Language of document : ECLI:EU:C:2023:762

BESCHLUSS DES GERICHTSHOFS (Kammer für die Zulassung von Rechtsmitteln)

11. Oktober 2023(*)

„Rechtsmittel – Unionsmarke – Zulassung von Rechtsmitteln – Art. 170b der Verfahrensordnung des Gerichtshofs – Antrag, in dem die Bedeutsamkeit einer Frage für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts nicht dargetan wird – Nichtzulassung des Rechtsmittels“

In der Rechtssache C‑458/23 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 21. Juli 2023,

Emmentaler Switzerland mit Sitz in Bern (Schweiz), vertreten durch Rechtsanwälte M. Pemsel und M. Sonntag,

Rechtsmittelführerin,

andere Verfahrensbeteiligte:

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO),

Beklagter im ersten Rechtszug,

Bundesrepublik Deutschland,

Französische Republik,

Centre national interprofessionnel de l’économie laitière (CNIEL) mit Sitz in Paris (Frankreich),

Streithelfer im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Kammer für die Zulassung von Rechtsmitteln)

unter Mitwirkung des Vizepräsidenten des Gerichtshofs L. Bay Larsen, des Richters J.‑C. Bonichot (Berichterstatter) und der Richterin L. S. Rossi,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des Vorschlags des Berichterstatters und nach Anhörung der Generalanwältin T. Ćapeta

folgenden

Beschluss

1        Mit ihrem Rechtsmittel beantragt Emmentaler Switzerland die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 24. Mai 2023, Emmentaler Switzerland/EUIPO (EMMENTALER) (T‑2/21, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2023:278), mit dem das Gericht ihre Klage auf Aufhebung der Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 28. Oktober 2020 (Sache R 2402/2019-2) über die internationale Registrierung des Wortzeichens EMMENTALER mit Benennung der Europäischen Union abgewiesen hat.

 Zum Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels

2        Nach Art. 58a Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union entscheidet der Gerichtshof vorab über die Zulassung von Rechtsmitteln gegen eine Entscheidung des Gerichts, die eine Entscheidung einer unabhängigen Beschwerdekammer des EUIPO betrifft.

3        Gemäß Art. 58a Abs. 3 der Satzung wird ein Rechtsmittel nach den in der Verfahrensordnung des Gerichtshofs im Einzelnen festgelegten Modalitäten ganz oder in Teilen nur dann zugelassen, wenn damit eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage aufgeworfen wird.

4        Art. 170a Abs. 1 der Verfahrensordnung sieht vor, dass der Rechtsmittelführer in den Fällen von Art. 58a Abs. 1 der Satzung seiner Rechtsmittelschrift einen Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels als Anlage beizufügen hat, in dem er die für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage darlegt, die mit dem Rechtsmittel aufgeworfen wird, und der sämtliche Angaben enthalten muss, die erforderlich sind, um es dem Gerichtshof zu ermöglichen, über diesen Antrag zu entscheiden.

5        Gemäß Art. 170b Abs. 1 und 3 der Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels so rasch wie möglich durch mit Gründen versehenen Beschluss.

6        Zur Stützung ihres Zulassungsantrags macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass der einzige Rechtsmittelgrund eines Verstoßes gegen Art. 74 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1) eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage aufwerfe.

7        Im Einzelnen trägt die Rechtsmittelführerin vor, das Gericht habe bei seiner Beurteilung des beschreibenden Charakters des geprüften Zeichens in Rn. 53 des angefochtenen Urteils dem zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland geschlossenen Vertrag vom 7. März 1967 über den Schutz von Herkunftsangaben und anderen geografischen Bezeichnungen (im Folgenden: Abkommen Schweiz‑Deutschland) kein entscheidendes Gewicht beigemessen. Das Gericht habe sich nämlich auf andere Kriterien als das Abkommen Schweiz‑Deutschland gestützt und sei daher zu dem Ergebnis gelangt, dass das Zeichen „EMMENTALER“ beschreibend sei, da es von den maßgeblichen Verkehrskreisen als Bezeichnung einer Käsesorte verstanden werde. Das Gericht hätte jedoch feststellen müssen, dass das geprüfte Zeichen eine geografische Herkunftsangabe im Sinne von Art. 74 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 sei, da das Abkommen die Bezeichnung „Emmentaler“ Käse schweizerischen Ursprungs vorbehalte.

