Language of document : ECLI:EU:T:2018:838

URTEIL DES GERICHTS (Neunte erweiterte Kammer)

26. November 2018(*)

„Nichtigkeitsklage – Institutionelles Recht – Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Union – Abkommen, in dem die Einzelheiten des Austritts festgelegt werden – Art. 50 EUV – Beschluss des Rates zur Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich über den Abschluss eines solchen Abkommens – Bürger des Vereinigten Königreichs, die in einem anderen Mitgliedstaat der Union wohnen – Vorbereitende Handlung – Nicht anfechtbare Handlung – Keine unmittelbare Betroffenheit – Unzulässigkeit“

In der Rechtssache T‑458/17

Harry Shindler, wohnhaft in Porto d’Ascoli (Italien), und die weiteren im Anhang(1) namentlich aufgeführten Kläger, Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt J. Fouchet,

Kläger,

gegen

Rat der Europäischen Union, vertreten durch M. Bauer und R. Meyer als Bevollmächtigte,

Beklagter,

wegen einer Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Beschlusses (EU, Euratom) des Rates vom 22. Mai 2017 zur Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland über ein Abkommen, in dem die Einzelheiten seines Austritts aus der Europäischen Union festgelegt werden (Dokument XT 21016/17), einschließlich des Anhangs zu diesem Beschluss, mit dem die Richtlinien für die Verhandlungen über dieses Abkommen festgelegt werden (Dokument XT 21016/17 ADD 1 REV 2),

erlässt

DAS GERICHT (Neunte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten S. Gervasoni (Berichterstatter), der Richter L. Madise und R. da Silva Passos, der Richterin K. Kowalik-Bańczyk und des Richters C. Mac Eochaidh,

Kanzler: M. Marescaux, Verwaltungsrätin,

auf das schriftliche Verfahren und auf die mündliche Verhandlung vom 5. Juli 2018

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 23. Juni 2016 sprachen sich die Bürger des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland in einem Referendum für den Austritt ihres Landes aus der Europäischen Union aus.

2        Am 13. März 2017 erließ das Vereinigte Königreich den European Union (Notification of Withdrawal) Act 2017 (Gesetz von 2017 über die Europäische Union [Mitteilung des Austritts]), mit dem die Premierministerin ermächtigt wurde, die Absicht des Vereinigten Königreichs, aus der Union auszutreten, gemäß Art. 50 Abs. 2 EUV mitzuteilen.

3        Am 29. März 2017 teilte die Premierministerin des Vereinigten Königreichs dem Europäischen Rat die Absicht dieses Mitgliedstaats mit, aus der Union und der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) auszutreten (im Folgenden: Mitteilung der Austrittsabsicht).

4        Mit einer Erklärung vom selben Tag bestätigte der Europäische Rat den Eingang der Mitteilung der Austrittsabsicht.

5        Am 29. April 2017 nahm der Europäische Rat Leitlinien an, die den Rahmen für die Verhandlungen gemäß Art. 50 EUV bildeten und die allgemeinen Standpunkte und Grundsätze enthielten, von denen sich die Union während der Verhandlungen leiten ließ.

6        Am 22. Mai 2017 erließ der Rat der Europäischen Union auf der Grundlage von Art. 50 EUV in Verbindung mit Art. 218 Abs. 3 AEUV und auf Empfehlung der Europäischen Kommission vom 3. Mai 2017 den Beschluss zur Ermächtigung der Kommission zur Aufnahme von Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich über ein Abkommen, in dem die Einzelheiten seines Austritts aus der Union und der Euratom festgelegt werden (im Folgenden: Abkommen über die Einzelheiten des Austritts oder Austrittsabkommen und angefochtener Beschluss).

7        Im angefochtenen Beschluss wird die Kommission als Verhandlungsführerin der Union benannt (Art. 1) und klargestellt, dass die Verhandlungen nach Maßgabe der Leitlinien des Europäischen Rates und im Einklang mit den Verhandlungsrichtlinien im Anhang zu diesem Beschluss zu führen sind (Art. 2).

8        Der Anhang des angefochtenen Beschlusses (Dokument XT 21016/17 ADD 1 REV 2) enthält Verhandlungsrichtlinien für die erste Verhandlungsphase insbesondere betreffend Bürgerrechte, eine einheitliche Finanzregelung, Regelungen für in Verkehr gebrachte Waren und laufende Verfahren nach Unionsrecht, andere administrative Fragen im Zusammenhang mit der Arbeitsweise der Union sowie die Handhabung des Abkommens, in dem die Einzelheiten des Austritts festgelegt werden.

 Verfahren und Anträge der Beteiligten

9        Mit Klageschrift, die am 21. Juli 2017 in das Register der Kanzlei eingetragen worden ist, haben die Kläger, Herr Harry Shindler und weitere Kläger, die im Anhang namentlich aufgeführt sind, die vorliegende Klage erhoben.

10      Mit gesondertem Schriftsatz, der am 16. Oktober 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Rat gemäß Art. 130 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts eine Einrede der Unzulässigkeit erhoben.

11      Mit Schriftsatz, der am 20. Oktober 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Kommission gemäß Art. 143 der Verfahrensordnung beim Gericht beantragt, ihr zu gestatten, dem Rechtsstreit zur Unterstützung der Anträge des Rates beizutreten.

12      Am 30. November 2017 haben die Kläger bei der Kanzlei des Gerichts ihre Stellungnahmen zur Einrede der Unzulässigkeit eingereicht.

13      Das Gericht hat die Rechtssache auf Vorschlag der Neunten Kammer gemäß Art. 28 der Verfahrensordnung an einen erweiterten Spruchkörper verwiesen.

14      Auf Vorschlag des Berichterstatters hat das Gericht (Neunte erweiterte Kammer) gemäß Art. 130 Abs. 6 der Verfahrensordnung beschlossen, die mündliche Verhandlung unter Beschränkung auf die Zulässigkeit der Klage zu eröffnen.

15      Die Parteien haben in der Sitzung vom 5. Juli 2018 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

16      Die Kläger beantragen,

–        den angefochtenen Beschluss einschließlich der Verhandlungsrichtlinien in seinem Anhang für nichtig zu erklären;

–        dem Rat die Kosten einschließlich der Anwaltskosten in Höhe von 5 000 Euro aufzuerlegen.

17      Der Rat beantragt,

–        die Klage als offensichtlich unzulässig abzuweisen;

–        den Klägern die Kosten aufzuerlegen.

