Language of document : ECLI:EU:T:2009:235

URTEIL DES GERICHTS (Achte Kammer)

1. Juli 2009(*)

„Staatliche Beihilfen – Regelung von Umstrukturierungsbeihilfen, die die Republik Polen einem Stahlerzeuger gewährt hat – Entscheidung, mit der die Beihilfen für teilweise unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt werden und ihre Rückforderung angeordnet wird – Protokoll Nr. 8 über die Umstrukturierung der polnischen Stahlindustrie – Nichtigkeitsklage – Rechtsschutzinteresse – Zulässigkeit – Begriff ‚Empfänger‘ – Art. 14 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999“

In der Rechtssache T‑291/06

Operator ARP      sp. z o.o. mit Sitz in Warschau (Polen), Prozessbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwalt J. Szymanowska, dann Rechtsanwälte J. Szymanowska und P. Rosiak und schließlich Rechtsanwalt P. Rosiak,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch C. Giolito und A. Stobiecka-Kuik als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen teilweiser Nichtigerklärung der Entscheidung 2006/937/EG der Kommission vom 5. Juli 2005 betreffend die staatliche Beihilfe C 20/04 (ex NN 25/04) zugunsten des Stahlerzeugers Huta Częstochowa S.A. (ABl. 2006, L 366, S. 1), soweit darin bestimmte Beihilfen für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt werden und ihre Rückforderung durch die Republik Polen angeordnet wird,

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Achte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin M. E. Martins Ribeiro sowie der Richter S. Papasavvas und A. Dittrich (Berichterstatter),

Kanzler: K. Pocheć, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. September 2008

folgendes

Urteil

 Rechtlicher Rahmen

1        Art. 8 des Protokolls Nr. 2 über EGKS-Erzeugnisse zum Europa-Abkommen vom 16. Dezember 1991 zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Polen andererseits (ABl. 1993, L 348, S. 2, im Folgenden: Protokoll Nr. 2) bestimmt:

„(1)      Soweit sie den Handel zwischen der Gemeinschaft und Polen beeinträchtigten, sind mit dem ordnungsgemäßen Funktionieren des Abkommens unvereinbar:

iii)      staatliche Beihilfen gleich welcher Art, außer aufgrund des EGKS-Vertrags zulässige Beihilfen.

(4) Die Parteien erkennen an, dass [die Republik] Polen während der ersten fünf Jahre nach Inkrafttreten des Abkommens abweichend von Absatz 1 Ziffer iii) für EGKS-Stahlerzeugnisse ausnahmsweise staatliche Beihilfen zur Umstrukturierung gewähren kann, sofern:

–        das Umstrukturierungsprogramm global mit Rationalisierung und Kapazitätsabbau verbunden ist,

–        das Umstrukturierungsprogramm nach Ablauf der Umstrukturierungsfrist zur Lebensfähigkeit der begünstigten Firmen zu normalen Marktbedingungen führt und

–        Höhe und Intensität dieser Beihilfen auf das zur Erreichung dieser Ziele unbedingt notwendige Maß beschränkt und die Beihilfen schrittweise verringert werden.

Der Assoziationsrat entscheidet unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage [der Republik Polen], ob der Fünfjahreszeitraum verlängert werden kann.“

2        Der Beschluss Nr. 3/2002 des Assoziationsrates EU–Polen vom 23. Oktober 2002 zur Verlängerung des in Artikel 8 Absatz 4 des Protokolls Nr. 2 über EGKS-Erzeugnisse zum Europa-Abkommen vorgesehenen Zeitraums (ABl. 2003, L 186, S. 38) verlängerte den Zeitraum, innerhalb dessen die Republik Polen für Stahlerzeugnisse ausnahmsweise Beihilfen zur Umstrukturierung gemäß den in Art. 8 Abs. 4 des Protokolls Nr. 2 vorgesehenen Modalitäten gewähren konnte, um einen weiteren Zeitraum von acht Jahren ab dem 1. Januar 1997 bzw. bis zum Zeitpunkt des Beitritts der Republik Polen zur Europäischen Union. Art. 2 dieses Beschlusses lautet:

„[Die Republik] Polen übermittelt der Kommission … ein Umstrukturierungsprogramm und Geschäftspläne, die die Anforderungen des Artikels 8 Absatz 4 des Protokolls Nr. 2 erfüllen und von [ihrer] nationalen Aufsichtsbehörde für staatliche Beihilfen (Amt für Wettbewerb und Verbraucherschutz) geprüft und genehmigt wurden.“

3        Das der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge beigefügte Protokoll Nr. 8 über die Umstrukturierung der polnischen Stahlindustrie (ABl. 2003, L 236, S. 948; im Folgenden: Protokoll Nr. 8) ermächtigte die Republik Polen, abweichend von den allgemeinen Regeln in Bezug auf staatliche Beihilfen für die Umstrukturierung ihrer Stahlindustrie auf der Grundlage der Bedingungen des Umstrukturierungsplans und unter den in diesem Protokoll festgelegten Bedingungen Beihilfen zu gewähren. Es sieht u. a. vor:

„1.      Ungeachtet der Artikel 87 [EG] und 88 [EG] sind die von [der Republik] Polen für die Umstrukturierung bestimmter Teile [ihrer] Stahlindustrie gewährten staatlichen Beihilfen als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar anzusehen, sofern:

–        der Zeitraum gemäß Artikel 8 Absatz 4 des Protokolls Nr. 2 … bis zum Tag des Beitritts verlängert worden ist,

–        die Bedingungen des Umstrukturierungsplans, auf dessen Grundlage das genannte Protokoll verlängert wurde, in dem Zeitraum von 2002 bis 2006 eingehalten werden,

–        die in diesem Protokoll festgelegten Bedingungen erfüllt sind und

–        der polnischen Stahlindustrie nach dem Tag des Beitritts keine staatlichen Beihilfen für die Umstrukturierung mehr zu gewähren [sind].

2.      …

3.      Nur den in Anhang 1 aufgeführten Unternehmen (nachstehend ‚begünstigte Unternehmen‘ genannt) können im Rahmen des Umstrukturierungsprogramms für die polnische Stahlindustrie staatliche Beihilfen gewährt werden.

4.      Ein begünstigtes Unternehmen ist nicht berechtigt:

a)      seinen Beihilfeanspruch im Fall eines Zusammenschlusses mit einem nicht in Anhang 1 aufgeführten Unternehmen zu übertragen;

b)      in der Zeit bis zum 31. Dezember 2006 die Vermögenswerte eines nicht in Anhang 1 aufgeführten Unternehmens, über das der Konkurs eröffnet wurde, zu übernehmen.

