Language of document : ECLI:EU:T:2016:124

URTEIL DES GERICHTS (Achte Kammer)

3. März 2016(*)

„Staatliche Beihilfen – Von den italienischen Behörden rückwirkend gewährter Ausgleich für die Erbringung eines öffentlichen Dienstes – Zwischen 1987 und 2003 erbrachte überregionale Busverkehrsdienste – Beschluss, durch den die Beihilfe als mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt wird – Aufrechterhaltung einer gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung – Gewährung einer Ausgleichsleistung – Verordnung (EWG) Nr. 1191/69“

In der Rechtssache T‑15/14

Simet SpA mit Sitz in Rossano Calabro (Italien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte A. Clarizia, C. Varrone und P. Clarizia,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch G. Conte, D. Grespan und P.‑J. Loewenthal als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung des Beschlusses 2014/201/EU der Kommission vom 2. Oktober 2013 über den der Simet SpA zu zahlenden Ausgleich für öffentliche Verkehrsdienste im Zeitraum 1987–2003 (Staatliche Beihilfemaßnahme SA.33037 [2012/C] – Italien) (ABl. 2014, L 114, S. 67)

erlässt

DAS GERICHT (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten D. Gratsias sowie der Richterin M. Kancheva (Berichterstatterin) und des Richters C. Wetter,

Kanzler: J. Palacio González, Hauptverwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juli 2015

folgendes

Urteil

 Sachverhalt

1        Die Klägerin, die Simet SpA, ist ein Unternehmen, das Dienste im Bereich der Personenbeförderung auf der Straße erbringt. Sie betreibt insbesondere ein Netz überregionaler Linienbusverbindungen zwischen der Region Kalabrien und anderen italienischen Regionen (im Folgenden: überregionale Linienbusverbindungen). Ergänzend zu diesen Diensten, die den größten Teil ihrer Tätigkeit bilden, erbringt die Klägerin andere Dienste, z. B. in den Bereichen internationaler Reiseverkehr, Tourismus und Busvermietung einschließlich der Bereitstellung von Fahrern.

 Die die Tätigkeiten der Klägerin regelnden Rechts- und Verwaltungsvorschriften

2        Die Tätigkeit der Klägerin unterlag im Laufe der Jahre sowohl auf nationaler Ebene als auch auf der Ebene der Europäischen Union aufeinanderfolgenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften.

 Unionsrecht

3        Der Straßentransport wurde in der Union u. a. durch die Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 des Rates vom 26. Juni 1969 über das Vorgehen der Mitgliedstaaten bei mit dem Begriff des öffentlichen Dienstes verbundenen Verpflichtungen auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehrs (ABl. L 156, S. 1) geregelt.

4        Art. 1 der Verordnung Nr. 1191/69 bestimmt:

„(1)      Die Mitgliedstaaten heben die auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehrs auferlegten, in dieser Verordnung definierten Verpflichtungen auf, die mit dem Begriff des öffentlichen Dienstes verbunden sind.

(2)      Die Verpflichtungen können jedoch insoweit aufrechterhalten werden, als sie für die Sicherstellung einer ausreichenden Verkehrsbedienung unerlässlich sind.

(4)      Die den Verkehrsunternehmen durch die Aufrechterhaltung von Verpflichtungen nach Absatz 2 … entstehenden Belastungen sind nach den in dieser Verordnung vorgesehenen gemeinsamen Methoden auszugleichen.“

5        Art. 2 der Verordnung Nr. 1191/69 lautet:

„(1)      Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes sind die Verpflichtungen, die das Verkehrsunternehmen im eigenen wirtschaftlichen Interesse nicht oder nicht im gleichen Umfang und nicht unter den gleichen Bedingungen übernehmen würde.

(2)      Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes im Sinne des Absatzes 1 sind die Betriebspflicht, die Beförderungspflicht und die Tarifpflicht.

(3)      Betriebspflicht im Sinne dieser Verordnung ist die Verpflichtung der Verkehrsunternehmen, für die Strecken oder die Einrichtungen, deren Betrieb ihnen durch Konzession oder gleichwertige Genehmigung übertragen ist, alle Maßnahmen zu treffen, um eine Verkehrsbedienung sicherzustellen, welche festgesetzten Normen für die Kontinuität, die Regelmäßigkeit und die Kapazität entspricht. Eingeschlossen ist auch die Verpflichtung, zusätzliche Betriebseinrichtungen zu unterhalten, sowie die Verpflichtung, die Strecken, das Material – soweit es auf dem gesamten Streckennetz überzählig ist – und die Anlagen nach der Einstellung von Verkehrsdiensten in gutem Zustand zu erhalten.

(4)      Beförderungspflicht im Sinne dieser Verordnung ist die Verpflichtung der Verkehrsunternehmen, alle Personen- oder Güterbeförderungen zu bestimmten Beförderungsentgelten und ‑bedingungen anzunehmen und auszuführen.

(5)      Tarifpflicht im Sinne dieser Verordnung ist die Verpflichtung der Verkehrsunternehmen zur Anwendung von behördlich festgesetzten oder genehmigten, mit dem kaufmännischen Interesse des Unternehmens nicht zu vereinbarenden Entgelten, die sich insbesondere bei bestimmten Gruppen von Reisenden, bestimmten Güterarten oder bestimmten Verkehrswegen aus der Auferlegung oder verweigerten Änderung von besonderen Tarifmaßnahmen ergeben.

Unterabsatz 1 gilt weder für Verpflichtungen, die sich für alle Wirtschaftstätigkeiten aus allgemeinen preispolitischen Maßnahmen ergeben, noch für Verpflichtungen aus Maßnahmen, die auf dem Gebiet der allgemeinen Beförderungsentgelte und ‑bedingungen im Hinblick auf die Organisation des Verkehrsmarktes oder eines Teils des Verkehrsmarktes beschlossen werden.“

6        In Art. 4 der Verordnung Nr. 1191/69 heißt es:

„(1)      Es ist Sache der Verkehrsunternehmen, bei den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten die völlige oder teilweise Aufhebung einer Verpflichtung des öffentlichen Dienstes zu beantragen, wenn ihnen aus dieser Verpflichtung wirtschaftliche Nachteile erwachsen.

(2)      Die Verkehrsunternehmen können in ihren Anträgen vorschlagen, das gegenwärtig benutzte Verkehrsmittel durch ein anderes zu ersetzen. Die Verkehrsunternehmen errechnen nach Artikel 5, wie ihre Finanzlage durch Einsparungen verbessert werden könnte.“

7        Art. 5 der Verordnung Nr. 1191/69 sieht vor:

„(1)      Aus einer Betriebs- oder Beförderungspflicht erwachsen wirtschaftliche Nachteile, wenn die Verringerung der Belastungen, die durch die völlige oder teilweise Aufhebung dieser Verpflichtung zu einer Leistung oder zu einer Gesamtheit von dieser Verpflichtung unterliegenden Leistungen erreicht werden kann, stärker ist als der Rückgang der sich aus dieser Aufhebung ergebenden Einnahmen.

Die wirtschaftlichen Nachteile werden auf der Grundlage einer gegebenenfalls bereinigten Bilanz der jährlichen wirtschaftlichen Nachteile errechnet, die sich aus dem Unterschied zwischen der Verringerung der jährlichen Belastungen und der Verringerung der jährlichen Einnahmen im Fall der Aufhebung der Verpflichtung ergeben.

Erstrecken sich Betriebs- oder Beförderungspflichten auf eine oder mehrere Arten des Personen- oder des Güterverkehrs eines Verkehrsnetzes oder eines bedeutenden Teils der Linien eines Verkehrsnetzes, so werden die Kosten, die bei einer Aufhebung der Verpflichtung wegfallen können, anhand einer Aufschlüsselung der dem Unternehmen aus seiner Verkehrstätigkeit entstehenden Gesamtkosten nach den einzelnen Teilen dieser Verkehrstätigkeit ermittelt.

Der wirtschaftliche Nachteil entspricht dann der Höhe des Unterschieds zwischen den Kosten, die dem von der Verpflichtung des öffentlichen Dienstes betroffenen Teil der Tätigkeit des Unternehmens anzulasten sind, und den entsprechenden Einnahmen.

Die wirtschaftlichen Nachteile werden unter Berücksichtigung der Auswirkungen der Verpflichtung auf die Gesamttätigkeit des Unternehmens ermittelt.

(2)      Aus einer Tarifpflicht erwachsen wirtschaftliche Nachteile, wenn der Unterschied zwischen den Einnahmen und den Belastungen des der Verpflichtung unterliegenden Verkehrs geringer ist als der Unterschied zwischen den Einnahmen und den Belastungen des Verkehrs, die sich unter Berücksichtigung der Kosten der der Verpflichtung unterliegenden Leistungen sowie der Marktlage bei kaufmännischer Geschäftsführung ergeben würden.“

8        Nach Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1191/69 sehen „[d]ie Entscheidungen über eine befristete völlige oder teilweise Beibehaltung oder Aufhebung einer Verpflichtung des öffentlichen Dienstes … die Gewährung eines Ausgleichs für die dadurch entstehenden Belastungen vor, der nach den gemeinsamen Methoden der Art. 10 bis 13 errechnet wird“.

9        Art. 10 der Verordnung Nr. 1191/69 lautet:

„(1)      Die Höhe des Ausgleichs nach Artikel 6 entspricht bei einer Betriebs‑ oder Beförderungspflicht dem Unterschied zwischen der Verringerung der Belastung und der Verringerung der Einnahmen des Unternehmens im Fall der völligen oder teilweisen Aufhebung der Verpflichtung während des in Betracht kommenden Zeitraums.

Werden jedoch die wirtschaftlichen Nachteile anhand einer Aufschlüsselung der dem Unternehmen aus seiner Verkehrstätigkeit entstehenden Gesamtkosten nach den einzelnen Teilen dieser Verkehrstätigkeit errechnet, so entspricht der Ausgleichsbetrag dem Unterschied zwischen den Kosten, die dem von der Verpflichtung des öffentlichen Dienstes betroffenen Teil der Tätigkeit des Unternehmens anzulasten sind, und den entsprechenden Einnahmen.

(2)      Bei der Berechnung der Belastungen und Einnahmen nach Absatz 1 ist zu berücksichtigen, welche Auswirkungen die Aufhebung der Verpflichtung für die gesamte Tätigkeit des Unternehmens haben würde.“

10      Nach Art. 12 der Verordnung Nr. 1191/69 wird bei der Berechnung der durch die Aufrechterhaltung der Verpflichtungen entstehenden Kosten von einer zweckdienlichen Geschäftsführung des Unternehmens und der Lieferung von Verkehrsleistungen einer angemessenen Qualität ausgegangen. Die kalkulatorischen Zinsen können um die Zinsen für das Eigenkapital gekürzt werden.

11      Art. 14 der Verordnung Nr. 1191/69 bestimmt:

„(1)      Nach Inkrafttreten dieser Verordnung können die Mitgliedstaaten einem Verkehrsunternehmen nur insoweit Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes auferlegen, als diese für die Sicherstellung einer ausreichenden Verkehrsbedienung unerlässlich sind, soweit es sich nicht um die Fälle des Artikels 1 Absatz 3 handelt.

(2)      Erwachsen den Verkehrsunternehmen aus den nach Absatz 1 auferlegten Verpflichtungen wirtschaftliche Nachteile im Sinne des Artikels 5 Absätze 1 und 2 oder Belastungen im Sinne des Artikels 9, so sehen die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten in ihren Entscheidungen über die Auferlegung dieser Verpflichtungen einen Ausgleich für die sich daraus ergebenden Belastungen vor. Die Vorschriften der Artikel 10 bis 13 sind anzuwenden.“

12      Art. 17 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1191/69 lautet:

„(2)      Auf Ausgleichszahlungen, die sich aus der Anwendung dieser Verordnung ergeben, ist das Verfahren zur vorherigen Unterrichtung gemäß Artikel 93 Absatz 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft nicht anzuwenden.

Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission unverzüglich mit, inwieweit für die einzelnen Kategorien von Verpflichtungen ein Ausgleich für Belastungen erforderlich ist, die sich für die Verkehrsunternehmen daraus ergeben, dass die in Artikel 2 genannten Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes aufrechterhalten und im Personenverkehr Beförderungsentgelte und ‑bedingungen angewandt werden, die im Interesse bestimmter Bevölkerungsgruppen auferlegt sind.“

13      Die Verordnung (EWG) Nr. 1893/91 des Rates vom 20. Juni 1991 zur Änderung der Verordnung Nr. 1191/69 (ABl. L 169, S. 1), die am 1. Juli 1992 in Kraft trat, beseitigte die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes (im Folgenden auch: gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen) von Verkehrsunternehmen beizubehalten oder ihnen solche Verpflichtungen aufzuerlegen; ausgenommen waren die Unternehmen, deren Tätigkeit ausschließlich auf den Betrieb von Stadt‑, Vorort‑ und Regionalverkehrsdiensten beschränkt war.

14      Dazu heißt es in Art. 1 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1191/69 in der Fassung der Verordnung Nr. 1893/91: „Um insbesondere unter Berücksichtigung sozialer, umweltpolitischer und landesplanerischer Faktoren eine ausreichende Verkehrsbedienung sicherzustellen oder um Sondertarife für bestimmte Gruppen von Reisenden anzubieten, können die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten mit einem Verkehrsunternehmen Verträge über Verkehrsdienste aufgrund von Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes abschließen.“

15      Art. 14 der Verordnung Nr. 1191/69 lautet in der durch die Verordnung Nr. 1893/91 geänderten Fassung:

„(1)      Ein ‚Vertrag über Verkehrsdienste aufgrund von Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes‘ ist ein Vertrag, der zwischen den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats und einem Verkehrsunternehmen abgeschlossen wird, um der Allgemeinheit ausreichende Verkehrsdienste zu bieten.

Ein Vertrag über Verkehrsdienste aufgrund von Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes kann insbesondere Folgendes umfassen:

–        Verkehrsdienste, die bestimmten Anforderungen an die Kontinuität, Regelmäßigkeit, Leistungsfähigkeit und Qualität genügen;

–        zusätzliche Verkehrsdienste;

–        Verkehrsdienste zu besonderen Tarifen und Bedingungen, vor allem für bestimmte Personengruppen oder auf bestimmten Verkehrsverbindungen;

–        eine Anpassung der Dienste an den tatsächlichen Bedarf.

(2)      In einem Vertrag über Verkehrsdienste aufgrund von Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes werden unter anderem folgende Punkte geregelt:

a)      die Einzelheiten des Verkehrsdienstes, vor allem die Anforderungen an Kontinuität, Regelmäßigkeit, Leistungsfähigkeit und Qualität;

b)      der Preis für die vertraglich vereinbarten Dienstleistungen, der die Tarifeinnahmen ergänzt oder die Einnahmen mit einschließt, sowie die Einzelheiten der finanziellen Beziehungen zwischen den beiden Parteien;

c)      Vertragszusätze und Vertragsänderungen, um insbesondere unvorhersehbare Veränderungen zu berücksichtigen;

d)      die Geltungsdauer des Vertrags;

e)      die Sanktionen bei Nichterfüllung des Vertrags.

(3)      Das Sachanlagevermögen, das für die Erbringung von Verkehrsdiensten eingesetzt wird, die Gegenstand eines Vertrages über Verkehrsdienste aufgrund von Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes sind, kann sich im Besitz des Unternehmens befinden oder ihm zur Verfügung gestellt werden.

(4)      Ein Unternehmen, das einen Verkehrsdienst, den es der Allgemeinheit kontinuierlich und regelmäßig bietet und der nicht unter die Vertragsregelung oder das System der Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes fällt, einstellen oder wesentlich ändern möchte, teilt dies den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von mindestens drei Monaten mit.

