Language of document : ECLI:EU:T:2000:244

URTEIL DES GERICHTS (Vierte Kammer)

26. Oktober 2000 (1)

„Abgeordnete des Europäischen Parlaments - Vorläufige Ruhegehaltsregelung - Frist für die Antragstellung - Kenntniserlangung - Zulässigkeit“

In den verbundenen Rechtssachen T-83/99 bis T-85/99

Carlo Ripa di Meana, ehemaliger Abgeordneter des Europäischen Parlaments, Montecastello di Vibio (Italien),

Leoluca Orlando, ehemaliger Abgeordneter des Europäischen Parlaments, Palermo (Italien),

Gastone Parigi, ehemaliger Abgeordneter des Europäischen Parlaments, Pordenone (Italien),

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte V. Viscardini Donà und G. Donà, Padua, Zustellungsanschrift in Luxemburg: Kanzlei des Rechtsanwalts E. Arendt, 8-10, rue Mathias Hardt,

Kläger,

gegen

Europäisches Parlament, vertreten durch A. Caiola und G. Ricci, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte, im Beistand von Rechtsanwalt F. Capelli, Mailand, Zustellungsanschrift in Luxemburg: Generalsekretariat des Europäischen Parlaments, Kirchberg,

Beklagter,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidungen des Europäischen Parlaments vom 4. Februar 1999, mit denen die Anträge von C. Ripa di Meana, L. Orlando und G. Parigi zurückgewiesen wurden, rückwirkend die vorläufige Ruhegehaltsregelung der Anlage III der Kostenerstattungs- und Vergütungsregelung für die Mitglieder des Europäischen Parlaments anzuwenden,

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin V. Tiili sowie der Richter R. M. Moura Ramos und P. Mengozzi,

Kanzler: G. Herzig, Verwaltungsrat

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. Juni 2000,

folgendes

Urteil

Dem Rechtsstreit zugrunde liegender Sachverhalt

1.
    Die Kläger waren Abgeordnete des Europäischen Parlaments (nachfolgend: Parlament) während der Legislaturperiode 1994-1999.

2.
    In Ermangelung eines endgültigen Altersversorgungssystems der Europäischen Gemeinschaften für alle Abgeordneten des Parlaments erließ das Präsidium des Parlaments am 24./25. Mai 1982 eine vorläufige Ruhegehaltsregelung für dieAbgeordneten derjenigen Länder, deren nationale Stellen keine Ruhegehaltsregelung für die Mitglieder des Europäischen Parlaments vorsehen. Diese Regelung gilt auch für den Fall, dass die Höhe oder die Bedingungen für das vorgesehene Ruhegehalt nicht mit denen identisch sind, die für die Mitglieder des Parlaments des Staates gelten, in dem das betreffende Mitglied des Europäischen Parlaments gewählt wurde. Diese Vorschrift ist gegenwärtig nur auf die italienischen und französischen Abgeordneten anwendbar. Die vorläufige Ruhegehaltsregelung ist in Anlage III der Kostenerstattungs- und Vergütungsregelung für die Mitglieder des Europäischen Parlaments enthalten (nachfolgend: Anlage III).

3.
    Die vorläufige Ruhegehaltsregelung sah in ihrer seit dem 25. Mai 1982 geltenden Fassung vor:

Artikel 1

1.    Alle Mitglieder des Europäischen Parlaments haben Anspruch auf ein Altersruhegehalt.

2.    Bis zur Schaffung eines endgültigen Altersversorgungssystems der Europäischen Gemeinschaften für alle Mitglieder des Europäischen Parlaments wird aus dem Haushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften, Einzelplan Parlament, auf Antrag des betreffenden Mitglieds ein provisorisches Altersruhegehalt gezahlt.

Artikel 2

1.    Höhe und Bedingungen des provisorischen Altersruhegehalts sind identisch mit Höhe und Bedingungen des Altersruhegehalts für Mitglieder des Unterhauses des Parlaments des Staates, in dem das Mitglied des Europäischen Parlaments gewählt wurde.

2.    Ein gemäß Artikel 1 Absatz 2 anspruchsberechtigtes Mitglied leistet an den Haushalt der Gemeinschaft einen Beitrag, der so berechnet ist, dass seine entsprechenden Leistungen insgesamt dem Beitrag entsprechen, den ein Mitglied des Unterhauses des Staates zu entrichten hat, in dem das Mitglied gewählt wurde.

Artikel 3

Für die Berechnung der Höhe des Altersruhegehalts wird die Zeit der Mitgliedschaft in dem Parlament eines Mitgliedstaats auf Antrag als Zeit der Mitgliedschaft im Europäischen Parlament angesehen. Zeiten einer Doppelmitgliedschaft werden nur einmal berücksichtigt.

...

Artikel 6

Diese Regelung tritt am 25. Mai 1982 in Kraft.“

4.
    4    Die vorläufige Ruhegehaltsregelung wurde durch Beschluss des Präsidiums des Parlaments vom 13. September 1995 geändert. Er sieht vor:

Artikel 1

1.    Alle Mitglieder des Europäischen Parlaments haben Anspruch auf ein Altersruhegehalt.

2.    Bis zur Schaffung eines endgültigen Altersversorgungssystems der Europäischen Gemeinschaften für alle Mitglieder des Europäischen Parlaments wird aus dem Haushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften, Einzelplan Parlament, auf Antrag des betreffenden Mitglieds ein provisorisches Altersruhegehalt gezahlt.

