Language of document : ECLI:EU:T:2021:632

URTEIL DES GERICHTS (Neunte Kammer)

29. September 2021(*)

„Landwirtschaft – Verordnung (EU) 2016/2031 – Maßnahmen zum Schutz vor Pflanzenschädlingen – Liste der unionsgeregelten Nicht-Quarantäneschädlinge – Schwellenwert, ab dem das Auftreten eines unionsgeregelten Nicht-Quarantäneschädlings auf zum Anpflanzen bestimmten Pflanzen nicht hinnehmbare wirtschaftliche Folgen hat – Durchführungsverordnung (EU) 2019/2072 – Berufsverbände – Nichtigkeitsklage – Klagebefugnis – Zulässigkeit – Verhältnismäßigkeit – Begründungspflicht“

In der Rechtssache T‑116/20,

Società agricola Vivai Maiorana Ss mit Sitz in Curinga (Italien),

Confederazione Italiana Agricoltori – CIA mit Sitz in Rom (Italien),

MIVA – Moltiplicatori Italiani Viticoli Associati mit Sitz in Faenza (Italien),

vertreten durch die Rechtsanwälte E. Scoccini und G. Scoccini,

Klägerinnen,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch B. Eggers und F. Moro als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Rat der Europäischen Union, vertreten durch S. Emmerechts, A. Vitro und S. Barbagallo als Bevollmächtigte,

und

Europäisches Parlament, vertreten durch L. Knudsen und G. Mendola als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

wegen Nichtigerklärung von Anhang IV Teile A, B, C, F, I und J der Durchführungsverordnung (EU) 2019/2072 der Kommission vom 28. November 2019 zur Festlegung einheitlicher Bedingungen für die Durchführung der Verordnung (EU) 2016/2031 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf Maßnahmen zum Schutz vor Pflanzenschädlingen und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 690/2008 der Kommission sowie zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) 2018/2019 der Kommission (ABl. 2019, L 319, S. 1)

erlässt

DAS GERICHT (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin M. J. Costeira, des Richters D. Gratsias (Berichterstatter) und der Richterin M. Kancheva,

Kanzler: J. Palacio González, Hauptverwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 9. Juni 2021

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Gegenstand der Verordnung (EU) 2016/2031 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 über Maßnahmen zum Schutz vor Pflanzenschädlingen, zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 228/2013, (EU) Nr. 652/2014 und (EU) Nr. 1143/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 69/464/EWG, 74/647/EWG, 93/85/EWG, 98/57/EG, 2000/29/EG, 2006/91/EG und 2007/33/EG des Rates (ABl. 2016, L 317, S. 4) ist die Festlegung von Maßnahmen zur Bestimmung der von Pflanzenschädlingen ausgehenden Pflanzengesundheitsrisiken sowie zur Verringerung dieser Risiken auf ein hinnehmbares Maß.

2        In Art. 36 der Verordnung 2016/2031 heißt es:

„Ein Schädling wird als ‚unionsgeregelter Nicht-Quarantäneschädling‘ bezeichnet, wenn er die folgenden Bedingungen erfüllt und in der in Artikel 37 genannten Liste aufgeführt ist:

a)      Seine Identität wurde gemäß Anhang I Abschnitt 4 Nummer 1 bestimmt;

b)      er tritt im Gebiet der Union auf;

c)      er ist kein Unionsquarantäneschädling und kein Schädling, für den gemäß Artikel 30 Absatz 1 erlassene Maßnahmen gelten;

d)      er wird in Übereinstimmung mit Anhang I Abschnitt 4 Nummer 2 hauptsächlich durch spezifische, zum Anpflanzen bestimmte Pflanzen übertragen;

e)      sein Auftreten auf diesen zum Anpflanzen bestimmten Pflanzen hat gemäß Anhang I Abschnitt 4 Nummer 3 nicht hinnehmbare wirtschaftliche Folgen in Bezug auf die vorgesehene Verwendung dieser zum Anpflanzen bestimmten Pflanzen;

f)      es stehen durchführbare, wirksame Maßnahmen zur Verfügung, mit denen sich sein Auftreten auf den zum Anpflanzen bestimmten betreffenden Pflanzen verhüten lässt.“

3        Art. 37 Abs. 2 der Verordnung 2016/2031 sieht im Wesentlichen vor, dass die Europäische Kommission im Wege eines Durchführungsrechtsakts eine Liste der unionsgeregelten Nicht-Quarantäneschädlinge (im Folgenden: RNQPs) und der zum Anpflanzen bestimmten spezifischen Pflanzen aufstellt. Nach Art. 37 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung 2016/2031 „[dürfen] Unternehmer … einen [RNQP] nicht auf den in der Liste gemäß Absatz 2 genannten, zum Anpflanzen bestimmten Pflanzen, durch die er übertragen wird, in das Gebiet der Union einschleppen oder innerhalb dieses Gebiets verbringen“.

4        Art. 37 Abs. 8 der Verordnung 2016/2031 bestimmt, dass, sofern die Bedingung des Art. 36 Buchst. e dieser Verordnung nur erfüllt ist, wenn die Inzidenz dieses Schädlings über einem bestimmten Schwellenwert über Null liegt, in der in Art. 37 Abs. 2 genannten Liste dieser Schwellenwert mit dem Hinweis anzugeben ist, dass das Einschleppungs- bzw. Verbringungsverbot nur oberhalb dieses Schwellenwerts gilt. Damit die Kommission einen solchen Schwellenwert festsetzt, muss der Unternehmer nach dieser Bestimmung jedoch sicherstellen können, dass die Inzidenz der RNQPs auf diesen zum Anpflanzen bestimmten Pflanzen den Schwellenwert nicht übersteigt, und es muss nachprüfbar sein, ob Partien der betreffenden Pflanzen diesen Schwellenwert überschreiten oder nicht.

5        Der Begriff „Unternehmer“ wird in Art. 2 Nr. 9 der Verordnung 2016/2031 so definiert, dass er jede dem öffentlichen Recht oder dem Privatrecht unterliegende Person umfasst, die gewerblich einer oder mehreren der folgenden Tätigkeiten in Bezug auf Pflanzen, Pflanzenerzeugnisse und andere Gegenstände nachgeht und rechtlich dafür verantwortlich ist:

–        Anpflanzen;

–        Züchtung;

–        Produktion, einschließlich Anbau, Vermehrung und Versorgung;

–        Einführen in das Gebiet der Europäischen Union und Verbringung innerhalb dieses Gebiets und aus diesem Gebiet heraus;

–        Bereitstellung auf dem Markt;

–        Lagerung, Gewinnung, Versand und Verarbeitung.

6        Insbesondere auf der Grundlage von Art. 37 Abs. 2 der Verordnung 2016/2031 (vgl. oben, Rn. 3) erließ die Kommission die Durchführungsverordnung (EU) 2019/2072 vom 28. November 2019 zur Festlegung einheitlicher Bedingungen für die Durchführung der Verordnung 2016/2031 in Bezug auf Maßnahmen zum Schutz vor Pflanzenschädlingen und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 690/2008 der Kommission sowie zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) 2018/2019 der Kommission (ABl. 2019, L 319, S. 1) (im Folgenden: angefochtene Durchführungsverordnung).

7        Art. 5 der angefochtenen Durchführungsverordnung bestimmt:

„Die in Artikel 37 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2016/2031 genannte Liste der [RNQPs] und der spezifischen zum Anpflanzen bestimmten Pflanzen mit Kategorien und Schwellenwerten ist in Anhang IV der vorliegenden Verordnung festgelegt. Die genannten zum Anpflanzen bestimmten Pflanzen dürfen nicht in die Union eingeführt oder innerhalb der Union verbracht werden, wenn das Auftreten von RNQPs oder von durch RNQPs verursachten Symptomen auf diesen zum Anpflanzen bestimmten Pflanzen die genannten Schwellenwerte überschreitet.

Das in Absatz 1 genannte Einfuhr- und Verbringungsverbot gilt nur für die in Anhang IV aufgeführten Kategorien von zum Anpflanzen bestimmten Pflanzen.“

8        Anhang IV der angefochtenen Durchführungsverordnung enthält eine Liste der RNQPs für zwölf spezifische Pflanzen. Somit gliedert sich der fragliche Anhang in zwölf Teile von A bis L, darunter:

–        Teil A, in dem zwei Kombinationen von RNQPs und Futterpflanzensaatgut aufgeführt sind;

–        Teil B, in dem zwei Kombinationen von RNQPs und Getreidesaatgut aufgeführt sind;

–        Teil C, in dem neun Kombinationen von RNQPs und Vermehrungsgut von Reben aufgeführt sind;

–        Teil F, in dem 13 Kombinationen von RNQPs und Gemüsesaatgut aufgeführt sind;

–        Teil I, in dem 15 Kombinationen von RNQPs und Gemüsepflanzgut und Gemüsevermehrungsmaterial, außer Saatgut, aufgeführt sind;

–        Teil J, in dem 155 Kombinationen von RNQPs und Vermehrungsmaterial und Pflanzen von Obstarten zur Fruchterzeugung aufgeführt sind.

9        In diesen Teilen des Anhangs IV der angefochtenen Durchführungsverordnung hat die Kommission den Schwellenwert für das Auftreten von RNQPs bis auf vier Ausnahmen mit 0 % festgelegt.

 Verfahren und Anträge der Parteien

10      Mit Klageschrift, die am 20. Februar 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerinnen, die Società agricola Vivai Maiorana Ss, die Confederazione Italiana Agricoltori – CIA (im Folgenden: CIA) und die MIVA – Moltiplicatori Italiani Viticoli Associati (im Folgenden: MIVA), die vorliegende Klage erhoben.

11      Mit Schriftsätzen, die am 11. bzw. 27. Mai 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union beantragt, im vorliegenden Verfahren als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden. Mit Beschlüssen vom 8. und 22. Juli 2020 hat die Präsidentin der Neunten Kammer des Gerichts diese Streitbeitritte zugelassen. Die Streithelfer haben ihre Schriftsätze und die Hauptparteien ihre Stellungnahmen hierzu innerhalb der ihnen gesetzten Fristen eingereicht.

12      Die Klägerinnen beantragen,

–        Anhang IV Teile A, B, C, F, I und J der angefochtenen Durchführungsverordnung für nichtig zu erklären, soweit darin Schwellenwerte für das Auftreten von RNQPs auf den betroffenen Pflanzen festgelegt werden;

–        Art. 36, Art. 37 Abs. 2 und Anhang I Abschnitt 4 Nr. 3 der Verordnung 2016/2031 für ungültig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

13      Die Kommission, das Parlament und der Rat beantragen,

–        die Klage als teilweise unzulässig und teilweise unbegründet abzuweisen;

–        den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

14      Im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 89 seiner Verfahrensordnung hat das Gericht den Klägerinnen am 8. Februar und 30. April 2021 schriftliche Fragen gestellt. Die Klägerinnen sind diesen Maßnahmen mit Schreiben vom 24. Februar bzw. 14. Mai 2021 nachgekommen. Mit Schreiben vom 17. Mai 2021 hat die Kommission zu den am 24. Februar 2021 von den Klägerinnen eingereichten Beweisstücken Stellung genommen.

15      Auf Vorschlag des Berichterstatters hat das Gericht (Neunte Kammer) beschlossen, das mündliche Verfahren zu eröffnen.

16      Da der ursprünglich bestimmte Berichterstatter an der weiteren Mitwirkung am Verfahren verhindert war, ist die vorliegende Rechtssache durch Entscheidung des Präsidenten des Gerichts vom 8. Juni 2021 einem neuen, der Neunten Kammer angehörenden Berichterstatter zugewiesen worden. Außerdem hat die Präsidentin der Neunten Kammer mit Entscheidung vom 8. Juni 2021 einen anderen Richter bestimmt, durch den die Kammer ergänzt worden ist.

 Rechtliche Würdigung

17      Die Klägerinnen stützen ihre Klage auf vier Klagegründe:

–        Verstoß gegen Art. 36 Buchst. e und f der Verordnung 2016/2031, gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und gegen die Begründungspflicht;

–        Verstoß gegen den Internationalen Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (im Folgenden: Internationaler Vertrag), dessen Abschluss im Namen der Europäischen Gemeinschaft durch den Beschluss 2004/869/EG des Rates vom 24. Februar 2004 (ABl. 2004, L 378, S. 1) genehmigt wurde;

–        Verstoß gegen die Verordnung (EU) 2018/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates (ABl. 2018, L 150, S. 1);

–        Unvereinbarkeit der streitigen Teile des Anhangs IV der angefochtenen Durchführungsverordnung mit der Gemeinsamen Agrarpolitik.

18      Vor dem Bestreiten der Begründetheit der Klage äußert die Kommission Zweifel an der Zulässigkeit der Klage im Hinblick auf das Rechtsschutzinteresse und die Klagebefugnis der Klägerinnen sowie auf die Klarheit der geltend gemachten Klagegründe. Das Parlament und der Rat sind der Ansicht, dass die gegen die Verordnung 2016/2031 erhobene Einrede der Rechtswidrigkeit die Gründe, auf die sie gestützt sei, nicht mit der erforderlichen Klarheit erkennen lasse, so dass sie als unzulässig zurückzuweisen sei.