5.      …

6.      Die den begünstigten Unternehmen gewährten Umstrukturierungsbeihilfen bestimmen sich nach den Rechtfertigungen in dem genehmigten polnischen Umstrukturierungsplan und den vom Rat genehmigten einzelnen Geschäftsplänen. Die in dem Zeitraum 1997–2003 ausgezahlten Beihilfen dürfen einen Gesamtbetrag von 3 387 070 000 PLN keinesfalls überschreiten.

Weitere staatliche Beihilfen für die Umstrukturierung der polnischen Stahlindustrie dürfen von Polen nicht gewährt werden.

10.      Nachträgliche Änderungen an dem allgemeinen Umstrukturierungsplan und den einzelnen Geschäftsplänen müssen von der Kommission und gegebenenfalls vom Rat genehmigt werden.

18.      Stellt sich bei der Überwachung heraus, dass

c)      [die Republik] Polen während des Umstrukturierungszeitraums der Stahlindustrie und im Besonderen den begünstigten Unternehmen zusätzlich unzulässige staatliche Beihilfen gewährt hat,

so wird die in diesem Protokoll festgelegte Übergangsregelung unwirksam.

Die Kommission leitet geeignete Schritte ein und verlangt von den betreffenden Unternehmen die Rückzahlung der Beihilfen, die unter Verstoß gegen die in diesem Protokoll festgelegten Bedingungen gewährt wurden.“

4        Der Beschluss 2003/588/EG des Rates vom 21. Juli 2003 über die Erfüllung der Voraussetzungen des Artikels 3 des Beschlusses Nr. 3/2002 (ABl. L 199, S. 17) sieht in seinem einzigen Artikel vor:

„Das Umstrukturierungsprogramm und die Geschäftspläne, die der Kommission am 4. April 2003 von [der Republik] Polen nach Artikel 2 des Beschlusses Nr. 3/2002 … übermittelt wurden, erfüllen die Voraussetzungen des Artikels 8 Absatz 4 [des] Protokolls Nr. 2.“

5        Die Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [88 EG] (ABl. L 83, S. 1) bestimmt in Art. 6 Abs. 1:

„Die Entscheidung über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens enthält eine Zusammenfassung der wesentlichen Sach- und Rechtsfragen, eine vorläufige Würdigung des Beihilfecharakters der geplanten Maßnahme durch die Kommission und Ausführungen über ihre Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt. Der betreffende Mitgliedstaat und die anderen Beteiligten werden in dieser Entscheidung zu einer Stellungnahme innerhalb einer Frist von normalerweise höchstens einem Monat aufgefordert. In ordnungsgemäß begründeten Fällen kann die Kommission diese Frist verlängern.“

6        Art. 7 Abs. 5 der Verordnung sieht vor:

„Gelangt die Kommission zu dem Schluss, dass die angemeldete Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar ist, so entscheidet sie, dass diese Beihilfe nicht eingeführt werden darf (nachstehend ‚Negativentscheidung‘ genannt).“

7        Art. 14 der Verordnung Nr. 659/1999 bestimmt:

„(1)      In Negativentscheidungen hinsichtlich rechtswidriger Beihilfen entscheidet die Kommission, dass der betreffende Mitgliedstaat alle notwendigen Maßnahmen ergreift, um die Beihilfe vom Empfänger zurückzufordern (nachstehend ‚Rückforderungsentscheidung‘ genannt). Die Kommission verlangt nicht die Rückforderung der Beihilfe, wenn dies gegen einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts verstoßen würde.

(2)      Die aufgrund einer Rückforderungsentscheidung zurückzufordernde Beihilfe umfasst Zinsen, die nach einem von der Kommission festgelegten angemessenen Satz berechnet werden. Die Zinsen sind von dem Zeitpunkt, ab dem die rechtswidrige Beihilfe dem Empfänger zur Verfügung stand, bis zu ihrer tatsächlichen Rückzahlung zahlbar.

(3)      …“

8        Art. 20 Abs. 1 der Verordnung lautet:

„Jeder Beteiligte kann nach der Entscheidung der Kommission zur Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens eine Stellungnahme nach Artikel 6 abgeben. Jeder Beteiligte, der eine solche Stellungnahme abgegeben hat, und jeder Empfänger einer Einzelbeihilfe erhält eine Kopie der von der Kommission gemäß Artikel 7 getroffenen Entscheidung.“

 Sachverhalt

9        Die vorliegende Rechtssache betrifft eine Umstrukturierung des polnischen Stahlerzeugers Huta Częstochowa S.A. (im Folgenden: HCz). Die Umstrukturierung fand zwischen 2002 und 2005 statt. Zu diesem Zweck wurden die Vermögenswerte von HCz auf neue Gesellschaften übertragen:

–        Im Jahr 2002 wurde die Huta Stali Częstochowa sp. z o.o. (im Folgenden: HSCz) gegründet, um die Stahlproduktion von HCz fortzuführen. HSCz pachtete die Produktionsanlagen von HCz vom Vermögensverwalter und übernahm den Großteil der Belegschaft. Die Muttergesellschaft von HSCz war die Towarzystwo Finansowe Silesia sp. z o.o. (im Folgenden: TFS), eine Gesellschaft, die zu 100 % im Eigentum des polnischen Finanzministeriums steht.

–        Im Jahr 2004 wurden die Gesellschaften Majątek Hutniczy sp. z o.o. (im Folgenden: MH) und Majątek Hutniczy Plus (im Folgenden: MH Plus) gegründet. Ihre Aktien befanden sich zu 100 % im Eigentum von HCz. MH erhielt die Stahlerzeugungsanlagen von HCz und MH Plus verschiedene andere für die Produktion erforderliche Vermögenswerte.

–        Die nicht mit der Produktion zusammenhängenden Vermögenswerte („andere Vermögenswerte als Stahlerzeugungsanlagen“) und das Stromversorgungsunternehmen Elsen wurden der Gesellschaft Operator ARP sp. z o.o. (im Folgenden: Operator oder Klägerin) übertragen, die zur Agencja Rozwoju Przemysłu S.A. (Agentur für industrielle Entwicklung des polnischen Finanzministeriums) gehört, um der Umstrukturierung unterliegende öffentlich-rechtliche Forderungen zu erfüllen (Steuern und Sozialversicherungsabgaben).

