 15).
- 90.
- Speziell zum „Einfrieren“ der bestehenden Marktanteile der führenden Hersteller
trägt die Kommission vor, dies sei ein notwendiger Bestandteil der
„Preis-vor-Menge“-Politik gewesen, der zur Kontrolle der tatsächlichen
Mengenpolitik der Kartellmitglieder gedient habe. Den Beweis für das Vorliegen
einer Absprache über das „Einfrieren“ der Marktanteile liefere insbesondere die
bei FS-Karton gefundene vertrauliche Aktennotiz (Anlage 73 zur Mitteilung der
Beschwerdepunkte). In der Entscheidung werde überdies eine ganze Reihe weiterer
Beweismittel erwähnt, auf die die Klägerin überhaupt nicht eingehe und die die
Angaben in der zweiten Aussage von Stora und in der vertraulichen Aktennotiz von
FS-Karton genauestens bestätigten (vgl. Randnrn. 84, 87, 94 und 95 der
Entscheidung sowie die dort behandelten Unterlagen).
- 91.
- In bezug auf die Aussagen von Stora wiederholt die Kommission, daß eine
Willensübereinstimmung über ein künftiges Marktverhalten gegen Artikel 85 des
Vertrages verstoße. Die fraglichen Aussagen würden in allen wichtigen Punkten
durch andere Dokumente bestätigt, und daher bestehe kein Anlaß, an ihrer
Glaubwürdigkeit zu zweifeln. Im übrigen habe es zwischen ihr und Stora keine
Vereinbarung über die Höhe der Geldbuße und den aufgrund ihrer Kooperation
zu erwartenden Nachlaß gegeben.
- 92.
- Zum Ausbau der Kapazitäten der Klägerin weist die Kommission darauf hin, daß
der Kartonverbrauch in Westeuropa zwischen 1987 und 1990 um 18,6 % gestiegen
sei, so daß ein gewisser Kapazitätsausbau in der Branche zur Deckung der
gestiegenen Nachfrage erforderlich gewesen sei. Dieser Kapazitätsausbau, der u. a.
durch die Inbetriebnahme einer neuen Maschine bei FS-Karton erfolgt sei, sei
jedoch nicht zwangsläufig mit einer Verschiebung der Marktanteile verbunden
gewesen.
- 93.
- Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, daß die mit der bei FS-Karton neu
geschaffenen Kapazität erzeugten Waren auf dem Gemeinschaftsmarkt abgesetzt
worden seien. Nach den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen sei ihr
Marktanteil zwischen 1987 und 1991 bei GD-Sorten nur um 0,6 % und bei
GC-Sorten nur um 0,3 % gestiegen, und die bei FS-Karton neu geschaffene
Kapazität habe nicht zu einer Ausweitung ihrer Marktanteile geführt. Wie die
Klägerin selbst eingeräumt habe, habe sie in Drittländer exportiert, um einen
Preisverfall auf dem Gemeinschaftsmarkt zu verhindern; dies stimme exakt mit den
Zielen der „Preis-vor-Menge“-Politik überein.
- 94.
- Im übrigen hätte auch eine Ausweitung der Marktanteile der Klägerin deren
Teilnahme an Gesprächen nicht entschuldigt, in deren Verlauf die Marktanteile der
führenden Kartonhersteller jedes Jahr neu festgelegt worden seien (Randnr. 60 der
Entscheidung).
- 95.
- In bezug auf die Produktionsunterbrechungen schließlich zeigten die von der
Klägerin im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen, daß namentlich 1990
der Auslastungsgrad einiger Werke gegenüber den Vorjahren deutlich gesunken sei
und daß 1991 auch der Auslastungsgrad des Werkes Hirschwang erheblich unter
dem der Vorjahre gelegen habe.
- 96.
- Es sei ohnehin unerheblich, ob die Klägerin tatsächlich mit voller Auslastung
produziert habe. Da es sich um ein komplexes System von Absprachen gehandelt
habe, das u. a. zur Kontrolle des Angebots und zur Marktaufteilung in der
Gemeinschaft gedient habe, und da die Klägerin an den Sitzungen des PWG
teilgenommen habe, bei denen die fragliche Politik festgelegt worden sei, sei ihr
vielmehr der gesamte Kartellverstoß der Hersteller zuzurechnen (vgl. Urteile des
Gerichts vom 10. März 1992 in der Rechtssache T-13/89, ICI/Kommission, Slg.
1992, II-1021, Randnrn. 256 bis 261 und 305, und in der Rechtssache Hercules
Chemicals/Kommission, Randnr. 272).
Würdigung durch das Gericht
1. Zum Vorliegen einer Absprache über das Einfrieren der Marktanteile und einer
Absprache über die Angebotskontrolle
- 97.
- Nach Artikel 1 der Entscheidung haben die in dieser Bestimmung genannten
Unternehmen gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages verstoßen, indem sie sich
im Referenzzeitraum an einer Vereinbarung und abgestimmten Verhaltensweise
beteiligten, durch die die Kartonanbieter in der Gemeinschaft „sich vorbehaltlich
gelegentlicher Änderungen über die Aufrechterhaltung konstanter Marktanteile der
führenden Hersteller verständigten“ und „in zunehmendem Maße ab Anfang 1990
abgestimmte Maßnahmen zur Kontrolle des Kartonangebots in der Gemeinschaft
trafen, um die Durchsetzung der vorerwähnten abgestimmten Preiserhöhungen
sicherzustellen“.
- 98.
- Nach Ansicht der Kommission wurden diese beiden Formen von Absprachen, die
in der Entscheidung unter der Überschrift „Mengenkontrollen“ behandelt werden,
im Referenzzeitraum von den Teilnehmern an den Sitzungen des PWG eingeführt.
Aus Randnummer 37 Absatz 3 der Entscheidung geht nämlich hervor, daß der
eigentliche Auftrag des PWG nach der Darstellung von Stora „die Erörterung und
Abstimmung der Märkte, Marktanteile, Preise, Preiserhöhungen und Kapazitäten“
umfaßte.
- 99.
- Zur Rolle des PWG bei der Absprache über die Marktanteile wird in der
Entscheidung (Randnr. 37 Absatz 5) folgendes ausgeführt: „Im Zusammenhang mit
den Preiserhöhungsinitiativen führte der PWG ausführliche Diskussionen über die
Marktanteile, die die nationalen Gruppierungen und einzelne Herstellergruppen
in Westeuropa innehaben. Das Ergebnis waren eine Reihe von .Vereinbarungen'
zwischen den Teilnehmern über ihre jeweiligen Marktanteile, die sicherstellen
sollten, daß die konzertierten Preisinitiativen nicht durch ein die Nachfrage
überschreitendes Angebot gefährdet werden. So einigten sich die großen
Herstellergruppen darauf, ihre Marktanteile auf den Niveaus zu belassen, wie sie
aus den jährlichen Produktions- und Verkaufszahlen resultierten, die jeweils im
März des darauffolgenden Jahres über die FIDES bekanntgegeben wurden. Auf
jeder PWG-Sitzung wurde die Entwicklung der Marktanteile auf der Grundlage der
monatlichen FIDES-Meldungen analysiert; bei größeren Schwankungen wurden von
den vermuteten Schuldigen Erklärungen verlangt.“
- 100.
- In Randnummer 52 der Entscheidung heißt es: „Die 1987 im PWG erzielte
Vereinbarung umfaßte auch ein .Einfrieren' der Marktanteile der führenden
Hersteller in Westeuropa auf dem erreichten Niveau, ohne daß Versuche
unternommen wurden, neue Kunden zu gewinnen oder durch aggressive
Preispolitik bestehende Geschäftsbeziehungen auszubauen.“
- 101.
- Nach Randnummer 56 Absatz 1 der Entscheidung bestand die „Grundvereinbarung
zwischen den führenden Herstellern über das Einfrieren ihrer Marktanteile ...
während des gesamten von der vorliegenden Entscheidung erfaßten Zeitraums
weiter“. In Randnummer 57 heißt es: „Die .Entwicklung der Marktanteile' wurde
auf jeder PWG-Sitzung auf der Grundlage vorläufiger Statistiken analysiert ...“
Schließlich wird in Randnummer 56 letzter Absatz folgendes ausgeführt: „Die
Unternehmen, die an den Beratungen über die Marktanteile teilnahmen, waren die
gleichen wie die Mitglieder des PWG, nämlich Cascades, Finnboard, KNP (bis
1988), [Mayr-Melnhof], MoDo, Sarrió, die beiden zur Stora-Gruppe gehörenden
Hersteller CBC und Feldmühle und (ab 1988) Weig.“
- 102.
- Die Kommission hat das Vorliegen einer Absprache der Teilnehmer an den
Sitzungen des PWG über die Marktanteile ordnungsgemäß nachgewiesen.
- 103.
- Die Analyse der Kommission beruht im wesentlichen auf den Aussagen von Stora
(Anlagen 39 und 43 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte) und wird durch Anlage
73 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte bestätigt.
- 104.
- In Anlage 39 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte erläutert Stora: „Der PWG trat
ab 1986 zusammen, um bei der Einführung von Marktdisziplin zu helfen ... Neben
anderen (legitimen) Tätigkeiten bestand sein Zweck in der Erörterung und
Abstimmung hinsichtlich der Märkte, Marktanteile, Preise, Preiserhöhungen,
Nachfrage und Kapazität. Zu seiner Rolle gehörte es, die genaue Angebots- und
Nachfragesituation auf dem Markt sowie die beim Versuch, Ordnung in den Markt
zu bringen, zu treffenden Maßnahmen zu beurteilen und der Präsidentenkonferenz
zu erläutern.“
- 105.
- Zur Absprache über die Marktanteile führt Stora aus: „Die von nationalen
Gruppen in EG-, EFTA- und anderen Ländern, die von Mitgliedern der PG Karton
beliefert wurden, übernommenen Anteile wurden im PWG geprüft ... [Der PWG]
erörterte ... die Möglichkeit, die Marktanteile auf dem Niveau des Vorjahrs zu
halten“ (Anlage 39 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 19). Ferner gab
sie folgendes an (gleiches Dokument, Punkt 6): „Auch die europäischen
Marktanteile der Hersteller wurden in diesem Zeitraum erörtert, wobei das Niveau
von 1987 den ersten Referenzzeitraum darstellte.“
- 106.
- In ihrer am 14. Februar 1992 übersandten Antwort auf ein Ersuchen der
Kommission vom 23. Dezember 1991 (Anlage 43 zur Mitteilung der
Beschwerdepunkte) fügte Stora hinzu: „Die Verständigungen der PWG-Mitglieder
über das Niveau der Marktanteile bezogen sich auf Europa als Ganzes. Die
Verständigungen beruhten auf den Gesamtzahlen des Vorjahrs, die in der Regel
im März des Folgejahrs endgültig verfügbar waren“ (Punkt 1.1).
- 107.
- Diese Behauptung wird im selben Dokument mit folgenden Worten bestätigt:
„[D]ie Erörterungen [führten] in der Regel im März jeden Jahres zu
Verständigungen zwischen den Mitgliedern des PWG über die Beibehaltung ihrer
Marktanteile auf dem Niveau des Vorjahrs“ (Punkt 1.4). Stora führt aus: „Es
wurden keine Maßnahmen getroffen, um die Einhaltung der Verständigungen
sicherzustellen ...“ Den Teilnehmern an den Sitzungen des PWG sei bewußt
gewesen, „daß, wenn sie sich auf bestimmten von anderen belieferten Märkten
ungewöhnlich verhielten, diese anderen auf anderen Märkten Vergeltung üben
könnten“ (gleicher Punkt).
- 108.
- Schließlich erklärt Stora, daß die Klägerin an den Erörterungen der Marktanteile
teilgenommen habe (Punkt 1.2).
- 109.
- Die Behauptungen von Stora hinsichtlich der Absprache über die Marktanteile
werden durch Anlage 73 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte untermauert. Dieses
bei FS-Karton gefundene Schriftstück ist eine vertrauliche Aktennotiz des für die
Verkaufsaktivitäten der Mayr-Melnhof/FS-Karton-Gruppe in Deutschland
zuständigen Verkaufsleiters (Herrn Katzner) an den Geschäftsführer von Mayr-Melnhof in Österreich (Herrn Gröller) vom 28. Dezember 1988, die die
Marktsituation betrifft.
- 110.
- Nach diesem in den Randnummern 53 bis 55 der Entscheidung behandelten
Schriftstück gab es bei der 1987 beschlossenen engeren Zusammenarbeit im
„Präsidentenkreis“ „Gewinner und Verlierer“. Der Verfasser der Aktennotiz zählt
die Klägerin u. a. aus folgenden Gründen zu den Verlierern:
„2.) Eine Einigung konnte nur durch unsere .Bestrafung' erzielt werden man
verlangte von uns .Opfer'.
3.) Die 1987-Marktanteile sollten .eingefroren', die bestehenden Kontakte
beibehalten und keine neuen Aktivitäten und Sorten über den Preis
gewonnen werden (im Januar 1989 wird sich ja das Resultat zeigen wenn
alle ehrlich sind).“
- 111.
- Diese Ausführungen sind im allgemeineren Kontext der Aktennotiz zu sehen.
- 112.
- Insoweit verweist ihr Verfasser einleitend auf die engere Zusammenarbeit auf
europäischer Ebene im „Präsidentenkreis“. Dieser Ausdruck ist nach der Auslegung
der Klägerin eine gemeinsame Bezeichnung für PWG und PK in allgemeinem
Zusammenhang, d. h. ohne Bezugnahme auf ein bestimmtes Ereignis oder Treffen
(Anlage 75 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 2.a).
- 113.
- Der Verfasser führt sodann aus, daß diese Zusammenarbeit zu „Preisdisziplin“
geführt habe, bei der es „Gewinner und Verlierer“ gegeben habe.
- 114.
- Folglich sind die Ausführungen zu den auf dem Niveau von 1987 einzufrierenden
Marktanteilen im Kontext dieser vom „Präsidentenkreis“ beschlossenen
Preisdisziplin zu verstehen.
- 115.
- Außerdem steht die Verweisung auf 1987 als Referenzjahr mit der zweiten Aussage
von Stora (Anlage 39 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte; siehe oben, Randnr.
105) im Einklang.
- 116.
- Zur Rolle des PWG bei der Absprache über die Lieferkontrolle, die durch die
Prüfung der Abstellzeiten der Maschinen gekennzeichnet war, heißt es in der
Entscheidung, daß der PWG bei der Durchsetzung der Abstellzeiten eine
entscheidende Rolle gespielt habe, als ab 1990 die Produktionskapazität
zugenommen habe und die Nachfrage gesunken sei: „Von Anfang 1990 an [hielt
es] die Branche ... für erforderlich ..., sich im Rahmen des PWG über Abstellzeiten
zu verständigen. Die großen Hersteller räumten ein, daß sie die Nachfrage nicht
durch Preissenkungen steigern konnten und daß die Aufrechterhaltung der vollen
Produktion lediglich einen Preisrückgang bewirken würde. Theoretisch ließ sich
anhand der Kapazitätsberichte errechnen, wie lange die Maschinen abgestellt
werden mußten, um Angebot und Nachfrage wieder ins Gleichgewicht zu bringen“
(Randnr. 70 der Entscheidung).
- 117.
- Ferner heißt es in der Entscheidung: „Der PWG wies jedoch nicht formell jedem
Hersteller seine .Abstellzeiten' zu. Laut Stora bestanden praktische
Schwierigkeiten, einen koordinierten Plan für Abstellzeiten für alle Hersteller
aufzustellen. Aus diesen Gründen bestand laut Stora nur .ein loses System der
Ermutigung'“ (Randnr. 71 der Entscheidung).
- 118.
- Die Kommission hat das Vorliegen einer Absprache der Teilnehmer an den
Sitzungen des PWG über die Produktionsunterbrechungen hinreichend
nachgewiesen.
- 119.
- Die von ihr vorgelegten Unterlagen stützen ihre Analyse.
- 120.
- In ihrer zweiten Aussage (Anlage 39 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt
24) führt Stora aus: „Mit der Einführung der Preis-vor-Menge-Politik durch den
PWG und der allmählichen Anwendung eines einheitlichen Preissystems ab 1988
erkannten die Mitglieder des PWG an, daß Abstellzeiten erforderlich sein würden,
um diese Preise angesichts geringerer Nachfragesteigerung zu halten. Ohne
Abstellzeiten hätten die Hersteller vereinbarte Preisniveaus angesichts
zunehmender Überkapazität nicht halten können.“
- 121.
- Im folgenden Punkt ihrer Erklärung fügt sie hinzu: „1988 und 1989 konnte die
Industrie mit nahezu voller Kapazität arbeiten. Abstellzeiten neben der normalen
Schließung wegen Reparaturen und Feiertagen wurden ab 1990 erforderlich ...
Schließlich waren Abstellzeiten nötig, wenn der Auftragseingang stockte, um die
Preis-vor-Menge-Politik aufrechtzuerhalten. Die Länge der von den Herstellern (zur
Aufrechterhaltung des Gleichgewichts zwischen Produktion und Verbrauch)
einzuhaltenden Abstellzeit konnte anhand der Kapazitätsberichte errechnet werden.
Der PWG nahm keine formelle Zuweisung von Abstellzeiten vor, obwohl ein loses
System der Ermutigung bestand ...“
- 122.
- Die in Anlage 73 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte vom Verfasser genannten
Gründe dafür, daß er die Klägerin bei Abfassung der Aktennotiz als „Verlierer“
ansah, stellen wichtige Beweise für das Vorliegen einer Absprache der Teilnehmer
an den Sitzungen des PWG über die Abstellzeiten dar.
- 123.
- Der Verfasser stellt nämlich folgendes fest:
„4.) Und an dieser Stelle beginnt die unterschiedliche Auffassung der Beteiligten
über das Gewollte.
...
c) Alle Außendienstler und europäischen Vertreter wurden von ihren
Mengenbudgets entbunden, und es wurde eine fast lückenlose, harte
Preispolitik vertreten (die Mitarbeiter verstanden oftmals unsere
geänderte Einstellung zum Markt nicht früher wurde nur Tonnage
gefordert und jetzt nur Preisdisziplin mit der Gefahr, die Maschinen
abzustellen).“
- 124.
- Die Klägerin macht in Anlage 75 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte und in
ihren beim Gericht eingereichten Schriftsätzen (siehe oben, Randnr. 80) geltend,
daß die Aktennotiz und folglich der oben wiedergegebene Abschnitt einen
unternehmensinternen Sachverhalt betreffe. Bei einer Analyse im allgemeineren
Kontext der Aktennotiz läßt dieser Auszug jedoch erkennen, daß auf der Ebene
des Verkaufspersonals eine im „Präsidentenkreis“ beschlossene rigorose Politik
durchgesetzt wurde. Das Schriftstück ist somit dahin auszulegen, daß die
Teilnehmer an der 1987 beschlossenen engeren Zusammenarbeit, d. h. zumindest
die Teilnehmer an den Sitzungen des PWG, unbestreitbar die Folgen der
beschlossenen Politik für den Fall erwogen haben, daß diese rigoros angewandt
wird.
- 125.
- Der Umstand, daß die Hersteller bei der Vorbereitung der Preiserhöhungen die
Prüfung der Abstellzeiten erörterten, wird u. a. durch Notizen von Rena vom 6.
September 1990 (Anlage 118 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte) bestätigt, in
denen der Umfang der Preiserhöhungen in mehreren Ländern, die Zeitpunkte der
künftigen Ankündigungen dieser Erhöhungen sowie die in Arbeitstagen
ausgedrückten Auftragsbestände mehrerer Hersteller erwähnt werden.
- 126.
- Der Verfasser des Schriftstücks vermerkt, daß einige Hersteller Abstellzeiten
vorsähen, die er z. B. wie folgt aufführt:
„Kopparfors 5 15 days
5/9 will stop for five days“
- 127.
- Die Klägerin, die an der Sitzung des JMC teilnahm, auf die sich die Notizen
beziehen (Tabelle 4 im Anhang der Entscheidung), wird in diesen Notizen
mehrmals erwähnt. Insbesondere wird der Zeitpunkt angegeben, zu dem sie die
Schreiben, in denen die Preiserhöhungen angekündigt wurden, abschicken sollte.
Ferner heißt es dort:
„Deiswill 5 days (GC)
2.5 weeks for GD
plan to stop within 2 weeks step (?)“
- 128.
- Aus alledem ist zu schließen, daß der Kommission der Beweis für das Vorliegen
einer Absprache der Teilnehmer an den Sitzungen des PWG über die Marktanteile
sowie einer Absprache dieser Unternehmen über die Abstellzeiten rechtlich
gelungen ist. Da die Klägerin unstreitig an den Sitzungen des PWG teilnahm und
da sie im hauptsächlichen Belastungsmaterial (den Aussagen von Stora und Anlage
73 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte) ausdrücklich erwähnt wird, hat die
Kommission sie zu Recht für eine Teilnahme an diesen beiden Absprachen zur
Verantwortung gezogen.
- 129.
- Die Einwände der Klägerin gegen die Aussagen von Stora, mit denen deren
Beweiswert in Abrede gestellt wird, sind nicht geeignet, diese Feststellung zu
entkräften.
- 130.
- Es steht nämlich fest, daß die Aussagen von Stora von einem der Unternehmen
stammen, die an der geltend gemachten Zuwiderhandlung beteiligt gewesen sein
sollen, und daß sie eine eingehende Beschreibung der Art der Erörterungen in den
Gremien der PG Karton, des von den ihr angehörenden Unternehmen verfolgten
Zieles sowie der Teilnahme dieser Unternehmen an den Sitzungen ihrer
verschiedenen Gremien enthalten. Da dieses zentrale Beweismittel durch andere
Aktenstücke bestätigt wird, stellt es eine stichhaltige Stütze des Vorbringens der
Kommission dar.
- 131.
- Da die Kommission das Vorliegen der beiden fraglichen Absprachen nachgewiesen
hat, brauchen die Einwände der Klägerin gegen Anlage 113 zur Mitteilung der
Beschwerdepunkte nicht geprüft zu werden.
2. Zum tatsächlichen Verhalten der Klägerin
- 132.
- Auch dem Vorbringen der Klägerin, daß ihr tatsächliches Marktverhalten nicht den
Behauptungen der Kommission zum Vorliegen der beiden streitigen Absprachen
entspreche, kann nicht gefolgt werden.
- 133.
- Erstens darf die Existenz von Absprachen der Mitglieder des PWG über die beiden
Aspekte der „Preis-vor-Menge“-Politik nicht mit deren Durchführung verwechselt
werden. Die von der Kommission vorgelegten Beweise haben nämlich ein solches
Gewicht, daß Informationen über das tatsächliche Marktverhalten der Klägerin
keinen Einfluß auf die Ergebnisse haben können, zu denen die Kommission
hinsichtlich des Vorliegens von Absprachen über die beiden Aspekte der streitigen
Politik gelangt ist. Die Behauptungen der Klägerin könnten allenfalls als Beleg
dafür dienen, daß ihr Verhalten nicht dem entsprach, was die dem PWG
angehörenden Unternehmen vereinbart hatten.
- 134.
- Zweitens stehen die Ergebnisse, zu denen die Kommission gelangt ist, nicht im
Widerspruch zu den von der Klägerin erteilten Auskünften. Die Kommission räumt
ausdrücklich ein, daß die Absprache über die Marktanteile „kein formelles System
von Strafen oder Kompensationsmaßnahmen, um die in der Frage der Marktanteile
erzielte Einigung durchzusetzen,“ einschloß und daß die Marktanteile einzelner
großer Hersteller von Jahr zu Jahr wuchsen (vgl. insbesondere Randnrn. 59 und 60der Entscheidung). Außerdem räumt die Kommission ein, daß die Industrie bis
Anfang 1990 mit voller Kapazitätsauslastung arbeitete, so daß bis dahin praktisch
keine Abstellzeiten notwendig wurden (Randnr. 70 der Entscheidung).