 Zur Zulässigkeit

 Zur Klagebefugnis

19      Die Kommission weist als Erstes darauf hin, dass die angefochtene Durchführungsverordnung ein Rechtsakt mit Verordnungscharakter sei, der keine Durchführungsmaßnahmen im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV nach sich ziehe. Daraus folge, dass die Klage nur dann zulässig sei, wenn diese Verordnung die Klägerinnen im Sinne der letztgenannten Bestimmung unmittelbar betreffe.

20      Dies sei jedoch bei der erstgenannten Klägerin, der Società agricola Vivai Maiorana, bei der es sich um eine Rebschule handele, insofern nicht der Fall, als sie nicht behaupte, ein von Anhang IV Teile A, B, F, I und J der angefochtenen Durchführungsverordnung betroffener Unternehmer zu sein. Als Rebschule sei die erstgenannte Klägerin daher nur von Teil C dieses Anhangs unmittelbar betroffen.

21      Was die beiden klagenden Verbände CIA und MIVA angeht, so macht die Kommission geltend, dass sie nur in drei Fällen berechtigt seien, eine Klage auf Nichtigerklärung der angefochtenen Durchführungsverordnung zu erheben: erstens, wenn das Gesetz ihnen ein solches Recht ausdrücklich einräume; zweitens, wenn einige der Mitglieder, die sie verträten, eine individuelle Klagebefugnis hätten; oder drittens, wenn sie ein eigenes Interesse geltend machen könnten.

22      Erstens machten die klagenden Verbände jedoch nicht geltend, dass der erste dieser Fälle hier erfüllt sei.

23      Zweitens gäben die klagenden Verbände nicht an, welche ihrer Mitglieder die Unternehmer seien, die in der Produktion und dem Inverkehrbringen der Pflanzen tätig seien, die von denjenigen Teilen des Anhangs IV der angefochtenen Durchführungsverordnung, deren Nichtigerklärung sie beantragten, betroffen seien. Diese Information ergebe sich weder aus den Satzungen der CIA und der MIVA, noch könne sie den Unterlagen, die als Anlage zur Erwiderung vorgelegt worden seien, entnommen werden. Da die erstgenannte Klägerin die Klage im eigenen Namen erhoben habe, könne die MIVA ihre Klagebefugnis auch nicht auf die Tatsache stützen, dass diese Klägerin zu ihren Mitgliedern gehöre. Was die in der Antwort der Klägerinnen vom 24. Februar 2021 genannten Wirtschaftsteilnehmer angehe, hätten die Klägerinnen nicht nachgewiesen, dass diese in das amtliche Unternehmerregister, das die Mitgliedstaaten gemäß Art. 65 der Verordnung 2016/2031 führen und auf dem neusten Stand halten müssten, eingetragen seien. Außerdem stellt die Kommission die Relevanz der von den Klägerinnen vorgelegten Rechnungen in Abrede. Insoweit macht sie, je nachdem, um welchen Unternehmer es sich handelt, entweder geltend, dass die Rechnungen nicht die in den streitigen Teilen des Anhangs IV der angefochtenen Durchführungsverordnung aufgeführten Pflanzen beträfen, oder, dass sie nur einige dieser Pflanzen beträfen, oder, dass sie ein Datum nach dem Zeitpunkt der Klageerhebung trügen. Die Kommission fügt hinzu, dass die anhaltenden Zweifel an der Klagebefugnis der Klägerinnen den Umfang der Klage ungewiss erscheinen ließen und ihre Verteidigungsrechte beeinträchtigen könnten.

24      Als Drittes weist die Kommission, soweit die CIA zur Begründung ihrer Klagebefugnis ein eigenes Interesse geltend macht, darauf hin, dass diejenigen Teile des Anhangs IV der angefochtenen Verordnung, deren Nichtigerklärung beantragt werde, die Rechte und Pflichten der CIA als Verband nicht berührten, so dass sie von diesen Teilen nicht unmittelbar betroffen sei.

25      Die Klägerinnen sind ebenfalls der Auffassung, dass die angefochtene Durchführungsverordnung einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter darstelle, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehe, gehen jedoch davon aus, dass sie von deren Bestimmungen unmittelbar betroffen seien. Hierzu tragen sie erstens vor, dass die Mitglieder der CIA Landwirte seien, die das gesamte Spektrum landwirtschaftlicher Tätigkeiten abdeckten, während die Mitglieder der MIVA ausschließlich Hersteller von Vermehrungsmaterial für Reben seien. Folglich verfügten alle Mitglieder der klagenden Verbände als Produzenten oder Erwerber von Saatgut, auf das sich die streitigen Teile des Anhangs IV der angefochtenen Durchführungsverordnung bezögen, über die Klagebefugnis für deren Nichtigerklärung. Insoweit haben die klagenden Verbände im Rahmen einer prozessleitenden Maßnahme Beweise dafür vorgelegt, aus denen ihres Erachtens hervorgeht, dass sich unter ihren Mitgliedern mindestens ein Unternehmer befindet, dessen Tätigkeit unter Anhang IV Teile A, B, C, F, I oder J der angefochtenen Durchführungsverordnung fällt.

26      Im Übrigen sei die CIA angesichts der Zahl ihrer Mitglieder ein besonders repräsentativer Verband. Im vorliegenden Fall beabsichtige sie gemäß ihrem satzungsmäßigen Zweck, nämlich der Entwicklung und der Aufwertung des ländlichen Raums, der Entwicklung der Landwirtschaft und der Förderung der biologischen Vielfalt, den Schutz eines kollektiven Interesses.

27      Insoweit ist zunächst daran zu erinnern, dass die angefochtene Durchführungsverordnung u. a. auf der Grundlage von Art. 37 Abs. 2 der Verordnung 2016/2031 erlassen wurde. Soweit sie der Umsetzung dieser Bestimmung dient, bezweckt sie nach ihren Erwägungsgründen 2, 14 und 15 die Auflistung der RNQPs und der spezifischen Kategorien der maßgeblichen zum Anpflanzen bestimmten Pflanzen und gleichzeitig die Festlegung der Schwellenwerte für das maximale Auftreten von RNQPs, wenn die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. oben, Rn. 3, 4 und 6).

28      In diesem Zusammenhang enthält Anhang IV der angefochtenen Durchführungsverordnung die Liste der RNQPs und der spezifischen zum Anpflanzen bestimmten Pflanzen nebst Kategorien und Schwellenwerten. Gemäß Art. 5 der angefochtenen Durchführungsverordnung dürfen diese zum Anpflanzen bestimmten Pflanzen nicht in die Union eingeführt oder innerhalb der Union verbracht werden, wenn das Auftreten von RNQPs oder von durch RNQPs verursachten Symptomen auf diesen zum Anpflanzen bestimmten Pflanzen die genannten Schwellenwerte überschreitet (vgl. oben, Rn. 7 bis 9).

29      Wie die Klägerinnen und die Kommission insoweit geltend machen (vgl. oben, Rn. 19 und 25), stellt die angefochtene Durchführungsverordnung als Handlung mit allgemeiner Geltung, bei der es sich nicht um einen Gesetzgebungsakt handelt, einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter im Sinne von Art. 263 AEUV dar (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 6. September 2011, Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat, T‑18/10, EU:T:2011:419, Rn. 56).

30      Außerdem ist ebenfalls in Übereinstimmung mit den Ausführungen der Klägerinnen und der Kommission darauf hinzuweisen, dass die streitigen Teile des Anhangs IV der angefochtenen Durchführungsverordnung, soweit sie Schwellenwerte für das Auftreten von RNQPs auf den betreffenden zum Anpflanzen bestimmten Pflanzen festlegen, keine Durchführungsmaßnahmen im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV nach sich ziehen. Darüber hinaus stellt Art. 5 der angefochtenen Durchführungsverordnung ein Verbot der Einfuhr in die Union und der Verbringung innerhalb der Union auf, wenn das Auftreten von RNQPs oder von durch RNQPs verursachten Symptomen auf diesen zum Anpflanzen bestimmten Pflanzen diese Schwellenwerte überschreitet, wobei dieses Verbot auch keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht.

31      Folglich genügt für die Klagebefugnis der Klägerinnen der Nachweis, dass sie im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV von den Bestimmungen, deren Nichtigerklärung sie begehren, unmittelbar betroffen sind.

32      Die in Art. 263 Abs. 4 AEUV genannte Voraussetzung, wonach eine natürliche oder juristische Person von der klagegegenständlichen Entscheidung unmittelbar betroffen sein muss, erfordert, dass zwei Kriterien kumulativ erfüllt sind. Zum einen muss sich die beanstandete Maßnahme unmittelbar auf die Rechtsstellung des Einzelnen auswirken. Zum anderen darf die Maßnahme den Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lassen, da ihre Umsetzung vielmehr rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Unionsregelung ohne Anwendung weiterer Durchführungsvorschriften ergibt (vgl. Urteil vom 6. November 2018, Scuola Elementare Maria Montessori/Kommission, Kommission/Scuola Elementare Maria Montessori und Kommission/Ferracci, C‑622/16 P bis C‑624/16 P, EU:C:2018:873, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33      Ohne in einem gesonderten Schriftsatz eine Einrede der Unzulässigkeit zu erheben, bestreitet die Kommission, dass im vorliegenden Fall die erste, die Beeinträchtigung der Rechtsstellung der Klägerinnen betreffende Voraussetzung im Hinblick auf alle Klägerinnen und in Bezug auf alle streitigen Teile des Anhangs IV der angefochtenen Durchführungsverordnung erfüllt sei (vgl. oben, Rn. 19 bis 24).

34      Es ist darauf hinzuweisen, dass das sich aus Art. 5 der angefochtenen Durchführungsverordnung ergebende Einfuhr- und Verbringungsverbot für zum Anpflanzen bestimmte Pflanzen, wenn das Auftreten von RNQPs oder von durch RNQPs verursachten Symptomen die durch die streitigen Teile des Anhangs IV dieser Verordnung festgelegten Schwellenwerte überschreitet, unmittelbar „Unternehmer“ im Sinne von Art. 2 Nr. 9 der Verordnung 2016/2031 betrifft (vgl. oben, Rn. 5). Nach Art. 37 Abs. 1 der Verordnung 2016/2031 werden nämlich solche Unternehmer von dem in Rede stehenden Verbot erfasst (vgl. oben, Rn. 3). Dieses Verbot lässt den mit seiner Durchführung betrauten Mitgliedstaaten keinerlei Ermessensspielraum. Folglich wird die Rechtsstellung eines Unternehmers im Sinne von Art. 2 Nr. 9 der Verordnung 2016/2031, der seine Tätigkeit in Bezug auf eine Pflanzenkategorie ausübt, die von einem oder mehreren der streitigen Teile des Anhangs IV der angefochtenen Durchführungsverordnung betroffen ist, unmittelbar durch das in letzterer Verordnung aufgestellte Verbot beeinträchtigt.

35      Zu diesem letztgenannten Punkt ist erstens festzustellen, dass die Verordnung 2016/2031 zwischen „Unternehmern“ im Sinne ihres Art. 2 Nr. 9 einerseits und „registrierten Unternehmern“ andererseits, bei denen es sich nach Art. 2 Nr. 10 dieser Verordnung um gemäß Art. 65 der Verordnung registrierte Unternehmer handelt, unterscheidet. Letztere Bestimmung sieht im Wesentlichen vor, dass die zuständige nationale Behörde ein Register über Unternehmer, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen, führt und auf dem neusten Stand hält. Aus Art. 65 Abs. 3 der Verordnung 2016/2031 geht jedoch hervor, dass Unternehmer, die bestimmte Kriterien im Zusammenhang mit dem Schädlingsrisiko, das von den von ihnen angebauten Pflanzen ausgeht, erfüllen, nicht in das fragliche Register eingetragen werden müssen.

36      Folglich betrifft das Einfuhr- und Verbringungsverbot für zum Anpflanzen bestimmte Pflanzen, wenn das Auftreten von RNQPs oder von durch RNQPs verursachten Symptomen die durch die streitigen Teile des Anhangs IV der angefochtenen Durchführungsverordnung festgelegten Schwellenwerte überschreitet, die Unternehmer im Sinne von Art. 2 Nr. 9 der Verordnung 2016/2031 und nicht nur die registrierten Unternehmer im Sinne von deren Art. 2 Nr. 10. Das Argument der Kommission, es sei nicht sicher, dass es sich bei den Unternehmern, die Mitglieder der zweit- und der drittgenannten Klägerin seien, um registrierte Unternehmer handele, ist daher zurückzuweisen.

37      Zweitens umfasst der Begriff „Unternehmer“ gemäß Art. 2 Nr. 9 der Verordnung 2016/2031 jede dem öffentlichen Recht oder dem Privatrecht unterliegende Person, die gewerblich einer oder mehreren der oben in Rn. 5 aufgeführten Tätigkeiten insbesondere in Bezug auf Pflanzen nachgeht.