Die zuständigen Behörden können darauf verzichten, unterrichtet zu werden.

Durch diese Bestimmung bleiben die einschlägigen anderen einzelstaatlichen Verfahren betreffend das Recht auf Einstellung oder Änderung von Verkehrsdiensten unberührt.

(5)      Nach Eingang der Mitteilung nach Absatz 4 können die zuständigen Behörden vorschreiben, dass der betreffende Verkehrsdienst noch höchstens ein Jahr lang, gerechnet vom Zeitpunkt der Kündigung an, aufrechterhalten wird; sie teilen diese Entscheidung dem Unternehmen mindestens einen Monat vor Ablauf der Kündigungsfrist mit.

Die Behörden können ferner von sich aus die Einrichtung oder die Änderung eines solchen Verkehrsdienstes aushandeln.

(6)      Für die Kosten, die den Verkehrsunternehmen aus den Verpflichtungen im Sinne des Absatzes 5 erwachsen, erhalten diese einen Ausgleich nach den in den Abschnitten II, III und IV genannten gemeinsamen Methoden.“

16      Dazu bestimmt Art. 1 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1191/69 in der Fassung der Verordnung Nr. 1893/91: „Die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten können jedoch im Stadt-, Vorort- und Regionalpersonenverkehr Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes im Sinne des Artikels 2 beibehalten oder auferlegen.“ Für diesen Fall sind „[d]ie diesbezüglichen Bedingungen und Einzelheiten, einschließlich der Ausgleichsmethoden, … in den Abschnitten II, III und IV festgelegt“.

17      Weiter heißt es in dieser Bestimmung:

„Ist ein Verkehrsunternehmen außer auf dem Gebiet der Verkehrsdienste, für die Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes gelten, noch in anderen Bereichen tätig, so sind die Verkehrsdienste aufgrund von Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes in einem gesonderten Unternehmensbereich zu erbringen, der mindestens folgende Anforderungen erfüllt:

a)      getrennte Rechnungsführung für jeden dieser Tätigkeitsbereiche und entsprechende Zuordnung der Aktiva nach den geltenden Buchungsregeln;

b)      Ausgleich der Ausgaben durch die Betriebseinnahmen und durch die Zahlungen der öffentlichen Hand ohne die Möglichkeit von Transfers von oder zu anderen Unternehmensbereichen.“

18      Die Verordnung Nr. 1191/69 in der Fassung der Verordnung Nr. 1893/91 wurde durch die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates (ABl. L 315, S. 1), die am 3. Dezember 2009 in Kraft trat, aufgehoben.

 Nationales Recht

19      Die Klägerin betrieb ursprünglich überregionale Linienbusverbindungen aufgrund jährlicher Konzessionen, die ihr vom Ministero delle Infrastructure e dei Trasporti (italienisches Ministerium für Infrastruktur und Verkehr, im Folgenden: Ministerium) nach der Legge n. 1822 Disciplina degli autoservizi di linea (autolinee) per viaggiatori, bagagli e pacchi agricoli in regime di concessione all’industria privata (Gesetz Nr. 1822 zur Regelung der Linienbusverbindungen für Reisende, Gepäck und landwirtschaftliche Sendungen gemäß der Konzessionsregelung für Privatunternehmen) vom 28. September 1939 (GURI Nr. 292 vom 18. Dezember 1939, im Folgenden: Gesetz Nr. 1822/1939) erteilt worden waren.

20      Nach Art. 3 des Gesetzes Nr. 1822/1939 wurde die Konzession „aufgrund eines besonderen Lastenhefts [erteilt], das alle für die Konzession selbst geltenden technischen, administrativen und wirtschaftlichen Bedingungen sowie die Verpflichtung zur Beförderung von Postsendungen enthält“. Nach Art. 6 Abs. 2 Nr. 3 dieses Gesetzes räumten die Behörden, wenn sich mehrere Antragsteller um eine Konzession bewarben, namentlich demjenigen Vorrang ein, der dartat, dass er andere Verpflichtungen hinsichtlich Werk- oder Dienstleistungen von örtlichem Interesse in Verbindung mit den Beförderungsleistungen übernehme und imstande sei, diese zu erfüllen. Ferner verpflichtete Art. 1 des Gesetzes Nr. 1822/1939 die Konzessionäre, auf Verlangen der Post- und Telegrafenverwaltung Postsendungen zu befördern.

21      Das Gesetz Nr. 1822/1939 wurde geändert durch das Decreto del Presidente della Repubblica n. 369 Regolamento recante semplificazione del procedimento di concessione di autolinee ordinarie di competenza statale (Dekret Nr. 369 des Präsidenten der Republik betreffend die Verordnung zur Vereinfachung des Konzessionsverfahrens für Linienbusdienste, die in die staatliche Zuständigkeit fallen) vom 22. April 1994 (Supplemento ordinario Nr. 91 zur GURI Nr. 136 vom 13. Juni 1994, im Folgenden: Dekret Nr. 369/1994). Nach diesem Dekret mussten Unternehmen, die sich um eine Konzession bewarben, in ihrem entsprechenden Antrag „klar und detailliert aufzeigen, dass es unmöglich ist, die festgestellten Erfordernisse des Gemeinwohls ganz oder teilweise durch die bereits bestehenden Beförderungsdienste zu befriedigen“.

22      Das Gesetz Nr. 1822/1939 in der durch das Dekret Nr. 369/1994 geänderten Fassung wurde durch das Decreto legislativo Nr. 285 Riordino dei servizi automobilistici interregionali di competenza statale (Gesetzesdekret Nr. 285 über die Reorganisation der überregionalen Autobusdienste, die in die staatliche Zuständigkeit fallen) vom 21. November 2005 (Supplemento ordinario zur GURI Nr. 6 vom 9. Januar 2006, im Folgenden: Dekret Nr. 285/2005) aufgehoben, das gemäß der Legge n. 32 Delega al Governo per il riassetto normativo del settore dell’autotrasporto di persone e cose (Gesetz Nr. 32 über die Ermächtigung der Regierung zur Änderung der rechtlichen Regelung über die Personen- und Güterbeförderung auf der Straße) vom 1. März 2005 (GURI Nr. 57 vom 10. März 2005) erlassen worden war.

23      Aufgrund der Übergangsvorschriften des Dekrets Nr. 285/2005 blieb jedoch das System jährlicher Konzessionen, das im Gesetz Nr. 1822/1939 in der Fassung des Dekrets Nr. 369/1994 vorgesehen war, auf die Klägerin bis zum 31. Dezember 2012 anwendbar.

24      Ferner kam die Klägerin in den Genuss aufeinanderfolgender nationaler Regelungen über die Ausgleichszahlungen für die finanziellen Belastungen, die sich aus bestimmten Verpflichtungen ergaben, die die Inhaber einer Konzession für Straßentransportdienste übernommen hatten.

25      So kam die Klägerin in den Genuss des Decreto del Presidente della Repubblica n. 1227 Norme riguardanti la soppressione degli obblighi di servizio pubblico nei confronti delle aziende esercenti servizi automobilistici a carattere prevalentemente interregionale, la compensazione degli obblighi di servizio pubblico da mantenere e il rimborso degli oneri per obblighi tariffari (Dekret Nr. 1227 des Präsidenten der Republik betreffend Vorschriften über die Aufhebung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen für die Unternehmen, die vorwiegend überregionale Autobusdienste erbringen, Ausgleichsleistungen für die beizubehaltenden gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen und Kostenerstattung für die tariflichen Verpflichtungen) vom 29. Dezember 1969 (GURI Nr. 75 vom 25. März 1970, im Folgenden: Dekret Nr. 1227/69).

26      Art. 2 des Dekrets Nr. 1227/69 sah vor, dass Unternehmen, die hauptsächlich regionale Straßenverkehrsdienste erbringen, nach Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1191/69 beim Ministerium einen Antrag auf vollständige oder teilweise Aufhebung einer ihnen auferlegten gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung stellen konnten, wenn diese Verpflichtung nicht aufgehoben worden war. So erhielt die Klägerin am 8. Januar 1981 von den italienischen Behörden gemäß dem Dekret Nr. 1227/69 Mittel zum Ausgleich der finanziellen Belastungen, die sich aus den den Konzessionären von 1972 bis 1974 auferlegten Tarifpflichten ergaben.

27      Die Klägerin kam ebenfalls in den Genuss der Legge n. 877 Interventi urgenti per gli autoservizi pubblici di linea di competenza statale (Gesetz Nr. 877 über dringende Maßnahmen für die öffentlichen Linienbusdienste, die in die staatliche Zuständigkeit fallen) vom 13. Dezember 1986 (GURI Nr. 295 vom 20. Dezember 1986). Nach diesem Gesetz musste den Unternehmen, die Linienbusdienste im Inland, die in die staatliche Zuständigkeit fielen, sowie internationale Busdienste im Grenzverkehr betrieben, eine Beihilfe nach Maßgabe der zwischen dem 1. April 1972 und dem Jahr 1986 zurückgelegten Entfernungen gewährt werden.

28      Anschließend hat die Klägerin keine Ausgleichszahlungen mehr erhalten.

29      Ferner heißt es in Art. 4 Abs. 4 Buchst. b der Legge n. 59 Delega al Governo per il conferimento di funzioni e compiti alle regioni ed enti locali, per la riforma della pubblica amministrazione e per la semplificazione amministrativa vom 15. März 1997 (Supplemento ordinario Nr. 56 zur GURI Nr. 63 vom 17. März 1997) in der Fassung des Decreto legislativo n. 422 Conferimento alle regioni ed agli enti locali di funzioni e compiti in materia di trasporto pubblico locale, a norma dell’articolo 4, comma 4, della legge 15 marzo 1997, n. 59, vom 19. November 1997 (GURI Nr. 287 vom 10. Dezember 1997):

„… vorschreiben, dass die Regionen und die Gebietskörperschaften im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten die Betreibung der Dienste regeln, unabhängig davon, auf welche Art und Weise sie erbracht werden, und unabhängig von der Form, in der sie übertragen werden, sei es im Wege der Konzession oder durch öffentliche Dienstleistungsaufträge nach den in den Art. 22 und 25 des Gesetzes Nr. 142 vom 8. Juni 1990 genannten Modalitäten, die die Voraussetzungen der Art. 2 und 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 und der Verordnung (EWG) Nr. 1893/91 erfüllen, die finanzielle Sicherheit und die haushaltsmäßige Deckung gewährleisten und sicherstellen, dass die Einnahmen aus dem Verkehr bis zum 1. Januar 2000 mindestens 35 % der Betriebskosten betragen, abzüglich der Infrastrukturkosten nach Anwendung der Richtlinie 91/440/EWG auf den Eisenbahnverkehr von regionalem oder lokalem Interesse; die Modalitäten festlegen, um die Überwindung monopolistischer Strukturen bei der Verwaltung des Stadt- und Vorortverkehrs zu fördern und um Wettbewerbsregeln bei der regelmäßigen Übertragung der Dienste einzuführen; bis zum 1. Januar 2000 die Modalitäten festlegen, nach denen die Regionen den öffentlichen Dienstleistungsauftrag zwischen dem Staat und den Ferrovie dello Stato Spa [für Dienste von regionalem und lokalem Belang] durch ihre eigenen autonomen regionalen Dienstleistungsaufträge ersetzen.“

 Klage der Klägerin vor den innerstaatlichen Gerichten

30      Am 22. Oktober 1999 beantragte die Klägerin beim Ministerium die Zahlung von Ausgleichsleistungen für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen, die sie von 1987 bis 1999 im Rahmen des Betriebs der überregionalen Linienbusverbindungen übernommen habe. Das Ministerium lehnte die Zahlung dieser Ausgleichsleistungen mit der Begründung ab, dass der Antrag der Klägerin nicht die in Art. 4 der Verordnung Nr. 1191/69 für deren Gewährung aufgestellten Voraussetzungen erfülle. Gegen diese Entscheidung des Ministeriums legte die Klägerin einen außerordentlichen Rechtsbehelf beim Präsidenten der Italienischen Republik ein. Dieser wies den Rechtsbehelf durch Dekret vom 10. Oktober 2002 zurück.

31      Im Jahr 2004 beantragte die Klägerin beim Tribunale amministrativo regionale del Lazio (Verwaltungsgericht für die Region Latium, Italien, im Folgenden: TAR Lazio), ihren Anspruch auf Zahlung von 66 891 982 Euro als Ausgleich für die Belastungen, die sie seit 1987 in Erfüllung von gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen getragen habe, festzustellen, und zwar als jährlichen Ausgleich nach der Verordnung Nr. 1191/69 in der Fassung der Verordnung Nr. 1893/91 oder als Schadensersatz oder als Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung nach Art. 2041 des italienischen Codice civile. Das TAR Lazio wies mit Urteil Nr. 112/2009 vom 12. Januar 2009 (im Folgenden: Urteil des TAR Lazio) die auf die Verordnung Nr. 1191/69 in der Fassung der Verordnung Nr. 1893/91 und auf Art. 2041 des italienischen Codice civile gestützten Anträge der Klägerin als unzulässig zurück. Es stellte in Anwendung des italienischen Verfahrensgrundsatzes, wonach im Urteil nicht nur über ausdrückliche, sondern auch über implizit gestellte Fragen entschieden wird (il giudicato copre il dedotto e il deducibile) namentlich fest, dass das Präsidialdekret vom 10. Oktober 2002 bereits stillschweigend über den auf die Verordnung Nr. 1191/69 in der Fassung der Verordnung Nr. 1893/91 gestützten Antrag entschieden habe. Im Übrigen wies das TAR Lazio den Antrag der Klägerin auf Schadensersatz als unbegründet zurück.

32      Am 9. März 2009 legte die Klägerin gegen das Urteil des TAR Lazio (oben in Rn. 31 angeführt) ein Rechtsmittel beim Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) ein.

33      Der Consiglio di Stato änderte das Urteil des TAR Lazio mit Urteil Nr. 1405/2010 vom 3. März 2010 (im Folgenden: Urteil des Consiglio di Stato) ab und entschied, dass die Klägerin als Betreiberin eines öffentlichen Dienstes nach den Art. 6, 10 und 11 der Verordnung Nr. 1191/69 Anspruch auf Ausgleichszahlungen für die sich aus der Erbringung dieses Dienstes ergebenden Kosten habe. Nach Art. 35 des Decreto legislativo n. 80 Nuove disposizioni in materia di organizzazione e di rapporti di lavoro nelle amministrazioni pubbliche, di giurisdizione nelle controversie di lavoro e di giurisdizione amministrativa, emanate in attuazione dell’articolo 11, comma 4, della legge 15 marzo 1997, n. 59 (Gesetzesdekret Nr. 80 mit neuen Bestimmungen über die Organisation und die Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst, über die Zuständigkeit für arbeitsrechtliche Streitigkeiten und die administrative Zuständigkeit, erlassen gemäß Art. 11 Abs. 4 des Gesetzes Nr. 59 vom 15. März 1997, im Folgenden: Gesetzesdekret Nr. 80/1998) vom 31. März 1998 (Supplemento ordinario zur GURI Nr. 82 vom 8. April 1998) müsse der Betrag dieser Zahlungen von den Behörden auf der Grundlage zuverlässiger Daten aus der Buchhaltung der Klägerin ermittelt werden, die es ermöglichten, die Differenz zwischen den Kosten, die auf den von der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung betroffenen Teil der Tätigkeit der Klägerin entfielen, und den Einnahmen aus dieser Tätigkeit zu berechnen.