- 135.
- Drittens ist nach ständiger Rechtsprechung die Tatsache, daß sich ein
Unternehmen den Ergebnissen von Sitzungen mit offensichtlich
wettbewerbsfeindlichem Gegenstand nicht beugt, nicht geeignet, es von seiner
vollen Verantwortlichkeit für seine Teilnahme am Kartell zu entlasten, wenn es sich
nicht offen vom Inhalt der Sitzungen distanziert hat (vgl. z. B. Urteil des Gerichts
vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-141/89, Tréfileurope/Kommission, Slg.
1995, II-791, Randnr. 85). Selbst wenn man annimmt, daß das Marktverhalten der
Klägerin nicht dem vereinbarten Verhalten entsprach und daß sie insbesondere, wie
sie geltend macht, ihre Produktionskapazität im Jahr 1990 voll ausnutzte, ändert
dies somit nichts an ihrer Verantwortlichkeit für eine Zuwiderhandlung gegen
Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages.
3. Zur rechtlichen Einordnung der Absprache über das Einfrieren der Marktanteile
und der Absprache über die Angebotskontrolle
- 136.
- Auf die Frage nach der rechtlichen Einordnung der Absprache über das Einfrieren
der Marktanteile und der Absprache über die Angebotskontrolle ist im Rahmen
des Klagegrundes des Fehlens eines gemeinsamen Branchenplans zur
Einschränkung des Wettbewerbs (nachstehend Randnrn. 137 ff.) einzugehen.
Zum Klagegrund des Fehlens eines gemeinsamen Branchenplans zur Einschränkung
des Wettbewerbs
Vorbringen der Parteien
- 137.
- Die Klägerin trägt vor, die Kommission habe keinen Beweis für die Existenz einer
Vereinbarung über einen gemeinsamen Branchenplan zur Einschränkung des
Wettbewerbs geliefert. Sie stützt sich in diesem Zusammenhang im wesentlichen
auf ihr Vorbringen im Rahmen der beiden vorangegangenen Klagegründe.
- 138.
- Außerdem werde aus dem Vorwurf, daß ein solcher Plan bestanden habe, nicht
deutlich, worin der gerügte Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages
bestehen solle. Es habe keine für die Beteiligten verbindliche Vereinbarung
gegeben, die sie zur Befolgung eines gemeinsamen Branchenplans zur
Einschränkung des Wettbewerbs verpflichtet hätte (zum Begriff der Vereinbarung
siehe oben, Randnrn. 54 ff.).
- 139.
- Die Kommission antwortet auf den vorliegenden Klagegrund im Rahmen ihres
Vorbringens zum Klagegrund des Fehlens einer Preisabsprache (siehe oben,
Randnrn. 58 ff.).
Würdigung durch das Gericht
- 140.
- Wie oben festgestellt, haben sich die dem PWG angehörenden Unternehmen an
einer Absprache über die Marktanteile, einer Absprache über die Abstellzeiten und
einer Preisabsprache beteiligt.
- 141.
- Gemäß Artikel 1 der Entscheidung haben die dort genannten Unternehmen gegen
Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages verstoßen, indem sie sich im fraglichen Zeitraum
an einer seit Mitte 1986 bestehenden Vereinbarung und abgestimmten
Verhaltensweise beteiligten, nach der sich die Kartonanbieter in der Gemeinschaft
u. a. „regelmäßig an einer Reihe geheimer und institutionalisierter Sitzungen
zwecks Erörterung und Festlegung eines gemeinsamen Branchenplans zur
Einschränkung des Wettbewerbs trafen“.
- 142.
- In der Begründung der Entscheidung heißt es: „[1987] wies die vertragswidrige
Handlung ... mit der Konkretisierung der fortschreitenden Absprache der Hersteller
im Rahmen des sogenannten .Preis-vor-Menge'-Systems alle Merkmale einer
vollen .Vereinbarung' im Sinne von Artikel 85 auf“ (Randnr. 131 Absatz 1).
- 143.
- Die Kommission hat die verstärkte Zusammenarbeit der Teilnehmer an den
Sitzungen des PWG ab Ende 1987 zu Recht als Vereinbarung im Sinne von Artikel
85 des Vertrages eingestuft. Diese Unternehmen brachten nämlich ihren
gemeinsamen Willen zum Ausdruck, sich auf dem Markt in einer bestimmten
Weise zu verhalten (vgl. u. a. die oben in Randnr. 65 genannten Urteile). Nach
dem Vorstehenden brachten sie ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck,
einheitliche und gleichzeitige Preiserhöhungen vorzunehmen, durch die Prüfung von
Produktionsunterbrechungen das Angebot zu kontrollieren und ihre Marktanteile
vorbehaltlich gelegentlicher Änderungen konstant zu halten.
- 144.
- In bezug auf den Zeitraum von Mitte 1986 bis Ende 1987 führt die Kommission in
der Entscheidung aus (Randnr. 132): „Auch wenn die Absprache zwischen den
Herstellern wahrscheinlich erst Ende 1987 in das volle .Preis-vor-Menge'-System
einmündete, bedeutet dies nicht, daß das Verhalten der Hersteller in den
vorhergehenden 18 Monaten nicht unter die Anwendung von Artikel 85 fällt.“ Da
davon auszugehen ist, daß die Absprache über die Abstellzeiten und die Absprache
über die Marktanteile Ende 1987 begannen, kann sich diese Äußerung der
Kommission nur auf die Preisabsprache beziehen.
- 145.
- Die Klägerin bestreitet nicht, an einer die Preise betreffenden abgestimmten
Verhaltensweise teilgenommen zu haben (siehe oben, Randnr. 55), so daß die
Richtigkeit dieser Qualifizierung nicht geprüft zu werden braucht.
- 146.
- Da kein Argument der Klägerin durchgreift, ist der Klagegrund abzuweisen.
Zum Klagegrund der Rechtmäßigkeit des Informationsaustauschsystems der FIDES
Vorbringen der Parteien
- 147.
- Die Klägerin trägt vor, die Kommission habe zu Unrecht angenommen, daß das
Informationsaustauschsystem der FIDES bei der Umsetzung der angeblichen
Quoten- und Mengenabsprachen eine wesentliche Rolle gespielt habe. Die der
FIDES im Rahmen des Informationsaustauschsystems übermittelten Daten seien
nämlich landesweit zusammengefaßt worden und hätten sich deshalb nicht zur
Kontrolle einer Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise geeignet.
- 148.
- Die von der FIDES bearbeiteten Daten über den Auftragsbestand hätten den
Herstellern nur einen Überblick über die Gesamtverfassung des Marktes geben
können. Der Austausch der zusammengefaßten Daten, die sich nur auf
abgeschlossene Aufträge bezogen hätten, habe den Wettbewerb nicht
beeinträchtigen können. Er habe vielmehr als Grundlage für die individuellen
Dispositionen der Hersteller (Abstellen von Maschinen, Absatz auf
Drittlandsmärkten usw.) gedient.
- 149.
- Die von der FIDES verteilten Kapazitätsberichte hätten im wesentlichen nur Daten
enthalten, die bereits auf dem Markt bekannt gewesen und in ohnehin verfügbaren
und allgemein zugänglichen Kompendien wiedergegeben worden seien.
- 150.
- Die Kommission führt aus, die ausgetauschten Informationen seien für die Planung
eines abgestimmten Preis- und Mengenverhaltens der gesamten Branche verwendet
worden (Randnr. 134 der Entscheidung).
- 151.
- Darüber hinaus hätten die Kapazitätsdaten den Kartonherstellern in Verbindung
mit den Daten über den Auftragsbestand die Ermittlung der Auslastung der
Branche ermöglicht. Die Daten über den Auftragsbestand seien aber den Kunden
nicht zugänglich gewesen, so daß es keine generelle Markttransparenz gegeben
habe. Zudem sei bei der Beurteilung der Bedeutung der Kapazitätsberichte der
gesamte Datenaustausch zu berücksichtigen.
- 152.
- Ein Informationsaustausch, der für Kartellzwecke eingesetzt werde, falle als solcher
unter Artikel 85 des Vertrages. Es sei daher irrelevant, inwieweit die
Auftragsstatistiken individualisierbare Daten enthalten hätten.
Würdigung durch das Gericht
- 153.
- Gemäß Artikel 1 der Entscheidung haben die darin genannten Unternehmen gegen
Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages verstoßen, indem sie sich an einer Vereinbarung
und abgestimmten Verhaltensweise beteiligten, durch die sie u. a. „als Absicherung
der vorgenannten Maßnahmen [d. h. einer Preisabsprache, einer Absprache über
die Marktanteile und einer Absprache über die Abstellzeiten]
Geschäftsinformationen (über Lieferungen, Preise, Abstellzeiten, Auftragsbestände
und Kapazitätsauslastung) austauschten“.
- 154.
- In bezug auf das Informationsaustauschsystem der FIDES ist die Entscheidung
angesichts ihres verfügenden Teils und ihrer Randnummer 134 Absatz 3 dahin
auszulegen, daß die Kommission den Verstoß dieses Systems gegen Artikel 85
Absatz 1 des Vertrages darin sah, daß es das festgestellte Kartell stützte.
- 155.
- Gemäß Randnummer 134 Absatz 3 der Entscheidung handelte es sich beim
Informationsaustauschsystem der FIDES um „eine wichtige Hilfe bei
der laufenden Beobachtung der Entwicklung der Marktanteile;
der laufenden Beobachtung der Angebots- und Nachfragesituation im
Hinblick auf die Erhaltung der vollen Kapazitätsauslastung;
den Entscheidungen darüber, ob abgestimmte Preiserhöhungen
vorgenommen werden könnten;
der Planung der notwendigen Abstellzeiten“.
- 156.
- Ferner wurden der Entscheidung zufolge die FIDES-Statistiken im Rahmen des
PWG geprüft und erörtert. In Randnummer 57 Absatz 1, wo auch auf
Randnummer 63 verwiesen wird, heißt es: „Die .Entwicklung der Marktanteile'
wurde auf jeder PWG-Sitzung auf der Grundlage vorläufiger Statistiken analysiert
...“ Darüber hinaus wird in Randnummer 69 Absatz 1 ausgeführt: „Durch Vergleich
des wöchentlichen Auftragsbestands mit der verfügbaren Kapazität konnte sich der
PWG ein Bild von der globalen Nachfragesituation in der Kartonindustrie machen.“
- 157.
- Diese Behauptungen der Kommission sind als bewiesen anzusehen.
- 158.
- Erstens bestreitet die Klägerin nicht, daß die FIDES-Statistiken im PWG erörtert
wurden.
- 159.
- Zweitens hat die Kommission zu Recht die Ansicht vertreten, daß die FIDES-Statistiken in diesem Gremium zur „laufenden Beobachtung der Entwicklung der
Marktanteile“ (Randnr. 134 Absatz 3, erster Gedankenstrich) und zur „laufenden
Beobachtung der Angebots- und Nachfragesituation im Hinblick auf die Erhaltung
der vollen Kapazitätsauslastung“ sowie zur „Planung der notwendigen
Abstellzeiten“ (Randnr. 134 Absatz 3, zweiter und vierter Gedankenstrich)
verwendet worden seien.
- 160.
- In bezug auf die Verwendung der FIDES-Statistiken zur „laufenden Beobachtung
der Entwicklung der Marktanteile“ hat Stora folgendes eingeräumt: „Wenn sich aus
der Analyse der Statistiken ergab, daß sich das Absatzniveau bei den nationalen
Gruppierungen zu stark veränderte, ermunterten sich die Mitglieder des PWG ...
gegenseitig und übernahmen die Verpflichtung, Fluktuationen auf den nationalen
Märkten einzudämmen“ (Anlage 39 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte,
Punkt 19).
- 161.
- Ferner heißt es in Anlage 43 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte (Punkt 1.1):
„Fluktuationen der Belieferung nationaler Märkte wurden bei jedem PWG (d. h.
alle zwei bis drei Monate) auf der Grundlage der FIDES-Schnellstatistiken ...
geprüft und erörtert. Diese wurden monatlich mit einer Gesamtsumme pro
Kalenderjahr und nicht pro laufendem Jahr erstellt. In den Statistiken auftauchende
Fluktuationen gaben die endgültige Situation am Jahresende nicht unbedingt genau
wieder und waren nicht sehr verläßlich.
Es war für die im PWG vertretenen großen Hersteller nicht sinnvoll, die
Marktanteile auf nationaler Ebene im einzelnen zu erörtern, da die Hersteller nicht
in der Lage waren, den endgültigen Bestimmungsort ihrer Lieferungen zu
ermitteln ...
Die Verständigungen der PWG-Mitglieder über das Niveau der Marktanteile
bezogen sich auf Europa als Ganzes. Die Verständigungen beruhten auf den
Gesamtzahlen des Vorjahrs, die in der Regel im März des Folgejahrs endgültig
verfügbar waren.“
- 162.
- In bezug auf die Verwendung der FIDES-Statistiken zur „laufenden Beobachtung
der Angebots- und Nachfragesituation im Hinblick auf die Erhaltung der vollen
Kapazitätsauslastung“ und zur „Planung der notwendigen Abstellzeiten“ ist auf die
Aussage von Stora (Anlage 39 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 5) zu
verweisen, in der es heißt:
„Verbunden mit der Preisinitiative von 1987 war das Erfordernis, ein annäherndes
Gleichgewicht zwischen Produktion und Verbrauch aufrechtzuerhalten (Preis-vor-Menge-Politik). 1988 und 1989 arbeiteten die Hersteller mit voller oder nahezu
voller Auslastung. 1990 begannen die Hersteller infolge des Zusammentreffens von
erhöhter Kapazität und geringerer Nachfragesteigerung mit Abstellzeiten, um das
Gleichgewicht zwischen Produktion und Verbrauch aufrechtzuerhalten ... Die
Hersteller konnten aus den jährlichen Kapazitätsberichten ableiten, wie lang die
Abstellzeiten sein mußten, und ermunterten sich gegenseitig, zur Aufrechterhaltung
des Gleichgewichts zwischen Produktion und Verbrauch ausreichende Abstellzeiten
einzulegen ... [N]icht alle Hersteller legten in dieser Weise Abstellzeiten ein, so daßeinige in der Regel die größeren Hersteller in dem Bestreben, das Preisniveau
zu erhalten, einen verhältnismäßig größeren Tonnageverlust erlitten“ (ebenso Punkt
25 dieses Schriftstücks).
- 163.
- Die Aussagen von Stora werden durch die Anlagen 73 und 75 zur Mitteilung der
Beschwerdepunkte mittelbar gestützt. Aus Anlage 73 (siehe oben, Randnrn. 109 ff.)
geht hervor, daß der für die Verkaufsaktivitäten der Mayr-Melnhof/FS-Karton-Gruppe in Deutschland zuständige Verkaufsleiter (Herr Katzner) dem
Geschäftsführer der Klägerin in Österreich eine Änderung des damals geltenden
Informationsaustauschsystems der FIDES vorschlug (S. 5, Punkt 5, unter der
Überschrift „Kontrolle“). In Anlage 75 (S. 11), der Antwort der Klägerin auf ein
Auskunftsverlangen, heißt es: „Die FIDES-Regeln sind später in etwa im Sinne der
in Anlage [73] enthaltenen Vorschläge geändert worden“ (siehe auch Randnr. 63
Absatz 2 der Entscheidung). Da Anlage 73 allgemein gehalten ist, ist die Anregung
von Herrn Katzner zur Änderung des Informationsaustauschsystems der FIDES
dahin zu verstehen, daß dieses System keine ausreichende Kontrolle der
Entwicklung der Marktanteile und/oder der Prüfung der Abstellzeiten ermöglichte
und deshalb verbessert werden sollte, um eine größere Kontrolle zu gewährleisten.
- 164.
- In Anbetracht dieser Beweise sowie der Tatsache, daß die Kommission zu Recht
von einer Beteiligung der Klägerin an einer Absprache über die Abstellzeiten und
einer Absprache über die Marktanteile im PWG ausgegangen ist, ist der
vorliegende Klagegrund abzuweisen.
Zum Antrag auf Nichtigerklärung von Artikel 2 der Entscheidung
Vorbringen der Parteien
- 165.
- Die Klägerin trägt hinsichtlich des Verbotes eines künftigen Informationsaustauschs
in erster Linie vor, Artikel 2 der Entscheidung sei zu ungenau und allgemein
formuliert, als daß beurteilt werden könne, welche Arten von Daten künftig
ausgetauscht werden dürften. Fast jedes Informationsaustauschsystem scheine
nämlich unter dieses Verbot fallen zu können.
- 166.
- Darüber hinaus sei Artikel 2 der Entscheidung insofern gegenstandslos, als er
Maßnahmen betreffe, die nach der Reorganisation des
Informationsaustauschsystems und der Gründung von CEPI-Cartonboard
aufgegeben worden seien (vgl. Randnr. 106 der Entscheidung).
- 167.
- Hilfsweise trägt die Klägerin vor, Artikel 2 der Entscheidung müsse insoweit für
nichtig erklärt werden, als er den Austausch aller Daten über die Auftragseingänge
und die Auftragslage auch in globaler Form, d. h. rein statistischer Daten, verbiete
(vgl. die Bekanntmachung der Kommission über Vereinbarungen, Beschlüsse und
aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine zwischenbetriebliche
Zusammenarbeit betreffen [ABl. 1968, C 75, S. 3, berichtigt im ABl. 1968, C 84,
S. 14], und den Siebten Bericht über die Wettbewerbspolitik, Nr. 7).
- 168.
- Der Austausch solcher Informationen stehe nicht im Widerspruch zu dem
Grundsatz, daß jeder Unternehmer autonom zu bestimmen habe, welche Politik er
auf dem Markt zu betreiben gedenke (Urteil des Gerichts vom 17. Dezember 1991
in der Rechtssache T-4/89, BASF/Kommission, Slg. 1991, II-1523, Randnr. 240).
Der Austausch rein vergangenheitsbezogener und nicht individualisierbarer Daten
verstoße nur dann gegen den Vertrag, wenn er mit einer weitergehenden
Kooperation der Unternehmen verbunden sei.
- 169.
- Schließlich habe Artikel 2 der Entscheidung präjudizielle Wirkung für das Schicksal
des der Kommission von CEPI-Cartonboard notifizierten
Informationsaustauschsystems. Wenn eine solche Notifizierung erfolge, müsse die
Kommission prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Freistellung gegeben seien.
Das von CEPI-Cartonboard notifizierte Informationsaustauschsystem betreffe aber
gerade den Austausch vergangenheitsbezogener Daten über Auftragseingänge und
Auftragslage.
- 170.
- Die Kommission hält das Verbot des künftigen Informationsaustauschs nicht für zu
unbestimmt. Es reiche nämlich aus, wenn sich aus dem Tenor und der Begründung
der Entscheidung ergebe, welches wettbewerbswidrige Verhalten abzustellen sei
(Urteil des Gerichtshofes vom 16. Dezember 1975 in den Rechtssachen 40/73 bis
48/73, 50/73, 54/73, 55/73, 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, Suiker Unie
u. a./Kommission, Slg. 1975, 1663, Randnrn. 122 bis 124). Im vorliegenden Fall
enthalte bereits Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben a bis c der Entscheidung eine
detaillierte Beschreibung der Art des unzulässigen Informationsaustauschs. Im
übrigen seien die tatsächlichen Feststellungen zu den ausgetauschten Informationen
in den Randnummern 61 bis 68, 105 und 106 der Entscheidung im einzelnen
dargelegt worden. Ferner enthalte die Entscheidung eine genaue Darstellung der
wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen des Informationsaustauschs (Randnrn. 134
und 166). Die Tragweite des Verbotes ergebe sich daher eindeutig aus Artikel 2
der Entscheidung in Verbindung mit ihrer Begründung.
- 171.
- In Artikel 2 Absätze 2 und 3 der Entscheidung werde nur dargelegt, wie ein
zulässiger Informationsaustausch gestaltet werden könnte.
- 172.
- Das Verbot sei auch nicht zu weit gefaßt. Das Informationsaustauschsystem sei
selbst nach den vom PWG am 27. November 1991 beschlossenen Änderungen mit
Artikel 85 des Vertrages unvereinbar gewesen (vgl. Randnrn. 105 und 106 der
Entscheidung). Bei der Beurteilung des Informationsaustauschs seien der hohe
Konzentrationsgrad der Branche sowie der aus der bisherigen Zusammenarbeit in
der PG Karton resultierende hohe Informationsstand der verschiedenen
Unternehmen in bezug auf die Unternehmensstruktur und -politik zu
berücksichtigen. Auf konzentrierten Märkten bestünden die Wettbewerbsreserven
im wesentlichen in der Ungewißheit und Geheimhaltung zwischen den
Hauptanbietern hinsichtlich der Marktbedingungen. Der Austausch von Daten über
den Auftragsbestand in kurzen Zeitabständen bewirke aber ein so hohes Maß an
künstlicher Markttransparenz, daß die Entfaltung der verbleibenden
Wettbewerbsreserven letztlich verhindert werde.
- 173.
- Außerdem könnten durch den wöchentlichen Austausch von Statistiken über die
Auftragseingänge zusammen mit den Kapazitätsberichten die Auslastung der
Branche ermittelt und Produktionsunterbrechungen branchenweit geplant werden.
Auf diese Weise könnten die Hersteller ein Gleichgewicht zwischen Angebot und
Nachfrage aufrechterhalten und einem Preisverfall bei rückläufiger Nachfrage
entgegenwirken. Für den Eintritt dieser Wirkungen spiele es keine Rolle, ob die
Daten individualisiert seien oder ob sie sich auf bereits abgeschlossene Aufträge
bezögen. Die Kommission sei daher zu Recht davon ausgegangen, daß ein
Informationsaustausch über den Stand der Auftragseingänge und der Auftragslage
auch in globaler Form gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages verstoße; dieses
Ergebnis entspreche den während des Ermittlungsverfahrens erlangten
Informationen.
- 174.
- Schließlich unterscheide sich das von CEPI-Cartonboard notifizierte
Informationsaustauschsystem von dem Informationsaustausch, der Gegenstand der
Entscheidung sei, da CEPI-Cartonboard insbesondere einige Änderungen an
seinem System vorgenommen habe, um Einwänden der Kommission Rechnung zu
tragen. Sie habe daher die Frage einer eventuellen Freistellung im Rahmen des
vorliegenden Verfahrens nicht zu erörtern brauchen.
Würdigung durch das Gericht
- 175.
- Artikel 2 der Entscheidung lautet:
„Die in Artikel 1 bezeichneten Unternehmen stellen, soweit noch nicht geschehen,
den genannten Verstoß unverzüglich ab. Sie sehen im Zusammenhang mit ihren
Tätigkeiten im Kartonbereich künftig von allen Vereinbarungen oder abgestimmten
Verhaltensweisen ab, mit denen gleiches oder ähnliches bezweckt oder bewirkt
wird, einschließlich jedes Austauschs von Geschäftsinformationen,
a) durch den die Teilnehmer mittel- oder unmittelbar Kenntnis von der
Produktion, den Verkäufen, dem Auftragsbestand, der
Kapazitätsausnutzung, den Verkaufspreisen, den Kosten oder den
Absatzplänen anderer einzelner Hersteller erlangen, oder
b) durch den auch ohne Offenlegung individueller Informationen eine
gemeinsame Reaktion der Branche auf wirtschaftliche Verhältnisse
hinsichtlich der Preise oder der Kontrolle der Produktion gefördert oder
erleichtert wird, oder
c) durch die die Teilnehmer in die Lage versetzt werden könnten, die
Erfüllung oder Beachtung ausdrücklicher oder stillschweigender
Vereinbarungen betreffend die Preise oder die Marktaufteilung in der
Gemeinschaft zu überwachen.