38      Der Begriff „Pflanzen“ wird in Art. 2 Nr. 1 der Verordnung 2016/2031 so definiert, dass er lebende Pflanzen und lebende Teile von Pflanzen, wie etwa Samen, Früchte, Gemüse, Knollen, Edelreiser, Stecklinge und Pfropfreiser, umfasst.

39      Außerdem geht aus Art. 37 Abs. 1 und 2 der Verordnung 2016/2031 hervor, dass die Liste der RNQPs und der zum Anpflanzen bestimmten spezifischen Pflanzen, die die Kommission mittels einer Durchführungsverordnung wie der angefochtenen Durchführungsverordnung aufstellt, nicht notwendigerweise alle zum Anpflanzen bestimmten Pflanzen einschließt, sondern nur die zum Anpflanzen bestimmten Pflanzen, „durch die [RNQPs] übertragen [werden]“. Insbesondere ist Anhang IV der angefochtenen Durchführungsverordnung, wie oben in Rn. 8 ausgeführt, in zwölf Teile von A bis L unterteilt, von denen jeder eine Reihe von Pflanzen- und RNQP-Kombinationen aufführt.

40      Zur Veranschaulichung: In Art. 2 Abs. 1 Teil A der Richtlinie 66/401/EWG des Rates vom 14. Juni 1966 über den Verkehr mit Futterpflanzensaatgut (ABl. 1966, P 125, S. 2298) sind 87 Gattungen oder Arten von Futterpflanzen aufgeführt. Anhang IV Teil A („RNQPs bei Futterpflanzensaatgut“) der angefochtenen Durchführungsverordnung nennt hingegen nur die Luzernenart (Medicago sativa L.), durch die die beiden dort genannten RNQPs (Clavibacter michiganensis und Ditylenchus dipsaci) übertragen werden.

41      Daraus folgt, dass der Begriff „Unternehmer“ alle Wirtschaftsteilnehmer umfasst, die einer oder mehreren der in Art. 2 Nr. 9 der Verordnung 2016/2031 angeführten Tätigkeiten in Bezug auf „Pflanzen“, wie sie in Art. 2 Nr. 1 der Verordnung 2016/2031 definiert und in den jeweiligen Richtlinien über ihren Verkehr aufgeführt werden, nachgehen.

42      Das sich aus Art. 5 der angefochtenen Durchführungsverordnung in Verbindung mit Art. 37 Abs. 1 der Verordnung 2016/2031 ergebende Verbot, RNQPs in das Unionsgebiet einzuführen und innerhalb dieses Gebiets zu verbringen, betrifft ratione materiae zwar die in Anhang IV der angefochtenen Durchführungsverordnung aufgeführten, zum Anpflanzen bestimmten Pflanzen. Jedoch erfasst dieses Verbot ratione personae alle Unternehmer im Sinne von Art. 2 Nr. 9 der Verordnung 2016/2031.

43      Auf diese Weise wollte der Gesetzgeber das Risiko einer Ausbreitung von RNQPs begrenzen, das nicht nur von „registrierten Unternehmern“ oder von Unternehmern, die Tätigkeiten ausgeübt haben, die speziell mit den in Anhang IV der angefochtenen Durchführungsverordnung aufgeführten Pflanzen in Zusammenhang stehen, ausgeht, sondern von jedem Unternehmer, der im Pflanzensektor tätig ist und bei dem infolgedessen die Möglichkeit besteht, dass er Tätigkeiten im Zusammenhang mit den in diesem Anhang IV aufgeführten Pflanzen ausübt, durch die RNQPs übertragen werden.

44      Folglich kann dem Ansatz der Kommission, wonach nur die Rechtsstellung derjenigen Unternehmer beeinträchtigt werde, die ihre Tätigkeit allein im Hinblick auf die in den streitigen Anhängen der angefochtenen Durchführungsverordnung aufgeführten Pflanzen ausgeübt hätten, nicht gefolgt werden. Abgesehen davon, dass der fragliche Ansatz den anwendbaren Vorschriften zuwiderläuft (vgl. oben, Rn. 35 bis 41), beruht er auf der Prämisse, dass das sich aus Art. 5 der angefochtenen Durchführungsverordnung ergebende Verbot nicht für alle Unternehmer im Sinne von Art. 2 Nr. 9 der Verordnung 2016/2031, sondern nur für diejenigen gilt, die ihre Tätigkeit in der Vergangenheit im Hinblick auf Pflanzen ausgeübt haben, durch die RNQPs übertragen werden. Folgte man dieser Auffassung, hätte dies jedoch zur Folge, dass die praktische Wirksamkeit der Politik zur Verhinderung der Verbreitung von RNQPs in der Union ernsthaft beeinträchtigt würde.

45      In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass die erstgenannte Klägerin als im Sektor des Vermehrungsguts von Reben tätiges Rebschulunternehmen ein Unternehmer im Sinne von Art. 2 Nr. 9 der Verordnung 2016/2031 ist. In dieser Eigenschaft wird die Rechtsstellung der erstgenannten Klägerin jedoch, wie die Kommission geltend macht, nur durch Teil C des Anhangs IV der angefochtenen Durchführungsverordnung beeinträchtigt, der sich auf RNQPs bei Vermehrungsgut von Reben bezieht. Die erstgenannte Klägerin ist daher nur insoweit klagebefugt, als sie die Nichtigerklärung dieses Teils der angefochtenen Durchführungsverordnung beantragt.

46      In Bezug auf die beiden klagenden Verbände CIA und MIVA ist daran zu erinnern, dass ein Verband, der mit der Wahrnehmung der kollektiven Interessen seiner Mitglieder betraut ist, eine Nichtigkeitsklage erheben kann, wenn seine eigenen Interessen als Verband betroffen sind oder wenn die von ihm vertretenen Personen oder einige davon individuell klagebefugt sind (Urteil vom 30. April 2019, UPF/Kommission, T‑747/17, EU:T:2019:271, Rn. 20).

47      Was die erste der von der CIA angeführten Voraussetzungen betrifft (vgl. oben, Rn. 26), ist mit der Kommission festzustellen, dass die streitigen Teile des Anhangs IV der angefochtenen Durchführungsverordnung die Rechte oder Pflichten dieses Verbands als solchem nicht ändern, so dass sie dessen Rechtsstellung nicht beeinträchtigen. Daraus folgt, dass die CIA nicht mit Erfolg geltend machen kann, aufgrund der Beeinträchtigung ihrer eigenen Interessen klagebefugt zu sein.

48      Zur Klagebefugnis der von der CIA vertretenen Personen ist zunächst festzustellen, dass diese Organisation nach Art. 3 18. Gedankenstrich ihrer Satzung den Zweck hat, die Interessen ihrer Mitglieder zu fördern. Die Klägerinnen haben der Erwiderung eine Liste mit den Namen und Adressen von 584 842 Mitgliedern der CIA beigefügt. In Beantwortung prozessleitender Maßnahmen (vgl. oben, Rn. 14) haben sie Beweise dafür vorgelegt, dass acht Mitglieder der CIA in den Sektoren Futterpflanzensaatgut, Getreidesaatgut, Vermehrungsgut von Reben, Gemüsesaatgut, Gemüsepflanzgut und Pflanzen von Obstarten tätige Unternehmer sind. Diese Sektoren werden von Anhang IV Teile A, B, C, F, I und J der angefochtenen Durchführungsverordnung erfasst.

49      Was die MIVA betrifft, ergibt sich aus Art. 8 der Satzung dieses Verbands, dass zu ihren Mitgliedern Unternehmer im Sinne von Art. 2 Nr. 9 der Verordnung 2016/2031 zählen, die mit Vermehrungsgut von Reben arbeiten. Dies trifft mit Sicherheit auf die erstgenannte Klägerin zu. Dieser Umstand kann jedoch nicht zur Zulässigkeit der Klage führen, soweit sie von der MIVA erhoben worden ist, da die erstgenannte Klägerin die Klage im eigenen Namen erhoben hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. April 2019, UPF/Kommission, T‑747/17, EU:T:2019:271, Rn. 25 bis 27).

50      In Beantwortung der prozessleitenden Maßnahme vom 8. Februar 2021 haben die Klägerinnen jedoch Beweise dafür vorgelegt, dass drei andere Mitglieder der MIVA als die erstgenannte Klägerin in den Sektoren Vermehrungsgut von Reben, Gemüsepflanzgut und Pflanzen von Obstarten tätige Unternehmer sind. Diese Sektoren werden von Anhang IV Teile C, I und J der Durchführungsverordnung (EU) 2019/2072 erfasst. In diesem Zusammenhang ist hinzuzufügen, dass die MIVA nach Art. 3 ihrer Satzung den Zweck hat, Interessen im Zusammenhang mit den Tätigkeiten ihrer Mitglieder zu fördern, ohne dabei landwirtschaftliche Tätigkeiten im Hinblick auf andere Pflanzen als Vermehrungsgut von Reben auszuschließen.

51      Dem Vorbringen der Kommission, dass einige der von den Klägerinnen vorgelegten Rechnungen ein Datum nach Erhebung der Klage trügen, kann nicht gefolgt werden. Die Eigenschaft als „Unternehmer“ im Sinne von Art. 2 Nr. 9 der Verordnung 2016/2031 muss nämlich naturgemäß anhand eines Bündels übereinstimmender Indizien nachgewiesen werden. Folgte man der Logik der Kommission, so würde dies bedeuten, dass allein Beweise, die mit demselben Datum wie dem der Klageerhebung versehen sind, geeignet wären, die Unternehmereigenschaft nachzuweisen, da z. B. Rechnungen aus der Zeit vor diesem Datum nicht ausschließen könnten, dass der fragliche Wirtschaftsteilnehmer zwischenzeitlich die Tätigkeit in Bezug auf die betreffenden Pflanzen aufgegeben hat.

52      Im vorliegenden Fall haben die Klägerinnen mehrere Rechnungen über erhebliche Beträge vorgelegt, aus denen hervorgeht, dass ihre Aussteller, bei denen es sich um Mitglieder der klagenden Verbände handelt, Unternehmer im Sinne von Art. 2 Nr. 9 der Verordnung 2016/2031 sind. Außerdem erfordert das Inverkehrbringen der zum Anpflanzen bestimmten Pflanzen, wie die Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht haben, die Durchführung einer ganzen Reihe von Vorarbeiten, die sich je nach der betreffenden Pflanze über mehr oder weniger lange Zeiträume erstrecken. Daraus folgt, dass der Umstand, dass Rechnungen mit einem nach der Klageerhebung liegenden Datum vorgelegt wurden, um die Unternehmereigenschaft der Mitglieder der zweit- und der drittgenannten Klägerin im oben genannten Sinne zu belegen, für sich genommen nicht geeignet ist, die Relevanz dieser Beweismittel auszuschließen.

53      Da der Kommission Gelegenheit gegeben wurde, zu allen von den Klägerinnen zu ihrer Klagebefugnis vorgetragenen Gesichtspunkten sachdienlich schriftlich und mündlich Stellung zu nehmen, kann im Übrigen keine Beeinträchtigung ihrer Verteidigungsrechte festgestellt werden.

54      Daraus folgt, dass die Klägerinnen wie folgt klagebefugt sind:

–        Die erstgenannte Klägerin ist klagebefugt für die Nichtigerklärung von Anhang IV Teil C der angefochtenen Durchführungsverordnung;

–        die CIA ist klagebefugt für die Nichtigerklärung von Anhang IV Teile A, B, C, F, I und J der angefochtenen Durchführungsverordnung;

–        die MIVA ist klagebefugt für die Nichtigerklärung von Anhang IV Teile C, I und J der angefochtenen Durchführungsverordnung.

 Zum Rechtsschutzinteresse

55      Die Kommission macht geltend, dass eine etwaige Nichtigerklärung von Anhang IV Teile A, B, C, F, I und J der angefochtenen Durchführungsverordnung die in den in Rede stehenden Teilen festgelegten Schwellenwerte für das Auftreten von RNQPs ungültig machen würde, so dass die betroffenen Pflanzen nicht mehr dem Verbot, RNQPs in das Unionsgebiet einführen und innerhalb dieses Gebiets zu verbringen, unterlägen. Eine solche Nichtigerklärung ließe jedoch die den Unternehmern obliegenden Behandlungspflichten, wie sie sich aus den verschiedenen Richtlinien über den Verkehr mit diesen Pflanzen ergäben, unberührt. Bei diesen Richtlinien handele es sich um eigenständige Rechtsakte, in denen die von den streitigen Teilen des Anhangs IV der angefochtenen Durchführungsverordnung festgelegten Schwellenwerte für das Auftreten von RNQPs lediglich Berücksichtigung fänden. Sie könnten daher nicht als Rechtsakte zur Durchführung der angefochtenen Durchführungsverordnung eingestuft werden, deren Gültigkeit durch eine etwaige Nichtigerklärung dieser Verordnung beeinträchtigt würde. Folglich müssten die betroffenen Unternehmer, selbst wenn die Klägerinnen die im vorliegenden Fall angestrebte Nichtigerklärung erreichen sollten, weiterhin die in diesen Richtlinien vorgesehenen Pflanzengesundheitsanforderungen sowohl in Bezug auf die wenig kostspielige Behandlung im Stadium der Produktion als auch in Bezug auf die für das Inverkehrbringen der betreffenden Pflanzen erforderliche Behandlung beachten. Im Übrigen beruhe das im Schutz der biologischen Vielfalt bestehende Interesse der Klägerinnen auf reinen Hypothesen.