18      Mit Schriftsatz, der am 5. September 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Kläger im Sinne von Art. 85 der Verfahrensordnung einen neuen Beweis vorgelegt, zu dem dem Rat die Möglichkeit gegeben worden ist, Stellung zu nehmen.

 Rechtliche Würdigung

19      Der Rat macht geltend, die auf Art. 263 AEUV gestützte Klage sei offensichtlich unzulässig, weil der angefochtene Beschluss nicht von einer natürlichen oder juristischen Person anfechtbar sei und die Kläger weder ein Rechtsschutzinteresse hätten noch zur Klage gegen den angefochtenen Beschluss befugt seien.

20      Die Kläger bestreiten das Vorbringen des Rates und vertreten die Ansicht, die Klage sei zulässig.

 Zur Zulässigkeit der Klage

21      Das Gericht erachtet es für angemessen, sich zur Anfechtbarkeit des angefochtenen Beschlusses sowie zur Klagebefugnis der Kläger im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV zu äußern und insoweit zu prüfen, ob die Kläger von dem angefochtenen Beschluss unmittelbar betroffen sind. Genauer gesagt ist zu prüfen, ob sich der angefochtene Beschluss auf die Rechtsstellung der Kläger unmittelbar auswirkt.

22      Der Rat trägt vor, der angefochtene Beschluss könne nicht Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein, da es sich in Bezug auf die Kläger um eine vorläufige bzw. vorbereitende Maßnahme handle, die der Vorbereitung des Abkommens über die Einzelheiten des Austritts nach Art. 50 EUV diene. Die Ermächtigung der Kommission, im Namen der Union Verhandlungen aufzunehmen und sie nach Maßgabe der Leitlinien des Europäischen Rates und im Einklang mit den Verhandlungsrichtlinien im Anhang des angefochtenen Beschlusses zu führen, wirke sich auf die Rechtsstellung der Kläger nicht aus, die vor und nach Erlass dieses Beschlusses die gleiche sei.

23      Ferner seien die Kläger nicht klagebefugt im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV, und zwar vor allem deshalb, weil sie vom angefochtenen Beschluss nicht unmittelbar betroffen seien. Insbesondere habe der angefochtene Beschluss keine Auswirkungen auf ihre Rechtsstellung. Erstens sei das Verfahren nach Art. 50 EUV nicht durch den angefochtenen Beschluss, sondern durch die Mitteilung der Austrittsabsicht in Gang gesetzt worden. Hätte der Rat den angefochtenen Beschluss nicht erlassen, hätte das Verfahren nach Art. 50 EUV seinen Lauf genommen und zwei Jahre nach der Mitteilung der Austrittsabsicht hätte das Vereinigte Königreich die Union ohne ein Abkommen über die Einzelheiten des Austritts verlassen. Zweitens habe der angefochtene Beschluss auch nicht die Mitteilung der Austrittsabsicht „ratifiziert“, sondern nur die Konsequenzen aus dieser nationalen Entscheidung gezogen, ohne sich auf die Rechte der Kläger auszuwirken. Unabhängig vom Erlass des angefochtenen Beschlusses sei das Vereinigte Königreich bis zum Zeitpunkt seines Austritts Mitglied der Union, und die Kläger verfügten weiterhin über die Rechte, die sie diesbezüglich aus den Verträgen ableiteten. Erst bei Abschluss des Verfahrens nach Art. 50 EUV könnten die Rechte der Kläger auf eine im Übrigen nicht vorhersehbare Weise beeinträchtigt werden.

24      Die Kläger tragen vor, der angefochtene Beschluss könne Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein. Sie machen außerdem geltend, ihre Klagebefugnis ergebe sich daraus, dass sie im Ausland lebende Staatsbürger des Vereinigten Königreichs und Unionsbürger seien, dass sie in einem anderen Mitgliedstaat der Union wohnten und dass sie aufgrund der sogenannten „15 years rule“ (15‑Jahre-Regel) beim Referendum vom 23. Juni 2016 und bei den allgemeinen Wahlen vom 7. Mai 2015, die zur Ernennung der Abgeordneten geführt hätten, die das Referendum durch den Erlass des Gesetzes von 2017 über die Europäische Union (Mitteilung des Austritts) „bestätigt“ hätten, kein Stimmrecht gehabt hätten.

25      Erstens habe der angefochtene Beschluss unmittelbare Auswirkungen auf ihre Rechte aus den Verträgen, vor allem was ihre Eigenschaft als Unionsbürger und ihr Wahlrecht bei den Wahlen zum Europäischen Parlament und bei Kommunalwahlen, ihr Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihr Recht, sich frei zu bewegen, aufzuhalten und zu arbeiten, ihr Eigentumsrecht und ihre Ansprüche auf Sozialleistungen betreffe.

26      Zweitens sei der angefochtene Beschluss keine bloße Zwischenmaßnahme vor dem Austritt des Vereinigten Königreichs, weil er zusätzlich zur expliziten Maßnahme der Aufnahme von Verhandlungen eine implizite Maßnahme beinhalte, mit der der Rat die Mitteilung der Austrittsabsicht akzeptiert habe. Der angefochtene Beschluss habe den irreversiblen „Ausstieg“ des Vereinigten Königreichs aus der Union am 29. März 2019 anerkannt.

27      Drittens enthalte der angefochtene Beschluss, insbesondere seine Rechtswirkungen entfaltenden Verhandlungsrichtlinien, nicht das Ziel, sicherzustellen, dass Staatsbürger des Vereinigten Königreichs, die vor dem 29. März 2019 die Unionsbürgerschaft erworben hätten, diesen Status beibehielten. Unabhängig davon, ob ein Abkommen abgeschlossen werde oder nicht, bestehe kein Zweifel daran, dass die Staatsbürger des Vereinigten Königreichs ihre durch das Unionsrecht verliehenen Rechte und Freiheiten, insbesondere ihre Unionsbürgerschaft, kurz- oder mittelfristig verlieren würden.

28      Viertens hätte der Rat die Aufnahme der Verhandlungen verweigern oder aussetzen müssen. Das Austrittsverfahren sei nichtig, da es keine definitive verfassungsrechtliche Ermächtigung gebe, die auf den Wählerstimmen aller Staatsbürger des Vereinigten Königreichs beruhe, die auch Unionsbürger seien. Der Rat und das Vereinigte Königreich hätten die gerichtliche Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Mitteilung der Austrittsabsicht gemäß dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit nach Art. 4 Abs. 3 EUV veranlassen müssen, und der Rat hätte nach Art. 218 Abs. 11 AEUV ein Gutachten des Gerichtshofs zu der Frage einholen müssen, ob es mit den Verträgen vereinbar sei, dass die im Ausland lebenden Staatsbürger des Vereinigten Königreichs kein Stimmrecht hätten und mittelbar durch die Abgeordneten vertreten würden. Eine Abweisung der vorliegenden Klage wegen Unzulässigkeit würde einen Verstoß gegen den Grundsatz der Demokratie darstellen.