Jedes System für den Austausch allgemeiner Informationen (wie das FIDES-System
oder dessen Nachfolgesystem), an dem sie sich beteiligen, ist so zu gestalten, daß
es nicht nur alle Informationen, mit denen sich das Verhalten einzelner Hersteller
ermitteln läßt, sondern auch alle Daten über den gegenwärtigen Stand der
Auftragseingänge und der Auftragslage, die erwartete Kapazitätsausnutzung (in
beiden Fällen auch in globaler Form) oder die Produktionskapazität jeder
Maschine ausschließt.
Ein eventueller Informationsaustausch beschränkt sich auf die Beschaffung und
Verbreitung von Produktions- und Verkaufsstatistiken in globaler Form, die nicht
dazu benutzt werden können, ein gemeinsames Geschäftsverhalten zu fördern oder
zu erleichtern.
Die Unternehmen nehmen außerdem von jedem Austausch weiterer
wettbewerbsrelevanter Informationen über den zulässigen Informationsaustausch
hinaus sowie von allen Treffen oder sonstigen Kontakten zur Erörterung des
Aussagegehalts der ausgetauschten Informationen oder der möglichen oder
wahrscheinlichen Reaktion der Branche oder einzelner Hersteller auf diese
Informationen Abstand.
Für die notwendigen Änderungen an einem etwaigen Informationsaustauschsystem
wird eine Frist von drei Monaten ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser
Entscheidung eingeräumt.“
- 176.
- Wie sich aus Randnummer 165 der Entscheidung ergibt, wurde Artikel 2 der
Entscheidung gemäß Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 erlassen. Nach
dieser Bestimmung kann die Kommission u. a. dann, wenn sie eine
Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 des Vertrages feststellt, die beteiligten
Unternehmen durch Entscheidung verpflichten, die festgestellte Zuwiderhandlung
abzustellen.
- 177.
- Nach ständiger Rechtsprechung kann die Anwendung von Artikel 3 Absatz 1 der
Verordnung Nr. 17 das Verbot umfassen, bestimmte Tätigkeiten, Praktiken oder
Sachverhalte fortzuführen oder fortdauern zu lassen, deren Rechtswidrigkeit
festgestellt worden ist (Urteile des Gerichtshofes vom 6. März 1974 in den
Rechtssachen 6/73 und 7/73, Istituto Chemioterapico Italiano und Commercial
Solvents/Kommission, Slg. 1974, 223, Randnr. 45, und vom 6. April 1995 in den
Rechtssachen C-241/91 P und C-242/91 P, RTE und ITP/Kommission, Slg. 1995,
I-743, Randnr. 90), aber auch das Verbot, sich künftig ähnlich zu verhalten (Urteil
des Gerichts vom 6. Oktober 1994 in der Rechtssache T-83/91, Tetra
Pak/Kommission, Slg. 1994, II-755, Randnr. 220).
- 178.
- Da die Anwendung von Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 der
festgestellten Zuwiderhandlung angepaßt sein muß, ist die Kommission außerdem
befugt, den Umfang der Verpflichtungen anzugeben, die die betroffenen
Unternehmen erfüllen müssen, damit die Zuwiderhandlung abgestellt wird.
Derartige den Unternehmen auferlegte Verpflichtungen dürfen jedoch nicht die
Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung des angestrebten Zieles
Wiederherstellung der Legalität im Hinblick auf die verletzten Vorschriften
angemessen und erforderlich ist (Urteil RTE und ITP/Kommission, Randnr. 93; in
diesem Sinne auch Urteile des Gerichts vom 8. Juni 1995 in den Rechtssachen
T-7/93, Langnese Iglo/Kommission, Slg. 1995, II-1533, Randnr. 209, und T-9/93,
Schöller/Kommission, Slg. 1995, II-1611, Randnr. 163).
- 179.
- Zunächst ist zum Vorbringen der Klägerin, die Kommission habe dadurch einen
Rechtsfehler begangen, daß sie Artikel 2 der Entscheidung erlassen habe, ohne zur
Vereinbarkeit des von CEPI-Cartonboard notifizierten
Informationsaustauschsystems mit Artikel 85 Stellung genommen zu haben, zu
sagen, daß die von diesem Verband am 6. Dezember 1993 vorgenommene
Notifizierung ein neues Informationsaustauschsystem betraf, das sich von dem von
der Kommission in der Entscheidung geprüften System unterschied. Als die
Kommission Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung erließ, konnte sie folglich
nicht die Rechtmäßigkeit des neuen Systems im Rahmen dieser Entscheidung
beurteilen. Sie war daher berechtigt, sich auf die Prüfung des alten
Informationsaustauschsystems zu beschränken und zu diesem durch den Erlaß von
Artikel 2 der Entscheidung Stellung zu nehmen.
- 180.
- Außerdem ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, daß die Kommission
von der Befugnis, gemäß Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 Anordnungen
an die Unternehmen zu richten, nur insoweit Gebrauch machen dürfe, als diese
Anordnungen Aspekte des Informationsaustauschsystems beträfen, die vor dem
Erlaß der Entscheidung aufgegeben worden seien. Hierzu genügt die Bemerkung,
daß die Klägerin den sachlichen Umfang der in Artikel 2 der Entscheidung
enthaltenen Anordnungen in Frage stellt; dies zeigt, daß die Kommission ein
berechtigtes Interesse daran hatte, das Ausmaß der den Unternehmen, u. a. der
Klägerin, obliegenden Verpflichtungen klarzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteil des
Gerichtshofes vom 2. März 1983 in der Rechtssache 7/82, GVL/Kommission, Slg.
1983, 483, Randnrn. 26 bis 28).
- 181.
- Um sodann festzustellen, ob die Anordnung in Artikel 2 der Entscheidung wiedie Klägerin behauptet zu weit geht, ist der Umfang der verschiedenen Verbote
zu prüfen, die den Unternehmen damit auferlegt werden.
- 182.
- Das Verbot in Artikel 2 Absatz 1 Satz 2, wonach die Unternehmen künftig von
allen Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen absehen müssen, mit
denen gleiches oder ähnliches wie mit den in Artikel 1 der Entscheidung
festgestellten Zuwiderhandlungen bezweckt oder bewirkt wird, soll die
Unternehmen nur daran hindern, die Verhaltensweisen zu wiederholen, deren
Rechtswidrigkeit festgestellt wurde. Folglich hat die Kommission mit der
Aufstellung dieses Verbotes die ihr durch Artikel 3 der Verordnung Nr. 17
verliehenen Befugnisse nicht überschritten.
- 183.
- Die Bestimmungen von Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben a, b und c betreffen
Einzelheiten zum Verbot des künftigen Austauschs von Geschäftsinformationen.
- 184.
- Die Anordnung in Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a, der für die Zukunft jeden
Austausch von Geschäftsinformationen verbietet, der es den Teilnehmern
ermöglicht, unmittelbar oder mittelbar individuelle Informationen über die
Konkurrenzunternehmen zu erlangen, setzt voraus, daß die Kommission in der
Entscheidung die Rechtswidrigkeit eines derartigen Informationsaustauschs im
Hinblick auf Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages festgestellt hat.
- 185.
- In Artikel 1 der Entscheidung heißt es nicht, daß der Austausch individueller
Geschäftsinformationen als solcher gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages
verstößt.
- 186.
- Dort wird in allgemeinerer Form ausgeführt, daß die Unternehmen gegen diesen
Artikel des Vertrages verstoßen hätten, indem sie sich an einer Vereinbarung und
abgestimmten Verhaltensweise beteiligt hätten, durch die sie u. a. „als Absicherung
der vorgenannten Maßnahmen Geschäftsinformationen (über Lieferungen, Preise,
Abstellzeiten, Auftragsbestände und Kapazitätsauslastung) austauschten“.
- 187.
- Da der verfügende Teil der Entscheidung im Licht ihrer Gründe auszulegen ist
(Urteil Suiker Unie u. a./Kommission, Randnr. 122), ist jedoch darauf hinzuweisen,
daß es in Randnummer 134 Absatz 2 der Entscheidung heißt:
„Der von den Herstellern in Sitzungen der PG Karton (vor allem des JMC)
praktizierte Austausch von normalerweise vertraulichen und sensitiven individuellen
Informationen über Auftragslage, Abstellzeiten und Produktionshöhe war
offenkundig wettbewerbsfeindlich, da mit ihm bezweckt wurde, möglichst günstige
Voraussetzungen für die Durchführung der vereinbarten Preisinitiativen zu
schaffen.“
- 188.
- Da die Kommission somit in der Entscheidung ordnungsgemäß ihre Ansicht
geäußert hat, daß im Austausch individueller Geschäftsinformationen als solchem
ein Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages zu sehen sei, erfüllt das
Verbot, künftig einen derartigen Informationsaustausch vorzunehmen, die
Voraussetzungen für die Anwendung von Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung
Nr. 17.
- 189.
- Die in Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben b und c der Entscheidung aufgestellten
Verbote des Austauschs von Geschäftsinformationen sind im Licht der Absätze 2,
3 und 4 dieses Artikels zu prüfen, die ihren Inhalt näher ausgestalten. In diesem
Kontext ist zu ermitteln, ob und, wenn ja, inwieweit die Kommission den fraglichen
Austausch als rechtswidrig angesehen hat, da der Umfang der den Unternehmen
auferlegten Verpflichtungen auf das zur Wiederherstellung der Rechtmäßigkeit
ihres Verhaltens im Hinblick auf Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages erforderliche
Maß zu beschränken ist.
- 190.
- Die Entscheidung ist dahin auszulegen, daß die Kommission den Verstoß des
FIDES-Systems gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages darin sah, daß es das
festgestellte Kartell stützte (Randnr. 134 Absatz 3 der Entscheidung). Diese
Auslegung wird durch den Wortlaut von Artikel 1 der Entscheidung bestätigt, aus
dem hervorgeht, daß die Geschäftsinformationen zwischen den Unternehmen „als
Absicherung“ der als Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages
angesehenen Maßnahmen ausgetauscht wurden.
- 191.
- Im Licht dieser Auffassung der Kommission zur Frage der Vereinbarkeit des
FIDES-Systems mit Artikel 85 des Vertrages im vorliegenden Fall ist die Tragweite
der in die Zukunft gerichteten Verbote in Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben b und c
der Entscheidung zu beurteilen.
- 192.
- Die fraglichen Verbote beschränken sich zum einen nicht auf den Austausch
individueller Geschäftsinformationen, sondern betreffen auch den Austausch
bestimmter globaler statistischer Daten (Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b und
Absatz 2 der Entscheidung). Zum anderen verbietet Artikel 2 Absatz 1
Buchstaben b und c der Entscheidung den Austausch bestimmter statistischer
Informationen, um dem Aufbau einer möglichen Stütze potentieller
wettbewerbswidriger Verhaltensweisen vorzubeugen.
- 193.
- Da ein solches Verbot den Austausch rein statistischer Informationen, die nicht den
Charakter individueller oder individualisierbarer Informationen haben, mit der
Begründung verhindern soll, daß die ausgetauschten Informationen zu
wettbewerbswidrigen Zwecken verwendet werden könnten, überschreitet es das zur
Wiederherstellung der Rechtmäßigkeit der festgestellten Verhaltensweisen
erforderliche Maß. Zum einen geht nämlich aus der Entscheidung nicht hervor, daß
die Kommission den Austausch statistischer Daten als solchen als Verstoß gegen
Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages angesehen hat. Zum anderen führt die bloße
Tatsache, daß ein System des Austauschs statistischer Informationen zu
wettbewerbswidrigen Zwecken verwendet werden kann, nicht zu seiner
Unvereinbarkeit mit Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages; vielmehr sind unter
derartigen Umständen seine konkreten wettbewerbswidrigen Auswirkungen zu
bestimmen.
- 194.
- Daher ist Artikel 2 Absätze 1 bis 4 der Entscheidung mit Ausnahme folgender
Passagen für nichtig zu erklären:
„Die in Artikel 1 bezeichneten Unternehmen stellen, soweit noch nicht geschehen,
den genannten Verstoß unverzüglich ab. Sie sehen im Zusammenhang mit ihren
Tätigkeiten im Kartonbereich künftig von allen Vereinbarungen oder abgestimmten
Verhaltensweisen ab, mit denen gleiches oder ähnliches bezweckt oder bewirkt
wird, einschließlich jedes Austauschs von Geschäftsinformationen,
a) durch den die Teilnehmer mittel- oder unmittelbar Kenntnis von der
Produktion, den Verkäufen, dem Auftragsbestand, der
Kapazitätsausnutzung, den Verkaufspreisen, den Kosten oder den
Absatzplänen anderer einzelner Hersteller erlangen.
Jedes System für den Austausch allgemeiner Informationen (wie das FIDES-System
oder dessen Nachfolgesystem), an dem sie sich beteiligen, ist so zu gestalten, daß
es alle Informationen, mit denen sich das Verhalten einzelner Hersteller ermitteln
läßt, ausschließt.“
Zum Antrag auf Nichtigerklärung oder Herabsetzung der Geldbuße
A Zum Klagegrund des Vorliegens offensichtlicher rechtlicher oder tatsächlicher
Fehler bei der Festlegung der Höhe der Geldbußen
- 195.
- Der Klagegrund besteht aus fünf Teilen, die im folgenden einzeln geprüft werden.
Erster Teil des Klagegrundes: Fehler der Kommission bei der Bestimmung des Umfangs
der Zuwiderhandlungen
- 196.
- Die Klägerin macht unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen zur Stützung ihres
Antrags auf Nichtigerklärung von Artikel 1 der Entscheidung geltend, daß die
Geldbußen erheblich herabgesetzt werden müßten. Die Kommission habe nämlich
weder das Vorliegen von Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen zur
Marktaufteilung und Angebotskontrolle noch das Vorliegen von Preisabsprachen
nachgewiesen.
- 197.
- Alle von der Klägerin zur Stützung ihres Antrags auf Nichtigerklärung von Artikel 1
der Entscheidung geltend gemachten Klagegründe sind abgewiesen worden.
- 198.
- Folglich greift der erste Teil des vorliegenden Klagegrundes nicht durch.
Zweiter Teil des Klagegrundes: Keine ins einzelne gehende Regulierung des
Kartonmarkts in der Gemeinschaft
Vorbringen der Parteien
- 199.
- Die Klägerin trägt vor, selbst wenn man unterstelle, daß die angeblichen
Zuwiderhandlungen begangen worden seien, sei der Kartonmarkt in der
Gemeinschaft dadurch jedenfalls nicht „im einzelnen reguliert“ worden (Randnr.
168, fünfter Gedankenstrich, der Entscheidung). Die angeblichen
Zuwiderhandlungen hätten den Wettbewerb vielmehr nur sehr global beeinflussen
können.
- 200.
- Die Entscheidung enthalte insoweit widersprüchliche Angaben zum Charakter der
angeblich durchgeführten wettbewerbswidrigen Maßnahmen. So werde z. B. die
angebliche Marktaufteilungsabsprache in Randnummer 52 als allgemeine
Verständigung darüber beschrieben, die jeweiligen Marktanteile nicht auszudehnen,
während in Randnummer 60 von jährlichen Verhandlungen über die Marktanteile
die Rede sei. Es handele sich jedenfalls nicht um eine ins einzelne gehende
Regulierung des Kartonmarkts, zumal die Kommission nicht einmal behauptet
habe, daß es eine Absprache über die Einführung von Quoten für jede Kartonsorte
gegeben habe.
- 201.
- Die Kommission hält auf der Grundlage der in der Entscheidung getroffenen
Feststellungen daran fest, daß die Hersteller den Kartonmarkt im einzelnen
reguliert hätten.
Würdigung durch das Gericht
- 202.
- Wie bereits festgestellt, hat die Kommission in bezug auf die Klägerin das
Vorliegen der Bestandteile der in Artikel 1 der Entscheidung festgestellten
Zuwiderhandlung einer Preisabsprache, einer Absprache über die Abstellzeiten
und einer Absprache über die Marktanteile nachgewiesen. Ferner ist festgestellt
worden, daß die Teilnehmer an den Sitzungen des PWG, zu denen die Klägerin
gehörte, Ende 1987 eine Vereinbarung schlossen. Außerdem bestreitet die Klägerin
weder, daß Zeitpunkt und Reihenfolge der Versendung der Schreiben zur
Ankündigung der Preiserhöhungen vom PWG festgelegt wurden und daß das JMC
davon unterrichtet wurde (vgl. insbesondere Randnr. 73 der Entscheidung), noch
daß das JMC die Aufgabe hatte, die vom PWG beschlossenen Preisinitiativen nach
Ländern und wichtigsten Kunden im Detail auszuarbeiten (Randnr. 44 Absatz 2,
zweiter Gedankenstrich, der Entscheidung).
- 203.
- Schließlich bestreitet die Klägerin nicht die Behauptung der Kommission, daß sich
das Kartell „praktisch auf das ganze Gebiet der Gemeinschaft“ erstreckt habe und
daß „die an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen ... praktisch den
gesamten Markt“ repräsentiert hätten (Randnr. 168, zweiter und vierter
Gedankenstrich, der Entscheidung).
- 204.
- Unter diesen Umständen konnte sie sich nicht mit Erfolg gegen die Behauptung
der Kommission wenden, daß die an der Zuwiderhandlung beteiligten
Unternehmen den „Kartonmarkt in der Gemeinschaft im einzelnen reguliert“
hätten (Randnr. 168, fünfter Gedankenstrich, der Entscheidung).
- 205.
- Der zweite Teil des Klagegrundes greift daher nicht durch.
Dritter Teil des Klagegrundes: Geheimhaltung und Verschleierung dürften nicht als
erschwerende Umstände der Zuwiderhandlung angesehen werden
Vorbringen der Parteien
- 206.
- Die Klägerin trägt vor, die Kommission habe es als erschwerenden Umstand
angesehen, daß aufwendige Schritte unternommen worden seien, um die Natur und
das Ausmaß der Absprachen zu verschleiern (Randnrn. 167 und 168 der
Entscheidung).
- 207.
- Das Fehlen von offiziellen Niederschriften oder anderen Dokumenten über die
Sitzungen des PWG und des JMC könne keinesfalls ein „aufwendiger Schritt“ sein.
Für die Behauptung der Kommission, daß Vorkehrungen getroffen worden seien,
um das Anfertigen von Notizen durch die Teilnehmer an den Sitzungen zu
verhindern, gebe es keinen Beweis. Und selbst wenn es ihn geben würde, wären
solche Vorkehrungen ebenfalls keine aufwendigen Schritte. Da die Kommission
überdies zu Unrecht angenommen habe, daß die Zuwiderhandlungen vorsätzlich
begangen worden seien, habe sie jedenfalls die angeblichen Maßnahmen zur
Verschleierung des Kartells nicht auch noch berücksichtigen dürfen.
- 208.
- Was die angebliche vorherige Verabredung der Zeitpunkte für das Inkrafttreten
der Preiserhöhungen angehe, so setze die Preisabsprache zwangsläufig eine
Absprache zumindest unter den „Anführern“ über die Durchführung der
Preiserhöhungen voraus. Da die Kommission die Ansicht vertreten habe, daß die
Zuwiderhandlungen vorsätzlich begangen worden seien, habe sie die
Gesichtspunkte, die mit dem vorsätzlichen Verstoß notwendig verbunden seien,
nicht erneut berücksichtigen dürfen.
- 209.
- Die Kommission meint, zu der Annahme berechtigt gewesen zu sein, daß die
Geheimhaltungspraxis bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung habeberücksichtigt werden müssen. Vorsätzliche Wettbewerbsverstöße seien nämlich
nicht notwendig mit Verschleierungsmaßnahmen verbunden. Im vorliegenden Fall
hätten die Kartellteilnehmer nicht nur vereinbart, keine Notizen über die geführten
Gespräche aufzubewahren (Protokoll der Anhörung vor der Kommission, S. 46),
sondern auch den Ablauf der einzelnen Preisinitiativen minutiös geplant (Randnr.
73 der Entscheidung). Sie habe daher zu Recht angenommen, daß die
Geheimhaltungspraxis einen bei der Bemessung der Geldbußen zu
berücksichtigenden erschwerenden Umstand der Zuwiderhandlung dargestellt habe.
Würdigung durch das Gericht
- 210.
- Randnummer 167 Absatz 3 der Entscheidung lautet: „Ein besonders gravierender
Aspekt des Verstoßes ist der Umstand, daß die Unternehmen bei dem Bemühen,
die Existenz des Kartells zu verschleiern, soweit gingen, daß sie im voraus
verabredeten, zu welchem Zeitpunkt und in welcher zeitlichen Folge die einzelnen
großen Hersteller die neuen Preiserhöhungen ankündigen würden.“ Ferner heißt
es in der Entscheidung: „[D]ie Hersteller [hätten] aufgrund dieses ausgeklügelten
Systems die Serien einheitlicher, regelmäßiger und branchenweiter Preiserhöhungen
in der Kartonbranche dem Phänomen .oligopolistischen Verhaltens' zuschreiben
können“ (Randnr. 73 Absatz 3). Schließlich hat die Kommission gemäß
Randnummer 168, sechster Gedankenstrich, der Entscheidung bei der Festsetzung
des allgemeinen Niveaus der Geldbußen berücksichtigt, daß „aufwendige Schritte
unternommen [wurden], um die wahre Natur und das wahre Ausmaß der
Absprachen zu verschleiern (Fehlen jeglicher offiziellen Sitzungsniederschriften
oder Dokumente für den PWG und das JMC; Vorkehrungen gegen das Anfertigen
von Notizen; Maßnahmen mit dem Ziel, die Zeitpunkte und die zeitliche
Reihenfolge der Preiserhöhungsankündigungen so zu inszenieren, daß die
Unternehmen behaupten können, einem Preisführer zu folgen usw.)“.
- 211.
- Die Klägerin bestreitet die Behauptung der Kommission nicht, daß die
Unternehmen die Zeitpunkte und die Reihenfolge der Schreiben, in denen die
Preiserhöhungen angekündigt wurden, festgelegt hätten. Was den von der
Kommission gezogenen Schluß anbelangt, daß durch diese Festlegung der
Zeitpunkte und der Reihenfolge der Schreiben zur Ankündigung von
Preiserhöhungen versucht worden sei, das Vorliegen der Preisabsprache zu
verschleiern, so hat die Klägerin nichts dafür vorgetragen, daß die Absprache der
Zeitpunkte und der Reihenfolge der Schreiben zur Ankündigung von
Preiserhöhungen ein anderes als das von der Kommission angenommene Ziel hatte.
- 212.
- Das Fehlen offizieller Protokolle und das fast völlige Fehlen interner Vermerke
über die Sitzungen des PWG und des JMC stellen in Anbetracht der Zahl und der
zeitlichen Dauer dieser Sitzungen sowie der Art der fraglichen Erörterungen einen
hinreichenden Beweis für die Behauptung der Kommission dar, daß Vorkehrungen
gegen das Anfertigen von Notizen getroffen worden seien.
- 213.
- Nach alledem war den Unternehmen, die an den Sitzungen dieser Gremien
teilnahmen, nicht nur die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens bewußt, sondern sie
haben auch Maßnahmen zur Verschleierung der Absprache getroffen. Die
Kommission hat diese Maßnahmen folglich bei der Beurteilung der Schwere der
Zuwiderhandlung zu Recht als erschwerende Umstände behandelt.