10      Die Kommission setzte die Republik Polen mit Schreiben vom 19. Mai 2004 von ihrer Entscheidung in Kenntnis, in Bezug auf die dem Stahlerzeuger HCz gewährte Umstrukturierungsbeihilfe das förmliche Prüfverfahren einzuleiten. Diese Entscheidung wurde im Amtsblatt der Europäischen Union vom 12. August 2004 (ABl. C 204, S. 6, im Folgenden: Eröffnungsentscheidung) in der verbindlichen Sprachfassung (der polnischen) mit einer vorangestellten Zusammenfassung in den anderen Amtssprachen veröffentlicht. Die Kommission forderte alle Beteiligten auf, zu den in der Eröffnungsentscheidung enthaltenen tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen Stellung zu nehmen. Sie erhielt Stellungnahmen der Republik Polen und von vier Beteiligten.

11      Die Kommission gelangte am Ende des Verfahrens zu dem Schluss, dass die Maßnahmen zur Umstrukturierung von HCz gemäß den Bestimmungen des Gesetzes über die öffentliche Beihilfe für Unternehmen mit erheblicher Bedeutung für den Arbeitsmarkt (Ustawa o pomocy publicznej dla przedsiębiorców o szczególnym znaczeniu dla rynku pracy vom 30. Oktober 2002, Dz. U. Nr. 213, Pos. 1800, in geänderter Fassung; im Folgenden: Gesetz von 2002) entgegen ihren ursprünglichen Zweifeln keine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG darstellten. Dagegen war die Kommission der Auffassung, HCz habe unter verschiedenen Gesichtspunkten von einer staatlichen Beihilfe für den Zeitraum 1997–2002 profitiert. Sie kam zu dem Ergebnis, dass diese Beihilfe zum Teil mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar gewesen sei, verlangte aber die Rückzahlung des Teils, den sie für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt hielt, nämlich eines Betrags von 19 699 452 polnischen Zloty (PLN) (im Folgenden: streitige Beihilfe).

12      Am 5. Juli 2005 erließ die Kommission die Entscheidung 2006/937/EG über die staatliche Beihilfe C 20/04 (ex NN 25/04) zugunsten des Stahlherstellers Huta Częstochowa S.A. (ABl. 2006, L 366, S. 1, im Folgenden: Entscheidung). Deren Art. 3 bestimmt:

„(1)      Die [HCz] in der Zeit von 1997 bis Mai 2002 von [der Republik] Polen in Form einer Betriebsbeihilfe sowie einer Beihilfe zur Umstrukturierung der Beschäftigung gewährte staatliche Beihilfe in Höhe von 19 699 452 PLN ist mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar.

(2)      [Die Republik] Polen ergreift alle notwendigen Maßnahmen, um die in Absatz 1 genannte, [HCz] rechtswidrig zur Verfügung gestellte Beihilfe von [HCz], dem Regionalen Wirtschaftsfonds, [MH] und [Operator] zurückzufordern. Die genannten Unternehmen haften gesamtschuldnerisch für die Rückzahlung dieser Beihilfe.

Die Rückforderung der Beihilfe erfolgt unverzüglich nach den nationalen Verfahren, sofern diese die sofortige, tatsächliche Vollstreckung der Entscheidung ermöglichen. Die zurückzufordernde Beihilfe umfasst Zinsen von dem Zeitpunkt an, ab dem die Beihilfe [HCz] zur Verfügung stand, bis zu ihrer tatsächlichen Rückzahlung. Die Zinsen werden entsprechend Kapitel V der Verordnung … Nr. 794/2004 berechnet.

(3)      …“

13      Gemäß einer Vereinbarung vom 30. September 2005, die am 7. Oktober 2005 in Kraft trat, kaufte die ISD Polska sp. z o.o. (damals handelnd unter der Firma ZPD Steel sp. z o.o.; im Folgenden: ISD), eine 100%ige Tochtergesellschaft der Industrial Union of Donbass Corp. (im Folgenden: IUD), von HCz sämtliche Aktien von MH und MH Plus sowie zehn weitere Tochtergesellschaften von HCz. Ebenfalls mit am 7. Oktober 2005 in Kraft getretenem Vertrag vom 30. September 2005 kaufte ISD von TFS sämtliche Aktien von HSCz. ISD wurde somit Eigentümerin von HSCz, MH, MH Plus und zehn weiteren Tochtergesellschaften von HCz.

14      Nach dem Verkauf änderte HCz die Firma in Regionalny Fundusz Gospodarczy S.A. (im Folgenden: RFG). RFG besteht noch und gehört immer noch ganz dem polnischen Finanzministerium, besitzt aber nur noch einige wenige Immobilien, die keinen Bezug zur Stahlindustrie haben.

15      Mit Schreiben vom 17. Februar 2006 forderte die Kommission die polnischen Behörden auf, sie über die Zinssätze für die Rückzahlung der streitigen Beihilfe durch die in Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung genannten Gesamtschuldner zu informieren. In ihrer Antwort vom 13. März 2006 schlugen die polnischen Behörden Zinssätze für die Rückforderung und eine Methode zur Berechnung der Zinsen vor. Sie schlugen insbesondere vor, für den Zeitraum von 1997 bis 1999 den Zinssatz für polnische Schatzanleihen mit auf fünf Jahre festgelegtem Zinssatz in PLN und für den Zeitraum von 2000 bis zum Beitritt der Republik Polen zur Europäischen Union den Satz für dieselben Anleihen auf zehn Jahre zur Grundlage zu nehmen. Ferner beantragten sie in Anbetracht der damaligen Lage der Kapitalmärkte in Polen, die durch sehr hohe, aber rasch fallende Zinssätze gekennzeichnet war, dass diese Zinssätze jährlich angepasst und die Zinsen nicht nach der Zinseszinsformel berechnet würden.

16      In einem an die polnischen Behörden adressierten Schreiben vom 7. Juni 2006 stellte die Kommission fest, dass der bei der Rückforderung der streitigen Beihilfe anzuwendende Zinssatz für den gesamten betroffenen Zeitraum der Zinssatz für Anleihen des polnischen Finanzministeriums mit auf fünf Jahre festgelegtem Zinssatz in PLN sein und dass dieser Zinssatz gemäß Art. 11 Abs. 2 der Verordnung Nr. 794/2004 nach der Zinseszinsformel berechnet werden müsse.