34      Dagegen setzte der Consiglio di Stato die Entscheidung über die Schadensersatzklage mit der Begründung aus, es sei erst nach der Berechnung der als Ausgleich geschuldeten Beträge durch die italienischen Behörden möglich, einen nicht von dieser Berechnung erfassten Restschaden zu ermitteln, der sodann von der Klägerin geltend gemacht und nachgewiesen werden müsse. Im Übrigen entschied der Consiglio di Stato, dass über den auf Art. 2041 des italienischen Codice civile gestützten Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung nicht zu befinden sei, da er dem Antrag der Klägerin auf Feststellung ihres Ausgleichsanspruchs stattgegeben habe.

35      Am 1. April 2011 erließ der Consiglio di Stato auf Antrag der Klägerin einen Beschluss, durch den er das Ministerium zur Berechnung der Ausgleichzahlungen gemäß seinem Urteil (oben in Rn. 33 angeführt) verpflichtete.

36      Am 17. Januar 2012 erließ der Consiglio di Stato angesichts der Schwierigkeiten, denen sich das Ministerium bei der Berechnung der Ausgleichszahlungen gegenübersah, auf Antrag der Klägerin einen neuen Beschluss, in dem er eine aus drei unabhängigen Sachverständigen bestehende Sachverständigengruppe einsetzte, die die Höhe der Ausgleichszahlungen berechnen sollte, die der Klägerin gemäß seinem Urteil (oben in Rn. 33 angeführt) geschuldet wurden.

37      Da die Sachverständigengruppe nicht zu einer einstimmigen Entscheidung gelangen konnte, legte sie am 20. August 2012 ein von zwei Sachverständigen unterzeichnetes Mehrheitsgutachten vor, wonach sich die der Klägerin geschuldeten Ausgleichszahlungen auf 22 049 796 Euro beliefen, und reichte am 29. August 2012 ein von dem dritten Mitglied und Vorsitzenden der Gruppe unterzeichnetes Minderheitsgutachten ein, in dem dieser zu dem Schluss kam, dass die verfügbaren Daten für die Bestimmung der Höhe der der Klägerin zu zahlenden Ausgleichsleistungen nicht ausreichten und dass deshalb kein Ausgleich gewährt werden könne.

 Verwaltungsverfahren

38      Nach Erlass des Beschlusses des Consiglio di Stato vom 1. April 2011 unterrichteten die italienischen Behörden die Europäische Kommission am 18. Mai 2011 von ihrer Entscheidung, der Klägerin nach Maßgabe des oben in Rn. 33 angeführten Urteils des Consiglio di Stato eine Ausgleichsleistung für die überregionalen Busverkehrsdienste zu gewähren, die die Klägerin im Rahmen einer gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung in den Jahren 1987 bis 2003 erbracht habe.

39      Die italienischen Behörden erteilten am 12. Juli und 5. Oktober 2011, am 20. Februar, 2. und 28. März sowie am 17. April 2012 zusätzliche Auskünfte über die angemeldete Maßnahme.

40      Die Kommission übermittelte den italienischen Behörden mit Schreiben vom 31. Mai 2012 ihre Entscheidung, das förmliche Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV zu eröffnen, und forderte die Beteiligten auf, dazu Stellung zu nehmen.

41      Die italienischen Behörden gaben am 1. Juni, 24. September und 11. Oktober 2012 Erklärungen zu der Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens ab.

42      Die Klägerin reichte als interessierte Dritte am 4. August, 31. Oktober und 13. Dezember 2012 Erklärungen zu dem Beschluss über die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens ein.

43      Die italienischen Behörden nahmen am 28. November, 4. und 19. Dezember 2012 sowie am 10. Januar 2013 zu den Erklärungen der Klägerin Stellung.

 Der angefochtene Beschluss

44      Am 2. Oktober 2013 erließ die Kommission den Beschluss 2014/201/EU über den der Simet SpA zu zahlenden Ausgleich für öffentliche Verkehrsdienste im Zeitraum 1987–2003 (Staatliche Beihilfemaßnahme SA.33037 [2012/C] – Italien) (ABl. 2014, L 114, S. 67, im Folgenden: angefochtener Beschluss), in dem sie feststellte, dass die von den italienischen Behörden angemeldete Maßnahme als eine mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV anzusehen sei.

45      Im angefochtene Beschluss stellte die Kommission zunächst fest, dass die angemeldete Maßnahme dem Staat zuzurechnen sei, den Einsatz staatlicher Mittel impliziert habe, der Klägerin einen wirtschaftlichen Vorteil verschafft habe, einen selektiven Charakter gehabt habe und den Wettbewerb in einem Maß habe verfälschen können, dass der Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt worden sei. Die Kommission wies darauf hin, dass die angemeldete Maßnahme nicht das zweite Kriterium erfülle, das vom Gerichtshof im Urteil vom 24. Juli 2003, Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg (C‑280/00, Slg, im Folgenden: Urteil Altmark, EU:C:2003:415), aufgestellt worden sei und dem zufolge die Parameter, anhand deren der Ausgleich berechnet werde, zuvor objektiv und transparent aufzustellen seien. Die Kommission kam daher zu dem Ergebnis, dass die angemeldete Maßnahme eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstelle.

46      Sodann prüfte die Kommission die Frage, ob die angemeldete Maßnahme als eine Ausgleichszahlung anzusehen sei, auf die gemäß Art. 17 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1191/69 die Verpflichtung zur vorherigen Unterrichtung nach Art. 108 Abs. 3 AEUV nicht anwendbar sei.

47      Zu diesem Zweck untersuchte die Kommission zum einen, ob die italienischen Behörden der Klägerin einseitig eine gemeinwirtschaftliche Verpflichtung im Sinne des Art. 1 der Verordnung Nr. 1191/69 auferlegt hatten. Dazu führte sie erstens aus, dass die von der Klägerin jährlich gestellten Anträge auf Verlängerung der Konzession über den gesamten zu prüfenden Zeitraum von 16 Jahren nicht mit der Behauptung der einseitigen Auferlegung einer gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung in Einklang zu bringen seien. Zweitens seien in den Konzessionsbedingungen zwar die Entgelte und die Strecken sowie die Häufigkeit und die Zeitpunkte der Verbindungen festgelegt worden; dies bedeute jedoch nicht zwangsläufig, dass der Klägerin durch die Konzessionen einseitig gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auferlegt worden wären. Drittens habe die Klägerin weder Beweismittel dafür vorgelegt, dass sie tatsächlich Dienste zur Beförderung von Postsachen erbracht habe, noch die entstandenen Nettokosten spezifiziert. Was viertens die Entgelte betreffe, die die Klägerin Fahrgästen für die erbrachten Dienste habe berechnen können, bedeuteten die Tatsache, dass die Entgelte vom Ministerium genehmigt worden seien, und der Verweis auf geregelte Entgelte nicht, dass diese Entgelte nicht ursprünglich von den Unternehmen festgesetzt worden wären. In jedem Fall fielen diese reglementierten Tarife nicht unter eine Tarifpflicht im Sinne des Art. 2 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1191/69, denn diese Bestimmung gelte weder für Verpflichtungen, die sich für alle Wirtschaftstätigkeiten aus allgemeinen preispolitischen Maßnahmen ergäben, noch für Verpflichtungen aus Maßnahmen, die auf dem Gebiet der allgemeinen Beförderungsentgelte und ‑bedingungen im Hinblick auf die Organisation des Verkehrsmarkts oder eines Teils des Verkehrsmarkts beschlossen würden. Fünftens hätten die Entscheidungen des Ministeriums, die Anträge der Klägerin auf die Einführung neuer Dienste oder auf die Ausweitung bereits bestehender Dienste abzulehnen, auf der Regelung der Personenbeförderung im Linienverkehr im Gesetz Nr. 1822/1939 beruht, das die Einführung neuer oder die Ausweitung bestehender Dienste nur insoweit gestatte, als die neuen Konzessionen die Rechte der anderen Anbieter nicht beeinträchtigten. Allgemein gesprochen habe die Klägerin keinen Beweis dafür erbracht, dass sie Anträge auf Änderung der im Lastenheft festgelegten Vorgaben gestellt habe oder dass diese Anträge vom Ministerium abgelehnt worden seien.

48      Zum anderen untersuchte die Kommission, ob die der Klägerin gewährte Ausgleichszahlung mit der in der Verordnung Nr. 1191/69 festgelegten gemeinsamen Ausgleichsmethode vereinbar war.

49      Erstens wies sie darauf hin, dass nach Art. 10 der Verordnung Nr. 1191/69 die Höhe des Ausgleichs bei einer Betriebs- oder Beförderungspflicht dem Unterschied zwischen der Verringerung der Belastung und der Verringerung der Einnahmen des Unternehmens im Fall der völligen oder teilweisen Aufhebung der Verpflichtung während des in Betracht kommenden Zeitraums entsprechen müsse. Nach der Rechtsprechung sei diese Bestimmung nicht erfüllt, wenn es nicht möglich sei, anhand zuverlässiger Daten aus der Buchführung des jeweiligen Unternehmens die Differenz zwischen den Kosten, die auf die von diesem Unternehmen innerhalb des Konzessionsgebiets ausgeübten Tätigkeiten entfielen, und den entsprechenden Einnahmen zu ermitteln, so dass die zusätzlichen Kosten, die sich aus der Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen ergäben, nicht berechnet werden könnten. Zudem müssten Verkehrsunternehmen, die nicht nur gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unterliegende Verkehrsdienste erbrächten, sondern auch in anderen Bereichen tätig seien, nach Art. 1 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1191/69 in der seit dem 1. Juli 1992 geltenden Fassung die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unterliegenden Verkehrsdienste in einem gesonderten Unternehmensbereich erbringen. Dieser müsse mindestens folgende Anforderungen erfüllen: erstens getrennte Rechnungsführung für jeden dieser Tätigkeitsbereiche und entsprechende Zuordnung der Aktiva nach den geltenden Buchungsregeln und zweitens Ausgleich der Ausgaben durch die Betriebseinnahmen und durch die Zahlungen der öffentlichen Hand ohne die Möglichkeit von Transfers von oder zu anderen Unternehmensbereichen. Da die Klägerin keine ordnungsgemäß getrennte Rechnungsführung für die verschiedenen bis 2002 angebotenen Dienste vorgenommen habe und die Zuverlässigkeit der Kostenkonten in der getrennten Rechnungslegung für die Jahre 2002 und 2003 zweifelhaft erscheine, weil es keine Beweise dafür gebe, dass diese Kostenkonten von den Leitungsorganen des Unternehmens tatsächlich für die Überwachung der Geschäftstätigkeit des Unternehmens herangezogen worden seien, sind nach Ansicht der Kommission die Voraussetzungen des Art. 10 der Verordnung Nr. 1191/69 nicht erfüllt worden.

50      Zweitens bemerkte die Kommission, die Klägerin habe weder nachgewiesen, dass sie Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1191/69 eingehalten habe, wonach die wirtschaftlichen Nachteile unter Berücksichtigung der Auswirkungen der Verpflichtung auf die Gesamttätigkeit des Unternehmens hätten ermittelt werden müssen, noch dargetan, dass sie Art. 13 dieser Verordnung beachtet habe, wonach die Höhe des Ausgleichs im Voraus festgelegt werden müsse.

51      An dritter und letzter Stelle wies die Kommission darauf hin, dass die gemeinsame Ausgleichsmethode auf die überregionalen Busverkehrsdienste der Klägerin nur bis zum Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1893/91 am 1. Juli 1992 anzuwenden gewesen sei und somit nicht auf eine Ausgleichsmaßnahme für den Zeitraum von 1987 bis 2003 habe angewandt werden können.

52      Daher kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass die angemeldete Maßnahme die Anforderungen der gemeinsamen Ausgleichsmethode nach der Verordnung Nr. 1191/69 nicht erfüllt habe.

53      Die Kommission zog daraus den Schluss, dass die angemeldete Maßnahme nicht von der Verpflichtung zur vorherigen Unterrichtung nach Art. 17 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1191/69 befreit gewesen sei.

54      Schließlich prüfte die Kommission, ob die angemeldete Maßnahme mit den zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses geltenden Vorschriften, d. h. der Verordnung Nr. 1370/2007, vereinbar war. Sie führte aus, die angemeldete Maßnahme genüge weder bestimmten in Art. 4 der Verordnung festgelegten Verpflichtungen betreffend den Inhalt des öffentlichen Dienstleistungsauftrags noch den in Art. 6 Abs. 1 und im Anhang der Verordnung aufgestellten Verpflichtungen betreffend die getrennte Rechnungsführung des Empfängers der Ausgleichszahlung und die Modalitäten der Festsetzung ihres Höchstbetrags. Daher würde der vom Consiglio di Stato angeordnete Ausgleich nicht nach Maßgabe der Verordnung Nr. 1370/2007 gezahlt. Infolgedessen sei die angemeldete Maßnahme mit dem Binnenmarkt nicht vereinbar. Weiter wies die Kommission das Vorbringen der Klägerin zurück, dass der Consiglio di Stato das Ministerium nicht zur Zahlung einer Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen nach der Verordnung Nr. 1191/69, sondern zum Schadensersatz wegen rechtswidriger Auferlegung einer solchen Verpflichtung im Sinne des Art. 1 Abs. 3 und 5 dieser Verordnung verurteilt habe. Nach Ansicht der Kommission geht aus dem Urteil des Consiglio di Stato hervor, dass dieser den Anspruch der Klägerin auf eine Ausgleichsleistung nach den Art. 6, 10 und 11 der Verordnung Nr. 1191/69 bejaht und deren Klage auf Schadensersatz abgewiesen habe. In jedem Fall würde gegen die Art. 107 AEUV und 108 AEUV verstoßen, wenn der Klägerin für die von ihr behauptete illegale einseitige Auferlegung von gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen Schadensersatz zuerkannt würde, dessen Höhe nach der in der Verordnung Nr. 1191/69 beschriebenen gemeinsamen Ausgleichsmethode zu ermitteln wäre, denn dies würde für die Klägerin auf das Gleiche hinauslaufen wie die Gewährung einer Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen in dem betreffenden Zeitraum, obwohl die für die fraglichen Dienste maßgeblichen Konzessionsbedingungen den wesentlichen Anforderungen der Verordnungen Nr. 1191/69 und Nr. 1370/2007 gerade nicht genügten.

55      Der verfügende Teil des angefochtenen Beschlusses lautet:

Artikel 1

Die von den italienischen Behörden mitgeteilten Ausgleichszahlungen stellen staatliche Beihilfen im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union dar. Im Fall der Beihilfe bestand keine Befreiung von der Pflicht zur vorherigen Unterrichtung nach Artikel 17 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1191/69.

Die Beihilfe ist mit dem Binnenmarkt nicht vereinbar, weil die Bedingungen der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 nicht erfüllt waren. Daher kann die Beihilfe von den italienischen Behörden nicht gewährt werden.

Artikel 2

Dieser Beschluss ist an die Italienische Republik gerichtet.“

 Verfahren und Anträge der Parteien

56      Die Klägerin hat die vorliegende Klage am 6. Januar 2014 erhoben.

57      Die Kommission hat am 24. März 2014 eine Klagebeantwortung eingereicht.

58      Die Klägerin hat am 12. Mai 2014 eine Erwiderung eingereicht. Die Kommission hat am 28. August 2014 eine Gegenerwiderung eingereicht.

59      Am 4. Juni 2015 hat das Gericht der Klägerin im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 64 § 3 Buchst. a und b seiner Verfahrensordnung vom 2. Mai 1991 eine Frage zur schriftlichen Beantwortung vorgelegt. Die Klägerin hat diese Frage am 12. Juni 2015 beantwortet.

