Language of document : ECLI:EU:T:2024:162

URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer)

13. März 2024(*)

„Unionsmarke – Anmeldung der Unionswortmarke MORE‑BIOTIC – Absolutes Eintragungshindernis – Fehlende Unterscheidungskraft – Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) 2017/1001 – Gleichbehandlung“

In der Rechtssache T‑243/23,

Quality First GmbH mit Sitz in Elmshorn (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwältin J. Schneider und Rechtsanwalt M. Kleinn,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch T. Klee als Bevollmächtigten,

Beklagter,

erlässt

DAS GERICHT (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten D. Spielmann (Berichterstatter) sowie der Richter R. Mastroianni und S. L. Kalėda,

Kanzler: V. Di Bucci,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien innerhalb von drei Wochen nach Bekanntgabe des Abschlusses des schriftlichen Verfahrens die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und der Entscheidung gemäß Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts, ohne mündliches Verfahren zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV begehrt die Klägerin, die Quality First GmbH, die Aufhebung der Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 23. Februar 2023 (Sache R 1708/2022‑2) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Am 7. Januar 2022 meldete die Klägerin das Wortzeichen MORE‑BIOTIC nach der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1) beim EUIPO als Unionsmarke an.

3        Die Marke wurde für folgende Waren und Dienstleistungen der Klassen 5, 29, 30, 32 und 35 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 5: „Pharmazeutische Erzeugnisse; Medizinische Präparate; Diätetische Lebensmittel und Erzeugnisse für medizinische Zwecke; Sirupe für medizinische Zwecke; Nahrungsergänzungsgetränke; Nahrungsergänzungsmittel aus Albumin; Nahrungsergänzungsmittel aus Alginaten; Diätetische und Nahrungsergänzungsstoffe; Nahrungsergänzungsmittel aus Vitaminen, Dragees [Arzneimittel]; Bonbons für medizinische Zwecke; Medizinischer Kaugummi; Kaugummi für medizinische Zwecke; Vitamine und Vitaminpräparate; Multivitamine; Multivitaminpräparate; Vitamin- und Mineralstoffpräparate; Vitamin- und Mineralstoffzusätze; Diätgetränke für medizinische Zwecke; medizinische Getränke; Diätnahrungsmittel für medizinische Zwecke; Enzympräparate für medizinische Zwecke; Elixiere [pharmazeutische Präparate]; Nährmittel auf Eiweißgrundlage für medizinische Zwecke; Eiweißpräparate für medizinische Zwecke; Nährflüssigkeiten für Bakterienkulturen; Bakterienpräparate für medizinische Zwecke; bakteriologische Präparate für medizinische Zwecke; Nahrungsergänzungsstoffe in Form von Getränkepulvermischungen; Nahrungsergänzungsmittel in Form von Getränken als Mahlzeitenersatz; Getränkepulver mit Fruchtgeschmack als Nahrungsergänzung; Chemische Präparate für medizinische Zwecke; Probiotische Ergänzungsmittel; Rezepturen mit probiotischen Bakterien für medizinische Zwecke; Probiotische Präparate für medizinische Zwecke zur Aufrechterhaltung einer natürlichen Flora im Verdauungssystem; Präbiotische Ergänzungsmittel; Ballaststoffe; Ballaststoffe zur Unterstützung der Verdauung; Wirkstoffe freisetzende Umhüllungen von Tabletten, welche die Verabreichung von Nahrungsergänzungsmitteln erleichtern; Mahlzeitenersatz in Pulverform; Nahrungsergänzungsmittel in Pulverform; Gummi für medizinische Zwecke“;

–        Klasse 29: „Milchprodukte; Desserts aus Milchprodukten; Getränke auf der Basis von Milchprodukten; Aromatisierte Joghurts; Auf Joghurt basierende Getränke; Drinks aus Joghurt; Fettarme Joghurts; Getränke auf der Basis von Joghurt; Getränke aus Joghurt; Getränke aus verdickter Milch [Joghurt]; Getränke, die aus Joghurt erzeugt werden; Joghurt; Joghurt aus Ziegenmilch; Joghurt [Getränke]; Joghurt mit Fruchtgeschmack; Joghurt mit Vanillegeschmack; Joghurtdesserts; Joghurtgetränke; Milchcremes [Joghurts]; Präparate zur Zubereitung von Joghurt; Skyr [dickflüssiger Joghurt]“;

–        Klasse 30: „Riegel auf Getreidebasis; Gummisüßwaren; Nicht medizinische Gummibonbons; Bonbons; Bonbons auf Stärkebasis; Bonbons aus rotem Ginseng; Bonbons aus Sesamöl; Bonbons aus Zucker; Bonbons mit Kakao; Bonbons mit Karamell; Bonbons [Süßigkeiten] mit Fruchtgeschmack; Bonbons zur Atemerfrischung; Cachou [Bonbons], nicht für pharmazeutische Zwecke; Fruchtdrops [Bonbons]; Fruchthaltige Bonbons [Süßigkeiten]; Gefüllte Bonbons; Handgemachte Bonbons; Harte Karamellen [Bonbons]; Karamellen [Bonbons]; Nicht medizinische Bonbons; Nicht medizinische Bonbons mit Honig; Nicht medizinische Bonbons mit Alkohol; Salmiak-Lakritz-Bonbons [nicht medizinisch]; Saure Drops [Bonbons]; Süßigkeiten [Bonbons]; Süßwaren [Bonbons], Schokoriegel und Kaugummi; Zuckerfreie Bonbons; Zuckerlose Bonbons“;