- 214.
- Der dritte Teil des Klagegrundes ist daher abzuweisen.
Vierter Teil des Klagegrundes: Die Kommission habe zu Unrecht angenommen, daß
das Kartell, „was die Erreichung seiner Ziele betrifft, weitgehend erfolgreich“ gewesen
sei
Vorbringen der Parteien
- 215.
- Die Klägerin bestreitet, daß das Kartell, „was die Erreichung seiner Ziele betrifft,
weitgehend erfolgreich“ gewesen sei (Randnr. 168, siebenter Gedankenstrich, der
Entscheidung). Gestützt auf ihre Beschreibung der Besonderheiten des
Kartonmarkts (siehe oben, Randnrn. 48 ff.) und den LE-Bericht führt sie aus, es
gebe keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Preisentwicklung nicht auch ohne jede
Absprache zwischen den Herstellern ebenso verlaufen wäre.
- 216.
- Die Feststellungen der Kommission zur Kosten- und Erlösentwicklung in der
Kartonbranche träfen auf sie nicht zu. Auch die in der Entscheidung enthaltenen
Angaben über die Gewinnspanne (Randnr. 16) seien irreführend. Die Amortisation
der Kapitalkosten mache nämlich ungefähr 27 % des durchschnittlichen
Kartonpreises aus. Die Kommission habe diesen Gesichtspunkt bei der Berechnung
der durchschnittlichen Gewinnspanne der Hersteller aber nicht berücksichtigt. Da
diese durchschnittliche Gewinnspanne nach ihren Angaben in den Jahren 1986 bis
1991 etwa 20 % betragen haben solle, bedeute dies folglich einen realen Verlust
von etwa 7 %.
- 217.
- Zur Stützung ihres Vorbringens, daß die Preisabsprache keine Auswirkungen auf
den Markt gehabt habe, verweist die Klägerin auf Übersichten, in denen die
Entwicklung ihrer Listenpreise der Entwicklung der von ihr tatsächlich auf dem
Markt erzielten Bruttopreise gegenüberstellt wird. Diese Übersichten, in denen die
Preisentwicklung bei repräsentativen Kunden und Kartonsorten auf ihren
wichtigsten nationalen Märkten wiedergegeben werde, zeigten, daß zwischen den
Listenpreisen und den tatsächlichen Verkaufspreisen ein beträchtlicher Unterschied
bestanden habe.
- 218.
- Die Kommission weist zunächst darauf hin, daß zwei Arten von Auswirkungen der
Preisinitiativen auf den Markt zu unterscheiden seien. Die Auswirkungen der ersten
Art, die darin bestünden, daß die in der PG Karton vereinbarten Preise als
Grundlage für die Verhandlungen mit den Kunden gedient hätten, würden von der
Klägerin nicht bestritten. Es sei daher undenkbar, daß nicht auch die Auswirkungen
der zweiten Art eingetreten seien, die darin bestünden, daß die
Preiserhöhungsinitiativen die tatsächlichen Marktpreise beeinflußt hätten, da sich
die vom Verkäufer festgelegte Basis für Preisverhandlungen stets auf den
tatsächlichen Verkaufspreis auswirke. Dies gelte erst recht, wenn alle Verkäufer die
gleiche Verhandlungsbasis hätten.
- 219.
- Außerdem hätten sich die Kartonhersteller in ihren Verhandlungen mit den
Kunden bemüht, die vereinbarten Preiserhöhungen auch durchzusetzen (vgl. Anlage
73 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte, S. 2).
- 220.
- Es sei zwar nicht immer möglich gewesen, die Preiserhöhungen gegenüber allen
Abnehmern und auf allen Märkten im gleichen Umfang durchzusetzen (Randnrn.
100 bis 102 der Entscheidung). Wie aus mehreren von den Herstellern selbst
verfaßten internen Unterlagen (Schriftstücke C-4-1 und C-11-11) hervorgehe,
bedeuteten diese Schwierigkeiten bei der Durchführung der Preiserhöhungen aber
nicht, daß sie nicht erfolgreich gewesen seien.
- 221.
- Auch die von der Klägerin vorgelegten Übersichten seien nicht geeignet, die
Feststellungen der Kommission zu entkräften. Ihnen könne u. a. deshalb keine
Beweiskraft beigemessen werden, weil sie „sprunghafte“ Preiserhöhungen zeigten.
Außerdem behaupte die Klägerin zwar, daß die Übersichten die Entwicklung der
bei repräsentativen Kunden und Kartonsorten in Rechnung gestellten Preise
zeigten, habe aber die bei der Auswahl dieser Rechnungen verwendeten Kriterien
nicht angegeben.
- 222.
- Der LE-Bericht sei kein Beleg für das Fehlen eines Zusammenhangs zwischen den
angekündigten und den tatsächlichen Verkaufspreisen. Aus den Tabellen 10 und
11 dieses Berichts gehe vielmehr klar hervor, daß die Entwicklung der tatsächlichen
Verkaufspreise im Durchschnitt die angekündigten Preise nachvollzogen habe. Für
den Zeitraum 1988/89 zeige der Bericht sogar einen linearen Zusammenhang
zwischen diesen Preisen, wie sein Verfasser im übrigen bei der Anhörung vor der
Kommission eingeräumt habe (Protokoll, S. 21 und 28). Folglich hätten die
einheitlichen Listenpreiserhöhungen den Kartonherstellern die Möglichkeit
verschafft, die tatsächlichen Verkaufspreise deutlich anzuheben.
- 223.
- Schließlich sei es unerheblich, ob sich die einheitlichen Listenpreiserhöhungen
tatsächlich, wie die Klägerin behaupte, an der Kostenentwicklung orientiert hätten.
Im übrigen seien die in der Entscheidung enthaltenen Angaben über die
Kostenentwicklung und die Definition der Gewinnspanne dem LE-Bericht
entnommen worden.
Würdigung durch das Gericht
- 224.
- Gemäß Randnummer 168, siebenter Gedankenstrich, der Entscheidung hat die
Kommission bei der Festsetzung der Höhe der Geldbußen u. a. berücksichtigt, daß
das Kartell, „was die Erreichung seiner Ziele betrifft, weitgehend erfolgreich“ war.
Es ist unstreitig, daß mit dieser Erwägung auf die Auswirkungen der in Artikel 1
der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung auf den Markt Bezug genommen
wird.
- 225.
- Zur Überprüfung der von der Kommission vorgenommenen Beurteilung der
Auswirkungen der Zuwiderhandlung braucht nach Ansicht des Gerichts nur die
Beurteilung der Auswirkungen der Preisabsprache untersucht zu werden. Die
Prüfung der Auswirkungen der Preisabsprache der einzigen Auswirkungen, die
die Klägerin bestreitet erlaubt es nämlich, den generellen Erfolg des Kartells zu
beurteilen, denn die Absprachen über die Abstellzeiten und über die Marktanteile
dienten dazu, den Erfolg der abgestimmten Preisinitiativen sicherzustellen.
- 226.
- Bei der Preisabsprache hat die Kommission die allgemeinen Auswirkungen
beurteilt. Selbst wenn die von der Klägerin gemachten individuellen Angaben wie
sie behauptet zeigen sollten, daß die Preisabsprache für sie geringere als die auf
dem europäischen Kartonmarkt als Ganzem festgestellten Auswirkungen hatte,
würden diese individuellen Gegebenheiten daher als solche nicht ausreichen, um
die Beurteilung der Kommission in Frage zu stellen. Die Behauptung der Klägerin,
daß sich die Kommission in Randnummer 16 der Entscheidung auf eine falsche
Definition der durchschnittlichen Gewinnspanne der Kartonhersteller gestützt habe,
ist ebenfalls unerheblich. Es gibt nämlich keinen Anhaltspunkt dafür, daß die
Kommission die so definierte Gewinnspanne bei ihrer Beurteilung der
Auswirkungen der Preisabsprache auf den Markt herangezogen hätte oder daß die
erzielte Gewinnspanne bei dieser Beurteilung hätte herangezogen werden müssen.
- 227.
- Wie die Kommission in der Verhandlung bestätigt hat, ist der Entscheidung zu
entnehmen, daß zwischen drei Arten von Auswirkungen unterschieden wurde.
Außerdem hat sich die Kommission darauf gestützt, daß die Hersteller selbst die
Preisinitiativen im wesentlichen als Erfolg gewertet hätten.
- 228.
- Die erste von der Kommission berücksichtigte und von der Klägerin nicht in
Abrede gestellte Art von Auswirkungen besteht darin, daß die vereinbarten
Preiserhöhungen den Kunden tatsächlich angekündigt wurden. Die neuen Preise
dienten somit als Referenz bei der individuellen Aushandlung der tatsächlichen
Verkaufspreise mit den Kunden (vgl. u. a. Randnrn. 100 und 101 Absätze 5 und 6
der Entscheidung).
- 229.
- Die zweite Art von Auswirkungen besteht darin, daß die Entwicklung der
tatsächlichen Verkaufspreise der Entwicklung der angekündigten Preise folgte.
Hierzu führt die Kommission aus, daß „sich die Hersteller nicht darauf
[beschränkten], die vereinbarten Preiserhöhungen anzukündigen, sondern ... mit
wenigen Ausnahmen auch alles [taten], um sicherzustellen, daß sie bei den
Kunden durchgesetzt wurden“ (Randnr. 101 Absatz 1 der Entscheidung). Sie räumt
ein, daß den Kunden bisweilen Zugeständnisse hinsichtlich des Termins des
Inkrafttretens der Erhöhungen gemacht oder vor allem bei Großaufträgen
individuelle Rabatte oder Skonti gewährt worden seien und daß „die
durchschnittliche Netto-Preiserhöhung, die nach allen Nachlässen, Rabatten und
sonstigen Zugeständnissen erzielt wurde, stets geringer [war] als der volle Betrag
der angekündigten Preisanhebung“ (Randnr. 102 letzter Absatz der Entscheidung).
Unter Bezugnahme auf Schaubilder im LE-Bericht, einer im Zusammenhang mit
dem Verfahren vor der Kommission im Auftrag mehrerer Adressaten der
Entscheidung erstellten Wirtschaftsstudie, macht sie jedoch geltend, in dem von der
Entscheidung erfaßten Zeitraum habe es einen „engen linearen Zusammenhang“
zwischen der Entwicklung der angekündigten Preise und der Entwicklung der
tatsächlichen Verkaufspreise ausgedrückt in Landeswährung oder umgerechnet
in Ecu gegeben. Sie zieht daraus folgenden Schluß: „Die erzielten Netto-Preiserhöhungen vollzogen die Preisankündigungen wenngleich mit etwas
zeitlichem Abstand nach. Der Verfasser des Berichts räumte bei der mündlichen
Anhörung selbst ein, daß dies für die Jahre 1988 und 1989 zutrifft“ (Randnr. 115
Absatz 3 der Entscheidung).
- 230.
- Bei der Beurteilung dieser zweiten Art von Auswirkungen war die Kommission
zweifellos zu der Annahme berechtigt, daß die Existenz eines linearen
Zusammenhangs zwischen der Entwicklung der angekündigten Preise und der
Entwicklung der tatsächlichen Verkaufspreise den Beweis für eine Auswirkung der
Preisinitiativen auf die letztgenannten Preise entsprechend dem von den Herstellern
verfolgten Ziel darstellte. Denn unstreitig hat die Praxis individuellerVerhandlungen mit den Kunden auf dem fraglichen Markt zur Folge, daß die
tatsächlichen Verkaufspreise im allgemeinen nicht mit den angekündigten Preisen
übereinstimmen. Es war daher nicht zu erwarten, daß der Anstieg der tatsächlichen
Verkaufspreise mit den Erhöhungen der angekündigten Preise übereinstimmen
würde.
- 231.
- Hinsichtlich des Bestehens einer Wechselbeziehung zwischen den angekündigten
Preiserhöhungen und dem Anstieg der tatsächlichen Verkaufspreise hat die
Kommission zu Recht auf den LE-Bericht Bezug genommen, da in diesem die
Entwicklung des Kartonpreises in dem von der Entscheidung erfaßten Zeitraum
unter Heranziehung der von mehreren Herstellern, darunter der Klägerin selbst,
gemachten Angaben untersucht wird.
- 232.
- Dieser Bericht bestätigt jedoch in zeitlicher Hinsicht nur teilweise, daß es einen
„engen linearen Zusammenhang“ gab. Bei der Prüfung des Zeitraums von 1987 bis
1991 ergeben sich nämlich drei gesonderte Abschnitte. Während der Anhörung vor
der Kommission hat der Verfasser des LE-Berichts seine Schlußfolgerungen hierzu
wie folgt zusammengefaßt: „Es gibt keinen engen Zusammenhang, auch nicht in
zeitlichem Abstand, zwischen den angekündigten Preiserhöhungen und den
Marktpreisen zu Beginn des Zeitraums, von 1987 bis 1988. 1988/89 besteht ein
solcher Zusammenhang, und dann löst sich der Zusammenhang auf und verhält
sich im Zeitraum 1990/91 recht seltsam [oddly]“ (Anhörungsprotokoll, S. 28).
Ferner führte er aus, daß diese Veränderungen im Lauf der Zeit eng mit den
Nachfrageschwankungen zusammenhingen (vgl. u. a. Anhörungsprotokoll, S. 20).
- 233.
- Diese mündlichen Schlußfolgerungen des Verfassers stimmen mit der in seinem
Bericht vorgenommenen Analyse und insbesondere mit den Schaubildern überein,
in denen die Entwicklung der angekündigten Preise mit der Entwicklung der
tatsächlichen Verkaufspreise verglichen wird (LE-Bericht, Schaubilder 10 und 11,
S. 29). Somit ist festzustellen, daß die Kommission nur teilweise nachgewiesen hat,
daß es den von ihr geltend gemachten „engen linearen Zusammenhang“ gab.
- 234.
- In der Verhandlung hat die Kommission erklärt, daß sie noch eine dritte Art von
Auswirkungen der Preisabsprache berücksichtigt habe, die darin bestehe, daß die
tatsächlichen Verkaufspreise stärker gestiegen seien, als wenn es keinerlei
Absprache gegeben hätte. Hierzu hat die Kommission unter Hinweis darauf, daß
Zeitpunkt und Reihenfolge der Ankündigungen von Preiserhöhungen vom PWG
festgelegt worden seien, in der Entscheidung die Ansicht vertreten, es sei „unter
solchen Umständen undenkbar, daß die abgestimmten Preisankündigungen keine
Auswirkungen auf das tatsächliche Preisniveau hatten“ (Randnr. 136 Absatz 3 der
Entscheidung). Im LE-Bericht (Abschnitt 3) wurde jedoch eine Modellrechnung
vorgenommen, die die Vorhersage des Preisniveaus ermöglicht, das sich aus den
objektiven Marktbedingungen ergibt. Nach diesem Bericht hätte sich das anhand
objektiver wirtschaftlicher Faktoren in der Zeit von 1975 bis 1991 ermittelte
Preisniveau mit unerheblichen Abweichungen ebenso entwickelt wie das Niveau der
tatsächlichen Verkaufspreise; dies gilt auch für den von der Entscheidung erfaßten
Zeitraum.
- 235.
- Trotz dieser Ergebnisse läßt die im Bericht vorgenommene Analyse nicht den
Schluß zu, daß die konzertierten Preisinitiativen es den Herstellern nicht ermöglicht
haben, höhere tatsächliche Verkaufspreise als bei freiem Wettbewerb zu erzielen.
Insoweit ist es möglich, wie die Kommission in der Verhandlung ausgeführt hat,
daß die bei dieser Analyse herangezogenen Faktoren durch die Existenz der
Absprache beeinflußt wurden. So hat die Kommission zu Recht geltend gemacht,
daß das abgesprochene Verhalten z. B. den Anreiz für die Unternehmen verringern
konnte, ihre Kosten zu senken. Sie hat jedoch keinen direkten Fehler in der im LE-Bericht enthaltenen Analyse gerügt und auch keine eigenen wirtschaftlichen
Analysen zur hypothetischen Entwicklung der tatsächlichen Verkaufspreise bei
Fehlen jeder Abstimmung vorgelegt. Unter diesen Umständen geht ihre
Behauptung, daß die tatsächlichen Verkaufspreise ohne die Absprache zwischen
den Herstellern niedriger gewesen wären, fehl.
- 236.
- Folglich gibt es für die Existenz dieser dritten Art von Auswirkungen der
Preisabsprache keinen Beweis.
- 237.
- Auf die vorstehenden Feststellungen hat die subjektive Einschätzung der Hersteller
keinen Einfluß, auf die die Kommission ihre Annahme gestützt hat, daß das Kartell,
was die Erreichung seiner Ziele betreffe, weitgehend erfolgreich gewesen sei. Dabei
hat die Kommission auf eine von ihr in der Verhandlung vorgelegte Liste von
Schriftstücken Bezug genommen. Selbst wenn man unterstellt, daß sie ihre
Beurteilung des möglichen Erfolges der Preisinitiativen auf Schriftstücke stützen
konnte, in denen die subjektiven Empfindungen einiger Hersteller zum Ausdruck
kommen, ist aber festzustellen, daß mehrere Unternehmen, zu denen auch die
Klägerin gehört, in der Verhandlung zu Recht auf zahlreiche andere Aktenstücke
verwiesen haben, in denen von den Problemen die Rede ist, die die Hersteller bei
der Durchführung der vereinbarten Preiserhöhungen hatten. Unter diesen
Umständen reicht die Bezugnahme der Kommission auf Erklärungen der Hersteller
selbst nicht aus, um zu dem Ergebnis zu kommen, daß das Kartell, was die
Erreichung seiner Ziele betrifft, weitgehend erfolgreich war.
- 238.
- In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen sind die von der Kommission geltend
gemachten Auswirkungen der Zuwiderhandlung nur teilweise bewiesen. Das
Gericht wird die Tragweite dieses Ergebnisses im Rahmen seiner Befugnis zur
unbeschränkten Nachprüfung von Geldbußen bei der Beurteilung der Schwere der
im vorliegenden Fall festgestellten Zuwiderhandlung prüfen (siehe unten, Randnr.
262).
Fünfter Teil des Klagegrundes: Heranziehung einer unzutreffenden Gewinnspanne
Vorbringen der Parteien
- 239.
- Die Klägerin wiederholt, daß die Kommission zu Unrecht davon ausgegangen sei,
daß die Unternehmen der Kartonbranche in der Zeit von 1986 bis 1991 eine
Gewinnspanne von 20 % erzielt hätten. Bei der Zugrundelegung dieser Zahl habe
die Kommission nämlich die beträchtlichen Kapitalkosten in der Branche außer
acht gelassen (siehe oben, Randnr. 216). Auch wenn aus der Entscheidung nicht
ausdrücklich hervorgehe, daß dieser Gesichtspunkt bei der Festsetzung des
allgemeinen Bußgeldniveaus berücksichtigt worden sei, müsse davon ausgegangen
werden, daß dieser Fehler eine wesentliche Rolle gespielt habe, da auf die
Gewinnspanne in der Entscheidung mehrmals Bezug genommen werde. Außerdem
sei die Berücksichtigung des finanziellen Gewinns, den die Unternehmen durch ihr
wettbewerbswidriges Verhalten erzielt hätten, nach der von der Kommission selbst
vertretenen Ansicht bei der Festsetzung von Geldbußen in zunehmendem Maße
von Bedeutung (XXI. Bericht über die Wettbewerbspolitik, Nr. 139). Dieser Fehler
müsse zu einer deutlichen Herabsetzung der Geldbuße führen.
- 240.
- Die Kommission trägt vor, die durchschnittliche Gewinnspanne der Kartonhersteller
sei bei der Bußgeldbemessung nicht berücksichtigt worden. Außerdem habe sie in
ihrem XXI. Bericht über die Wettbewerbspolitik nur die allgemeinen Kriterien
genannt, die bei der Bemessung einer Geldbuße herangezogen werden könnten.
Schließlich träfen die in Randnummer 16 der Entscheidung enthaltenen Angaben
über die Gewinnspanne zu, da sie dem LE-Bericht entnommen seien.
Würdigung durch das Gericht
- 241.
- Die von den Kartonherstellern erzielte durchschnittliche Gewinnspanne gehört
nicht zu den Gesichtspunkten, die von der Kommission bei der Ermittlung des
allgemeinen Bußgeldniveaus sowie der Höhe der individuellen Geldbußen
herangezogen wurden (vgl. Randnrn. 167 bis 169 der Entscheidung).
- 242.
- Aus Randnummer 16 letzter Absatz der Entscheidung geht jedenfalls hervor, daß
die Angaben zur durchschnittlichen Gewinnspanne der Kartonhersteller dem LE-Bericht entnommen wurden. Ihr ist ferner zu entnehmen (Fußnote 1), daß der
Kommission bekannt war, daß bei der Berechnung dieser durchschnittlichen
Gewinnspanne die Amortisation der Kapitalkosten nicht berücksichtigt wurde.
- 243.
- Folglich ist das Vorbringen der Klägerin, daß sich die Kommission auf eine
unzutreffende Definition des von den Kartonherstellern erzielten Gewinns gestützt
habe, unbegründet.
- 244.
- Daher kann dem fünften Teil des Klagegrundes nicht gefolgt werden.
- 245.
- Somit ist der Klagegrund insgesamt abzuweisen.
B Zu den Klagegründen einer Verletzung von Artikel 190 des Vertrages sowie eines
Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung hinsichtlich des allgemeinen
Bußgeldniveaus
Vorbringen der Parteien
- 246.
- Die Klägerin räumt ein, daß die Kommission befugt sei, das allgemeine
Bußgeldniveau gegenüber ihrer früheren Praxis anzuheben, wenn sie dies für
erforderlich halte, um die abschreckende Wirkung der Geldbußen zu verstärken
(Urteil des Gerichtshofes vom 7. Juni 1983 in den Rechtssachen 100/80, 101/80,
102/80 und 103/80, Musique Diffusion française u. a./Kommission, Slg. 1983, 1825,
Randnr. 108, und Urteil ICI/Kommission). Die Kommission verstoße jedoch gegen
Artikel 190 des Vertrages und gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, wenn
sie wie hier die Geldbußen ohne Angabe von Gründen willkürlich anhebe.
- 247.
- Die Klägerin vergleicht sodann den Ausgangssatz der Geldbußen (7,5 % des
Umsatzes auf dem Kartonmarkt der Gemeinschaft im Jahr 1990 bei den
„gewöhnlichen Mitgliedern“ und 9 % bei den angeblichen „Anführern“) sowie ihre
Gesamthöhe mit den Entscheidungen der Kommission in früheren Rechtssachen
(vgl. z. B. die Entscheidung 86/398/EWG der Kommission vom 23. April 1986
betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 des EWG-Vertrags [IV/31.149
Polypropylen, ABl. L 230, S. 1; im folgenden: Polypropylen-Entscheidung] und die
Entscheidung 89/191/EWG der Kommission vom 21. Dezember 1988 betreffend ein
Verfahren nach Artikel 85 des EWG-Vertrags [IV/31.866 LDPE, ABl. 1989, L 74,
S. 21]). Sie schließt daraus, daß der im vorliegenden Fall angewandte Ausgangssatz
der Geldbußen deutlich über den früher angewandten Sätzen liege und daß sich
der Satz bei den angeblichen „Anführern“ fast verdoppelt habe. Auch der
Gesamtbetrag der Geldbußen liege weit über dem früher verhängter Geldbußen.
- 248.
- Wie die Entscheidung zeige, die Gegenstand des Urteils des Gerichts vom 21.
