Language of document : ECLI:EU:C:2019:695

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MACIEJ SZPUNAR

vom 10. September 2019(1)

Rechtssache C125/18

Marc Gómez del Moral Guasch

gegen

Bankia SA

(Vorabentscheidungsersuchen des Juzgado de Primera Instancia n° 38 de Barcelona [Gericht erster Instanz Nr. 38 Barcelona, Spanien])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Verbraucherschutz – Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen – Vertrag über ein Hypothekendarlehen – Variabler Zinssatz – Referenzindex für Hypothekendarlehen (IRPH) – Index, der sich aus einer Rechts- oder Verwaltungsvorschrift ergibt – Einseitige Einführung durch den Gewerbetreibenden – Transparenzkontrolle durch das nationale Gericht – Umfang der Informationen, der von der Bank verlangt ist“






I.      Einleitung

1.        Heutzutage erfolgt der Erwerb einer Immobilie selten ohne Rückgriff auf einen Kredit. Die Tilgung der Monatsraten eines Hypothekenkredits gehört seit Urzeiten zu den alltäglichen Handlungen(2). Im Hinblick auf die Aufnahme eines Darlehens verfügt der Durchschnittsverbraucher grundsätzlich über verschiedene Informationsquellen wie beispielsweise Broschüren oder praktische Leitfäden, die von den Kreditinstituten, aber auch von Verbraucherschutzverbänden stammen und die potenziellen Käufer über verschiedene Umstände, etwa die maximale Verschuldung, den festen bzw. variablen Zinssatz und die Referenzindizes, Auskunft geben sollen.

2.        Aufgrund der Technisierung der Informationen über Hypothekendarlehen ist der Durchschnittsverbraucher jedoch oft nicht in der Lage, bestimmte Begriffe wie (fester bzw. variabler) „Zinssatz“, „Referenzindex“ oder „effektiver Jahreszins“ und insbesondere die Unterschiede zwischen diesen Begriffen zu verstehen. Gleiches gilt für die Funktionsweise bzw. die konkrete Berechnung nicht nur der variablen Zinssätze, sondern auch der offiziellen Referenzindizes für Hypothekendarlehen und der effektiven Jahreszinsen, auf deren Grundlage diese Zinssätze berechnet werden. Insoweit ist es von entscheidender Bedeutung, welche Informationen vom Gewerbetreibenden verlangt sind, um es dem Durchschnittsverbraucher zu ermöglichen, die tatsächlichen Kosten seines Kredits einzuschätzen.

3.        Die vorliegende Vorlage zur Vorabentscheidung, die vom Juzgado de Primera Instancia n° 38 de Barcelona (Gericht erster Instanz Nr. 38 Barcelona, Spanien) an den Gerichtshof gerichtet worden ist, bezieht sich auf die Auslegung der Richtlinie 93/13/EWG(3), insbesondere Art. 1 Abs. 2, Art. 4 Abs. 2, Art. 5 und Art. 8. Das Vorabentscheidungsersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Marc Gómez del Moral Guasch und der Bankia SA, einem Kreditinstitut, über die mutmaßliche Missbräuchlichkeit einer in einem zwischen diesen beiden Parteien geschlossenen Vertrag über ein Hypothekendarlehen enthaltenen Klausel, die den variablen Zinssatz des Darlehens einem der offiziellen Referenzindizes für Hypothekendarlehen (IRPH) unterwirft (im Folgenden: streitige Klausel), nämlich dem IRPH Cajas (Referenzindex für Hypothekendarlehen der Sparkassen).

4.        Die mit dem Ersuchen vorgelegten Vorabentscheidungsfragen bieten dem Gerichtshof die Möglichkeit, seine Rechtsprechung u. a. zur Tragweite der Ausnahme von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 einerseits sowie zu Umfang und Inhalt der Kontrolle der Transparenz der streitigen Klausel gemäß Art. 4 Abs. 2 und Art. 5 dieser Richtlinie andererseits zu präzisieren.

II.    Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

5.        Im 13., 19. und 20. Erwägungsgrund der Richtlinie 93/13 heißt es:

„Bei Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, in denen direkt oder indirekt die Klauseln für Verbraucherverträge festgelegt werden, wird davon ausgegangen, dass sie keine missbräuchlichen Klauseln enthalten. Daher sind Klauseln, die auf bindenden Rechtsvorschriften … beruhen, … nicht dieser Richtlinie zu unterwerfen; der Begriff ‚bindende Rechtsvorschriften‘ in Artikel 1 Absatz 2 [der Richtlinie] umfasst auch Regeln, die nach dem Gesetz zwischen den Vertragsparteien gelten, wenn nichts anderes vereinbart wurde.

Für die Zwecke dieser Richtlinie dürfen Klauseln, die den Hauptgegenstand eines Vertrages oder das Preis-/Leistungsverhältnis der Lieferung bzw. der Dienstleistung beschreiben, nicht als missbräuchlich beurteilt werden. Jedoch können der Hauptgegenstand des Vertrages und das Preis-/Leistungsverhältnis bei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit anderer Klauseln berücksichtigt werden. …

Die Verträge müssen in klarer und verständlicher Sprache abgefasst sein. … Im Zweifelsfall ist die für den Verbraucher günstigste Auslegung anzuwenden.“

6.        Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 lautet:

„Vertragsklauseln, die auf bindenden Rechtsvorschriften … beruhen, … unterliegen nicht den Bestimmungen dieser Richtlinie.“

7.        Art. 3 Abs. 3 der genannten Richtlinie sieht vor:

„Der Anhang enthält eine als Hinweis dienende und nicht erschöpfende Liste der Klauseln, die für missbräuchlich erklärt werden können.“

8.        Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie bestimmt:

„Die Beurteilung der Missbräuchlichkeit der Klauseln betrifft weder den Hauptgegenstand des Vertrages noch die Angemessenheit zwischen dem Preis bzw. dem Entgelt und den Dienstleistungen bzw. den Gütern, die die Gegenleistung darstellen, sofern diese Klauseln klar und verständlich abgefasst sind.“

9.        In dem mit „Klauseln gemäß Artikel 3 Absatz 3“ überschriebenen Anhang der Richtlinie 93/13 heißt es unter Nr. 1 Buchst. l und Nr. 2 Buchst. c und d:

„1.      Klauseln, die darauf abzielen oder zur Folge haben, dass

l)      der Verkäufer einer Ware oder der Erbringer einer Dienstleistung den Preis zum Zeitpunkt der Lieferung festsetzen oder erhöhen kann, ohne dass der Verbraucher in beiden Fällen ein entsprechendes Recht hat, vom Vertrag zurückzutreten, wenn der Endpreis im Verhältnis zu dem Preis, der bei Vertragsabschluss vereinbart wurde, zu hoch ist;

2.      Tragweite der Buchstaben … l)

c)      Die Buchstaben … l) finden keine Anwendung auf

–      Geschäfte mit Wertpapieren, Finanzpapieren und anderen Erzeugnissen oder Dienstleistungen, bei denen der Preis von den Veränderungen einer Notierung oder eines Börsenindex oder von Kursschwankungen auf dem Kapitalmarkt abhängt, auf die der Gewerbetreibende keinen Einfluss hat;

d)      Buchstabe l) steht Preisindexierungsklauseln nicht entgegen, wenn diese rechtmäßig sind und der Modus der Preisänderung darin ausdrücklich beschrieben wird.“

B.      Spanisches Recht

10.      Art. 1303 des Código Civil (Zivilgesetzbuch) lautet:

„Ist eine Verpflichtung für nichtig erklärt worden, müssen die Vertragsparteien unbeschadet der folgenden Artikel einander die Sachen, die Gegenstand des Vertrags gewesen sind, mit ihren Früchten sowie den Preis mit den Zinsen rückerstatten.“

11.      Art. 80 Abs. 1 Buchst. a des Texto refundido de la Ley General para la Defensa de los Consumidores y Usuarios y otras leyes complementarias (Neufassung des Allgemeinen Gesetzes über den Schutz der Verbraucher und Benutzer mit Nebengesetzen), der durch das Real Decreto Legislativo 1/2007 (Königliches Gesetzesdekret 1/2007) vom 16. November 2007(4) gebilligt wurde, bestimmt in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: LGDCU):

„1.      In Verträgen mit Verbrauchern und Benutzern, die nicht einzeln ausgehandelte Klauseln enthalten, … müssen diese Klauseln die folgenden Voraussetzungen erfüllen:

a)      Ihr Wortlaut muss konkret, klar und einfach sowie unmittelbar verständlich sein. Sie dürfen keine Verweisungen auf Texte oder Dokumente enthalten, die nicht vor oder bei Abschluss des Vertrags zur Verfügung gestellt wurden und auf die in jedem Fall in der Vertragsurkunde ausdrücklich Bezug genommen werden muss.“

12.      Art. 82 Abs. 1 und 2 LGDCU sieht vor:

„1.      Als missbräuchliche Klauseln sind alle nicht einzeln ausgehandelten Vertragsbestimmungen und alle nicht ausdrücklich gebilligten Gepflogenheiten anzusehen, die entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers und Benutzers ein erhebliches Ungleichgewicht der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragsparteien bewirken.

2.      … Behauptet ein Unternehmer, dass eine bestimmte Klausel einzeln ausgehandelt worden sei, so obliegt ihm die Beweislast.“

13.      Art. 83 LGDCU lautet:

„Missbräuchliche Klauseln sind automatisch nichtig und gelten als nicht vereinbart. Zu diesem Zweck erklärt das Gericht nach Anhörung der Parteien missbräuchliche Klauseln im Vertrag für nichtig; die Parteien sind jedoch weiterhin an den Vertrag in seinem ursprünglichen Wortlaut gebunden, wenn er ohne diese Klauseln fortbestehen kann.“

14.      Der Orden del Ministerio de la Presidencia, sobre transparencia de las condiciones financieras de los préstamos hipotecarios (Erlass des Präsidialministeriums über die Transparenz der finanziellen Bedingungen von Hypothekendarlehen) vom 5. Mai 1994(5) in der durch den Ministerialerlass vom 27. Oktober 1995(6) geänderten Fassung (im Folgenden: Erlass vom 5. Mai 1994) galt lediglich für von natürlichen Personen aufgenommene Darlehen, deren hypothekarische Sicherheit sich auf Wohnraum bezog, sofern der Betrag des beantragten Darlehens auf 150 000 Euro oder weniger lautete. Heute aufgehoben, war dieser Erlass vom 11. August 1994 bis zum 29. April 2012 – dem Tag, an dem der neue Orden EHA/2899/2011 de transparencia y protección del cliente de servicios bancarios (Ministerialerlass 2899/2011 über die Transparenz und den Schutz der Kunden von Bankdienstleistungen) vom 28. Oktober 2011 (im Folgenden: Erlass 2899/2011)(7) in Kraft getreten ist – in Kraft(8).

15.      Die Zweite Zusatzbestimmung zum Erlass vom 5. Mai 1994 lautete:

„Die Bank von Spanien legt auf Bericht der Dirección General del Tesoro y Política Financiera [Generaldirektion der Staatskasse und der Finanzpolitik] im Wege eines Rundschreibens eine Reihe offizieller Referenzindizes oder ‑zinssätze fest, die von den Kreditinstituten auf Hypothekendarlehen mit variablem Zinssatz angewandt werden können, und veröffentlicht regelmäßig ihren Wert.“

16.      Art. 6 Abs. 2 Buchst. a und b sowie Abs. 3 Nrn. 1 und 2 des Erlasses vom 5. Mai 1994 sah vor:

„(2)      Bei Darlehen mit variablem Zinssatz, die diesem Erlass unterliegen, können Kreditinstitute lediglich solche Referenzindizes oder ‑zinssätze verwenden, die folgende Voraussetzungen erfüllen:

a)      Sie dürfen weder ausschließlich vom Kreditinstitut selbst abhängen noch von diesem aufgrund von Vereinbarungen oder Praktiken beeinflusst werden, die bewusst an solchen anderer Institute ausgerichtet sind;

b)      die Daten, auf denen der Index beruht, müssen nach einer objektiven mathematischen Methode erhoben werden.

(3)      Bei Darlehen mit variablem Zinssatz, die diesem Erlass unterliegen, müssen den einzelnen Darlehensnehmern nicht zwingend die Schwankungen des anwendbaren Zinssatzes mitgeteilt werden, wenn folgende zwei Voraussetzungen erfüllt sind:

1.      Es ist vereinbart worden, einen offiziellen Referenzindex oder ‑zinssatz im Sinne der Zweiten Zusatzbestimmung zum vorliegenden Erlass zu verwenden;

2.      der für das Darlehen geltende Zinssatz wird auf die in Klausel 3a Abs. 1 Buchst. a oder b von Anhang II dieses Erlasses vorgesehene Art und Weise festgelegt.“

17.      Beim IRPH in seinen drei Varianten, nämlich dem IRPH der Banken (im Folgenden: IRPH Bancos), dem IRPH der Sparkassen (im Folgenden: IRPH Cajas) und dem IRPH sämtlicher Kreditinstitute (im Folgenden: IRPH Entidades), handelt es sich um einen durch die Bestimmung 6a des Circular 8/1990 del Banco de España, a entidades de crédito, sobre transparencia de las operaciones y protección de la clientela (Rundschreiben 8/1990 der Bank von Spanien an die Kreditinstitute über die Transparenz der Vorgänge und den Schutz der Kunden) vom 7. September 1990(9) in der durch das Circular 5/1994 del Banco de España, a entidades de crédito, sobre modificación de la circular 8/1990, sobre transparencia de las operaciones y protección de la clientela (Rundschreiben 5/1994 der Bank von Spanien an die Kreditinstitute zur Änderung des Rundschreibens 8/1990 über die Transparenz der Vorgänge und den Schutz der Kunden) vom 22. Juli 1994(10) geänderten Fassung (im Folgenden: Rundschreiben 8/1990) eingeführten offiziellen Index. In Abs. 4 der Begründung des Rundschreibens 5/1994 hieß es:

„Die ausgewählten Referenzzinssätze sind letztlich effektive Jahreszinssätze. Die Durchschnittszinssätze von Hypothekendarlehen zum Erwerb von nicht preisgebundenem Wohnraum auf dem freien Markt sind dies in besonderem Maße, da sie noch die Wirkungen der Provisionen einschließen. Folglich würde schon ihre einfache unmittelbare Anwendung als Vertragszinssätze dazu führen, dass der effektive Jahreszins des jeweiligen Hypothekengeschäfts über dem vom Markt angewandten Zinssatz läge. Um den effektiven Jahreszins dieses Geschäfts auszugleichen, müsste man einen negativen Korrekturwert anwenden, dessen Höhe je nach den Provisionen des Geschäfts und der Häufigkeit der Raten variieren müsste …“

18.      Bestimmung 2 („Informationen über die angewandten Zinssätze“) des Rundschreibens 8/1990 betraf Informationen, die der Bank von Spanien übermittelt werden müssen, damit sie bestimmte Referenzindizes oder ‑zinssätze für den Hypothekenmarkt festlegt und veröffentlicht. Diese Bestimmung hatte folgenden Wortlaut:

„… Banken, Sparkassen, der spanische Sparkassenverband, Zweigstellen ausländischer Kreditinstitute und Hypothekenkreditinstitute informieren die Bank von Spanien in der ersten Hälfte jedes Monats über die Durchschnittszinssätze von in Spanien getätigten Kredit- und Einlagengeschäften in [spanischen] Peseten [(ESP)], die sie im Vormonat erstmals abgeschlossen oder erneuert haben“.

19.      Bestimmung 6a („Hypothekendarlehen“) des Rundschreibens 8/1990 bezog sich in ihrem Abs. 3 Buchst. b wie folgt auf den IRPH Cajas:

„(3)      Für die Zwecke der Zweiten Zusatzbestimmung zum Erlass über Hypothekendarlehen gelten folgende Referenzindizes oder ‑zinssätze, deren Definition und Berechnungsweise in Anhang VIII festgelegt sind, als offiziell:

b)      der Durchschnittszinssatz für von den Sparkassen gewährte Hypothekendarlehen mit einer Laufzeit von mehr als drei Jahren zum Erwerb von nicht preisgebundenem Wohnraum.

Die Bank von Spanien verbreitet diese Indizes, die jedenfalls monatlich im Boletín Oficial del Estado veröffentlicht werden, in angemessener Weise.“

20.      Die Definition und die mathematische Formel zur Berechnung dieser Indizes sind in Anhang VIII des Rundschreibens 8/1990 enthalten. Anhang VIII Abs. 2 dieses Rundschreibens definiert den IRPH Cajas als „das einfache Mittel der kapitalgewichteten mittleren Zinssätze von hypothekarisch gesicherten Darlehensgeschäften mit einer Laufzeit von drei Jahren oder mehr zum Erwerb von nicht preisgebundenem Wohnraum, die in dem Monat, auf den sich der Index bezieht, von sämtlichen Sparkassen erstmals abgeschlossen oder erneuert wurden. Bei den gewogenen mittleren Zinssätzen handelt es sich um die entsprechenden Jahreszinssätze, die der Bank von Spanien nach Bestimmung 2 von sämtlichen Sparkassen für die jeweiligen Laufzeiten mitgeteilt worden sind.