 Verfahren und Anträge der Parteien

17      Mit Klageschrift, die am 18. Oktober 2006 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin Klage erhoben.

18      Nach der teilweisen Neubesetzung des Gerichts ist die Rechtssache einem neuen Berichterstatter zugewiesen worden. Dieser ist danach der Achten Kammer zugeteilt worden, der die Rechtssache infolgedessen zugewiesen worden ist.

19      Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Achte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, der Kommission schriftliche Fragen zu stellen und diese aufzufordern, bestimmte Dokumente vorzulegen. Dem ist die Kommission fristgerecht nachgekommen.

20      In der Sitzung am 4. September 2008 haben die Parteien mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

21      Die Klägerin beantragt,

–        Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 der Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit die Bestimmung sie betrifft;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

22      Die Kommission beantragt,

–        die Klage als unbegründet abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Zur Zulässigkeit

 Vorbringen der Parteien

23      In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission ausgeführt, dass die Republik Polen die streitige Beihilfe von RFG und ISD zurückgefordert habe und diese keinen Rückgriff gegen die Klägerin genommen hätten. Zudem habe IUD im Privatisierungsvertrag erklärt, für die Rückzahlung der streitigen Beihilfe durch MH einzustehen. Folglich habe die Klägerin kein Rechtsschutzinteresse mehr.

24      Die Klägerin entgegnet, dass sich die Unternehmen, die die streitige Beihilfe tatsächlich zurückerstattet hätten, nach polnischem Recht während eines Zeitraums von bis zu zehn Jahren nach der Zahlung an sie wenden und eine Erstattung der gezahlten Beträge verlangen könnten. Ihr sei nicht bekannt, ob eine Einstandspflicht von IUD für die Rückzahlung der streitigen Beihilfe bestehe, und sie könne sich nicht auf Bestimmungen aus dem zwischen der polnischen Regierung und IUD geschlossenen Privatisierungsvertrag berufen.

 Würdigung durch das Gericht

25      Nach gefestigter Rechtsprechung ist die Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage einer natürlichen oder juristischen Person davon abhängig, dass sie ein bestehendes und gegenwärtiges Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung nachweist (Beschluss des Gerichts vom 10. März 2005, Gruppo ormeggiatori del porto di Venezia u. a./Kommission, T‑228/00, T‑229/00, T‑242/00, T‑243/00, T‑245/00 bis T‑248/00, T‑250/00, T‑252/00, T‑256/00 bis T‑259/00, T‑265/00, T‑267/00, T‑268/00, T‑271/00, T‑274/00 bis T‑276/00, T‑281/00, T‑287/00 und T‑296/00, Slg. 2005, II‑787, Randnr. 23).

26      Die Kommission hat die auf das fehlende Rechtsschutzinteresse gestützte Einrede der Unzulässigkeit zwar erst in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht. Jedoch ist darauf hinzuweisen, dass das Rechtsschutzinteresse zu den unverzichtbaren Prozessvoraussetzungen gehört (Beschluss Gruppo ormeggiatori del porto di Venezia u. a./Kommission, oben in Randnr. 25 angeführt, Randnr. 22; vgl. in diesem Sinne auch Beschluss des Gerichtshofs vom 7. Oktober 1987, d. M./Rat und WSA, 108/86, Slg. 1987, 3933, Randnr. 10). Das Gericht kann deshalb gemäß Art. 113 seiner Verfahrensordnung jederzeit von Amts wegen prüfen, ob die Klägerin ein Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung hat (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 14. April 2005, Sniace/Kommission, T‑141/03, Slg. 2005, II‑1197, Randnr. 22).

27      Im vorliegenden Fall kann das Rechtsschutzinteresse der Klägerin nicht einfach deswegen verneint werden, weil die streitige Beihilfe von einem der anderen in der Entscheidung als Gesamtschuldner für die Rückzahlung haftbar gemachten Unternehmen zurückerstattet wurde. Die Klägerin hat nämlich ausgeführt, ohne dass ihr die Kommission insoweit widersprochen hat, dass die Unternehmen, die die rechtswidrige Beihilfe tatsächlich zurückerstattet hätten, nach polnischem Recht einen Regressanspruch gegen sie während eines Zeitraums von zehn Jahren geltend machen könnten. Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die Klägerin ein Interesse an der Nichtigerklärung der Entscheidung behält, da ihre Klage, soweit dieser stattgegeben würde, jede Gefahr beseitigen könnte, dass gegen sie vorgegangen würde.

28      Was die von der Kommission in der mündlichen Verhandlung geltend gemachte Einstandspflicht betrifft, genügt der Hinweis, dass sich das Dokument, mit dem das Bestehen einer solchen Verpflichtung belegt werden könnte, nicht bei der Akte befindet.

29      Folglich ist die von der Kommission erhobene Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen.

 Zur Begründetheit

30      Die Klägerin stützt sich auf vier Klagegründe, mit denen sie einen Verstoß gegen Verteidigungsrechte, einen Begründungsmangel der Entscheidung, eine fehlerhafte Auslegung von Art. 87 EG und Art. 88 EG sowie von Art. 14 der Verordnung Nr. 659/1999 und einen Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit geltend macht.

 Zum Klagegrund des Verstoßes gegen Verteidigungsrechte

–       Vorbringen der Parteien

31      Die Klägerin macht geltend, dass die Veröffentlichung einer Mitteilung im Amtsblatt grundsätzlich ein angemessenes Mittel zur Unterrichtung aller Beteiligten über die Einleitung eines Prüfverfahrens für Beihilfen darstelle, dass die Kommission allerdings den Rahmen ihrer Prüfung hinreichend definieren müsse, um dem Recht der Beteiligten auf Abgabe ihrer Stellungnahme nicht den Sinn zu nehmen.

32      Die Mitteilung der Kommission über die Einleitung des Verfahrens sei aber so gefasst gewesen, dass sie keinen Grund gehabt habe, sich als Beteiligte zu betrachten. Die Eröffnungsentscheidung ziele insbesondere auf die Stahlerzeuger ab, während die für die Verwaltung der öffentlich-rechtlichen Forderungen verantwortliche Stelle als eine Gesellschaft beschrieben werde, die keinen Stahl erzeuge. Außerdem habe die Klägerin erst am 8. Juli 2005, also nach dem Erlass der Entscheidung, zugestimmt, die Funktion des „Operators“ auszuüben, so dass sie nicht die Möglichkeit gehabt habe, zu den Feststellungen der Kommission Stellung zu nehmen.