8        Nach Ansicht der Rechtsmittelführerin wirft ihr Rechtsmittel die Frage auf, ob bei der Beurteilung des beschreibenden Charakters eines Zeichens die rechtliche Bedeutung des Begriffs, aus dem es bestehe, oder vielmehr seine tatsächliche Wahrnehmung durch die angesprochenen Verkehrskreise ausschlaggebend sein müsse. Um die Bedeutung einer solchen Frage für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts darzutun, trägt sie fünf Argumente vor.

9        Erstens gehe die mit ihrem Rechtsmittel aufgeworfene Frage über die vorliegende Rechtssache hinaus, da sie auch alle Fälle betreffe, in denen ein in einer Rechtsvorschrift definierter Begriff von der Art und Weise abweiche, wie die Verbraucher ihn verstünden. Zweitens wirke sich diese Frage angesichts der Verpflichtung der Mitgliedstaaten, sich an die in völkerrechtlichen Verträgen vorgesehenen rechtsverbindlichen Bestimmungen zu halten, auf den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit aus. Drittens beeinträchtige die Auffassung des Gerichts im angefochtenen Urteil die Rechtssicherheit, da sich die Wirtschaftsteilnehmer nicht auf die Definitionen in den Rechtsvorschriften verlassen könnten. Viertens könne die mit dem vorliegenden Rechtsmittel aufgeworfene Frage den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit betreffen, wonach das Gericht verpflichtet sei, die Bundesrepublik Deutschland bei der Erfüllung ihrer Verpflichtungen gegenüber Dritten zu unterstützen. Fünftens könne eine solche Frage für die Kohärenz des Unionsrechts und der nationalen Rechtsordnungen von Bedeutung sein, da sie in verschiedenen Rechtsbereichen unterschiedlich beantwortet werden könnte.

10      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es Sache der Rechtsmittelführerin ist, darzutun, dass die mit ihrem Rechtsmittel aufgeworfenen Fragen für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsam sind (Beschlüsse vom 10. Dezember 2021, EUIPO/The KaiKai Company Jaeger Wichmann, C‑382/21 P, EU:C:2021:1050, Rn. 20, und vom 11. Juli 2023, EUIPO/Neoperl, C‑93/23 P, EU:C:2023:601, Rn. 18).

11      Außerdem muss, wie sich aus Art. 58a Abs. 3 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union in Verbindung mit Art. 170b Abs. 4 der Verfahrensordnung ergibt, der Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels sämtliche Angaben enthalten, die erforderlich sind, um es dem Gerichtshof zu ermöglichen, über die Zulassung des Rechtsmittels zu entscheiden und im Fall der teilweisen Zulassung des Rechtsmittels dessen Gründe oder Teile zu bestimmen, auf die sich die Rechtsmittelbeantwortung beziehen muss. Da der Mechanismus der vorherigen Zulassung von Rechtsmitteln nach Art. 58a der genannten Satzung die Kontrolle durch den Gerichtshof auf die Fragen beschränken soll, die für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsam sind, sind vom Gerichtshof nämlich nur die Gründe im Rahmen des Rechtsmittels zu prüfen, die solche Fragen aufwerfen; diese Gründe müssen vom Rechtsmittelführer dargetan worden sein (Beschlüsse vom 10. Dezember 2021, EUIPO/The KaiKai Company Jaeger Wichmann, C‑382/21 P, EU:C:2021:1050, Rn. 21, und vom 11. Juli 2023, EUIPO/Neoperl, C‑93/23 P, EU:C:2023:601, Rn. 19).