–        Klasse 32: „Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken; Energydrinks; Koffeinhaltige Energiegetränke; Alkoholfreie Getränke mit Teearoma; Alkoholfreie Getränke mit Teegeschmack; Getränke auf Wasserbasis mit Teeextrakten; Alkoholfreie Getränke auf Fruchtbasis mit Teegeschmack; Alkoholfreie Getränke mit Kaffeearoma; Alkoholfreie Getränke mit Kaffeegeschmack; Fruchtsirup; Sirupe für die Zubereitung von aromatisiertem Mineralwasser; Sirupe für Getränke; Energydrinks mit Grünteeextrakt; Alkoholfreie Getränke mit Grünteearoma; Alkoholfreie Getränke mit Grünteegeschmack; Getränke auf Wasserbasis mit Grünteeextrakten; Alkoholfreie Getränke auf Fruchtbasis mit Grünteegeschmack; Pulver für die Zubereitung von alkoholfreien Getränken; Pulver für die Zubereitung von Getränken auf Fruchtbasis; Pulver für die Zubereitung von Getränken; Pulver für die Zubereitung von Kokoswassergetränken“;


–        Klasse 35: „Geschäftsführung; Marketing; Werbung; Geschäftsverwaltung; Unternehmensverwaltung; Aktualisierung und Pflege von Daten in Computer-Datenbanken; Aktualisierung von Werbematerial; Aufstellung von Kosten-Preisanalysen; Auskünfte in Geschäftsangelegenheiten; Bannerwerbung; Dateienverwaltung mittels Computer; Erstellen von Statistiken; Herausgabe von Werbetexten; Layoutgestaltung für Werbezwecke; Marktanalysen; Marktforschung und ‑analysen; Merchandising; Versandwerbung; Kundenwerbung; Dienstleistungen im Bereich Kundenbindung für Geschäfts‑, Verkaufsförderungs- und/oder Werbezwecke; Einzel- und Großhandelsdienstleistungen auch über das Internet in Bezug auf Nahrungsmittel, Getränke und Nahrungsergänzungsmittel; Einzel- und Großhandelsdienstleistungen auch über das Internet in Bezug auf Nahrungsmittel, Getränke und Nahrungsergänzungsmittel mit Grünteeextrakten; Einzel- und Großhandelsdienstleistungen auch über das Internet in Bezug auf pharmazeutische Erzeugnisse mit Grünteeextrakten und Koffein, Tee, Kaffee, Kakao und Energydrinks; Einzel- und Großhandelsdienstleistungen auch über das Internet in Bezug auf Grüner Tee und koffeinhaltige Getränke; Einzel- und Großhandelsdienstleistungen auch über das Internet in Bezug auf Lebensmittel und Getränke mit Grünteegeschmack; Großhandelsdienstleistungen in Bezug auf Milchprodukte; Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Milchprodukte; Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf gefrorenen Joghurt; Großhandelsdienstleistungen in Bezug auf gefrorenen Joghurt“.

4        Mit Entscheidung vom 16. August 2022 wies die Prüferin die Anmeldung der Marke auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b in Verbindung mit Art. 7 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 zurück, soweit sie sich auf die Waren der Klassen 5, 29, 30 und 32 und folgende Dienstleistungen der Klasse 35 bezog: „Einzel- und Großhandelsdienstleistungen auch über das Internet in Bezug auf Nahrungsmittel, Getränke und Nahrungsergänzungsmittel; Einzel- und Großhandelsdienstleistungen auch über das Internet in Bezug auf Nahrungsmittel, Getränke und Nahrungsergänzungsmittel mit Grünteeextrakten; Einzel- und Großhandelsdienstleistungen auch über das Internet in Bezug auf pharmazeutische Erzeugnisse mit Grünteeextrakten und Koffein, Tee, Kaffee, Kakao und Energydrinks; Einzel- und Großhandelsdienstleistungen auch über das Internet in Bezug auf Grüner Tee und koffeinhaltige Getränke; Einzel- und Großhandelsdienstleistungen auch über das Internet in Bezug auf Lebensmittel und Getränke mit Grünteegeschmack; Großhandelsdienstleistungen in Bezug auf Milchprodukte; Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Milchprodukte; Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf gefrorenen Joghurt; Großhandelsdienstleistungen in Bezug auf gefrorenen Joghurt“.