29      Fünftens sei die vorliegende Klage der einzige wirksame Rechtsbehelf vor dem Unionsrichter, bevor die Kläger aufgrund des angefochtenen Beschlusses am 29. März 2019 unausweichlich ihre Eigenschaft als Unionsbürger verlören.

30      Insoweit ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass die Nichtigkeitsklage gegen alle Handlungen der Organe gegeben ist, die – unabhängig von ihrer Rechtsnatur oder Form – dazu bestimmt sind, verbindliche Rechtswirkungen zu erzeugen, die die Interessen des Klägers durch eine qualifizierte Änderung seiner Rechtsstellung berühren (Urteile vom 11. November 1981, IBM/Kommission, 60/81, EU:C:1981:264, Rn. 9, und vom 26. Januar 2010, Internationaler Hilfsfonds/Kommission, C‑362/08 P, EU:C:2010:40, Rn. 51).

31      Wird eine Nichtigkeitsklage zudem – wie im vorliegenden Fall – von nicht privilegierten Klägern gegen eine nicht an sie gerichtete Handlung erhoben, überschneidet sich das Erfordernis, dass die verbindlichen Rechtswirkungen der angefochtenen Maßnahme die Interessen der Kläger durch eine qualifizierte Änderung ihrer Rechtsstellung beeinträchtigen, mit den Voraussetzungen nach Art. 263 Abs. 4 AEUV (Urteil vom 13. Oktober 2011, Deutsche Post und Deutschland/Kommission, C‑463/10 P und C‑475/10 P, EU:C:2011:656, Rn. 38).

32      Aus Art. 263 Abs. 4 AEUV geht hervor, dass die Befugnis einer natürlichen oder juristischen Person, gegen eine nicht an sie gerichtete Handlung Klage zu erheben, voraussetzt, dass diese Handlung sie zumindest unmittelbar betrifft, und zwar unabhängig davon, ob diese Handlung Verordnungscharakter besitzt oder nicht. Die Voraussetzung, dass eine natürliche oder juristische Person von dem mit der Klage angefochtenen Rechtsakt unmittelbar betroffen sein muss, ist nur dann erfüllt, wenn sich die beanstandete Maßnahme auf die Rechtsstellung des Klägers unmittelbar auswirkt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Mai 1998, Dreyfus/Kommission, C‑386/96 P, EU:C:1998:193, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 13. Oktober 2011, Deutsche Post und Deutschland/Kommission, C‑463/10 P und C‑475/10 P, EU:C:2011:656, Rn. 66).

33      Daher setzen sowohl das Erfordernis, dass die verbindlichen Rechtswirkungen der angefochtenen Maßnahme die Interessen der Kläger durch eine qualifizierte Änderung ihrer Rechtsstellung beeinträchtigen, als auch die in Art. 263 Abs. 4 AEUV festgelegte Voraussetzung, dass eine natürliche oder juristische Person von dem mit der Klage angefochtenen Rechtsakt unmittelbar betroffen sein muss, voraus, dass sich der mit der vorliegenden Klage angefochtene Beschluss auf die Rechtsstellung der Kläger unmittelbar auswirkt.

34      Im vorliegenden Fall entfaltet der angefochtene Beschluss jedoch keine solchen unmittelbaren Wirkungen.

35      Der angefochtene Beschluss wurde vom Rat auf der Grundlage von Art. 50 Abs. 2 dritter Satz EUV in Verbindung mit Art. 218 Abs. 3 AEUV erlassen.

36      Art. 50 Abs. 1 bis 3 EUV bestimmt:

„(1)      Jeder Mitgliedstaat kann im Einklang mit seinen verfassungsrechtlichen Vorschriften beschließen, aus der Union auszutreten.

(2)      Ein Mitgliedstaat, der auszutreten beschließt, teilt dem Europäischen Rat seine Absicht mit. Auf der Grundlage der Leitlinien des Europäischen Rates handelt die Union mit diesem Staat ein Abkommen über die Einzelheiten des Austritts aus und schließt das Abkommen, wobei der Rahmen für die künftigen Beziehungen dieses Staates zur Union berücksichtigt wird. Das Abkommen wird nach Art. 218 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union ausgehandelt. Es wird vom Rat im Namen der Union geschlossen; der Rat beschließt mit qualifizierter Mehrheit nach Zustimmung des Europäischen Parlaments.

(3)      Die Verträge finden auf den betroffenen Staat ab dem Tag des Inkrafttretens des Austrittsabkommens oder andernfalls zwei Jahre nach der in Abs. 2 genannten Mitteilung keine Anwendung mehr, es sei denn, der Europäische Rat beschließt im Einvernehmen mit dem betroffenen Mitgliedstaat einstimmig, diese Frist zu verlängern.“

37      Art. 218 Abs. 3 AEUV, auf den Art. 50 Abs. 2 EUV verweist, sieht vor:

„(3)      Die Kommission … legt dem Rat Empfehlungen vor; dieser erlässt einen Beschluss über die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen und über die Benennung, je nach dem Gegenstand der geplanten Übereinkunft, des Verhandlungsführers oder des Leiters des Verhandlungsteams der Union.“

38      Der angefochtene Beschluss ist nach Art. 288 AEUV in allen seinen Teilen verbindlich. Er ermächtigt die Kommission, im Namen der Union Verhandlungen über ein Abkommen mit dem Vereinigten Königreich aufzunehmen, in dem die Einzelheiten seines Austritts aus der Union und der Euratom festgelegt werden, und benennt die Kommission als Verhandlungsführerin der Union (Art. 1 des angefochtenen Beschlusses). Der angefochtene Beschluss bestimmt, dass die Verhandlungen nach Maßgabe der Leitlinien des Europäischen Rates und im Einklang mit den Verhandlungsrichtlinien im Anhang zu diesem Beschluss zu führen sind (Art. 2 des angefochtenen Beschlusses).

39      Der Gerichtshof hat entschieden, dass ein auf der Grundlage von Art. 218 Abs. 3 und 4 AEUV erlassener Beschluss Rechtswirkungen im Verhältnis zwischen der Union und den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Organen der Union entfaltet (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. September 2014, Kommission/Rat, C‑114/12, EU:C:2014:2151, Rn. 40, und vom 16. Juli 2015, Kommission/Rat, C‑425/13, EU:C:2015:483, Rn. 28).