Die Formel zur Berechnung dieses Zinssatzes ist die folgende:


Ica = Summe aus ica/nca

Dabei ist:

Ica = der Mittelwert der gewogenen mittleren Zinssätze sämtlicher Sparkassen;

ica = der gewogene mittlere Zinssatz für die Darlehen jeder einzelnen Sparkasse;

nca = die Anzahl der mitteilenden Sparkassen.“

21.      Der IRPH Cajas und der IRPH Bancos sowie der CECA-Index sind seit dem Inkrafttreten des Erlasses 2899/2011 und des Circular 5/2012, del Banco de España, a entidades de crédito y proveedores de servicios de pago, sobre transparencia de los servicios bancarios y responsabilidad en la concesión de préstamos (Rundschreiben 5/2012 der Bank von Spanien an die Kreditinstitute und die Zahlungsdienstleister über die Transparenz der Bankdienstleistungen und die Haftung bei der Darlehensvergabe) vom 27. Juni 2012 (im Folgenden: Rundschreiben 5/2012)(11) keine offiziellen Referenzzinssätze mehr.

22.      Der IRPH Cajas ist durch den IRPH sämtlicher spanischer Kreditinstitute (im Folgenden: IRPH Conjunto de Entidades), der ausweislich des Erlasses 2899/2011 einer der sechs offiziellen spanischen Referenzindizes ist, ersetzt worden.

23.      Art. 27 („Offizielle Zinssätze“) des Erlasses 2899/2011 bezieht sich in seinem Abs. 1 Buchst. a auf den IRPH Conjunto de Entidades, der festgelegt wird durch Heranziehung der Werte der Geschäfte, die von den Kreditinstituten mit ihren Kunden im jeweiligen Zeitraum tatsächlich abgeschlossen worden sind. Die Vorschrift bestimmt:

„Im Hinblick auf ihre Anwendung durch die Kreditinstitute nach Maßgabe der in diesem Ministerialerlass festgelegten Bedingungen werden folgende offizielle Zinssätze auf monatlicher Basis veröffentlicht: a) Durchschnittszinssatz der von den spanischen Kreditinstituten gewährten Hypothekendarlehen mit einer Laufzeit von mehr als drei Jahren zum Erwerb von Wohnraum im freien Verkauf.“

24.      Der IRPH Conjunto de Entidades ist von den spanischen Finanzbehörden, nämlich der Bank von Spanien und der Dirección General del Tesoro (Generaldirektion der Staatskasse), konzipiert worden und hat seit seiner Aufnahme in die vorerwähnten Rundschreiben der Bank von Spanien und seiner Veröffentlichung im Boletín Oficial del Estado offiziellen Charakter.

25.      Die Ley 14/2013 de apoyo a los emprendedores y su internacionalización (Gesetz 14/2013 über die Unterstützung von Existenzgründern und ihrer Internationalisierung)(12) vom 27. September 2013 (im Folgenden: Gesetz 14/2013) sieht in ihrer mit „Übergangsregelung für die Aufhebung von Referenzindizes oder Zinssätzen“ überschriebenen Fünfzehnten Zusatzbestimmung den Zeitpunkt vor, ab dem die Bank von Spanien den IRPH Cajas und den IRPH Bancos sowie den CECA‑Index nicht mehr veröffentlicht. Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut:

„(1)      Ab dem 1. November 2013 werden folgende offizielle Indizes, die nach den geltenden Rechtsvorschriften auf Hypothekendarlehen oder ‑kredite anwendbar sind, nicht mehr auf der Internetseite der Zentralbank Spaniens veröffentlicht und vollständig aufgehoben:

b)      der Durchschnittszinssatz der von den Sparkassen gewährten Hypothekendarlehen mit einer Laufzeit von mehr als drei Jahren zum Erwerb von Wohnraum auf dem freien Markt [IRPH Cajas];

c)      der Aktive Referenzzinssatz der Sparkassen [CECA].

(2)      Bezugnahmen auf die im vorhergehenden Absatz genannten Zinssätze werden ab der nächsten Neubestimmung der anwendbaren Zinssätze durch den vertraglich vorgesehenen Ersatzreferenzzinssatz oder ‑index ersetzt.

(3)      Ist im Vertrag kein Referenzzinssatz oder ‑index vorgesehen oder gehört er zu den auslaufenden Indizes oder Zinssätzen, wird er durch den offiziellen Zinssatz („Durchschnittszinssatz der von den spanischen Kreditinstituten gewährten Hypothekendarlehen mit einer Laufzeit von mehr als drei Jahren zum Erwerb von Wohnraum auf dem freien Markt“) ersetzt, welcher mit einem Korrekturwert einhergeht, der dem arithmetischen Mittel der auf der Grundlage der zwischen dem Vertragsschluss und dem Wirksamwerden der Ersetzung des Zinssatzes verfügbaren Daten berechneten Differenz zwischen dem aufgehobenen und dem vorerwähnten Zinssatz entspricht.

Werden Zinssätze nach diesem Absatz ersetzt, führt dies automatisch zur Erneuerung des Vertrags, ohne dass sich der Rang der eingetragenen Hypothek ändert oder verloren geht.

(4)      Den Parteien steht kein Rechtsbehelf offen, um im Gegenzug für die Anwendung dieser Bestimmung eine Änderung, einseitige Änderung oder Kündigung des Darlehens oder Kredits zu verlangen.“

III. Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits und Vorlagefragen

26.      Am 19. Juli 2001 unterzeichnete Herr Gómez del Moral Guasch bei der Caja de Ahorros y Monte de Piedad de Madrid, nunmehr Bankia, einen Vertrag über ein Hypothekendarlehen in Höhe von 132 222,66 Euro zur Finanzierung des Erwerbs von Wohnraum.

27.      Der erste Teil von Klausel 3a dieses Darlehensvertrags, der sich auf die Modalitäten für die Berechnung des auf das genannte Darlehen anwendbaren variablen Zinssatzes (IRPH Cajas) bezieht, hat folgenden Wortlaut:

„Klausel 3a. Variabler Zinssatz

Erstens. ‑ Der vereinbarte Zinssatz wird jeweils für den Zeitraum von sechs Monaten ab Unterzeichnung des Vertrags neu bestimmt und entspricht während der ersten sechs Monate dem in der dritten Finanzklausel bestimmten Zinssatz. Für die darauffolgenden Halbjahreszeiträume ist der anzuwendende Zinssatz der zum Zeitpunkt der Neubestimmung [des Zinssatzes] geltende durchschnittliche Zinssatz der von den Sparkassen zum Erwerb von preislich nicht gebundenem Wohnraum auf dem freien Markt mit einer Laufzeit von mehr als drei Jahren gewährten Hypothekendarlehen, den die Bank von Spanien offiziell und regelmäßig für Hypothekendarlehen mit variablem Zinssatz zum Erwerb von Wohnraum im Boletín Oficial del Estado (Staatsanzeiger) veröffentlicht, aufgerundet auf das jeweils nächste Viertelprozent und erhöht um 0,25 Prozentpunkte [sic].“

28.      Der nach dem gleichen Kriterium wie der vorhergehende Referenzzinssatz ersatzweise angewandte Zinssatz ist der CECA‑Index.

29.      Am 18. April 2017 erhob Herr Gómez del Moral Guasch vor dem Juzgado de Primera Instancia nº 38 de Barcelona (Gericht erster Instanz Nr. 38 Barcelona) Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der in Rede stehenden Klausel, die er damit begründete, dass diese Klausel missbräuchlich sei, weil für die meisten Hypothekenkredite als Referenzindex üblicherweise der Euribor(13) vereinbart werde, der in der Regel günstiger sei.

30.      Das vorlegende Gericht stellt insoweit klar, dass die bei Hypothekendarlehen mit variablem Zinssatz verwendete – etwa 10 % der in Spanien gewährten Kredite entsprechende – Indexierung auf dem IRPH in der Tat ungünstiger für den Verbraucher sei als die Indexierung auf dem Euribor, der bei 90 % der Hypothekendarlehen verwendet werde. Es führt aus, dass ein Rückgriff auf den IRPH verglichen mit dem Euribor für den Verbraucher zu Mehrkosten von rund 18 000 bis 21 000 Euro pro Hypothekenkredit führe, und fragt sich, welche Informationen der Kläger des Ausgangsverfahrens bei Abschluss des in Rede stehenden Vertrags erhalten hat.

31.      Das vorlegende Gericht rechtfertigt das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen mit den Zweifeln, die es hinsichtlich der Frage hat, ob die streitige Klausel, mit der auf der Grundlage eines legalen Index wie des IRPH ein Zinssatz festgelegt wird, vom Anwendungsbereich der Richtlinie 93/13 ausgeschlossen ist oder nicht und ob diese Richtlinie dahin auszulegen ist, dass sie das nationale Gericht daran hindert, eine Missbräuchlichkeitskontrolle dieser Klausel vorzunehmen.

32.      Die Unsicherheiten des vorlegenden Gerichts hängen u. a. mit der Frage zusammen, ob die Tatsache, dass sich der IRPH nach einer im Vertrag über ein Hypothekendarlehen in Form einer Vertragsklausel wiedergegebenen Verwaltungsvorschrift richtet, so dass diese Vorschrift weder bindend noch ersetzend ist, zur Folge hat, dass die Ausnahme von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 nicht auf die streitige Klausel anwendbar ist. Dieses Gericht vertritt insoweit die Ansicht, eine solche Vorschrift sei nicht bindend, da es sich um eine Verwaltungsvorschrift handle, die einen variablen Satz der auf das Kapital anfallenden Zinsen regle, der nach freier Wahl des Gewerbetreibenden in den Vertrag aufgenommen werde, und beruft sich dabei insbesondere auf die Urteile Andriciuc u. a.(14) sowie Kušionová(15). Da die Unterwerfung unter den IRPH ausschließlich aufgrund der streitigen Klausel erfolge, habe der Gewerbetreibende die Möglichkeit, bei der Indexierung des Hypothekendarlehens auf andere Indizes zurückzugreifen. Darüber hinaus sei die genannte Vorschrift mangels einer Abrede zwischen den Parteien nicht ergänzend anzuwenden.

33.      Das Tribunal Supremo (Oberstes Gericht, Spanien) habe in seinem Urteil Nr. 669/2017(16) jedoch unlängst im gegenteiligen Sinne entschieden und die Auffassung vertreten, dass der IRPH Entidades eigentlich nicht unter die Richtlinie 93/13 falle, da er durch eine Rechtsvorschrift festgelegt worden sei. Auch stelle dieses im Plenum ergangene Urteil eine verbindliche und von sämtlichen spanischen Gerichten unmittelbar anzuwendende Rechtsprechung dar.

34.      Das vorlegende Gericht fragt sich, welche Informationen ein Gewerbetreibender mitteilen muss, wenn er mit Verbrauchern Verträge über ein Hypothekendarlehen mit variablem Zinssatz abschließt, für den ein legaler Referenzindex wie der IRPH vereinbart wird, dessen Berechnungsformel komplex und für einen Durchschnittsverbraucher wenig transparent ist, und welche Folgen die Feststellung der Missbräuchlichkeit der streitigen Klausel hat. Es stellt insoweit fest, dass der spanische Gesetzgeber die in Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 festgelegte Ausnahme nicht umgesetzt habe, um ein höheres Verbraucherschutzniveau als das in dieser Richtlinie vorgesehene zu gewährleisten, und möchte wissen, ob die Anwendung dieser Bestimmung der Richtlinie entspricht.

35.      Unter diesen Umständen hat der Juzgado de Primera Instancia nº 38 de Barcelona (Gericht erster Instanz Nr. 38 Barcelona) mit Entscheidung vom 16. Februar 2018, die bei der Kanzlei des Gerichtshofs am selben Tag eingegangen ist, beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Muss der IRPH Cajas in dem Sinne Gegenstand gerichtlichen Schutzes sein, als zu prüfen ist, ob er für den Verbraucher verständlich ist, ohne dass dem der Umstand entgegensteht, dass dieser Index durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften geregelt ist, da dieser Index keinen in Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 vorgesehenen Fall darstellt, weil es sich nicht um eine bindende Rechtsvorschrift handelt, sondern ein solcher variabler Satz der auf das Kapital anfallenden Zinsen nach freier Wahl des Gewerbetreibenden in den Vertrag aufgenommen wird?

2.      a)      Verstößt es nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13, der nicht in spanisches Recht umgesetzt worden ist, gegen die Richtlinie 93/13 und deren Art. 8, dass sich ein spanisches Gericht auf Art. 4 Abs. 2 dieser Richtlinie stützt und diese Vorschrift anwendet, obwohl sich der Gesetzgeber entschieden hat, diese Vorschrift nicht in die nationale Rechtsordnung umzusetzen, weil er in Bezug auf sämtliche Klauseln, die von einem Gewerbetreibenden in einen Verbrauchervertrag aufgenommen werden können, also auch diejenigen, die den Hauptgegenstand des Vertrags betreffen, und auch, wenn diese Klauseln klar und verständlich formuliert sind, ein umfassendes Schutzniveau sicherstellen wollte?

b)      Ist es jedenfalls erforderlich, über die folgenden Fakten und Angaben – oder einzelne davon – Informationen zu erteilen oder Werbung für sie zu machen, damit die wesentliche Klausel, konkret diejenige über den IRPH, verständlich wird:

i)      Erläuterung, wie der Referenzzinssatz ermittelt wird: d. h. Informationen darüber, dass dieser Index neben dem zugrunde gelegten nominalen Zinssatz auch die Provisionen und weiteren Kosten umfasst; dass es sich um ein einfaches, nicht gewogenes Mittel handelt; dass der Gewerbetreibende wissen und mitteilen musste, dass er eigentlich einen negativen Korrekturwert anwenden müsste, und dass die zur Verfügung gestellten Angaben im Gegensatz zu dem anderen marktüblichen Referenzzinssatz, dem Euribor, nicht öffentlich sind;

ii)      Erläuterung zur Entwicklung des Referenzzinssatzes in der Vergangenheit und seiner möglichen Entwicklung in der Zukunft sowie Mitteilung und Veröffentlichung grafischer Darstellungen, die dem Verbraucher die Entwicklung dieses spezifischen Zinssatzes im Verhältnis zum Euribor, dem für hypothekarisch gesicherte Darlehen üblichen Zinssatz, klar und verständlich machen?

c)      Sollte der Gerichtshof zu dem Ergebnis gelangen, dass es Sache des vorlegenden Gerichts ist, die Missbräuchlichkeit der Vertragsklauseln zu überprüfen und sämtliche Rechtsfolgen aus seinem nationalen Recht herzuleiten, wird der Gerichtshof ferner um Klärung der Frage ersucht, ob das Fehlen von Informationen über alle diese Punkte nicht eine mangelnde Verständlichkeit dieser Klausel begründet, da diese Klausel für den Durchschnittsverbraucher nicht klar ist (Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13), oder ob das Fehlen dieser Informationen auf ein unlauteres Verhalten seitens des Gewerbetreibenden schließen lässt, so dass der Verbraucher sich, wäre er angemessen informiert worden, auf die Vereinbarung des IRPH als Referenzindex nicht eingelassen hätte.

3.      Wenn der IRPH Cajas für nichtig erklärt wird, welche der beiden nachgenannten Rechtsfolgen wäre dann mangels einer Vereinbarung oder für den Fall, dass diese für den Verbraucher noch nachteiliger wäre, mit Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 vereinbar:

a)      Anpassung des Vertrags dahin, dass ein üblicher Ersatzindex, der Euribor, angewandt wird, da es sich um einen Vertrag handelt, der wesentlich an zugunsten der Bank in ihrer Eigenschaft als Gewerbetreibende auf das Kapital zu entrichtende Zinsen geknüpft ist;

b)      Ende der Verzinsung mit der auf Seiten des Darlehensnehmers oder Schuldners allein bestehen bleibenden Verpflichtung, das überlassene Kapital innerhalb der vereinbarten Zahlungsfristen zurückzuzahlen?

IV.    Verfahren vor dem Gerichtshof

36.      Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 10. April 2018 ist der Antrag des Juzgado de Primera Instancia nº 38 de Barcelona (Gericht erster Instanz Nr. 38 Barcelona), die vorliegende Rechtssache dem beschleunigten Verfahren nach Art. 105 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs zu unterwerfen, abgelehnt worden.

37.      Die Parteien des Ausgangsverfahrens, die spanische Regierung und die Regierung des Vereinigten Königreichs sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Dieselben Verfahrensbeteiligten haben in der Sitzung vom 25. Februar 2019 auch mündlich verhandelt.

V.      Würdigung

38.      Die Vorlagefragen des vorlegenden Gerichts betreffen drei Problematiken, nämlich erstens die Tragweite der Ausnahme von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 93/13, zweitens Umfang und Inhalt der Kontrolle der Transparenz der streitigen Klausel gemäß Art. 4 Abs. 2 dieser Richtlinie und drittens schließlich die Folgen der Feststellung der Missbräuchlichkeit dieser Klausel.

39.      Vor der Untersuchung dieser Problematiken ist hervorzuheben, dass das vorlegende Gericht, die Parteien des Ausgangsverfahrens, die spanische Regierung und die Kommission allesamt auf die Besonderheiten des in der streitigen Klausel enthaltenen IRPH Cajas sowie auf das Urteil des Tribunal Supremo (Oberstes Gericht) vom 14. Dezember 2017 Bezug nehmen.