33      Schließlich werde in der Beschreibung der streitigen Beihilfe in der Eröffnungsentscheidung ausschließlich auf die Umstrukturierung nach 2003 abgestellt, zu der die Kommission in der Entscheidung festgestellt habe, dass es sich nicht um eine staatliche Beihilfe handele. Ferner habe die Republik Polen die Eröffnungsentscheidung nicht an die Klägerin übermittelt und sie auch nicht über das laufende Verfahren informiert.

34      Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen. Die Begründung der Eröffnungsentscheidung sei ausreichend dafür gewesen, dass die Klägerin, die das einzige Unternehmen in Polen gewesen sei, das die „Operator“-Funktion habe ausüben dürfen, habe erkennen können, dass sie als Unternehmen, das Vermögenswerte von HCz übernommen hat, zur Rückzahlung der streitigen Beihilfe habe verpflichtet werden können.

–       Würdigung durch das Gericht

35      Einleitend ist festzustellen, dass sich allein der anmeldende Staat als Adressat der angefochtenen Entscheidung auf echte Verteidigungsrechte berufen kann. Die übrigen Beteiligten, wie die Klägerin, sind am Verwaltungsverfahren beteiligt, ohne sich jedoch auf dieselben Rechte berufen zu können. Allerdings verfügen sie über die Verfahrensrechte, die den Beteiligten durch Art. 88 Abs. 2 EG zugebilligt werden (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 18. November 2004, Ferriere Nord/Kommission, T‑176/01, Slg. 2004, II‑3931, Randnr. 82, und vom 22. Oktober 2008, TV 2/Danmark u. a./Kommission, T‑309/04, T‑317/04, T‑329/04 und T‑336/04, Slg. 2008, II‑0000, Randnr. 137).

36      Aus der Rechtsprechung ergibt sich, dass die in Art. 88 Abs. 2 vorgesehene Prüfungsphase es der Kommission ermöglichen soll, sich umfassende Kenntnis von allen Gegebenheiten des Falles zu verschaffen (Urteil des Gerichtshofs vom 2. April 1998, Kommission/Sytraval und Brink’s France, C‑367/95 P, Slg. 1998, I‑1719, Randnr. 38).

37      Gemäß Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 enthält die Eröffnungsentscheidung eine Zusammenfassung der wesentlichen Sach- und Rechtsfragen, eine „vorläufige Würdigung“ der geplanten Maßnahme durch die Kommission und Ausführungen über ihre Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt. Ferner werden der betreffende Mitgliedstaat und die anderen Beteiligten in dieser Entscheidung zu einer Stellungnahme aufgefordert.

38      Wie aus dem Wortlaut der vorgenannten Bestimmung hervorgeht, hat die Untersuchung der Kommission notwendigerweise vorläufigen Charakter. Folglich kann die Kommission nicht verpflichtet sein, in ihrer Mitteilung über die Eröffnung des förmlichen Verfahrens eine vollständige Untersuchung der fraglichen Beihilfe zu präsentieren. Erforderlich ist allerdings, dass die Kommission den Rahmen ihrer Prüfung genau genug festlegt, um dem Recht der Beteiligten zur Stellungnahme nicht seinen Sinn zu nehmen (Urteil des Gerichts vom 31. Mai 2006, Kuwait Petroleum [Nederland]/Kommission, T‑354/99, Slg. 2006, II‑1475, Randnr. 85).

39      Im vorliegenden Fall zeigen die Randnrn. 6, 32 und 51 der Eröffnungsentscheidung, deren Text in polnischer Sprache im Amtsblatt veröffentlicht worden ist, klar und deutlich, dass sich die Kommission die Frage nach der Existenz mehrerer seit 1997 an HCz und an HSCz gezahlter Beihilfen gestellt hat. In Randnr. 6 stellt sie nämlich fest, dass es „[a]uf der Basis der zurzeit verfügbaren Informationen scheint …, dass HCz seit dem Beginn des Umstrukturierungszeitraums im Jahr 1997 verschiedene staatliche Beihilfen empfangen hat“. In Randnr. 32 stellt sie klar, dass „[i]m Rahmen dieses Verfahrens … jede HCz seit dem 1. Januar 1997 gewährte Beihilfe berücksichtigt werden“ müsse. Deshalb verlangt sie von den polnischen Behörden „detaillierte Informationen über die Beträge und Verwendungszwecke aller staatlichen Beihilfen, die [die Republik] Polen HCz seit 1997 gewährt hat“ (Randnr. 51).

40      Folglich geht aus diesen Worten eindeutig hervor, dass die Kommission ein umfassendes Verfahren eingeleitet hat, das auf alle HCz seit 1997 gewährten Beihilfen abzielte.

41      Was speziell die Klägerin betrifft, wird in Randnr. 18 der Eröffnungsentscheidung festgestellt, dass nach dem Gesetz von 2002 eine „Operator“ genannte Tochtergesellschaft von ARP für den Bereich der öffentlich-rechtlichen Forderungen verantwortlich sei. In Randnr. 19 dieser Entscheidung wird sodann weiter ausgeführt, dass dies impliziere, dass Operator im Austausch gegen eine Übertragung aller aus den öffentlich-rechtlichen Forderungen im Sektor der Stahlerzeugung hervorgegangenen Pfandrechte der öffentlichen Gläubiger einen Teil der Vermögenswerte von HCz übernehme, die keinen Bezug zur Stahlerzeugung hätten. Die Rolle von Operator wird weiter in Fn. 48 der Eröffnungsentscheidung erläutert. In Randnr. 51 der Eröffnungsentscheidung schließlich fragt die Kommission, aus welchem Grund sich die auf Operator übertragenen und die in den Regionalfonds verbleibenden Vermögenswerte auf 203 bzw. 159 Millionen PLN belaufen.

42      Somit ist also festzustellen, dass die Begründung der am 19. Mai 2004 erlassenen Eröffnungsentscheidung es der Klägerin, die am 5. April 2004 gegründet worden ist, ermöglichte, zu erkennen, dass sie als die Vermögenswerte von HCz übernehmendes Unternehmen verpflichtet sein könnte, die streitige Beihilfe zurückzuzahlen.

