Language of document : ECLI:EU:T:2012:367

URTEIL DES GERICHTS (Sechste Kammer)

12. Juli 2012(*)

„Gemeinschaftsmarke – Widerspruchsverfahren – Zustellung des von der Widersprechenden bei der Beschwerdekammer eingereichten Schriftsatzes – Regeln 50 Abs. 1, 20 Abs. 2 und 67 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 – Verteidigungsrechte“

In der Rechtssache T‑279/09

Antonino Aiello, wohnhaft in Vico Equense (Italien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte M. Coccia und L. Pardo,

Kläger,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch O. Montalto als Bevollmächtigten,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des HABM:

Cantoni ITC SpA mit Sitz in Mailand (Italien),

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des HABM vom 2. April 2009 (Sache R 1148/2008‑1) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen der Cantoni ITC SpA und Herrn Antonino Aiello

erlässt

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten H. Kanninen (Berichterstatter) sowie der Richter N. Wahl und S. Soldevila Fragoso,

Kanzler: C. Heeren, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 9. Juli 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 23. Oktober 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

aufgrund der am 29. Januar 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Erwiderung,

aufgrund der am 10. März 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen Gegenerwiderung,

auf die mündliche Verhandlung vom 15. März 2012

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 5. März 2004 meldete der Kläger, Herr Antonino Aiello, nach der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/209 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke [ABl. L 78, S. 1]) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das folgende Bildzeichen:

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3        Die Marke wurde für folgende Waren der Klassen 3, 18 und 25 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 3: „Wasch- und Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel, Seifen, Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer, Zahnputzmittel“;

–        Klasse 18: „Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind, Häute und Felle; Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme, Spazierstöcke“;

–        Klasse 25: „Bekleidungsstücke einschließlich Stiefel, Schuhe und Hausschuhe“.

4        Die Anmeldung der Gemeinschaftsmarke wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 15/2005 vom 11. April 2005 veröffentlicht.

5        Am 14. Juni 2005 erhob die Cantoni ITC SpA (im Folgenden: Widersprechende) gemäß Art. 42 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 41 der Verordnung Nr. 207/2009) Widerspruch gegen die Eintragung der angemeldeten Marke.

6        Der Widerspruch war auf folgende ältere Rechte gestützt:

–        die am 10. Februar 2004 eingetragene nachstehend wiedergegebene Gemeinschaftsbildmarke Nr. 2689891:

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–        die am 27. Januar 1986 unter der Nr. 396526 eingetragene italienische Wortmarke „CAPRI“.

7        In Bezug auf die ältere Gemeinschaftsmarke war der Widerspruch auf alle für diese Marke in den Klassen 3, 18 und 25 eingetragene Waren gestützt, nämlich:

–        Klasse 3: „Seifen; Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Shampoos; Zahnputzmittel“;

–        Klasse 18: „Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Häute und Felle; Taschen, Handtaschen, Herrenhandtaschen, Geldbeutel; Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Peitschen, Pferdegeschirre und Sattlerwaren“;

–        Klasse 25: „Ober- und Unterbekleidungsstücke, Schuhe, Kopfbedeckungen“.

8        In Bezug auf die ältere italienische Marke war der Widerspruch auf folgende u. a. von dieser Marke erfasste Waren der Klassen 3 und 25 gestützt:

–        Klasse 3: „Seifen, Parfums, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel“;

–        Klasse 25: „Haus- und Oberbekleidung, Schuhe und Kopfbedeckungen“.

9        Der Widerspruch richtete sich gegen die oben in Randnr. 3 angeführten Waren.

10      Der Widerspruch wurde mit den in Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009) genannten Eintragungshindernissen begründet.

11      Mit Entscheidung vom 30. Mai 2008 gab die Widerspruchsabteilung dem Widerspruch statt. Sie wies zunächst darauf hin, dass die mit der angemeldeten Marke gekennzeichneten Waren und die von der älteren Gemeinschaftsmarke erfassten Waren „im Wesentlichen identisch“ seien. Weiter stellte sie fest, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen eine mittlere bildliche und klangliche Ähnlichkeit aufwiesen und in begrifflicher Hinsicht ähnlich seien. Ferner führte sie aus, die ältere Gemeinschaftsmarke besitze eine normale Kennzeichnungskraft, und schloss daraus, dass zwischen den einander gegenüberstehenden Marken Verwechslungsgefahr bestehe.

12      Am 30. Juli 2008 erhob der Kläger beim HABM Beschwerde gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung, wobei er eine Beschwerdebegründung beifügte. Am 23. Oktober 2008 reichte die Widersprechende einen Schriftsatz ein, mit dem sie auf den Beschwerdeschriftsatz des Klägers antwortete (im Folgenden: Schriftsatz der Widersprechenden).