Februar 1995 in der Rechtssache T-29/92 (SPO u. a./Kommission, Slg. 1995, II-289)
gewesen sei, könne das hier in Rede stehende Verhalten im übrigen im Verhältnis
zu den Rechtssachen, über die die Kommission früher zu entscheiden gehabt habe,
nicht als besonders schwerwiegend angesehen werden.
- 249.
- Der Fehler bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung werde ferner
durch einen Vergleich mit der Höhe der in der Entscheidung 94/815/EG der
Kommission vom 30. November 1994 in einem Verfahren nach Artikel 85
EG-Vertrag (Sache IV/33.126 und 33.322 Zement, ABl. L 343, S. 1) verhängten
Geldbußen bestätigt.
- 250.
- Im Ergebnis stelle die Höhe der in der vorliegenden Rechtssache verhängten
Geldbußen eine beträchtliche, ja exorbitante Steigerung gegenüber vergleichbaren
Rechtssachen dar. Das für Wettbewerbsfragen zuständige Mitglied der Kommission
habe in einem Vortrag am 16. September 1994 erklärt, daß die Kommission die
Geldbußen im vorliegenden Fall gegenüber ihrer früheren Praxis deutlich
angehoben habe.
- 251.
- Selbst wenn man davon ausgehe, daß die Kommission ihre Bußgeldentscheidungen
im allgemeinen nicht im einzelnen zu begründen brauche, müsse sie die Gründe
erläutern, aus denen sie in eklatanter Weise von der bisherigen Bußgeldpraxis
abgewichen sei (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 26. November
1975 in der Rechtssache 73/74, Groupement des fabricants de papiers peints de
Belgique u. a./Kommission, Slg. 1975, 1491, Randnrn. 30 bis 33, und Urteil des
Gerichts vom 27. Oktober 1994 in der Rechtssache T-34/92, Fiatagri und New
Holland Ford/Kommission, Slg. 1994, II-905, Randnr. 35).
- 252.
- Schließlich liege ein Verstoß gegen Artikel 6 der Europäischen Konvention zum
Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (EMRK)
vor, der ein Recht auf gerichtliche Überprüfung statuiere, denn nur bei größerer
Transparenz könne geprüft werden, ob die Kommission in einem bestimmten Fall
den Grundsatz der Gleichbehandlung beachtet habe.
- 253.
- Die Kommission weist darauf hin, daß sie gemäß Artikel 15 Absatz 2 der
Verordnung Nr. 17 berechtigt sei, Geldbußen in Höhe von bis zu 10 % des
jährlichen Gesamtumsatzes der betroffenen Unternehmen zu verhängen. Der im
vorliegenden Fall angewandte Satz liege klar innerhalb der in dieser Verordnung
vorgesehenen Grenzen, da nur der Umsatz bei Kartonverkäufen in der
Gemeinschaft berücksichtigt worden sei.
- 254.
- Ferner könne sie das Bußgeldniveau innerhalb der durch die Verordnung Nr. 17gesteckten Grenzen jederzeit anheben, wenn dies zur Durchsetzung der
gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik und insbesondere zur Sicherstellung der
abschreckenden Wirkung der Geldbußen erforderlich sei (Urteil Musique Diffusion
française u. a./Kommission, Randnrn. 106 bis 109). Dabei sei sie nicht an ihre
früheren Entscheidungen gebunden (Urteil ICI/Kommission, Randnrn. 382 und
385), so daß es nicht darauf ankomme, ob der vorliegende Fall mit früheren
Rechtssachen vergleichbar sei und ob sie das allgemeine Bußgeldniveau maßgeblich
heraufgesetzt habe. Im übrigen sei das Bußgeldniveau gegenüber früheren
Rechtssachen weder willkürlich noch beträchtlich heraufgesetzt worden.
- 255.
- Schließlich sei sie zu Recht davon ausgegangen, daß die festgestellte
Zuwiderhandlung besonders schwerwiegend gewesen sei.
Würdigung durch das Gericht
- 256.
- Nach Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 kann die Kommission gegen
Unternehmen, die vorsätzlich oder fahrlässig gegen Artikel 85 Absatz 1 des
Vertrages verstoßen haben, durch Entscheidung Geldbußen in Höhe von 1 000
ECU bis 1 000 000 ECU oder über diesen Betrag hinaus bis zu 10 % des von dem
einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen im letzten
Geschäftsjahr erzielten Umsatzes festsetzen. Die Höhe der Geldbuße richtet sich
sowohl nach der Schwere als auch nach der Dauer der Zuwiderhandlung. Nach der
Rechtsprechung des Gerichtshofes ist die Schwere der Zuwiderhandlungen anhand
einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln, zu denen u. a. die besonderen
Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der
Geldbußen gehören, ohne daß es eine zwingende oder abschließende Liste von
Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müßten (Beschluß des
Gerichtshofes vom 25. März 1996 in der Rechtssache C-137/95 P, SPO
u. a./Kommission, Slg. 1996, I-1611, Randnr. 54).
- 257.
- Im vorliegenden Fall hat die Kommission bei der Festsetzung des allgemeinen
Niveaus der Geldbußen der Dauer der Zuwiderhandlung (Randnr. 167 der
Entscheidung) und folgenden Erwägungen Rechnung getragen (Randnr. 168 der
Entscheidung):
„ Preis- und Marktaufteilungsabsprachen stellen als solche schwere
Wettbewerbsbeschränkungen dar;
das Kartell erstreckte sich praktisch auf das ganze Gebiet der Gemeinschaft;
der EG-Kartonmarkt ist ein bedeutender Industriesektor, der jedes Jahr
einen Wert von bis zu 2,5 Milliarden ECU darstellt;
die an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen repräsentieren
praktisch den gesamten Markt;
das Kartell wurde in einem System regelmäßiger Sitzungen institutionalisiert,
in denen der Kartonmarkt in der Gemeinschaft im einzelnen reguliert
wurde;
es wurden aufwendige Schritte unternommen, um die wahre Natur und das
wahre Ausmaß der Absprachen zu verschleiern (Fehlen jeglicher offiziellen
Sitzungsniederschriften oder Dokumente für den PWG und das JMC;
Vorkehrungen gegen das Anfertigen von Notizen; Maßnahmen mit dem
Ziel, die Zeitpunkte und die zeitliche Reihenfolge der
Preiserhöhungsankündigungen so zu inszenieren, daß die Unternehmen
behaupten können, einem Preisführer zu folgen usw.);
das Kartell war, was die Erreichung seiner Ziele betrifft, weitgehend
erfolgreich.“
- 258.
- Außerdem wurden unstreitig gegen die als „Anführer“ des Kartells angesehenen
Unternehmen Geldbußen mit einem Basissatz von 9 % und gegen die übrigen
Unternehmen Geldbußen mit einem Basissatz von 7,5 % des von den Adressaten
der Entscheidung auf dem Kartonmarkt der Gemeinschaft im Jahr 1990 erzielten
Umsatzes festgesetzt.
- 259.
- Erstens ist darauf hinzuweisen, daß die Kommission bei ihrer Beurteilung des
allgemeinen Niveaus der Geldbußen der Tatsache Rechnung tragen darf, daß
offenkundige Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft
immer noch verhältnismäßig häufig sind, und daß es ihr daher freisteht, das Niveau
der Geldbußen anzuheben, um deren abschreckende Wirkung zu verstärken.
Folglich ist die Kommission dadurch, daß sie in der Vergangenheit für bestimmte
Arten von Zuwiderhandlungen Geldbußen in bestimmter Höhe verhängt hat, nicht
daran gehindert, dieses Niveau innerhalb der in der Verordnung Nr. 17 gezogenen
Grenzen anzuheben, wenn dies erforderlich ist, um die Durchführung der
gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik sicherzustellen (vgl. u. a. Urteile Musique
Diffusion française u. a./Kommission, Randnrn. 105 bis 108, und ICI/Kommission,
Randnr. 385).
- 260.
- Zweitens hat die Kommission zu Recht geltend gemacht, daß aufgrund der
Besonderheiten des vorliegenden Falles kein direkter Vergleich zwischen dem
allgemeinen Niveau der Geldbußen in der streitigen Entscheidung und dem Niveau
nach der früheren Entscheidungspraxis der Kommission insbesondere in der
Polypropylen-Entscheidung, die die Kommission selbst als die mit dem vorliegenden
Fall am besten vergleichbare Entscheidung ansieht vorgenommen werden kann.
Im Gegensatz zu dem Fall, der Gegenstand der Polypropylen-Entscheidung war,
wurde hier nämlich bei der Festlegung des allgemeinen Niveaus der Geldbußen
kein genereller mildernder Umstand berücksichtigt. Im übrigen bilden, wie das
Gericht bereits festgestellt hat, die aufwendigen Maßnahmen der Unternehmen zur
Verschleierung der Existenz der Zuwiderhandlung einen besonders
schwerwiegenden Aspekt der Zuwiderhandlung, der sie von den früheren von der
Kommission aufgedeckten Zuwiderhandlungen unterscheidet.
- 261.
- Drittens ist auf die lange Dauer und die Offenkundigkeit der Zuwiderhandlung
gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages hinzuweisen, die trotz der Warnung
begangen wurde, die die frühere Entscheidungspraxis der Kommission und
insbesondere die Polypropylen-Entscheidung hätte darstellen müssen.
- 262.
- Aufgrund dieser Gesichtspunkte gehen aus den in Randnummer 168 der
Entscheidung wiedergegebenen Kriterien mit hinreichender Deutlichkeit die
Gründe hervor, aus denen die Kommission das angewandte allgemeine Niveau der
Geldbußen gewählt hat; sie reichen aus, um ein solches Niveau zu rechtfertigen.
Das Gericht hat zwar bereits festgestellt, daß die Auswirkungen der Preisabsprache,
die die Kommission der Bestimmung des allgemeinen Niveaus der Geldbußen
zugrunde gelegt hat, nur teilweise bewiesen sind. Angesichts der vorstehenden
Erwägungen kann dieses Ergebnis die Beurteilung der Schwere der festgestellten
Zuwiderhandlung jedoch nicht spürbar beeinflussen. Insoweit läßt sich schon allein
daraus, daß die Unternehmen die vereinbarten Preiserhöhungen tatsächlich
angekündigt und daß die angekündigten Preise als Grundlage für die Bestimmung
der individuellen tatsächlichen Verkaufspreise gedient haben, ableiten, daß die
Preisabsprache eine schwere Wettbewerbsbeschränkung sowohl bezweckt als auch
bewirkt hat. Das Gericht ist daher im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter
Nachprüfung der Ansicht, daß die Feststellungen zu den Auswirkungen der
Zuwiderhandlung keine Herabsetzung des von der Kommission festgelegten
allgemeinen Niveaus der Geldbußen rechtfertigen.
- 263.
- Schließlich ist die Kommission bei der hier erfolgten Festlegung des allgemeinen
Niveaus der Geldbußen nicht derart von ihrer früheren Entscheidungspraxis
abgewichen, daß sie ihre Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung
ausführlicher hätte begründen müssen (vgl. u. a. Urteil Groupement des fabricants
de papiers peints de Belgique u. a./Kommission, Randnr. 31).
- 264.
- Der Klagegrund ist folglich abzuweisen.
C Zum Klagegrund einer Verletzung von Artikel 190 des Vertrages bei der Festsetzung
der Höhe der individuellen Geldbußen
Vorbringen der Parteien
- 265.
- Die Klägerin trägt vor, die bloße Aufzählung der bei der Festsetzung der
individuellen Geldbußen herangezogenen Kriterien in Randnummer 169 der
Entscheidung stelle keine ausreichende Begründung dar. Die Entscheidung enthalte
nämlich weder einen Anhaltspunkt dafür, wie die einzelnen Geldbußen zustande
gekommen seien, noch dafür, ob die Unterscheidung zwischen den einzelnen
Unternehmen bei den Geldbußen gerechtfertigt sei. In diesem Punkt sei eine
eingehendere Begründung insbesondere dann geboten, wenn wie hier eine
exorbitante Differenzierung zwischen den Unternehmen vorgenommen worden sei.
Vor allem dann, wenn bestimmte Umstände, auf die sich die Kommission gestützt
habe, nicht vorgelegen hätten, setze eine gerichtliche Überprüfung der Höhe der
individuellen Geldbußen voraus, daß das Gericht die Bedeutung kenne, die die
Kommission jedem als erschwerend angesehenen Umstand beigemessen habe. Dies
gelte um so mehr, wenn es wie hier Anhaltspunkte dafür gebe, daß gegen die
Unternehmen, die nicht auf ihre Verteidigungsrechte gegenüber den Vorwürfen der
Kommission verzichtet hätten, eine sehr viel höhere Geldbuße verhängt worden sei.
- 266.
- Im übrigen habe die Kommission eingeräumt, daß ihre Methode zur
Differenzierung zwischen den verschiedenen Unternehmen einer eingehenderen
Begründung bedürfe, denn sie habe in einer Pressekonferenz am 13. Juli 1994
Angaben darüber gemacht und sogar die von ihr angeblich nicht benutzte
mathematische Formel bekanntgegeben. Die Begründung müsse jedoch Bestandteil
der Entscheidung selbst sein.
- 267.
- Schließlich fehle in der Entscheidung eine Erläuterung der Gründe, aus denen die
Kommission davon ausgegangen sei, daß die Klägerin nicht in den Genuß einer
Verringerung der Geldbuße kommen solle, obwohl sie in ihrer Erwiderung auf die
Mitteilung der Beschwerdepunkte die Tatsachenbehauptungen der Kommission in
der Substanz nicht bestritten habe. Die Kommission hätte in der Entscheidung
angeben müssen, welche Tatsachen die Unternehmen, deren Geldbuße
herabgesetzt worden sei, im Verwaltungsverfahren eingeräumt oder nicht bestritten
hätten.
- 268.
- Die Kommission ist der Ansicht, daß die Entscheidung eine ausreichende
Darstellung der für die Festsetzung der Geldbuße für jedes einzelne Unternehmen
ausschlaggebenden Gründe enthalte. Die in Randnummer 169 der Entscheidung
aufgezählten Kriterien seien nämlich im Licht der gesamten Begründung der
Entscheidung zu sehen (Urteil ICI/Kommission, Randnr. 355). Die Entscheidung
enthalte aber gerade in bezug auf die hinsichtlich der Klägerin vorgenommene
individuelle Würdigung zahlreiche Angaben (insbesondere in den Randnrn. 8, 9,
36 ff. und 170 bis 173).
- 269.
- Es treffe nicht zu, daß die in der Entscheidung enthaltene Begründung keine
gerichtliche Überprüfung der Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit
zulasse. Die Klägerin gehe offenbar irrtümlich davon aus, daß die Bußgelder auf
der Grundlage einer mathematischen Formel festgesetzt worden seien; dies sei
jedoch nicht der Fall. Der zugrundegelegte Ausgangssatz sei nach Maßgabe der
besonderen Situation jedes betroffenen Unternehmens geändert worden. Im
übrigen seien die Umsatzzahlen Geschäftsgeheimnisse, die die Kommission wahren
müsse.
- 270.
- In bezug auf die für die Zusammenarbeit mit der Kommission gewährten Nachlässe
enthalte die Entscheidung zusammenfassende Angaben zum
Verteidigungsvorbringen der einzelnen Unternehmen (Randnrn. 107 bis 110) sowie
zur Würdigung dieses Vorbringens durch die Kommission (Randnrn. 111 bis 115).
Hinsichtlich der Klägerin gehe aus den Randnummern 108 und 114 der
Entscheidung hervor, daß die Kommission deren Ausführungen in zentralen
Punkten für sachlich unrichtig gehalten habe und daß sie deshalb nicht als geständig
habe angesehen werden können (siehe auch Randnr. 172 der Entscheidung). Die
Klägerin habe somit beurteilen können, ob sie im Verhältnis zu anderen
Unternehmen sachgerecht und ohne Diskriminierung behandelt worden sei.
- 271.
- Schließlich sei die Begründung hinsichtlich der Bemessung der individuellen
Geldbußen voll und ganz mit der Begründung in der Polypropylen-Entscheidung
vergleichbar, die als ausreichend angesehen worden sei (Urteil ICI/Kommission,
Randnrn. 353 und 354).
Würdigung durch das Gericht
- 272.
- Das Gericht hat bereits auf den Zweck der Pflicht zur Begründung einer
Einzelfallentscheidung hingewiesen (siehe oben, Randnr. 42).
- 273.
- Handelt es sich um eine Entscheidung, mit der wie im vorliegenden Fall gegen
mehrere Unternehmen wegen einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln
der Gemeinschaft Geldbußen festgesetzt werden, so ist bei der Bestimmung des
Umfangs der Begründungspflicht insbesondere zu berücksichtigen, daß die Schwere
der Zuwiderhandlungen anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln
ist (siehe oben, Randnr. 256).
- 274.
- Außerdem verfügt die Kommission bei der Festlegung der Höhe der einzelnen
Geldbußen über ein Ermessen und ist nicht verpflichtet, insoweit eine genaue
mathematische Formel anzuwenden (in diesem Sinne auch Urteil des Gerichts vom
6. April 1995 in der Rechtssache T-150/89, Martinelli/Kommission, Slg. 1995,
II-1165, Randnr. 59).
- 275.
- Die zur Ermittlung des allgemeinen Niveaus der Geldbußen und der Höhe der
individuellen Geldbußen herangezogenen Kriterien finden sich in den
Randnummern 168 und 169 der Entscheidung. Zudem führt die Kommission inbezug auf die individuellen Geldbußen in Randnummer 170 aus, daß die
Unternehmen, die an den Sitzungen des PWG teilgenommen hätten, grundsätzlich
als „Anführer“ des Kartells und die übrigen Unternehmen als dessen „gewöhnliche
Mitglieder“ angesehen worden seien. Schließlich weist sie in den Randnummern
171 und 172 darauf hin, daß die gegen Rena und Stora festgesetzten Geldbußen
erheblich niedriger auszufallen hätten, um deren aktiver Kooperation mit der
Kommission Rechnung zu tragen, und daß acht andere Unternehmen ebenfalls in
den Genuß einer in geringerem Umfang herabgesetzten Geldbuße kommen
könnten, da sie in ihren Erwiderungen auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte
die vorgebrachten Tatsachenbehauptungen der Kommission in der Substanz nicht
bestritten hätten.
- 276.
- In ihren beim Gericht eingereichten Schriftsätzen und in ihrer Antwort auf eine
schriftliche Frage des Gerichts hat die Kommission erläutert, daß die Geldbußen
auf der Grundlage des von den einzelnen Adressaten der Entscheidung auf dem
Kartonmarkt der Gemeinschaft im Jahr 1990 erzielten Umsatzes berechnet worden
seien. Gegen die als „Anführer“ des Kartells angesehenen Unternehmen seien
Geldbußen mit einem Basissatz von 9 % und gegen die übrigen Unternehmen
Geldbußen mit einem Basissatz von 7,5 % festgesetzt worden. Schließlich habe die
Kommission gegebenenfalls dem kooperativen Verhalten bestimmter Unternehmen
während des Verwaltungsverfahrens Rechnung getragen. Bei zwei Unternehmen
seien die Geldbußen aus diesem Grund um zwei Drittel und bei anderen
Unternehmen um ein Drittel herabgesetzt worden.
- 277.
- Im übrigen ergibt sich aus einer von der Kommission vorgelegten Tabelle, die
Angaben zur Festlegung der Höhe aller individuellen Geldbußen enthält, daß diese
zwar nicht durch streng mathematische Anwendung allein der oben genannten
Zahlen ermittelt wurden, daß diese Zahlen jedoch bei der Berechnung der
Geldbußen systematisch herangezogen wurden.
- 278.
- In der Entscheidung wird aber nicht erläutert, daß die Geldbußen auf der
Grundlage des von den einzelnen Unternehmen auf dem Kartonmarkt der
Gemeinschaft im Jahr 1990 erzielten Umsatzes berechnet wurden. Auch die zur
Berechnung der festgesetzten Geldbußen angewandten Basissätze von 9 % für die
als „Anführer“ angesehenen Unternehmen und von 7,5 % für die „gewöhnlichen
Mitglieder“ sind in der Entscheidung nicht zu finden. Gleiches gilt für den Umfang
der Herabsetzung bei Rena und Stora einerseits und bei acht anderen
Unternehmen andererseits.
- 279.
- Im vorliegenden Fall ist erstens davon auszugehen, daß die Randnummern 169 bis
172 der Entscheidung bei einer Auslegung im Licht der in der Entscheidung zu
findenden eingehenden Darstellung der jedem ihrer Adressaten zur Last gelegten
Sachverhalte ausreichende und sachgerechte Angaben zu den Gesichtspunkten
enthalten, die bei der Beurteilung der Schwere und der Dauer der von den
einzelnen Unternehmen begangenen Zuwiderhandlung herangezogen wurden (in
diesem Sinne auch Urteil des Gerichts vom 24. Oktober 1991 in der Rechtssache
T-2/89, Petrofina/Kommission, Slg. 1991, II-1087, Randnr. 264). Die Angabe der
Kriterien, die einen Bußgeldnachlaß rechtfertigten, und die Aufzählung der
Unternehmen, die einen solchen Nachlaß erhielten (Randnrn. 171 und 172 der
Entscheidung), ermöglichen es außerdem, die Erwägungen der Kommission
nachzuvollziehen. Sie brauchte die individuelle Anwendung dieser Kriterien deshalb
nicht näher zu erläutern.
- 280.
- Zweitens würde, wenn die Höhe der jeweiligen Geldbußen wie hier auf der
Grundlage der systematischen Heranziehung einiger ganz bestimmter Daten
ermittelt wird, die Angabe all dieser Faktoren in der Entscheidung den
Unternehmen die Beurteilung der Frage erleichtern, ob die Kommission bei der
Festlegung der Höhe der individuellen Geldbuße Fehler begangen hat und ob die
Höhe jeder individuellen Geldbuße in Anbetracht der angewandten allgemeinen
Kriterien gerechtfertigt ist. Im vorliegenden Fall wäre mit der Angabe der
fraglichen Faktoren Referenzumsatz, Referenzjahr, angewandte Basissätze und
Umfang der Herabsetzung der Geldbußen in der Entscheidung keine
möglicherweise gegen Artikel 214 des Vertrages verstoßende implizite Preisgabe
des genauen Umsatzes der Adressaten der Entscheidung verbunden gewesen. Denn
der Endbetrag der individuellen Geldbußen ergibt sich, wie die Kommission selbst
ausgeführt hat, nicht aus einer streng mathematischen Anwendung dieser Faktoren.
- 281.
- Die Kommission hat im übrigen in der Verhandlung eingeräumt, daß sie in der
Entscheidung die systematisch berücksichtigten und in einer Pressekonferenz am
Tag ihres Erlasses bekanntgegebenen Faktoren durchaus hätte aufzählen können.
Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß die Begründung einer Entscheidung nach
ständiger Rechtsprechung in der Entscheidung selbst enthalten sein muß und daß
nachträgliche Erläuterungen der Kommission nur unter außergewöhnlichen
Umständen berücksichtigt werden können (vgl. Urteil des Gerichts vom 2. Juli 1992
in der Rechtssache T-61/89, Dansk Pelsdyravlerforening/Kommission, Slg. 1992,
II-1931, Randnr. 131; in diesem Sinne auch Urteil des Gerichts vom 12. Dezember
1991 in der Rechtssache T-30/89, Hilti/Kommission, Slg. 1991, II-1439,
Randnr. 136).
- 282.