43      Außerdem kann sich die Klägerin, da sie das einzige Unternehmen in Polen war, das die „Operator“-Funktion im Sinne des Gesetzes von 2002 ausüben durfte, nicht – um eine Verletzung ihrer Verfahrensrechte darzutun – darauf berufen, dass sie erst am 8. Juli 2005 zugestimmt habe, diese Funktion auszuüben. Dies gilt umso mehr, als der Leiter der ARP, die zu 100 % Eigentümerin der Klägerin ist, am förmlichen Prüfverfahren beteiligt war und von allen die Umstrukturierung von HCz betreffenden Gesichtspunkten Kenntnis hatte.

44      Folglich ist der Klagegrund eines Verstoßes gegen Verteidigungsrechte zurückzuweisen.

 Zum Klagegrund eines Begründungsmangels

–       Vorbringen der Parteien

45      Die Klägerin trägt vor, die Entscheidung in Bezug auf die Gründe, die die Kommission dazu bewogen hätten, sie als Empfängerin der streitigen Beihilfe und damit als Gesamtschuldnerin der Rückzahlungsforderung zu qualifizieren, sei kurz gefasst und erlaube es ihr als Beteiligter nicht, die Begründung zu verstehen.

46      Dies gelte umso mehr, als die Kommission in der Entscheidung angegeben habe, dass der Wert der öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen das übernommene Vermögen übersteige. Die These der Kommission, dass die Klägerin Nutznießerin der streitigen Beihilfe gewesen und damit verpflichtet sei, sie zurückzuzahlen, entbehre folglich jeder Grundlage.

47      Die Kommission ist der Auffassung, diese Rügen beträfen die Stichhaltigkeit der Entscheidung und nicht ihre Begründung.

–       Würdigung durch das Gericht

48      Nach gefestigter Rechtsprechung ist zwischen der Rüge des Fehlens oder der Unzulänglichkeit einer Begründung und der Rüge der Unrichtigkeit der Entscheidungsgründe (wegen eines Irrtums in Bezug auf die Tatsachen oder bei der rechtlichen Würdigung) zu unterscheiden. Der letztgenannte Gesichtspunkt gehört zur Prüfung der materiellen Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung und nicht zu derjenigen einer Verletzung wesentlicher Formvorschriften und kann damit keinen Verstoß gegen Art. 253 EG darstellen (Urteil Kommission/Sytraval und Brink’s France, oben in Randnr. 37 angeführt, Randnr. 67, und Urteil des Gerichts vom 7. November 1997, Cipeke/Kommission, T‑84/96, Slg. 1997, II‑2081, Randnr. 47). Folglich kann das Gericht im Rahmen der Prüfung, ob die Begründungspflicht eingehalten wurde, die materielle Rechtmäßigkeit der Gründe, mit denen die Kommission ihre Entscheidung gerechtfertigt hat, nicht prüfen. Im Rahmen eines Klagegrundes, der auf eine fehlende oder unzureichende Begründung gestützt wird, sind Rügen und Argumente, die sich gegen die Stichhaltigkeit der angefochtenen Entscheidung richten, daher unerheblich (Urteil des Gerichts vom 15. Juni 2005, Corsica Ferries France/Kommission, T‑349/03, Slg. 2005, II‑2197, Randnrn. 58 und 59).

49      Im vorliegenden Fall hat die Kommission in Randnr. 146 der Entscheidung festgestellt, dass die Aktiva und Passiva von HCz auf drei Unternehmen, nämlich RFG, MH und Operator, als deren Nachfolger aufgeteilt worden seien, und dass das Rechtssubjekt, das die streitige Beihilfe erhalten habe, sich deshalb nicht mehr nur auf das Rechtssubjekt HCz beschränke, sondern auch diese anderen Unternehmen umfasse. Die Kommission hat somit die Gründe dafür angegeben, dass sie die Klägerin als gesamtschuldnerisch zur Rückzahlung der streitigen Beihilfe verpflichtetes Unternehmen angesehen hat, auch wenn sie sie nicht als Empfänger dieser Beihilfe bezeichnet hat.

50      Unter diesen Umständen kann ein Begründungsmangel der Entscheidung nicht festgestellt werden. Soweit die Klägerin die Richtigkeit der Begründung und die Rechtmäßigkeit der erlassenen Bestimmungen in Zweifel zieht, werden ihre Argumente im Rahmen des nachfolgenden Klagegrundes geprüft.

51      Hieraus folgt, dass der Klagegrund eines Begründungsmangels zurückzuweisen ist.

 Zum Klagegrund einer fehlerhaften Auslegung der Art. 87 EG und 88 EG sowie von Art. 14 der Verordnung Nr. 659/1999

–       Vorbringen der Parteien

52      Die Klägerin führt aus, die Kommission habe die Grenzen ihres Ermessens überschritten, indem sie sie als Empfängerin der streitigen Beihilfe angesehen habe.

53      Die Tatsache allein, dass die Klägerin, die nicht auf dem Stahlsektor tätig sei, bestimmte Vermögensgegenstände des von der streitigen Beihilfe begünstigten Unternehmens erworben habe, sei keine hinreichende Rechtfertigung für die Feststellung, dass die finanziellen Vorteile, die das Unternehmen, das ihr diese Gegenstände übertragen habe, zuvor dank der ihm gewährten staatlichen Beihilfe erhalten habe, von der Klägerin zusammen mit diesen Gegenständen erworben worden seien. Da der Wert der von der Klägerin übernommenen öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen höher gewesen sei als der Marktwert der auf sie übertragenen Güter, könne nicht behauptet werden, dass sie irgendeinen finanziellen Vorteil erlangt habe, und damit auch keinen Vorteil, der eine staatliche Beihilfe darstelle. Wenn nämlich ein Unternehmen, das eine rechtswidrige staatliche Beihilfe erhalten habe, zum Marktpreis erworben werde, könne der Erwerber dieses Unternehmens nicht als Nutznießer dieser Beihilfe angesehen werden (Urteil des Gerichtshofs vom 29. April 2004, Deutschland/Kommission, C‑277/00, Slg. 2004, I‑3925, im Folgenden: Urteil SMI).

54      Die Klägerin macht geltend, eine etwaige Rückforderung der streitigen Beihilfe von ihr würde die Fundamente der Umstrukturierung der öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen, die sorgfältig berechnet, geprüft und von der Kommission akzeptiert worden seien, „erschüttern“ und im gleichen Ausmaß die finanziellen Mittel vermindern, die zur Finanzierung dieser öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen bestimmt seien.

