Language of document : ECLI:EU:F:2014:247

URTEIL DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST
DER EUROPÄISCHEN UNION
(Erste Kammer)

18. November 2014

Rechtssache F‑156/12

Robert McCoy

gegen

Ausschuss der Regionen der Europäischen Union

„Öffentlicher Dienst – Beamte – Schadensersatzklage – Fehlverhalten – Mobbing durch Vorgesetzte – Berufskrankheit – Nach Art. 73 des Statuts gewährte Leistung, mit der nicht der gesamte erlittene Schaden ersetzt wird – Antrag auf ergänzende Entschädigung“

Gegenstand:      Klage nach Art. 270 AEUV, der gemäß Art. 106a EA auch für den EAG-Vertrag gilt, auf Verurteilung des Ausschusses der Regionen der Europäischen Union zur Zahlung eines vorläufig auf 354 000 Euro bezifferten Betrags als Ersatz des materiellen Schadens, der dem Kläger durch das Fehlverhalten des Ausschusses der Regionen entstanden sein soll, und auf Zahlung von 100 000 Euro als Ersatz des immateriellen Schadens

Entscheidung:      Der Ausschuss der Regionen der Europäischen Union wird verurteilt, an Herrn McCoy 20 000 Euro zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Der Ausschuss der Regionen der Europäischen Union trägt seine eigenen Kosten und wird verurteilt, die Herrn McCoy entstandenen Kosten zu tragen.

Leitsätze

1.      Beamtenklage – Fristen – An ein Organ gerichteter Schadensersatzantrag – Einhaltung einer angemessenen Verfahrensdauer – Fristdauer und -beginn – Antrag auf ergänzende Entschädigung wegen einer Berufskrankheit

(Satzung des Gerichtshofs, Art. 46; Beamtenstatut, Art. 90)

2.      Beamte – Außervertragliche Haftung der Organe – Voraussetzungen – Rechtswidrigkeit – Schaden – Kausalzusammenhang – Kumulative Voraussetzungen – Antrag auf ergänzende Entschädigung wegen einer Berufskrankheit – Beweislast

3.      Beamtenklage – Nicht fristgerecht erhobene Nichtigkeitsklage – Schadensersatzklage, die dasselbe Ziel verfolgt – Unzulässigkeit

(Beamtenstatut, Art. 90 und 91)

4.      Beamte – Fürsorgepflicht der Verwaltung – Bedeutung – Strengere Verpflichtung bei Beeinträchtigung der Gesundheit des Beamten

(Beamtenstatut, Art. 24)

1.      Ist in den geltenden Rechtsvorschriften keine Frist für die Einreichung eines Antrags auf Entschädigung vorgesehen, der sich aus dem Dienstverhältnis zwischen einem Beamten und dem Organ, dem dieser angehört, ergibt, muss dieser Antrag binnen angemessener Frist gestellt werden, die nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls bestimmt wird. Enthalten die einschlägigen Rechtsvorschriften keine Angaben, so bietet die fünfjährige Verjährungsfrist nach Art. 46 der Satzung des Gerichtshofs eine relevante Vergleichsgrundlage für die Beurteilung der Zulässigkeit des Entschädigungsantrags eines Beamten, ohne jedoch eine strenge und unveränderliche Grenze zu bilden.

Außerdem hat der Beamte, der sich eine Berufskrankheit zugezogen hat, nur dann Anspruch auf eine ergänzende Entschädigung, wenn nach Art. 73 des Statuts keine angemessene Entschädigung gewährt werden kann. Daher ist ein solcher Antrag grundsätzlich nicht zulässig, solange das nach Art. 73 des Statuts eingeleitete Verfahren nicht abgeschlossen ist.