- Gleichwohl ist festzustellen, daß die Begründung zur Festlegung der Höhe der
Geldbußen in den Randnummern 167 bis 172 der Entscheidung mindestens ebenso
detailliert ist wie die Begründung in früheren Entscheidungen der Kommission, die
ähnliche Zuwiderhandlungen betrafen. Zwar ist der Klagegrund eines
Begründungsmangels von Amts wegen zu berücksichtigen, doch hatte der
Gemeinschaftsrichter zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung noch in keinem
Fall die Praxis der Kommission bei der Begründung der festgesetzten Geldbußen
gerügt. Erst im Urteil vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-148/89
(Tréfilunion/Kommission, Slg. 1995, II-1063, Randnr. 142) und in zwei anderen
Urteilen vom selben Tag in den Rechtssachen T-147/89 (Société métallurgique de
Normandie/Kommission, Slg. 1995, II-1057, abgekürzte Veröffentlichung) und
T-151/89 (Société des treillis et panneaux soudés/Kommission, Slg. 1995, II-1191,
abgekürzte Veröffentlichung) hat es das Gericht erstmals als wünschenswert
bezeichnet, daß die Unternehmen die Berechnungsweise der gegen sie verhängten
Geldbuße im einzelnen in Erfahrung bringen können, ohne zu diesem Zweck
gerichtlich gegen die Entscheidung der Kommission vorgehen zu müssen.
- 283.
- Folglich muß die Kommission, wenn sie in einer Entscheidung eine
Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln feststellt und gegen die daran
beteiligten Unternehmen Geldbußen verhängt und wenn sie systematisch bestimmte
Grundelemente bei der Festlegung der Höhe der Geldbußen heranzieht, diese
Elemente in der Entscheidung selbst angeben, um es deren Adressaten zu
ermöglichen, die Richtigkeit der Höhe der Geldbuße zu überprüfen und
festzustellen, ob eine Diskriminierung vorliegt.
- 284.
- Unter den zuvor in Randnummer 282 genannten besonderen Umständen und unter
Berücksichtigung der Tatsache, daß die Kommission bereit war, im gerichtlichen
Verfahren alle Auskünfte über den Berechnungsmodus der Geldbußen zu geben,
kann das Fehlen einer speziellen Begründung für den Berechnungsmodus der
Geldbußen in der Entscheidung im vorliegenden Fall nicht als Verstoß gegen die
Begründungspflicht angesehen werden, der die völlige oder teilweise
Nichtigerklärung der festgesetzten Geldbußen rechtfertigt.
- 285.
- Der vorliegende Klagegrund ist daher abzuweisen.
D Zum Klagegrund, der darauf gestützt wird, daß die Klägerin fälschlich als
„Anführerin“ des Kartells eingestuft worden sei
Vorbringen der Parteien
- 286.
- Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe sie zu Unrecht zu den
„Anführern“ des Kartells gezählt. Die Kommission habe diese Feststellung nur auf
einen Gesichtspunkt gestützt, und zwar darauf, daß sie im PWG vertreten gewesen
sei (Randnr. 170 der Entscheidung). Dieser Gesichtspunkt könne jedoch nicht als
ausreichend angesehen werden, zumal die Kommission nicht erläutert habe,
weshalb die ebenfalls im PWG vertretenen Unternehmen Weig und KNP nicht
zu den „Anführern“ gezählt worden seien.
- 287.
- Es sei auch nicht gerechtfertigt, sie zu den „Anführern“ zu zählen, weil sie für
weniger als ein halbes Jahr die Präsidentschaft des PWG innegehabt habe.
- 288.
- Die Teilnehmer an den Sitzungen des PWG hätten auch nicht die Rolle einer
„treibenden Kraft“ des Kartells gespielt. Alle Teilnehmer an den Sitzungen der
verschiedenen Gremien der PG Karton hätten an allen Gesprächen mitgewirkt, die
gegen Artikel 85 des Vertrages verstoßen haben könnten. Außerdem räume die
Kommission selbst ein, daß alle Gremien der PG Karton Funktionen ausgeübt
hätten, die Teil eines gemeinsamen Gesamtplans zur Beschränkung des
Wettbewerbs gewesen seien, und daß jedes Unternehmen an diesem Gesamtsystem
mitgewirkt habe.
- 289.
- Die Kommission trägt vor, die Klägerin sei aufgrund ihrer Teilnahme an den
Sitzungen des PWG, in dem die grundlegenden Entscheidungen über
Preisinitiativen und über die „Preis-vor-Menge“-Politik getroffen worden seien
(Randnrn. 36 bis 40 der Entscheidung), als einer der „Anführer“ des Kartells
anzusehen. Außerdem sei angesichts der Tatsache, daß die Klägerin über einen
längeren Zeitraum den Vorsitz im PWG geführt habe, davon auszugehen, daß sie
darin eine durchaus aktive Rolle gespielt habe.
Würdigung durch das Gericht
- 290.
- Den Feststellungen zu den von der Klägerin zur Stützung ihres Antrags auf
Nichtigerklärung von Artikel 1 der Entscheidung geltend gemachten Klagegründen
ist zu entnehmen, daß die Kommission ordnungsgemäß nachgewiesen hat, daß der
PWG die in der Entscheidung beschriebenen Funktionen hatte. Auch die Rolle, die
insbesondere Ende 1987 die diesem Gremium angehörenden Unternehmen
spielten, wurde nachgewiesen.
- 291.
- Unter diesen Umständen war die Kommission zu dem Schluß berechtigt, daß die
Unternehmen, die an den Sitzungen dieses Gremiums teilnahmen und zu denen die
Klägerin gehörte, als „Anführer“ der festgestellten Zuwiderhandlung anzusehen
waren und aus diesem Grund eine besondere Verantwortung zu tragen hatten (vgl.
Randnr. 170 Absatz 1 der Entscheidung). Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß die
Kommission bei der Einstufung der Unternehmen als „Anführer“ nicht darauf
abgestellt hat, wer die Präsidentschaft des PWG innehatte, sondern auf die
Teilnahme an den Sitzungen dieses Gremiums.
- 292.
- Im vorliegenden Fall hat die Klägerin unstreitig seit der Schaffung des PWG an
dessen Sitzungen teilgenommen. Sie hat auch nicht dargetan, daß sie in den
Gremien der PG Karton eine weitgehend passive Rolle gespielt hätte.
- 293.
- Auch wenn die Behauptung zuträfe, daß alle Unternehmen, die an den Sitzungen
der verschiedenen Gremien der PG Karton teilnahmen, als für die
Zuwiderhandlung verantwortlich anzusehen seien, könnte sie keinen Einfluß auf die
Feststellung haben, daß die dem PWG angehörenden Unternehmen eine besondere
Rolle bei der Ausarbeitung und Durchführung der rechtswidrigen Handlungen
spielten.
- 294.
- Schließlich enthält die Entscheidung nach Ansicht des Gerichts hinreichende
Erläuterungen, um die Rolle von KNP und Weig beurteilen zu können. So wurde
KNP gemäß Artikel 170 Absatz 2 der Entscheidung nur während der Zeit ihrer
Teilnahme an den Sitzungen des PWG, d. h. nicht während der gesamten Dauer
ihrer Beteiligung am Kartell, zu den „Anführern“ des Kartells gezählt. Außerdem
hat die Kommission nach ihren Angaben berücksichtigt, daß Weig, obschon
Mitglied des PWG, bei der Gestaltung der Politik des Kartells keine wichtige Rolle
gespielt zu haben scheine (Randnr. 170 Absatz 3 der Entscheidung). Die
Behauptung der Klägerin, daß sie gegenüber den genannten Unternehmen
benachteiligt worden sei, entbehrt daher der Grundlage.
- 295.
- Folglich ist dieser Klagegrund abzuweisen.
E Zum Klagegrund einer Verletzung der Verteidigungsrechte
Vorbringen der Parteien
- 296.
- Die Klägerin macht geltend, daß ihre Verteidigungsrechte verletzt worden seien.
Die gegen sie verhängte Geldbuße sei um 50 % erhöht worden, weil sie einzelne
Tatvorwürfe der Kommission bestritten habe. Sie sei folglich mit einer härteren
Sanktion belegt worden, weil sie nicht auf die Geltendmachung ihrer
Verteidigungsrechte verzichtet habe.
- 297.
- Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte
stehe die Ausübung jeder Art von Druck auf die Unternehmen, damit sie um
eine Herabsetzung der Geldbuße zu erreichen auf ein Bestreiten der gegen sie
erhobenen Tatvorwürfe verzichteten, im Widerspruch zu Artikel 6 EMRK (Urteile
des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 27. Februar 1980 in der
Rechtssache Deweer, Serie A, Nr. 35, Randnrn. 41 bis 47, und vom 25. Februar
1993 in der Rechtssache Funke, Serie A, Nr. 256-A, Randnr. 44). Außerdem
müßten nach Ansicht dieses Gerichts die Ermittlungsbehörden auch in
Wettbewerbsverfahren gegenüber Unternehmen die verfahrensrechtlichen
Garantien von Artikel 6 EMRK und namentlich das Prinzip der
Unschuldsvermutung respektieren (Urteile des Europäischen Gerichtshofes für
Menschenrechte vom 8. Juni 1976 in der Rechtssache Engel u. a., Serie A, Nr. 22,
vom 21. Februar 1984 in der Rechtssache Öztürk, Serie A, Nr. 73, und in der
Rechtssache Deweer sowie Bericht der Europäischen Kommission für
Menschenrechte vom 30. Mai 1991 in der Rechtssache Stenuit/Französischer Staat,
Nr. 11598/85, Serie A, Nr. 232-A).
- 298.
- Die Verteidigungsrechte seien als generelles Prinzip des Gemeinschaftsrechts
anerkannt worden, aus dem folge, daß die Unternehmen keinem Zwang
unterworfen werden dürften, um sie dazu zu bringen, die Richtigkeit der gegen sie
erhobenen Vorwürfe einzugestehen (Urteil des Gerichtshofes vom 18. Oktober
1989 in der Rechtssache 374/87, Orkem/Kommission, Slg. 1989, 3283, Randnr. 35).
Insbesondere sei anerkannt worden, daß Artikel 6 EMRK im Verwaltungsverfahren
vor der Kommission Anwendung finde (Randnr. 30 desselben Urteils).
- 299.
- Während des Verwaltungsverfahrens vor der Kommission seien Drohungen
gegenüber den Unternehmen ausgesprochen worden, um sie dazu zu zwingen, die
Behauptungen der Kommission nicht zu bestreiten. Die Kommission räume ein,
während des Verwaltungsverfahrens den Unternehmen gegenüber zum Ausdruck
gebracht zu haben, daß ihre Kooperation bei der Bußgeldbemessung
Berücksichtigung finden würde.
- 300.
- Darüber hinaus seien die Verteidigungsrechte der Klägerin dadurch verletzt
worden, daß sie die Schriftsätze der Unternehmen, die einen Bußgeldnachlaß
erhalten hätten, weil sie die Tatsachenbehauptungen der Kommission in der
Substanz nicht bestritten hätten, nicht habe einsehen können. Unter diesen
Umständen habe sie nicht prüfen können, ob diese Unternehmen die
Behauptungen tatsächlich in der Substanz nicht bestritten hätten und ob sie folglich
gegenüber diesen Unternehmen benachteiligt worden sei.
- 301.
- Die Kommission hält sich für berechtigt, die Geldbußen herabzusetzen, um einer
aktiven Kooperation der Unternehmen Rechnung zu tragen (Urteile des Gerichts
vom 10. März 1992 in der Rechtssache T-12/89, Solvay/Kommission, Slg. 1992,
II-907, Randnrn. 341 und 342, und in der Rechtssache ICI/Kommission, Randnr.
393). Eine solche Herabsetzung der Geldbuße könne nur dann als Verletzung der
Verteidigungsrechte der fraglichen Unternehmen angesehen werden, wenn die
Kommission damit drohe, gegen Unternehmen, die die Zuwiderhandlungen nicht
zugäben, höhere Geldbußen zu verhängen.
- 302.
- Sie habe nie auch nur den geringsten Druck auf die Klägerin ausgeübt, um sie dazu
zu bewegen, die Richtigkeit der Beschwerdepunkte nicht zu bestreiten. Sie habe ihr
zu den gleichen Bedingungen wie allen anderen betroffenen Unternehmen die
Möglichkeit eines Bußgeldnachlasses angeboten.
- 303.
- Auch das auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für
Menschenrechte und das Urteil Orkem/Kommission gestützte Vorbringen sei nicht
stichhaltig. Aus dem letztgenannten Urteil (Randnr. 30) gehe im übrigen
ausdrücklich hervor, daß die EMRK für die vorliegende Frage ohne Bedeutung sei.
- 304.
- Schließlich sei sie nicht verpflichtet, während des Verwaltungsverfahrens
offenzulegen, welche Kriterien sie bei der Bußgeldbemessung heranziehen wolle
(Urteil des Gerichtshofes vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81,
Michelin/Kommission, Slg. 1983, 3461, Randnrn. 17 ff.); es reiche aus, wenn sie
diese Kriterien in der Entscheidung selbst angebe. Es genüge daher, wenn in der
Entscheidung dargelegt werde, in welchem Maß die einzelnen Unternehmen
kooperiert hätten.
Würdigung durch das Gericht
- 305.
- Die Kommission hat sich bei der Festlegung des allgemeinen Niveaus der
Geldbußen auf die in den Randnummern 167 und 168 der Entscheidung
angegebenen Erwägungen gestützt. Außerdem wurden unstreitig gegen die als
„Anführer“ des Kartells angesehenen Unternehmen Geldbußen mit einem
Basissatz von 9 % und gegen die übrigen Unternehmen Geldbußen mit einem
Basissatz von 7,5 % des von den Adressaten der Entscheidung auf dem
Kartonmarkt der Gemeinschaft im Jahr 1990 erzielten Umsatzes festgesetzt.
- 306.
- Die in Randnummer 168 der Entscheidung wiedergegebenen Kriterien rechtfertigen
das von der Kommission festgelegte allgemeine Niveau der Geldbußen (siehe oben,
Randnr. 262).
- 307.
- In den Randnummern 169 bis 172 der Entscheidung sind die Gesichtspunkte zu
finden, die die Kommission der Festsetzung der gegen die einzelnen Unternehmen
verhängten Geldbußen zugrunde gelegt hat. Die Kommission weist insbesondere
in den Randnummern 171 und 172 darauf hin, daß die gegen Rena und Stora
festgesetzten Geldbußen erheblich niedriger auszufallen hätten, um deren aktiver
Kooperation mit der Kommission Rechnung zu tragen, und daß acht andere
Unternehmen ebenfalls in den Genuß einer in geringerem Umfang herabgesetzten
Geldbuße kommen könnten, da sie in ihren Erwiderungen auf die Mitteilung der
Beschwerdepunkte die vorgebrachten Tatsachenbehauptungen der Kommission in
der Substanz nicht angefochten hätten. Im Verfahren vor dem Gericht hat die
Kommission u. a. erläutert, daß sie gegebenenfalls dem kooperativen Verhalten
bestimmter Unternehmen während des Verwaltungsverfahrens Rechnung getragen
habe, indem sie die Geldbußen von zwei Unternehmen um zwei Drittel und die von
anderen Unternehmen um ein Drittel herabgesetzt habe.
- 308.
- Da das von der Kommission gewählte allgemeine Niveau der Geldbußen in
Anbetracht der in der Entscheidung genannten Kriterien als gerechtfertigt
angesehen worden ist, ist festzustellen, daß die Kommission wie in der
Entscheidung angegeben die gegen die Unternehmen festgesetzten Geldbußen
tatsächlich herabgesetzt hat, wenn sie sich im Verwaltungsverfahren kooperativ
verhalten hatten. Dem Vorbringen der Klägerin, daß die Kommission die
Geldbußen der Unternehmen, die von ihren Verteidigungsrechten Gebrauch
gemacht hätten, erhöht habe, kann daher nicht gefolgt werden.
- 309.
- Werden die Verteidigungsrechte im Verwaltungsverfahren vor der Kommission in
der Weise ausgeübt, daß die Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht beantwortet
wird, daß zu den Tatsachenbehauptungen in der Erwiderung auf die Mitteilung der
Beschwerdepunkte nicht Stellung genommen wird oder daß in dieser Erwiderung
die wesentlichen oder alle in der Mitteilung der Beschwerdepunkte enthaltenen
Tatsachenbehauptungen bestritten werden, so kann dies keine Herabsetzung der
Geldbuße wegen einer Kooperation im Verwaltungsverfahren rechtfertigen. Eine
Herabsetzung aus diesem Grund ist nur dann gerechtfertigt, wenn das Verhalten
es der Kommission ermöglicht hat, eine Zuwiderhandlung leichter festzustellen und
gegebenenfalls zu beenden (vgl. Urteil ICI/Kommission, Randnr. 393). Unter diesen
Umständen kann bei einem Unternehmen, das ausdrücklich erklärt, daß es die von
der Kommission vorgebrachten Tatsachenbehauptungen nicht bestreite, davon
ausgegangen werden, daß es zur Erleichterung der in der Feststellung und
Verfolgung von Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln der
Gemeinschaft bestehenden Aufgabe der Kommission beigetragen hat.
- 310.
- Schließlich hat der Gerichtshof im Urteil Orkem/Kommission in bezug auf Artikel 6
EMRK entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht entschieden, daß diese
Bestimmung im Verwaltungsverfahren vor der Kommission Anwendung findet,
sondern wie schon aus dem Wortlaut des Urteils (Randnr. 30) hervorgeht dies
für den dortigen Fall lediglich in Erwägung gezogen.
- 311.
- Das Gericht kann die Rechtmäßigkeit einer wettbewerbsrechtlichen Untersuchung
nicht anhand von Bestimmungen der EMRK beurteilen, da diese als solche nicht
Bestandteil des Gemeinschaftsrechts sind.
- 312.
- Nach ständiger Rechtsprechung gehören die Grundrechte allerdings zu den
allgemeinen Rechtsgrundsätzen, deren Wahrung der Gemeinschaftsrichter zu
sichern hat (vgl. u. a. Gutachten 2/94 des Gerichtshofes vom 28. März 1996, Slg.
1996, I-1759, Randnr. 33, und Urteil des Gerichtshofes vom 29. Mai 1997 in der
Rechtssache C-299/95, Kremzow, Slg. 1997, I-2629, Randnr. 14). Dabei lassen sich
der Gerichtshof und das Gericht von den gemeinsamen Verfassungstraditionen der
Mitgliedstaaten sowie von den Hinweisen leiten, die die völkerrechtlichen Verträge
über den Schutz der Menschenrechte geben, an deren Abschluß die Mitgliedstaaten
beteiligt waren oder denen sie beigetreten sind. Der EMRK kommt in diesem
Zusammenhang besondere Bedeutung zu (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 15.
Mai 1986 in der Rechtssache 222/84, Johnston, Slg. 1986, 1651, Randnr. 18, und in
der Rechtssache Kremzow, Randnr. 14). Ferner achtet die Union gemäß Artikel F
Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union „die Grundrechte, wie sie in
der [EMRK] gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen
Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten [ergeben,] als allgemeine
Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ...“
- 313.
- Somit ist zu prüfen, ob die Kommission bei Zugrundelegung dieser Erwägungen in
der Weise gegen den tragenden Grundsatz der Rechtsordnung der Gemeinschaft,
daß die Verteidigungsrechte gewahrt werden müssen (Urteil Michelin/Kommission,
Randnr. 7), verstoßen hat, daß sie während des Verwaltungsverfahrens
rechtswidrigen Druck auf die Klägerin ausübte, damit diese die in der Mitteilung
der Beschwerdepunkte enthaltenen Tatsachenbehauptungen einräumt.
- 314.
- Insoweit kann es nicht schon als Ausübung von Druck auf ein in die Untersuchung
einbezogenes Unternehmen angesehen werden, wenn dieses während des
Verwaltungsverfahrens darauf hingewiesen wird, daß im Fall der Anerkennung der
wesentlichen oder aller Tatsachenbehauptungen die zu verhängende Geldbuße
herabgesetzt werden könnte, wobei der Umfang dieser Herabsetzung nicht
angegeben wird.
- 315.
- Die Klägerin hat jedenfalls nicht erläutert, inwiefern die von der Kommission im
Verwaltungsverfahren angebotene Möglichkeit, die zu verhängende Geldbuße
herabzusetzen, sie derart unter Druck gesetzt hätte, daß sie gezwungen gewesen
wäre, die Richtigkeit der wesentlichen Tatsachenbehauptungen in der Mitteilung
der Beschwerdepunkte einzuräumen. In diesem Zusammenhang ist im übrigen
darauf hinzuweisen, daß die Klägerin von ihren Verteidigungsrechten im
Verwaltungsverfahren Gebrauch gemacht hat, denn sie hat die wesentlichen von
der Kommission vorgebrachten Tatsachenbehauptungen tatsächlich bestritten.
Folglich ist ihr Vorbringen zurückzuweisen.
- 316.
- Schließlich hat die Klägerin nicht erläutert, inwiefern gegen den Grundsatz der
Unschuldsvermutung verstoßen worden sei.
- 317.
- Auf ihr Vorbringen, daß sie nicht habe prüfen können, ob sie anders als die
übrigen von der Untersuchung betroffenen Unternehmen behandelt worden sei,
wird im Rahmen des Klagegrundes eines Verstoßes gegen den Grundsatz der
Gleichbehandlung eingegangen (siehe unten, Randnrn. 334 und 335).
- 318.
- Nach alledem ist der Klagegrund abzuweisen.
F Zum Klagegrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, der
darin bestehen soll, daß die Geldbuße der Klägerin nicht herabgesetzt wurde
Vorbringen der Parteien
- 319.
- Die Klägerin trägt vor, sie sei gegenüber den Unternehmen benachteiligt worden,
die einen Bußgeldnachlaß erhalten hätten, weil sie die Tatsachenbehauptungen der
Kommission in der Substanz nicht bestritten hätten (Randnr. 172 der
Entscheidung).
- 320.
- Aus einem Schreiben der Kommission vom 27. April 1994 gehe hervor, daß diese
von ihr für die Gewährung eines Nachlasses die Anerkennung der sachlichen
Richtigkeit der Vorwürfe verlangt habe, während sie dies bei anderen
Unternehmen nur davon abhängig gemacht habe, daß sie die
Tatsachenbehauptungen in der Substanz nicht bestritten.
- 321.
- Sie habe aber die Tatsachenbehauptungen der Kommission in der Substanz nicht
bestritten, so daß sie einen Bußgeldnachlaß hätte erhalten müssen. Sie habe stets
eingeräumt, an Gesprächen über Preise und Preiserhöhungen teilgenommen zu
haben, und sogar erklärt, daß solche Gespräche nach der Rechtsprechung gegen
Artikel 85 des Vertrages verstoßende abgestimmte Verhaltensweisen darstellten.
Die Kommission habe ihre Kooperation auch in der Einzeldarstellung zu den
Beschwerdepunkten ausdrücklich anerkannt.
- 322.
- Sie habe die Richtigkeit der von der Kommission vorgenommenen Würdigung der
Tatsachen, insbesondere in bezug auf ihre Behauptungen zur Existenz von
Preisvereinbarungen und eines perfekt organisierten Kartells, nicht einräumen
können, weil sie vor nationalen Gerichten hätte zur Verantwortung gezogen werden
können.
- 323.
- Sie habe aktiv mit der Kommission kooperiert und ihr insbesondere zusammen mit
einigen anderen Unternehmen eine verfahrensmäßige Lösung vorgeschlagen, diedarin bestanden habe, zum Ausgleich für eine Herabsetzung der Geldbuße auf die
Einlegung von Rechtsmitteln zu verzichten. Schon allein dieser Vorschlag hätte eine
Herabsetzung der Geldbuße gerechtfertigt.
- 324.