60      Die Parteien haben in der Sitzung vom 14. Juli 2015 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

61      Die Klägerin beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

62      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Zur Zulässigkeit

63      Die Kommission führt aus, die Klägerin habe im vorliegenden Verfahren kein Rechtsschutzinteresse mehr, da sie in der Erwiderung erklärt habe, dass sie ihre Klage auf Durchführung des Urteils des Consiglio di Stato (oben in Rn. 33 angeführt) zurückgenommen habe. Der angefochtene Beschluss habe nämlich gerade die Mitteilung der Ausgleichszahlung zum Gegenstand, auf die die Klägerin bei Durchführung dieses Urteils nach dem Mehrheitsgutachten, das im Rahmen des Verfahrens zur Durchführung abgegeben wurde, Anspruch hätte.

64      Dazu ist festzustellen, dass das Rechtsschutzinteresse eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage einer natürlichen oder juristischen Person ist. Ein solches Interesse besteht nur, wenn die Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung als solche Rechtswirkungen haben kann und der Rechtsbehelf der Partei, die ihn eingelegt hat, damit im Ergebnis einen Vorteil verschaffen kann (vgl. Urteil vom 18. März 2010, Centre de Coordination Carrefour/Kommission, T‑94/08, Slg, EU:T:2010:98, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung). Das Rechtsschutzinteresse muss also zum Zeitpunkt der Klageerhebung bestehen.

65      Außerdem muss das Rechtsschutzinteresse bis zum Erlass der gerichtlichen Entscheidung weiter vorliegen, da der Rechtsstreit anderenfalls in der Hauptsache erledigt wäre (vgl. Urteil Centre de Coordination Carrefour/Kommission, oben in Rn. 64 angeführt, EU:T:2010:98, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

66      Ferner muss der Kläger, wenn das Rechtsschutzinteresse, auf das er sich beruft, eine zukünftige Rechtslage betrifft, nachweisen, dass die Beeinträchtigung dieser Rechtslage bereits jetzt feststeht (Beschluss vom 27. März 2012, European Goldfields/Kommission, T‑261/11, EU:T:2012:157, Rn. 29).

67      Sowohl aus dem angefochtenen Beschluss als auch aus den Schriftsätzen der Klägerin geht hervor, dass sich die italienischen Behörden zweimal weigerten, das Urteil des Consiglio di Stato (oben in Rn. 33 angeführt), durch das sie zur Zahlung einer Ausgleichsleistung an die Klägerin verurteilt worden waren, durchzuführen, worauf der Consiglio di Stato auf Antrag der Klägerin am 1. April 2011 einen ersten Durchführungsbeschluss und am 17. Januar 2012 einen zweiten Durchführungsbeschluss erließ.

68      In der Erwiderung hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie ihre Klage auf Durchführung des Urteils des Consiglio di Stato (oben in Rn. 33 angeführt) zurückgenommen habe, sich die Erhebung einer neuen Klage aber vorbehalte.

69      Die Klägerin hat auf eine ihr vom Gericht gemäß Art. 64 § 3 Buchst. a und b der Verfahrensordnung vom 2. Mai 1991 zur schriftlichen Beantwortung vorgelegte Frage erklärt, dass sie den Antrag auf Durchführung des Urteils des Consiglio di Stato (oben in Rn. 33 angeführt) zurückgenommen, aber nicht auf ihren Anspruch auf Durchführung dieses Urteils verzichtet habe und somit bis zum Ablauf der Verjährungsfrist, d. h. bis zum 9. März 2020, erneut Klage auf Durchführung erheben könne. Deshalb habe sie mit Blick auf eine neue Klage auf Durchführung des Urteils des Consiglio di Stato (oben in Rn. 33 angeführt) nach wie vor ein Interesse an der Entscheidung des Rechtsstreits im vorliegenden Verfahren.

70      Somit ist nicht sicher, dass die Klägerin ihren Anspruch auf Durchführung des Urteils des Consiglio di Stato (oben in Rn. 33 angeführt) weiterverfolgt.

71      Im vorliegenden Fall lässt jedoch dieser Umstand an und für sich nicht das Rechtsschutzinteresse der Klägerin entfallen.

72      Wenn das Gericht den angefochtenen Beschluss für nichtig erklären würde, wären die italienischen Behörden jedenfalls nach wie vor verpflichtet, das Urteil des Consiglio di Stato (oben in Rn. 33 angeführt) durchzuführen, und zwar unabhängig davon, ob die Klägerin ihre Klage auf Durchführung dieses Urteils zurückgenommen hat.

73      Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die italienischen Behörden nach dem Wortlaut des angefochtenen Beschlusses „beschlossen [haben], die Bewertung der angemeldeten Maßnahme durch die Kommission abzuwarten, bevor sie [dem oben in Rn. 33 angeführten Urteil des Consiglio di Stato und seinem Beschluss vom 1. April 2011] nachkommen und [der Klägerin] den betreffenden Ausgleich zahlen“.

74      Aufgrund dieser Erwägungen ist festzustellen, dass das Interesse der Klägerin an der Entscheidung des Rechtsstreits fortbesteht.

 Zur Begründetheit

75      Die Klägerin stützt ihre Klage im Wesentlichen auf fünf Gründe: Erstens habe die Kommission dadurch gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV und die Verordnung Nr. 1191/69 verstoßen, dass ihr ein Tatsachenirrtum und offensichtliche Beurteilungsfehler unterlaufen seien und sie den Sachverhalt nicht ausreichend geprüft habe. Zweitens habe sie gegen die Grundsätze verstoßen, die für den Ersatz von Schäden gälten, die Privatpersonen durch die Verletzung des Unionsrechts durch einen Mitgliedstaat entstanden seien. Drittens habe sie gegen die Begründungspflicht verstoßen. Viertens habe sie dadurch gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV verstoßen, dass ihr offensichtliche Beurteilungsfehler bei der Prüfung unterlaufen seien, ob die mitgeteilte Maßnahme die in der Verordnung Nr. 1191/69 vorgesehene gemeinsame Ausgleichsmethode beachtet habe. Fünftens habe die Kommission in die Rechtsprechungstätigkeit des nationalen Gerichts eingegriffen, indem sie im angefochtenen Beschluss Gutachten der Sachverständigengruppe berücksichtigt habe, zu denen der Consiglio di Stato noch nicht Stellung genommen habe.

 Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV und gegen die Verordnung Nr. 1191/69

76      Der erste Klagegrund gliedert sich im Wesentlichen in zwei Teile. Mit dem ersten Teil wird ein Tatsachenirrtum mit der Begründung gerügt, dass die Kommission zu Unrecht angenommen habe, dass der Consiglio di Stato das Ministerium zur Zahlung eines Ausgleichs an die Klägerin nach der Verordnung Nr. 1191/69 verurteilt habe. Mit dem zweiten Teil wird ein offensichtlicher Beurteilungsfehler oder eine ungenügende Prüfung des Sachverhalts mit der Begründung geltend gemacht, dass die Kommission außer Acht gelassen habe, dass die nationalen Vorschriften, aufgrund deren der Klägerin die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen auferlegt worden seien, gegen die Verordnung Nr. 1191/69 verstießen.

–       Zum ersten Teil des ersten Klagegrundes, mit dem ein Tatsachenirrtum gerügt wird

77      Die Klägerin trägt wie schon im Verwaltungsverfahren vor, dass der Consiglio di Stato das Ministerium nicht verurteilt habe, ihr einen Ausgleich nach der Verordnung Nr. 1191/69 zu zahlen, sondern ihr vielmehr den Schaden zu ersetzen, der ihr durch die einseitige Auferlegung einer gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung unter Verstoß gegen diese Verordnung im Zeitraum von 1987 bis 2003 entstanden sei. Der Consiglio di Stato habe auf die zur entscheidungserheblichen Zeit anwendbare Verordnung Nr. 1191/69 nur deshalb verwiesen, um angemessene Kriterien für die Bemessung des Schadens festzulegen, wie dies in Art. 35 des Gesetzesdekrets Nr. 80/1998 ausdrücklich vorgesehen sei. Er habe den Rechtsstreit somit nicht aufgrund der Verordnung Nr. 1191/69 entschieden, sondern habe unter Berücksichtigung der von der Klägerin geltend gemachten Gründe auf die in dieser Verordnung aufgestellten Kriterien nur deshalb verwiesen, um den tatsächlichen Ersatz der Kosten der Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung gemäß dem innerstaatlichen Recht zu beziffern. Anders ausgedrückt habe der Consiglio di Stato entsprechend seiner einschlägigen Rechtsprechung allein den Anspruch auf Ersatz für den erlittenen Verlust anerkannt.

78      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und beantragt, den ersten Klagegrund zurückzuweisen.

79      Das Vorbringen der Klägerin läuft darauf hinaus, dass es sich bei der angemeldeten Maßnahme nicht um eine Ausgleichsleistung für die Auferlegung von gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen im Sinne des Urteils Altmark (oben in Rn. 45 angeführt, EU:C:2003:415) oder der Verordnung Nr. 1191/69 gehandelt habe, sondern um den vom nationalen Gericht gewährten Ersatz des durch die unionsrechtswidrige Auferlegung von gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen entstandenen Schadens.

80      Diesem Vorbringen stehen jedoch die Urteile des TAR Lazio (oben in Rn. 31 angeführt) und des Consiglio di Stato (oben in Rn. 33 angeführt) entgegen.

81      Laut dem Urteil des TAR Lazio (oben in Rn. 31 angeführt) beantragte die Klägerin nämlich im Jahr 2004 bei diesem Gericht, ihren Anspruch auf Zahlung von 66 891 982 Euro als Ausgleich für die Belastungen, die sie seit 1987 in Erfüllung von gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen getragen habe, festzustellen, und zwar als jährlichen Ausgleich nach der Verordnung Nr. 1191/69 in der Fassung der Verordnung Nr. 1893/91 oder als Schadensersatz oder aufgrund eines Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung nach Art. 2041 des italienischen Codice civile (siehe oben, Rn. 31).

82      Sodann ist auf den Inhalt des Urteils des Consiglio di Stato (oben in Rn. 33 angeführt) einzugehen, wie es auch die Kommission getan hat.

83      Der Consiglio di Stato beschrieb in Rn. 2 seines Urteils (oben in Rn. 33 angeführt) den anwendbaren rechtlichen Rahmen und wies darauf hin, dass das Gesetz Nr. 1822/1939 die Vergabe von Konzessionen regele, die privaten Wirtschaftsteilnehmern für in die staatliche Zuständigkeit fallende Busverkehrsdienste erteilt würden, sofern dadurch keine Konkurrenz zu bereits erteilten Konzessionen entstehe. Das Gesetz erlaube dem Ministerium, Subventionen für die Einführung und den Betrieb nach Maßgabe der zurückgelegten Kilometer zu gewähren.

84      Der Consiglio di Stato führte weiter aus: „Die Verordnung Nr. 1893/91 unterscheidet klar zwischen den Verkehrsdiensten, für die ein besonderes öffentliches Interesse besteht (regionale und örtliche Verkehrsdienste), und den Verkehrsdiensten, für die die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen endgültig aufgehoben wurden, unbeschadet der für die Behörden bestehenden Möglichkeit, öffentliche Dienstleistungsaufträge zu vergeben, um eine ausreichende Verkehrsbedienung sicherzustellen, und unbeschadet der Garantien für bestimmte Bevölkerungsgruppen.“

85      Ferner bemerkte der Consiglio di Stato: „Der Gerichtshof hat [im Urteil Altmark] zu der Natur der von den Mitgliedstaaten im Bereich der Verkehrsdienste geleisteten Ausgleichszahlungen Stellung genommen und diese nicht in die Kategorie der staatlichen Beihilfen eingereiht.“

86      Daraus schloss der Consiglio di Stato, dass „der Unternehmer, der in Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen öffentliche Verkehrsdienstleistungen … erbringt, Anspruch auf einen Ausgleich der von ihm getragenen Belastungen hat“.

87      Folglich sei, so der Consiglio di Stato „im Licht der beschriebenen Regelung im vorliegenden Fall zu prüfen, ob [die Klägerin] einen Anspruch auf die vorgesehenen Ausgleichsleistungen hat“.

88      Wie die Kommission zu Recht ausgeführt hat, zeigen diese Erwägungen des Consiglio di Stato, dass er die Begründetheit des Antrags der Klägerin auf eine Ausgleichszahlung für die Erfüllung bestimmter gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen geprüft hat.

89      Nach der Feststellung, dass der „bei Gericht eingereichte Antrag der Gesellschaft auf Feststellung ihres Anspruchs auf einen Ausgleich“ entgegen der Entscheidung des TAR Lazio zulässig gewesen sei, führte der Consiglio di Stato aus, Art. 1 Abs. 5 „der Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 des Rates vom 26. Juni 1969 in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 1893/91“ sehe ausdrücklich die Möglichkeit vor, gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen für den Stadt-, Vorort- und Regionalpersonenverkehr beizubehalten oder aufzuerlegen. In diesem Fall müssten die Mitgliedstaaten für die Belastungen, die sich aus der Entscheidung ergäben, einseitig gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen beizubehalten oder aufzuerlegen, nach den in den Art. 10, 11 und 12 der Verordnung Nr. 1191/69 festgelegten Methoden unabhängig von den in Art. 4 dieser Verordnung genannten Anträgen einen Ausgleich gewähren. Der Consiglio di Stato weist darauf hin, dass „der italienische Gesetzgeber nicht nur von dieser Befugnis keinen Gebrauch gemacht hat, sondern durch den Erlass des Art. 4 Abs. 4 des Gesetzes Nr. 59/97 und des Gesetzesdekrets Nr. 422/97 bestimmt hat, dass die öffentlichen Dienstleistungsaufträge die Verpflichtung zur Zahlung eines Ausgleichs für die Erbringung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen vorsehen [müssen]“.

90      Der Consiglio di Stato wies darauf hin, dass die Verordnung Nr. 1191/69 unmittelbar anwendbar sei, und fügte hinzu, dass „nach dem Gesagten … der Antrag des Erbringers einer gemeinwirtschaftlichen Dienstleistung auf Erstattung der Kosten, die ihm tatsächlich durch die Erbringung dieser Dienstleistung entstanden sind, nicht zurückgewiesen werden kann“.

91      Der Consiglio di Stato kam zu folgendem Ergebnis:

„Der Klage … ist aus den in diesem Urteil dargelegten Gründen stattzugeben. Folglich ist festzustellen, dass die Klägerin einen Anspruch auf die in den Art. 6, 10 und 11 der Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 vorgesehene Ausgleichsleistung hat, deren Betrag nach Art. 35 des Gesetzesdekrets Nr. 80/1998 von den Behörden aufgrund zuverlässiger Daten aus der Buchhaltung der Klägerin zu ermitteln ist, aus denen die Differenz zwischen den Kosten, die auf den von den gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen betroffenen Teil der Tätigkeit der Klägerin entfallen, und den Einnahmen aus dieser Tätigkeit hervorgeht. Zurzeit ist es unmöglich, dem Antrag der Klägerin auf Schadensersatz stattzugeben, da erst nach der endgültigen Festsetzung des Betrags der Ausgleichsleistung durch die Behörden sich eventuell ein nicht von diesem Betrag gedeckter Restschaden zeigen kann, der von der betroffenen Gesellschaft geltend gemacht und nachgewiesen werden muss. Da dem Hauptantrag stattgegeben wurde, ist der von der Klägerin, hilfsweise, geltend gemachte Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung nicht mehr zu prüfen.“

92      Folglich verurteilte der Consiglio di Stato „das Ministerium … zur Zahlung der nach Art. 35 des Gesetzesdekrets Nr. 80/1998 festzusetzenden Beträge in der angegebenen Frist und nach den angegebenen Modalitäten“.