13      Am 24. November 2008 übersandte das HABM den Schriftsatz der Widersprechenden per Telefax an die vom Kläger in seiner Markenanmeldung angegebene Nummer.

14      Mit Entscheidung vom 2. April 2009 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Erste Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde zurück. Laut der angefochtenen Entscheidung hatte der Kläger darauf verzichtet, auf den Schriftsatz der Widersprechenden zu erwidern. In der Sache führte die Beschwerdekammer u. a. aus, dass die mit der älteren Gemeinschaftsmarke gekennzeichneten Waren für die breite Öffentlichkeit bestimmt seien und dass es sich bei den von der angemeldeten Marke erfassten Waren um im Wesentlichen die gleichen Waren wie im Fall der älteren Gemeinschaftsmarke handele. Vergleiche man die einander gegenüberstehenden Zeichen, bestehe zwischen ihnen in bildlicher Hinsicht ein hohes Maß an Ähnlichkeit, in klanglicher Hinsicht eine mittlere Ähnlichkeit und in begrifflicher Hinsicht nahezu Identität. Die ältere Gemeinschaftsmarke besitze auch Kennzeichnungskraft, da aus der Sicht des durchschnittlichen Verbrauchers zwischen der geografischen Bezeichnung für die Insel Capri und den von der Marke erfassten Waren kein Zusammenhang bestehe.

 Anträge der Parteien

15      Der Kläger beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen;

–        dem HABM die Kosten aufzuerlegen.

16      Das HABM beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Zur Zulässigkeit des Antrags, dem HABM die Zurückweisung des Widerspruchs aufzugeben

17      Mit seinem ersten Antrag ersucht der Kläger das Gericht, dem HABM die Zurückweisung des Widerspruchs und somit die Eintragung der angemeldeten Marke aufzugeben. Insoweit ist daran zu erinnern, dass das HABM nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen einer Klage beim Unionsrichter gegen die Entscheidung einer seiner Beschwerdekammern nach Art. 63 Abs. 6 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 65 Abs. 6 der Verordnung Nr. 207/2009) die Maßnahmen zu ergreifen hat, die sich aus dem Urteil des Unionsrichters ergeben. Das Gericht kann somit dem HABM keine Anordnungen erteilen. Dieses hat die Konsequenzen aus dem Tenor und den Gründen der Urteile des Gerichts zu ziehen (Urteil des Gerichts vom 9. März 2005, Osotspa/HABM – Distribution & Marketing [Hai], T‑33/03, Slg. 2005, II‑763, Randnr. 15; vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 3. Juli 2003, Alejandro/HABM – Anheuser-Busch [BUDMEN], T‑129/01, Slg. 2003, II‑2251, Randnr. 22).

18      Somit ist der Antrag des Klägers, dem HABM die Zurückweisung des Widerspruchs aufzugeben, unzulässig.

 Zur Begründetheit

19      Der Kläger stützt seine Klage auf zwei Aufhebungsgründe. Mit dem ersten Klagegrund rügt er einen Verstoß gegen Regel 50 Abs. 1 und Regel 20 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung Nr. 40/94 (ABl. L 303, S. 1). Der zweite Klagegrund stützt sich im Wesentlichen auf einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94.

20      Im Rahmen seines ersten Klagegrundes macht der Kläger im Wesentlichen geltend, dass ihm unter Verstoß gegen Regel 50 Abs. 1 und Regel 20 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2868/95 in dem Verfahren vor der Beschwerdekammer der Schriftsatz der Widersprechenden nicht übermittelt worden sei. Dieses Unterlassen stelle eine „schwerwiegende“ Verletzung seiner Verteidigungsrechte dar, da ihn dies daran gehindert habe, zum Schriftsatz der Widersprechenden Stellung zu nehmen.

21      Das HABM erwidert hierauf im Wesentlichen, dass der Kläger unmittelbar Kenntnis vom Schriftsatz der Widersprechenden erlangt habe und sich daher nicht auf eine Verletzung seiner Verteidigungsrechte berufen könne.

22      Gemäß Regel 50 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95, die die Prüfung der Beschwerde vor der Beschwerdekammer betrifft, sind „[d]ie Vorschriften für das Verfahren vor der Dienststelle, die die mit der Beschwerde angefochtenen Entscheidung erlassen hat, … im Beschwerdeverfahren entsprechend anwendbar, soweit nichts anderes vorgesehen ist“.

23      Unter den Vorschriften über das Verfahren vor der Widerspruchsabteilung sieht Regel 20 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2868/95 vor, dass das HABM „die Vorlagen des Widersprechenden an den Anmelder [übermittelt] und … ihn auf[fordert], innerhalb einer vom Amt gesetzten Frist dazu Stellung zu nehmen“.