40.      Daher ist es meines Erachtens angezeigt, einige Bemerkungen zu diesen beiden Punkten zu machen.

A.      Vorbemerkungen

1.      IRPH Cajas: Entwicklung und Funktionsweise

41.      Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass die streitige Klausel zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des zwischen dem Kläger des Ausgangsverfahrens und Bankia geschlossenen Vertrags über ein Hypothekendarlehen bei der Bestimmung des Zinssatzes des Darlehens die Anwendung des IRPH Cajas – so genannt, weil bei seiner Berechnung nur die von den Sparkassen getätigten Hypothekenkreditgeschäfte berücksichtigt wurden – vorgesehen habe(17).

42.      Aus dem Rechtsrahmen, so wie er vom vorlegenden Gericht dargestellt wird, geht hervor, dass der IRPH Cajas zu diesem Zeitpunkt einer der mit Bestimmung 6a Abs. 3 Buchst. b des Rundschreibens 8/1990 eingeführten „Referenzzinssätze für Hypothekendarlehen“ war und damit offiziellen und legalen Charakter hatte(18). Das vorlegende Gericht stellt jedoch klar, dass der IRPH Cajas (ebenso wie der IRPH Bancos und der CECA‑Index) seit dem Inkrafttreten des Erlasses 2899/2011 kein offizieller Referenzindex mehr sei und für Hypothekendarlehen, die diese Indizes verwenden, eine Übergangsregelung vorgesehen worden sei(19).

43.      Bezüglich dieser Übergangsregelung hat die spanische Regierung darauf hingewiesen, dass Bezugnahmen auf die aufgehobenen Zinssätze nach der Fünfzehnten Zusatzbestimmung Abs. 2 und 3 zum Gesetz 14/2013 durch den „vertraglich vorgesehenen Ersatzreferenzzinssatz oder ‑index“ ersetzt werden und, wenn vertraglich kein Ersatzzinssatz oder ‑index vorgesehen ist oder dieser zu den aufzuhebenden Indizes oder Zinssätzen gehört – was vorliegend der Fall ist(20) –, der fragliche Zinssatz oder Index durch den „offiziellen Zinssatz (‚Durchschnittszinssatz der von den spanischen Kreditinstituten gewährten Hypothekendarlehen mit einer Laufzeit von mehr als drei Jahren zum Erwerb von preislich nicht gebundenem Wohnraum‘) [den IRPH Conjunto de Entidades] ersetzt wird, auf den ein Korrekturwert angewandt wird, der dem arithmetischen Mittel der nach den zwischen dem Vertragsschluss und der tatsächlichen Ersetzung des Zinssatzes verfügbaren Daten berechneten Differenz zwischen dem aufgehobenen und dem vorerwähnten Zinssatz entspricht“(21).

44.      Die spanische Regierung hat darüber hinaus hervorgehoben, dass diese Ersetzung nach der Fünfzehnten Zusatzbestimmung Abs. 3 zum Gesetz 14/2013 die automatische Erneuerung des Vertrags bedeute, ohne zu einer Änderung oder zum Verlust des Rangs der eingetragenen Hypothek zu führen. Sie hat dem hinzugefügt, dass die Parteien eine Änderung, einseitige Änderung oder Kündigung des Darlehens oder Kredits nach der Fünfzehnten Zusatzbestimmung Abs. 4 zum besagten Gesetz nicht gerichtlich anfechten könnten. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist der in Klausel 3a des Vertrags enthaltene Index daher der IRPH Conjunto de Entidades.

45.      Was die Funktionsweise des IRPH Cajas angeht, so weist das vorlegende Gericht erstens darauf hin, dass dieser Index anhand der Angaben berechnet werde, die der Bank von Spanien jeden Monat von den Sparkassen mitgeteilt würden, und einem einfachen Mittel entspreche, da allen Sparkassen unabhängig von der Anzahl der gewährten Darlehen dieselbe Bedeutung zukomme. Die Repräsentativität einer Sparkasse im Rahmen des IRPH Cajas ändere sich daher nicht, wenn sie Marktanteile verliere, nachdem sie in einem Monat die Zinssätze oder Provisionen erhöht habe. Je weniger Sparkassen vorhanden seien, umso größer sei demnach der Einfluss der übriggebliebenen Sparkassen auf den IRPH Cajas, so dass jede Sparkasse das Ergebnis dieses Index beeinflussen könne, indem sie die Zinsen oder Provisionen erhöhe, die sie im jeweiligen Monat anwende.

46.      Zweitens schlössen die Informationen, die von den Sparkassen mitgeteilt würden, um das arithmetische Mittel des IRPH zu erhalten, den effektiven Jahreszins, die Kosten und die Provisionen, wobei diese den nominalen Zinssatz um etwas mehr als ¼ Prozentpunkt erhöhten, sowie Mindestzinsklauseln oder Aufrundungen nach oben mit ein.

47.      Drittens blieben Zinssätze, die infolge von Subventionen oder Vereinbarungen zugunsten der Mitarbeiter gesenkt worden seien – und das Ergebnis verringert hätten –, im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften bei der Berechnung des IRPH unberücksichtigt.

48.      Viertens müsse, da es sich bei den gewogenen mittleren Zinssätzen um effektive Jahreszinssätze handle, nach Auffassung der Bank von Spanien(22) ein negativer Korrekturwert, dessen Höhe von den ausgeschütteten Provisionen abhänge, angewandt werden, damit der IRPH die durchschnittlichen Marktzinsen widerspiegle und die inflationstreibende Wirkung der Provisionen ausgeglichen werde. Im vorliegenden Fall und im Allgemeinen werde jedoch ein positiver Korrekturwert, nämlich der IRPH Cajas + 0,25 Prozentpunkte, angewandt.

49.      Fünftens werde der IRPH in den Zweigstellen von Bankia den Kunden gegenüber als ein Index beworben, der im Vergleich zum Euribor weniger stark schwanke, sicherer und stabiler sei(23), so dass auch zu fragen sei, ob die verschiedenen nach den Angaben der Bank von Spanien erstellten und Bankia seinerzeit bekannten grafischen Darstellungen hätten vorgelegt werden müssen, damit der Verbraucher Kenntnis von der Entwicklung der einzelnen Zinssätze (des IRPH und des Euribor) habe.

50.      Letztlich solle mit all diesen Angaben – neben der mathematischen Formel für die Berechnung des Index, die ein weiteres Element der Verständlichkeit der Klausel darstelle und in Anhang VIII Abs. 1 des Rundschreibens 8/1990 enthalten sei – darauf hingewiesen werden, dass der IRPH insgesamt ein komplexer Index sei, was ein Mehr an Informationen und Publizität erfordern könne, da es sich bei ihm um einen wesentlichen Vertragsbestandteil handle.

2.      Urteil vom 14. Dezember 2017

51.      Aus der Vorlageentscheidung sowie den schriftlichen Erklärungen der spanischen Regierung und der Kommission geht hervor, dass sich das Tribunal Supremo (Oberstes Gericht) in seinem Urteil vom 14. Dezember 2017 zu einer Vertragsklausel geäußert hat, die der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden ähnlich war und die Anwendung des IRPH Entidades vorsah(24).

52.      Vorbehaltlich etwaiger späterer Überprüfungen durch das vorlegende Gericht geht aus den schriftlichen Erklärungen der spanischen Regierung hervor, dass das Tribunal Supremo (Oberstes Gericht) folgende Erwägungen berücksichtigt hat.

53.      Zunächst hat das Tribunal Supremo (Oberstes Gericht) festgestellt, dass es sich beim IRPH Entidades um einen gesetzlich definierten und normierten Index handle, der durch das leistungserbringende Kreditinstitut durch eine allgemeine Geschäftsbedingung in den Vertrag über ein Hypothekendarlehen mit variablem Zinssatz eingeführt worden sei. Allerdings „definiert die Partei, die die vorformulierte Klausel einfügt, den Referenzindex nicht vertraglich, sondern verweist auf einen der offiziellen Indizes, die für diesen Vertragstyp durch Rechtsvorschriften geregelt werden. Daher ist es Sache der öffentlichen Verwaltung, dafür zu sorgen, dass diese Indizes die Vorschriften über die Transparenz des Bankenwesens einhalten, und die angemessenen Sanktionen zu verhängen, wobei die Zivilgerichte für diese Kontrolle nicht zuständig sind. … Folglich kann der Index als solcher nicht Gegenstand einer Transparenzkontrolle nach der Richtlinie 93/13 sein.“(25)

54.      Sodann ist das Tribunal Supremo (Oberstes Gericht) nach Prüfung zu dem Schluss gelangt, dass die Klausel sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht der Transparenzkontrolle standhalte. Es hat zum einen geltend gemacht, die Klausel genüge in formeller Hinsicht dem, was es als „Einbeziehungskriterium“ bezeichnet, da sie grammatikalisch klar und verständlich sei und dem Kreditnehmer das Verständnis und die Akzeptanz der Tatsache ermögliche, dass der variable Zinssatz seines Vertrags über ein Hypothekendarlehen unter Bezugnahme auf einen von der Bank von Spanien festgelegten und kontrollierten Zinssatz berechnet werde. Zum anderen sei die Klausel in materieller Hinsicht transparent und gebe Aufschluss über die wirtschaftliche Belastung seines Darlehens. Der Verbraucher könne verstehen, dass er das Ergebnis der Summe aus der Addition von Index und Korrekturwert zahlen müsse. Dabei hat das Tribunal Supremo (Oberstes Gericht), wie aus den Erklärungen der spanischen Regierung hervorgeht, die Ansicht vertreten, dass ein normal informierter Durchschnittsverbraucher ohne Weiteres die verschiedenen Berechnungssysteme kennen und die verwendeten Optionen vergleichen könne; vom Institut könne weder verlangt werden, dass es verschiedene Indizes anbiete, noch, dass es die Erstellung des Index erläutere.

55.      In diesem Zusammenhang ist das Tribunal Supremo (Oberstes Gericht) nicht davon ausgegangen, dass die Tatsache, dass der Euribor für den Verbraucher günstiger gewesen sei, relevant wäre, da ein „Rückschaufehler“ nicht als Richtschnur für die Transparenzkontrolle dienen könne(26). Im Übrigen berücksichtige diese Argumentation nicht, dass der Zinssatz nicht dem Index, sondern dem um den Korrekturwert erhöhten Index entspreche; zudem sei nicht erwiesen, dass die Korrekturwerte, die auf am Euribor indexierte Darlehen angewandt worden seien, günstiger gewesen wären als die auf am IRPH indexierten Darlehen angewandten. Die Korrekturwerte des IRPH seien statistisch gesehen sogar niedriger. Diese Argumentation berücksichtige auch nicht, dass die Korrekturwerte nach Maßgabe anderer Vertragsdaten (Eingang des Gehalts, Zuordnung usw.) mehr oder weniger hoch ausfielen. Es komme nicht so sehr auf die Differenz zwischen IRPH und Euribor an, sondern auf die künftige Entwicklung des IRPH; von der Bank könne weder verlangt werden, dass sie diese Entwicklung kenne, noch, dass sie den Kreditnehmer darüber informiere. Außerdem hätten sich die Werte des Euribor und des IRPH früher relativ ähnlich verhalten.

56.      Schließlich ist das Tribunal Supremo (Oberstes Gericht) zu dem Schluss gelangt, dass es widersprüchlich sei, wenn behauptet werde, dass die Bank um die Vorteilhaftigkeit des IRPH gegenüber dem Euribor wisse, obwohl der IRPH nur in weniger als 15 % der Darlehensfälle verwendet worden sei. Aus den gleichen Gründen hätte die Referenz auf den Euribor aufgehoben werden können, falls er sich ungünstiger entwickelt hätte.

57.      Nach Wiedergabe des Inhalts der Ausführungen des vorlegenden Gerichts und der Verfahrensbeteiligten werde ich mich nunmehr der Prüfung der Rechtsfragen zuwenden, die mit den Vorlagefragen aufgeworfen werden.

B.      Vorlagefragen

1.      Erste Vorlagefrage: Tragweite der Ausnahme von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 93/13

58.      Mit seiner ersten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob der IRPH Cajas Gegenstand einer Transparenzkontrolle nach der Richtlinie 93/13 sein kann. Wie Bankia, die spanische Regierung und die Kommission geltend gemacht haben, kann der IRPH Cajas selbst jedoch nicht Gegenstand einer solchen Kontrolle sein, da er durch Rechtsvorschriften geregelt ist.

59.      Diese Frage unterscheidet sich meines Erachtens von der Frage, ob eine in einem zwischen einem Verbraucher und einem Gewerbetreibenden geschlossenen Vertrag über ein Hypothekendarlehen enthaltene Vertragsklausel, die, wie dies im Ausgangsverfahren der Fall ist, für die Zwecke der Berechnung des variablen Zinssatzes des Darlehens die Anwendung dieses Index vorsieht, in den Anwendungsbereich der Richtlinie 93/13 fällt oder nicht.

60.      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung Sache des Gerichtshofs ist, im Rahmen des in Art. 267 AEUV vorgesehenen Verfahrens der Zusammenarbeit mit den nationalen Gerichten dem vorlegenden Gericht eine für die Entscheidung des bei diesem anhängigen Rechtsstreits sachdienliche Antwort zu geben. Hierzu hat der Gerichtshof die ihm vorgelegte Frage gegebenenfalls umzuformulieren(27).

61.      Im vorliegenden Fall ist die erste Vorlagefrage meiner Meinung nach so zu verstehen, dass mit ihr im Wesentlichen in Erfahrung gebracht werden soll, ob Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass die zwischen einem Verbraucher und einem Gewerbetreibenden vereinbarte Klausel eines Vertrags wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, mit der ein Zinssatz auf der Grundlage eines der sechs offiziellen, rechtlich geregelten Referenzindizes festgelegt wird, die von den Kreditinstituten auf Hypothekendarlehen mit variablem Zinssatz angewandt werden können, vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgeschlossen ist.

62.      Vorab ist das Argument der spanischen Regierung zu prüfen, wonach die Frage der Kontrolle der Transparenz des IRPH Cajas, der ein offizieller, durch monatlich im Boletín Oficial del Estado veröffentlichte Rechts- oder Verwaltungsvorschriften rechtlich geregelter Index sei, gemäß Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 nicht in deren Anwendungsbereich falle. Da dieser Index deshalb nicht für missbräuchlich erklärt werden könne, wirke sich seine Einbeziehung in die streitige Klausel daher nicht auf die vorzunehmende Auslegung aus.

63.      In diesem Zusammenhang haben die spanische Regierung und Bankia geltend gemacht, der Index, der gegenwärtig auf den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vertrag über ein Hypothekendarlehen angewandt werde, nämlich der IRPH Conjunto de Entidades, sei nach Aufhebung des IRPH Cajas aufgrund einer bindenden Rechtsvorschrift, nämlich der Fünfzehnten Zusatzbestimmung Abs. 2 zum Gesetz 14/2013, gesetzlich festgeschrieben worden. Daher gelte der IRPH Conjunto de Entidades seit seinem Inkrafttreten obligatorisch, so dass das vom Gesetzgeber geschaffene Gleichgewicht gewahrt sei. Außerdem stehe den Parteien, so Bankia, nach dem Gesetz 14/2013 keinerlei Rechtsbehelf offen, um im Gegenzug für die Anwendung der Fünfzehnten Zusatzbestimmung zum Gesetz 14/2013 eine Änderung, einseitige Änderung oder Kündigung des Darlehens oder Kredits zu verlangen. Die spanische Regierung und Bankia tragen daher vor, dass der IRPH Cajas nicht in den Anwendungsbereich des Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 falle.

64.      Bei Betrachtung des vom vorlegenden Gericht dargestellten rechtlichen und tatsächlichen Rahmens habe ich jedoch Verständnis dafür, dass der zwecks Berechnung des variablen Zinssatzes in der streitigen Klausel enthaltene IRPH zum Zeitpunkt des Abschlusses des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vertrags über ein Hypothekendarlehen – dem Zeitpunkt, auf den das nationale Gericht bei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel abzustellen hat(28) – nicht der IRPH Conjunto de Entidades – der den IRPH Cajas nach der Fünfzehnten Zusatzbestimmung Abs. 2 zum Gesetz 14/2013 ersetzt und zur automatischen Erneuerung des Vertrags geführt hat – war, sondern der durch das Rundschreiben 8/1990 eingeführte IRPH Cajas. Die Tatsache, dass der IRPH Conjunto de Entidades bis heute der offizielle Referenzindex ist, der in Klausel 3a des Vertrags über ein Hypothekendarlehen enthalten und aufgrund einer bindenden Vorschrift, nämlich der Fünfzehnten Zusatzbestimmung Abs. 2 zum Gesetz 14/2013, gesetzlich festgeschrieben worden ist, wirkt sich auf die Prüfung der streitigen Klausel, die die Anwendung des IRPH Cajas vorsieht, in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung nicht aus.

65.      Daher liegt es auf der Hand, dass sich die Frage auf die streitige Klausel bezieht, die die Anwendung des IRPH Cajas vorsieht(29). Zur Beantwortung dieser Frage werde ich erstens einen kurzen Überblick über die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Auslegung von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 geben und zweitens im Licht dieser Rechtsprechung prüfen, ob die streitige Klausel (nicht) unter die Richtlinie 93/13 fällt.

a)      Kurzer Überblick über die Rechtsprechung des Gerichtshofs

66.      Vorab sei darauf hingewiesen, dass eine Kontrolle von Amts wegen durch das nationale Gericht nur verlangt werden kann, wenn es um eine Vertragsklausel geht, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie 93/13 fällt, wie er in ihrem Art. 1 festgelegt ist(30). Vertragsklauseln, die auf bindenden Rechtsvorschriften beruhen, sind gemäß Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 von deren Anwendungsbereich ausgeschlossen.