40      Es ist festzustellen, dass der angefochtene Beschluss Rechtswirkungen im Verhältnis zwischen der Union und den Mitgliedstaaten und zwischen den Organen der Union, insbesondere in Bezug auf die Kommission, entfaltet. Die Kommission ist aufgrund dieses Beschlusses ermächtigt, nach Maßgabe der Leitlinien des Europäischen Rates und im Einklang mit den vom Rat angenommenen Verhandlungsrichtlinien Verhandlungen über ein Abkommen mit dem Vereinigten Königreich aufzunehmen.

41      Hingegen wirkt sich der angefochtene Beschluss nicht unmittelbar auf die Rechtsstellung der Kläger aus.

42      Zunächst darf der angefochtene Beschluss, mit dem der Rat nach Art. 50 Abs. 2 EUV die Kommission ermächtigt hat, Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich aufzunehmen, nicht mit dem Beschluss des Vereinigten Königreichs verwechselt werden, nach Art. 50 Abs. 1 EUV aus der Union auszutreten.

43      Der angefochtene Beschluss ist auch von der Maßnahme vom 29. März 2017 zu unterscheiden, mit der die Premierministerin des Vereinigten Königreichs dem Europäischen Rat die Absicht dieses Mitgliedstaats mitteilte, aus der Union auszutreten. Nicht mit dem angefochtenen Beschluss, sondern mit der Mitteilung der Austrittsabsicht wurde das Austrittsverfahren nach Art. 50 Abs. 2 und 3 EUV eingeleitet und die in Art. 50 Abs. 3 EUV vorgesehene Frist von zwei Jahren ausgelöst, nach deren Ablauf die Verträge, falls kein Austrittsabkommen zustande kommt, keine Anwendung mehr auf den betroffenen Staat finden, es sei denn, der Europäische Rat beschließt im Einvernehmen mit dem betroffenen Mitgliedstaat einstimmig, diese Frist zu verlängern.

44      Im Übrigen ändert der angefochtene Beschluss die Rechtsstellung der in einem der Mitgliedstaaten der Union mit 27 Mitgliedstaaten (im Folgenden: EU‑27) ansässigen Staatsbürger des Vereinigten Königreichs nicht, und zwar unabhängig davon, ob sie sich in dieser Lage zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses oder ab dem Zeitpunkt des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Union befinden. Die Kläger machen zu Unrecht geltend, sie seien unmittelbar betroffen, insbesondere was ihre Eigenschaft als Unionsbürger und ihr Wahlrecht bei den Wahlen zum Europäischen Parlament und bei Kommunalwahlen, ihr Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihr Recht, sich frei zu bewegen, aufzuhalten und zu arbeiten, ihr Eigentumsrecht und ihre Ansprüche auf Sozialleistungen betreffe.

45      Die Rechte der Kläger, die, wie der Rat betont, vor und nach Erlass des angefochtenen Beschlusses die gleichen sind, werden vom angefochtenen Beschluss nicht berührt. In Bezug auf die Rechte der Staatsbürger des Vereinigten Königreichs in der EU‑27 ab dem Zeitpunkt des Austritts ist der angefochtene Beschluss bloß eine vorbereitende Handlung im Hinblick auf das endgültige Abkommen, dessen Abschluss eine bloße Möglichkeit ist und später vom Rat mit qualifizierter Mehrheit nach Zustimmung des Europäischen Parlaments beschlossen werden müsste (vgl. entsprechend zu einem Beschluss des Rates, mit dem die Kommission zur Aufnahme von Verhandlungen über den Abschluss einer internationalen Übereinkunft ermächtigt wurde, Urteil vom 10. Mai 2017, Efler u. a./Kommission, T‑754/14, EU:T:2017:323, Rn. 34).

46      Eine Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses hätte daher keine Auswirkungen auf die Rechtsstellung der Staatsbürger des Vereinigten Königreichs einschließlich derjenigen, die, wie die Kläger in einem anderen Mitgliedstaat der Union wohnen und beim Referendum vom 23. Juni 2016 und bei den allgemeinen Wahlen im Vereinigten Königreich kein Stimmrecht hatten. Sie würde weder zur Aufhebung der Mitteilung der Austrittsabsicht noch zur Aussetzung der Frist von zwei Jahren führen, die in Art. 50 Abs. 3 EUV vorgesehen ist. Die Rechte der Kläger würden unverändert bleiben.

47      Zwar kann die Rechtsstellung der Kläger, insbesondere was ihre Eigenschaft als Unionsbürger angeht, beim Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Union unabhängig davon, ob ein Austrittsabkommen abgeschlossen werden kann oder nicht, beeinträchtigt werden, diese mögliche Beeinträchtigung ihrer Rechte, deren Art und Umfang sich im Übrigen derzeit nicht abschätzen lassen, ist jedoch keine Folge des angefochtenen Beschlusses, wie der Rat zu Recht geltend macht.

48      Unter diesen Umständen hat der angefochtene Beschluss keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Rechtsstellung der Kläger, so dass diese keine Nichtigkeitsklage erheben können und zudem nicht nach Art. 263 Abs. 4 AEUV klagebefugt sind.

49      Keines der von den Klägern vorgetragenen Argumente kann dieses Ergebnis in Frage stellen.

50      Erstens machen die Kläger geltend, der angefochtene Beschluss sei keine bloße Zwischenmaßnahme vor dem Austritt des Vereinigten Königreichs, weil er zusätzlich zu einer expliziten Maßnahme der Aufnahme von Verhandlungen eine implizite Maßnahme beinhalte, mit der der Rat die Mitteilung der Austrittsabsicht akzeptiert habe. Der angefochtene Beschluss habe den irreversiblen „Ausstieg“ des Vereinigten Königreichs aus der Union am 29. März 2019 anerkannt.

51      Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden.

52      Zwar ist der angefochtene Beschluss keine bloße Zwischenmaßnahme und keine vorbereitende Handlung vor dem Austritt des Vereinigten Königreichs, soweit er sich auf die Beziehungen zwischen der Union und ihren Mitgliedstaaten sowie zwischen den Organen der Union bezieht. Für die Mitgliedstaaten und für die Unionsorgane entfaltet der angefochtene Beschluss die oben in Rn. 40 beschriebenen Rechtswirkungen. Dies trifft jedoch nicht auf die Kläger zu, für die er als vorbereitende Handlung anzusehen ist, die, wie oben in den Rn. 41 bis 48 dargelegt, keine unmittelbaren Rechtswirkungen hat.