- Soweit sie in der Lage sei, den Inhalt der von den Unternehmen, die in den Genuß
des betreffenden Bußgeldnachlasses gekommen seien, abgegebenen Erklärungen
zu überprüfen, müsse sie schließlich davon ausgehen, daß sie mit Sicherheit
benachteiligt worden sei. Dies zeigten die im Amtsblatt der Europäischen
Gemeinschaften veröffentlichten wesentlichen Klagegründe der von Sarrió und Enso
Española erhobenen Klagen (ABl. 1994, C 380, S. 20 und 22). Aus ihnen gehe
hervor, daß diese beiden Unternehmen die Behauptungen der Kommission vor
dem Gericht in mindestens dem gleichen Maß bestritten wie sie. Dennoch seien
ihre Geldbußen wegen angeblichen Nichtbestreitens herabgesetzt worden.
Außerdem sei auf Auszüge aus den Erklärungen zu verweisen, die der Vertreter
von Weig bei der Anhörung vor der Kommission abgegeben habe, und auf die von
diesem Unternehmen vor dem Gericht geltend gemachten Klagegründe (wie sie im
ABl. 1994, C 380, S. 16 f., dargestellt würden). Daraus gehe hervor, daß Weig,
obwohl sie einen Bußgeldnachlaß erhalten habe, die Vorwürfe der Kommission im
selben Umfang wie sie bestreite.
- 325.
- Die Kommission weist darauf hin, daß sie nicht nur berechtigt sei, eine aktive
Kooperation bußgeldmindernd zu berücksichtigen, sondern daß dies gegebenenfalls
sogar geboten sei (Urteil ICI/Kommission, Randnr. 393). Die Berücksichtigung des
Nichtbestreitens von Tatsachen als mildernder Umstand bei der Bemessung der
Geldbußen sei somit gerechtfertigt, da eine solche Kooperation zur Aufklärung des
Sachverhalts und zur Beschleunigung des Verfahrens beitrage.
- 326.
- Die Klägerin habe keine derartige aktive Kooperation gezeigt. Zum einen habe sie
nur die Existenz einer abgestimmten Verhaltensweise eingeräumt, was jedoch kein
Eingeständnis der Tatsachen darstelle. Zum anderen habe sie stets nicht nur
bestritten, daß Preisvereinbarungen getroffen worden seien, sondern auch jede
Absprache über Produktionsmengen, Marktanteile und die planmäßige
Durchführung der Preisinitiativen geleugnet.
- 327.
- Die von der Klägerin vorgeschlagene Lösung zur Beendigung des Verfahrens könne
nicht als aktive Kooperation angesehen werden, die einen Bußgeldnachlaß
rechtfertige. Ein Rechtsmittelverzicht sei nämlich nicht zur Aufklärung des
Sachverhalts geeignet. Er könne auch nicht zur Verfahrensbeschleunigung führen,
da die Kommission kein Interesse am Abschluß eines solchen „Handels“ mit den
Unternehmen habe.
- 328.
- Was die angebliche Ungleichbehandlung gegenüber Sarrió und Enso Española
anbelange, so hätten diese beiden Unternehmen die von ihr getroffenen
Tatsachenfeststellungen jedenfalls vor Erlaß der Entscheidung in der Substanz nicht
bestritten. Die Herabsetzung ihrer Geldbußen sei deshalb gerechtfertigt gewesen.
Auch das Verhalten von Weig sei mit dem der Klägerin nicht vergleichbar. Zum
einen habe Weig die Feststellungen der Kommission bereits in der Erwiderung auf
die Beschwerdepunkte im wesentlichen nicht mehr bestritten. Zum anderen habe
sie zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen, indem sie eine Aussage eines
Vorstandsmitglieds von Feldmühle beigebracht habe, das an den Sitzungen
verschiedener Gremien der PG Karton teilgenommen habe.
Würdigung durch das Gericht
- 329.
- Die Klägerin hat in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte nur
eingeräumt, daß die Gespräche im Rahmen der Gremien der PG Karton Preise
und Preiserhöhungen betroffen haben könnten.
- 330.
- Die Kommission hat zu Recht die Ansicht vertreten, daß sich die Klägerin mit
dieser Erwiderung nicht in einer Weise verhalten habe, die eine Herabsetzung der
Geldbuße aufgrund einer Kooperation während des Verwaltungsverfahrens
rechtfertige. Eine Herabsetzung aus diesem Grund ist nur dann gerechtfertigt, wenn
das Verhalten es der Kommission ermöglicht hat, eine Zuwiderhandlung leichter
festzustellen und gegebenenfalls zu beenden (vgl. Urteil ICI/Kommission,
Randnr. 393).
- 331.
- Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Randnr. 309), kann bei einem Unternehmen,
das ausdrücklich erklärt, daß es die von der Kommission vorgebrachten
Tatsachenbehauptungen nicht bestreite, davon ausgegangen werden, daß es zur
Erleichterung der in der Feststellung und Verfolgung von Zuwiderhandlungen
gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft bestehenden Aufgabe der
Kommission beigetragen hat. Die Kommission ist berechtigt, ein solches Verhalten
in ihren Entscheidungen, in denen sie eine Zuwiderhandlung gegen diese Regeln
feststellt, als Eingeständnis der behaupteten Tatsachen und damit als Beweis für
die Begründetheit der fraglichen Behauptungen zu werten. Dieses Verhalten kann
daher eine Herabsetzung der Geldbuße rechtfertigen.
- 332.
- Etwas anderes gilt, wenn ein Unternehmen die Mitteilung der Beschwerdepunkte
nicht beantwortet, wenn es nur erklärt, daß es zu den von der Kommission darin
aufgestellten Tatsachenbehauptungen nicht Stellung nehme oder wenn es in seiner
Erwiderung wie die Klägerin diese Behauptungen im wesentlichen bestreitet.
Durch ein solches Verhalten während des Verwaltungsverfahrens trägt das
Unternehmen nicht zur Erleichterung der in der Feststellung und Verfolgung von
Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft bestehenden
Aufgabe der Kommission bei. Ferner liegt es auf der Hand, daß auch der von der
Klägerin im Verwaltungsverfahren gemachte Vorschlag an die Kommission, auf die
Erhebung einer Klage gegen die zu erlassende Entscheidung zu verzichten, nicht
zur Erleichterung dieser Aufgabe beitragen konnte.
- 333.
- Wenn die Kommission in Randnummer 172 Absatz 1 der Entscheidung erklärt, daß
sie gegen die Unternehmen, die in ihren Erwiderungen auf die Mitteilung der
Beschwerdepunkte die von ihr vorgebrachten Tatsachenbehauptungen in der
Substanz nicht angefochten hätten, eine niedrigere Geldbuße festgesetzt habe, so
können diese Bußgeldnachlässe folglich nur dann als zulässig angesehen werden,
wenn die betreffenden Unternehmen ausdrücklich mitgeteilt haben, daß sie die
fraglichen Behauptungen nicht bestritten.
- 334.
- Selbst wenn man unterstellt, daß die Kommission ein rechtswidriges Kriterium
angewandt hätte, indem sie die Geldbußen von Unternehmen herabsetzte, die nicht
ausdrücklich erklärt hatten, daß sie die Tatsachenbehauptungen nicht bestritten, ist
darauf hinzuweisen, daß die Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung mit
der Beachtung des Gebots rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden
muß, das besagt, daß sich niemand zu seinem Vorteil auf eine gegenüber anderen
begangene Rechtsverletzung berufen kann (vgl. z. B. Urteil des Gerichtshofes vom
4. Juli 1985 in der Rechtssache 134/84, Williams/Rechnungshof, Slg. 1985, 2225,
Randnr. 14). Da die Argumentation der Klägerin gerade darauf hinausläuft, ihr
einen Anspruch auf eine rechtswidrige Herabsetzung der Geldbuße einzuräumen,
kann dieser Argumentation nicht gefolgt werden.
- 335.
- Da es nicht zu einer Herabsetzung der gegen die Klägerin festgesetzten Geldbuße
führen kann, daß die Kommission einige Geldbußen möglicherweise zu Unrecht
herabgesetzt hat, kann die Klägerin nicht geltend machen, daß ihre
Verteidigungsrechte dadurch verletzt worden seien, daß sie nicht habe prüfen
können, ob sie in diesem Punkt anders als die übrigen Unternehmen behandelt
worden sei.
- 336.
- Schließlich geht das Vorbringen der Klägerin fehl, daß die Geldbußen der Firmen
Sarrió und Enso Española sowie in gewissem Umfang Weig um ein Drittel
herabgesetzt worden seien, obwohl sie in ihren beim Gericht erhobenen Klagen
gegen die Entscheidung die darin enthaltenen Behauptungen angefochten hätten.
Die Kommission hat nämlich bei der Gewährung der Bußgeldnachlässe nur das
Verhalten der Unternehmen während des Verwaltungsverfahrens berücksichtigt.
- 337.
- Folglich ist der Klagegrund abzuweisen.
G Zum Klagegrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung
durch Festsetzung einer Geldbuße gegen die Klägerin, die im Verhältnis zu der gegen
Stora verhängten Geldbuße überhöht sei
Vorbringen der Parteien
- 338.
- Die Klägerin trägt vor, nach der Rechtsprechung seien die Geldbußen individuell,
ohne Diskriminierung und unter Berücksichtigung des Tatbeitrags, der Marktlage
und der allgemeinen wirtschaftlichen Lage jedes Unternehmens festzusetzen (vgl.
Urteile des Gerichtshofes vom 15. Juli 1970 in der Rechtssache 44/69,
Buchler/Kommission, Slg. 1970, 733, in den Rechtssachen Suiker Unie
u. a./Kommission, und vom 12. Juli 1979 in den Rechtssachen 32/78 und 36/78 bis
82/78, BMW Belgium u. a./Kommission, Slg. 1979, 2435). Der Gerichtshof und das
Gericht hätten die Bedeutung des Grundsatzes der Gleichbehandlung mehrfach
betont (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 30. Januar 1985 in der Rechtssache
35/83, BAT/Kommission, Slg. 1985, 363, Randnrn. 43 bis 47, und vom 8. Februar
1990 in der Rechtssache C-279/87, Tipp-Ex/Kommission, Slg. 1990, I-261,
abgekürzte Veröffentlichung, Randnrn. 40 und 41, sowie Urteile Dansk
Pelsdyravlerforening/Kommission, Randnr. 52, und ICI/Kommission).
- 339.
- In Anbetracht dieser Rechtsprechung könne das Vorbringen der Kommission, daß
sich die Klägerin nicht auf eine etwaige Bevorzugung von Stora berufen könne,
nicht durchgreifen.
- 340.
- Der Klagegrund besteht aus zwei Teilen.
- 341.
- Mit dem ersten Teil macht die Klägerin geltend, das gegen sie verhängte Bußgeld
sei gegenüber der Geldbuße von Stora unverhältnismäßig.
- 342.
- Feldmühle habe systematische Preisunterbietungen vorgenommen, die die Klägerin
und andere nicht in der Gemeinschaft ansässige Hersteller dazu gezwungen hätten,
ihre Expansionspolitik auf dem Gemeinschaftsmarkt zu beenden. Die Vertreter von
Stora/Feldmühle hätten im JMC und im PWG eine besonders aktive Rolle gespielt.
Schließlich sei Stora im fraglichen Zeitraum mit einem Marktanteil von etwa 14 %
Marktführer auf dem europäischen Kartonmarkt gewesen.
- 343.
- Vor der Gewährung etwaiger Nachlässe hätte die Geldbuße von Stora somit
wesentlich höher sein müssen als die der Klägerin. Die Kommission habe daher bei
der Festsetzung der Geldbußen den Gleichheitssatz verletzt (vgl. Urteil
ICI/Kommission, Randnrn. 352 und 354 ff.).
- 344.
- Mit dem zweiten Teil des Klagegrundes macht die Klägerin geltend, auch der
Bußgeldnachlaß für Stora verstoße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung.
Erstens sei die Kommission zu Unrecht davon ausgegangen, daß Stora freiwillig
und spontan kooperiert habe. Sie habe nämlich erst neun Monate nach der
Einlegung der Beschwerde durch die BPIF, von der die Branche rasch Kenntnis
erlangt habe, vier Monate nach den von der Kommission vorgenommenen
Durchsuchungen und erst nach Erhalt ihrer Auskunftsverlangen ein „Geständnis“
abgelegt.
- 345.
- Zweitens bestünden erhebliche Zweifel daran, ob das „Geständnis“ der Firma
Stora wirklich maßgeblich zum Nachweis der behaupteten Zuwiderhandlung
beigetragen habe. Insoweit sei auf die Angaben der Kommission zu verweisen, nach
denen die Aussagen von Stora in allen wichtigen Punkten durch andere Dokumente
bestätigt worden seien.
- 346.
- Drittens sei der Nachlaß für Stora jedenfalls unverhältnismäßig. Ein Vergleich der
Feststellungen des Gerichts im Urteil ICI/Kommission (Randnr. 393) mit dem
vorliegenden Sachverhalt zeige, daß Stora keinesfalls besser behandelt werden
dürfe als ICI vor dem Gericht.
- 347.
- Viertens führt die Klägerin in ihrer Erwiderung unter Berufung u. a. auf das Urteil
Solvay/Kommission (Randnrn. 341 f.) aus, es sei zweifelhaft, ob das bloße Ablegen
eines Geständnisses mit einem „Kooperationsrabatt“ belohnt werden könne, da die
Unternehmen ohnehin verpflichtet seien, Auskunftsverlangen der Kommission zu
beantworten.
- 348.
- Fünftens schließlich trägt die Klägerin in ihrer Erwiderung vor, die Kommission
habe bestimmte Unternehmen allein deshalb mit höheren Geldbußen belegt, weil
sie der Tatsachenwürdigung durch Stora nicht in vollem Umfang gefolgt seien. Dies
könne nicht hingenommen werden, zumal Stora zu den am schwersten belasteten
Unternehmen gehört und deshalb ein offensichtliches Interesse daran gehabt habe,
ihre eigene Rolle im Kartell gegenüber der anderer Unternehmen
herunterzuspielen.
- 349.
- Die Kommission ist der Ansicht, daß die Klägerin nicht die Rechtmäßigkeit ihrer
eigenen Geldbuße in Frage stelle, sondern die der gegen Stora verhängten
Geldbuße. Die Klägerin könne sich jedoch nicht auf die etwaige Rechtswidrigkeit
der gegen Stora verhängten Geldbuße berufen, da aus dem Grundsatz der
Gleichbehandlung nicht abzuleiten sei, daß sie für den Fall, daß die gegen Stora
verhängte Geldbuße rechtswidrig sei, ebenfalls Anspruch auf rechtswidrige
Behandlung habe.
- 350.
- Davon abgesehen sei die gegen Stora verhängte Geldbuße angemessen. Außerdem
setze eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung eine ungleiche
Behandlung vergleichbarer Fälle voraus. Die Situation der Klägerin sei jedoch nicht
mit der von Stora vergleichbar. Zwar seien beide Unternehmen als „Anführer“ des
Kartells anzusehen, die eine besondere Verantwortung trügen, aber Stora habe im
Gegensatz zur Klägerin frühzeitig und in großem Umfang mit der Kommission
kooperiert.
- 351.
- Schließlich gingen die Aussagen von Stora weit über die Auskunftsverlangen der
Kommission hinaus, und sie habe ihr Geständnis entgegen der Behauptung der
Klägerin auch nicht weitgehend widerrufen.
Würdigung durch das Gericht
- 352.
- Nach ständiger Rechtsprechung liegt ein Verstoß gegen den allgemeinen Grundsatz
der Gleichbehandlung, der zu den tragenden Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts
gehört, nur dann vor, wenn vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich oder
unterschiedliche Sachverhalte gleich behandelt werden, sofern eine Differenzierung
nicht objektiv gerechtfertigt ist (Urteile des Gerichtshofes vom 13. Dezember 1984
in der Rechtssache 106/83, Sermide, Slg. 1984, 4209, Randnr. 28, und vom 28. Juni
1990 in der Rechtssache C-174/89, Hoche, Slg. 1990, I-2681, Randnr. 25; im
gleichen Sinne Urteil des Gerichts vom 15. März 1994 in der Rechtssache T-100/92,
La Pietra/Kommission, Slg. ÖD 1994, II-275, Randnr. 50).
- 353.
- Im vorliegenden Fall macht die Klägerin einen Verstoß gegen diesen Grundsatz
geltend. Sie trägt vor, die gegen sie festgesetzte Geldbuße sei anhand des gleichen
Basissatzes 9 % des 1990 auf dem Kartonmarkt der Gemeinschaft erzielten
Umsatzes berechnet worden wie bei Stora, obwohl ihre Rolle im Kartell sich von
der Rolle Storas unterschieden habe.
- 354.
- Insoweit genügt die Feststellung, daß Stora und die Klägerin nach den Angaben in
der Entscheidung als Teilnehmer an den Sitzungen des PWG an den verschiedenen
Bestandteilen des Kartells mitwirkten und daß beide Unternehmen aufgrund ihrer
Teilnahme an den Sitzungen dieses Gremiums der PG Karton als „Anführer“ des
Kartells eingestuft wurden. Folglich unterschied sich die Situation dieser
Unternehmen im Kartell nicht voneinander, so daß ihre Gleichbehandlung bei der
Bemessung der Geldbuße gerechtfertigt war. Selbst wenn man nämlich unterstellt,
daß die von der Klägerin zum Beleg dafür, daß sie im PWG eine weniger aktive
Rolle als Stora gespielt habe, angeführten Gesichtspunkte erwiesen wären, könnten
sie die Feststellung der Kommission zu den jeweiligen Rollen der Klägerin und von
Stora nicht entkräften. Unter diesen Umständen ist der erste Teil des Klagegrundes
abzuweisen.
- 355.
- Auch dem zweiten Teil des Klagegrundes kann nicht gefolgt werden.
- 356.
- Stora hat gegenüber der Kommission Aussagen gemacht, die eine eingehende
Beschreibung von Art und Gegenstand der Zuwiderhandlung, der Funktionsweise
der verschiedenen Gremien der PG Karton und der Beteiligung der einzelnen
Hersteller an der Zuwiderhandlung enthalten. Durch diese Aussagen hat Stora
Auskünfte gegeben, die weit über das hinausgehen, was die Kommission gemäß
Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 verlangen kann. Auch wenn die Kommission in
der Entscheidung erklärt, daß sie Beweise erlangt habe, die die in den Aussagen
von Stora enthaltenen Auskünfte bestätigten (Randnrn. 112 und 113), steht außer
Frage, daß die Aussagen von Stora den wichtigsten Beweis für das Vorliegen der
Zuwiderhandlung darstellten. Ohne diese Aussagen wäre es somit für die
Kommission zumindest sehr viel schwieriger gewesen, die den Gegenstand der
Entscheidung bildende Zuwiderhandlung fest- und gegebenenfalls abzustellen.
- 357.
- Unter diesen Umständen hat die Kommission durch die Herabsetzung der gegen
Stora verhängten Geldbuße um zwei Drittel das ihr bei der Festlegung der Höhe
von Geldbußen zustehende Ermessen nicht überschritten. Die Klägerin kann sich
daher nicht mit Erfolg darauf berufen, daß der Stora gewährte Nachlaß
unverhältnismäßig sei.
- 358.
- Darüber hinaus kann ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung im
vorliegenden Fall deshalb nicht festgestellt werden, weil die Klägerin im Gegensatz
zu Stora, die aktiv mit der Kommission kooperiert hat, die von der Kommission
vorgebrachten Tatsachenbehauptungen in der Substanz bestritten hat. Die
Kommission konnte diese beiden Unternehmen somit bei der Entscheidung
darüber, ob und in welchem Umfang die Geldbußen herabgesetzt werden,
unterschiedlich behandeln, da sie sich nicht in der gleichen Situation befanden.
- 359.
- Nach alledem ist der Klagegrund als unbegründet abzuweisen.
H Zum Klagegrund des Vorliegens bestimmter mildernder Umstände
Vorbringen der Parteien
- 360.
- Die Klägerin trägt vor, daß die Kommission bestimmte tatsächliche Gesichtspunkte
bei der Festlegung der Höhe der Geldbuße als mildernde Umstände hätte
berücksichtigen müssen.
- 361.
- Erstens habe die Klägerin nicht versucht, belastende Unterlagen zu beseitigen,
obwohl sie vorgewarnt worden sei, daß eine Durchsuchung durch die Vertreter der
Kommission bevorstehe.
- 362.
- Zweitens sei sie bis Mitte 1990 ein mittelständisches Unternehmen gewesen. Erst
im Lauf dieses Jahres habe sie ihre neue Maschine in der Kartonfabrik Neuss in
Betrieb genommen und im April bzw. September die Firmen Deisswil und
Eerbeek übernommen (rückwirkend zum 1. Januar 1990).
- 363.
- Drittens handele es sich um die erste Zuwiderhandlung im Kartonsektor.
- 364.
- Viertens seien die Preiserhöhungen bei dem von ihr hauptsächlich hergestellten
GD-Karton geringer gewesen als bei GC-Karton. Sie habe deshalb nicht die bei den
übrigen Unternehmen angenommene Gewinnspanne erzielen können.
- 365.
- Fünftens schließlich führt die Klägerin in ihrer Erwiderung aus, die Kommission
hätte entsprechend ihrer früheren Entscheidungspraxis die schwierigen
Bedingungen berücksichtigen müssen, die im Kartonsektor bis Ende der achtziger
Jahre geherrscht und die Erwirtschaftung einer angemessenen Rendite auf das
eingesetzte Kapital ausgeschlossen hätten. Außerdem sei zu bedenken, daß der
fragliche Sektor durch hohe Umsätze bei eher geringen Gewinnen gekennzeichnet
sei. Daher träfen die Kartonhersteller allein anhand ihres Umsatzes bemessene
Geldbußen besonders hart.
- 366.
- Die Kommission entgegnet, daß sie die fraglichen Gesichtspunkte nicht als
mildernde Umstände habe ansehen müssen.
Würdigung durch das Gericht
- 367.
- Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Randnr. 256), ist die Schwere der
Zuwiderhandlungen anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln, zu
denen u. a. die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die
Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören, ohne daß es eine zwingende oder
abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden
müßten (Beschluß SPO u. a./Kommission, Randnr. 54).
- 368.
- Folglich kann allein aus der Tatsache, daß die Kommission in ihrer früheren
Entscheidungspraxis bestimmte Gesichtspunkte bei der Festlegung der Höhe der
Geldbuße als mildernde Umstände angesehen hat, nicht abgeleitet werden, daß sie
verpflichtet wäre, dies in einer späteren Entscheidung ebenfalls zu tun. Die
Kommission brauchte daher die ungünstige Wirtschaftslage in der Branche
unterstellt, sie habe bestanden nicht zu berücksichtigen.
- 369.
- Außerdem hat die Kommission bei der Bemessung der Geldbuße den von der
Klägerin im Jahr 1990 auf dem Kartonmarkt der Gemeinschaft erzielten Umsatz
zugrunde gelegt. Die Stellung der Klägerin in der Branche sowie der Umfang der
von ihr begangenen Zuwiderhandlung sind somit von der Kommission
berücksichtigt worden.
- 370.
- Schließlich kann die Tatsache, daß es sich nach Angaben der Klägerin um die erste
Zuwiderhandlung in der fraglichen Branche handelt, keinen mildernden Umstand
darstellen. Zu Lasten eines Unternehmens kann erschwerend berücksichtigt
werden, daß die Kommission in der Vergangenheit bereits Verstöße dieses
Unternehmens gegen die Wettbewerbsregeln festgestellt und insoweit
gegebenenfalls eine Strafe verhängt hat; demgegenüber stellt das Fehlen einer
früheren Zuwiderhandlung den Normalfall dar, den die Kommission nicht als
mildernden Umstand zu berücksichtigen braucht, zumal es sich im vorliegenden
Fall um einen besonders offenkundigen Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 des
Vertrages handelt (vgl. Urteil des Gerichts vom 17. Dezember 1991 in der
Rechtssache T-8/89, DSM/Kommission, Slg. 1991, II-1833, Randnr. 317).