(vgl. Rn. 81 und 82)

Verweisung auf:

Gericht erster Instanz: Urteil Eagle u. a./Kommission, T‑144/02, EU:T:2004:290, Rn. 66 und 71

Gericht der Europäischen Union: Urteil Allen u. a./Kommission, T‑433/10 P, EU:T:2011:744, Rn. 45

Gericht für den öffentlichen Dienst: Urteil A/Kommission, F‑142/12, EU:F:2013:193, Rn. 95 und die dort angeführte Rechtsprechung

2.      Im Rahmen eines Schadensersatzantrags eines Beamten hängt die Auslösung der außervertraglichen Haftung der Union vom Vorliegen mehrerer Voraussetzungen ab, nämlich der Rechtswidrigkeit des den Organen vorgeworfenen Verhaltens, dem tatsächlichen Eintritt des Schadens und dem Vorhandensein eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Verhalten und dem geltend gemachten Schaden. Da diese drei Voraussetzungen kumulativ sind, genügt es für die Abweisung einer Schadensersatzklage, dass eine von ihnen nicht vorliegt.

Der Beamte, der sich eine Berufskrankheit zugezogen hat, hat nur dann einen auf außervertraglicher Haftung beruhenden Anspruch auf eine ergänzende Entschädigung, wenn nach Art. 73 des Statuts keine angemessene Entschädigung gewährt werden kann. Er hat nachzuweisen, dass die drei Voraussetzungen für die Haftung der Verwaltung erfüllt sind und die nach Art. 73 gewährte Entschädigung nicht die Gesamtheit des Schadens ausgleicht, den er wegen des rechtswidrigen Verhaltens der Verwaltung erlitten hat.

(vgl. Rn. 88 bis 90)

Verweisung auf:

Gericht für den öffentlichen Dienst: Urteil N/Parlament, F‑26/09, EU:F:2010:17, Rn. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung, und Beschluss A/Kommission, F‑50/13, EU:F:2014:78, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung

3.      Ein Beamter kann nicht mit einem Schadensersatzantrag ein Ziel verfolgen, das er auch mit einer Anfechtungsklage hätte erreichen können, die er jedoch nicht fristgerecht erhoben hat.

Daher sind Schadensersatzanträge eines Beamten unzulässig, soweit sie auf den Ersatz des Schadens gerichtet sind, der durch Tatsachen, Verhaltensweisen und Verstöße entstanden sein soll, wegen deren bereits Anträge auf Beistandsleistung und auf Ersatz des erlittenen Schadens erhoben wurden, die durch eine Entscheidung zurückgewiesen wurden, gegen die der Beamte keine Klage erhoben hat.

(vgl. Rn. 96, 102 und 103)

Verweisung auf:

Gerichtshof: Urteil Bossi/Kommission, 346/87, EU:C:1989:59, Rn. 32, 34 und 35

Gericht erster Instanz: Urteil Lopes/Gerichtshof, T‑547/93, EU:T:1996:27, Rn. 174 und 175

Gericht für den öffentlichen Dienst: Beschluss Andersen/Rechnungshof, F‑1/12, EU:F:2013:46, Rn. 29, 34 und 35

4.      Der Begriff der Fürsorgepflicht erfordert insbesondere, dass die Behörde bei der Entscheidung über die Stellung eines Beamten sämtliche Umstände berücksichtigt, die geeignet sind, ihre Entscheidung zu beeinflussen, und dass sie dabei nicht nur dem dienstlichen Interesse, sondern auch dem Interesse des betroffenen Beamten Rechnung trägt. Die Verpflichtungen, die sich für die Verwaltung aus der Fürsorgepflicht ergeben, sind erheblich strenger, wenn es um die Situation eines Beamten geht, dessen physische oder psychische Gesundheit erwiesenermaßen beeinträchtigt ist. In einem solchen Fall muss die Verwaltung die Anträge des betreffenden Beamten besonders aufgeschlossen prüfen.

(vgl. Rn. 106)

Verweisung auf:

Gericht für den öffentlichen Dienst: Urteil BN/Parlament, F‑24/12, EU:F:2014:165, Rn. 33 und 34 sowie die dort angeführte Rechtsprechung