56      Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Nichtigkeitsklage einer natürlichen oder juristischen Person nur zulässig, wenn diese ein Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung hat. Ein solches Interesse setzt voraus, dass die Nichtigerklärung dieser Handlung als solche Rechtswirkungen haben kann und der Rechtsbehelf der Partei, die ihn eingelegt hat, damit im Ergebnis einen Vorteil verschaffen kann (vgl. Urteil vom 17. September 2015, Mory u. a./Kommission, C‑33/14 P, EU:C:2015:609, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

57      Hierzu macht die Kommission geltend, die Klägerinnen hätten keinen Vorteil aus einer etwaigen Nichtigerklärung der streitigen Teile des Anhangs IV der angefochtenen Durchführungsverordnung, da eine solche Nichtigerklärung die Verpflichtungen zur Behandlung der betroffenen, zum Anpflanzen bestimmten Pflanzen, wie sie sich aus den jeweiligen Richtlinien über den Verkehr mit diesen Pflanzen ergäben, unberührt ließe.

58      Um die Stichhaltigkeit dieses Vorbringens der Kommission beurteilen zu können, sind die grundlegenden Elemente der Pflanzenschutzregelung der Union in Bezug auf RNQPs darzulegen, wie sie sich aus der Verordnung 2016/2031, der angefochtenen Durchführungsverordnung und den Richtlinien über den Verkehr mit den von der vorliegenden Klage betroffenen Pflanzen ergeben.

59      Wie aus Art. 36 der Verordnung 2016/2031 hervorgeht, handelt es sich bei RNQPs um im Gebiet der Union auftretende Schädlinge, die hauptsächlich durch spezifische, zum Anpflanzen bestimmte Pflanzen übertragen werden und deren Auftreten auf diesen Pflanzen nicht hinnehmbare wirtschaftliche Folgen in Bezug auf die vorgesehene Verwendung der fraglichen Pflanzen hat.

60      Um das Auftreten von RNQPs einzudämmen, sollte nach dem 23. Erwägungsgrund der Verordnung 2016/2031 ihr Einführen über die betreffenden zum Anpflanzen bestimmten Pflanzen in das Gebiet der Union bzw. ihre Verbringung innerhalb dieses Gebiets verboten werden, wenn die Inzidenz dieser Schädlinge über einem bestimmten Schwellenwert liegt.

61      Wie oben in den Rn. 3 und 4 ausgeführt, erstellt die Kommission eine Liste der RNQPs und der spezifischen zum Anpflanzen bestimmten Pflanzen, gegebenenfalls mit den Schwellenwerten über Null, ab denen das Auftreten eines RNQP auf zum Anpflanzen bestimmten Pflanzen nicht hinnehmbare wirtschaftliche Folgen hat. Diese Liste befindet sich in Anhang IV der angefochtenen Durchführungsverordnung (vgl. oben, Rn. 8).

62      Die Regeln für den Verkehr mit den einzelnen zum Anpflanzen bestimmten und unter einen der Teile des Anhangs IV der angefochtenen Durchführungsverordnung fallenden Pflanzen sind in Richtlinien festgelegt. Die Entsprechungen zwischen den in den einzelnen angefochtenen Teilen des Anhangs IV der angefochtenen Durchführungsverordnung aufgeführten RNQPs und den entsprechenden Vermarktungsrichtlinien sind in der folgenden Tabelle aufgeführt:

Teil des Anhangs IV der angefochtenen Durchführungsverordnung

Vermarktungsrichtlinie

Teil A

RNQPs bei Futterpflanzensaatgut

Richtlinie 66/401

Teil B

RNQPs bei Getreidesaatgut

Richtlinie 66/402/EWG des Rates vom 14. Juni 1966 über den Verkehr mit Getreidesaatgut (ABl. 1966, Nr. 125, S. 2309)

Teil C

RNQPs bei Vermehrungsgut von Reben

Richtlinie 68/193/EWG des Rates vom 9. April 1968 über den Verkehr mit vegetativem Vermehrungsgut von Reben (ABl. 1968, L 93, S. 15)

Teil F

RNQPs bei Gemüsesaatgut

Richtlinie 2002/55/EG des Rates vom 13. Juni 2002 über den Verkehr mit Gemüsesaatgut (ABl. 2002, L 193, S. 33)

Teil I

RNQPs bei Gemüsepflanzgut und Gemüsevermehrungsmaterial, außer Saatgut

Richtlinie 2008/72/EG des Rates vom 15. Juli 2008 über das Inverkehrbringen von Gemüsepflanzgut und Gemüsevermehrungsmaterial mit Ausnahme von Saatgut (ABl. 2008, L 205, S. 28)

Richtlinie 93/61/EWG der Kommission vom 2. Juli 1993 zur Aufstellung der Tabelle mit den Anforderungen an Gemüsepflanzgut und Gemüsevermehrungsmaterial mit Ausnahme von Saatgut gemäß der Richtlinie 92/33/EWG des Rates (ABl. 1993, L 250, S. 19)

Teil J

RNQPs bei Vermehrungsmaterial und Pflanzen von Obstarten zur Fruchterzeugung

Richtlinie 2008/90/EG des Rates vom 29. September 2008 über das Inverkehrbringen von Vermehrungsmaterial und Pflanzen von Obstarten zur Fruchterzeugung (ABl. 2008, L 267, S. 8)

Durchführungsrichtlinie 2014/98/EU der Kommission vom 15. Oktober 2014 zur Durchführung der Richtlinie 2008/90 hinsichtlich der spezifischen Anforderungen an die in deren Anhang I aufgeführten Gattungen und Arten von Obstpflanzen, der spezifischen Anforderungen an die Versorger und ausführlicher Bestimmungen für die amtliche Prüfung (ABl. 2014, L 298, S. 22)

63      Die Vermarktungsrichtlinien enthalten die pflanzengesundheitlichen Maßnahmen, die getroffen werden müssen, um das Risiko des Auftretens von RNQPs zu bewältigen und sicherzustellen, dass die in die Union eingeführten und innerhalb der Union verbrachten Pflanzen die Anforderungen des einschlägigen Teils von Anhang IV der angefochtenen Durchführungsverordnung in Bezug auf das Auftreten von RNQPs erfüllen.

64      So wurden nach dem Erlass der angefochtenen Durchführungsverordnung die Richtlinien über das Inverkehrbringen von Pflanzen durch die Durchführungsrichtlinie (EU) 2020/177 der Kommission vom 11. Februar 2020 zur Änderung der Richtlinien 66/401, 66/402, 68/193, 2002/55, 2002/56/EG und 2002/57/EG des Rates, der Richtlinien 93/49/EWG und 93/61 sowie der Durchführungsrichtlinien 2014/21/EU und 2014/98 der Kommission in Bezug auf Pflanzenschädlinge an Saatgut und anderem Pflanzenvermehrungsmaterial (ABl. 2020, L 41, S. 1) geändert.

65      Aus den Erwägungsgründen 5, 6, 8, 10 bis 12, 14 und 19 bis 23 der Durchführungsrichtlinie 2020/177 geht hervor, dass die Richtlinien über den Verkehr mit den von den streitigen Teilen der angefochtenen Durchführungsverordnung betroffenen Pflanzen geändert werden mussten, um Maßnahmen vorzusehen, durch die sichergestellt wird, dass das in ihren Anwendungsbereich fallende Pflanzenvermehrungsmaterial den durch die streitigen Teile des Anhangs IV der angefochtenen Durchführungsverordnung festgelegten Anforderungen u. a. in Bezug auf RNQPs entspricht. Die Richtlinie 66/401 über den Verkehr mit Futterpflanzensaatgut stellt insofern eine teilweise Ausnahme dar, als sie geändert wurde, um darauf hinzuweisen, dass das betreffende Saatgut auch den in Anhang IV Teil A der angefochtenen Durchführungsverordnung festgelegten Anforderungen in Bezug auf RNQPs genügen muss, ohne jedoch zusätzliche Anforderungen im Vergleich zu den vor dem Erlass der Durchführungsrichtlinie 2020/177 geltenden Anforderungen vorzusehen.

66      Dieser systematische Zusammenhang zwischen der angefochtenen Durchführungsverordnung und den Richtlinien über den Verkehr mit zum Anpflanzen bestimmten und unter die streitigen Teile des Anhangs IV dieser Verordnung fallenden Pflanzen wird von der Kommission in den Rn. 24 bis 27 der Klagebeantwortung und in den Rn. 68 und 70 der Gegenerwiderung ausdrücklich bestätigt.

67      Aus diesen Feststellungen ergibt sich, dass die fraglichen Richtlinien, auch wenn sie, wie die Kommission ausführt, keine Rechtsakte zur Durchführung der angefochtenen Durchführungsverordnung darstellen, den Wirtschaftsteilnehmern Verpflichtungen auferlegen, die den in der letztgenannten Verordnung festgelegten Normen für das Auftreten von RNQPs Rechnung tragen und sicherstellen sollen, dass die betreffenden Wirtschaftsteilnehmer diese Normen einhalten. Diese Schlussfolgerung gilt ebenfalls für die Richtlinie 66/401, die nunmehr vorsieht, dass der Bestand und das Saatgut von Futterpflanzen auch im Einklang mit den in Anhang IV Teil A der angefochtenen Durchführungsverordnung festgelegten Anforderungen in Bezug auf das Auftreten von RNQPs stehen müssen, auch wenn insoweit keine zusätzlichen Maßnahmen eingeführt wurden.

68      Die Kommission kann daher nicht mit Erfolg geltend machen, dass eine etwaige Nichtigerklärung der streitigen Teile des Anhangs IV der angefochtenen Durchführungsverordnung der erstgenannten Klägerin oder den Mitgliedern der CIA und der MIVA keinesfalls einen Vorteil verschaffen könne. In Anbetracht der inneren Kohärenz der Pflanzenschutzregelung der Union, die durch den systematischen Zusammenhang zwischen der angefochtenen Durchführungsverordnung und den mit ihr zusammenhängenden Richtlinien über den Verkehr mit zum Anpflanzen bestimmten Pflanzen gekennzeichnet ist, könnte sich der Gesetzgeber im Fall einer teilweisen Nichtigerklärung dieser Durchführungsverordnung nämlich abhängig von den Gründen für die Nichtigerklärung und den nach Art. 266 AEUV zu treffenden Maßnahmen veranlasst sehen, die in Rede stehenden Richtlinien, die ihr Regelungssubstrat in ihrer jetzigen Fassung verloren hätten, zu überprüfen.

69      Demzufolge stehen die Bestimmungen der Richtlinien über den Verkehr mit zum Anpflanzen bestimmten Pflanzen nicht dem Interesse der Klägerinnen an der Beantragung der Nichtigerklärung der streitigen Teile des Anhangs IV der angefochtenen Durchführungsverordnung, die nach den Ausführungen in den vorstehenden Rn. 34 bis 54 ihre Rechtsstellung unmittelbar beeinträchtigen, entgegen. Daraus folgt im Übrigen, dass es für die Zulässigkeit der Klage unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzinteresses nicht erforderlich ist, dass die Klägerinnen ein spezifisches eigenes Interesse am Schutz der biologischen Vielfalt dartun, so dass das auf den hypothetischen Charakter eines solchen Interesses gestützte Vorbringen der Kommission als ins Leere gehend zurückzuweisen ist.

 Zur Klarheit der Klage

70      Unterstützt durch das Parlament und den Rat macht die Kommission erstens geltend, dass aus der Darstellung der Klagegründe nicht die Rechtsnormen hervorgingen, gegen die Art. 36, Art. 37 Abs. 2 und Anhang I Abschnitt 4 Nr. 3 der Verordnung 2016/2031 angeblich verstießen und deren Verletzung gemäß den Anträgen der Klägerinnen zur Ungültigkeit dieser Bestimmungen führe. Zweitens trägt die Kommission vor, dass die Klägerinnen nur in Bezug auf Anhang IV Teil C der angefochtenen Durchführungsverordnung spezifische Argumente vorbrächten, anhand deren sich die behauptete Rechtswidrigkeit nachvollziehen lasse. Der Antrag auf Nichtigerklärung der übrigen streitigen Teile des Anhangs IV dieser Verordnung stütze sich dagegen nur auf allgemeine Ausführungen, die auch unter Berücksichtigung der in der Erwiderung gegebenen Erläuterungen nicht die nach Art. 21 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union erforderliche Klarheit aufwiesen. Jedenfalls sei die Verordnung 2016/2031 mit keinem der Rechtsverstöße behaftet, die als ihr gegenüber geltend gemacht angesehen werden könnten.