53      Ferner machen die Kläger zu Unrecht geltend, mit dem angefochtenen Beschluss werde die Mitteilung der Austrittsabsicht implizit akzeptiert und der „Ausstieg“ des Vereinigten Königreichs aus der Union anerkannt.

54      Wie oben in den Rn. 42 und 43 ausgeführt, darf der angefochtene Beschluss weder mit dem Beschluss des Vereinigten Königreichs verwechselt werden, gemäß Art. 50 Abs. 1 EUV aus der Union auszutreten, noch mit der Mitteilung der Austrittsabsicht.

55      Außerdem hat der Rat mit dem angefochtenen Beschluss die Mitteilung der Austrittsabsicht nicht implizit akzeptiert.

56      Aus dem Wortlaut von Art. 50 EUV geht hervor, dass die Möglichkeit eines Mitgliedstaats, aus der Union auszutreten, auf einem einseitigen Beschluss dieses Mitgliedstaats im Einklang mit seinen verfassungsrechtlichen Vorschriften beruht. Art. 50 Abs. 1 EUV bestimmt somit, dass ein Mitgliedstaat „beschließen“ kann, aus der Union auszutreten. Auch Art. 50 Abs. 2 EUV bestimmt, dass der Mitgliedstaat aus der Union auszutreten „beschließt“ und dem Europäischen Rat eine Mitteilung über seine Absicht, aus der Union auszutreten, – und keinen Austrittsantrag – übermittelt.

57      Art. 50 Abs. 3 EUV bekräftigt, dass die Möglichkeit eines Mitgliedstaats, aus der Union auszutreten, keiner Genehmigung der Organe der Union bedarf. Nach Art. 50 Abs. 3 EUV finden die Verträge, falls kein Austrittsabkommen zustande kommt, zwei Jahre nach Mitteilung der Austrittsabsicht dieses Staates keine Anwendung mehr auf den betroffenen Staat, es sei denn, der Europäische Rat beschließt im Einvernehmen mit dem betroffenen Mitgliedstaat einstimmig, diese Frist zu verlängern.

58      Auch wenn Art. 50 Abs. 1 EUV insoweit vorsieht, dass der Beschluss, mit dem ein Mitgliedstaat beschließt, aus der Union auszutreten, im Einklang mit seinen verfassungsrechtlichen Vorschriften zu treffen ist, so bedeutet dies nicht, dass der Austrittsbeschluss zu einem Annahmebeschluss der Unionsorgane führt, bei dessen Erlass die Unionsorgane prüfen, ob der betreffende Staat diese verfassungsrechtlichen Vorschriften eingehalten hat. Ein solcher Annahmebeschluss des Rates oder eines anderen Unionsorgans ist nicht erforderlich und in Art. 50 EUV nicht vorgesehen.

59      Im Einklang mit Art. 50 EUV beinhaltet der angefochtene Beschluss keinen Beschluss, mit dem die Mitteilung der Austrittsabsicht bestätigt oder akzeptiert wird. Im Übrigen ist der Adressat der Mitteilung der Austrittsabsicht nicht der Rat, sondern der Europäische Rat, der den Eingang dieser Mitteilung mit Erklärung vom 29. März 2017 bestätigt hat. Der Rat hat mit dem angefochtenen Beschluss auch nicht beschlossen, dass das Vereinigte Königreich am 29. März 2019 aus der Union „aussteigen“ werde. Zwar heißt es im vierten Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, dass die Verträge auf das Vereinigte Königreich ab dem Tag des Inkrafttretens des Austrittsabkommens oder andernfalls zwei Jahre nach der Mitteilung der Austrittsabsicht keine Anwendung mehr finden, es sei denn, der Europäische Rat beschließt im Einvernehmen mit dem Vereinigten Königreich einstimmig, diese Frist zu verlängern. Dieser Erwägungsgrund, der lediglich den Wortlaut von Art. 50 Abs. 3 EUV aufgreift, bedeutet jedoch nicht, dass der Rat beschlossen hat, dass der Austritt des Vereinigten Königreichs am 29. März 2019 stattfinden soll.

60      Die Kläger rügen daher zu Unrecht, dass der angefochtene Beschluss eine implizite Maßnahme beinhalte, mit der der Rat die Mitteilung der Austrittsabsicht akzeptiert habe, und dass der angefochtene Beschluss den „Ausstieg“ des Vereinigten Königreichs aus der Union am 29. März 2019 anerkannt habe.

61      Zweitens machen die Kläger geltend, der angefochtene Beschluss, insbesondere die Rechtswirkungen entfaltenden Verhandlungsrichtlinien in seinem Anhang, enthalte nicht das Ziel, sicherzustellen, dass Staatsbürger des Vereinigten Königreichs, die vor dem 29. März 2019 die Unionsbürgerschaft erworben hätten, diesen Status beibehielten. Es bestehe daher kein Zweifel daran, dass die Staatsbürger des Vereinigten Königreichs ihre durch das Unionsrecht verliehenen Rechte und Freiheiten, insbesondere ihre Unionsbürgerschaft, kurz- oder mittelfristig verlieren würden. Wenn ein endgültiges Abkommen vom Rat abgeschlossen werde, könnten die laufenden Verhandlungen nur den Umfang bestimmen, in dem die im Ausland lebenden Staatsbürger des Vereinigten Königreichs ihre Rechte aus dem Unionsrecht verlieren würden. Für den Fall, dass es kein Abkommen gäbe, habe der Rat im angefochtenen Beschluss und seinen Verhandlungsrichtlinien kein Ziel des Schutzes der erworbenen Rechte der Staatsbürger des Vereinigten Königreichs vorgesehen. Dieser Beschluss bewahre daher die Unionsbürgereigenschaft der Staatsbürger des Vereinigten Königreichs nicht und biete keinerlei Sicherheit hinsichtlich ihrer Rechte für die Zeit nach dem Austritt.