93      Aus dem Urteil des Consiglio di Stato (oben in Rn. 33 angeführt) ergibt sich also ebenfalls, dass dieser zum einen den Anspruch der Klägerin auf die in den Art. 6, 10 und 11 der Verordnung Nr. 1191/69 vorgesehene Ausgleichsleistung für die ihr auferlegten gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen bejaht und zum anderen das Ministerium verurteilt hat, ihr als Ausgleich einen von den Behörden nach Art. 35 des Gesetzesdekrets Nr. 80/1998 festzusetzenden Betrag zu zahlen.

94      Nach Art. 35 Abs. 1 des Gesetzesdekrets Nr. 80/1998 entscheiden die Verwaltungsgerichte über Schadensersatzanträge in den Rechtsstreitigkeiten, für die sie ausschließlich zuständig sind. Nach Art. 35 Abs. 2 können die Verwaltungsgerichte im Rahmen dieser Zuständigkeit die Kriterien festlegen, nach denen die Behörden die Zahlung eines Betrags an den Antragsteller in einer angemessenen Frist vorschlagen müssen.

95      Der bloße Hinweis auf Art. 35 des Gesetzesdekrets Nr. 80/1998 rechtfertigt jedoch entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht den Schluss, dass die angemeldete Maßnahme zwangsläufig den Schaden ersetzen sollte, der durch die Verletzung der Verordnung Nr. 1191/69 durch das nationale Recht im Sinne des Urteils vom 22. Januar 1976, Russo (60/75, Slg, EU:C:1976:9, Rn. 9), entstanden war.

96      Nach dem Wortlaut des Urteils des Consiglio di Stato (oben in Rn. 33 angeführt) hat dieser nämlich nicht festgestellt, dass die nationalen Vorschriften gegen die Verordnung Nr. 1191/69 verstießen, sondern lediglich deren Anwendung ausgeschlossen, um das Bestehen eines auf diese Verordnung gestützten Ausgleichsanspruchs zu bejahen.

97      Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Zahlung, zu der das Ministerium verurteilt wurde, als Ausgleich erfolgen soll und dass dieser nach dem Wortlaut dieses Urteils der Belastung entsprechen soll, die den der Klägerin auferlegten gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen zuzurechnen ist.

98      Ferner setzte der Consiglio di Stato seine Entscheidung über die von der Klägerin erhobene Schadensersatzklage ausdrücklich aus.

99      Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass die angemeldete Maßnahme nicht den Ersatz eines durch die Verletzung der Verordnung Nr. 1191/69 verursachten Schadens, sondern einen Ausgleich für die Belastungen zum Gegenstand hatte, die den nach dieser Verordnung auferlegten gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen zuzurechnen sind.

100    Im Übrigen hat der Consiglio di Stato diese Auslegung seines Urteils (oben in Rn. 33 angeführt) durch seinen Beschluss vom 1. April 2011 bestätigt. Dort heißt es:

„Im Urteil Nr. 1405/2010, auf dessen Gründe sich der Senat bezieht, wurde der Anspruch der Firma Simet auf die in den Art. 6, 10 und 11 der Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 vorgesehene Ausgleichsleistung bejaht und entschieden, dass die Behörden deren Betrag nach Art. 35 des Gesetzesdekrets Nr. 80/1998 binnen einer Frist von 90 Tagen aufgrund zuverlässiger Daten aus der Buchhaltung des betroffenen Unternehmens zu ermitteln haben, aus denen die Differenz zwischen den Kosten, die auf den von der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung betroffenen Teil der Tätigkeit des betroffenen Unternehmens entfallen, und den Einnahmen aus dieser Tätigkeit hervorgeht.“

101    Das Vorbringen der Klägerin, wonach die Auffassung der Kommission, dass der Consiglio di Stato das Ministerium verurteilt habe, der Klägerin einen Ausgleich gemäß der Verordnung Nr. 1191/69 zu zahlen, auf einem Tatsachenirrtum beruhe, ist somit nicht stichhaltig.

102    Im Übrigen könnte die Klägerin, wenn die angemeldete Maßnahme, wie sie meint, nicht als Ausgleich für die Auferlegung von gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen im Sinne der Verordnung Nr. 1191/69 anzusehen wäre, sondern als Ersatz des Schadens, der durch die gegen diese Verordnung verstoßende Auferlegung von gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen verursacht wurde, nicht zugleich geltend machen, dass dieser Schadensersatz schon deshalb nicht als staatliche Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV angesehen werden könne, weil durch ihn die Auferlegung von gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen im Sinne dieser Verordnung habe ausgeglichen werden sollen.

103    Anderenfalls könnten, wie die Kommission in den Erwägungsgründen 131 bis 133 des angefochtenen Beschlusses zutreffend ausgeführt hat, in einer solchen Situation, wenn die als Ausgleich geschuldete Zahlung nicht als Ausgleichsleistung, sondern als Schadensersatzleistung angesehen würde, die Art. 107 AEUV und 108 AEUV umgangen werden.

104    Die Klägerin trägt nichts vor, was die Feststellung, dass die angemeldete Maßnahme die Tatbestandsmerkmale einer staatlichen Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV erfüllt, in Frage stellen könnte. Ihr Vorbringen, diese Maßnahme sei keine Ausgleichsleistung im Sinne der Verordnung Nr. 1191/69, sondern eine Entschädigung für den durch den Verstoß gegen diese Verordnung verursachten Schaden, greift daher nicht durch.

105    Der erste Teil des ersten Klagegrundes ist deshalb zurückzuweisen.

–       Zum zweiten Teil des ersten Klagegrundes: offensichtlicher Beurteilungsfehler oder unzureichende Prüfung der Vereinbarkeit der anwendbaren nationalen Vorschriften mit dem Unionsrecht

106    Die Klägerin erhebt im Wesentlichen zwei Rügen gegen die Kommission.

107    Erstens wirft sie ihr vor, die Vereinbarkeit der nationalen Vorschriften mit dem Unionsrecht nicht von Amts wegen geprüft zu haben. Hätte sie dies getan, so wäre ihr klar geworden, dass die nationalen Vorschriften mit dem Unionsrecht unvereinbar seien und dass der Consiglio di Stato sie aus diesem Grund unangewendet gelassen und das Ministerium verurteilt habe, der Klägerin Schadensersatz zu gewähren.

108    Zweitens rügt sie, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss bestreite, dass der Klägerin unter Verstoß gegen die Verordnung Nr. 1191/69 nach den nationalen Vorschriften gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auferlegt worden seien.

109    Die Kommission macht geltend, der zweite Teil des ersten Klagegrundes sei nach Art. 44 § 1 der Verfahrensordnung vom 2. Mai 1991 unzulässig, da die Vorwürfe der Klägerin in keinem Zusammenhang mit dem Titel des ersten Klagegrundes stünden. Die Klägerin bestreitet dies.

110    Außerdem sind nach Ansicht der Kommission die Anlagen unzulässig, die die Klägerin ihrer Erwiderung zur Begründung ihrer ersten Rüge beigefügt hat. Es handelt sich um italienische Gesetze, nämlich das Gesetz Nr. 1822/1939, das Gesetz Nr. 32/2005 und das Gesetz Nr. 877/86, die die Klägerin vorgelegt hat, um zu zeigen, dass die italienischen Vorschriften gegen die Verordnung Nr. 1191/69 verstießen. Die Kommission macht geltend, zum einen sei die Vorlage dieser Dokumente keine Antwort auf die Argumente in der Klagebeantwortung, zum anderen hätte die Klägerin sie mit der Klageschrift einreichen können. Mangels einer Rechtfertigung der verspäteten Vorlage dieser neuen Beweismittel seien diese somit als unzulässig anzusehen.

111    Im Übrigen hält die Kommission die Rügen der Klägerin für nicht stichhaltig.

112    Die erste Rüge der Klägerin wird auf drei Argumente gestützt, die sich klar voneinander trennen lassen: Das erste Argument geht dahin, dass die Kommission die Vereinbarkeit des nationalen Gesetzes mit dem Unionsrecht von Amts wegen hätte untersuchen müssen; insoweit wird eine Verletzung der Prüfungspflicht geltend gemacht. Das zweite und das dritte Argument gehen dahin, dass das nationale Gesetz mit dem Unionsrecht unvereinbar sei und dass der Consiglio di Stato es aus diesem Grund unangewendet gelassen und das Ministerium verurteilt habe, der Klägerin Schadensersatz zu gewähren; insoweit werden Beurteilungsfehler der Kommission geltend gemacht.

113    Auch die zweite Rüge, mit der die Klägerin der Kommission zum Vorwurf macht, dass sie bestritten habe, dass der Klägerin unter Verstoß gegen die Verordnung Nr. 1191/69 nach den nationalen Vorschriften gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auferlegt worden seien, lässt sich mühelos als Geltendmachung eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers begreifen.

114    Zudem hat die Kommission die Rügen der Klägerin trotz ihrer Formulierung hinreichend verstanden, um in ihrer Klagebeantwortung ausführlich darauf antworten zu können. Deshalb ist die von der Kommission nach Art. 44 § 1 der Verfahrensordnung vom 2. Mai 1991 erhobene Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen.

115    Somit ist die Stichhaltigkeit der Rügen der Klägerin zu prüfen.

116    Die erste Rüge der Klägerin, dass die nationalen Vorschriften gegen das Unionsrecht verstießen und der Consiglio di Stato aus diesem Grund das Ministerium verurteilt habe, der Klägerin Schadensersatz zu gewähren, ist ohne Weiteres zurückzuweisen, da mit ihr nur das Vorbringen wiederholt wird, das im Rahmen der Prüfung des ersten Teils des ersten Klagegrundes zurückgewiesen worden ist.

117    Auch das Vorbringen der Klägerin, die Kommission hätte die Vereinbarkeit der nationalen Vorschriften mit dem Unionsrecht von Amts wegen prüfen müssen, ist als unbegründet zurückzuweisen, denn nach ständiger Rechtsprechung kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, dass sie rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte, die ihr im Verwaltungsverfahren hätten vorgetragen werden können, aber nicht vorgetragen wurden, nicht berücksichtigt hat, da sie nicht verpflichtet ist, von Amts wegen und mutmaßend zu prüfen, welche Gesichtspunkte ihr hätten unterbreitet werden können (Urteile vom 2. April 1998, Kommission/Sytraval und Brink’s France, C‑367/95 P, Slg, EU:C:1998:154, Rn. 60, und vom 3. Februar 2011, Italien/Kommission, T‑3/09, Slg, EU:T:2011:27, Rn. 84).

118    Die Klägerin bestreitet nicht das Vorbringen der Kommission, dass sie die Frage der Vereinbarkeit der nationalen Vorschriften mit der Verordnung Nr. 1191/69 im Verwaltungsverfahren, an dem sie als interessierter Dritter beteiligt war, nicht aufgeworfen hat. Somit ist die erste Rüge der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen, ohne dass über die Zulässigkeit der Anhänge C1, C3 und C4 der Erwiderung entschieden zu werden braucht.

119    Anders als die erste Rüge, die unmittelbar mit dem ersten Teil des ersten Klagegrundes zusammenhängt, betrifft die zweite Rüge einen offensichtlichen Beurteilungsfehler bei der Anwendung der Verordnung Nr. 1191/69. Das Gericht hält es daher für zweckmäßig, diese zweite Rüge mit den anderen Rügen zu prüfen, die den vierten Klagegrund bilden, der genau solche Beurteilungsfehler betrifft.

120    Aufgrund dieser Erwägungen ist der zweite Teil des ersten Klagegrundes und damit der erste Klagegrund insgesamt zurückzuweisen, mit Ausnahme der zweiten Rüge des zweiten Teils, die im Rahmen des vierten Klagegrundes geprüft werden wird.

 Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen die Grundsätze, die für den Ersatz des Schadens gelten, der Einzelnen durch die Verletzung des Unionsrechts durch einen Mitgliedstaat entstanden ist

121    Die Klägerin macht geltend, der Consiglio di Stato habe festgestellt, dass die ihr jedes Jahr erteilten Konzessionen ihren Anspruch auf eine Ausgleichsleistung nach der Verordnung Nr. 1191/69 und nach Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1893/91 ihr Recht, unternehmerische Tätigkeiten ohne gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen zu entfalten, verletzten. Aus diesem Grunde habe er das Ministerium verurteilt, den Schaden gemäß den Grundsätzen zu ersetzen, die für die Haftung der Mitgliedstaaten für durch den Erlass unionsrechtswidriger Verwaltungsakte verursachte Schäden gälten. Er habe angeordnet, den Betrag des Schadensersatzes nach Billigkeit unter Beachtung der in der Verordnung Nr. 1191/69 für die Berechnung des Ausgleichs für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen aufgestellten Kriterien festzusetzen, unbeschadet ihrer Anpassung an die besondere Situation der Klägerin. Ferner habe der Consiglio di Stato ausdrücklich erklärt, dass im Fall des Nachweises eines höheren als des nach den Kriterien dieser Verordnung festgestellten Schadens dieser höhere Schaden gesondert ersetzt werden müsse. Der Schaden könne nämlich größer oder kleiner sein als die Ausgleichsleistung, die dem Unternehmen nach der Verordnung Nr. 1191/69 zustehe. Deshalb habe die Kommission durch die Qualifizierung der angemeldeten Maßnahme als staatliche Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV gegen die Grundsätze verstoßen, die in der Rechtsprechung für den Ersatz der den Einzelnen durch eine Verletzung des Unionsrechts entstandenen Schäden aufgestellt worden seien.

122    Die Klägerin begründet dieses Vorbringen damit, dass die von der Kommission im angefochtenen Beschluss getroffene Feststellung, die im Urteil Altmark (oben in Rn. 45 angeführt, EU:C:2003:415) aufgestellten Kriterien seien nicht erfüllt, im vorliegenden Fall unerheblich sei, da dieses Urteil Fälle betreffe, in denen gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auferlegt werden könnten, während der Klägerin seit 1992 solche Verpflichtungen nicht mehr hätten auferlegt werden können. Für die Zeit davor bestätige die Nichterfüllung dieser Kriterien die Rechtswidrigkeit der Rechtsakte, durch die das Ministerium die jährlichen Konzessionen erteilt habe. Desgleichen spiele die Nichterfüllung der Verpflichtung zur getrennten Rechnungsführung keine Rolle, denn nach 1992 sei sie nicht dazu verpflichtet gewesen, weil ihr von diesem Jahr an keine gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen mehr hätten auferlegt werden können. Jedenfalls verpflichte die Verordnung Nr. 1191/69 die Unternehmen nur zu einer getrennten Rechnungsführung bei den öffentlichen und den privaten Mitteln, um Quersubventionen zu vermeiden. Da die Klägerin keine Ausgleichsleistungen erhalten habe, sei sie nicht zu einer getrennten Rechnungsführung verpflichtet gewesen.

123    Die Kommission widerspricht dem Vorbringen der Klägerin und beantragt Klageabweisung.

124    Der vorliegende Klagegrund beruht auf der Annahme, dass der Consiglio di Stato im vorliegenden Fall die Verwaltung verurteilt habe, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der ihr durch die gegen die Verordnung Nr. 1191/69 verstoßende Auferlegung von gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen entstanden sei. Wie im Rahmen der Prüfung des ersten Teils des ersten Klagegrundes festgestellt worden ist, ergibt sich jedoch aus dem Urteil des Consiglio di Stato (oben in Rn. 33 angeführt), dass diese Annahme falsch ist, da der Consiglio di Stato nicht die Rechtswidrigkeit der nationalen Vorschriften festgestellt hat, sondern den Anspruch der Klägerin auf eine Ausgleichsleistung für die ihr auferlegten gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen nach den Art. 6, 10 und 11 der Verordnung Nr. 1191/69 bejaht und das Ministerium verurteilt hat, ihr als Ausgleich die Differenz zwischen den sich aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen ergebenden Belastungen und den entsprechenden Einnahmen zu zahlen.