5        Am 5. September 2022 legte die Klägerin beim EUIPO Beschwerde gegen die Entscheidung der Prüferin ein.

6        Die Beschwerdekammer wies die Beschwerde mit der angefochtenen Entscheidung zurück. Sie war insbesondere der Ansicht, dass die Bestandteile „more“ und „biotic“ gebräuchliche Begriffe des englischen Wortschatzes seien, die die Bedeutung von „mehr“ bzw. „biotisch“ hätten. Der Begriff „biotic“ bezeichne in Bezug auf Lebensmittel oder medizinische Präparate all die Stoffe, die das Bakterienwachstum anregten oder selbst Bakterien seien. Die Wortkombination „more-biotic“ sei eine sprachlich korrekte Steigerung des Adjektivs „biotic“ und weise das Publikum im Kontext der fraglichen Waren und Dienstleistungen sofort darauf hin, dass die so gekennzeichneten Waren über eine erhöhte biotische Wirkung verfügten. Im Übrigen könne der Hinweis auf eine erhöhte biotische Wirkung in Bezug auf alle bezeichneten Waren eine sinnvolle werbliche Angabe sein, insbesondere in Bezug auf deren Fähigkeit, Bakterienstämme oder andere körpereigene Mikroorganismen zu stärken, die bei der Verwertung von Nahrungsbestandteilen hülfen oder die Ausbreitung von Krankheitserregern verhinderten. Auch in Bezug auf die bezeichneten Dienstleistungen werde das angemeldete Zeichen als bloßer Werbespruch aufgefasst, der die erhöhte biotische Wirkung der angebotenen Waren herausstelle.

 Anträge der Parteien

7        Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        die Entscheidung der Prüferin vom 16. August 2022 aufzuheben;

–        die Schutzgewährung der angemeldeten Marke zur Eintragung in der Europäischen Union zuzulassen;

–        dem EUIPO die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

8        Das EUIPO beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin im Fall der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Zur Zuständigkeit des Gerichts für die Prüfung des dritten Klageantrags

9        Der dritte Klageantrag ist darauf gerichtet, dass das Gericht für die angemeldete Marke den Schutz der Eintragung in der Europäischen Union gewährt, und kann dahin aufgefasst werden, dass mit ihm begehrt wird, dass das Gericht die angefochtene Entscheidung im Sinne von Art. 72 Abs. 3 der Verordnung 2017/1001 abändert, indem es die Entscheidung erlässt, die die Beschwerdekammer nach dieser Verordnung hätte erlassen müssen. Die insoweit zuständigen Stellen des EUIPO erlassen jedoch keine förmliche Entscheidung, mit der die Eintragung einer Unionsmarke festgestellt würde und gegen die eine Beschwerde eingelegt werden könnte. Folglich ist die Beschwerdekammer nicht befugt, über einen Antrag zu entscheiden, der darauf gerichtet ist, dass sie eine Unionsmarke einträgt. Unter diesen Umständen kommt es auch dem Gericht nicht zu, über einen Abänderungsantrag zu entscheiden, mit dem begehrt wird, dass es die Entscheidung einer Beschwerdekammer in diesem Sinne abändert (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. April 2011, Euro‑Information/HABM [EURO AUTOMATIC PAYMENT], T‑28/10, EU:T:2011:158, Rn. 13 und die dort angeführte Rechtsprechung). Daraus folgt, dass der dritte Klageantrag wegen Unzuständigkeit zurückzuweisen ist.

 Zur Begründetheit

10      Die Klägerin macht im Wesentlichen zwei Klagegründe geltend, mit denen sie erstens einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b in Verbindung mit Art. 7 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 und zweitens einen Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der ordnungsgemäßen Verwaltung rügt.

 Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001

11      Die Klägerin macht im Wesentlichen erstens geltend, dass die angemeldete Marke entgegen der Auffassung der Beschwerdekammer vage und undefiniert sei und deshalb Unterscheidungskraft besitze, zweitens, dass die Kombination der Wörter, aus denen die angemeldete Marke bestehe, unüblich sei, drittens, dass die angemeldete Marke keine rein werbende Botschaft sei, und viertens, dass sie für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht unmittelbar beschreibend sei.

12      Konkret bringt die Klägerin als Erstes vor, dass der Bedeutungsgehalt des Bestandteils „more“ vage sei, da unklar bleibe worauf sich dieses Wort mit der Bedeutung „mehr“ beziehe. Der Bestandteil „biotic“ habe eine Vielzahl völlig unterschiedlicher Bedeutungen und bedürfe daher einer Interpretation. Gleiches gelte für die Zusammensetzung „more-biotic“ als Ganzes.

13      Als Zweites macht die Klägerin geltend, der Ausdruck „mehr biotisch“ sei nicht gleichbedeutend mit „mehr biotische Eigenschaften“, da in dem Zeichen, um das es gehe, von „Eigenschaften“ keine Rede sei. Außerdem sei der Ausdruck „mehr biotisch“ grammatikalisch nicht korrekt, da die Biotik eines Produkts nicht in Abstufungen oder Graden messbar sei. Die Kombination der beiden Worte sei unüblich, und außerdem sei nicht definiert, welcher Vergleichsmaßstab angelegt würde.