67.      Im Urteil RWE Vertrieb(31) hat der Gerichtshof den Begriff „bindende Rechtsvorschriften“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 erstmals geklärt. Der Gerichtshof hat insoweit darauf hingewiesen, dass diese Vorschrift einen Ausschluss vom Anwendungsbereich der Richtlinie einführt, der sich auf Klauseln bezieht, die auf bindenden Rechtsvorschriften beruhen(32). Dieser Ausschluss setzt voraus, dass zwei Voraussetzungen erfüllt sind. Erstens muss die Vertragsklausel auf einer Rechtsvorschrift beruhen, und zweitens muss diese Rechtsvorschrift bindend sein(33).

68.      Um festzustellen, ob die genannten Voraussetzungen erfüllt sind, hat der Gerichtshof für Recht erkannt, dass es dem nationalen Gericht obliegt, zu überprüfen, ob die Klausel auf Bestimmungen des nationalen Rechts beruht, die unabdingbar (zwingend) oder aber dispositiver Art sind und daher von Gesetzes wegen greifen, wenn sie nicht abbedungen wurden(34).

69.      Das nationale Gericht muss daher überprüfen, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Klausel auf bindenden Bestimmungen des nationalen Rechts im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 beruht(35), und dabei berücksichtigen, dass die in dieser Vorschrift vorgesehene Ausnahme insbesondere im Hinblick auf das Ziel der Richtlinie, nämlich den Verbraucherschutz, eng auszulegen ist(36).

70.      Nachdem ich damit den allgemeinen Rechtsprechungskontext betreffend die Auslegung dieser Vorschrift umrissen habe, werde ich die Vorschrift nunmehr auf die uns vorliegende Rechtssache anwenden.

b)      Fällt die streitige Klausel unter die Ausnahme von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 93/13?

71.      Vorab ist hervorzuheben, dass sich, wenn eine Vertragsklausel auf einer bindenden oder ergänzenden Rechtsvorschrift beruht, die Frage, ob diese Klausel in den Anwendungsbereich der Richtlinie 93/13 fällt, nicht stellt, wie aus den vorhergehenden Nummern der vorliegenden Schlussanträge hervorgeht. Eine solche Klausel unterliegt nämlich schlicht und ergreifend nicht den Bestimmungen dieser Richtlinie.

72.      Verträte das nationale Gericht hingegen die Ansicht, die betreffende Vorschrift verpflichte das Kreditinstitut nicht dazu, einen der in dieser Vorschrift vorgesehenen offiziellen Referenzindizes auszuwählen, sondern gestatte die Verwendung anderer Referenzindizes, wäre die Frage, ob die den Index wiedergebende Vertragsklausel in den Anwendungsbereich der Richtlinie 93/13 fällt, zweifellos relevant. Es ist nämlich klar, dass eine solche Klausel in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fiele. Gleiches würde meiner Meinung nach gelten, wenn die besagte Rechtsvorschrift dem Kreditinstitut aufgäbe, einen der darin vorgesehenen offiziellen Referenzindizes auszuwählen(37).

73.      Im vorliegenden Fall geht das vorlegende Gericht davon aus, dass die vom Kreditinstitut vorformulierte streitige Klausel auf Bestimmungen des nationalen Rechts beruhe. Es stellt jedoch fest, dass die in der Rechtsprechung des Gerichtshofs festgelegten Voraussetzungen für die Anwendung des durch Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 eingeführten Ausschlusses nicht erfüllt seien. Denn zum einen sei die in der streitigen Klausel enthaltene nationale Vorschrift nicht bindend, da es sich um eine Rechts- oder Verwaltungsvorschrift handle, die einen variablen Satz der auf das Kapital anfallenden Zinsen regle, der nach freier Wahl des Gewerbetreibenden in den Vertrag aufgenommen werde, in dem Sinne, dass der IRPH Cajas nicht unabdingbar sei. Zum anderen greife diese Vorschrift nicht von Gesetzes wegen, wenn sie nicht abbedungen werde(38).

74.      Was den in der streitigen Klausel enthaltenen IRPH Cajas angeht, so geht aus dem rechtlichen Rahmen der vorliegenden Rechtssache hervor, dass die Zweite Zusatzbestimmung zu dem vom vorlegenden Gericht angeführten Erlass vom 5. Mai 1994 die Bank von Spanien dazu ermächtigte, mittels eines Rundschreibens (des Rundschreibens 8/1990, das aktuell aufgehoben ist, zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses aber in Kraft war) „eine Reihe offizieller Referenzindizes oder ‑zinssätze [festzulegen], die von den Kreditinstituten auf Hypothekendarlehen mit variablem Zinssatz angewandt werden können“(39).

75.      Wie sich aus den Erklärungen von Bankia ergibt, sah der Erlass vom 5. Mai 1994 in Art. 6 Abs. 2 vor, dass Kreditinstitute bei Darlehen mit variablem Zinssatz, die diesem Erlass unterliegen, lediglich Referenzindizes oder ‑zinssätze verwenden konnten, „die die folgenden beiden Voraussetzungen erfüllen: a) Sie dürfen weder ausschließlich vom Kreditinstitut selbst abhängen noch von diesem aufgrund von Vereinbarungen oder Praktiken beeinflusst werden, die bewusst an solchen anderer Institute ausgerichtet sind; b) die Daten, auf denen der Index beruht, müssen nach einer objektiven mathematischen Methode erhoben werden“.

76.      Den Erklärungen von Bankia lässt sich auch entnehmen, dass Art. 6 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 des Erlasses vom 5. Mai 1994 vorsah: „Bei Darlehen mit variablem Zinssatz, die diesem Erlass unterliegen, müssen den einzelnen Darlehensnehmern nicht zwingend die Schwankungen des anwendbaren Zinssatzes mitgeteilt werden, wenn folgende zwei Voraussetzungen erfüllt sind: 1. Es ist vereinbart worden, einen offiziellen Referenzindex oder ‑zinssatz im Sinne der Zweiten Zusatzbestimmung [zu diesem Erlass] zu verwenden; 2. der für das Darlehen geltende Zinssatz wird auf die in Klausel 3a Abs. 1 Buchst. a oder b von [dessen] Anhang II … vorgesehene Art und Weise definiert“(40).

77.      Wie die spanische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen dargelegt hat, führte Anhang II („Finanzklauseln für Verträge über ein unter den vorliegenden Erlass fallendes Hypothekendarlehen“) des Erlasses vom 5. Mai 1994 insoweit auf, welche Informationen in diesen Klauseln enthalten sein mussten. Den Erklärungen lässt sich entnehmen, dass der variable Zinssatz gemäß Anhang II Klausel 3a („Variabler Zinssatz“) u. a. in einer der in dieser Vorschrift vorgesehenen Formen festgelegt werden musste. Anhang II Klausel 3a Buchst. a, b und c verwies auf die Definitionen des variablen Zinssatzes, der die Anwendung eines Referenzindex vorsieht oder – nach Buchst. d dieser Vorschrift – „auf irgendeine andere Weise [festgelegt wird], sofern er klar, konkret, für den Kreditnehmer verständlich und mit dem Recht vereinbar ist“(41).

78.      Vorbehaltlich etwaiger weiterer Überprüfungen durch das vorlegende Gericht scheint der Erlass vom 5. Mai 1994 bei Darlehen mit variablem Zinssatz daher nicht die Verwendung einer der sechs offiziellen Referenzindizes, darunter des IRPH Cajas, vorgeschrieben, sondern, wie aus den von Bankia in ihren Erklärungen angeführten und in Nr. 75 der vorliegenden Schlussanträge erwähnten nationalen Vorschriften hervorgeht, die Voraussetzungen festgelegt zu haben, die „die Referenzindizes oder ‑zinssätze“ erfüllen mussten, damit sie von den Kreditinstituten verwendet werden konnten. Folglich mussten die Vertragsparteien nicht zwingend zwischen den sechs im Rundschreiben 8/1990 vorgesehenen offiziellen Referenzindizes wählen(42). In diesem Zusammenhang trifft es zwar zu, dass die sechs im Rundschreiben 8/1990 festgelegten offiziellen Referenzindizes grundsätzlich die beiden angeführten Voraussetzungen erfüllten; vorbehaltlich etwaiger späterer Überprüfungen durch das vorlegende Gericht hatte Bankia, wie aus Anhang II Klausel 3a Buchst. d des Erlasses vom 5. Mai 1994 hervorgeht(43), gleichwohl die Möglichkeit, den variablen Zinssatz „auf irgendeine andere Weise“ festzulegen, „sofern dieser klar, konkret, für den Kreditnehmer verständlich und mit dem Recht vereinbar ist“. In diesem Kontext verweist das vorlegende Gericht auf die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses, nämlich am 19. Juli 2001, bestehende Möglichkeit, den 1999 in Spanien eingeführten Euribor zu verwenden(44). Aus dem rechtlichen Rahmen der vorliegenden Rechtssache geht hervor, dass der Euribor zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht zu den sechs im Rundschreiben 8/1990 vorgesehenen offiziellen Indizes gehörte. Wie das vorlegende Gericht ausgeführt hat, hätte er zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses von der Bank jedoch als Referenzindex ausgewählt werden können.

79.      Diese Schlussfolgerung wird durch die schriftlichen Erklärungen von Bankia untermauert, in denen sie eindeutig feststellt, dass der „IRPH den Vertragsparteien nicht zwingend vorgeschrieben [werde]“(45).

80.      Schließlich ist hervorzuheben, dass das Tribunal Supremo (Oberstes Gericht), wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen feststellt, in seinem Urteil vom 14. Dezember 2017 selbst implizit anerkannt hat, dass die in Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 vorgesehene Ausnahme nicht für eine Vertragsklausel gelte, die die Anwendung des IRPH Cajas vorsehe, da es die Transparenz der fraglichen Klausel geprüft hat, ohne die Anwendbarkeit der Richtlinie 93/13 in Frage zu stellen.

81.      Im Übrigen weist die Kommission auch darauf hin, dass das Urteil vom 14. Dezember 2017 ein Sondervotum zweier Richter dieses Obergerichts, Herrn Francisco Javier Orduña Moreno und Herrn Francisco Javier Arroyo Fiestas, enthalte, wonach „Gegenstand dieser [gerichtlichen] Kontrolle streng genommen nicht der Index als solcher ist, d. h. als Spiegelbild einer Rechts- oder Verwaltungsvorschrift, die ihn offiziell bestätigt, sondern sein Gebrauch bzw. seine Verwendung in allgemeinen Geschäftsbedingungen“(46). In diesem Votum wird in Bezug auf das Kriterium der Unabdingbarkeit der nationalen Vorschrift weiter ausgeführt, dass „dies auch vorliegend nicht der Fall [ist], da der Gewerbetreibende einen der sieben Referenzindizes verwendet, die seinerzeit erlaubt waren (darunter der MIBOR‑Index, der CECA‑Index und der Euribor); demnach war der IRPH Entidades nicht der einzige Index, der als Referenzwert dienen konnte, und seine Anwendung war für den Gewerbetreibenden nicht zwingend“(47).

82.      In Anbetracht dessen, dass die Ausnahme in Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 eng auszulegen ist, und vorbehaltlich etwaiger weiterer Überprüfungen durch das vorlegende Gericht geht aus den vorstehenden Erwägungen hervor, dass die streitige Klausel in den Anwendungsbereich der Richtlinie 93/13 fällt und die potenzielle Missbräuchlichkeit dieser Vertragsklausel Gegenstand einer gerichtlichen Kontrolle sein kann.

83.      Wie ich bereits in Nr. 72 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt habe, fällt die streitige Klausel meines Erachtens jedenfalls selbst dann unter die Richtlinie 93/13, wenn das vorlegende Gericht die Auffassung verträte, dass die im Ausgangsverfahren anwendbaren Vorschriften für die Kreditinstitute zwingend seien. Die bloße Tatsache, dass eine nationale Vorschrift es einem Kreditinstitut gestattet, in die allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Vertrags über ein Hypothekendarlehen fakultativ einen Index aufzunehmen, der unter mehreren in dieser Vorschrift aufgeführten offiziellen Referenzindizes ausgewählt worden ist, genügt meiner Meinung nach nämlich für die Annahme, dass eine solche Vorschrift nicht bindend im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 ist und diese Richtlinie folglich zur Anwendung kommt. Für mich ist nämlich klar, dass die in dieser Vorschrift vorgesehene Ausnahme keine Anwendung finden kann auf eine Vertragsklausel, die auf einer Rechtsvorschrift beruht, welche die Parteienautonomie einschränkt oder begrenzt, ohne sie zu beseitigen.

84.      Außerdem vermag ich nicht zu erkennen, wie ein Mitgliedstaat geltend machen könnte, eine Vertragsklausel sei nicht missbräuchlich, soweit sie auf einer bindenden Vorschrift beruhe, deren Inhalt der praktischen Wirksamkeit der Richtlinie 93/13 zuwiderlaufe.

85.      Vor diesem Hintergrund ist die Richtlinie 93/13 meines Erachtens daher dahin auszulegen, dass eine zwischen einem Verbraucher und einem Gewerbetreibenden vereinbarte Vertragsklausel wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, mit der ein Zinssatz auf der Grundlage einer der sechs offiziellen und legalen Referenzindizes festgelegt wird, die von den Kreditinstituten auf Hypothekendarlehen mit variablem Zinssatz angewandt werden können, nicht vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgeschlossen ist.

2.      Zweite Vorlagefrage: Umfang und Inhalt der Kontrolle der Transparenz der streitigen Klausel gemäß Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13

86.      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Richtlinie 93/13, insbesondere Art. 8, ein nationales Gericht daran hindert, Art. 4 Abs. 2 dieser Richtlinie anzuwenden, um nicht die etwaige Missbräuchlichkeit einer klar und verständlich formulierten Vertragsklausel, die den Hauptgegenstand des Vertrags betrifft, zu beurteilen, wenn diese Bestimmung nicht vom nationalen Gesetzgeber in seine Rechtsordnung umgesetzt worden ist. Das vorlegende Gericht fragt außerdem, welche Informationen der Gewerbetreibende nach Art. 4 Abs. 2 und Art. 5 der Richtlinie 93/13 mitteilen muss, um dem Erfordernis der Transparenz einer Vertragsklausel zu entsprechen, mit der auf der Grundlage eines legalen Referenzindex wie des IRPH Cajas, dessen mathematische Berechnungsformel komplex und für einen Durchschnittsverbraucher wenig transparent ist, ein Zinssatz festgelegt wird. Es fragt schließlich, ob der Informationsmangel als unlauter anzusehen ist.

a)      Zweite Frage Buchst. a

87.      Bevor zum ersten Teil der zweiten Frage Stellung genommen wird, der nicht nur die Auslegung von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13, sondern auch der Art. 5 und 8 dieser Richtlinie betrifft, ist der Kontext zu präzisieren, in dem diese Frage gestellt wird. Ich werde somit mit einem Hinweis auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs beginnen.

1)      Urteil Caja de Ahorros y Monte de Piedad de Madrid

88.      Was die Frage angeht, ob Art. 8 der Richtlinie 93/13 ein nationales Gericht daran hindert, Art. 4 Abs. 2 dieser Richtlinie anzuwenden, um nicht die etwaige Missbräuchlichkeit einer klar und verständlich abgefassten Vertragsklausel, die den Hauptgegenstand des Vertrags betrifft, zu beurteilen, wenn diese Bestimmung nicht vom nationalen Gesetzgeber in seine Rechtsordnung umgesetzt worden ist, möchte ich vorab betonen, dass der Gerichtshof bereits im Urteil Caja de Ahorros y Monte de Piedad de Madrid(48) auf diese Frage geantwortet hat.

89.      In jenem Urteil hat der Gerichtshof zunächst festgestellt, worauf das vorlegende Gericht in der vorliegenden Rechtssache hingewiesen hat, dass „das Gesetz 7/1998(49), wie sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten ergibt, Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie [93/13] nicht in innerstaatliches Recht umgesetzt hat“(50). Daher dürfe in der spanischen Rechtsordnung ein nationales Gericht im Rahmen eines Rechtsstreits betreffend einen zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher geschlossenen Vertrag die Missbräuchlichkeit einer nicht individuell ausgehandelten Klausel, die insbesondere den Hauptgegenstand des Vertrags betreffe, unter allen Umständen und selbst in den Fällen beurteilen, in denen diese Klausel durch den Gewerbetreibenden klar und verständlich vorformuliert worden sei(51). Unter diesen Umständen hat der Gerichtshof schließlich festgestellt, dass die spanische Regelung dadurch, dass sie eine umfassende richterliche Missbrauchskontrolle von in einem Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher vorgesehenen Klauseln wie den in Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 genannten zulässt, „gemäß Art. 8 [dieser] Richtlinie ein höheres Niveau des effektiven Schutzes für den Verbraucher gewährleisten kann, als es in der Richtlinie festgelegt ist“(52).