71      Insoweit trifft es zwar zu, dass die Klageschrift keine Ausführungen enthält, die die behauptete Rechtswidrigkeit der Verordnung 2016/2031 substantiiert begründen könnten, und dass sie – mit Ausnahme von Anhang IV Teil C – keine besondere Analyse bezüglich der streitigen Teile des Anhangs IV der angefochtenen Durchführungsverordnung enthält. Im Übrigen werden mehrere Argumente der Klägerinnen in Form von Anträgen vorgetragen, deren Zusammenhang mit den angefochtenen Teilen des Anhangs IV der angefochtenen Durchführungsverordnung oftmals nicht offensichtlich ist.

72      Erstens haben die Klägerinnen jedoch in ihrer Erwiderung auch zu anderen streitigen Teilen als Teil C des Anhangs IV der angefochtenen Durchführungsverordnung Argumente vorgebracht. Diese Argumente, die sich den in der Klageschrift geltend gemachten Klagegründen zuordnen lassen, stellen eine zulässige Erweiterung dieser Klagegründe dar. Zweitens lässt sich, auch wenn der Zusammenhang zwischen bestimmten Argumenten zur Stützung der geltend gemachten Klagegründe nicht immer offensichtlich ist, die Tragweite der von den Klägerinnen erhobenen Rügen anhand einer eingehenden Prüfung des rechtlichen Rahmens in seiner Gesamtheit nachvollziehen. Drittens geben die Verweise darauf, dass die Verordnung 2016/2031 gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße, dem Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Vorbringens der Klägerinnen die Möglichkeit, seine Kontrolle in Bezug auf diese Verordnung auszuüben.

73      Der Einwand, die Klage sei mangels Klarheit unzulässig, ist daher zurückzuweisen.

 Zur Begründetheit

 Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 36 Buchst. e und f der Verordnung 2016/2031, gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und gegen die Begründungspflicht

74      Die Klägerinnen weisen darauf hin, dass ein Schädling nach Art. 36 der Verordnung 2016/2031 nur dann in die Liste der RNQPs aufgenommen werden könne, wenn er die in dieser Bestimmung festgelegten Voraussetzungen erfülle. Zu diesen Voraussetzungen gehörten die nicht hinnehmbaren wirtschaftlichen Folgen des Auftretens des Schädlings im Sinne von Anhang I Abschnitt 4 Nr. 3 dieser Verordnung sowie das Vorhandensein durchführbarer und wirksamer Maßnahmen zur Verhütung seines Auftretens auf diesen Pflanzen (Art. 36 Buchst. e und f der Verordnung 2016/2031). Die in den streitigen Teilen des Anhangs IV der angefochtenen Durchführungsverordnung festgelegten Schwellenwerte seien jedoch weder unter Hinweis auf eine eingehende Analyse der wirtschaftlichen Folgen, die das Auftreten von RNQPs auf den betreffenden Pflanzen habe, begründet worden, noch beruhten sie auf dem Vorhandensein durchführbarer und wirksamer Maßnahmen zur Verhütung dieses Auftretens. Darüber hinaus führe die Festlegung der Schwellenwerte für das Auftreten von RNQPs auf 0 % zu einer Verpflichtung zur phytosanitären Behandlung der betreffenden Sorten im Wege einer genetischen Selektion, was wiederum die Vielfalt der Sorten der „Standard“-Kategorie, die derzeit nicht behandelt würden, endgültig zerstören und die Unterscheidung zwischen den Kategorien „Standard“ und „zertifiziert“ aufheben würde.

75      So führten z. B. die in Anhang IV Teil C der angefochtenen Durchführungsverordnung festgelegten Schwellenwerte dazu, dass 57,7 % der Rebsorten, die in das italienische Register der zur Weinerzeugung bestimmten Reben eingetragen seien, mangels Klonen, die die Einhaltung des bei null liegenden Schwellenwerts für das Auftreten von RNQPs gewährleisten könnten, nicht in Verkehr gebracht werden dürften. Dieses Verbot würde mindestens ein Jahrzehnt lang die Erneuerung oder Neuanpflanzung heimischer Sorten, die von Ursprungsbezeichnungen oder geografischen Angaben erfasst seien, unmöglich machen und eine radikale Vereinfachung bestimmter Biotypen von Sorten bewirken. Der erhebliche Rückgang der biologischen Vielfalt innerhalb der Sorten sei in erster Linie das Ergebnis von Behandlungsmaßnahmen, die zur Bekämpfung von Viren, Viroiden und den Virosen verwandten Krankheiten erforderlich seien. Diese schädlichen Auswirkungen seien jedoch weder mit einem Nutzen verbunden, noch gewährleisteten sie, dass die behandelten Pflanzen nach ihrer Anpflanzung nicht durch Vektorinsekten infiziert würden. Die Kommission hätte diese Auswirkungen bei ihrer Beurteilung der nicht hinnehmbaren wirtschaftlichen Folgen der RNQPs auf die zum Anpflanzen bestimmten Pflanzen berücksichtigen müssen. Die gegenwärtige Situation zeige hingegen, dass das Auftreten von RNQPs, die Gegenstand der streitigen Teile des Anhangs IV der angefochtenen Durchführungsverordnung seien, die Rentabilität der betroffenen landwirtschaftlichen Betriebe nicht beeinträchtigt habe, so dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass sich aus diesem Auftreten nicht hinnehmbare wirtschaftliche Folgen im Sinne von Art. 36 Buchst. e der Verordnung 2016/2031 ergeben hätten.

76      Unter diesen Umständen sei festzustellen, dass die Studie der Pflanzenschutzorganisation für Europa und den Mittelmeerraum (European and Mediterranean Plant Protection Organization, im Folgenden: EPPO), auf die sich die Kommission beim Erlass der streitigen Teile des Anhangs IV der angefochtenen Durchführungsverordnung gestützt habe, mit Fehlern und Mängeln behaftet sei, da sie zu dem Ergebnis gekommen sei, dass die Schwellenwerte für das Auftreten von RNQPs, die seit sehr langer Zeit in Europa vorhanden und mit keinen negativen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden seien, auf 0 % festzulegen seien.

77      Die Klägerinnen fügen hinzu, dass die vorgeschriebene Behandlung Kosten in Höhe von 120 000 Euro für jede Sorte und zehn Jahre Arbeit in spezialisierten Strukturen, ohne Aussicht auf eine Amortisation dieser Ausgaben, mit sich bringe. Diese finanzielle Belastung sei nicht tragbar, wenn die Anbaufläche weniger als etwa 1 000 Hektar pro Sorte betrage, was bei heimischen Sorten mit geringer Verbreitung der Fall sei. In den seltenen Fällen, in denen die betreffende Behandlung wirtschaftlich interessant sei, verringere sie den Genpool der Ausgangssorte. Die Kommission habe diesen Folgen jedoch nicht Rechnung getragen, bevor sie die Schwellenwerte für das Auftreten von RNQPs gemäß den streitigen Teilen des Anhangs IV der angefochtenen Durchführungsverordnung festgelegt habe, so dass die in Art. 36 Buchst. f der Verordnung 2016/2031 vorgesehene Voraussetzung nicht erfüllt sei.

78      In diesem Zusammenhang sei festzustellen, dass die Tatsache, dass die Art. 36 und 37 der Verordnung 2016/2031 keine Festlegung von Schwellenwerten für das Auftreten von RNQPs vorgesehen hätten, die in einem angemessenen Verhältnis zu der von diesen RNQPs ausgehenden Gefahr für die spezifischen Gebiete und zu den Kosten der Behandlung ständen, einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und die Verpflichtung zum Schutz der Identität dieser Gebiete darstelle.

79      Schließlich machen die Klägerinnen geltend, dass die Konsequenzen, die die Festlegung eines Schwellenwerts für das Auftreten von RNQPs auf 0 % für die biologische Vielfalt und die Kosten der nunmehr erforderlichen Behandlung durch genetische Selektion hätten, Gegenstand einer Folgenabschätzung gemäß der Interinstitutionellen Vereinbarung „Bessere Rechtsetzung“ zwischen dem Parlament, dem Rat und der Kommission (ABl. 2016, L 123, S. 1) hätten sein müssen. Aufgrund des Fehlens einer solchen Analyse seien die angefochtenen Teile des Anhangs IV der angefochtenen Durchführungsverordnung mit einem Begründungsmangel und einem Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit behaftet.

80      Die Kommission tritt diesen Würdigungen entgegen.

81      Im Rahmen des ersten Klagegrundes machen die Klägerinnen im Wesentlichen geltend, dass die Kommission gegen Art. 36 Buchst. e und f der Verordnung 2016/2031 verstoßen habe. Zur Begründung dieses Ergebnisses machen die Klägerinnen im Kern drei Rügen geltend.

82      Die erste Rüge bezieht sich auf die schädlichen Folgen, die die Festlegung eines Schwellenwerts für das Auftreten von RNQPs auf 0 % für die biologische Vielfalt haben soll. Im Rahmen dieser Rüge machen die Klägerinnen geltend, dass die Festlegung dieses Schwellenwerts auf 0 % zur Folge habe, dass Verpflichtungen zur Behandlung durch genetische Selektion auferlegt würden, wodurch die Vielfalt der zur Anpflanzung bestimmten Pflanzen der „Standard“-Kategorie, obwohl diese derzeit sehr zahlreich seien, drastisch verringert würde. Auch hebe dieser Umstand die Unterscheidung zwischen den Materialkategorien „Standard“ und „zertifiziert“ (vgl. unten, Rn. 92) auf und habe schädliche Folgen für den Weinbausektor. Die Kommission hätte diese Gesichtspunkte berücksichtigen müssen, um zu beurteilen, ob schon das geringste Auftreten von RNQPs auf zum Anpflanzen bestimmten Pflanzen nicht hinnehmbare wirtschaftliche Folgen gemäß Art. 36 Buchst. e der Verordnung 2016/2031 habe, aber auch, um zu prüfen, ob gemäß Art. 36 Buchst. f dieser Verordnung durchführbare und wirksame Maßnahmen zur Verfügung ständen, mit denen sich dieses Auftreten verhüten lasse. In diesem Zusammenhang fügen die Klägerinnen hinzu, dass die Verbreitung von RNQPs durch Vektorinsekten erfolgen könne und dass die von der EPPO vorgenommene Analyse der wirtschaftlichen Auswirkungen von RNQPs mangelhaft sei (vgl. oben, Rn. 74 bis 76).

83      Mit der zweiten Rüge wird geltend gemacht, die Kommission habe die Kosten der Behandlungsmaßnahmen, die infolge der Festlegung des Schwellenwerts für das Auftreten der aufgelisteten RNQPs auf 0 % erforderlich geworden seien, nicht berücksichtigt, was einen Verstoß gegen Art. 36 Buchst. f der Verordnung 2016/2031 darstelle (vgl. oben, Rn. 77). Darüber hinaus machen die Klägerinnen geltend, dass die Art. 36 und 37 der Verordnung 2016/2031 dadurch, dass sie ein solches Vorgehen zuließen, gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und die Verpflichtung zum „Schutz der Identität des Gebiets“ verstießen (vgl. oben, Rn. 78).

84      Die dritte Rüge wird darauf gestützt, dass die Kommission vor dem Erlass der angefochtenen Durchführungsverordnung keine Analyse der umweltbezogenen, sozialen und wirtschaftlichen Folgen durchgeführt habe. In diesem Zusammenhang machen die Klägerinnen auch einen Begründungsmangel und einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geltend (vgl. oben, Rn. 79).

85      Alle diese Rügen beruhen auf ein und derselben Prämisse. Es handelt sich um die Behauptung, dass die Festlegung des Schwellenwerts für das Auftreten der in den streitigen Teilen des Anhangs IV der angefochtenen Durchführungsverordnung aufgeführten RNQPs auf 0 % die Verpflichtung nach sich ziehe, die zum Anpflanzen bestimmten Pflanzen, die von den fraglichen Teilen betroffen seien, durch genetische Selektion zu behandeln. Diese Verpflichtung habe zum einen schädliche Folgen für die biologische Vielfalt und führe zum anderen zu übermäßigen Behandlungskosten für die Unternehmer. Die Tatsache, dass die Kommission diese Umstände bei der Festlegung der Schwellenwerte für das Auftreten von RNQPs auf zum Anpflanzen bestimmten Pflanzen nicht berücksichtigt habe, stelle in erster Linie einen Verstoß gegen Art. 36 Buchst. e und f der Verordnung 2016/2031 dar. Sollte der Schluss gezogen werden, dass Art. 36 Buchst. e und f der Verordnung 2016/2031 keine Berücksichtigung dieser Umstände vorschreibe, so verstieße diese Bestimmung nach Ansicht der Klägerinnen gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und gegen die Verpflichtung zum „Schutz der Identität des Gebiets“.

86      Erstens ist festzustellen, dass die EPPO, wie im zwölften Erwägungsgrund der angefochtenen Durchführungsverordnung ausgeführt, eine Neubewertung der zuvor in der Richtlinie 2000/29/EG des Rates vom 8. Mai 2000 über Maßnahmen zum Schutz der Gemeinschaft gegen die Einschleppung und Ausbreitung von Schadorganismen der Pflanzen und Pflanzenerzeugnisse (ABl. 2000, L 169, S. 1) und in den Richtlinien über den Verkehr mit zum Anpflanzen bestimmten Pflanzen aufgeführten Schädlinge vorgenommen hat.