14      Als Drittes führt die Klägerin aus, dass der Zweck eines Werbeslogans darin bestehe, Informationen über die Eigenschaften der betreffenden Waren und Dienstleistungen zu verbreiten. Der angemeldeten Marke fehle es aber an einer sinnvollen Bezugsgröße.

15      Schließlich weist die Klägerin darauf hin, dass die meisten der von der angemeldeten Marke erfassten Waren keine lebenden Bestandteile enthalten und somit keine biotischen Eigenschaften haben könnten. Die Begriffe „biotisch“ und „probiotisch“ seien nicht gleichbedeutend. Aufgrund der Bedeutungsvielfalt ihrer Bestandteile und ihrer grammatikalischen Indifferenz könne die angemeldete Marke nicht als glatt beschreibend angesehen werden.

16      Das EUIPO tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

17      Nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 sind Marken, die keine Unterscheidungskraft haben, von der Eintragung ausgeschlossen. Gemäß Art. 7 Abs. 2 dieser Verordnung findet deren Art. 7 Abs. 1 auch dann Anwendung, wenn die Eintragungshindernisse nur in einem Teil der Union vorliegen.

18      Nach ständiger Rechtsprechung bedeutet Unterscheidungskraft einer Marke im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001, dass die Marke geeignet ist, die Ware, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Ware somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. Urteil vom 21. Januar 2010, Audi/HABM, C‑398/08 P, EU:C:2010:29, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

19      Zeichen ohne Unterscheidungskraft im Sinne des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 werden als ungeeignet angesehen, die wesentliche Funktion der Marke zu erfüllen, die darin besteht, die Herkunft der von der Marke erfassten Ware oder Dienstleistung zu identifizieren, um es dem Verbraucher, der die Ware oder Dienstleistung erwirbt, so zu ermöglichen, bei einem weiteren Erwerb seine Entscheidung davon abhängig zu machen, ob er gute oder schlechte Erfahrungen gemacht hat (vgl. Urteil vom 28. Juni 2017, Colgate-Palmolive/EUIPO [AROMASENSATIONS], T‑479/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:441, Rn. 16 und die dort angeführte Rechtsprechung).

20      Die Unterscheidungskraft einer Marke im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 ist zum einen im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden ist, und zum anderen im Hinblick auf ihre Wahrnehmung durch die maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen (vgl. Urteil vom 29. April 2004, Henkel/HABM, C‑456/01 P und C‑457/01 P, EU:C:2004:258, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

21      Ein Zeichen ist nicht geeignet, die wesentliche Funktion der Marke zu erfüllen, und daher nicht unterscheidungskräftig im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001, wenn der Zusammenhang zwischen seinem Bedeutungsgehalt und den in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen so konkret und unmittelbar ist, dass das Zeichen in der Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise eine sofortige Identifizierung dieser Waren und Dienstleistungen ermöglicht (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Mai 2013, Restoin/HABM [EQUIPMENT], T‑356/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:253, Rn. 42, und vom 27. Juni 2013, International Engine Intellectual Property Company/HABM [PURE POWER], T‑248/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:333, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22      Eine aus einem Werbeslogan bestehende Marke ist nach ständiger Rechtsprechung als nicht unterscheidungskräftig anzusehen, wenn sie dazu angetan ist, von den maßgeblichen Verkehrskreisen nur als eine bloße Werbeaussage wahrgenommen zu werden. Demgegenüber ist einer solchen Marke dann Unterscheidungskraft zuzuerkennen, wenn sie über ihre Werbefunktion hinaus von den maßgeblichen Verkehrskreisen unmittelbar als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der betreffenden Waren und Dienstleistungen wahrgenommen werden kann (vgl. Urteil vom 9. April 2019, Zitro IP/EUIPO [PICK & WIN MULTISLOT], T‑277/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:230, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

23      Ob die Beschwerdekammer mit ihrer Feststellung, dass die angemeldete Marke keine Unterscheidungskraft habe, wie die Klägerin geltend macht, gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 verstoßen hat, ist am Maßstab der vorstehenden Erwägungen zu prüfen.

24      Als Erstes ist die – im Übrigen von der Klägerin nicht beanstandete – Beurteilung der Beschwerdekammer in den Rn. 19 und 20 der angefochtenen Entscheidung zu bestätigen, wonach es sich bei den maßgeblichen Verkehrskreisen um die englischsprachigen Verkehrskreise in der Union, namentlich in Irland, Zypern und Malta, handelt. Darüber hinaus kann, wie die Beschwerdekammer zu Recht festgestellt hat, angesichts der Gebräuchlichkeit von Wortformen, die dieselbe Wurzel und Bedeutung wie der Begriff „biotic“ haben – wie im Deutschen „biotisch“ oder im Spanischen „biótico“ –, nicht ausgeschlossen werden, dass die angemeldete Marke auch in anderen Sprachräumen der Union verstanden wird.