2)      Standpunkt der spanischen Regierung

90.      In der vorliegenden Rechtssache ist die spanische Regierung der Ansicht(53), dass, wenn Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 zwar nicht förmlich in spanisches Recht umgesetzt worden sei, dieses Fehlen einer förmlichen Umsetzung nicht, wie das vorlegende Gericht dies tue, als ausdrücklicher Wille des spanischen Gesetzgebers ausgelegt werden könne, dass eine Missbrauchskontrolle der Vertragsbestandteile, die den Hauptgegenstand des Vertrags beträfen, zulässig sei, wenn sie klar und verständlich abgefasst seien(54). Nach Erlass des Urteils Caja de Ahorros y Monte de Piedad de Madrid(55) habe das Tribunal Supremo (Oberstes Gericht) in seinem Urteil vom 18. Juni 2012(56) die Auffassung vertreten, der Wille des Gesetzgebers sei dahin gegangen, Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 in spanisches Recht umzusetzen; die mit dem Gesetz 7/1998 durchgeführte Reform bestätige die ausdrückliche Umsetzung dieses Artikels(57).

91.      Ich teile die Meinung der spanischen Regierung insoweit nicht. Ihre Argumentation steht meines Erachtens nämlich im Widerspruch zur Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Umsetzung von Richtlinien, insbesondere zu den Grundsätzen der Rechtssicherheit, der Transparenz und der loyalen Zusammenarbeit.

3)      Folgen der Nichtumsetzung von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13

92.      Nach Art. 288 Abs. 3 AEUV ist eine Richtlinie für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel. Folglich kann das Königreich Spanien – wie jeder Mitgliedstaat – die Form und die Mittel zur Umsetzung von Richtlinien wählen.

93.      Ebenso steht fest, dass die Umsetzung von Richtlinien den Prozess ihrer Transformation in Bestimmungen des nationalen Rechts durch das oder die zuständigen nationalen Gesetzgebungsorgane bezeichnet(58). In diesem Kontext verlangt der Grundsatz der Rechtssicherheit von einem Mitgliedstaat, dass er die Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlässt, die erforderlich sind, um die vollständige Umsetzung der Bestimmungen einer Richtlinie in nationales Recht sicherzustellen(59). Auch wenn nicht alle Bestimmungen einer Richtlinie unmittelbar oder explizit umgesetzt zu werden brauchen, kann das Transparenzgebot faktisch ein gewisses Verhalten, insbesondere die Übermittlung bestimmter Informationen an die Kommission, verlangen(60). Die „Verpflichtung aus der Richtlinie selbst und ihrer Bindungswirkung“ nach Art. 288 Abs. 3 AEUV wird nämlich durch „die subsidiäre Verpflichtung“ aus Art. 4 Abs. 3 EUV verstärkt, „der eine loyale Zusammenarbeit zwischen den nationalen Behörden und der Union bei der Umsetzung der Vorschriften der Verträge voraussetzt“(61).

94.      Insbesondere sollte nicht vergessen werden, dass die Umsetzung einer Richtlinie im Rahmen der Auslegung von Art. 288 Abs. 3 AEUV, der Gegenstand einer reichhaltigen Rechtsprechung gewesen ist, zwar nicht notwendig in jedem Mitgliedstaat ein Tätigwerden des Gesetzgebers verlangt, es jedoch unerlässlich ist, dass das fragliche nationale Recht tatsächlich die vollständige Anwendung der Richtlinie durch die nationalen Behörden gewährleistet, dass die sich aus diesem Recht ergebende Rechtslage hinreichend bestimmt und klar ist und dass die Begünstigten in die Lage versetzt werden, von allen ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und diese gegebenenfalls vor den nationalen Gerichten geltend zu machen(62).

95.      Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang bereits entschieden, dass eine etwaige nationale Rechtsprechung, die innerstaatliche Rechtsvorschriften in einem Sinne auslegt, der als den Anforderungen einer Richtlinie entsprechend angesehen wird, nicht die Klarheit und Bestimmtheit aufweisen kann, die notwendig sind, um dem Erfordernis der Rechtssicherheit zu genügen, was ganz besonders im Bereich des Verbraucherschutzes gilt(63). Dies gilt erst recht, wenn eine gefestigte nationale Rechtsprechung eine Richtlinienbestimmung auslegt und anwendet, die der nationale Gesetzgeber nicht umgesetzt hat. Folglich kann eine solche nationale Rechtsprechung nicht die Klarheit und Bestimmtheit aufweisen, die erforderlich ist, um eine angemessene Rechtsgrundlage für die Regelung des Verbraucherschutzes zu sein, oder, wie dies vorliegend der Fall ist, die Ausnahme in Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 umzusetzen.

96.      Auch wenn ich beim Studium der dem Gerichtshof in der vorliegenden Rechtssache vorgelegten Akten verstehe, dass das Tribunal Supremo (Oberstes Gericht) mit seinen Urteilen vom 18. Juni 2012(64) und vom 9. Mai 2013(65) versucht hat, einer früheren widersprüchlichen Rechtsprechung zu begegnen und insbesondere die Kohärenz der nationalen Rechtsordnung sicherzustellen, ist es daher Sache des spanischen Gesetzgebers, gegebenenfalls tätig zu werden und die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, wenn er wünschen sollte, Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 umzusetzen, was unter Berücksichtigung der in den Nrn. 94 und 95 der vorliegenden Schlussanträge wiedergegebenen Rechtsprechung weder aus der Vorlageentscheidung noch aus dem Studium der dem Gerichtshof vorgelegten Akten hervorgeht.

97.      Außerdem ergibt sich erstens aus einer ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass es sich bei Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 nicht um eine zwingende Bestimmung handelt, die von den Mitgliedstaaten verbindlich als solche umgesetzt werden muss. Diese Bestimmung sieht nämlich eine Einschränkung der Rechte vor, die der Bürger aus dem Unionsrecht herleitet. Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang bereits entschieden, dass eine Umsetzung der genannten Bestimmung vollständig sein muss, um das Erreichen der mit der Richtlinie verfolgten Verbraucherschutzziele konkret zu gewährleisten, so dass das Verbot der Beurteilung der Missbräuchlichkeit von Klauseln nur die Klauseln betrifft, die klar und verständlich abgefasst sind(66).

98.      Zweitens bedeutet die Nichtumsetzung in innerstaatliches Recht, worauf in Nr. 89 der vorliegenden Schlussanträge hingewiesen worden ist, dass die spanische Regelung dadurch, dass sie eine umfassende richterliche Kontrolle von in einem Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher vorgesehenen Klauseln wie den in Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 genannten zulässt, gemäß Art. 8 dieser Richtlinie ein höheres Schutzniveau für den Verbraucher gewährleisten kann, als es in der Richtlinie festgelegt ist, und zwar auch dann, wenn diese Klausel den Hauptgegenstand des Vertrags oder das Preis-Leistungs-Verhältnis betrifft.

99.      Was drittens und letztens das Erfordernis angeht, wonach eine Vertragsklausel gemäß Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 klar und verständlich abgefasst sein muss, so ist es ständige Rechtsprechung, dass auf dieses Erfordernis auch in Art. 5 der erwähnten Richtlinie hingewiesen wird(67) und, wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen hervorgehoben hat, die Kontrolle der Transparenz der Klausel demnach zur Beurteilung der Missbräuchlichkeit im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie gehört. Folglich sind die spanischen Gerichte im Rahmen der Beurteilung der Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie verpflichtet, gemäß Art. 5 dieser Richtlinie die Transparenz der Klauseln zu prüfen.

100. Daher hindert Art. 8 der Richtlinie 93/13 ein nationales Gericht meiner Meinung nach daran, Art. 4 Abs. 2 dieser Richtlinie anzuwenden, um nicht die etwaige Missbräuchlichkeit einer Klausel wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die klar und verständlich abgefasst ist und den Hauptgegenstand des Vertrags betrifft, zu beurteilen, wenn diese Bestimmung nicht vom nationalen Gesetzgeber in seine Rechtsordnung umgesetzt worden ist.

b)      Zur zweiten Frage Buchst. b und c

101. Der zweite und der dritte Teil der zweiten Frage gehen dahin, welche Informationen der Gewerbetreibende übermitteln muss, um im Einklang mit Art. 4 Abs. 2 und Art. 5 der Richtlinie 93/13 dem Erfordernis der Transparenz einer Vertragsklausel zu entsprechen, mit der auf der Grundlage eines legalen Index wie des IRPH Cajas, dessen mathematische Berechnungsformel komplex und für einen Durchschnittsverbraucher wenig transparent ist, ein Zinssatz festgelegt wird. Das vorlegende Gericht fragt auch, ob der Informationsmangel als unlauter anzusehen ist.

102. In diesem Zusammenhang machen die spanische Regierung und Bankia geltend, dass, da der IRPH Cajas ein monatlich im Boletín Oficial del Estado veröffentlichter und dem Rundschreiben 8/1990 unterliegender offizieller Index sei, die streitige Klausel die Definition des durch die nationale Regelung festgelegten IRPH Cajas enthalte(68). Die spanische Regierung unterstreicht ferner, dass dieses Rundschreiben die Formel zur Berechnung des IRPH Cajas sowie die Informationen festlege, die das Kreditinstitut dem Verbraucher vor Abschluss des Vertrags über ein Hypothekendarlehen erteilen müsse(69).

103. Obwohl die spanische Regierung der Tatsache beipflichtet, dass die dem Verbraucher vom Kreditinstitut erteilten Informationen tatsächlich eine hinreichende Erklärung nicht nur bezüglich der Elemente enthalten müssen, aus denen der ausgewählte Referenzindex besteht, sondern auch bezüglich der vergangenen Entwicklung dieses Index, vertritt sie die Auffassung, das Erfordernis, den Verbraucher über die konkrete Funktionsweise des Referenzindex, d. h. die genaue Methode zu seiner Berechnung, zu informieren, sei nicht sinnvoll, da die anwendbare mathematische Formel die Informationen unverständlicher und somit weniger transparent für den Verbraucher mache. Auch ein Gutachten über die mögliche künftige Entwicklung könne nicht verlangt werden, weil das Kreditinstitut zum einen nicht über diese Information verfüge und die Missbräuchlichkeit einer Klausel zum anderen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses beurteilt werden müsse. Zu diesem Zeitpunkt sei die künftige Entwicklung jedoch irrelevant. Die spanische Regierung hebt schließlich hervor, dass keine Pflicht bestehen könne, grafische Darstellungen zur Erläuterung der vergangenen Entwicklung des IRPH Cajas im Verhältnis zum Euribor in die an Verbraucher gerichtete Werbung aufzunehmen.

104. Wie ich in den Nrn. 95 bis 101 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt habe und wie aus der Vorlageentscheidung und den dem Gerichtshof vorgelegten Akten der Rechtssache hervorgeht, hat der spanische Gesetzgeber Art. 4 Abs. 2 dieser Richtlinie nicht in innerstaatliches Recht umgesetzt. Meines Erachtens folgt daraus, dass die spanischen Gerichte im Rahmen der Beurteilung der Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 verpflichtet sind, gemäß Art. 5 dieser Richtlinie die Transparenz der Klauseln zu prüfen(70).

105. Falls der Gerichtshof zu demselben Schluss gelangt, wird er klarzustellen haben, welche Informationen den Verbrauchern vom Kreditinstitut im Rahmen der Transparenzkontrolle mitgeteilt werden müssen. Vor deren Bestimmung werde ich die Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Informationsgrad umreißen, der im Rahmen der Auslegung von Art. 4 Abs. 2 und Art. 5 der Richtlinie 93/13 erforderlich ist.

1)      Überblick über die Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Umfang des Informationsgrads, der im Rahmen des sich aus Art. 4 Abs. 2 und Art. 5 der Richtlinie 93/13 ergebenden Erfordernisses der Transparenz von Vertragsklauseln erforderlich ist

106. Vorab sei darauf hingewiesen, dass es für einen Verbraucher, wie der Gerichtshof zu Art. 5 der Richtlinie 93/13 mehrfach entschieden hat, von grundlegender Bedeutung ist, dass er vor Abschluss eines Vertrags über dessen Bedingungen und die Folgen des Vertragsschlusses informiert ist. Insbesondere auf der Grundlage dieser Informationen entscheidet der Verbraucher, ob er sich gegenüber dem Gewerbetreibenden vertraglich binden möchte, indem er sich den von diesem vorformulierten Bedingungen unterwirft(71). Ferner sei darauf hingewiesen, dass das Erfordernis der Transparenz von Vertragsklauseln, wie es sich aus Art. 4 Abs. 2 und Art. 5 der Richtlinie 93/13 ergibt, nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs seit dem Urteil Kásler und Káslerné Rábai(72) nicht auf die bloße Verständlichkeit der Vertragsklauseln in formeller und grammatikalischer Hinsicht beschränkt werden kann. Da das durch die Richtlinie 93/13 eingeführte Schutzsystem auf dem Gedanken beruht, dass der Verbraucher gegenüber dem Gewerbetreibenden u. a. einen geringeren Informationsstand besitzt, muss das durch diese Richtlinie aufgestellte Erfordernis der klaren und verständlichen Abfassung von Vertragsklauseln und damit der Transparenz vielmehr umfassend verstanden werden(73).

107. Somit ist das Erfordernis, dass eine Vertragsklausel klar und verständlich abgefasst sein muss, nach Auffassung des Gerichtshofs so zu verstehen, dass der Vertrag auch die konkrete Funktionsweise des Verfahrens, auf das die betreffende Klausel Bezug nimmt, und gegebenenfalls das Verhältnis zwischen diesem und dem durch andere Klauseln vorgeschriebenen Verfahren in transparenter Weise darstellen muss, damit der betroffene Verbraucher in der Lage ist, die sich für ihn daraus ergebenden wirtschaftlichen Folgen auf der Grundlage genauer und nachvollziehbarer Kriterien einzuschätzen(74).

108. Der Gerichtshof hat darüber hinaus entschieden, dass das vorlegende Gericht diese Frage anhand aller relevanten Tatsachen – wozu auch die Werbung und die Informationen zählen, die der Kreditgeber im Rahmen der Aushandlung eines Kreditvertrags bereitstellt – zu prüfen hat(75). Er hat insbesondere klargestellt, dass der nationale Richter in Anbetracht aller den Vertragsschluss begleitender Umstände zu prüfen hat, ob dem Verbraucher in dem betreffenden Fall sämtliche Tatsachen mitgeteilt wurden, die sich auf den Umfang seiner Verpflichtung auswirken könnten und ihm u. a. erlauben, die Gesamtkosten seines Kredits einzuschätzen. Der Gerichtshof hat im Übrigen die Tatsachen herausgearbeitet, die eine entscheidende Rolle bei dieser Beurteilung spielen, insbesondere, zum einen, ob die Klauseln klar und verständlich abgefasst sind und es einem Durchschnittsverbraucher, d. h. einem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher, ermöglichen, diese Kosten einzuschätzen, und zum anderen, ob in dem Kreditvertrag Informationen fehlen, die in Anbetracht der Natur der Waren oder Dienstleistungen, die Gegenstand dieses Vertrags sind, als wesentlich angesehen werden(76).

109. Die Fragen des vorlegenden Gerichts sind vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung zu beantworten.

2)      Anwendung auf den vorliegenden Fall

110. Im Licht der in den vorhergehenden Nummern in Erinnerung gerufenen Rechtsprechung ist es Sache des vorlegenden Gerichts, die erforderlichen Überprüfungen vorzunehmen, um in Anbetracht aller relevanten tatsächlichen Umstände, die den Vertragsschluss begleitet haben, einschließlich der Werbung und der vom Kreditinstitut im Rahmen der Aushandlung des Darlehensvertrags bereitgestellten Informationen, festzustellen, ob die mitgeteilten Informationen genügten, um es einem Durchschnittsverbraucher zu ermöglichen, die Methode zur Berechnung des auf das genannte Darlehen anwendbaren variablen Zinssatzes zu verstehen und damit die Gesamtkosten seines Kredits einzuschätzen(77), oder ob – insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass es sich um ein Hypothekendarlehen handelte – im Gegenteil weitere als wesentlich angesehene Informationen hätten mitgeteilt werden müssen.

111. Konkret betreffen die Informationen, hinsichtlich deren das vorlegende Gericht wissen möchte, ob sie den Verbrauchern durch das Kreditinstitut für das Verständnis der wirtschaftlichen Folgen der streitigen Klausel notwendigerweise übermittelt werden müssen, i) die mathematische Formel zur Berechnung des IRPH Cajas (insbesondere die Tatsache, dass dieser Referenzindex Provisionen und weitere, über den nominalen Zinssatz hinausgehende Kosten beinhaltet und es sich um ein einfaches nicht gewogenes Mittel handelt)(78), ii) die Verpflichtung der Kreditinstitute, im Einklang mit der nationalen Regelung einen negativen Korrekturwert anzuwenden(79), iii) die Tatsache, dass die bereitgestellten Informationen anders als beim Euribor nicht öffentlich sind, iv) die Entwicklung des IRPH Cajas in der Vergangenheit und v) die voraussichtliche künftige Entwicklung des Referenzindex gegenüber anderen offiziellen Referenzindizes, insbesondere dem Euribor(80).

112. Zwar ist die streitige Klausel, wie das vorlegende Gericht festgestellt hat, grammatikalisch klar und verständlich in dem Sinne, dass sie dem Durchschnittsverbraucher das Verständnis und die Akzeptanz der Tatsache ermöglicht, dass der auf sein Hypothekendarlehen anwendbare variable Zinssatz unter Bezugnahme auf einen offiziellen Referenzindex (den IRPH Cajas) berechnet wird. Diese Klausel ermöglicht es dem Verbraucher auch, einerseits zu verstehen, dass dieser Referenzindex definiert ist als „Durchschnittszinssatz für von den Sparkassen gewährte Hypothekendarlehen mit einer Laufzeit von mehr als drei Jahren zum Erwerb von nicht preisgebundenem Wohnraum“, und andererseits, dass der genannte Index „auf das jeweils nächste Viertelprozent [aufgerundet] und … um 0,25 Prozentpunkte [erhöht wird]“ (IRPH Cajas + Korrekturwert bzw. Differential).