62      Der angefochtene Beschluss ist jedoch, insbesondere soweit er die Richtlinien für die Verhandlung des Austrittsabkommens enthält, kein Rechtsakt, der die Rechte der in der EU-27 ansässigen Staatsbürger des Vereinigten Königreichs festlegt, falls es zu einem Abkommen kommt. Die Verhandlungsrichtlinien, die im Übrigen zumindest in der französischen und englischen Fassung den Konjunktiv und keine zwingenden Formulierungen verwenden, beschränken sich darauf, die Ziele der Union im Rahmen der Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich festzulegen. In Nr. 11 der Verhandlungsrichtlinien heißt es insbesondere, dass an erster Stelle die Wahrung von Status und Rechten der Bürgerinnen und Bürger der EU-27 und ihrer Familien im Vereinigten Königreich und der Bürgerinnen und Bürger des Vereinigten Königreichs und ihrer Familien in den Mitgliedstaaten der EU-27 steht. Abschnitt III.1 der Verhandlungsrichtlinien, der den Bürgerrechten gewidmet ist, sieht somit vor, dass das Abkommen den Status und die Rechte, die sich zum Zeitpunkt des Austritts aus dem Unionsrecht ableiten, wahren „sollte“, einschließlich jener Rechte, die zu einem späteren Zeitpunkt wirksam werden, sowie der Rechte, deren Erwerb noch nicht abgeschlossen ist (Nr. 20). Abschnitt III.1 sieht auch vor, dass das Abkommen mindestens die Abgrenzung des betroffenen Personenkreises umfassen „sollte“ und dass es für den gleichen Personenkreis gelten „sollte“ wie die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. 2004, L 158, S. 77), und dass Personen einbezogen werden „sollten“, die unter die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. 2004, L 166, S. 1) fallen (Nr. 21).

63      Die Verhandlungsrichtlinien können daher für die Staatsbürger des Vereinigten Königreichs, die in einem anderen Mitgliedstaat der EU‑27 wohnen, keine Rechtswirkungen entfalten. Erstens legen sie nicht notwendigerweise die endgültigen Positionen der Union im Rahmen der Verhandlungen fest, da sie, wie es in Nr. 4 dieser Richtlinien ausdrücklich heißt, im Verhandlungsverlauf bei Bedarf geändert und ergänzt werden können, insbesondere um Entwicklungen in den Leitlinien des Europäischen Rates Rechnung zu tragen. Zweitens führen die Verhandlungen nicht zwangsläufig zum Abschluss eines Abkommens. Drittens werden, selbst wenn die Verhandlungen zum Abschluss eines Abkommens führen, die in einem solchen Abkommen möglicherweise festgelegten Rechte der Staatsbürger des Vereinigten Königreichs in der EU‑27 nicht einseitig von der Union bestimmt, sondern hängen auch von den Positionen des Vereinigten Königreichs ab. Viertens fallen die in einem Abkommen vorgesehenen Vorschriften über die Wahrung des Status und der Rechte der Staatsbürger des Vereinigten Königreichs in der EU‑27 ab dem Zeitpunkt des Austritts nicht in die alleinige Zuständigkeit des Rates, da der Beschluss, ein Austrittsabkommen abzuschließen, vom Rat mit qualifizierter Mehrheit nach Zustimmung des Europäischen Parlaments angenommen wird. Aus all diesen Gründen richten sich die Verhandlungsrichtlinien nur an die Kommission und können nicht die Wirkung haben, die Rechte der Staatsbürger des Vereinigten Königreichs, die in der EU-27 ihren Aufenthalt haben, ab dem Zeitpunkt des Austritts festzulegen.

64      Im Übrigen berührt der von den Klägern angeführte Umstand, dass die Verhandlungsrichtlinien nicht das Ziel enthalten, sicherzustellen, dass Staatsbürger des Vereinigten Königreichs, die vor dem 29. März 2019 die Unionsbürgerschaft erworben haben, diesen Status, insbesondere das Wahlrecht bei den Wahlen zum Europäischen Parlament und bei Kommunalwahlen, beibehalten, ihre Rechtsstellung nicht unmittelbar. Wie bereits ausgeführt, ist der angefochtene Beschluss einschließlich der Verhandlungsrichtlinien nur eine vorbereitende Handlung, die den Inhalt eines etwaigen endgültigen Abkommens nicht vorwegnehmen kann, vor allem was den persönlichen Anwendungsbereich möglicher Vorschriften über die Wahrung des Status und der Rechte der Staatsbürger des Vereinigten Königreichs in der EU‑27 angeht.

65      Zudem ist es nicht Zweck des angefochtenen Beschlusses, der die Verhandlungen zwischen der Union und dem Vereinigten Königreich über ein Abkommen über die Einzelheiten des Austritts betrifft, die Rechte der in der EU‑27 ansässigen Staatsbürger dieses Mitgliedstaats ab dem Zeitpunkt des Austritts für den Fall festzulegen, dass kein Abkommen abgeschlossen wird. Folglich können die Kläger nicht mit Erfolg geltend machen, dass der Rat im angefochtenen Beschluss und in den Verhandlungsrichtlinien nicht das Ziel formuliert habe, die von den Staatsbürgern des Vereinigten Königreichs erworbenen Rechte für den Fall zu wahren, dass kein Abkommen abgeschlossen werde, und dass der angefochtene Beschluss daher keinerlei Sicherheit hinsichtlich der Rechte der im Ausland lebenden Staatsbürger des Vereinigten Königreichs für die Zeit nach dem Austritt biete.

66      Das Vorbringen der Kläger zu den Zielen des angefochtenen Beschlusses und zu den Verhandlungsrichtlinien ist daher zurückzuweisen.

67      Drittens machen die Kläger geltend, der Rat hätte die Aufnahme der Verhandlungen verweigern oder aussetzen müssen. Das Austrittsverfahren sei aufgrund des Fehlens einer definitiven verfassungsrechtlichen Ermächtigung, die auf den Wählerstimmen aller Staatsbürger des Vereinigten Königreichs beruhe, die auch Unionsbürger seien, nichtig, und wahrscheinlich gebe es keinen Grund für den Erlass des angefochtenen Beschlusses. Die Kläger weisen darauf hin, dass sie aufgrund der sogenannten „15 years rule“ (15‑Jahre-Regel), die Staatsbürgern des Vereinigten Königreichs, die seit mehr als 15 Jahren im Ausland lebten, das Wahlrecht entziehe, beim Referendum vom 23. Juni 2016 und bei der Wahl der Abgeordneten, die das Gesetz von 2017 über die Europäische Union (Mitteilung des Austritts) verabschiedet hätten, kein Stimmrecht gehabt hätten. Im Übrigen bestimme das Gesetz von 2017 über die Europäische Union (Mitteilung des Austritts) nicht, dass das Vereinigte Königreich aus der Union austrete, sondern ermächtige lediglich die Premierministerin, der Union den Beschluss des Vereinigten Königreichs, aus der Union auszutreten, mitzuteilen. Die Kläger führen weiter aus, dass derzeit bei einem Gericht des Vereinigten Königreichs ein Gerichtsverfahren anhängig sei, dass der Rat und das Vereinigte Königreich gemäß dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit nach Art. 4 Abs. 3 EUV die gerichtliche Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Mitteilung der Austrittsabsicht hätten veranlassen müssen und dass der Rat ferner nach Art. 218 Abs. 11 AEUV ein Gutachten des Gerichtshofs zu der Frage hätte einholen müssen, ob es mit den Verträgen vereinbar sei, dass die im Ausland lebenden Staatsbürger des Vereinigten Königreichs kein Stimmrecht hätten und mittelbar durch die Abgeordneten vertreten würden. Außerdem würde eine Abweisung der vorliegenden Klage wegen Unzulässigkeit einen Verstoß gegen den Grundsatz der Demokratie darstellen, da die Entziehung der Unionsbürgerschaft im März 2019 unter Bedingungen erfolgen werde, die rechtswidrig seien, weil Unionsbürger ihres Wahlrechts beraubt worden seien.