25      Als Zweites ist hinsichtlich der Bedeutung der angemeldeten Marke zu prüfen, ob der Verbraucher über das Zeichen MORE‑BIOTIC die Herkunft der damit gekennzeichneten Waren identifiziert, indem das Zeichen ihm ermöglicht, diese Waren ohne Verwechslungsgefahr von Waren anderer Herkunft zu unterscheiden. Wie oben in Rn. 22 ausgeführt, erfüllt die Marke nämlich nicht die Voraussetzungen im Sinne des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001, wenn die maßgeblichen Verkehrskreise in dem von der Marke erfassten Bereich ein Zeichen als Information über die Art der mit ihr gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen und nicht als Hinweis auf die Herkunft der in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen wahrnehmen (vgl. Urteil vom 19. Dezember 2019, Nosio/EUIPO [BIANCOFINO], T‑54/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:893, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26      Insoweit ist nach ständiger Rechtsprechung für die Beurteilung, ob es einer Marke an Unterscheidungskraft mangelt oder nicht, auf den von ihr hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass nicht zunächst die einzelnen Gestaltungselemente der Marke nacheinander geprüft werden dürften. Es kann sich nämlich als zweckmäßig erweisen, im Zuge der Gesamtbeurteilung jeden einzelnen Bestandteil der betreffenden Marke zu untersuchen (vgl. Urteil vom 4. Oktober 2007, Henkel/HABM, C‑144/06 P, EU:C:2007:577, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

27      Im vorliegenden Fall steht fest, dass das Zeichen MORE‑BIOTIC das Ergebnis einer Aneinanderreihung zweier englischer Begriffe, nämlich „more“ und „biotic“, ist. Wie von der Beschwerdekammer zu Recht befunden, ohne dass die Klägerin dies beanstandet hätte, kommen die Wortbestandteile „more“ und „biotic“ nicht nur lexikalisch, sondern auch im Alltagssprachgebrauch oder im Kontext der in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen vor.

28      Im Übrigen schloss sich die Beschwerdekammer den Erwägungen der Prüferin zu den Bedeutungen der Begriffe „more“ und „biotic“ an. Insbesondere gelangte sie zu dem Ergebnis, dass „more“ die Bedeutung von „mehr“ habe, was von der Klägerin nicht bestritten wird. Hinsichtlich des Begriffs „biotic“ erkannte sie unter Bezugnahme auf die Bedeutung, die die Prüferin dem Eintrag zu „biotisch“ in der Online-Enzyklopädie Wikipedia entnommen hatte, an, dass er auf Vorgänge hinweisen könne, an denen Lebewesen beteiligt seien. Unter Verweis auf die Website „www.examine.com“ führte sie weiter aus, dass der Begriff „biotic“ sowohl den Begriff „prebiotic“ als auch den Begriff „probiotic“ umfasse. In Bezug auf Lebensmittel oder medizinische Präparate bezeichne der Begriff „biotic“ somit all die Stoffe, die das Bakterienwachstum anregten (prebiotic) oder selbst Bakterien seien (probiotic).

29      Hierzu ist festzustellen, dass die Klägerin im Wesentlichen die Bedeutung von „biotic“, wie sie dem Begriff von der Prüferin zugewiesen und danach von der Beschwerdekammer bestätigt wurde, nicht in Abrede stellt. Sie räumt nämlich ein, dass die Beschwerdekammer eine Definition des Begriffs „biotic“ als Adjektiv vorgenommen habe, und zitiert hierzu die Definitionen dieses Begriffs im Cambridge Dictionary und im Collins Dictionary. Nach der ersten Definition habe der Begriff „biotic“ die Bedeutung „Lebewesen in der Umwelt einbeziehend, durch sie verursacht werden oder sich auf sie beziehen“ und nach der zweiten die Bedeutung „von oder in Bezug auf lebende Organismen“ bzw. „durch die Einwirkung von lebenden Organismen erzeugt“.

30      Zwar trägt die Klägerin vor, der Begriff „biotic“ habe verschiedene Bedeutungsgehalte, da er nicht nur als Adjektiv, sondern auch als Substantiv verwendet werde. In der Bedeutung als Substantiv sei er als „ein Nährstoff, der die Gesundheit der Mikroorganismen des Magen-Darm-Trakts verbessert, insbesondere ein natürlich vorkommender Stoff“ zu verstehen oder als „ein einfacher organischer Organismus, der komplexer ist als ein organisches Molekül, aber einfacher als eine Pflanze oder ein Tier“.