24      Aus Regel 50 Abs. 1 in Verbindung mit Regel 20 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2868/95 ergibt sich, dass das HABM im Rahmen des Verfahrens vor der Beschwerdekammer dem Anmelder der Gemeinschaftsmarke, der bei der Beschwerdekammer eine Beschwerde eingelegt hat, die Stellungnahme des Widersprechenden übermittelt und ihn auffordert, sich zu dieser zu äußern.

25      Das HABM bestreitet im Übrigen nicht, dass es dem Kläger den Schriftsatz der Widersprechenden zu übermitteln hatte, damit er vor dem Erlass der angefochtenen Entscheidung durch die Beschwerdekammer dazu Stellung nehmen konnte. Das HABM macht sogar geltend, es habe den Schriftsatz der Widersprechenden per Telefax an die in der Markenanmeldung angegebene Nummer übermittelt.

26      In Beantwortung einer schriftlichen Frage, die das Gericht im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 64 der Verfahrensordnung des Gerichts gestellt hatte, hat das HABM in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass es den Schriftsatz der Widersprechenden irrtümlich an die in der Markenanmeldung angegebene Nummer und nicht an die Faxnummer des Vertreters des Klägers im Widerspruchs- und Beschwerdeverfahren gefaxt habe. Letztere Nummer sei u. a. im Formular für die Beschwerde vor der Beschwerdekammer angegeben gewesen.

27      Das HABM macht jedoch geltend, dass der Kläger trotz dieses Fehlers vom Schriftsatz der Widersprechenden Kenntnis erlangt habe, so dass er sich habe verteidigen können. Die Zustellungen seien über seine in der Markenanmeldung angegebene Faxnummer unmittelbar an den Kläger erfolgt, und da er Kenntnis von der angefochtenen Entscheidung erlangt habe, könne er sich nicht darauf berufen, dass er keine Kenntnis vom Schriftsatz der Widersprechenden erlangt habe.

28      Jedoch kann das HABM daraus, dass der Kläger von der angefochtenen Entscheidung Kenntnis erlangt hat, nicht herleiten, dass er vom Schriftsatz der Widersprechenden auch rechtzeitig genug Kenntnis erlangte, um darauf erwidern zu können. Obwohl die angefochtene Entscheidung und der Schriftsatz der Widersprechenden beide an die in der Markenanmeldung angegebene Nummer gefaxt wurden, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, dass es sich bei dieser Faxnummer um die eines Unternehmensberaters handele, der ihn 2004 im Anmeldeverfahren vertreten habe, und dass er anlässlich seiner gelegentlichen Anwesenheit in Italien im Mai 2009 persönlich von der angefochtenen Entscheidung habe Kenntnis nehmen können. Es ist daher keineswegs erwiesen, dass der Kläger vom Schriftsatz der Widersprechenden persönlich Kenntnis erlangte, so dass er vor der Beschwerdekammer darauf hätte antworten können.

29      Jedenfalls ist daran zu erinnern, dass nach der Regel 67 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 dann, wenn „ein Vertreter bestellt worden [ist] oder … der zuerst genannte Anmelder bei einer gemeinsamen Anmeldung als der gemeinsame Vertreter gemäß Regel 75 Absatz 1 [gilt], … Zustellungen an den bestellten oder an den gemeinsamen Vertreter [erfolgen]“. Somit kann sich das HABM nicht auf die angebliche Zustellung des Schriftsatzes der Widersprechenden an den Kläger selbst berufen, um die Nichtzustellung an den Vertreter des Klägers zu rechtfertigen.

30      Im Übrigen ist zu betonen, dass das HABM in der mündlichen Verhandlung selbst darauf hingewiesen hat, dass gemäß der Praxis der Geschäftsstelle der Beschwerdekammer dem eigens bestimmten Vertreter jedes Dokument zugestellt werde, um sicherzustellen, dass dem Vertretenen, der sich außerhalb der Europäischen Union befinden könne, alle Mitteilungen zugingen.

31      Im Übrigen kann entgegen den Ausführungen des HABM in der mündlichen Verhandlung aus Regel 77 der Verordnung Nr. 2868/95, wonach alle Zustellungen an den Vertreter dieselbe Wirkung haben, als wären sie an die vertretene Person gerichtet, nicht geschlossen werden, dass die Zustellung an den Vertretenen als Zustellung an den Vertreter gilt. Wäre dies der Fall, liefe Regel 67 der Verordnung Nr. 2868/95 leer.