- 371.
- Angesichts dessen war die Kommission berechtigt, die von der Klägerin
angeführten Gesichtspunkte nicht als mildernde Umstände heranzuziehen.
- 372.
- Folglich greift der Klagegrund nicht durch.
I Zum Klagegrund des fehlenden Vorsatzes
- 373.
- Die Klägerin führt aus, sie sei sich zum damaligen Zeitpunkt der Rechtswidrigkeit
des Informationsaustauschs, an dem sie teilgenommen habe, nicht bewußt gewesen.
Dabei müsse berücksichtigt werden, daß sie ein mittelständisches Unternehmen
gewesen sei, das nicht über einen eigenen Juristen verfügt habe und außerhalb der
Gemeinschaft ansässig gewesen sei. Außerdem enthalte das österreichische
Wettbewerbsrecht nur Bestimmungen über Sanktionen bei verbindlichen
Absprachen, während es im vorliegenden Fall lediglich abgestimmte
Verhaltensweisen gegeben habe.
- 374.
- Diesem Klagegrund kann nicht gefolgt werden.
- 375.
- Nach ständiger Rechtsprechung setzt die Einstufung einer Zuwiderhandlung als
vorsätzlich nicht voraus, daß sich das Unternehmen des Verstoßes gegen Artikel
85 Absatz 1 des Vertrages bewußt war. Es genügt, daß es wissen mußte, daß das
ihm zur Last gelegte Verhalten eine Einschränkung des Wettbewerbs auf dem
Gemeinsamen Markt bezweckte oder bewirkte (vgl. u. a. Urteil des Gerichtshofes
vom 11. Juli 1989 in der Rechtssache 246/86, Belasco u. a./Kommission, Slg. 1989,
2117, Randnr. 41, und Urteil Dansk Pelsdyravlerforening/Kommission, Randnr.
157).
- 376.
- Im vorliegenden Fall hat die Kommission die Beteiligung der Klägerin an den
Bestandteilen der in Artikel 1 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung
nachgewiesen. Angesichts der Art der festgestellten Verhaltensweisen mußte die
Klägerin wissen, daß sie auf eine Einschränkung des Wettbewerbs abzielten.
J Zum Klagegrund der Heranziehung einer falschen Umsatzzahl
- 377.
- Dieser Klagegrund besteht aus zwei Teilen, die getrennt zu prüfen sind.
Erster Teil des Klagegrundes: Fälschliche Berücksichtigung des mit dem Verkauf von
Graukarton erzielten Umsatzes bei der Berechnung der Geldbuße
Vorbringen der Parteien
- 378.
- Die Klägerin führt aus, die Kommission habe die Geldbuße auf der Grundlage
ihres gesamten mit dem Verkauf von Kartonprodukten im Jahr 1990 erzielten
Umsatzes berechnet. Dieser schließe folglich den Umsatz bei Graukarton ein. Die
Kommission habe jedoch in einer Pressemitteilung vom 13. Juli 1994 erklärt, daß
die Geldbußen auf der Grundlage des Umsatzes berechnet worden seien, den die
Adressaten der Entscheidung mit den von ihr betroffenen Kartonsorten erzielt
hätten.
- 379.
- Da Graukarton nicht zu den von der Entscheidung erfaßten Kartonsorten gehöre,
müsse der der Bemessung der Geldbuße zugrunde gelegte Umsatz um den auf den
Verkauf von Graukarton entfallenden Betrag von 13,1 Millionen ECU verringert
werden. Die Geldbuße sei entsprechend herabzusetzen.
- 380.
- Die Kommission trägt vor, man könne bei der Bemessung der Geldbuße keine
streng mathematische Formel verwenden. Im vorliegenden Fall sei die Geldbuße
in Anbetracht des Gesamtumsatzes der Klägerin angemessen, denn die
Unternehmen hätten keinen Anspruch darauf, daß nur der Umsatz mit den von der
Zuwiderhandlung unmittelbar betroffenen Produkten zugrunde gelegt werde. Es
lägen erschwerende, aber keine mildernden Umstände vor, und als
Bemessungsgrundlage habe der 1990 (und nicht 1993) erzielte Umsatz und nur der
Umsatz durch Kartonverkäufe in der Gemeinschaft gedient.
- 381.
- In ihrer Gegenerwiderung führt sie aus, sie habe die Klägerin mit Schreiben vom
8. Oktober 1993 gebeten, ihr u. a. die Umsatzzahlen bei Karton mitzuteilen. In
ihrer Antwort vom 3. November 1993 habe die Klägerin diese Zahlen unter derÜberschrift „Kartonwaren (GC, GD)“ angegeben. Da in der Mitteilung der
Beschwerdepunkte ausdrücklich darauf hingewiesen worden sei, daß sich das
Verfahren nicht auf Graukarton erstrecke, habe die Kommission keinen Anlaß
gehabt, die Richtigkeit der vorgelegten Umsatzzahlen zu überprüfen.
Würdigung durch das Gericht
- 382.
- Gemäß Randnummer 4 Absatz 2 der Entscheidung erstreckte sich die von ihr
erfaßte Zuwiderhandlung nicht auf Graukarton.
- 383.
- Die Kommission hat die Höhe der gegen die Klägerin festgesetzten Geldbuße
unstreitig auf der Grundlage ihres im Jahr 1990 auf dem Gemeinschaftsmarkt durch
den Verkauf von GC-Karton, GD-Karton und Graukarton erzielten Umsatzes
berechnet. Wie die Kommission in der Verhandlung eingeräumt hat, geht aus den
ihr von der Klägerin vor der Mitteilung der Beschwerdepunkte erteilten Auskünften
ausdrücklich hervor, daß der von der Klägerin angegebene Umsatz auch
Graukarton einschloß.
- 384.
- Hinzu kommt, daß die Kommission, obwohl sie wissen mußte, daß der von ihr
zugrunde gelegte Umsatz auch Graukarton einschloß, die Klägerin nie aufgefordert
hat, ihr den im Jahr 1990 allein mit den in das Verfahren einbezogenen Produkten
GC-Karton, GD-Karton und gegebenenfalls SBS-Karton erzielten Umsatz
mitzuteilen.
- 385.
- Bei den anderen Adressaten der Entscheidung hat die Kommission dagegen wie
sie ebenfalls in der Verhandlung eingeräumt hat allein den Umsatz bei den
Produkten zugrunde gelegt, auf die sich die von der Entscheidung erfaßte
Zuwiderhandlung bezog.
- 386.
- In Anbetracht dieser Feststellung sowie der Tatsache, daß die Einbeziehung des
Umsatzes bei Graukarton einen nicht unerheblichen Einfluß auf die Höhe der
Geldbuße hatte, ist sie herabzusetzen, um die Ungleichbehandlung zu beseitigen,
die die Klägerin somit im Verhältnis zu den übrigen Adressaten der Entscheidung
erlitten hat.
- 387.
- Das Gericht wird diesem Ergebnis im Rahmen seiner Befugnis zur unbeschränkten
Nachprüfung von Geldbußen bei der Beurteilung der Höhe der Geldbuße
Rechnung tragen, die für die in bezug auf die Klägerin festgestellte
Zuwiderhandlung festzusetzen ist.
Zweiter Teil des Klagegrundes: Fälschliche Berücksichtigung des Umsatzes von Deisswil
und Eerbeek bei der Berechnung der Geldbuße
Vorbringen der Parteien
- 388.
- Die Klägerin trägt vor, die Umsatzzahlen der Kartonfabriken Deisswil und Eerbeek
im Jahr 1990 hätten nicht in die Berechnung der Geldbuße einbezogen werden
dürfen.
- 389.
- In bezug auf Deisswil weist sie darauf hin, daß sie im April 1990 mit Wirkung zum
1. Januar 1990 eine Beteiligung von 66 % an dieser Gesellschaft und damit die
Kontrolle über sie erworben habe. Die früheren Eigentümer dieser Firma, die für
mehr als drei Viertel des relevanten Zeitraums für ihr Verhalten verantwortlich
gewesen seien, seien noch mit 34 % an ihr beteiligt. Es sei daher unbillig, der
Klägerin den gesamten Umsatz von Deisswil zuzurechnen, während die früheren
Eigentümer, die immer noch ein Drittel der Gewinne erhielten, von dem Bußgeld
nicht betroffen seien. Unter diesen Umständen müsse entweder unmittelbar gegen
Deisswil eine Geldbuße verhängt werden wie dies bei der Firma Laakmann
geschehen sei (Randnr. 150 Absatz 3 der Entscheidung) , oder der Umsatz von
Deisswil dürfe der Klägerin nur pro rata temporis (in Höhe von 13/60, dem in
Monaten ausgedrückten Bruchteil des Gesamtzeitraums der Zuwiderhandlung, den
die Kommission der Berechnung der individuellen Geldbußen zugrunde gelegt
habe) zugerechnet werden.
- 390.
- Für das Verhalten von Eerbeek sei die Klägerin erst ab 1. Januar 1990
verantwortlich; bis zu diesem Zeitpunkt sei die Firma KNP dafür zur
Verantwortung gezogen worden (Randnr. 150 der Entscheidung). Durch die
Heranziehung des gesamten Umsatzes von Eerbeek im Jahr 1990 bei der
Bemessung der Geldbuße der Klägerin habe sich die Kommission jedoch nicht an
ihre eigene Einschätzung gehalten, denn sie habe diesen Umsatz auch bei der
Bemessung der Geldbuße von KNP herangezogen.
- 391.
- Außerdem habe die Klägerin erst im September 1990 die volle Kontrolle über
Eerbeek erlangt. Sie habe somit erst von da an maßgeblichen Einfluß auf deren
Marktverhalten ausüben können. Nach der Bußgeldpraxis und den
Rechtsprechungsgrundsätzen dürfe ihr der Umsatz von Eerbeek erst ab diesem
Zeitpunkt zugerechnet werden. Folglich könne ihr der Umsatz von Eerbeek im
Jahr 1990 (dem Referenzjahr) nur zu 8/60 von September 1990 bis April 1991
zugerechnet werden.
- 392.
- In ihrer Erwiderung fügt die Klägerin hinzu, die Behandlung der Fälle Eerbeek und
Deisswil sei widersprüchlich, da die Kommission in bezug auf Eerbeek die Ansicht
vertrete, daß ausschlaggebend sei, wem die Gewinne im maßgeblichen Zeitraum
zugeflossen seien, während sie dieses Kriterium bei Deisswil für unerheblich erkläre
und darauf abstelle, wer die tatsächliche Kontrolle ausgeübt habe.
- 393.
- Die Kommission ist der Ansicht, daß sie die 1990 von den Unternehmen Deisswil
und Eerbeek erzielten Umsätze bei der Bemessung der Geldbuße zu Recht
berücksichtigt habe. Bei der Bußgeldbemessung müsse ein Referenzjahr bestimmt
werden; dies sei hier das Jahr 1990 gewesen. Firmen, die in diesem Jahr einen
höheren Umsatz erzielt hätten als in den anderen Jahren, seien so mit einer
höheren Sanktion belegt worden. Da das Referenzjahr jedoch korrekt ausgewählt
worden sei, rechtfertige dies keine Unterscheidung nach den Gründen für eine
solche Umsatzsteigerung.
- 394.
- In bezug auf Deisswil habe sie zutreffend berücksichtigt, daß die Klägerin im Jahr
1990 die volle Kontrolle über dieses Unternehmen ausgeübt habe und somit dessen
Geschäftsverhalten habe steuern können. Unter diesen Umständen sei es
unerheblich, daß der Klägerin nicht der gesamte Gewinn dieses Unternehmens
zugeflossen sei.
- 395.
- Bei Eerbeek sei darauf abgestellt worden, daß der Klägerin ab 1. Januar 1990 die
Gewinne und damit der wirtschaftliche Nutzen aus dem Kartellverstoß zugeflossen
seien.
- 396.
- Schließlich sei der Umsatz von Eerbeek auch nicht in unzulässiger Weise doppelt
berücksichtigt worden.
Würdigung durch das Gericht
- 397.
- Die Klägerin bestreitet nicht, daß zum Zeitpunkt ihrer Übernahme der Kontrolle
über Deisswil sowohl dieses Unternehmen als auch sie selbst an der
Zuwiderhandlung teilnahmen, die Gegenstand der Entscheidung ist. Daher kannte
sie zwangsläufig das wettbewerbswidrige Verhalten von Deisswil.
- 398.
- Unter diesen Umständen konnte die Kommission ihr das Verhalten von Deisswil
für die Zeit vor und nach dem Erwerb dieses Unternehmens zurechnen. Es war
Sache der Klägerin als Muttergesellschaft, gegenüber ihrer Tochtergesellschaft alles
zu tun, um die Fortsetzung der ihr bekannten Zuwiderhandlung zu verhindern. Die
Klägerin bestreitet aber nicht, daß das rechtswidrige Verhalten von Deisswil anhielt,
nachdem sie deren Kontrolle übernommen hatte.
- 399.
- Daraus folgt, daß die Kommission berechtigt war, bei der Bemessung der gegen die
Klägerin festgesetzten Geldbuße den von Deisswil im Jahr 1990 dem
Referenzjahr, gegen dessen Zugrundelegung die Klägerin keine Einwände erhoben
hat auf dem Kartonmarkt der Gemeinschaft erzielten Umsatz einzubeziehen.
Daraus folgt ferner, daß es keine Rolle spielt, ob die Kommission die Geldbuße
ganz oder teilweise gegen Deisswil selbst oder gegen die früheren Eigentümer
dieses Unternehmens hätte festsetzen können.
- 400.
- In bezug auf Eerbeek heißt es in Randnummer 150 Absatz 2 der Entscheidung:
„Mayr-Melnhof ist auch für die Kartellteilnahme ... von Mayr-Melnhof Eerbeek
B.V. (wie KNP Vouwkarton umbenannt wurde) ab dem Datum der Übernahme
am 1. Januar 1990 verantwortlich. Für die Kartellteilnahme von KNP Vouwkarton
vor der Übernahme ist KNP verantwortlich; für diese Zeit trifft [Mayr-Melnhof]
diesbezüglich keine Verantwortung.“
- 401.
- Trotz dieser Angaben hat die Kommission bei der Bemessung der gegen die
Klägerin festgesetzten Geldbuße den gesamten von Eerbeek im Jahr 1990 (dem
Referenzjahr) auf dem Kartonmarkt der Gemeinschaft erzielten Umsatz
herangezogen und nicht pro rata temporis allein auf die Zeit abgestellt, in der sich
dieses Unternehmen unter der Kontrolle der Klägerin befand. Dabei hat sie ihre
eigene Feststellung außer acht gelassen, daß die Klägerin für die Kartellteilnahme
von KNP Vouwkarton/Eerbeek erst ab 1. Januar 1990 verantwortlich war.
- 402.
- Die Kommission hat in der Verhandlung ausdrücklich eingeräumt, insoweit einen
Fehler begangen zu haben; die Geldbuße ist demnach herabzusetzen.
- 403.
- Des weiteren wurde Eerbeek zwar im September 1990 zu 100 % von der Klägerin
übernommen; diese bestreitet jedoch nicht, daß die Übernahme mit Wirkung zum
1. Januar 1990 erfolgte. Da der Klägerin das rechtswidrige Verhalten der von ihr
übernommenen Gesellschaft nicht verborgen geblieben sein konnte (in diesem
Sinne auch obige Randnr. 397), war die Kommission zu der Annahme berechtigt,
daß die Klägerin ab 1. Januar 1990 die Verantwortung für dieses Verhalten des
betreffenden Unternehmens zu tragen hatte.
- 404.
- Nach alledem sind die von der Klägerin zur Stützung ihres Antrags auf
Nichtigerklärung von Artikel 1 der Entscheidung geltend gemachten Klagegründe
abzuweisen, während dem zur Stützung ihres Antrags auf Nichtigerklärung von
Artikel 2 der Entscheidung geltend gemachten Klagegrund teilweise stattzugeben
ist.
- 405.
- Die Geldbuße ist herabzusetzen, um zum einen der Tatsache Rechnung zu tragen,
daß der mit Graukarton erzielte Umsatz der Klägerin fälschlich in die Bemessung
der Geldbuße einbezogen wurde, und zum anderen der Tatsache, daß die Klägerin
für das Verhalten von Eerbeek erst ab 1. Januar 1990 verantwortlich war.
- 406.
- Da kein anderer der von der Klägerin geltend gemachten Klagegründe eine
Herabsetzung der Geldbuße rechtfertigt, setzt das Gericht diese in Ausübung seiner
Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung auf 17 000 000 ECU fest.
Kosten
- 407.
- Gemäß Artikel 87 § 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht die Kosten teilen
oder beschließen, daß jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils
obsiegt, teils unterliegt. Da der Klage teilweise stattgegeben wurde, hält es das
Gericht bei angemessener Berücksichtigung der Umstände des Falles für geboten,
der Kommission ihre eigenen Kosten sowie ein Viertel der Kosten der Klägerin
und dieser drei Viertel ihrer eigenen Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Dritte erweiterte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Artikel 2 Absätze 1 bis 4 der Entscheidung 94/601/EG der Kommission vom
13. Juli 1994 in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag (IV/C/33.833
Karton) wird in bezug auf die Klägerin mit Ausnahme folgender Passagen
für nichtig erklärt:
„Die in Artikel 1 bezeichneten Unternehmen stellen, soweit noch nicht
geschehen, den genannten Verstoß unverzüglich ab. Sie sehen im
Zusammenhang mit ihren Tätigkeiten im Kartonbereich künftig von allen
Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen ab, mit denen gleiches
oder ähnliches bezweckt oder bewirkt wird, einschließlich jedes Austauschs
von Geschäftsinformationen,
a) durch den die Teilnehmer mittel- oder unmittelbar Kenntnis von der
Produktion, den Verkäufen, dem Auftragsbestand, der
Kapazitätsausnutzung, den Verkaufspreisen, den Kosten oder den
Absatzplänen anderer einzelner Hersteller erlangen.
Jedes System für den Austausch allgemeiner Informationen (wie das
FIDES-System oder dessen Nachfolgesystem), an dem sie sich beteiligen,
ist so zu gestalten, daß es alle Informationen, mit denen sich das Verhalten
einzelner Hersteller ermitteln läßt, ausschließt.“
2. Die Höhe der in Artikel 3 der Entscheidung 94/601 gegen die Klägerin
verhängten Geldbuße wird auf 17 000 000 ECU festgesetzt.
3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Kommission trägt ihre eigenen Kosten und ein Viertel der Kosten der
Klägerin.
5. Die Klägerin trägt drei Viertel ihrer eigenen Kosten.
VesterdorfBriët
Lindh
Potocki Cooke
|
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 14. Mai 1998.
Der Kanzler
Der Präsident
H. Jung
B. Vesterdorf
Inhaltsverzeichnis
Sachverhalt
II -
Verfahren
II -
Anträge der Parteien
II -
Zum Antrag auf Nichtigerklärung von Artikel 1 der Entscheidung
II -
A Zu den auf die Verletzung wesentlicher Formvorschriften gestützten
Klagegründen
II -
Zum Klagegrund einer Verletzung von Artikel 190 des Vertrages
II -
Vorbringen der Parteien
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
Zum Klagegrund einer Verletzung der Beweisanforderungen des
Gemeinschaftsrechts
II -
B Zu den auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Klagegründen
II -
Zum Klagegrund des Fehlens von Preisabsprachen
II -
Vorbringen der Parteien
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
Zum Klagegrund des Fehlens einer Vereinbarung und abgestimmten
Verhaltensweise in bezug auf die angebliche „Preis-vor-Menge“-Poli
II -
Vorbringen der Parteien
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
1. Zum Vorliegen einer Absprache über das Einfrieren der Marktanteile
und einer Absprache über die Angebotskontrolle
II -
2. Zum tatsächlichen Verhalten der Klägerin
II -
3. Zur rechtlichen Einordnung der Absprache über das Einfrieren der
Marktanteile und der Absprache über die Angebotskontrolle
II -
Zum Klagegrund des Fehlens eines gemeinsamen Branchenplans zur
Einschränkung des Wettbewerbs
II -
Vorbringen der Parteien
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
Zum Klagegrund der Rechtmäßigkeit des Informationsaustauschsystems der
FIDES
II -
Vorbringen der Parteien
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
Zum Antrag auf Nichtigerklärung von Artikel 2 der Entscheidung
II -
Vorbringen der Parteien
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
Zum Antrag auf Nichtigerklärung oder Herabsetzung der Geldbuße
II -
A Zum Klagegrund des Vorliegens offensichtlicher rechtlicher oder tatsächlicher
Fehler bei der Festlegung der Höhe der Geldbußen
II -
Erster Teil des Klagegrundes: Fehler der Kommission bei der Bestimmung des
Umfangs der Zuwiderhandlungen
II -
Zweiter Teil des Klagegrundes: Keine ins einzelne gehende Regulierung des
Kartonmarkts in der Gemeinschaft
II -
Vorbringen der Parteien
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
Dritter Teil des Klagegrundes: Geheimhaltung und Verschleierung dürften nicht als
erschwerende Umstände der Zuwiderhandlung angesehen werden
II -
Vorbringen der Parteien
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
Vierter Teil des Klagegrundes: Die Kommission habe zu Unrecht angenommen,
daß das Kartell, „was die Erreichung seiner Ziele betrifft, weitgehend
erfolgreich“ gewesen sei
II -
Vorbringen der Parteien
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
Fünfter Teil des Klagegrundes: Heranziehung einer unzutreffenden
Gewinnspanne
II -
Vorbringen der Parteien
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
B Zu den Klagegründen einer Verletzung von Artikel 190 des Vertrages sowie
eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung hinsichtlich des
allgemeinen Bußgeldniveaus
II -
Vorbringen der Parteien
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
C Zum Klagegrund einer Verletzung von Artikel 190 des Vertrages bei der
Festsetzung der Höhe der individuellen Geldbußen
II -
Vorbringen der Parteien
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
D Zum Klagegrund, der darauf gestützt wird, daß die Klägerin fälschlich als
„Anführerin“ des Kartells eingestuft worden sei
II -
Vorbringen der Parteien
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
E Zum Klagegrund einer Verletzung der Verteidigungsrechte
II -
Vorbringen der Parteien
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
F Zum Klagegrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung,
der darin bestehen soll, daß die Geldbuße der Klägerin nicht herabgesetzt
wurde
II -
Vorbringen der Parteien
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
G Zum Klagegrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung
durch Festsetzung einer Geldbuße gegen die Klägerin, die im Verhältnis zu der
gegen Stora verhängten Geldbuße überhöht sei
II -
Vorbringen der Parteien
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
H Zum Klagegrund des Vorliegens bestimmter mildernder Umstände
II -
Vorbringen der Parteien
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
I Zum Klagegrund des fehlenden Vorsatzes
II -
J Zum Klagegrund der Heranziehung einer falschen Umsatzzahl
II -
Erster Teil des Klagegrundes: Fälschliche Berücksichtigung des mit dem Verkauf
von Graukarton erzielten Umsatzes bei der Berechnung der Geldbuße
II -
Vorbringen der Parteien
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
Zweiter Teil des Klagegrundes: Fälschliche Berücksichtigung des Umsatzes von
Deisswil und Eerbeek bei der Berechnung der Geldbuße
II -
Vorbringen der Parteien
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
Kosten
II -