31      Der Anwendung des absoluten Eintragungshindernisses nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 steht jedoch nicht entgegen, dass die angemeldete Marke oder die Wörter, aus denen sie besteht, sonstige Bedeutungen haben können. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Wortzeichen nämlich nach dieser Bestimmung von der Eintragung ausgeschlossen, wenn es zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (vgl. Urteil vom 23. Januar 2014, Novartis/HABM [CARE TO CARE], T‑68/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:29, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

32      Insoweit ist das Vorbringen der Klägerin, dass die angemeldete Marke keinen bestimmten Inhalt habe, sondern vage und undefiniert sei, auf der Grundlage der vorstehend in Rn. 31 dargelegten Erwägungen zurückzuweisen. Im Übrigen wird zwar, wie die Klägerin geltend macht, bei der durch das Zeichen MORE‑BIOTIC vermittelten Werbebotschaft nicht klargestellt, worauf sich der mit dem Adverb „more“ suggerierte Vergleich genau bezieht, doch wird diese sprachliche Steigerung des Begriffs „biotic“ die maßgeblichen Verkehrskreise eindeutig auf mehr als normale oder gar signifikant erhöhte biotische Eigenschaften hinweisen.

33      Was den von der angemeldeten Marke hervorgerufenen Gesamteindruck anbelangt, kann die grammatische Kombination „more-biotic“, wie von der Beschwerdekammer zutreffend befunden, nur als eine sprachlich korrekte Steigerung des Adjektivs „biotic“ in dem Sinne verstanden werden, dass die gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen eine erhöhte biotische Wirkung haben. In der Tat wird das Vorhandensein des Bestandteils „more“, d. h. eines Mengen- oder Vergleichsadverbs, vor dem Wort „biotic“ von den maßgeblichen Verkehrskreisen ohne Weiteres als Hervorhebung der betreffenden Waren oder Dienstleistungen verstanden werden, bei denen davon ausgegangen werden wird, dass sie in biotischer Hinsicht einen zusätzlichen oder verbesserten Nutzen bieten. Genauer kann, wie die Beschwerdekammer in Rn. 28 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, eine biotische Eigenschaft eines Produkts darin liegen, Bakterienstämme oder andere körpereigene Mikroorganismen zu stärken, die auch die natürliche Darmflora bilden und bei der Verwertung von Nahrungsbestandteilen helfen oder die Ausbreitung von Krankheitserregern im Darm verhindern.

34      Hinter der werbenden Bedeutung der angemeldeten Marke, die als solche von den maßgeblichen Verkehrskreisen unmittelbar wahrgenommen und verstanden wird, tritt jedoch jeder Hinweis auf die betriebliche Herkunft der betreffenden Waren und Dienstleistungen im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 zurück, so dass sich die Marke den maßgeblichen Verkehrskreisen nicht als Herkunftshinweis einprägen wird. Zwischen dem Bedeutungsgehalt der angemeldeten Marke und den in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen besteht nämlich durchaus ein hinreichend unmittelbarer und konkreter Zusammenhang im Sinne der oben in Rn. 21 angeführten Rechtsprechung.

35      Im Übrigen ist, da die angefochtene Entscheidung zu Recht auf das Bestehen eines solchen Zusammenhangs im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 gestützt ist, auch das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, wonach diese Entscheidung auf Erwägungen zum beschreibenden Charakter der angemeldeten Marke im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c dieser Verordnung gründe.

36      Insoweit ist das Vorbringen der Klägerin zu verwerfen, dass manche der betroffenen Waren, genauer „Sirupe für medizinische Zwecke; Medizinischer Kaugummi; Vitamine und Vitaminpräparate; Riegel auf Getreidebasis; Bonbons mit Kakao; Energydrinks mit Grünteeextrakt“, keine lebenden Bestandteile enthalten und somit keine biotischen Eigenschaften haben könnten.

37      Es ist nämlich daran zu erinnern, dass sich zum einen die Prüfung der absoluten Eintragungshindernisse auf alle Waren oder Dienstleistungen erstrecken muss, für die die Eintragung der Marke beantragt wird, und dass zum anderen die Entscheidung, mit der die zuständige Behörde die Eintragung einer Marke ablehnt, grundsätzlich in Bezug auf jede dieser Waren oder Dienstleistungen zu begründen ist (Urteil vom 15. Februar 2007, BVBA Management, Training en Consultancy, C‑239/05, EU:C:2007:99, Rn. 34, und Beschluss vom 18. März 2010, CFCMCEE/HABM, C‑282/09 P, EU:C:2010:153, Rn. 37).

38      In Bezug auf das letztgenannte Erfordernis ergibt sich allerdings aus der Rechtsprechung, dass sich die zuständige Behörde auf eine pauschale Begründung für alle betroffenen Waren und Dienstleistungen beschränken kann, wenn dasselbe Eintragungshindernis einer Kategorie oder einer Gruppe von Waren oder Dienstleistungen entgegengehalten wird (Urteile vom 15. Februar 2007, BVBA Management, Training en Consultancy, C‑239/05, EU:C:2007:99, Rn. 37, und vom 17. Oktober 2013, Isdin/Bial-Portela, C‑597/12 P, EU:C:2013:672, Rn. 26). Im vorliegenden Fall wird der Begriff „biotic“, wie von der Beschwerdekammer in Rn. 22 der angefochtenen Entscheidung zutreffend befunden, Stoffe bezeichnen können, die das Bakterienwachstum anregen. Folglich wird die angemeldete Marke in Bezug auf die oben in Rn. 36 genannten Waren als Hinweis auf eine erhöhte biotische Eigenschaft dieser Waren in dem Sinne verstanden werden können, dass sie Bakterienstämme oder andere körpereigene Mikroorganismen stärken, die auch die natürliche Darmflora bilden und bei der Verwertung von Nahrungsbestandteilen helfen oder die Ausbreitung von Krankheitserregern im Darm verhindern.