55      Außerdem habe die Klägerin in Anwendung des Gesetzes von 2002 nicht die anderen Vermögenswerte als Stahlerzeugungsanlagen erworben. Nur die Verbindlichkeiten des Unternehmens hätten gemäß diesem Gesetz übernommen werden können. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin näher ausgeführt, sie habe erst am 8. Juli 2005 zugestimmt, die „Operator“-Funktion im Sinne des Gesetzes von 2002 zu übernehmen. Daher sei die Nennung der Klägerin in Art. 3 der Entscheidung verfrüht gewesen, da zum Zeitpunkt von deren Erlass diese Vereinbarung noch nicht bestanden habe.

56      Ferner könnten Gläubiger, die das Recht hätten, die Rückzahlung zu erhalten, die Forderung zur Rückzahlung der gesamten streitigen Beihilfe sowie der Zinsen auch an die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Gesamtschuldnerin richten. Es bestehe jedoch kein vertragliches Verhältnis zwischen der Klägerin und MH oder IUD, das es ihr erlaubte, sich wegen der Rückzahlung der streitigen Beihilfe an diese zu wenden.

57      Die Kommission erinnert zunächst daran, dass sie zwar festgestellt habe, dass die Umstrukturierung von HCz auf der Grundlage des Gesetzes von 2002 ohne zusätzliche staatliche Beihilfe durchgeführt worden sei, da sie den Anforderungen des „Privatgläubigertests“ entsprochen habe, aber auch, dass HCz während des Zeitraums von 1997 bis 2002 eine teilweise mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfe empfangen habe.

58      Sie teile nicht die Auffassung, dass die Klägerin Vermögenswerte von HCz zu Marktbedingungen erworben habe. Man könne nämlich den höchsten Preis, den ein auf dem Markt tätiger privater Anleger für diese Vermögenswerte zu zahlen bereit gewesen wäre, nicht bestimmen. Alle im Rahmen der Umstrukturierung von HCz durchgeführten Änderungen in Bezug auf das Eigentum und die sich hieraus ergebende Aufteilung ihrer Vermögenswerte hätten Transaktionen dargestellt, die auf die Bestimmungen des Gesetzes von 2002 gestützt gewesen seien.

59      Was die gesamtschuldnerische Haftung von HCz, RFG, MH und der Klägerin angehe, so sei es Sache des Mitgliedstaats, die Anordnung der Rückforderung der streitigen Beihilfe in angemessener Weise durchzuführen. Die Kommission weist darauf hin, dass der in der Entscheidung genannte ursprüngliche Marktwert der von der Klägerin übernommenen Vermögensbestandteile von dem in Anhang A.5 enthaltenen Buchwert abweiche. Es sei ihr unmöglich gewesen, den genauen Wert der Aktiva festzusetzen. Jedenfalls könne sich ein Mitgliedstaat, dem es nicht möglich sei, eine Entscheidung durchzuführen, an die Kommission wenden und um ihre Zusammenarbeit bei der Überwindung dieser Schwierigkeiten bitten.

–       Würdigung durch das Gericht

60      Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass die Kommission sie in der Entscheidung zu Unrecht als gesamtschuldnerisch zur Rückzahlung der Beihilfe verpflichtetes Unternehmen angesehen habe.

61      In dieser Hinsicht ist daran zu erinnern, dass gemäß Art. 14 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 die Kommission in Negativentscheidungen hinsichtlich rechtswidriger Beihilfen entscheidet, dass der betreffende Mitgliedstaat alle notwendigen Maßnahmen ergreift, um die Beihilfe vom „Empfänger“ zurückzufordern.

62      Im vorliegenden Fall hat die Kommission aber betont, dass die Klägerin nicht Empfängerin der streitigen Beihilfe sei. Dennoch hat sie festgestellt, dass sie gesamtschuldnerisch zu deren Rückzahlung verpflichtet sei.

63      Es trifft zu, dass die Kommission seit ihrer Entscheidung 1999/720/EG, EGKS vom 8. Juli 1999 über die staatliche Beihilfe, die Deutschland zugunsten der Gröditzer Stahlwerke GmbH und ihres Tochterunternehmens Walzwerk Burg GmbH gewährt hat (ABl. L 292, S. 27), in der sie zum ersten Mal angeordnet hat, eine Beihilfe von Unternehmen zurückzufordern, die Vermögensbestandteile erworben haben, in bestimmten Fällen die Auffassung vertreten hat, dass der Begriff „Empfänger“ im Sinne von Art. 14 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 nicht allein den ursprünglichen Empfänger der Beihilfe bezeichne, sondern gegebenenfalls jedes Unternehmen, auf das Vermögensbestandteile übertragen worden seien, um die Bestimmungen ihrer Rückforderungsanordnung ins Leere gehen zu lassen.

64      Allerdings trifft auch zu, erstens, dass die Erweiterung des Kreises der zur Rückzahlung der Beihilfe verpflichteten Unternehmen eine Übertragung von Vermögenswerten voraussetzt. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung, also am 5. Juli 2005, hatte eine solche Übertragung aber noch nicht tatsächlich stattgefunden, weil die Klägerin ihre Zustimmung, die Operator-Funktion im Verfahren der Umstrukturierung von HCz zu übernehmen, erst einige Tage später gab. Nach ständiger Rechtsprechung ist jedoch im Rahmen einer Nichtigkeitsklage die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Rechtsakts nach Maßgabe der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seines Erlasses zu würdigen (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 7. Februar 1979, Frankreich/Kommission, 15/76 und 16/76, Slg. 1979, 321, Randnr. 7, und Urteil SMI, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

65      Zwar hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, dass das gesamte Verfahren der Umstrukturierung von HCz auf dem Grundsatz beruhe, dass Vermögenswerte auf die Klägerin übertragen würden, und deren Zustimmung eine reine Formalität sei. Jedoch hat die Klägerin zu Recht ausgeführt, dass das Gesetz von 2002 zwar die Rolle eines „Operators“ vorsehe, aber nicht näher bestimme, wer „Operator“ sei und wie viele „Operatoren“ geschaffen werden könnten. Folglich hätte der „Operator“ im vorliegenden Fall ein anderes Unternehmen als die Klägerin sein können. Daher war zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung eine vorbehaltslose Aufnahme der Klägerin in den Kreis der gesamtschuldnerisch zur Rückzahlung der streitigen Beihilfe verpflichteten Unternehmen verfrüht.