125    Deshalb ist der zweite Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen, ohne dass die Stichhaltigkeit des Vorbringens der Klägerin zur angeblich unrichtigen Anwendung des Urteils Altmark (oben in Rn. 45 angeführt, EU:C:2003:415) und zu der Verpflichtung zu getrennter Rechnungsführung nach der Verordnung Nr. 1191/69 geprüft zu werden braucht.

 Zum dritten Klagegrund: Verletzung der Begründungspflicht

126    Mit dem dritten Klagegrund macht die Klägerin erneut geltend, dass der Consiglio di Stato das Ministerium verurteilt habe, ihr Schadensersatz wegen der gegen die Verordnung Nr. 1191/69 verstoßenden Auferlegung von gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen zu gewähren. Sie bringt allerdings daneben noch verschiedene Argumente und Rügen vor, von denen einige sich auf eine Verletzung der Begründungspflicht oder eine unzureichende Prüfung des Sachverhalts und andere auf offensichtliche Beurteilungsfehler bei der Anwendung der Verordnung Nr. 1191/69 beziehen.

127    Um Klarheit bei der Wiedergabe der Klage zu schaffen, wird das Vorbringen, mit dem offensichtliche Beurteilungsfehler bei der Anwendung der Verordnung Nr. 1191/69 gerügt werden, ebenso wie die Rügen des zweiten Teils des ersten Klagegrundes im Rahmen des vierten Klagegrundes geprüft werden.

128    Ferner beschränkt sich das Gericht im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes auf die Prüfung des Vorbringens, mit dem die Klägerin eine Verletzung der Begründungspflicht geltend macht, da es bereits im Rahmen der Prüfung des ersten Teils des ersten Klagegrundes auf ihr Vorbringen zu dem angeblichen Tatsachenirrtum bei der Auslegung des Urteils des Consiglio di Stato (oben in Rn. 33 angeführt) eingegangen ist.

129    Nach ständiger Rechtsprechung muss die nach Art. 296 AEUV vorgeschriebene Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihm die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und nach dem Interesse zu beurteilen, das die Adressaten oder andere durch den Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 296 AEUV genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts, sondern auch seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet zu beurteilen ist (Urteile Kommission/Sytraval und Brink’s France, oben in Rn. 117 angeführt, EU:C:1998:154, Rn. 63, vom 22. Juni 2004, Portugal/Kommission, C‑42/01, Slg, EU:C:2004:379, Rn. 66, und vom 15. April 2008, Nuova Agricast, C‑390/06, Slg, EU:C:2008:224, Rn. 79).

130    Im Übrigen ist vom Gericht bei der Frage der Einhaltung der Begründungspflicht die materielle Rechtmäßigkeit der Gründe, mit denen die Kommission ihre Entscheidung gerechtfertigt hat, nicht zu prüfen. Im Rahmen eines Klagegrundes, der auf eine fehlende oder unzureichende Begründung gestützt wird, sind Rügen und Argumente, die sich gegen die Stichhaltigkeit der angefochtenen Entscheidung richten, daher als unerheblich anzusehen (Urteil vom 15. Juni 2005, Corsica Ferries France/Kommission, T‑349/03, Slg, EU:T:2005:221, Rn. 58 und 59).

131    Anhand dieser Grundsätze ist zu untersuchen, ob die Kommission im vorliegenden Fall ihrer Begründungspflicht genügt hat.

–       Zur ersten Rüge, mit der geltend gemacht wird, dass die Kommission ihre Auffassung, dass die Rechnungsführung der Klägerin nicht zuverlässig sei, nicht begründet habe

132    Die Klägerin wirft der Kommission im Wesentlichen vor, im angefochtenen Beschluss nicht erklärt zu haben, weshalb die Rechnungsführung der Klägerin in ihren Augen nicht zuverlässig sei. Mit dieser Behauptung habe sie die These des Minderheitsgutachtens der vom Consiglio di Stato eingesetzten Sachverständigengruppe übernommen, ohne auf die Argumente des Mehrheitsgutachtens dieser Gruppe einzugehen. In diesem Rahmen wirft die Klägerin der Kommission ferner vor, ihre Konten nicht selbst geprüft zu haben.

133    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und beantragt, den ersten Teil des dritten Klagegrundes zurückzuweisen.

134    Vorab ist zu bemerken, dass der Vorwurf der Klägerin, die Kommission habe ihre Rechnungsführung nicht geprüft, nichts mit einer Verletzung der Begründungspflicht zu tun hat, deren Umfang oben in Rn. 129 dargelegt worden ist, sondern sich auf eine unzureichende Prüfung des Sachverhalts bezieht.

135    Ferner hat die Kommission, wie aus dem angefochtenen Beschluss hervorgeht, die Zuverlässigkeit der Rechnungsführung der Klägerin entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht für den gesamten Zeitraum in Frage gestellt.

136    Im 115. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses weist die Kommission auf den Grundsatz hin, den der Gerichtshof in seinem Urteil vom 7. Mai 2009, Antrop u. a. (C‑504/07, Slg, EU:C:2009:290) aufgestellt hat, wonach die Anforderungen des Art. 10 der Verordnung Nr. 1191/69 nicht erfüllt sind, wenn es „nicht möglich ist, anhand zuverlässiger Daten [aus der Buchführung des jeweiligen Unternehmens] die Differenz zwischen den Kosten, die auf die von [diesem Unternehmen] innerhalb des Konzessionsgebiets ausgeübten Tätigkeiten entfallen, und den entsprechenden Einnahmen zu ermitteln, so dass die zusätzlichen Kosten, die sich aus der Erfüllung der Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes [durch dieses Unternehmen] ergeben und für die gemäß den Konzessionsbedingungen eine staatliche Beihilfe gewährt werden kann, nicht berechnet werden können“.

137    Im 117. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses stellte die Kommission fest:

„In dieser Sache hat Simet keine ordnungsgemäß getrennte Rechnungsführung für die verschiedenen bis 2002 angebotenen Dienste vorgenommen; außerdem erscheint die Zuverlässigkeit der Kostenkonten in der getrennten Rechnungslegung für die Jahre 2002 und 2003 zweifelhaft, da keine Beweismittel dafür vorliegen, dass diese Kostenkonten von den Leitungsorganen des Unternehmens tatsächlich für die Kontrolle seiner Geschäftstätigkeit herangezogen worden wären. Insoweit ist festzustellen, dass die Anforderungen von Artikel 10 nicht erfüllt wurden.“

138    In den Erwägungsgründen 127 und 128 wiederholte die Kommission dieselben Argumente im Rahmen der Prüfung der Vereinbarkeit der angemeldeten Maßnahme mit der Verordnung Nr. 1370/2007 und führte aus:

„Nach Artikel 6 Absatz 1 unterliegen Ausgleichsleistungen bei direkt vergebenen öffentlichen Dienstleistungsaufträgen den Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 sowie den Bestimmungen des Anhangs, um sicherzustellen, dass der Ausgleich nicht über das Maß hinausgeht, das zur Erfüllung der betreffenden Gemeinwohlverpflichtung erforderlich ist. Dieser Anhang sieht u. a. getrennte Konten vor (Nummer 5) und legt fest, wie die maximale Höhe des Ausgleichs zu ermitteln ist.

Wie in Erwägungsgrund 115 erläutert, hat Simet im überwiegenden Teil des von der Anmeldepflicht betroffenen Zeitraums (in den Jahren 1987‑2001) keine ordnungsgemäß getrennte Rechnungslegung vorgenommen, und die Zuverlässigkeit der Kostenkonten … ist als zweifelhaft zu bewerten. Entsprechend kann nicht nachgewiesen werden, dass ein letztlich gezahlter Ausgleich den Betrag nicht überschreiten würde, der dem finanziellen Nettoergebnis der auf die Erfüllung der Gemeinwohlverpflichtung zurückzuführenden Summe der positiven und negativen Auswirkungen auf die Kosten und die Einnahmen des mit der Erfüllung der Gemeinwohlverpflichtung betrauten Unternehmens entsprechen würde (Nummer 2 des Anhangs).“

139    Aus diesen Erwägungsgründen ergibt sich, dass die Kommission außer für die Jahre 2002 und 2003 die Zuverlässigkeit der Rechnungsführung der Klägerin nicht in Zweifel gezogen, sondern lediglich festgestellt hat, dass es mangels tatsächlich getrennter Konten unmöglich sei, die Gefahr einer Überkompensation auszuschließen, wie dies in Art. 10 der Verordnung Nr. 1191/69 und Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1370/2007 vorgeschrieben sei. Demnach entbehrt die Rüge der Klägerin für den Zeitraum 1987 bis 2001 der tatsächlichen Grundlage.

140    Im Übrigen begründete die Kommission ihre Zweifel an der Zuverlässigkeit der Kostenkonten für die Jahre 2002 und 2003 damit, dass es keine Beweise dafür gebe, dass die Kostenkonten von den Leitungsorganen der Klägerin tatsächlich für die Überwachung der Geschäftstätigkeit des Unternehmens genutzt worden wären. Die Klägerin konnte also die Überlegungen der Kommission zu dieser Frage nachvollziehen.

141    Deshalb ist diese Rüge insgesamt zurückzuweisen.

–       Zur zweiten Rüge, mit der geltend gemacht wird, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss nicht erklärt habe, weshalb ihrer Meinung nach eine Kapitalrendite oberhalb des Swap-Satzes zuzüglich 100 Basispunkten im Regelfall nicht als geeigneter Maßstab für die Berechnung des angemessenen Gewinns zu betrachten sei

142    Die Klägerin wirft der Kommission vor, ohne irgendeine Begründung behauptet zu haben, dass eine Kapitalrendite oberhalb des Swap-Satzes zuzüglich 100 Basispunkten im Regelfall nicht als geeigneter Maßstab für die Berechnung des angemessenen Gewinns zu betrachten sei.

143    Die Kommission tritt diesem Vorbringen der Klägerin entgegen und beantragt, den ersten Teil des dritten Klagegrundes zurückzuweisen.

144    Die von der Klägerin kritisierte Behauptung betreffend die Rendite des von ihr jedes Jahr in den Betrieb der überregionalen Linienbusverbindungen investierten Kapitals findet sich im 129. Erwägungsgrund und damit in dem Teil des angefochtenen Beschlusses, der die Vereinbarkeit der angemeldeten Maßnahme mit der Verordnung Nr. 1370/2007 betrifft.

145    Der 129. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses lautet:

„Da die Parameter für die Ermittlung des Ausgleichs nicht im Voraus festgelegt wurden, muss jede Kostenaufteilung zwangsläufig nachträglich auf der Grundlage willkürlicher Annahmen erfolgen; dies war sowohl beim ursprünglichen Gutachten als auch beim Mehrheitsgutachten der Fall. Die Kommission kann die im Mehrheitsgutachten vorausgesetzten Annahmen nicht anerkennen, wonach auf sämtliche von dem Unternehmen erbrachten Dienste zwangsläufig anteilig jeweils die gleichen Einnahmen und Kosten entfallen müssten. Da eine nachträgliche Berechnung notwendigerweise zu einem vollständigen Ausgleich der bei der Erbringung der betreffenden Dienste entstandenen Kosten führt, ist die Kommission der Auffassung, dass eine Kapitalrendite oberhalb des relevanten Swap-Satzes zuzüglich 100 Basispunkten (wie sowohl im ursprünglichen Gutachten als auch im Mehrheitsgutachten angenommen) im Regelfall nicht als geeigneter Maßstab für die Berechnung des angemessenen Gewinns zu betrachten ist.“

146    Laut dem 129. Erwägungsgrund rechtfertigte die Kommission die Behauptung, dass die im Mehrheitsgutachten vorgeschlagene Kapitalrendite im Regelfall nicht als geeigneter Maßstab für die Berechnung des angemessenen Gewinns zu betrachten sei, damit, dass eine nachträgliche Berechnung des Ausgleichsbetrags immer zu einem vollständigen Ausgleich der Kosten führe, die bei der Erbringung der mit gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen belasteten Dienste entstanden seien. Die Kommission hat also ihre Behauptung sehr wohl gerechtfertigt und somit ihrer Begründungspflicht genügt.

147    Die Frage, ob diese Rechtfertigung schlüssig ist, was die Klägerin u. a. verneint, ist im Rahmen der Begründetheit des angefochtenen Beschlusses zu untersuchen. Die dazu von der Klägerin vorgebrachten Argumente sind deshalb unter Berücksichtigung der oben in Rn.130 angeführten Rechtsprechung im Rahmen eines Klagegrundes, mit dem die Verletzung der Begründungspflicht geltend gemacht wird, unerheblich und liegen neben der Sache.

148    Die zweite Rüge des dritten Klagegrundes greift daher nicht durch.

149    Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist der dritte Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum vierten Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV aufgrund mehrerer offensichtlicher Beurteilungsfehler der Kommission bei der Anwendung der Verordnung Nr. 1191/69 geltend gemacht wird

150    Die Klägerin erhebt in der Klageschrift mehrere Vorwürfe gegen die Kommission, die offensichtliche Beurteilungsfehler bei der Anwendung der Verordnung Nr. 1191/69 betreffen. Diese können in einem einzigen Klagegrund zusammengefasst werden, mit dem die Verletzung des Art. 107 Abs. 1 AEUV gerügt wird.

151    Die Klägerin wendet sich gegen die Auffassung der Kommission, dass die angemeldete Maßnahme mangels einer getrennten Rechnungslegung zwangsläufig die Gefahr einer Überkompensation mit sich gebracht habe und folglich nicht mit der in der Verordnung Nr. 1191/69 vorgesehenen gemeinsamen Ausgleichsmethode vereinbar sei. Dazu trägt die Klägerin vor, dass sie vor 1992 nicht zu einer getrennten Rechnungslegung verpflichtet gewesen sei, da sie keine Ausgleichsleistungen erhalten habe, und nach 1992 nicht zu einer getrennten Rechnungslegung habe verpflichtet werden können, da es nicht mehr möglich gewesen sei, ihr einseitig gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen aufzuerlegen. Deshalb sei das Urteil Antrop u. a. (oben in Rn. 136 angeführt, EU:C:2009:290) nicht auf sie anwendbar. Außerdem habe mit der im Mehrheitsgutachten vorgeschlagenen Berechnungsmethode die Gefahr einer Überkompensation vermieden werden können, da diese Methode auf einer nachträglichen Rekonstruktion der ihr für die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen entstandenen Kosten beruht habe.

–       Zur ersten Rüge, wonach die Kommission zu Unrecht bestritten habe, dass die Klägerin gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen im Sinne der Verordnung Nr. 1191/69 unterlegen habe

152    Die Klägerin wendet sich gegen das Vorbringen der Kommission, mit dem diese bestritten hat, dass die Klägerin gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen im Sinne der Verordnung Nr. 1191/69 unterlegen habe.

153    Die Kommission widerspricht diesem Vorbringen.

154    Die vorliegende Rüge betrifft das zentrale Problem der vorliegenden Rechtssache. Zwar bejahte der Consiglio di Stato in seinem Urteil (oben in Rn. 33 angeführt) einen Ausgleichsanspruch der Klägerin gemäß den Art. 6, 10 und 11 der Verordnung Nr. 1191/69, gab aber nicht ausdrücklich eine Anspruchsgrundlage hierfür an. Er stellte lediglich fest, dass dieser Anspruch den Betreibern eines gemeinwirtschaftlichen Dienstes angesichts der ihnen daraus entstehenden Kosten nicht abgesprochen werden könne.