39      Darüber hinaus ist auch das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, dass die Kombination der beiden Worte, aus denen die angemeldete Marke bestehe, unüblich sei. Die Klägerin verweist insbesondere darauf, dass die angemeldete Marke keinen Begriff enthalte, der sich ausdrücklich auf biotische „Eigenschaften“ der betreffenden Waren und Dienstleistungen beziehe, weshalb sie Unterscheidungskraft habe. Wie das EUIPO jedoch zu Recht ausgeführt hat, wird die Bedeutung „mehr biotisch“ im vorliegenden Fall nicht abstrakt beurteilt werden. Sie wird mit Bezug auf die betreffenden Waren und Dienstleistungen verstanden werden, so dass diese Bedeutung aus der Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise nur dazu dienen können wird, die biotischen Eigenschaften dieser Waren und Dienstleistungen zu bewerben oder absatzfördernd herauszustellen.

40      Des Weiteren macht die Klägerin geltend, die Originalität und Unüblichkeit der angemeldeten Marke rühre daher, dass der Ausdruck „more biotic“ grammatikalisch nicht korrekt sei, da keine messbare Abstufung des Biotik-Faktors möglich sei. Auch diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden. Abgesehen von seiner mangelnden Substantiierung kann, wie das EUIPO vorträgt, nicht ausgeschlossen werden, dass ein Produkt eine größere biotische Wirkung als andere in dem Sinne hat, dass seine biotische Wirkung anregender ist als bei anderen Produkten.

41      Nach alledem ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer im Ergebnis eine Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 zu Recht verneint hat.

42      Diese Feststellung kann durch das weitere Vorbringen der Klägerin nicht in Frage gestellt werden.

43      Als Erstes ist festzustellen, dass das Vorbringen der Klägerin zum fehlenden Nachweis der Benutzung der angemeldeten Marke auf dem Markt unbegründet ist. Die Unterscheidungskraft einer Marke im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 beurteilt sich nämlich danach, ob die Marke von den angesprochenen Verkehrskreisen unmittelbar als eine Kennzeichnung der betrieblichen Herkunft der fraglichen Ware oder Dienstleistung wahrgenommen werden kann, und die fehlende vorherige Benutzung kann insoweit nicht notwendigerweise ein Anhaltspunkt für eine solche Wahrnehmung sein (Urteil vom 15. September 2005, Citicorp/HABM [LIVE RICHLY], T‑320/03, EU:T:2005:325, Rn. 88).

44      Im Übrigen ist auch das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, ihre unter dem Zeichen MORE vertriebenen Waren erfreuten sich einer zunehmenden Bekanntheit auf dem Markt. Mit diesem Vorbringen beruft sich die Klägerin nämlich im Wesentlichen auf die tatsächliche Benutzung der angemeldeten Marke. Die tatsächliche Benutzung kann aber keinen Einfluss auf die originäre Unterscheidungskraft der Marke haben, die allein anhand ihrer mit der Anmeldung eingereichten Darstellung zu beurteilen ist. Die tatsächliche Benutzung eines angemeldeten Zeichens ist nur im Rahmen der Anwendung von Art. 7 Abs. 3 der Verordnung 2017/1001 zu beurteilen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Juni 2019, Ortlieb Sportartikel/EUIPO [Darstellung eines achteckigen Polygons], T‑449/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:386, Rn. 34 und 35).

45      Als Zweites ist darauf hinzuweisen, dass das Vorbringen der Klägerin, die angemeldete Marke enthalte keine rein werbende Botschaft, im Wesentlichen auf der Behauptung beruht, dass sie es nicht ermögliche, die Eigenschaften der Ware oder Dienstleistung, deren Absatz sie fördern solle, zu identifizieren, da der Komparativ „biotischer“ keine relevante Bezugsgröße habe. Wie aber bereits oben in Rn. 32 ausgeführt, wohnt das Vergleichsobjekt, auch wenn der Ausdruck „more biotic“ es nicht ausdrücklich angibt, doch dem Gebrauch dieses Ausdrucks inne, da das Vorhandensein des Wortes „more“, das „mehr“ bedeutet, eine Erhöhung oder einen Vergleich mit einer anderen Ware oder Dienstleistung, die weniger „biotisch“ sein soll, impliziert.