113. Es ist jedoch noch festzustellen, ob die streitige Klausel – insbesondere in Anbetracht der Verpflichtung, die sich aus der in Nr. 107 der vorliegenden Schlussanträge dargelegten Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt und wonach der Vertrag „die konkrete Funktionsweise des Verfahrens, auf das die betreffende Klausel Bezug nimmt, … in transparenter Weise“ darstellen muss – dem durch die Richtlinie 93/13 aufgestellten Transparenzerfordernis genügt. In diesem Kontext könnte sich folgende Frage stellen: Müsste der Durchschnittsverbraucher, um die Methode zur Berechnung des auf das Hypothekendarlehen anwendbaren Zinssatzes verstehen zu können, aus der sich ergibt, dass der Verbraucher die Summe aus der Addition des Referenzindex und des Korrekturwerts (IRPH Cajas + Korrekturwert bzw. Differential) zu zahlen hat, nicht auch in der Lage sein, die genaue Funktionsweise des in dieser Berechnungsmethode enthaltenen Referenzindex zu verstehen?

114. Die Antwort auf diese Frage, die logischerweise zu bejahen ist, ist jedoch ohne jede Relevanz, wenn es um die Feststellung geht, ob das Kreditinstitut das durch die Richtlinie 93/13 aufgestellte Erfordernis einer klaren und verständlichen Abfassung von Vertragsklauseln und damit der Transparenz beachtet hat. Das durch diese Richtlinie aufgestellte Erfordernis der Transparenz von Vertragsklauseln, dessen Ziel darin besteht, es dem Verbraucher zu ermöglichen, die wirtschaftlichen Folgen seines Kredits einzuschätzen, darf nämlich nicht mit einer Beratungspflicht verwechselt werden, die in der genannten Richtlinie nicht vorgesehen ist.

115. Außerdem unterscheidet sich die vorliegende Rechtssache, wie ich im Folgenden erläutern werde, in tatsächlicher Hinsicht von denen, die u. a. zu den Urteilen Kásler und Káslerné Rábai(81) sowie Andriciuc u. a.(82) geführt haben, auch wenn der in Nr. 107 der vorliegenden Schlussanträge erwähnten Rechtsprechung für die vorliegende Rechtssache meiner Meinung nach besondere Bedeutung zukommt. Diese Unterschiede veranlassen mich dazu, die aus der besagten Rechtsprechung zu ziehenden Konsequenzen für die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Rechtssache zu nuancieren.

116. Erstens ging es in den Rechtssachen, die zu den Urteilen Kásler und Káslerné Rábai(83) sowie Andriciuc u. a.(84) geführt haben, um Darlehensverträge, die auf eine ausländische Währung, nämlich den Schweizer Franken (CHF), lauteten und deren in Rede stehende Klauseln das Wechselkursrisiko vollständig dem Kreditnehmer aufbürdeten(85). In diesem Kontext hat der Gerichtshof, indem er entschieden hat, dass das Transparenzerfordernis „so zu verstehen ist, dass … der Vertrag … die konkrete Funktionsweise des Verfahrens … [darstellen muss], auf die die betreffende Klausel Bezug nimmt“, ausdrücklich auf das „Verfahren zur Umrechnung der ausländischen Währung“ sowie auf „das Verhältnis zwischen diesem und dem durch andere, die Auszahlung des Darlehens betreffende Klauseln vorgeschriebenen Verfahren“ Bezug genommen(86), damit der Verbraucher in der Lage ist, die sich für ihn daraus ergebenden wirtschaftlichen Folgen auf der Grundlage genauer und nachvollziehbarer Kriterien einzuschätzen(87).

117. Zweitens bedeutet dieses Erfordernis der Transparenz von Vertragsklauseln nach Auffassung des Gerichtshofs, dass ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher nicht nur „die Möglichkeit einer Auf- oder Abwertung der Fremdwährung“, auf die der Kredit lautet, erkennen, sondern auch „die – möglicherweise erheblichen – wirtschaftlichen Folgen einer solchen Klausel für seine finanziellen Verpflichtungen einschätzen“ kann(88). Zum einen müsse der Kreditnehmer nämlich klar darüber informiert werden, dass er sich durch den Abschluss eines auf eine ausländische Währung lautenden Kreditvertrags einem Wechselkursrisiko aussetze, das er im Fall einer Abwertung der Währung, in der er sein Einkommen erhalte, eventuell schwer werde tragen können. Zum anderen müsse das Kreditinstitut die möglichen Änderungen der Wechselkurse und die Risiken des Abschlusses eines Fremdwährungskredits insbesondere dann darlegen, wenn der den Kredit aufnehmende Verbraucher sein Einkommen nicht in dieser Währung erhalte(89).

118. Meines Erachtens ergibt sich daraus, dass der Begriff „möglicherweise erhebliche wirtschaftliche Folgen“ eines der Schlüsselelemente dieser Rechtsprechung darstellt. Die erwähnten Folgen stellen nämlich die Grundlage für die Pflicht der Kreditinstitute dar, ausreichende Informationen für die Verbraucher bereitzustellen, um es diesen zu ermöglichen, ihre Entscheidungen mit Bedacht und in voller Kenntnis der Sachlage zu treffen(90). Dies bedeutet, dass das durch die Richtlinie 93/13 aufgestellte Transparenzerfordernis nicht nur den – möglicherweise erheblichen – wirtschaftlichen Folgen für den Verbraucher vorbeugen, sondern auch dazu führen soll, dass diese Folgen weder zufällig noch unvorhersehbar sind. Der Durchschnittsverbraucher muss nämlich in der Lage sein, die Kosten seines Kredits vorherzusehen, ohne dem unvorhersehbaren Risiko einer Schwankung der wirtschaftlichen Belastung ausgesetzt zu sein, die sich aus ihm ergibt.

119. Anders als bei einem Vertrag über ein in einer ausländischen Währung aufgenommenes Hypothekendarlehen, der unter Berücksichtigung des auf dem Darlehensnehmer lastenden Wechselkursrisikos – möglicherweise erhebliche – wirtschaftliche Folgen haben kann, die er schwer wird tragen können(91), sind die wirtschaftlichen Folgen, die sich aus dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Hypothekendarlehen ergeben, dessen variabler Zinssatz auf der Grundlage eines offiziellen Referenzindex berechnet wird, im vorliegenden Fall jedoch nicht als „möglicherweise erheblich“ im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs anzusehen. Die sich aus dem Kredit ergebende wirtschaftliche Belastung war für den Verbraucher nämlich vorhersehbar und kalkulierbar, weshalb er in der Lage war, sie vor Vertragsschluss einzuschätzen. Abgesehen davon, dass sein Darlehen einem variablen Zinssatz unterliegt, ist der Kläger des Ausgangsverfahrens daher keinem unvorhersehbaren Risiko einer Änderung der sich aus seinem Kredit ergebenden wirtschaftlichen Belastung ausgesetzt.

120. Auch wenn der Kläger des Ausgangsverfahrens nicht in der Lage war, die konkrete Funktionsweise eines der Bestandteile der Methode zur Berechnung des auf sein Darlehen anwendbaren variablen Zinssatzes, nämlich des IRPH Cajas, dessen Funktionsweise nicht aus dem Wortlaut der streitigen Klausel hervorgeht, zu erfassen, konnte er auf der Grundlage des Darlehensvertrags nämlich verstehen, dass er für jede Rückzahlung einen bestimmten – mehr oder weniger stabilen – Preis, nämlich die Summe aus der Addition des IRPH Cajas und eines Korrekturwerts – zu zahlen hatte.

121. Wie ich in den Nrn. 113 und 114 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt habe, muss der Durchschnittsverbraucher – damit davon ausgegangen werden kann, dass er die Methode zur Berechnung des auf sein Darlehen anwendbaren variablen Zinssatzes, auf den die streitige Klausel Bezug nimmt, wirklich verstanden hat – meiner Meinung nach auf eine Information zugreifen können, die angesichts der Art der Güter oder Dienstleistungen, die Gegenstand dieses Vertrags sind, wichtig ist, nämlich dass der IRPH Cajas ein effektiver Jahreszinssatz in Höhe der von den Sparkassen für den Referenzmonat abgeschlossenen Verträge ist. Die konkrete mathematische Formel zur Berechnung dieses Index war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses jedoch nicht in der streitigen Klausel enthalten, sondern in Anhang VIII Abs. 2 des Rundschreibens 8/1990.

122. Allerdings kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger des Ausgangsverfahrens nicht „in der Lage [gewesen] ist, die sich für ihn daraus ergebenden wirtschaftlichen Folgen auf der Grundlage genauer und nachvollziehbarer Kriterien einzuschätzen“(92), da er vorbehaltlich etwaiger weiterer Überprüfungen durch das vorlegende Gericht zum einen Kenntnis davon hatte, dass der Betrag der zu leistenden Rückzahlungen die Summe aus der Addition des IRPH Cajas und des Korrekturwerts war, und zum anderen die Informationen über die konkrete Funktionsweise des IRPH Cajas aufgrund ihrer Veröffentlichung im Boletín Oficial del Estado zugänglich waren. Da diese mathematische Gleichung zur Berechnung des IRPH Cajas öffentlich zugänglich war, konnte der Verbraucher nämlich zum einen verstehen, dass der für die Berechnung des variablen Zinssatzes seines Vertrags verwendete IRPH Cajas die Summe aus i) dem Mittel der von den Sparkassen für den Referenzmonat verwendeten Indizes, ii) dem Mittel der von denselben Instituten zu diesen Indizes hinzugefügten Korrekturwerte und iii) dem Mittel der Provisionen und Kosten ebendieser Geschäfte war, und zum anderen, dass das Kreditinstitut zu dieser Summe, die den IRPH Cajas darstellte, die mit dem Darlehen verbundenen Kosten hinzufügte.

123. Außerdem lässt die Tatsache, dass es sich beim IRPH Cajas um einen im Boletín Oficial del Estado veröffentlichten offiziellen Referenzindex handelt, die Annahme zu, dass es für einen Durchschnittsverbraucher vergleichsweise einfach ist, auf die Systeme zur Berechnung der verschiedenen offiziellen Indizes zuzugreifen und die verschiedenen von den Kreditinstituten angebotenen Optionen miteinander zu vergleichen. Von der Bank kann daher nicht verlangt werden, dass sie den Verbrauchern verschiedene Referenzindizes anbietet. Die Informationspflicht, auf die sich die Rechtsprechung des Gerichtshofs bezieht, ist nämlich keine Beratungspflicht und bedeutet folglich keineswegs, dass das Kreditinstitut verpflichtet wäre, verschiedene offizielle Indizes zu verwenden oder dem Verbraucher anzubieten.

124. Die Gesamtheit der vorstehenden Erwägungen veranlasst mich zu der Schlussfolgerung, dass das Kreditinstitut das durch die Richtlinie 93/13 aufgestellte Transparenzerfordernis beachtet hat. Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, die insoweit erforderlichen Überprüfungen vorzunehmen und insbesondere zu untersuchen, ob Bankia dem Kläger des Ausgangsverfahrens vor Abschluss des Darlehensvertrags genügend Informationen übermittelt hat, um es ihm zu ermöglichen, seine Entscheidung mit Bedacht und in voller Kenntnis der Sachlage zu treffen. Folglich obliegt es dem vorlegenden Gericht, unter Berücksichtigung aller den Vertragsschluss begleitenden relevanten Tatsachen, einschließlich der Werbung und der von Bankia im Rahmen der Aushandlung dieses Vertrags bereitgestellten Informationen, zu prüfen, ob das Kreditinstitut den im Rundschreiben 8/1990 vorgesehenen Informationspflichten nachgekommen ist.

125. Um das vorlegende Gericht bei diesen Überprüfungen anzuleiten, ist daher davon auszugehen, dass es sich bei den Informationen, die der Gewerbetreibende mitteilen muss, um im Einklang mit Art. 4 Abs. 2 und Art. 5 der Richtlinie 93/13 dem Erfordernis der Transparenz einer Vertragsklausel, mit der auf der Grundlage eines legalen Referenzindex wie des IRPH Cajas, dessen mathematische Berechnungsmethode komplex und für einen Durchschnittsverbraucher wenig transparent ist, ein variabler Zinssatz festgelegt wird, zu entsprechen, um hinreichende Informationen handeln muss, die es dem Verbraucher ermöglichen, seine Entscheidung mit Bedacht und in voller Kenntnis der Sachlage hinsichtlich der Methode zur Berechnung des Zinssatzes, der auf den Hypothekendarlehensvertrag anwendbar ist, und der Bestandteile, aus denen sie besteht, zu treffen, indem nicht nur die vollständige Definition des bei dieser Berechnungsmethode verwendeten Referenzindex, sondern auch die einschlägigen Bestimmungen der diesen Index festlegenden nationalen Rechtsvorschriften angeführt werden, und die zum anderen die Entwicklung des ausgewählten Referenzindex in der Vergangenheit zum Gegenstand haben(93).

126. Es obliegt allerdings dem nationalen Gericht, bei der Kontrolle der Transparenz der streitigen Klausel unter Berücksichtigung aller Begleitumstände des Vertragsschlusses zum einen zu prüfen, ob der Vertrag diese Berechnungsmethode in transparenter Weise darstellt, damit der Verbraucher in der Lage ist, die sich für ihn daraus ergebenden wirtschaftlichen Folgen auf der Grundlage genauer und nachvollziehbarer Kriterien einzuschätzen, und zum anderen, ob dieser Vertrag alle in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehenen Informationspflichten erfüllt.

127. Sollte das vorlegende Gericht zu dem Schluss gelangen, dass das Erfordernis der klaren und verständlichen Abfassung von Vertragsklauseln und damit der Transparenz in Anbetracht der Antworten, die der Gerichtshof auf die vorgelegten Fragen erteilen wird, beachtet worden ist, ist schließlich gleichwohl davon auszugehen, dass die streitige Klausel jedenfalls Gegenstand einer Beurteilung ihrer etwaigen Missbräuchlichkeit in der Sache sein muss, wobei das etwaige Bestehen eines zum Nachteil des Verbrauchers verursachten erheblichen Missverhältnisses der sich aus dem Vertrag ergebenden Rechte und Pflichten der Vertragspartner zu berücksichtigen ist(94). In diesem Rahmen ist es Sache des nationalen Gerichts, unter Berücksichtigung der in Art. 3 Abs. 1 und Art. 5 der Richtlinie 93/13 aufgestellten Kriterien zu ermitteln, ob eine Klausel wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende in Anbetracht der Umstände der vorliegenden Rechtssache(95) auch den in dieser Richtlinie aufgestellten Anforderungen an Treu und Glauben sowie an Ausgewogenheit genügt(96). Diese Frage geht jedoch über den Gegenstand des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens hinaus, so dass ich sie nicht weiter untersuchen werde.

128. In Anbetracht des Vorschlags für eine Antwort auf die zweite Frage Buchst. b sind die zweite Frage Buchst. c, in der es darum geht, ob der Informationsmangel als unlauter anzusehen ist(97), und die dritte Frage nach den Folgen der Feststellung der Missbräuchlichkeit dieser Klausel meines Erachtens nicht zu beantworten.

VI.    Ergebnis

129. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die Vorlagefragen des Juzgado de Primera Instancia n° 38 de Barcelona (Gericht erster Instanz Nr. 38 Barcelona, Spanien) wie folgt zu antworten:

1.      Die Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ist dahin auszulegen, dass eine zwischen einem Verbraucher und einem Gewerbetreibenden vereinbarte Vertragsklausel wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, mit der ein Zinssatz auf der Grundlage einer der sechs offiziellen und legalen Referenzindizes festgelegt wird, die von den Kreditinstituten auf Hypothekendarlehen mit variablem Zinssatz angewandt werden können, nicht vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgeschlossen ist.

2.      Art. 8 der Richtlinie 93/13 hindert ein nationales Gericht daran, Art. 4 Abs. 2 dieser Richtlinie anzuwenden, um nicht die etwaige Missbräuchlichkeit einer Klausel wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die klar und verständlich abgefasst ist und den Hauptgegenstand des Vertrags betrifft, zu beurteilen, wenn diese Bestimmung nicht vom nationalen Gesetzgeber in seine Rechtsordnung umgesetzt worden ist.

Bei den Informationen, die der Gewerbetreibende dem Verbraucher mitteilen muss, um im Einklang mit Art. 4 Abs. 2 und Art. 5 der Richtlinie 93/13 dem Erfordernis der Transparenz einer Vertragsklausel zu entsprechen, mit der auf der Grundlage eines legalen Referenzindex wie des Referenzindex für Hypothekendarlehen der Sparkassen (IRPH Cajas), dessen mathematische Berechnungsformel komplex und für einen Durchschnittsverbraucher wenig transparent ist, ein Zinssatz festgelegt wird, muss es sich um Informationen handeln, die

–        zum einen hinreichend sind, um es dem Verbraucher zu ermöglichen, seine Entscheidung mit Bedacht und in voller Kenntnis der Sachlage hinsichtlich der Methode zur Berechnung des für den Hypothekenvertrag geltenden Zinssatzes und der Bestandteile dieser Methode zu treffen, indem nicht nur die vollständige Definition des bei der Berechnungsmethode verwendeten Referenzindex, sondern auch die einschlägigen Bestimmungen der nationalen Regelung, die diesen Index festlegt, angegeben werden, und

–        zum anderen die Entwicklung des ausgewählten Referenzindex in der Vergangenheit zum Gegenstand haben.