155    Nach Auffassung der Klägerin zog der Consiglio di Stato damit die logische Folgerung aus dem Umstand, dass der nationale Gesetzgeber den Personenverkehr mit Linienbussen als öffentliche Dienstleistung, deren Erbringung privaten Unternehmen unter vom Staat festgesetzten Bedingungen übertragen werde, ausgestaltet habe und dadurch diesen Unternehmen – und damit der Klägerin – zwangsläufig mit dem Begriff des öffentlichen Dienstes verbundene Verpflichtungen auferlegt habe, was im Widerspruch zu der Verordnung Nr. 1191/69 stehe, nach der die Mitgliedstaaten derartige Verpflichtungen gerade hätten abschaffen sollen.

156    Dieses Vorbringen der Klägerin vermag jedoch aus folgenden Gründen nicht zu überzeugen.

157    Was erstens die Verpflichtungen betrifft, denen die Klägerin gemäß den jährlichen Konzessionsentscheidungen von 1987 bis zum 30. Juni 1992 – dem Zeitraum, in dem die Verordnung Nr. 1191/69 in ihrer ursprünglichen Fassung auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar war –, unterlag, ist daran zu erinnern, dass nach Art. 1 Abs. 1 und 2 dieser Verordnung es die auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehrs auferlegten, in dieser Verordnung definierten gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen waren, die die Mitgliedstaaten grundsätzlich aufheben sollten.

158    Zunächst muss klargestellt werden, dass die Festsetzung der Preise pro Fahrgast in den jährlichen Konzessionsentscheidungen und die Verpflichtung, die Preistabelle bei der örtlichen Stelle des Ministeriums zur vorherigen Genehmigung einzureichen, nicht als Tarifpflichten im Sinne des Art. 2 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1191/69 anzusehen sind.

159    Nach der Rechtsprechung wird nämlich die Tarifpflicht nicht allein durch die behördliche Festsetzung oder Genehmigung der Beförderungstarife, sondern darüber hinaus durch die zwei weiteren kumulativ geforderten Voraussetzungen gekennzeichnet, dass es sich um „besondere“ Tarifmaßnahmen, die bestimmte Gruppen von Reisenden, bestimmte Güterarten oder bestimmte Verkehrswege betreffen, und ferner um dem kaufmännischen Interesse des Unternehmens zuwiderlaufende Maßnahmen handelt. Diese Auslegung wird durch Art. 2 Abs. 5 Unterabs. 2 bestätigt, wonach die „allgemeinen preispolitischen Maßnahmen“ ebenso wenig wie die „Maßnahmen, die auf dem Gebiet der allgemeinen Beförderungsentgelte und ‑bedingungen im Hinblick auf die Organisation des Verkehrsmarkts oder eines Teils des Verkehrsmarkts beschlossen werden“, Tarifpflichten begründen (Urteil vom 27. November 1973, Nederlandse Spoorwegen, 36/73, Slg, EU:C:1973:130, Rn. 11 bis 13).

160    Die Klägerin trägt zwar vor, dass die Festsetzung der Entgelte ihren wirtschaftlichen Interessen zuwidergelaufen sei, da die Entgelte für Busfahrten nicht höher hätten sein dürfen als die Entgelte der italienischen Eisenbahngesellschaft für Bahnfahrten zweiter Klasse. Sie hat aber nicht geltend gemacht und erst recht nicht nachgewiesen, dass die Festsetzung der Entgelte in den jährlichen Konzessionsentscheidungen bestimmte Gruppen von Reisenden, bestimmte Güterarten oder bestimmte Verkehrswege betroffen habe.

161    Zwar können bestimmte in den jährlichen Konzessionsentscheidungen enthaltene Verpflichtungen unter die „Betriebspflicht“ oder die „Beförderungspflicht“ im Sinne des Art. 2 Abs. 3 bzw. Abs. 4 der Verordnung Nr. 1191/69 subsumiert werden, etwa die Pflicht zur Festlegung der Strecken einschließlich des Bestimmungsorts und des Streckenverlaufs, der Anzahl, der Häufigkeit und der Dauer der Fahrten, die Pflicht zur sofortigen Bekanntgabe jeder Unterbrechung, Aussetzung oder Änderung des Dienstes, die Pflicht zur Einholung einer vorherigen Genehmigung des Kaufs von für den Dienst bestimmten Fahrzeugen oder der Nutzung von für den Dienst bestimmten Fahrzeugen für einen anderen Zweck durch die örtliche Stelle des Ministeriums, die Pflicht zur Ausgabe von Fahrscheinen für die Beförderung von Personen, von Gepäck und von landwirtschaftlichen Sendungen und zu ihrer Aufbewahrung während fünf Jahren, die Pflicht zur Kontrolle der Buchführung der Klägerin durch die Beamten der örtlichen Stelle des Ministeriums sowie die gesetzliche Pflicht, kostenlos Pakete für die Postverwaltung zu befördern, doch stand es der Klägerin nach dem in den italienischen Vorschriften vorgesehenen System frei, die Verlängerung der jährlichen Konzessionsentscheidungen zu beantragen oder darauf zu verzichten, wenn die mit dem Betrieb einer überregionalen Linienbusverbindung verbundenen gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen ihr nicht zusagten.

162    Folglich handelt es sich bei diesen Verpflichtungen nicht um Verpflichtungen, die der Staat gemäß Art. 1 der Verordnung Nr. 1191/69 einseitig auferlegt, um eine ausreichende Verkehrsbedienung sicherzustellen.

163    Die Klägerin scheint hier, wie die Kommission bemerkt hat, die einseitige Auferlegung von gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen durch die Behörden, die nach der Verordnung Nr. 1191/69 zu einem Ausgleich nach den in den Art. 10 bis 13 dieser Verordnung vorgesehenen gemeinsamen Ausgleichsmethoden führen muss, mit dem freiwilligen Eingehen einer vertraglichen Beziehung zu verwechseln, die die Erbringung bestimmter, wenn auch nach Maßgabe des öffentlichen Interesses festgelegter Verkehrsdienstleistungen zum Inhalt hat und für die die Verordnung Nr. 1191/69 keine Ausgleichsverpflichtung vorsieht.

164    Die von der Klägerin dazu vorgebrachten Argumente sind zudem nicht überzeugend. Sie trägt nämlich vor, dass sie nach dem nationalen Recht ihren Antrag auf eine Konzession nur nach den von den Behörden vorab festgelegten am öffentlichen Interesse ausgerichteten Kriterien habe stellen können. So habe sie in Wirklichkeit nur die Wahl gehabt, die Personenbeförderung auf überregionalen Strecken durchzuführen oder darauf zu verzichten.

165    Nach Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1191/69 war es Sache der Verkehrsunternehmen, bei den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten die völlige oder teilweise Aufhebung einer gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung zu beantragen, wenn ihnen aus dieser Verpflichtung wirtschaftliche Nachteile erwuchsen. Nach Art. 4 Abs. 2 der Verordnung konnten „[d]ie Verkehrsunternehmen … vorschlagen, das gegenwärtig benutzte Verkehrsmittel durch ein anderes zu ersetzen“. Die Klägerin hat jedoch, wie die Kommission von ihr unwidersprochen im angefochtenen Beschluss vorgetragen hat, keinen solchen Antrag gestellt. Dies deutet darauf hin, dass die Klägerin freiwillig und regelmäßig die Verpflichtungen akzeptierte, die in den Lastenheften vorgesehen und in den jährlichen Konzessionsentscheidungen enthalten waren.

166    Den Ausführungen der Klägerin zufolge musste der Antragsteller nach den nationalen Vorschriften erstens klar und detailliert angeben, welche im Gemeinwohl liegenden Bedürfnisse der vorherige Konzessionär nicht befriedigt habe, und sich zu deren Befriedigung verpflichten. Zweitens habe das Ministerium die jährlichen Konzessionen vorzugsweise solchen Unternehmen erteilt, die „dartat[en], dass [sie] andere Verpflichtungen hinsichtlich Werk- oder Dienstleistungen von örtlichem Interesse in Verbindung mit den Beförderungsleistungen übernehmen würde[n], und imstande war[en], diese zu erfüllen“. Drittens seien die Konzessionen ab 1994 nur nach einer öffentlichen kontradiktorischen Zusammenkunft der interessierten Parteien erteilt worden, in der „das tatsächliche Bestehen eines öffentlichen Interesses“ habe bestätigt werden müssen. All dies ist jedoch nicht geeignet, die Feststellung in Frage zu stellen, dass die Klägerin freiwillig die in den Lastenheften enthaltenen gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen akzeptiert hat und dass sie zu keinem Zeitpunkt die nach der Regelung mögliche Aufhebung oder Änderung dieser Verpflichtungen beantragt hat.

167    Auch das Vorbringen der Klägerin, die Auferlegung von gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen im Sinne der Verordnung Nr. 1191/69 ergebe sich ebenfalls daraus, dass sie in der Vergangenheit entsprechende Ausgleichsleistungen nach dem Gesetz Nr. 877/86 erhalten habe, vermag nicht zu überzeugen. Sie hat nämlich nicht dargetan, dass dieses Gesetz die Gewährung einer Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen bezweckte, die den Verkehrsunternehmen im Sinne der Verordnung Nr. 1191/69 einseitig auferlegt worden waren. Im Übrigen schließt das in diesem Gesetz aufgestellte Kriterium für die Berechnung der Beihilfe, nämlich die Anzahl der zurückgelegten Kilometer, eine Gleichstellung dieser Beihilfe mit einer Ausgleichsleistung im Sinne der Verordnung Nr. 1191/69 aus, denn die Verordnung enthält eine besondere Methode der Berechnung der Ausgleichsleistungen, die den Verkehrsunternehmen für ihnen auferlegte gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen geschuldet wurden.

168    Nach Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1191/69 sind gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen „die Verpflichtungen, die das Verkehrsunternehmen im eigenen wirtschaftlichen Interesse nicht oder nicht im gleichen Umfang und nicht unter den gleichen Bedingungen übernehmen würde“. Es ist jedoch kaum vorstellbar, dass die Klägerin die Verlängerung der verschiedenen Konzessionen trotz der in den Lastenheften aufgestellten und in den jährlichen Konzessionsentscheidungen enthaltenen Betriebs- und Beförderungspflicht beantragte, ohne ein wirtschaftliches Interesse daran zu haben.

169    Dazu trägt die Klägerin lediglich vor, dass die in den jährlichen Konzessionsentscheidungen enthaltenen Verpflichtungen ihre wirtschaftliche Entfaltungsfreiheit eingeschränkt hätten, was dadurch belegt werde, dass das Ministerium ihre Anträge auf Änderung der Streckenführung und des Fahrplans mehrfach abgelehnt habe. Aus den Dokumenten, die sie zur Untermauerung dieser Behauptung eingereicht hat, ergibt sich jedoch zum einen, dass die Änderungsanträge nicht die ihr bereits zugeteilten und von ihr betriebenen Verbindungen betrafen, sondern deren Ausweitung. Zum anderen konnte, wie die Kommission im angefochtenen Beschluss ausführte, aufgrund der Ausschließlichkeit der Konzessionen, die das Ministerium den Unternehmen für die Personenbeförderung im Linienverkehr erteilte und in deren Genuss die Klägerin selbst gekommen war, ihren „Ausweitungsanträgen“ nur dann stattgegeben werden, wenn dadurch nicht die Rechte eines anderen Verkehrsunternehmens beeinträchtigt wurden.

170    Zweitens konnten die Verpflichtungen, denen die Klägerin aufgrund der jährlichen Konzessionsentscheidungen vom 1. Juli 1992 bis zum Jahr 2003 – also in dem Zeitraum, in dem die Verordnung Nr. 1191/69 in der Fassung der Verordnung Nr. 1893/91 auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar war – unterlag, ihr keinesfalls einen Anspruch auf eine Ausgleichsleistung verleihen.

171    Nach Art. 1 der Verordnung Nr. 1191/69 in seiner ab dem 1. Juli 1992 geltenden Fassung konnten nämlich nur die Unternehmen, die Stadt-, Vorort‑ und Regionalverkehrsdienste betrieben, einen Ausgleich erhalten, wenn der Staat beschloss, ihnen gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen aufzuerlegen oder solche Verpflichtungen ihnen gegenüber aufrechtzuerhalten.

172    Die Tätigkeit der Klägerin, um die es hier geht, besteht jedoch unstreitig im Betrieb überregionaler Linienbusverbindungen, so dass der Staat ihr ab dem 1. Juli 1992 keine gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen mehr auferlegen konnte mit der Folge, dass sie auch keinen Anspruch auf eine Ausgleichsleistung für die sich aus derartigen Verpflichtungen ergebenden Belastungen geltend machen konnte.

173    Selbst wenn die Klägerin aufgrund der von ihr erbrachten Dienste einem Regionalverkehrsunternehmen hätte gleichgestellt werden können, wären die Verpflichtungen, denen sie gemäß den jährlichen Konzessionsentscheidungen unterlag, aufgrund des Umstands, dass sie ihr nicht einseitig auferlegt wurden, notwendigerweise unter die Regelung des in Art. 14 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1191/69 in der ab dem 1. Juli 1992 geltenden Fassung vorgesehenen Vertrags gefallen, der eine besondere Finanzierungsregelung enthielt, die für einen Ausgleich nach den Methoden gemäß den Abschnitten II, III und IV der Verordnung keinen Raum ließ (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. März 2004, Danske Busvognmænd/Kommission, T‑157/01, Slg, EU:T:2004:76, Rn. 79).

174    Nach alledem ist festzustellen, dass die Klägerin nicht nachgewiesen hat, dass das Vorbringen der Kommission im angefochtenen Beschluss, dass die italienischen Behörden der Klägerin im Zeitraum von 1987 bis 2003 nicht einseitig gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen im Sinne der Verordnung Nr. 1191/69 auferlegt hätten, auf einem offensichtlichen Beurteilungsfehler beruht.

175    Die erste Rüge des vierten Rechtsmittelgrundes ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

–       Zur zweiten Rüge, wonach die Kommission zu Unrecht angenommen habe, dass die Klägerin das Vorliegen eines wirtschaftlichen Nachteils, der die Gewährung einer Ausgleichsleistung nach Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1191/69 rechtfertige, nicht dargetan habe

176    Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, die Kommission habe zu Unrecht angenommen, dass sie nicht nachgewiesen habe, dass die wirtschaftlichen Nachteile unter Berücksichtigung der Auswirkungen der Verpflichtung auf die Gesamttätigkeit des Unternehmens gemäß Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1191/69 ermittelt worden seien. Im vorliegenden Fall sei die Gefahr einer Überkompensation dadurch gebannt worden, dass die Verluste, die der Klägerin durch die von ihr übernommenen gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen entstanden seien, nachträglich berechnet worden seien.

177    Die Kommission tritt diesem Vorbringen der Klägerin entgegen und beantragt, die vorliegende Rüge zurückzuweisen.

178    Im Einklang mit der Kommission ist festzustellen, dass es sich bei dem wirtschaftlichen Nachteil und der Gefahr einer Überkompensation um zwei verschiedene Aspekte handelt. So ist nach den Art. 5, 10 und 11 der Verordnung Nr. 1191/69 der Nachweis eines wirtschaftlichen Nachteils für die Festsetzung der Höhe der Ausgleichsleistung erforderlich, die einem Verkehrsunternehmen für die einseitige Auferlegung von gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen geschuldet wird. Die Gefahr einer Überkompensation kann sich dagegen aus einer Vielzahl von Faktoren ergeben, die zu einem höheren als dem dem fraglichen Unternehmen nach der Verordnung geschuldeten Ausgleich führen können. In der vorliegenden Rechtssache hat die Kommission zwar erklärt, dass die angemeldete Maßnahme gegen Art. 10 der Verordnung Nr. 1191/69 verstoße, weil es tatsächlich keine getrennte Rechnungsführung gegeben habe, die allein die Gefahr einer Überkompensation nach ihrer Auffassung hätte ausschließen können, doch hat sie auch festgestellt, dass diese Maßnahme Art. 5 Abs. 1 der Verordnung verletze, da die Klägerin nicht nachgewiesen habe, dass die wirtschaftlichen Nachteile unter Berücksichtigung der Auswirkungen der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung auf die Gesamttätigkeit des Unternehmens ermittelt worden seien. Da die Klägerin nichts Konkretes dafür vorgetragen hat, dass sie den fraglichen Nachweis doch geführt hat, ist diese Rüge als unbegründet zurückzuweisen.