87      Nach dem 13. Erwägungsgrund der angefochtenen Durchführungsverordnung war diese Neubewertung erforderlich, um den pflanzengesundheitlichen Status der genannten Schädlinge gemäß den jüngsten technischen und wissenschaftlichen Entwicklungen zu aktualisieren und um darüber hinaus zu prüfen, inwieweit sie die einschlägigen Kriterien des Art. 36 der Verordnung 2016/2031 hinsichtlich des Gebiets der Union sowie des Anhangs I Abschnitt 4 dieser Verordnung erfüllen (vgl. oben, Rn. 2).

88      Nach Abschluss dieser Überprüfung wurde festgestellt, dass bestimmte Schädlinge die Bedingungen des Art. 36 der Verordnung 2016/2031 hinsichtlich des Gebiets der Union erfüllten und daher in die Liste der RNQPs aufgenommen werden sollten (14. Erwägungsgrund der angefochtenen Durchführungsverordnung). Auch die in Art. 37 Abs. 8 der Verordnung 2016/2031 aufgestellten Bedingungen für eine etwaige Festlegung von Schwellenwerten für das Auftreten von RNQPs über 0 % wurden berücksichtigt (15. Erwägungsgrund der angefochtenen Durchführungsverordnung).

89      Dieses Verfahren führte zum Erlass von Anhang IV der angefochtenen Durchführungsverordnung, der die Normen für das Auftreten von RNQPs auf zum Anpflanzen bestimmten Pflanzen für deren Einführung in die Union und die Verbringung innerhalb der Union festlegt.

90      Zweitens beruht der vorliegende Klagegrund insgesamt auf einem fehlerhaften Verständnis der Verpflichtungen, die die Festlegung des Schwellenwerts für das Auftreten der in den streitigen Teilen des Anhangs IV der angefochtenen Durchführungsverordnung aufgeführten RNQPs auf 0 % für die betreffenden Unternehmer mit sich bringt.

91      Insbesondere enthalten die Richtlinien über das Inverkehrbringen von zum Anpflanzen bestimmten Pflanzen, wie oben in Rn. 63 ausgeführt, die Maßnahmen, die getroffen werden müssen, um das Risiko zu bewältigen und sicherzustellen, dass die in die Union eingeführten und innerhalb der Union verbrachten Pflanzen die Anforderungen des einschlägigen Teils von Anhang IV der angefochtenen Durchführungsverordnung in Bezug auf das Auftreten von RNQPs erfüllen.

92      In diesem Zusammenhang werden in einigen dieser Richtlinien die zum Anpflanzen bestimmten Pflanzen in Kategorien eingeteilt. So teilt z. B. die Richtlinie 68/193 über den Verkehr mit vegetativem Vermehrungsgut von Reben, auf die die Klägerinnen ihre Analyse konzentrieren, in ihrem Art. 2 Abs. 1 Abschnitte D, E, F und G das in ihren Anwendungsbereich fallende Vermehrungsgut in „Vorstufen“‑, „Basis“‑, „zertifiziertes“ und „Standard“-Vermehrungsgut auf.

93      Diesbezüglich hieß es im achten Erwägungsgrund der Richtlinie 68/193:

„Obwohl es erwünscht wäre, den Verkehr auf anerkanntes Vermehrungsgut von Reben zu beschränken, das einer klonalen Selektion entstammt, ist dies zur Zeit noch nicht möglich, denn der Bedarf der Gemeinschaft könnte damit nicht ausreichend gedeckt werden; es ist deshalb angebracht, bis auf weiteres auch kontrolliertes Standardvermehrungsgut zum Verkehr zuzulassen, das auch sortenecht und sortenrein sein muss, das aber nicht immer die gleiche Gewähr wie Vermehrungsgut klonaler Selektion bietet; diese Kategorie soll jedoch allmählich abgebaut werden.“

94      Aus Art. 2 Abs. 1 Abschnitt G und Anhang I Abschnitt 8 Nr. 6 Buchst. c der Richtlinie 68/193 in der durch die Durchführungsrichtlinie 2020/177 geänderten Fassung ergibt sich jedoch, dass die „Standard“-Kategorie des Vermehrungsguts von Reben weiterhin in Verkehr gebracht wird (vgl. unten, Rn. 101). Insbesondere wird in der Tabelle in Anhang IV Teil C der angefochtenen Durchführungsverordnung ein Schwellenwert für das Auftreten von RNQPs für „Vorstufen“‑, „Basis“- und „zertifiziertes“ Vermehrungsgut zum einen und ein Schwellenwert für „Standard“-Material zum anderen festgelegt.

95      Die Klägerinnen sind der Ansicht, dass die Auswirkungen, die sich aus der Festlegung der Schwellenwerte für das Auftreten von RNQPs auf 0 % ergäben, hauptsächlich die „Standard“-Kategorien der zum Anpflanzen bestimmten Pflanzen beträfen. Diese Kategorien umfassten heimisches Material, das nur in bestimmten Gebieten in Verkehr gebracht werde.

96      Was die Auswirkungen der Schwellenwerte für das Auftreten von RNQPs betrifft, trifft es zwar zu, dass die Vermarktungsrichtlinien in ihrer durch die Durchführungsrichtlinie 2020/177 geänderten Fassung (vgl. oben, Rn. 64 und 65) zu diesem Zweck bestimmte Maßnahmen zur Behandlung von Vermehrungsgut vorsehen. Wie die Kommission feststellt, verpflichtet jedoch keine dieser Richtlinien die betroffenen Unternehmer zur Vornahme einer Behandlung durch genetische Selektion, die sich auf die von den Klägerinnen beschriebene Art und Weise auf die biologische Vielfalt auswirken könnte.

97      Im Einzelnen:

–        Die Richtlinie 66/401 über den Verkehr mit Futterpflanzensaatgut wurde dahin gehend geändert, dass der Bestand und das Futterpflanzensaatgut außerdem im Einklang mit den in Anhang IV Teil A der angefochtenen Durchführungsverordnung festgelegten Anforderungen in Bezug auf das Auftreten von RNQPs stehen müssen, auch wenn dort keine zusätzlichen Anforderungen für spezifische RNQPs festgelegt sind (vgl. achter Erwägungsgrund, Art. 1 und Anhang I der Durchführungsrichtlinie 2020/177).

–        Die Richtlinie 66/402 über den Verkehr mit Getreidesaatgut wurde dahin gehend geändert, dass das Auftreten von RNQPs auf Beständen und Saatgut im Einklang mit den in Anhang IV Teil B der angefochtenen Durchführungsverordnung festgelegten Anforderungen stehen muss. Darüber hinaus ist in der geänderten Fassung dieser Richtlinie die Höchstanzahl der Pflanzen mit Symptomen festgelegt, die bei Kontrollen in einer repräsentativen Probe gefunden werden dürfen, damit der Bestand als „praktisch frei“ von dem Pilz Gibberella fujikuroi Sawada [GIBBFU] gilt, wie in Teil B des Anhangs IV der angefochtenen Durchführungsverordnung vorgeschrieben (vgl. zehnter Erwägungsgrund, Art. 2 und Anhang II der Durchführungsrichtlinie 2020/177).

–        Die Richtlinie 68/193 über den Verkehr mit vegetativem Vermehrungsgut von Reben wurde im Wesentlichen dahin gehend geändert, dass Mutterrebenbestände und Rebschulen visuell kontrolliert und gegebenenfalls beprobt und analysiert werden müssen, um sicherzustellen, dass sie frei von den in Anhang IV Teil C der angefochtenen Durchführungsverordnung aufgeführten RNQPs sind. Wird ein Vorhandensein von RNQPs oder damit zusammenhängenden Symptomen festgestellt, so sieht Anhang I der Richtlinie 68/193 in ihrer geänderten Fassung vor, dass je nach RNQP und Kategorie des Vermehrungsguts Maßnahmen wie die Entfernung und Vernichtung der betreffenden Reben, deren Ausschluss von der Vermehrung, eine Warmwasserbehandlung, eine bakterizide Behandlung, eine Haltung in vektorinsektensicheren Einrichtungen, eine geeignete Veredelung oder eine Begasung ergriffen werden (vgl. elfter Erwägungsgrund, Art. 3 und Anhang III der Durchführungsrichtlinie 2020/177).

–        Die Richtlinie 2002/55 über den Verkehr mit Gemüsesaatgut wurde dahin gehend geändert, dass das Auftreten von RNQPs auf Gemüsesaatgut zumindest dem Augenschein nach nicht die jeweiligen in Anhang IV Teil F der angefochtenen Durchführungsverordnung aufgeführten Schwellenwerte überschreiten darf (vgl. 14. Erwägungsgrund, Art. 6 und Anhang VI der Durchführungsrichtlinie 2020/177).

–        Die Richtlinie 93/61 über das Inverkehrbringen von Gemüsepflanzgut und Gemüsevermehrungsmaterial mit Ausnahme von Saatgut wurde dahin gehend geändert, dass das Auftreten von RNQPs auf diesen Pflanzen zumindest dem Augenschein nach nicht die in Anhang IV Teil I der angefochtenen Durchführungsverordnung aufgeführten Schwellenwerte überschreiten darf (vgl. zwölfter Erwägungsgrund, Art. 5 und Anhang V der Durchführungsrichtlinie 2020/177).

–        Die Durchführungsrichtlinie 2014/98, in der spezifische Anforderungen u. a. hinsichtlich des Inverkehrbringens von Vermehrungsmaterial und Pflanzen von Obstarten zur Fruchterzeugung festgelegt werden, wurde dahin gehend geändert, dass Mutterpflanzen für Vorstufenmaterial, Vorstufenmaterial, Mutterpflanzen für Basismaterial, Basismaterial, Mutterpflanzen für zertifiziertes Material und zertifiziertes Material durch eine visuelle Kontrolle und im Zweifelsfall durch eine Beprobung und Untersuchung als frei von den in Anhang IV Teil J der angefochtenen Durchführungsverordnung aufgeführten RNQPs befunden werden müssen. Wird ein Vorhandensein von RNQPs oder damit zusammenhängenden Symptomen festgestellt, so sieht Anhang IV der Durchführungsrichtlinie 2014/98 in ihrer geänderten Fassung vor, dass je nach RNQP und Kategorie des Vermehrungsguts Maßnahmen wie die Entfernung und Vernichtung des Vermehrungsguts und der betreffenden Pflanzen sowie die Untersuchung einer repräsentativen Probe des symptomfreien Vermehrungsmaterials und der symptomfreien Pflanzen ergriffen werden (vgl. Erwägungsgründe 19 bis 23, Art. 10 und Anhang X der Durchführungsrichtlinie 2020/177).

98      Daraus ergibt sich, dass, wie die Kommission ausführt, die gemäß den streitigen Teilen des Anhangs IV der angefochtenen Durchführungsverordnung festgelegten Schwellenwerte für das Auftreten von RNQPs zwar die Verpflichtung beinhalten, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, die in der visuellen Beobachtung der Pflanzen und beim Auftreten von Symptomen, die auf RNQPs zurückzuführen sind, in der Anwendung geeigneter Hygienemaßnahmen oder Behandlungen bestehen. Jedoch ergibt sich aus den streitigen Bestimmungen der angefochtenen Durchführungsverordnung oder den Richtlinien über das Inverkehrbringen der betroffenen Pflanzen keinerlei Verpflichtung der Unternehmer, eine Behandlung durch genetische Selektion durchzuführen.

99      Die Klägerinnen führen im Übrigen keine Bestimmung an, die eine solche Verpflichtung vorsähe.

100    Insoweit konzentrieren sich die Klägerinnen (vgl. oben, Rn. 75) auf die angeblichen Auswirkungen von Anhang IV Teil C der angefochtenen Durchführungsverordnung auf die Vielfalt des mit Viren, Viroiden oder den Virosen verwandten Krankheiten infizierten Vermehrungsguts von Reben. Sie machen geltend, dass die von diesen Krankheiten betroffenen Sorten mangels geeigneter Hygienemaßnahmen oder Antivirusmittel nur durch Methoden wie die Thermotherapie, die Kultur apikaler Meristeme oder die somatische Embryogenese, mit denen ihres Erachtens ein erheblicher Rückgang der biologischen Vielfalt innerhalb der Sorten verbunden sei, behandelt werden könnten.

101    Es genügt jedoch die Feststellung, dass gemäß Anhang I Abschnitt 2 Nrn. 2 und 3 und Abschnitt 8 Nr. 6 Buchst. c der Richtlinie 68/193 in der durch die Durchführungsrichtlinie 2020/177 geänderten Fassung Symptome eines Befalls mit diesen RNQPs an maximal 10 % der Reben in den Mutterrebenbeständen, die zur Erzeugung von Vermehrungsgut der „Standard“-Kategorie bestimmt sind, toleriert werden können, wobei diese Reben von der Vermehrung ausgeschlossen werden müssen. Dagegen ergibt sich aus Anhang I Abschnitt 8 Nr. 5 Buchst. c dieser Richtlinie, dass für „Vorstufen“‑, „Basis“- und „zertifiziertes“ Vermehrungsgut (vgl. oben, Rn. 93) im Hinblick auf die in Rede stehenden Symptome strengere Anforderungen gelten, wobei aber auch in diesem Fall keine genetische Selektion vorgesehen ist.