12      Daher muss ein Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels in jedem Fall klar und genau die Gründe angeben, auf die das Rechtsmittel gestützt wird, ebenso genau und klar die von jedem Rechtsmittelgrund aufgeworfene Rechtsfrage benennen, erläutern, ob diese Frage für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsam ist, und klar darlegen, warum diese Frage im Hinblick auf das geltend gemachte Kriterium bedeutsam ist. Was insbesondere die Rechtsmittelgründe betrifft, muss der Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels nähere Angaben zu der Bestimmung des Unionsrechts oder der Rechtsprechung enthalten, gegen die durch das mit einem Rechtsmittel angefochtene Urteil verstoßen worden sein soll, in gedrängter Form darlegen, worin der vom Gericht angeblich begangene Rechtsfehler besteht, und Ausführungen dazu machen, inwieweit sich dieser Fehler auf das Ergebnis des mit einem Rechtsmittel angefochtenen Urteils ausgewirkt hat. Ist der gerügte Rechtsfehler das Ergebnis einer Verkennung der Rechtsprechung, muss der Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels in gedrängter Form, aber klar und genau darlegen, erstens, wo der behauptete Widerspruch zu finden ist, indem sowohl die Randnummern des mit dem Rechtsmittel angefochtenen Urteils oder Beschlusses, die die Rechtsmittelführerin in Frage stellt, als auch die Randnummern der Entscheidung des Gerichtshofs oder des Gerichts angegeben werden, die missachtet worden sein sollen, und zweitens die konkreten Gründe, aus denen ein solcher Widerspruch eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage aufwirft (Beschlüsse vom 10. Dezember 2021, EUIPO/The KaiKai Company Jaeger Wichmann, C‑382/21 P, EU:C:2021:1050, Rn. 22, und vom 11. Juli 2023, EUIPO/Neoperl, C‑93/23 P, EU:C:2023:601, Rn. 20).

13      Ein Zulassungsantrag, der die in der vorstehenden Randnummer genannten Angaben nicht enthält, ist nämlich von vornherein nicht geeignet, darzutun, dass das Rechtsmittel eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage aufwirft, die seine Zulassung rechtfertigt (Beschlüsse vom 24. Oktober 2019, Porsche/EUIPO, C‑613/19 P, EU:C:2019:905, Rn. 16, und vom 17. Juli 2023, Canai Technology/EUIPO, C‑280/23 P, EU:C:2023:596, Rn. 12).

14      Im vorliegenden Fall ist zu dem in den Rn. 7 bis 9 dargelegten Vorbringen zur Bedeutung, die das Gericht dem Abkommen Schweiz‑Deutschland bei seiner Beurteilung des beschreibenden Charakters des geprüften Zeichens beigemessen hat, festzustellen, dass dieses Vorbringen nicht den in Rn. 12 des vorliegenden Beschlusses genannten Anforderungen entspricht. Zwar macht die Rechtsmittelführerin geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, doch beschränkt sie sich darauf, diesen Rechtsfehler zu benennen und allgemeine Argumente vorzutragen, ohne im Einzelnen darzulegen, weshalb ein solcher Fehler, sein Vorliegen unterstellt, eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage aufwerfen würde, die die Zulassung des Rechtsmittels rechtfertigen würde (vgl. entsprechend Beschluss vom 23. März 2022, Collibra/EUIPO, C‑730/21 P, EU:C:2022:208, Rn. 17).

15      Soweit die Rechtsmittelführerin im Übrigen einen Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit, der Rechtssicherheit und der loyalen Zusammenarbeit rügt, ist – unbeschadet ihrer wichtigen Stellung innerhalb der Unionsrechtsordnung – festzustellen, dass ein solches Vorbringen für sich genommen nicht ausreicht, um darzulegen, dass das Rechtsmittel eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage aufwirft. Denn wer einen Antrag auf Zulassung eines Rechtsmittels stellt, muss zu diesem Zweck sämtliche in Rn. 12 des vorliegenden Beschlusses genannten Anforderungen erfüllen.

16      Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die Rechtsmittelführerin nicht darlegt, dass ihr Rechtsmittel eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage aufwirft.

17      Nach alledem ist das Rechtsmittel nicht zuzulassen.

 Kosten

18      Nach Art. 137 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, wird über die Kosten in dem das Verfahren beendenden Beschluss entschieden.

19      Da der vorliegende Beschluss ergeht, bevor die Rechtsmittelschrift den anderen Parteien des Verfahrens zugestellt worden ist und ihnen Kosten entstehen konnten, ist zu entscheiden, dass die Rechtsmittelführerin ihre eigenen Kosten trägt.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Kammer für die Zulassung von Rechtsmitteln) beschlossen:

1.      Das Rechtsmittel wird nicht zugelassen.

2.      Emmentaler Switzerland trägt ihre eigenen Kosten.

Luxemburg, den 11. Oktober 2023

Der Kanzler

Der Präsident der Kammer            für die Zulassung von            

Rechtsmitteln

A. Calot Escobar

 

L. Bay Larsen


*      Verfahrenssprache: Deutsch.