66      Zweitens ist eine Erweiterung des Kreises der zur Rückzahlung der Beihilfe verpflichteten Unternehmen nur gerechtfertigt, wenn die Übertragung von Vermögenswerten die Gefahr einer Umgehung der Wirkungen der Rückforderungsanordnung nach sich zieht, und insbesondere, wenn der ursprüngliche Empfänger der Beihilfe aufgrund der Veräußerung der Vermögenswerte als „leere Hülle“ verbleibt, von der die rechtswidrigen Beihilfen nicht zurückerlangt werden können (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 19. Oktober 2005, CDA Datenträger Albrechts/Kommission, T‑324/00, Slg. 2005, II‑4309, Randnrn. 98 ff.). Außerdem kann diese Erweiterung deswegen gerechtfertigt sein, weil dem Erwerber der Vermögenswerte der tatsächliche Nutzen des mit den gewährten Beihilfen verbundenen Wettbewerbsvorteils verblieben ist (Urteil SMI, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 86).

67      Hierzu hat der Gerichtshof entschieden, dass, wenn ein Unternehmen, das eine rechtswidrige staatliche Beihilfe erhalten hat, zum Marktpreis erworben wird, der Käufer nicht als Nutznießer eines Vorteils gegenüber den übrigen Marktteilnehmern angesehen werden kann. Vom Erwerber kann daher die Rückzahlung solcher Beihilfen nicht verlangt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil SMI, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnrn. 80 und 81). Speziell in Bezug auf den Erwerb von Vermögenswerten hat das Gericht in seinem Urteil CDA Datenträger Albrechts/Kommission (oben in Randnr. 66 angeführt) entschieden, dass dem Erwerber der tatsächliche Nutzen des Wettbewerbsvorteils, der mit den dem Veräußerer gewährten Beihilfen verbunden ist, nicht verblieben ist, wenn er für die Übernahme von Vermögenswerten einen marktgerechten Kaufpreis gezahlt hat. In einem solchen Fall kann nicht die Auffassung vertreten werden, dass der ursprüngliche Empfänger der Beihilfe als „leere Hülle“ verbleibt, von der die rechtswidrigen Beihilfen nicht zurückerlangt werden können (vgl. in diesem Sinne Randnrn. 99 und 100 des Urteils), oder dass dem Erwerber der tatsächliche Nutzen des mit den gewährten Beihilfen verbundenen Wettbewerbsvorteils verblieben ist.

68      Ferner hat der Gerichtshof festgestellt, dass die nationalen Behörden zur Prüfung der finanziellen Bedingungen der Übertragung insbesondere ein eventuell anlässlich der Übertragung angefertigtes Gutachten berücksichtigen können (Urteil des Gerichtshofs vom 13. November 2008, Kommission/Frankreich, C‑214/07, Slg. 2008, I‑0000, Randnrn. 59 und 60).

69      Im vorliegenden Fall macht die Klägerin geltend, dass der Wert der von ihr übernommenen öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen weit höher sei als der Wert der ihr übertragenen Güter. Aus Randnr. 53 der Entscheidung geht nämlich hervor, dass ein unabhängiges Gutachten den Marktwert der Vermögenswerte, die die Klägerin erhalten hat, nämlich das Grundstück, die Anteile der Firma Elsen und Forderungen, mit 156 Millionen PLN veranschlagt hat (die in Anhang A.5 genannte Zahl weicht insoweit nur geringfügig ab). Dagegen belief sich der Gesamtwert der nach dem Gesetz von der Klägerin übernommenen öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen auf mehr als 280 Millionen PLN. Unter diesen Umständen konnte die Kommission ohne weitere Erklärungen weder behaupten, dass eine Umgehungsgefahr bestehe, noch, dass der Klägerin der tatsächliche Nutzen des mit der gewährten streitigen Beihilfe verbundenen Wettbewerbsvorteils verblieben sei. Zumindest hätte sie erklären müssen, warum sie die Tatsache für unerheblich hielt, dass die Vermögenswerte zu einem „Preis“ übernommen wurden, der die Nutzung eines solchen Wettbewerbsvorteils auszuschließen scheint. Da nämlich die Klägerin weder eine zum Konzern des Veräußerers gehörende Gesellschaft noch überhaupt ein auf dem Stahlerzeugungsmarkt tätiges Unternehmen ist, sondern die Funktion erfüllt, die Verbindlichkeiten und Vermögenswerte von notleidenden Unternehmen zu übernehmen, um im Gegenzug deren Gläubiger zu befriedigen, hätte die Kommission eine Umgehungsgefahr und die tatsächliche Nutzung des mit der gewährten streitigen Beihilfe verbundenen Wettbewerbsvorteils durch die Klägerin speziell nachweisen müssen.

70      Die Aufnahme der Klägerin in den Kreis der gesamtschuldnerisch zur Rückzahlung der streitigen Beihilfe verpflichteten Unternehmen war daher fehlerhaft.

71      Hieraus folgt, dass dem Klagegrund einer fehlerhaften Auslegung der Art. 87 EG und 88 EG sowie von Art. 14 der Verordnung Nr. 659/1999 stattzugeben ist.

72      Aus alledem ergibt sich, dass die Entscheidung für nichtig zu erklären ist, soweit sie die Klägerin betrifft, ohne dass der letzte Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit geltend gemacht wird, geprüft zu werden braucht.

 Kosten

73      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 der Entscheidung 2006/937/EG der Kommission vom 5. Juli 2005 betreffend die staatliche Beihilfe C 20/04 (ex NN 25/04) zugunsten des Stahlerzeugers Huta Częstochowa S.A. wird für nichtig erklärt, soweit er die Operator ARP sp. z o.o. betrifft.

2.      Die Kommission trägt die Kosten.

Martins Ribeiro

Papasavvas

Dittrich

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 1. Juli 2009.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis


Rechtlicher Rahmen

Sachverhalt

Verfahren und Anträge der Parteien

Rechtliche Würdigung

Zur Zulässigkeit

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Zur Begründetheit

Zum Klagegrund des Verstoßes gegen Verteidigungsrechte

– Vorbringen der Parteien

– Würdigung durch das Gericht

Zum Klagegrund eines Begründungsmangels

– Vorbringen der Parteien

– Würdigung durch das Gericht

Zum Klagegrund einer fehlerhaften Auslegung der Art. 87 EG und 88 EG sowie von Art. 14 der Verordnung Nr. 659/1999

– Vorbringen der Parteien

– Würdigung durch das Gericht

Kosten


* Verfahrenssprache: Polnisch.