102    Im Übrigen behaupten die Klägerinnen nicht, dass sämtliches Material der „Standard“-Kategorie naturgemäß mit RNQPs befallen sei, so dass die Anwendung eines Schwellenwerts für deren Auftreten von 0 % automatisch die Verpflichtung nach sich ziehe, es in vollem Umfang von der Vermehrung auszuschließen. Bereits die Bestimmung der Obergrenze von 10 % in Anhang I Abschnitt 8 Nr. 6 Buchst. c der Richtlinie 68/193 in der durch die Durchführungsrichtlinie 2020/177 geänderten Fassung (vgl. oben, Rn. 101) zeigt vielmehr das Gegenteil.

103    Folglich wird mit Anhang IV Teil C der angefochtenen Durchführungsverordnung, wie die Kommission feststellt, weder bezweckt noch bewirkt, dass die Unternehmer verpflichtet werden, Methoden einer Behandlung durch genetische Selektion wie die oben in Rn. 100 genannten anzuwenden, oder dass das Inverkehrbringen von Vermehrungsgut von Reben der „Standard“-Kategorie verboten wird.

104    In diesem Zusammenhang ist in Übereinstimmung mit den Ausführungen der Kommission hinzuzufügen, dass mehrere Richtlinien über das Inverkehrbringen von zum Anpflanzen bestimmten Pflanzen Ausnahmevorschriften enthalten, die gerade die Förderung der genetischen Vielfalt zum Ziel haben.

105    Es handelt sich insbesondere um:

–        Art. 3 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 68/193 über den Verkehr mit vegetativem Vermehrungsgut von Reben,

–        Art. 8 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2008/72 über das Inverkehrbringen von Gemüsepflanzgut und Gemüsevermehrungsmaterial mit Ausnahme von Saatgut und

–        Art. 3 Abs. 4 Buchst. c der Richtlinie 2008/90 über das Inverkehrbringen von Vermehrungsmaterial und Pflanzen von Obstarten zur Fruchterzeugung.

106    Diese Bestimmungen sollen es ermöglichen, dass bestimmte Mengen von zum Anpflanzen bestimmter Pflanzen, obwohl diese die entsprechenden pflanzengesundheitlichen Bedingungen nicht erfüllen, in Verkehr gebracht werden, wenn dieses Inverkehrbringen zur Erhaltung der genetischen Vielfalt beitragen soll.

107    Insoweit ist auch auf Art. 44 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2002/55 über den Verkehr mit Gemüsesaatgut zu verweisen, auf dessen Grundlage die Richtlinie 2009/145/EG der Kommission vom 26. November 2009 mit Ausnahmeregelungen für die Zulassung von Gemüselandsorten und anderen Sorten, die traditionell an besonderen Orten und in besonderen Regionen angebaut werden und von genetischer Erosion bedroht sind, sowie von Gemüsesorten, die an sich ohne Wert für den Anbau zu kommerziellen Zwecken sind, aber für den Anbau unter besonderen Bedingungen gezüchtet werden, sowie für das Inverkehrbringen von Saatgut dieser Landsorten und anderen Sorten (ABl. 2009, L 312, S. 44) erlassen wurde.

108    Das Argument der Klägerinnen, dass die Festlegung der Schwellenwerte für das Auftreten von RNQPs auf 0 % ineffizient sei, weil diese Schädlinge durch Vektorinsekten verbreitet werden könnten, ist ebenfalls zurückzuweisen. Wie die Kommission ausführt, ist nämlich die Regelung, dass jedes zur Anpflanzung bestimmte Pflanzenmaterial gemäß den Vorgaben der streitigen Teile des Anhangs IV der angefochtenen Durchführungsverordnung frei von RNQPs sein muss, geeignet, die Verbreitung der in Rede stehenden Schädlinge durch Vektorinsekten zu verhindern.

109    Zu dem Argument, dass die von der EPPO vorgenommene Analyse der wirtschaftlichen Auswirkungen von RNQPs mangelhaft sei (vgl. oben, Rn. 76), ist darauf hinzuweisen, dass das über viele Jahre hinweg erfolgte Inverkehrbringen von Vermehrungsgut von Reben der „Standard“-Kategorie nicht auszuschließen vermag, dass das Auftreten von RNQPs nicht hinnehmbare wirtschaftliche Folgen in Bezug auf die vorgesehene Verwendung der zum Anpflanzen bestimmten Pflanzen im Sinne von Art. 36 Buchst. e der Verordnung 2016/2031 hat. Wie aus der Studie, in der die innerhalb der EPPO durchgeführten Arbeiten zusammengefasst werden, hervorgeht, bedeutet nämlich die Tatsache, dass ein RNQP bereits im Gebiet der Union auftritt, dass diese Folgen auf der Grundlage bereits verfügbarer detaillierter Informationen aus erster Hand festgestellt werden konnten.

110    Aus dieser Studie ergibt sich insoweit auch, dass, da die RNQPs Zertifizierungssystemen unterliegen, die die wirtschaftlichen Auswirkungen ihres Auftretens beschränken, die entsprechende Analyse die Auswirkungen berücksichtigen muss, die sich aus einer Aufhebung der bestehenden Beschränkungen ergeben würden. Die Prüfung der wirtschaftlichen Folgen war dementsprechend auf Informationen gestützt, die von den nationalen Pflanzenschutzbehörden und den am Prüfungsverfahren beteiligten interessierten Parteien erteilt worden waren.

111    Soweit die Analyse der EPPO wegen der angeblichen Nichtberücksichtigung des unmittelbar bevorstehenden Verschwindens von Vermehrungsgut der „Standard“-Kategorie aufgrund der übermäßigen Behandlungskosten in Frage gestellt wird, ist dieses Argument aus den oben in den Rn. 90 bis 108 dargelegten Gründen zurückzuweisen.

112    Folglich ist dem Antrag der Klägerinnen auf Anordnung einer Beweiserhebung durch Ernennung eines Sachverständigen nicht stattzugeben.

113    Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die erste Rüge der Klägerinnen, mit der sie einen Verstoß gegen Art. 36 Buchst. e und f der Verordnung 2016/2031 wegen der schädlichen Folgen, die die Festlegung eines Schwellenwerts für das Auftreten von RNQPs auf 0 % für die biologische Vielfalt haben soll, geltend machen, auf der unzutreffenden Prämisse beruht, dass der in Rede stehende Schwellenwert die Anwendung von Methoden der Behandlung der zur Anpflanzung bestimmten Pflanzen durch genetische Selektion vorschreibe. Diese Rüge ist daher zurückzuweisen.

114    Aus den gleichen Gründen ist auch die zweite Rüge zurückzuweisen, mit der geltend gemacht wird, die Kommission habe die Kosten der Behandlungsmaßnahmen, die infolge der Festlegung des Schwellenwerts für das Auftreten der aufgelisteten RNQPs auf 0 % erforderlich geworden seien, nicht berücksichtigt, was einen Verstoß gegen Art. 36 Buchst. f der Verordnung 2016/2031 darstelle (vgl. oben, Rn. 83).

115    Zum einen beruht nämlich auch das Vorbringen der Klägerinnen, dass durch die Festlegung des Schwellenwerts für das Auftreten von RNQPs auf 0 % übermäßige Kosten für Behandlungsmaßnahmen entstünden, auf der Prämisse, dass die fragliche Behandlung durch genetische Selektion zu erfolgen habe. Wie sich aus den vorstehenden Rn. 90 bis 113 ergibt, ist diese Prämisse jedoch falsch.

116    Zum anderen ergibt sich, wie die Kommission geltend macht, aus Art. 36 Buchst. e und f in Verbindung mit Art. 37 Abs. 8 der Verordnung 2016/2031, dass das Vorhandensein durchführbarer und wirksamer Maßnahmen zur Verhütung des Auftretens eines Schädlings auf den zum Anpflanzen bestimmten Pflanzen eine Voraussetzung dafür darstellt, dass dieser Schädling in die Liste der RNQPs aufgenommen wird, und nicht die Möglichkeit betrifft, einen Schwellenwert für das Auftreten dieses Schädlings von über 0 % festzulegen. Die Klägerinnen beantragen jedoch nicht, die streitigen Teile des Anhangs IV der angefochtenen Durchführungsverordnung insoweit für nichtig zu erklären, als die Kommission darin die Liste der RNQPs erstellt hat, sondern nur insoweit, als die in Rede stehenden Teile die Schwellenwerte für das Auftreten dieser Schädlinge auf 0 % festgesetzt haben.

117    Aus der Fehlerhaftigkeit der Prämisse, auf der die erste Rüge dieses Klagegrundes beruht, ergibt sich auch, dass die gegenüber den Art. 36 und 37 der Verordnung 2016/2031 erhobene Einrede der Rechtswidrigkeit zurückzuweisen ist. Zur Stützung dieser Einrede machen die Klägerinnen nämlich im Wesentlichen geltend, dass diese Bestimmungen gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstießen, da sie die Kommission nicht daran gehindert hätten, durch die Festlegung des Schwellenwerts für das Auftreten von RNQPs auf 0 % unverhältnismäßige Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Behandlung durch genetische Selektion aufzuerlegen. Da die angefochtene Durchführungsverordnung jedoch weder bezweckt noch bewirkt, dass solche Verpflichtungen auferlegt werden, ist die Rüge, dass die in Rede stehenden Bestimmungen der Verordnung 2016/2031 gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit oder eine Verpflichtung zum „Schutz des Gebiets“ verstießen, jedenfalls als ins Leere gehend zurückzuweisen (vgl. oben, Rn. 78).

118    Auch die dritte, auf dem Fehlen einer Folgenabschätzung beruhende Rüge (vgl. oben, Rn. 79) ist zum Scheitern verurteilt, da sie sich auf die angeblich schädlichen Folgen für die biologische Vielfalt und auf die angeblich übermäßigen Kosten der Behandlung durch genetische Selektion, die mit der Festlegung des Schwellenwerts für das Auftreten von RNQPs auf 0 % verbunden seien, stützt, wobei diese Behauptungen jedoch unbegründet sind (vgl. oben, Rn. 90 bis 113).

119    Was das Argument anbelangt, dass die Begründungspflicht verletzt worden sei, so ist darauf hinzuweisen, dass die nach Art. 296 AEUV vorgeschriebene Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen muss, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und der Unionsrichter seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung den Erfordernissen des Art. 296 AEUV genügt, nicht nur anhand des Wortlauts des Rechtsakts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet. Handelt es sich wie im vorliegenden Fall um einen allgemein geltenden Rechtsakt, so kann sich die Begründung darauf beschränken, die Gesamtlage anzugeben, die zu seinem Erlass geführt hat, und die allgemeinen Ziele zu bezeichnen, die mit ihm erreicht werden sollen (Urteil vom 7. September 2006, Spanien/Rat, C‑310/04, EU:C:2006:521, Rn. 57 und 58).

120    Es ist jedoch festzustellen, dass die Erwägungsgründe 12 bis 15 der angefochtenen Durchführungsverordnung (vgl. oben, Rn. 86 bis 88) klar angeben, in welchem Kontext sie angenommen wurde und welche Ziele mit ihr erreicht werden sollen. Überdies belegt der Inhalt der Durchführungsrichtlinie 2020/177, dass die von der EPPO für das Inverkehrbringen von zum Anpflanzen bestimmten Pflanzen empfohlenen pflanzengesundheitlichen Anforderungen nach der Festlegung des Schwellenwerts für das Auftreten von RNQPs auf 0 % keine Behandlung durch genetische Selektion vorsahen. Folglich brauchte die Kommission den Erlass der streitigen Teile des Anhangs IV der angefochtenen Durchführungsverordnung nicht unter Bezugnahme auf die Kosten solcher Behandlungsmethoden oder deren angebliche Folgen für die biologische Vielfalt zu begründen.

121    Demzufolge ist der erste Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen den Internationalen Vertrag

122    Die Klägerinnen machen geltend, dass die Festlegung eines Schwellenwerts von 0 % für die auf heimischen Pflanzensorten auftretenden RNQPs gegen Art. 9 Abs. 3 des Internationalen Vertrags verstoße. Diese Bestimmung garantiere den Bauern das Recht, auf dem Betrieb gewonnenes Saatgut/Vermehrungsmaterial zurückzubehalten, zu nutzen, auszutauschen und zu verkaufen. Die von den streitigen Teilen des Anhangs IV der angefochtenen Durchführungsverordnung im Hinblick auf die erforderliche Behandlung vorgeschriebene genetische Selektion beeinträchtige die Erhaltung des Pflanzengenpools in einem solchen Maße, dass die Rechte, die den Bauern nach dieser Bestimmung zustehen müssten, ihres wesentlichen Gehalts beraubt würden.