–       Zur dritten Rüge, mit der der Kommission vorgeworfen wird, ebenso wie das Ministerium gemeint zu haben, im Mehrheitsgutachten sei zu Unrecht behauptet worden, dass sich das eingesetzte Kapital nicht auf den Betrag des den gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen zuzurechnenden Kapitals beschränkt habe

179    Die Klägerin wirft der Kommission vor, ebenso wie das Ministerium gemeint zu haben, im Mehrheitsgutachten sei zu Unrecht behauptet worden, dass sich das eingesetzte Kapital nicht auf den Betrag des den gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen zuzurechnenden Kapitals beschränkt habe.

180    Die Kommission tritt diesem Vorbringen der Klägerin entgegen und beantragt, die vorliegende Rüge zurückzuweisen.

181    Dazu ist zu bemerken, dass die Rüge der Klägerin sachlich unrichtig ist. Sie wirft der Kommission nämlich vor, sich die Kritik der italienischen Behörden an dem Mehrheitsgutachten zu eigen gemacht zu haben, soweit es um das Kapital geht, das die Klägerin im Rahmen des Betriebs der überregionalen Linienbusverbindungen, die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unterlagen, eingesetzt hat. Die Klägerin verweist hierzu auf den 62. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses. Dieser Erwägungsgrund findet sich jedoch in dem Teil des angefochtenen Beschlusses, in dem die Kommission die Erklärungen der Italienischen Republik wiedergibt. In dem Teil des Beschlusses, der die Beurteilung der Beihilfe zum Gegenstand hat, hat sie die Behauptung der italienischen Behörden dagegen nicht aufgegriffen.

–       Zur vierten Rüge, wonach die Kommission zu Unrecht gemeint habe, dass die angemeldete Maßnahme mangels einer getrennten Rechnungslegung zwangsläufig die Gefahr einer Überkompensation mit sich gebracht habe und folglich nicht mit der in der Verordnung Nr. 1191/69 vorgesehenen gemeinsamen Ausgleichsmethode vereinbar sei

182    Die Klägerin rügt die Auffassung der Kommission, dass die angemeldete Maßnahme mangels einer getrennten Rechnungslegung zwangsläufig die Gefahr einer Überkompensation mit sich gebracht habe und folglich nicht mit der in der Verordnung Nr. 1191/69 vorgesehenen gemeinsamen Ausgleichsmethode vereinbar sei. Dazu trägt die Klägerin vor, dass sie vor 1992 nicht zu einer getrennten Rechnungslegung verpflichtet gewesen sei, da sie keine Ausgleichsleistungen erhalten habe, und nach 1992 nicht zu einer getrennten Abrechnung habe verpflichtet werden können, da es nicht mehr möglich gewesen sei, ihr einseitig gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen aufzuerlegen. Deshalb sei das Urteil Antrop u. a. (oben in Rn. 136 angeführt, EU:C:2009:290) nicht auf sie anwendbar. Außerdem habe mit der im Mehrheitsgutachten vorgeschlagenen Berechnungsmethode die Gefahr einer Überkompensation vermieden werden können, da diese Methode auf einer nachträglichen Rekonstruktion der ihr für die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen entstandenen Kosten beruht habe.

183    Die Kommission bestreitet das Vorbringen der Klägerin.

184    Die Klägerin macht namentlich geltend, sie sei nicht zur getrennten Rechnungsführung nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1191/69 verpflichtet gewesen, da die italienischen Behörden ihr nach dieser Verordnung keine gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen mehr hätten auferlegen können. Außerdem sei das Urteil Antrop u. a. (oben in Rn. 136 angeführt, EU:C:2009:290) nicht auf sie anwendbar, da der Gerichtshof dort zu den Modalitäten der gemeinsamen Ausgleichsmethode nach der Verordnung Nr. 1191/69 in der ab dem 1. Juli 1992 geltenden Fassung Stellung genommen habe.

185    Nach Art. 10 der Verordnung Nr. 1191/69 in der ursprünglichen Fassung muss die Höhe des Ausgleichs bei einer Betriebs- oder Beförderungspflicht dem Unterschied zwischen der Verringerung der Belastung und der Verringerung der Einnahmen des Unternehmens im Fall der völligen oder teilweisen Aufhebung der Verpflichtung während des relevanten Zeitraums entsprechen. Nach dieser Bestimmung darf der Ausgleich also nicht die Belastungen übersteigen, die das Unternehmen durch die von ihm übernommenen gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen zu tragen hat.

186    Im Übrigen bestimmte Art. 1 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1191/69 in der ab dem 1. Juli 1992 geltenden Fassung:

„Ist ein Verkehrsunternehmen außer auf dem Gebiet der Verkehrsdienste, für die Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes gelten, noch in anderen Bereichen tätig, so sind die Verkehrsdienste aufgrund von Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes in einem gesonderten Unternehmensbereich zu erbringen, der mindestens folgende Anforderungen erfüllt:

a)      getrennte Rechnungsführung für jeden dieser Tätigkeitsbereiche und entsprechende Zuordnung der Aktiva nach den geltenden Buchungsregeln;

…“

187    Aus dieser Bestimmung folgt, dass entgegen dem Vorbringen der Klägerin alle Verkehrsunternehmen, die außer auf dem Gebiet der Verkehrsdienste, für die gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen galten – sei es aufgrund einer einseitigen Auferlegung wie gegebenenfalls bei den Unternehmen, die Stadt-, Vorort- und Regionalverkehrsdienste betreiben, sei es aufgrund eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags – noch in anderen Bereichen tätig waren, ab dem 1. Juli 1992 zu getrennter Rechnungsführung verpflichtet waren.

188    Somit war die Klägerin weiterhin zu getrennter Rechnungsführung verpflichtet, unabhängig davon, ob die italienischen Behörden im vorliegenden Fall die Art. 1 und 14 der Verordnung Nr. 1191/69 in der ab dem 1. Juli 1992 geltenden Fassung dadurch verletzt haben, dass sie nach Abschluss der jährlichen Verfahren zur Vergabe der Konzessionen für den Betrieb der überregionalen Linienbusverbindungen keinen förmlichen öffentlichen Dienstleistungsauftrag erteilt haben. Diese Frage wird das vorlegende Gericht zu beurteilen haben, wobei es gegebenenfalls dem Gerichtshof eine Frage zur Vorabentscheidung vorlegen kann.

189    Da die Klägerin jedoch, wie schon bei der Prüfung des ersten Teils des vierten Klagegrundes festgestellt worden ist, ab dem 1. Juli 1992 keinen Anspruch auf Ausgleichsleistungen hatte, hat die Frage, ob sie nach diesem Zeitpunkt zu getrennter Buchführung verpflichtet war, im vorliegenden Fall keine praktische Bedeutung.

190    Allerdings bleibt zu prüfen, ob die angemeldete Maßnahme hinsichtlich des Zeitraums von 1987 bis zum 30. Juni 1992 Art. 10 der Verordnung Nr. 1191/69 entsprach.

191    Da, wie sich aus dem 24. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ergibt, für den Zeitraum von 1987 bis 1992 keine Kostenrechnungen verfügbar waren, haben die Sachverständigen, die das Mehrheitsgutachten abgegeben haben, die mit überregionalen Linienbusdiensten verbundenen Kosten nach dem prozentualen Anteil der im betreffenden Zeitraum mit diesen Leistungen erzielten Einnahmen aufgeteilt und dabei die in den jährlichen Finanzaufstellungen angegebenen Gesamtkosten zugrunde gelegt. Um die Betriebskosten zu ermitteln, zogen die Sachverständigen von diesen Gesamtkosten dann die folgenden nicht betriebsgebundenen Kosten ab: Zinsverpflichtungen, finanzielle Lasten, Verluste infolge der Veräußerung von Vermögenswerten, sonstige Verluste und Kosten, direkte Steuern und Inventurendbestände. Die überregionalen Linienbusdiensten zuzuordnenden Betriebskosten wurden schließlich aufgrund der Prozentanteile der mit diesen Linienbusdiensten erzielten Einnahmen ermittelt.

192    Zwar beruht die im Mehrheitsgutachten angewandte Methode der Berechnung des Ausgleichs, wie die Klägerin geltend macht, in der Tat auf einer nachträglichen Analyse ihrer Buchführung, sie bestimmte jedoch die mit den überregionalen Linienbusdiensten verbundenen Kosten anhand des prozentualen Anteils der durch diese Dienste erzielten Einnahmen an den Gesamteinnahmen der Klägerin. Diese Methode beruht, wie die Kommission im 129. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausführte, auf der Annahme, dass auf sämtliche von der Klägerin erbrachten Dienste zwangsläufig anteilig jeweils die gleichen Einnahmen und Kosten entfallen müssten. Das Gericht ist jedoch mit der Kommission der Auffassung, dass diese Annahme schwerlich akzeptiert werden kann und auch nicht geeignet ist, sicherzustellen, dass der Ausgleich nicht die Belastungen übersteigt, die das Unternehmen aufgrund der von ihm im Zeitraum von 1987 bis zum 30. Juni 1992 übernommenen gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen tatsächlich getragen hat.

193    Demnach greift die vierte Rüge der Klägerin nicht durch.

194    Somit ist der vierte Klagegrund insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum fünften Klagegrund, wonach die Kommission in die Rechtsprechungstätigkeit des nationalen Gerichts eingegriffen habe, indem sie im angefochtenen Beschluss Gutachten der Sachverständigengruppe berücksichtigt habe, zu denen der Consiglio di Stato noch nicht Stellung genommen habe

195    Die Klägerin wirft der Kommission vor, rechtswidrig in das nationale Gerichtsverfahren eingegriffen zu haben, indem sie im angefochtenen Beschluss das Mehrheitsgutachten und das Minderheitsgutachten der vom Consiglio di Stato im Verfahren der Durchführung seines Urteils (oben in Rn. 33 angeführt) bestellten Sachverständigen berücksichtigt habe. Dies seien Dokumente, die auf Anordnung des Consiglio di Stato von Sachverständigen als Hilfskräften des Gerichts erstellt worden seien und für deren Beurteilung allein der Consiglio di Stato zuständig sei. Indem die Kommission einverstanden gewesen sei, die Gutachten der Sachverständigengruppe zu berücksichtigen, die ihr rechtswidrig vom Ministerium übermittelt worden seien, bevor der Consiglio di Stato dazu Stellung genommen habe, habe sie diesem seine Entscheidungsbefugnis genommen.

196    Die Kommission hält diesen Klagegrund für unzulässig, da er zum ersten Mal in der Erwiderung vorgebracht worden sei. Außerdem seien die Argumente der Klägerin nicht stichhaltig. Dieser Klagegrund sei deshalb zurückzuweisen.

197    Der vorliegende Klagegrund ist, wie die Kommission bemerkt hat, zum ersten Mal in der Erwiderung vorgebracht worden, ohne dass die Klägerin dieses verspätete Vorbringen auf neue rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt hätte. Er bildet auch keine Erweiterung eines Klagegrundes, der zuvor in der Klageschrift unmittelbar oder mittelbar geltend gemacht worden ist. Deshalb ist er nach der Rechtsprechung zu Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung vom 2. Mai 1991 als unzulässig zurückzuweisen (vgl. Urteil vom 15. März 2006, Italien/Kommission, T‑226/04, EU:T:2006:85, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).

198    Die Klägerin hat im Übrigen nicht dargetan, inwiefern das Verhalten, das sie der Kommission vorwirft, eine Verletzung des Unionsrechts darstellt, die geeignet ist, die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses zu beeinträchtigen. Somit genügt der vorliegende Klagegrund auch nicht den Anforderungen des Art. 44 § 1 der Verfahrensordnung vom 2. Mai 1991 und ist auch aus diesem Grund unzulässig.

199    Nach alledem ist die Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

200    Gemäß Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Simet SpA trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Europäischen Kommission.

Gratsias

Kancheva

Wetter

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 3. März 2016.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis


Sachverhalt

Die die Tätigkeiten der Klägerin regelnden Rechts- und Verwaltungsvorschriften

Unionsrecht

Nationales Recht

Klage der Klägerin vor den innerstaatlichen Gerichten

Verwaltungsverfahren

Der angefochtene Beschluss

Verfahren und Anträge der Parteien

Rechtliche Würdigung

Zur Zulässigkeit

Zur Begründetheit

Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV und gegen die Verordnung Nr. 1191/69

– Zum ersten Teil des ersten Klagegrundes, mit dem ein Tatsachenirrtum gerügt wird

– Zum zweiten Teil des ersten Klagegrundes: offensichtlicher Beurteilungsfehler oder unzureichende Prüfung der Vereinbarkeit der anwendbaren nationalen Vorschriften mit dem Unionsrecht

Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen die Grundsätze, die für den Ersatz des Schadens gelten, der Einzelnen durch die Verletzung des Unionsrechts durch einen Mitgliedstaat entstanden ist

Zum dritten Klagegrund: Verletzung der Begründungspflicht

– Zur ersten Rüge, mit der geltend gemacht wird, dass die Kommission ihre Auffassung, dass die Rechnungsführung der Klägerin nicht zuverlässig sei, nicht begründet habe

– Zur zweiten Rüge, mit der geltend gemacht wird, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss nicht erklärt habe, weshalb ihrer Meinung nach eine Kapitalrendite oberhalb des Swap-Satzes zuzüglich 100 Basispunkten im Regelfall nicht als geeigneter Maßstab für die Berechnung des angemessenen Gewinns zu betrachten sei

Zum vierten Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV aufgrund mehrerer offensichtlicher Beurteilungsfehler der Kommission bei der Anwendung der Verordnung Nr. 1191/69 geltend gemacht wird

– Zur ersten Rüge, wonach die Kommission zu Unrecht bestritten habe, dass die Klägerin gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen im Sinne der Verordnung Nr. 1191/69 unterlegen habe

– Zur zweiten Rüge, wonach die Kommission zu Unrecht angenommen habe, dass die Klägerin das Vorliegen eines wirtschaftlichen Nachteils, der die Gewährung einer Ausgleichsleistung nach Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1191/69 rechtfertige, nicht dargetan habe

– Zur dritten Rüge, mit der der Kommission vorgeworfen wird, ebenso wie das Ministerium gemeint zu haben, im Mehrheitsgutachten sei zu Unrecht behauptet worden, dass sich das eingesetzte Kapital nicht auf den Betrag des den gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen zuzurechnenden Kapitals beschränkt habe

– Zur vierten Rüge, wonach die Kommission zu Unrecht gemeint habe, dass die angemeldete Maßnahme mangels einer getrennten Rechnungslegung zwangsläufig die Gefahr einer Überkompensation mit sich gebracht habe und folglich nicht mit der in der Verordnung Nr. 1191/69 vorgesehenen gemeinsamen Ausgleichsmethode vereinbar sei

Zum fünften Klagegrund, wonach die Kommission in die Rechtsprechungstätigkeit des nationalen Gerichts eingegriffen habe, indem sie im angefochtenen Beschluss Gutachten der Sachverständigengruppe berücksichtigt habe, zu denen der Consiglio di Stato noch nicht Stellung genommen habe

Kosten


** Verfahrenssprache: Italienisch.