46      Nach alledem ist der erste Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: Gleichbehandlung und ordnungsgemäße Verwaltung

47      Die Klägerin macht geltend, die Beschwerdekammer habe die Voreintragungen mehrerer ähnlicher Zeichen als Unionsmarken oder nationale Marken nicht hinreichend berücksichtigt. Ihrer Ansicht nach hätte die angemeldete Marke nach den Grundsätzen der Gleichbehandlung und der ordnungsgemäßen Verwaltung ebenfalls eingetragen werden müssen.

48      Das EUIPO tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

49      Zu den von der Klägerin angeführten Entscheidungen des Deutschen Patent- und Markenamts und der deutschen Gerichte ist festzustellen, dass die Unionsmarkenregelung ein autonomes System ist, das aus einer Gesamtheit von Vorschriften besteht und Zielsetzungen verfolgt, die ihm eigen sind, und dessen Anwendung von jedem nationalen System unabhängig ist. Daher sind das EUIPO und gegebenenfalls die Unionsgerichte nicht an auf der Ebene eines Mitgliedstaats oder gar eines Drittlands ergangene Entscheidungen gebunden, die nur einen Umstand darstellen, der für die Zwecke der Eintragung einer Unionsmarke, ohne entscheidend zu sein, lediglich berücksichtigt werden kann (vgl. Urteile vom 9. Juli 2008, Reber/HABM – Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli [Mozart], T‑304/06, EU:T:2008:268, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 16. Dezember 2010, Ilink Kommunikationssysteme/HABM [ilink], T‑161/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2010:532, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

50      In Bezug auf die frühere Eintragungspraxis des EUIPO ist darauf hinzuweisen, dass die bloße Tatsache, dass etwa Zeichen eingetragen wurden, die der angemeldeten Marke ähneln, im vorliegenden Fall nicht den Schluss zulässt, dass die angemeldete Marke Unterscheidungskraft besitzt.

51      Nach gefestigter Rechtsprechung ist das EUIPO nämlich verpflichtet, seine Befugnisse im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts auszuüben. Nach den Grundsätzen der Gleichbehandlung und der ordnungsgemäßen Verwaltung muss das EUIPO zwar die bereits zu ähnlichen Anmeldungen ergangenen Entscheidungen berücksichtigen und besonderes Augenmerk auf die Frage richten, ob im gleichen Sinne zu entscheiden ist oder nicht, doch muss die Anwendung dieser Grundsätze mit dem Gebot rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden. Überdies muss aus Gründen der Rechtssicherheit und gerade auch der ordnungsgemäßen Verwaltung die Prüfung jeder Anmeldung streng und umfassend sein, um eine ungerechtfertigte Eintragung oder Nichtigerklärung von Marken zu verhindern. Demgemäß muss diese Prüfung in jedem Einzelfall erfolgen. Die Eintragung eines Zeichens als Marke hängt nämlich von besonderen, im Rahmen der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls anwendbaren Kriterien ab, die der Ermittlung dienen, ob das fragliche Zeichen nicht unter ein Eintragungshindernis fällt (vgl. Urteil vom 24. April 2012, Leifheit/HABM [EcoPerfect], T‑328/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:197, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

52      Wie sich aus der oben in den Rn. 17 bis 46 ausgeführten Analyse ergibt, hat die Beschwerdekammer vorliegend zu Recht befunden, dass der Antrag auf Eintragung der angemeldeten Marke am Eintragungshindernis des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 scheitere, so dass sich die Klägerin nicht mit Erfolg auf frühere Entscheidungen des EUIPO oder auf Entscheidungen nationaler Ämter und Gerichte berufen kann, um diese Schlussfolgerung zu entkräften.

53      Jedenfalls ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer das Vorliegen von Entscheidungen, mit denen dem angemeldeten Zeichen ähnliche Zeichen zur Eintragung als Unionsmarken zugelassen wurden, oder von Entscheidungen der Beschwerdekammern des EUIPO über mit der angemeldeten Marke vergleichbare Zeichen nicht außer Acht gelassen hat. Genauer stellte sie in Rn. 32 der angefochtenen Entscheidung u. a. fest, dass es sich bei entsprechenden Entscheidungen, die von den Instanzen des EUIPO erlassen worden seien, um Einzelfallentscheidungen handle, die noch nicht auf das Bestehen einer etablierten Praxis hinwiesen. Ferner stellte sie unter ausdrücklicher Bezugnahme auf einige der von der Klägerin angeführten Zeichen fest, dass diese mit der angemeldeten Marke nicht vergleichbar seien.

54      Nach alledem ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen und damit die Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

55      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

56      Zwar ist die Klägerin unterlegen, doch hat das EUIPO ihre Verurteilung in die Kosten nur für den Fall der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Da keine mündliche Verhandlung anberaumt worden ist, ist zu entscheiden, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt.


Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Quality First GmbH und das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) tragen jeweils ihre eigenen Kosten.

Spielmann

Mastroianni

Kalėda

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 13. März 2024.

Der Kanzler

 

Der Präsident

V. Di Bucci

 

M. van der Woude


*      Verfahrenssprache: Deutsch.