68      Mit diesem Vorbringen machen die Kläger inhaltliche Klagegründe geltend, mit denen in Wirklichkeit die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses in Frage gestellt werden soll. Angesichts der Bedingungen, unter denen das Referendum vom 23. Juni 2016 und die allgemeinen Wahlen im Vereinigten Königreich stattgefunden hätten, und angesichts des Inhalts des Gesetzes von 2017 über die Europäische Union (Mitteilung des Austritts) hätte die Aufnahme von Verhandlungen verweigert oder ausgesetzt werden müssen. Außerdem hätten diesem Beschluss Gerichtsverfahren vorausgehen müssen, um insbesondere zu überprüfen, ob die Mitteilung der Austrittsabsicht verfassungsmäßig und das fehlende Stimmrecht der im Ausland lebenden Staatsbürger des Vereinigten Königreichs mit den Verträgen vereinbar sei.

69      Diese inhaltlichen Klagegründe sind für die Zulässigkeit der Klage irrelevant, da sie nicht das Fehlen unmittelbarer Auswirkungen des angefochtenen Beschlusses auf die Rechtsstellung der Kläger in Frage stellen. Selbst wenn man davon ausginge, dass sich der Rat hätte weigern müssen, die Verhandlungen aufzunehmen, oder dass er hätte überprüfen müssen, ob der Beschluss, mit dem das Vereinigte Königreich entschied, aus der Union auszutreten, im Einklang mit seinen verfassungsrechtlichen Vorschriften gefasst wurde, würde dies nichts daran ändern, dass der angefochtene Beschluss, der sich darauf beschränkt, die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich zu erteilen und Richtlinien für diese Verhandlungen festzulegen, die Rechtsstellung der Kläger nicht ändert. Insbesondere kann der Umstand, dass der Rat zu Unrecht keinen Gebrauch von der in Art. 218 Abs. 11 AEUV vorgesehenen Möglichkeit gemacht habe, ein Gutachten des Gerichtshofs zur Vereinbarkeit des geplanten Abkommens mit den Verträgen einzuholen, oder dass er den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit verkannt habe, nicht zum Wegfall der in Art. 263 AEUV ausdrücklich vorgesehenen Zulässigkeitsvoraussetzungen führen (vgl. in diesem Sinne zum Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit Urteil vom 20. Februar 2018, Belgien/Kommission, C‑16/16 P, EU:C:2018:79, Rn. 40), wobei die Einholung des Gutachtens im Übrigen keine Pflicht, sondern eine Möglichkeit des Rates ist.

70      Was den angeführten Verstoß gegen den u. a. in der Präambel des EU-Vertrags, in Art. 2 EUV sowie in der Präambel der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Grundsatz der Demokratie angeht, so kann nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, dass die Klage für zulässig zu erklären sei, weil der angefochtene Beschluss unter Verstoß gegen den Grundsatz der Demokratie gefasst worden sei. Eine solche Argumentation liefe darauf hinaus, die Zulässigkeit einer Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV aus der möglichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Rechtsakts abzuleiten. Insoweit ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass die Schwere eines behaupteten Fehlers des betreffenden Organs oder die sich daraus ergebende Erheblichkeit der Beeinträchtigung in Bezug auf die Wahrung von Grundrechten es nicht erlaubt, von der Anwendung der im AEU-Vertrag vorgesehenen unverzichtbaren Prozessvoraussetzungen abzuweichen (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 10. Mai 2001, FNAB u. a./Rat, C‑345/00 P, EU:C:2001:270, Rn. 40). Dieses Vorbringen geht daher ins Leere, da der angefochtene Beschluss als solcher zu keinen Einschränkungen der Rechte der Kläger führt.

71      Das Vorbringen der Kläger, der Rat hätte insbesondere wegen des Fehlens einer definitiven verfassungsrechtlichen Ermächtigung, die auf den Wählerstimmen aller Staatsbürger des Vereinigten Königreichs beruhe, die Aufnahme der Verhandlungen verweigern oder aussetzen müssen, ist daher zu verwerfen.

72      Viertens machen die Kläger schließlich geltend, die vorliegende Klage sei der einzige wirksame Rechtsbehelf vor dem Unionsrichter, bevor sie aufgrund des angefochtenen Beschlusses am 29. März 2019 unausweichlich ihre Eigenschaft als Unionsbürger verlören. Weder ein Eilverfahren und erst recht nicht eine Haftungsklage könne verhindern, dass ihnen zu diesem Zeitpunkt ihre Unionsbürgerschaft entzogen werde. Dem vorliegenden Rechtsbehelf müsse gemäß dem Grundsatz einer auf dem Recht beruhenden Union und gemäß Art. 47 der Charta der Grundrechte stattgegeben werden.

73      Es ist jedoch festzustellen, dass der Rat mit dem angefochtenen Beschluss, wie oben in Rn. 59 ausgeführt, nicht beschlossen hat, dass das Vereinigte Königreich zum 29. März 2019 aus der Union „aussteigt“. Der mögliche Verlust der Unionsbürgereigenschaft der Staatsbürger des Vereinigten Königreichs zum 29. März 2019 ergibt sich nicht aus dem angefochtenen Beschluss, der in Bezug auf die Kläger nur eine vorbereitende Handlung darstellt.