32      Zu dem Vorbringen des HABM, dass sich der Kläger trotz des Irrtums des Amtes durch die Klageerhebung beim Gericht und das Einreichen einer Erwiderung sowie durch die Abgabe seiner Stellungnahme in der mündlichen Verhandlung habe verteidigen können, genügt – in Übereinstimmung mit dem Vorbringen des Klägers – der Hinweis, dass die angefochtene Entscheidung erlassen wurde, ohne dass der Kläger sich zum Schriftsatz der Widersprechenden hatte äußern können.

33      Nach Art. 75 Satz 2 der Verordnung Nr. 207/2009 aber dürfen Entscheidungen des HABM nur auf Gründe gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Nach dieser Vorschrift kann eine Beschwerdekammer des HABM ihre Entscheidung nur auf tatsächliche oder rechtliche Erwägungen stützen, zu denen die Beteiligten Stellung nehmen konnten (Urteil des Gerichtshofs vom 21. Oktober 2004, KWS Saat/HABM, C‑447/02 P, Slg. 2004, I‑10107, Randnrn. 41 und 42; Urteile des Gerichts vom 13. Juli 2005, Sunrider/HABM [TOP], T‑242/02, Slg. 2005, II‑2793, Randnrn. 58 und 59, und vom 7. September 2006, L & D/HABM – Sämann [Aire Limpio], T‑168/04, Slg. 2006, II‑2699, Randnr. 115).

34      Die genannte Vorschrift gewährleistet im Rahmen des Gemeinschaftsmarkenrechts den allgemeinen Grundsatz des Schutzes der Verteidigungsrechte (Urteile des Gerichts vom 15. September 2005, Citicorp/HABM [LIVE RICHLY], T‑320/03, Slg. 2005, II‑3411, Randnr. 21, und vom 7. Februar 2007, Kustom Musical Amplification/HABM [Form einer Gitarre], T‑317/05, Slg. 2007, II‑427, Randnr. 26). Nach diesem allgemeinen Grundsatz muss der Adressat einer amtlichen Entscheidung, die seine Interessen spürbar berührt, Gelegenheit erhalten, seinen Standpunkt gebührend darzulegen (Urteil des Gerichtshofs vom 23. Oktober 1974, Transocean Marine Paint Association/Kommission, 17/74, Slg. 1974, 1063, Randnr. 15, Urteile des Gerichts vom 27. Februar 2002, Eurocool Logistik/HABM [EUROCOOL], T‑34/00, Slg. 2002, II‑683, Randnr. 21, und LIVE RICHLY, Randnr. 22).

35      Eine Unregelmäßigkeit des Verfahrens zieht die vollständige oder teilweise Aufhebung einer Entscheidung zwar nur dann nach sich, wenn nachgewiesen ist, dass die angefochtene Entscheidung ohne diese Unregelmäßigkeit einen anderen Inhalt hätte haben können (Urteil des Gerichts vom 11. Juli 2006, Torres/HABM – Bodegas Muga [Torre Muga], T‑247/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 79, und vom 24. November 2010, Nike International/HABM – Muñoz Molina [R10], T‑137/09, Slg. 2010, II‑5433, Randnr. 30).

36      Vorliegend hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass sich der Schriftsatz der Widersprechenden über mehrere Seiten mit der Kennzeichnungskraft der älteren Marke befasst habe. Auch wenn sich der Kläger in seiner Beschwerdebegründung zur Kennzeichnungskraft der älteren Marke geäußert hatte, ist doch festzustellen, dass die Beschwerdekammer in Randnr. 17 der angefochtenen Entscheidung bei ihrer Bejahung des Vorliegens einer Kennzeichnungskraft der älteren Marke mit einer Wortwahl, die der der Widersprechenden in ihrem Schriftsatz entspricht, davon ausgegangen ist, dass kein Zusammenhang zwischen der geografischen Bezeichnung für die Insel Capri und den von der Marke erfassten Waren bestehe. Zu diesem Aspekt des Schriftsatzes der Widersprechenden konnte der Kläger jedoch nicht Stellung nehmen, so dass entgegen den Ausführungen des HABM in der mündlichen Verhandlung nicht davon ausgegangen werden kann, dass die angefochtene Entscheidung ohne diese Unregelmäßigkeit keinen anderen Inhalt hätte haben können.

37      Nach alledem greift der Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen die Regeln 50 Abs. 1 und 20 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2868/95 gerügt wird, durch, und es bedarf keiner Prüfung des zweiten Klagegrundes.

38      Folglich ist der Klage stattzugeben, und die angefochtene Entscheidung ist aufzuheben.

 Kosten

39      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das HABM unterlegen ist, sind ihm, wie vom Kläger beantragt, die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) vom 2. April 2009 (Sache R 1148/2008‑1) wird aufgehoben.

2.      Das HABM trägt die Kosten.

Kanninen

Wahl

Soldevila Fragoso

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 12. Juli 2012.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Italienisch.