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Vorabentscheidungsersuchen der Corte dei Conti (Italien), eingereicht am 9. Juni 2021 – Ferrovienord SpA/Istituto Nazionale di Statistica - ISTAT

(Rechtssache C-363/21)

Verfahrenssprache: Italienisch

Vorlegendes Gericht

Corte dei Conti

Parteien des Ausgangsverfahrens

Klägerin: Ferrovienord SpA

Beklagter: Istituto Nazionale di Statistica – ISTAT

Weitere Beteiligte: Procura generale della Corte dei conti, Ministero dell’Economia e delle Finanze

Vorlagefragen

Stehen die Regel der unmittelbaren Anwendbarkeit des ESVG 20101 und der Grundsatz der praktischen Wirksamkeit der Verordnung [Nr. 549/2013] und der Richtlinie 2011/852 einer nationalen Rechtsvorschrift entgegen, die die Gerichtsbarkeit des für die ordnungsgemäße Anwendung des ESVG 2010 zuständigen nationalen Gerichts ausschließlich auf die Zwecke der nationalen Rechtsvorschriften zur Begrenzung der öffentlichen Ausgaben beschränkt, womit die grundlegende praktische Wirksamkeit der Regelung [des Unionsrechts] ausgehebelt wird, nämlich die Überprüfung der Transparenz und der Zuverlässigkeit der Haushaltssalden, durch die die Einhaltung des MHZ durch Italien festgestellt werden kann?

Stehen die Regel der unmittelbaren Anwendbarkeit des ESVG 2010 sowie der Grundsatz der praktischen Wirksamkeit der Verordnung [Nr. 549/2013] und der Richtlinie 2011/85 hinsichtlich der organisatorischen Trennung zwischen Haushaltsbehörde und Kontrollorganen einer nationalen Rechtsvorschrift entgegen, die die Wirkungen der Entscheidung des zuständigen nationalen Gerichts über die korrekte Anwendung des ESVG 2010 ausschließlich auf die Zwecke der nationalen Rechtsvorschriften zur Begrenzung der öffentlichen Ausgaben beschränkt und damit jegliche unabhängige Kontrolle über die Abgrenzung derjenigen Stellen ausschließt, die zum Haushalt der italienischen öffentlichen Verwaltung (entsprechend der Einstufung für die Zwecke [des Unionsrechts]) gezählt werden, durch die die Einhaltung des MHZ durch Italien überprüft werden kann?

Steht das Rechtsstaatsprinzip in der Ausprägung der Wirksamkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes und der Gleichwertigkeit der Rechtsbehelfe einer nationalen Rechtsvorschrift entgegen, die

jegliche gerichtliche Überprüfung der korrekten Anwendung des ESVG 2010 durch das ISTAT für die Zwecke der Abgrenzung des Sektors S.13 und damit der Korrektheit, Transparenz und Zuverlässigkeit der Haushaltssalden ausschließt, durch die die Einhaltung des MHZ durch Italien überprüft werden kann (Verstoß gegen den Grundsatz der Wirksamkeit des Rechtsschutzes);

die Klägerin, sofern sich die von den beklagten Behörden vorgeschlagene Normauslegung – auch durch ein Gesetz zur authentischen Interpretation – als richtig erweisen sollte, der doppelten Belastung einer gerichtlichen Anfechtung und der daraus resultierenden Gefahr einander widersprechender Urteile zum Vorliegen eines [unionsrechtlichen] Status aussetzt, und damit den wirksamen Schutz ihres Rechts innerhalb einer für die Erfüllung der sich aus diesem Status ergebenden Verpflichtungen rechtzeitigen Frist (d. h. im Haushaltsjahr) faktisch unmöglich macht und die Rechtssicherheit bezogen auf das Vorliegen des Status als öffentliche Verwaltung entfallen lässt;

sofern sich die von den beklagten Behörden vorgeschlagene Normauslegung – auch durch ein Gesetz zur authentischen Interpretation – als richtig erweisen sollte, vorsieht, dass über die Korrektheit der haushaltsrechtlichen Abgrenzung ein anderes Gericht als dasjenige urteilt, dem die italienische Verfassung die Gerichtsbarkeit über das Haushaltsrecht vorbehält?

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1     Verordnung (EU) Nr. 549/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 zum Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen auf nationaler und regionaler Ebene in der Europäischen Union (ABl. 2013, L 174, S. 1).

2     Richtlinie 2011/85/EU des Rates vom 8. November 2011 über die Anforderungen an die haushaltspolitischen Rahmen der Mitgliedstaaten (ABl. 2011, L 306, S. 41).