74      Im Übrigen wird die gerichtliche Kontrolle der Wahrung der Rechtsordnung der Union, wie sich aus Art. 19 Abs. 1 EUV ergibt, nicht nur durch den Gerichtshof, sondern auch durch die Gerichte der Mitgliedstaaten gewährleistet (vgl. Urteil vom 28. April 2015, T & L Sugars und Sidul Açúcares/Kommission, C‑456/13 P, EU:C:2015:284, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im vorliegenden Fall rügen, wie der Rat ausführt, die Kläger vor allem, dass sie weder beim Referendum vom 23. Juni 2016 noch bei der Wahl der Abgeordneten, die das Gesetz von 2017 über die Europäische Union (Mitteilung des Austritts) verabschiedet hätten, stimmberechtigt gewesen seien. Diese Abstimmungsverfahren für Staatsbürger des Vereinigten Königreichs konnten jedoch – wie übrigens auch die Mitteilung über die Austrittsabsicht – vor den Gerichten des Vereinigten Königreichs angefochten werden, die gegebenenfalls dem Gerichtshof im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 AEUV Fragen zur Auslegung der Verträge vorlegen können. Insoweit ist festzustellen, dass die Gerichte des Vereinigten Königreichs mehrmals mit der Rechtmäßigkeit der Verfahren und der Handlungen von Organen des Vereinigten Königreichs, die der Durchführung des Austrittsverfahrens nach Art. 50 EUV dienen, befasst wurden. Mit Urteil vom 28. April 2016 entschied der High Court of Justice (England & Wales), Queen’s Bench Division (Administrative Court) (Hoher Gerichtshof [England & Wales], Abteilung Queen’s Bench [Verwaltungsgericht], Vereinigtes Königreich) über eine Klage, mit der Herr H. Shindler und weitere Kläger die Ordnungsgemäßheit des Referendums vom 23. Juni 2016 bestritten und geltend machten, dass Staatsbürgern des Vereinigten Königreichs, die seit mehr als 15 Jahren in einem anderen Mitgliedstaat der Union wohnten, aufgrund der „15 years rule“ (15‑Jahre-Regel) unter Verstoß gegen das Unionsrecht das Stimmrecht entzogen werde. Wie in der mündlichen Verhandlung ausgeführt wurde, wies dasselbe Gericht außerdem mit Urteil vom 12. Juni 2018 eine Klage ab, mit der Frau E. Webster und weitere Kläger die Verhandlungen des Vereinigten Königreichs über ein Austrittsabkommen in Frage stellten, da es angeblich keinen im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Vorschriften des Vereinigten Königreichs erlassenen Austrittsbeschluss gebe.

75      Zur Stützung ihres Vorbringens, die vorliegende Klage sei die einzige Möglichkeit, ihr Recht auf einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz zu gewährleisten, machen die Kläger schließlich geltend, dass das Vereinigte Königreich nach dem 29. März 2019 im Fall von Streitigkeiten über einen möglichen Austrittsvertrag ein Drittstaat gegenüber der Union sei und dass es sich möglicherweise nicht mehr an eine Entscheidung des Unionsrichters gebunden fühle. Nach diesem Zeitpunkt könne eine Entscheidung des Unionsrichters über ein mögliches Austrittsabkommen nicht mehr vollstreckt werden.

76      Die Unzulässigkeit der vorliegenden Klage leitet sich jedoch nicht aus der Möglichkeit für die Kläger ab, vor dem Unionsrichter gegen den Beschluss über den Abschluss eines möglichen Austrittsabkommens zu klagen, sondern ist die Folge der Feststellung, dass die Voraussetzung, dass sich der angefochtene Beschluss unmittelbar auf die Rechtsstellung der Kläger auswirken muss, im vorliegenden Fall nicht erfüllt ist. Diese Zulässigkeitsvoraussetzung ist zwar im Licht des in Art. 47 der Charta der Grundrechte verankerten Grundrechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz auszulegen, sie kann jedoch nicht wegfallen, ohne dass die den Unionsgerichten durch den AEU-Vertrag verliehenen Befugnisse überschritten würden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Oktober 2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat, C‑583/11 P, EU:C:2013:625, Rn. 97 und 98). Für die Beurteilung der Zulässigkeit der vorliegenden Klage, die den Vorschriften des AEU‑Vertrags unterliegt, ist auch unerheblich, ob sich das Vereinigte Königreich im Fall eines Rechtsstreits über ein mögliches Austrittsabkommen an eine Entscheidung des Unionsrichters gebunden fühlen wird.

77      Das Vorbringen zum Recht auf einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz ist daher zurückzuweisen.

78      Aus alledem ergibt sich, dass der angefochtene Beschluss, der keine verbindlichen Rechtswirkungen erzeugt, die die Interessen der Kläger durch eine qualifizierte Änderung ihrer Rechtsstellung beeinträchtigen, nicht Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein kann. Ferner sind die Kläger, die vom angefochtenen Beschluss nicht unmittelbar betroffen sind, nicht nach Art. 263 Abs. 4 AEUV klagebefugt. Folglich ist die Klage in vollem Umfang als unzulässig abzuweisen.

 Zum Streithilfeantrag

79      Nach Art. 142 Abs. 2 der Verfahrensordnung ist die Streithilfe akzessorisch zum Rechtsstreit zwischen den Hauptparteien und wird u. a. dann gegenstandslos, wenn die Klage für unzulässig erklärt wird.

80      Unter diesen Umständen ist über den Antrag der Kommission auf Zulassung als Streithelferin des Rates nicht mehr zu entscheiden.

 Kosten

81      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

82      Da die Kläger unterlegen sind, sind ihnen entsprechend dem Antrag des Rates ihre eigenen Kosten und die Kosten des Rates aufzuerlegen.

83      Da das Verfahren in der Hauptsache beendet wurde, bevor über den Antrag auf Zulassung zur Streithilfe entschieden wurde, trägt die Kommission nach Art. 144 Abs. 10 der Verfahrensordnung ihre eigenen im Zusammenhang mit dem Streithilfeantrag entstandenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Neunte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2.      Über den Antrag der Europäischen Kommission auf Zulassung zur Streithilfe ist nicht mehr zu entscheiden.

3.      Herr Harry Shindler und die weiteren im Anhang namentlich aufgeführten Kläger tragen ihre eigenen Kosten sowie die Kosten des Rates der Europäischen Union.

4.      Die Kommission trägt ihre eigenen im Zusammenhang mit dem Streithilfeantrag entstandenen Kosten.

Gervasoni

Madise

da Silva Passos

Kowalik-Bańczyk

 

       Mac Eochaidh

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 26. November 2018.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Französisch.


1      Die Liste der weiteren Kläger ist nur der Fassung beigefügt, die den Parteien übermittelt wird.