Allerdings obliegt es dem nationalen Gericht, bei der Kontrolle der Transparenz der streitigen Klausel unter Berücksichtigung aller Begleitumstände des Vertragsschlusses zu prüfen, ob in dem Vertrag zum einen die Methode zur Berechnung des Zinssatzes so transparent dargestellt ist, dass der Verbraucher in der Lage ist, die sich aus ihr für ihn ergebenden wirtschaftlichen Folgen auf der Grundlage genauer und nachvollziehbarer Kriterien einzuschätzen, und zum anderen alle in der nationalen Regelung vorgesehenen Informationspflichten erfüllt sind.


1      Originalsprache: Französisch.


2      Die ersten Keilschriften des alten Mesopotamien belegen die Existenz von Darlehensverträgen. Jedenfalls gibt es Beweise für die Existenz von verzinsten Darlehen, die auf die Sumerer-Zeit (3000 v. Chr. bis 1900 v. Chr.) zurückgehen, und verschiedene politische Regelungen gaben Höchstgrenzen für diese Zinsen vor (die gängigste lag zu verschiedenen Zeitpunkten bei 33,3 % in Getreide und 20 % in Silber). Der Kodex Hammurabi um 1800 v. Chr. bezog sich ausdrücklich auf Begrenzungen der Zinssätze sowie auf die detaillierte Regelung dieser Zinssätze und die Folgen ihrer Nichtzahlung. Vgl. Santamaría Aquilué, R., El tipo de interés en las operaciones de préstamo: a vueltas con la usura, UPNA, Pamplona, 2014, S. 6 f.


3      Richtlinie des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29).


4      BOE Nr. 287 vom 30. November 2007, S. 49181.


5      BOE Nr. 112 vom 11. Mai 1994, S. 14444.


6      BOE Nr. 261 vom 1. November 1995, S. 31794.


7      BOE Nr. 261 vom 29. Oktober 2011, S. 113242.


8      Vgl. Nr. 21 der vorliegenden Schlussanträge.


9      BOE Nr. 226 vom 20. September 1990, S. 27498.


10      BOE Nr. 184 vom 3. August 1994, S. 25106. Dieses Rundschreiben sah insgesamt sechs Indizes vor, nämlich den IRPH Bancos, den IRPH Cajas, den IRPH Entidades, den CECA‑Index (Index des Zentralverbands der spanischen Sparkassen), den internen Rentabilitätszinssatz auf dem Sekundärmarkt für öffentliche Schulden mit einer Restlaufzeit von zwei bis sechs Jahren und den aktuellen Zinssatz auf dem Interbankenmarkt von Madrid („Madrid InterBank Offered Rate“, im Folgenden: MIBOR). Der MIBOR ist seit Einführung des Interbankensatzes in Euro („Euro Interbank Offered Rate“, im Folgenden: Euribor) in Spanien im Jahr 1999 von der Bildfläche verschwunden.


11      BOE Nr. 161 vom 6. Juli 2012, S. 48855.


12      BOE Nr. 233 vom 28. September 2013, S. 78787.


13      Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses war der Euribor keiner der im Rundschreiben 8/1990 vorgesehenen offiziellen Referenzindizes. Aus den Erklärungen der spanischen Regierung geht jedoch hervor, dass durch das Circular 7/1999 del Banco de España, a entidades de crédito, sobre modificación de la Circular 8/1990 (Rundschreiben 7/1999 der Bank von Spanien an die Kreditinstitute über die Änderung des Rundschreibens 8/1990) vom 29. Juni 1999 (BOE Nr. 163 vom 9. Juli 1999, S. 26016) ein offizieller Referenzindex eingeführt worden ist, der sich am Verhalten des Euribor orientiert.


14      Urteil vom 20. September 2017 (C‑186/16, EU:C:2017:703, Rn. 28, 29 und 31).


15      Urteil vom 10. September 2014 (C‑34/13, EU:C:2014:2189, Rn. 77 bis 79).


16      Urteil vom 14. Dezember 2017 (ES:TS:2017:4308) (im Folgenden: Urteil vom 14. Dezember 2017).


17      Aus den Erklärungen von Bankia geht hervor, dass der in der Ausgangsrechtssache in Rede stehende Vertrag über ein Hypothekendarlehen für die ersten sechs Monate einen variablen Zinssatz von 5,25 % und für die Restlaufzeit des Darlehens einen am IRPH Cajas indexierten und um einen Korrekturwert von 0,25 Prozentpunkten erhöhten variablen Zinssatz vorsah. Sie weist ferner darauf hin, dass eine Rückzahlungsfrist von 300 Monaten (25 Jahren) festgesetzt worden sei und der Kreditnehmer die vereinbarten Beträge seit dem Tag der Aufnahme des Hypothekendarlehens zahle.


18      Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts handelt es sich beim IRPH Cajas um einen rechtlich normierten und damit legalen Referenzindex für Hypothekendarlehen. Vgl. Nrn. 17 bis 19 der vorliegenden Schlussanträge.


19      Aus den schriftlichen Erklärungen der spanischen Regierung geht hervor, dass der IRPH Cajas, der IRPH Bancos und der CECA‑Index nach der einzigen Übergangsbestimmung des Erlasses 2899/2011 weiterhin veröffentlicht werden und als für alle Zwecke geeignet anzusehen sind, solange für die betreffenden Darlehen keine Übergangsregelung erlassen ist. Den Angaben dieser Regierung zufolge konnten die genannten Referenzindizes von den Kreditinstituten in neuen Verträgen über Hypothekendarlehen jedoch nicht angewandt werden.


20      Im vorliegenden Fall war der im Darlehensvertrag vorgesehene Ersatzreferenzindex der CECA‑Index, der seit dem Inkrafttreten des Erlasses 2899/2011 und des Rundschreibens 5/2012 ebenfalls keiner der offiziellen Referenzindizes mehr ist. Vgl. Nrn. 21 und 28 der vorliegenden Schlussanträge.


21      Vgl. Nrn. 22 bis 25 der vorliegenden Schlussanträge.


22      Vgl. Abs. 4 der Begründung des Rundschreibens 5/1994. Vgl. auch Nr. 17 der vorliegenden Schlussanträge.


23      Dieses Gericht verweist auf folgende Internetadressen: http://www.sindic.cat/site/unitFiles/3937/Informe%20IRPH_castella_ok.pdf und https://www.bde.es/f/webbde/Secciones/Publicaciones/Folletos/Fic/Guia_hipotecaria_2013.pdf.


24      Die Kommission weist darauf hin, dass „dieses Urteil, obwohl es eine Auslegung von Bestimmungen der Richtlinie 93/13 durch ein letztinstanzliches Gericht darstellt, … ergangen [ist], ohne dass dem Gerichtshof die uns hier beschäftigende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt worden wäre“.


25      Hervorhebung nur hier.


26      Das Tribunal Supremo (Oberstes Gericht) hat sich dabei auf die Erwägungen des Gerichtshofs in den Rn. 53 und 54 des Urteils vom 20. September 2017, Andriciuc u. a. (C‑186/16, EU:C:2017:703), gestützt.


27      Vgl. Urteile vom 17. Juli 1997, Krüger (C‑334/95, EU:C:1997:378, Rn. 22 und 23), vom 8. Dezember 2011, Banco Bilbao Vizcaya Argentaria (C‑157/10, EU:C:2011:813, Rn. 18), sowie vom 21. Dezember 2016, Ucar und Kilic (C‑508/15 und C‑509/15, EU:C:2016:986, Rn. 51).


28      Ich erinnere daran, dass „die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie [93/13] unter Berücksichtigung der Art der Güter oder Dienstleistungen, die Gegenstand des Vertrags sind, und aller den Vertragsabschluss begleitenden Umstände zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu beurteilen“ ist (Urteile vom 4. Juni 2009, Pannon GSM, C‑243/08, EU:C:2009:350, Rn. 39, vom 9. November 2010, VB Pénzügyi Lízing, C‑137/08, EU:C:2010:659, Rn. 42, vom 14. März 2013, Aziz, C‑415/11, EU:C:2013:164, Rn. 71, sowie vom 26. Januar 2017, Banco Primus, C‑421/14, EU:C:2017:60, Rn. 61). Vgl. zu dieser Frage auch meine Schlussanträge in den Rechtssachen Abanca Corporación Bancaria und Bankia (C‑70/17 und C‑179/17, EU:C:2018:724, Nr. 70).


29      Die spanische Regierung weist in den Rn. 8 und 17 ihrer schriftlichen Erklärungen selbst darauf hin, dass die im vorliegenden Fall in Streit stehende Klausel diejenige ist, die den IRPH Cajas vorsieht, und der Erlass vom 5. Mai 1994 zum Zeitpunkt der Aufnahme des Hypothekendarlehens galt, das Gegenstand des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens ist.


30      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. April 2019, Aqua Med (C‑266/18, EU:C:2019:282, Rn. 28).


31      Urteil vom 21. März 2013 (C‑92/11, EU:C:2013:180).


32      Urteil vom 21. März 2013, RWE Vertrieb (C‑92/11, EU:C:2013:180, Rn. 25).


33      Vgl. Urteile vom 10. September 2014, Kušionová (C‑34/13, EU:C:2014:2189, Rn. 78), sowie vom 20. September 2017, Andriciuc u. a. (C‑186/16, EU:C:2017:703, Rn. 28). Nach Auffassung des Gerichtshofs ist dieser Ausschluss von der Geltung der Regelung der Richtlinie 93/13 dadurch gerechtfertigt, dass grundsätzlich die Annahme zulässig ist, dass der nationale Gesetzgeber eine ausgewogene Regelung aller Rechte und Pflichten der Parteien bestimmter Verträge getroffen hat. Vgl. auch Urteile vom 21. März 2013, RWE Vertrieb (C‑92/11, EU:C:2013:180, Rn. 28), und vom 20. September 2018, OTP Bank und OTP Faktoring (C‑51/17, EU:C:2018:750, Rn. 53).


34      Vgl. Urteil vom 21. März 2013, RWE Vertrieb (C‑92/11, EU:C:2013:180, Rn. 26). Vgl. auch Urteile vom 10. September 2014, Kušionová (C‑34/13, EU:C:2014:2189, Rn. 76), sowie vom 20. September 2017, Andriciuc u. a. (C‑186/16, EU:C:2017:703, Rn. 27). Vgl. auch den 13. Erwägungsgrund der Richtlinie 93/13.


35      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. September 2017, Andriciuc u. a. (C‑186/16, EU:C:2017:703, Rn. 30), sowie Schlussanträge von Generalanwalt Wahl (C‑186/16, EU:C:2017:313, Nr. 59). Vgl. auch Urteil vom 26. Januar 2017, Banco Primus (C‑421/14, EU:C:2017:60, Rn. 69 und 70).


36      Vgl. Urteile vom 20. September 2017, Andriciuc u. a. (C‑186/16, EU:C:2017:703, Rn. 31), sowie vom 10. September 2014, Kušionová (C‑34/13, EU:C:2014:2189, Rn. 77).


37      Vgl. Nr. 83 der vorliegenden Schlussanträge.


38      Nach Auffassung des spanischen Schrifttums zum Urteil vom 14. Dezember 2017 handelt es sich um eine Vorschrift, die weder bindend ist noch von Gesetzes wegen greift. Vgl. Cámara Lapuente, S., „IRPH y STS 14.12.2017: dos colosos con pies de barro. El art. 1.2 de la Directiva 93/13 no blinda en realidad cualquier cláusula que reproduzca ‚normas‘. Transparencia lejos del suelo“, Comentarios a las Sentencias de Unificación de Doctrina (Civil y Mercantil), Mariano Yzquierdo Tolsada (Koord.), Nr. 9, Dykinson, 2017, S. 211 bis 236, insbesondere S. 219 und 222.


39      Vgl. Nr. 15 der vorliegenden Schlussanträge; Hervorhebung nur hier.


40      Hervorhebung nur hier.


41      Vgl. Rn. 18 der Erklärungen der spanischen Regierung.


42      Aus dem rechtlichen Rahmen der vorliegenden Rechtssache geht hervor, dass zu den sechs im Rundschreiben 8/1990 vorgesehenen offiziellen Referenzindizes neben den bereits erwähnten (dem IRPH Bancos, dem IRPH Cajas und dem IRPH Entidades) die drei weiteren Referenzindizes gehörten: der CECA‑Index, der interne Rentabilitätszinssatz auf dem Sekundärmarkt für öffentliche Schulden mit einer Restlaufzeit von zwei bis sechs Jahren und der MIBOR. Letzterer ist seit Einführung des Euribor in Spanien im Jahr 1999 von der Bildfläche verschwunden. Wie sich aus den schriftlichen Erklärungen der spanischen Regierung ergibt, ist durch das Rundschreiben 7/1999 der Bank von Spanien ein zusätzlicher offizieller Referenzindex eingeführt worden, der sich am Verhalten des Euribor orientiert. Vgl. Fn. 13 der vorliegenden Schlussanträge.


43      Vgl. Nr. 77 der vorliegenden Schlussanträge.


44      Vgl. Fn. 13 und 42 der vorliegenden Schlussanträge.


45      Hervorhebung nur hier. Nach Auffassung von Bankia hängt die Unabdingbarkeit des IRPH mit der Tatsache zusammen, dass dieser Index, wenn er erst einmal ausgewählt worden ist, ohne Vertragsänderung in den Vertrag über ein Hypothekendarlehen – einen Vertrag, an den die Parteien gebunden sind – insgesamt aufgenommen wird. Diesem Argument schließe ich mich nicht an. Meiner Meinung nach kann das Kreditinstitut zwar in einer vorformulierten Klausel weder die Definition eines offiziellen Referenzindex noch die Methode zu seiner Berechnung festlegen; dies gilt aber nicht für den Korrekturwert, den es auf den Index anwendet – wie dies im Ausgangsverfahren der Fall ist, in dem sich Bankia trotz der Empfehlungen der Bank von Spanien zur Anwendung eines negativen Korrekturwerts, mit dem der effektive Jahreszins dieses Geschäfts an den des Marktes angepasst werden sollte, dafür entschieden hatte, einen positiven Korrekturwert von 0,25 Prozentpunkten anzuwenden.


46      Hervorhebung nur hier.


47      Hervorhebung nur hier.


48      Urteil vom 3. Juni 2010 (C‑484/08, EU:C:2010:309, Rn. 44). Die Vorlagefragen in jener Rechtssache wurden vom Tribunal Supremo (Oberstes Gericht) gestellt.


49      Ley 7/1998 sobre condiciones generales de la contratación (Gesetz 7/1998 über Allgemeine Vertragsbedingungen) vom 13. April 1998 (BOE Nr. 89 vom 14. April 1998).


50      Urteil vom 3. Juni 2010, Caja de Ahorros y Monte de Piedad de Madrid (C‑484/08, EU:C:2010:309, Rn. 41).


51      Vgl. Urteil vom 3. Juni 2010, Caja de Ahorros y Monte de Piedad de Madrid (C‑484/08, EU:C:2010:309, Rn. 42).


52      Urteil vom 3. Juni 2010, Caja de Ahorros y Monte de Piedad de Madrid (C‑484/08, EU:C:2010:309, Rn. 43).


53      Dieser Standpunkt wird von Bankia geteilt, die vorträgt, dass „Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 einer Strömung im Schrifttum und in der Rechtsprechung zufolge sehr wohl in die spanische Rechtsordnung umgesetzt worden ist“.


54      Zur Stützung dieses Arguments hat die spanische Regierung ihren schriftlichen Erklärungen einen Artikel aus dem Schrifttum beigefügt, in dem hervorgehoben wird, dass sich die Nichtumsetzung von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 durch das Gesetz 7/1998 tatsächlich aus „einem fahrlässig begangenen Fehler bei der parlamentarischen Abstimmung [ergebe], der zur Streichung der wörtlichen Formulierung der genannten Bestimmung des Gesetzestextes geführt hat“. Dem Verfasser zufolge ist dieser Fehler bei den späteren legislativen Reformen nicht korrigiert worden; seitdem sei nicht nur das Schrifttum, sondern auch die nationale Rechtsprechung in der Frage gespalten, welche Folgen aus dem besagten Fehler – zumindest bis zum Erlass des Urteils des Tribunal Supremo (Oberstes Gericht) Nr. 241/2013 vom 9. Mai 2013 (ES:TS:2013:1916) – zu ziehen seien. In diesem Zusammenhang gelangt der Verfasser u. a. zu dem Schluss, dass das Tribunal Supremo (Oberstes Gericht) versucht habe, dieser Situation der Ungewissheit in Spanien ein Ende zu setzen, der spanische Gesetzgeber aber, obwohl er mehrmals Gelegenheit gehabt habe, die Frage der (Nicht‑)Umsetzung von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 zu klären, „dazu nicht bereit zu sein scheint“. Der erwähnte Verfasser stellt daher fest, dass „weder die Gesetzesreformen, die das spanische Parlament im Mai 2013 gebilligt hat, um das spanische System mit dem Urteil vom 14. März 2013, Aziz (C‑415/11, EU:C:2013:164), in Einklang zu bringen, noch die geplante Umsetzung der Richtlinie 2011/83 [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2011, L 304, S. 64)]“ die Frage missbräuchlicher Klauseln behandelt hätten, die sich auf wesentliche Elemente des Vertrags bezögen. Vgl. Cámara Lapuente, S., „¿De verdad puede controlarse el precio de los contratos mediante la normativa de cláusulas abusivas? De la STJUE de 3 de junio de 2010 (Caja de Madrid, C‑484/08) y su impacto aparente y real en la jurisprudencia española a la STS (pleno) de 9 de mayo de 2013 sobre las cláusulas suelo“, Cuadernos de Derecho Transnacional, Bd. 5(2), 2013, S. 209 bis 233, insbesondere S. 226, 227 und 233.