123    Wie der erste beruht auch der zweite Klagegrund auf der unzutreffenden Prämisse, dass die Festlegung des Schwellenwerts für das Auftreten der in den streitigen Teilen des Anhangs IV der angefochtenen Durchführungsverordnung aufgeführten RNQPs auf 0 % die Verpflichtung nach sich ziehe, die zum Anpflanzen bestimmten Pflanzen, die von den fraglichen Teilen betroffen seien, durch genetische Selektion zu behandeln. Dieser Klagegrund ist daher aus diesem Grund zurückzuweisen.

124    Jedenfalls setzt die Prüfung der Gültigkeit eines Unionsrechtsakts im Hinblick auf einen völkerrechtlichen Vertrag u. a. voraus, dass die geltend gemachte Bestimmung eine klare und eindeutige Verpflichtung enthält, deren Erfüllung oder Wirkungen nicht vom Erlass eines weiteren Aktes abhängen (Urteil vom 21. Dezember 2011, Air Transport Association of America u. a., C‑366/10, EU:C:2011:864, Rn. 55).

125    Insoweit sieht Art. 9 des Internationalen Vertrags vor, dass die Vertragsparteien, „sofern angebracht und nach Maßgabe ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften“, Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung der Rechte der Bauern ergreifen sollen.

126    Insbesondere sieht Abs. 2 dieses Artikels vor, dass jede Vertragspartei entsprechend ihren Bedürfnissen und Prioritäten, „sofern angebracht und nach Maßgabe ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften“, Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung der Rechte der Bauern ergreifen soll; hierzu gehören:

–        der Schutz des traditionellen Wissens, das für pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft von Belang ist;

–        das Recht auf gerechte Teilhabe an den Vorteilen, die sich aus der Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft ergeben;

–        das Recht auf Mitwirkung an Entscheidungen auf nationaler Ebene über Fragen im Zusammenhang mit der Erhaltung und nachhaltigen Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft.

127    In diesem Zusammenhang bestimmt Art. 9 Abs. 3 des Internationalen Vertrags, auf den sich die Klägerinnen berufen, dass dieser Art. 9 nicht so auszulegen ist, als schränke er irgendwelche Rechte der Bauern ein, auf dem Betrieb gewonnenes Saatgut/Vermehrungsmaterial „vorbehaltlich des innerstaatlichen Rechts und, sofern angemessen“, zurückzubehalten, zu nutzen, auszutauschen und zu verkaufen.

128    Es trifft zwar zu, dass Art. 9 Abs. 3 des Internationalen Vertrags verhindern soll, dass dieser Art. 9 so ausgelegt wird, dass er irgendwelche Rechte der Bauern einschränke, auf dem Betrieb gewonnenes Saatgut/Vermehrungsmaterial zurückzubehalten, zu nutzen, auszutauschen und zu verkaufen. Diese Rechte werden jedoch nicht durch Art. 9 Abs. 3 des Internationalen Vertrags garantiert. Wie nämlich Art. 9 Abs. 3 des Internationalen Vertrags ausdrücklich vorsieht, sind diese Rechte, soweit sie durch innerstaatliches Recht verliehen werden, vorbehaltlich dieses Rechts auszuüben.

129    Folglich enthält Art. 9 Abs. 3 des Internationalen Vertrags keinerlei Verpflichtung der Union, so dass die Rechtmäßigkeit der Verordnung 2016/2031 oder der streitigen Teile des Anhangs IV der angefochtenen Durchführungsverordnung jedenfalls nicht anhand dieser Bestimmung beurteilt werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juli 2012, Association Kokopelli, C‑59/11, EU:C:2012:447, Rn. 90 bis 92).

130    Der zweite Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

 Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen die Verordnung 2018/848

131    Die Klägerinnen machen geltend, dass die Festlegung eines Schwellenwerts von 0 % für die auf heimischen Pflanzensorten auftretenden RNQPs gegen Art. 13 der Verordnung 2018/848 verstoße. Im Interesse der Erhaltung der pflanzengenetischen Vielfalt ermögliche diese Bestimmung die Vermarktung von Pflanzenvermehrungsmaterial aus ökologischem/biologischem heterogenem Material, ohne dass die Anforderungen an die Eintragung und an die Zertifizierungskategorien von „Vorstufen“‑, „Basis“- und „zertifiziertem“ Material oder die Anforderungen an andere Kategorien gemäß den Richtlinien über das Inverkehrbringen von zum Anpflanzen bestimmten Pflanzen erfüllt werden müssten.

132    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Verordnung 2018/848, da ihr derselbe Rang wie der Verordnung 2016/2031 zukommt, nicht geltend gemacht werden kann, um die Gültigkeit der letztgenannten Verordnung in Frage zu stellen. Dieser Klagegrund kann daher nur so verstanden werden, dass er sich ausschließlich auf die angefochtene Durchführungsverordnung bezieht.

133    Sodann trifft es zwar zu, dass im 18. Erwägungsgrund der Verordnung 2018/848 darauf hingewiesen wird, dass es erforderlich sei, sich auf die agronomische Leistung, die genetische Vielfalt, die Widerstandsfähigkeit gegenüber Krankheiten, die Langlebigkeit, die Anpassung an die unterschiedlichen örtlichen Gegebenheiten in Bezug auf Boden und Klima zu konzentrieren sowie die natürlichen Kreuzungsbarrieren zu beachten.

134    So zeigt gemäß dem 36. Erwägungsgrund der Verordnung 2018/848 die Forschung in der Union zu Pflanzenvermehrungsmaterial, das nicht die Sortendefinition hinsichtlich der Einheitlichkeit erfüllt, dass es von Vorteil sein könnte, dieses uneinheitliche Material zu verwenden, insbesondere hinsichtlich der ökologischen/biologischen Produktion, beispielsweise zur Eindämmung der Ausbreitung von Krankheiten, zur Verbesserung der Widerstandskraft und zur Steigerung der biologischen Vielfalt.

135    In diesem Zusammenhang heißt es im 37. Erwägungsgrund der Verordnung 2018/848, dass Pflanzenvermehrungsmaterial, das zu keiner Sorte gehört, sondern zu einer pflanzlichen Gesamtheit innerhalb eines einzigen botanischen Taxons, und das durch ein hohes Maß an genetischer und phänotypischer Vielfalt der einzelnen Vermehrungseinheiten gekennzeichnet ist, für die Verwendung in der ökologischen/biologischen Produktion zur Verfügung stehen sollte. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber, wie in diesem Erwägungsgrund weiter ausgeführt wird, den Unternehmern gestattet, Pflanzenvermehrungsmaterial aus ökologischem/biologischem heterogenem Material in Verkehr zu bringen, ohne dass die Anforderungen an die Eintragung und an die Zertifizierungskategorien von „Vorstufen“‑, „Basis“- und „zertifiziertem“ Material oder die Anforderungen an andere Kategorien gemäß den Vermarktungsrichtlinien erfüllt werden müssen.

136    Hierzu heißt es in Art. 13 der Verordnung 2018/848:

„(1) Pflanzenvermehrungsmaterial aus ökologischem/biologischem heterogenem Material darf vermarktet werden, ohne dass die Anforderungen an die Eintragung und an die Zertifizierungskategorien von Vorstufenmaterial, Basismaterial und zertifiziertem Material oder die Anforderungen an andere Kategorien gemäß den Richtlinien [66/401], [66/402], [68/193], 98/56/EG, 2002/53/EG, 2002/54/EG, [2002/55], 2002/56/EG, 2002/57/EG, [2008/72] und [2008/90] oder den nach diesen Richtlinien erlassenen Rechtsakten erfüllt werden müssen.

(2) Pflanzenvermehrungsmaterial aus ökologischem/biologischem heterogenem Material gemäß Absatz 1 darf vermarktet werden, nachdem der Anbieter das ökologische/biologische heterogene Material den zuständigen amtlichen Stellen gemäß den Richtlinien [66/401], [66/402], [68/193], 98/56/EG, 2002/53/EG, 2002/54/EG, [2002/55], 2002/56/EG, 2002/57/EG, [2008/72] und [2008/90] … notifiziert hat …“

137    Art. 13 Abs. 2 der Verordnung 2018/848 sieht auch den wesentlichen Inhalt der in dieser Bestimmung genannten Notifizierung sowie die entsprechenden Verfahrensvorschriften vor, während der Kommission in Abs. 3 dieses Artikels die Befugnis übertragen wird, Vorschriften für die Erzeugung und Vermarktung von Pflanzenvermehrungsmaterial aus ökologischem/biologischem heterogenem Material besonderer Gattungen oder Arten festzulegen.

138    Somit stellt Art. 13 der Verordnung 2018/848 nicht die Rechtmäßigkeit der in den streitigen Teilen des Anhangs IV der angefochtenen Durchführungsverordnung vorgenommenen Festlegung von Schwellenwerten für das Auftreten von RNQPs in Frage, sondern erlaubt vielmehr in Ausnahmefällen und innerhalb eines genau festgelegten Rahmens, Pflanzenvermehrungsmaterial aus ökologischem/biologischem heterogenem Material zu vermarkten, ohne dass die Anforderungen gemäß den Vermarktungsrichtlinien erfüllt werden müssen. Folglich kann diese Bestimmung nicht herangezogen werden, um die Rechtmäßigkeit der streitigen Teile des Anhangs IV der angefochtenen Durchführungsverordnung in Frage zu stellen, soweit darin die Schwellenwerte für das Auftreten von RNQPs auf zum Anpflanzen bestimmten Pflanzen auf 0 % festgesetzt wurden.

139    Der dritte Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

 Zum vierten Klagegrund: Unvereinbarkeit der streitigen Teile des Anhangs IV der angefochtenen Durchführungsverordnung mit der Gemeinsamen Agrarpolitik

140    Die Klägerinnen machen geltend, die in den streitigen Teilen des Anhangs IV der angefochtenen Durchführungsverordnung vorgenommene Festlegung der Schwellenwerte für das Auftreten von RNQPs auf 0 %

–        mache es wegen des damit vorgeschriebenen Verfahrens der genetischen Selektion einer geringen Zahl von Arten unmöglich, der in Sonderbestimmungen der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. 1992, L 206, S. 7) auferlegten Verpflichtung zur Verhütung der Ansiedlung nicht heimischer Arten nachzukommen;

–        stehe im Widerspruch zur Politik der Erhaltung der heimischen, nicht behandelten Pflanzenressourcen gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (ABl. 2012, L 343, S. 1);

–        verstoße gegen den Grundsatz der nachhaltigen landwirtschaftlichen Entwicklung und der Verbesserung der pflanzlichen Biodiversität, die im Rahmen von Instrumenten finanziert würden, die unter die Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über die Förderung der ländlichen Entwicklung durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 (ABl. 2013, L 347, S. 487) fielen;

–        sei inkohärent im Verhältnis erstens zu den Normen des Völkerrechts und des Unionsrechts zur Erhaltung der biologischen Vielfalt in der Landwirtschaft, zweitens zu den Normen des Unionsrechts zur Erhaltung naturnaher Lebensräume und zur Entwicklung des ländlichen Raums und drittens zu den Richtlinien über das Inverkehrbringen von Saatgut und Vermehrungsmaterial für Pflanzen von Obstarten.

141    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die oben in Rn. 140 erster bis dritter Gedankenstrich genannten Verordnungen, da ihnen derselbe Rang wie der Verordnung 2016/2031 zukommt, nicht geltend gemacht werden können, um die Gültigkeit dieser Verordnung in Frage zu stellen. Dieser Klagegrund kann daher nur so verstanden werden, dass er sich ausschließlich auf die angefochtene Durchführungsverordnung bezieht.

142    Aus der Gesamtheit der zur Stützung dieses Klagegrundes vorgebrachten Argumente geht hervor, dass auch er auf der Annahme beruht, dass die Festlegung des Schwellenwerts für das Auftreten der in den streitigen Teilen des Anhangs IV der angefochtenen Durchführungsverordnung aufgeführten RNQPs auf 0 % die Verpflichtung nach sich ziehe, die zum Anpflanzen bestimmten Pflanzen, die von den fraglichen Teilen betroffen seien, durch genetische Selektion zu behandeln, was zu schädlichen Folgen für die biologische Vielfalt führe. Wie sich aus der Untersuchung des ersten Klagegrundes (vgl. oben, Rn. 90 bis 113) ergibt, ist diese Prämisse jedoch falsch.

143    Nach alledem ist der vierte Klagegrund zurückzuweisen und die Klage somit insgesamt abzuweisen.

 Kosten

144    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen unterlegen sind, sind ihnen gemäß dem Antrag der Kommission deren Kosten aufzuerlegen.

145    Nach Art. 138 Abs. 1 dieser Verfahrensordnung tragen die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Dem Parlament und dem Rat sind somit jeweils ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Neunte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Società agricola Vivai Maiorana Ss, die Confederazione Italiana Agricoltori – CIA und die MIVA – Moltiplicatori Italiani Viticoli Associati tragen neben ihren eigenen Kosten die der Europäischen Kommission entstandenen Kosten.

3.      Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union tragen jeweils ihre eigenen Kosten.

Costeira

Gratsias

Kancheva

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 29. September 2021.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Italienisch.