55      Urteil vom 3. Juni 2010, Caja de Ahorros y Monte de Piedad de Madrid (C‑484/08, EU:C:2010:309, Rn. 44).


56      ES:TS:2012:5966.


57      Die spanische Regierung hat in ihren schriftlichen Erklärungen einen Auszug aus dem zweiten Erwägungsgrund des Urteils des Tribunal Supremo (Oberstes Gericht) vom 18. Juni 2012 wiedergegeben: „Anlässlich der Änderung des alten Allgemeinen Verbraucherschutzgesetzes von 1984 durch den neuen Art. 10 ist der weite Begriff ‚ausgewogenes Gleichgewicht der Gegenparteien‘ in dessen Abs. 1 Buchst. c im Einklang mit den Richtlinienbestimmungen zur Begrenzung der Inhaltskontrolle, die hinsichtlich der etwaigen Missbräuchlichkeit einer Klausel durchgeführt werden kann, durch ‚signifikantes Ungleichgewicht zwischen den Rechten und Pflichten‘ ersetzt worden, so dass sich die Auffassung vertreten lässt, es gebe streng genommen keine Kontrolle des Preis-Leistungs-Verhältnisses“. Das Tribunal Supremo (Oberstes Gericht) habe dem in diesem Urteil hinzugefügt, dass schließlich „obwohl das Schrifttum insoweit nicht einer Meinung ist, in teleologischer Auslegung von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 der Schluss zu ziehen ist, dass die wesentlichen Vertragsbestandteile zwar von der Inhaltskontrolle ausgenommen sind, aber Gegenstand einer Einbeziehungs- und Transparenzkontrolle sein können (Art. 5 Abs. 5 und Art. 7 des Gesetzes 7/1998 über die Allgemeinen Vertragsbedingungen sowie Art. 10 Abs. 1 Buchst. a des Allgemeinen Verbraucherschutzgesetzes)“. Die spanische Regierung stellt darüber hinaus klar, dass das Tribunal Supremo (Oberstes Gericht) dieses Urteil in seinem Urteil vom 9. Mai 2013 (ES:TS:2013:1916) bestätigt habe.


58      Vgl. Prechal, S., Directives in EC Law, 2. Aufl., Oxford EC Law Library, Oxford, 2009, S. 6.


59      Zum Grundsatz der Rechtssicherheit und zur Umsetzung von Richtlinien vgl. Tridimas, T., The General Principles of EU Law, 2. Aufl., Oxford EC Law Library, Oxford, 2006, S. 246 f.


60      Vgl. in diesem Sinne Prechal, S., a. a. O., S. 6.


61      Simon, D., Le Système juridique communautaire, 3. Aufl., Presse universitaires de France, Paris, 2006, S. 328 bis 332. Hervorhebung nur hier.


62      Vgl. Urteile vom 23. Mai 1985, Kommission/Deutschland (29/84, EU:C:1985:229, Rn. 23), vom 23. März 1995, Kommission/Griechenland (C‑365/93, EU:C:1995:76, Rn. 9), vom 10. Mai 2001, Kommission/Niederlande (C‑144/99, EU:C:2001:257, Rn. 17), vom 9. September 2004, Kommission/Spanien (C‑70/03, EU:C:2004:505, Rn. 36), und vom 23. April 2009, Kommission/Belgien (C‑292/07, nicht veröffentlicht, EU:C:2009:246, Rn. 120). Nach Auffassung von Generalanwalt Tizzano müssen „die Mitgliedstaaten … einen eindeutigen gesetzlichen Rahmen auf dem betreffenden Gebiet schaffen, durch den die nationale Rechtsordnung in Einklang mit den Bestimmungen der Richtlinie gebracht wird. Dies hat in einer Form zu geschehen, die keine Zweifel oder Mehrdeutigkeiten bestehen lässt, und zwar nicht nur hinsichtlich des Inhalts und der Vereinbarkeit der nationalen Bestimmungen mit der Richtlinie, sondern auch in Bezug auf deren förmlichen Stellenwert und ihre Eignung als rechtliche Grundlage zur Regelung des betreffenden Bereichs“. Vgl. Schlussanträge von Generalanwalt Tizzano in der Rechtssache Kommission/Niederlande (C‑144/99, EU:C:2001:50, Nr. 15). Hervorhebung nur hier.


63      Vgl. Urteile vom 10. Mai 2001, Kommission/Niederlande (C‑144/99, EU:C:2001:257, Rn. 21), und vom 10. Juli 2014, Kommission/Belgien (C‑421/12, EU:C:2014:2064, Rn. 46). Vgl. auch Urteil vom 9. Dezember 2003, Kommission/Italien (C‑129/00, EU:C:2003:656, Rn. 33): „Können unterschiedliche gerichtliche Auslegungen einer nationalen Regelung berücksichtigt werden, von denen die einen zu einer mit dem [Unions]recht vereinbaren Anwendung dieser Regelung, die anderen zu einer damit unvereinbaren Anwendung führen, so ist festzustellen, dass diese Regelung zumindest nicht hinreichend klar ist, um eine mit dem [Unions]recht vereinbare Anwendung zu gewährleisten.“


64      ES:TS:2012:5966.


65      ES:TS:2013:1916.


66      Vgl. Urteile vom 10. Mai 2001, Kommission/Niederlande (C‑144/99, EU:C:2001:257, Rn. 22), und vom 3. Juni 2010, Caja de Ahorros y Monte de Piedad de Madrid (C‑484/08, EU:C:2010:309, Rn. 39).


67      Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai (C‑26/13, EU:C:2014:282, Rn. 69), vom 9. Juli 2015, Bucura (C‑348/14, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:447, Rn. 49), sowie vom 20. September 2017, Andriciuc u. a. (C‑186/16, EU:C:2017:703, Rn. 44). Vgl. auch den 20. Erwägungsgrund der Richtlinie 93/13.


68      Vgl. Nrn. 19 und 20 der vorliegenden Schlussanträge. Es ist zwischen der Definition des IRPH Cajas und der mathematischen Formel zu seiner Berechnung zu unterscheiden. Aus der Vorlageentscheidung sowie den Erklärungen des Klägers des Ausgangsverfahrens, von Bankia und der spanischen Regierung geht nämlich hervor, dass die streitige Klausel die Definition des IRPH Cajas und die Methode zur Berechnung des variablen Zinssatzes des Darlehens enthält (IRPH Cajas + Korrekturwert), während die konkrete mathematische Gleichung für die Berechnung des IRPH Cajas in Anhang VIII Abs. 2 des Rundschreibens 8/1990 festgelegt war, aber nicht in der Klausel enthalten ist. Vgl. Fn. 78 der vorliegenden Schlussanträge.


69      Vgl. Nr. 20 der vorliegenden Schlussanträge.


70      Insoweit ist klarzustellen, dass das Transparenzgebot vor allem im Fall der Einschränkungen der Rechte gilt, die der Bürger aus dem Unionsrecht herleitet.


71      Vgl. u. a. Urteile vom 21. März 2013, RWE Vertrieb (C‑92/11, EU:C:2013:180, Rn. 44), vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai (C‑26/13, EU:C:2014:282, Rn. 70), vom 21. Dezember 2016, Gutiérrez Naranjo u. a. (C‑154/15, C‑307/15 und C‑308/15, EU:C:2016:980, Rn. 50), sowie vom 20. September 2017, Andriciuc u. a. (C‑186/16, EU:C:2017:703, Rn. 48).


72      Urteil vom 30. April 2014 (C‑26/13, EU:C:2014:282).


73      Vgl. Urteile vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai (C‑26/13, EU:C:2014:282, Rn. 71 und 72), vom 23. April 2015, Van Hove (C‑96/14, EU:C:2015:262, Rn. 40), vom 9. Juli 2015, Bucura (C‑348/14, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:447, Rn. 52), sowie vom 20. September 2017, Andriciuc u. a. (C‑186/16, EU:C:2017:703, Rn. 44). Vgl. auch Urteil vom 20. September 2018, OTP Bank und OTP Faktoring (C‑51/17, EU:C:2018:750, Rn. 73), sowie Beschluss vom 22. Februar 2018, ERSTE Bank Hungary (C‑126/17, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:107, Rn. 29).


74      Vgl. Urteile vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai (C‑26/13, EU:C:2014:282, Rn. 75), sowie vom 20. September 2017, Andriciuc u. a. (C‑186/16, EU:C:2017:703, Rn. 45).


75      Vgl. Urteile vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai (C‑26/13, EU:C:2014:282, Rn. 74), vom 26. Februar 2015, Matei (C‑143/13, EU:C:2015:127, Rn. 75), sowie vom 20. September 2017, Andriciuc u. a. (C‑186/16, EU:C:2017:703, Rn. 46).


76      Vgl. Urteil vom 20. September 2017, Andriciuc u. a. (C‑186/16, EU:C:2017:703, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).


77      Es sei darauf hingewiesen, dass, soweit eine vorformulierte Vertragsklausel, die in einem zwischen einem Verbraucher und einem Gewerbetreibenden geschlossenen Vertrag über ein Hypothekendarlehen enthalten ist, bei der Berechnung des variablen Zinssatzes dieses Darlehens die Anwendung eines Referenzindex vorsieht, die Verwendung dieses Index durch den Gewerbetreibenden – als Bestandteil der erwähnten Klausel – vollständig der Transparenzkontrolle gemäß Art. 4 Abs. 2 und Art. 5 der Richtlinie 93/13 unterliegt.


78      Vgl. insoweit Nrn. 45 und 46 der vorliegenden Schlussanträge. Aus den Erklärungen des Klägers des Ausgangsverfahrens geht hervor, dass zu unterscheiden ist zwischen a) einem Referenzindex wie dem Euribor, b) einem Zinssatz, der die Summe aus der Addition eines Referenzindex und eines Korrekturwerts ist (Euribor + Korrekturwert), und c) einem effektiven Jahreszins, der die Summe aus der Addition des Referenzindex und eines Korrekturwerts zuzüglich Provisionen und Kosten ist (Euribor + Korrekturwert + Provisionen + Kosten). Ich weise noch darauf hin, dass es sich, wie aus dem vierten Absatz der Begründung des Rundschreibens 5/1994 hervorgeht, bei den darin vorgesehenen Referenzindizes, zu denen der IRPH Cajas gehörte, um effektive Jahreszinssätze handelte.


79      Vgl. insoweit Nr. 48 der vorliegenden Schlussanträge.


80      Vgl. Nr. 50 der vorliegenden Schlussanträge.


81      Urteil vom 30. April 2014 (C‑26/13, EU:C:2014:282).


82      Urteil vom 20. September 2017 (C‑186/16, EU:C:2017:703).


83      Urteil vom 30. April 2014 (C‑26/13, EU:C:2014:282).


84      Urteil vom 20. September 2017 (C‑186/16, EU:C:2017:703).


85      Konkret sahen diese Klauseln vor, dass der Verkaufskurs der ausländischen Währung bei der Berechnung der Rückzahlungen des Darlehens Anwendung fand (Urteil vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai, C‑26/13, EU:C:2014:282, Rn. 24) und der Kredit in der gleichen Währung zurückzuzahlen war, in der er vereinbart worden war (Urteil vom 20. September 2017, Andriciuc u. a., C‑186/16, EU:C:2017:703, Rn. 9).


86      Es bestand nämlich eine Diskrepanz zwischen dem bei der Auszahlung des Darlehens anwendbaren Ankaufskurs und dem bei dessen Rückzahlung anwendbaren Verkaufskurs. Vgl. insoweit Urteil vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai (C‑26/13, EU:C:2014:282, Rn. 53 und 74).


87      Urteil vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai (C‑26/13, EU:C:2014:282, Rn. 73 und 74). Was insbesondere Vertragsklauseln angeht, die es dem Kreditgeber gestatten, den Zinssatz einseitig zu ändern, vgl. Urteil vom 26. Februar 2015, Matei (C‑143/13, EU:C:2015:127, Rn. 74).


88      Urteil vom 20. September 2017, Andriciuc u. a. (C‑186/16, EU:C:2017:703, Rn. 51). Hervorhebung nur hier.


89      Urteil vom 20. September 2017, Andriciuc u. a. (C‑186/16, EU:C:2017:703, Rn. 50).


90      Es sei darauf hingewiesen, dass sich der Gerichtshof im Urteil vom 20. September 2017, Andriciuc u. a. (C‑186/16, EU:C:2017:703, Rn. 49), auf die Empfehlung ESRB/2011/1 des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken vom 21. September 2011 zu Fremdwährungskrediten (ABl. 2011, C 342, S. 1) bezieht.


91      Als Beispiel für die Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Erfordernis der Transparenz von Vertragsklauseln im Rahmen des Beitritts zu einem anderen Vertragstyp, nämlich einem Versicherungsvertrag bei Abschluss zweier Darlehensverträge, vgl. Urteil vom 23. April 2015, Van Hove (C‑96/14, EU:C:2015:262, Rn. 47). Jene Rechtssache betraf die Kontrolle der Transparenz einer im Versicherungsvertrag enthaltenen Klausel, mit der die Übernahme der gegenüber dem Darlehensgeber bestehenden Zahlungsverpflichtungen im Fall der vollständigen Arbeitsunfähigkeit des (infolge eines Arbeitsunfalls dauerhaft teilweise arbeitsunfähigen) Darlehensnehmers gewährleistet werden sollte. In seinem Urteil hat der Gerichtshof berücksichtigt, dass der Verbraucher mangels einer transparenten Erläuterung der konkreten Funktionsweise des Versicherungsmechanismus im Zusammenhang mit der Übernahme der Zahlungsverpflichtungen aus dem Darlehensvertrag im Rahmen des vertraglichen Ganzen unter Umständen nicht in der Lage war, die sich für ihn daraus ergebenden – möglicherweise erheblichen – wirtschaftlichen Folgen auf der Grundlage genauer und nachvollziehbarer Kriterien einzuschätzen.


92      Urteil vom 20. September 2017, Andriciuc u. a. (C‑186/16, EU:C:2017:703, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).


93      Aus den Erklärungen der spanischen Regierung geht insoweit hervor, dass in Anhang VII des Rundschreibens 8/1990 als Mindestangaben zum variablen Zinssatz, die in Informationsbroschüren über Hypothekendarlehen enthalten sein müssen, der Referenzindex und insbesondere seine Entwicklung „während der zwei vorausgegangenen Kalenderjahre sowie der letzte verfügbare Wert“, aufgeführt waren. In Anbetracht der Tatsache, dass Wirtschaftsprognosen stets unsicher und bestimmte Variablen wie beispielsweise Referenzindizes schwierig vorherzusehen sind, erscheint es mir dagegen nicht sinnvoll, von dem Kreditinstitut zu verlangen, dem Verbraucher Prognosen bezüglich des angebotenen Referenzindex zu liefern.


94      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. März 2013, Aziz (C‑415/11, EU:C:2013:164, Rn. 69), sowie Schlussanträge von Generalanwältin Kokott in jener Rechtssache (C‑415/11, EU:C:2012:700, Nr. 74).


95      In diesem Zusammenhang müsste das vorlegende Gericht u. a. prüfen, ob die Kreditinstitute, wie aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, wirklich in der Lage waren, den IRPH Cajas zu beeinflussen. Ich beziehe mich insbesondere auf die vom vorlegenden Gericht gegebenen Erläuterungen zur Funktionsweise des IRPH Cajas. Vgl. Nrn. 45 bis 47 der vorliegenden Schlussanträge.


96      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. März 2019, Abanca Corporación Bancaria und Bankia (C‑70/17 und C‑179/17, EU:C:2019:250, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung). Zur Tatsache, dass das durch die Richtlinie 93/13 eingeführte Schutzsystem auf dem Gedanken beruht, dass sich der Verbraucher gegenüber dem Gewerbetreibenden in einer schwächeren Position befindet, vgl. u. a. Urteile vom 3. Juni 2010, Caja de Ahorros y Monte de Piedad de Madrid (C‑484/08, EU:C:2010:309, Rn. 27), sowie vom 26. März 2019, Abanca Corporación Bancaria und Bankia (C‑70/17 und C‑179/17, EU:C:2019:250, Rn. 49). Vgl. auch meine Schlussanträge in den verbundenen Rechtssachen Abanca Corporación Bancaria und Bankia (C‑70/17 und C‑179/17, EU:C:2018:724, Nrn. 65 bis 82).


97      Es sei darauf hingewiesen, dass das vorlegende Gericht die Bestimmungen des Unionsrechts, anhand deren die fehlende Loyalität seitens des Gewerbetreibenden zu prüfen ist, nicht anführt. Im 16. Erwägungsgrund der Richtlinie 93/13 heißt es jedenfalls: „Dem Gebot von Treu und Glauben kann durch den Gewerbetreibenden Genüge getan werden, indem er sich gegenüber der anderen Partei, deren berechtigten Interessen er Rechnung tragen muss, loyal und billig verhält.“