Artikel 2

1.    Höhe und Bedingungen des provisorischen Altersruhegehalts sind identisch mit Höhe und Bedingungen des Altersruhegehalts für Mitglieder des Unterhauses des Parlaments des Staates, in dem das Mitglied des Europäischen Parlaments gewählt wurde.

2.    Ein gemäß Artikel 1 Absatz 2 anspruchsberechtigtes Mitglied leistet an den Haushalt der Gemeinschaft einen Beitrag, der so berechnet ist, dass seine entsprechenden Leistungen insgesamt dem Beitrag entsprechen, den ein Mitglied des Unterhauses des Staates zu entrichten hat, in dem das Mitglied gewählt wurde.

Artikel 3

1.    Der Antrag auf Beitritt zu dieser vorläufigen Ruhegehaltsregelung muss binnen sechs Monaten ab Beginn des Mandats des Betroffenen gestellt werden.

Nach Ablauf dieser Frist wird der Zeitpunkt des Inkrafttretens des Beitritts zur Ruhegehaltsregelung auf den ersten Kalendertag des Monats festgelegt, in dem der Antrag eingegangen ist.

2.    Der Antrag auf Auszahlung des Ruhegehalts muss binnen sechs Monaten nach Entstehen des Anspruchs gestellt werden.

Nach Verstreichen dieser Frist wird der Zeitpunkt des Inkrafttretens des Ruhegehaltsanspruchs auf den ersten Kalendertag des Monats festgesetzt, in dem der Antrag eingegangen ist.

Artikel 4

Für die Berechnung der Höhe des Altersruhegehalts wird die Zeit der Mitgliedschaft in dem Parlament eines Mitgliedstaats auf Antrag als Zeit der Mitgliedschaft im Europäischen Parlament angesehen. Zeiten einer Doppelmitgliedschaft werden nur einmal berücksichtigt.

Artikel 5

Diese Regelung tritt am Tag ihrer Annahme durch das Präsidium in Kraft [13. September 1995].

Die Mitglieder, deren Mandat zum Zeitpunkt der Annahme dieser Regelung bereits begonnen hat, können ihren Antrag auf Beitritt zu dieser Ruhegehaltsregelung jedoch noch sechs Monate ab Inkrafttreten dieser Bestimmungen stellen.“

5.
    Diese Änderung wurde den europäischen Abgeordneten durch die Mitteilung des Parlaments Nr. 25/95 vom 28. September 1995 bekannt gegeben.

6.
    Die Kläger, die geglaubt hatten, von Amts wegen der vorläufigen Ruhegehaltsregelung zu unterliegen, wie es für das italienische Parlament der Fall ist, stellten die in dem Änderungsbeschluss vom 13. September 1995 vorgesehenen Anträge auf Beitritt zur vorläufigen Ruhegehaltsregelung nicht. Erst in den ersten Monaten des Jahres 1998 erfuhren die Kläger zufällig, dass sie tatsächlich keinerlei Ruhegehalt beanspruchen konnten, weil sie nicht binnen sechs Monaten ab Inkrafttreten des neuen, am 13. September 1995 durch das Präsidium geänderten Artikels 3 Absatz 1 der Anlage III ausdrücklich der vorläufigen Ruhegehaltsregelung beigetreten waren.

7.
    Anschließend gingen die Kläger in unterschiedlicher Weise vor. Der Kläger Parigi legte seinen Antrag auf Beitritt zu der genannten Regelung am 18. Februar der Abteilung Soziale Angelegenheiten der Direktion Personal und soziale Angelegenheiten der Generaldirektion Personal des Parlaments (nachfolgend: Abteilung Soziale Angelegenheiten) vor. Er beantragte die rückwirkende Anwendung der vorläufigen Ruhegehaltsregelung. Das Kollegium der Quästoren antwortete ihm mit zwei Schreiben vom 2. Juli und 20. Oktober 1998, dass es nicht möglich sei, der vorläufigen Ruhegehaltsregelung rückwirkend beizutreten.

8.
    Die Kläger Ripa di Meana und Orlando setzten sich mit der Parlamentsverwaltung in Verbindung, ohne schriftliche Anträge zu stellen.

9.
    Nachdem ihre Bemühungen bei den zuständigen Dienststellen fruchtlos geblieben waren, wandten sich die Kläger an die Vizepräsidenten Imbeni und Podestà des Parlaments mit der Bitte, sich für eine Lösung des Problems einzusetzen.

10.
    Die genannten Vizepräsidenten ersuchten das Kollegium der Quästoren mit Schreiben vom 19. November 1998 um eine erneute Prüfung des Falles der Kläger. Dies wurde mit Schreiben des Kollegiums vom 4. Februar 1999, die an die Kläger persönlich gerichtet waren (Nr. 300762 an den Kläger Ripa di Meana, Nr. 300763 an den Kläger Orlando und Nr. 300761 an den Kläger Parigi) mit der Begründung abgelehnt, alle Abgeordneten seien darüber informiert worden, dass der Beitritt zur oben genannten Ruhegehaltsregelung nur erfolge, wenn ein dahin gehender Antrag innerhalb der Fristen gestellt worden sei, die im Beschluss des Präsidiums des Parlaments vom 13. September 1995 vorgesehen seien (nachfolgend: angefochtene Entscheidung bzw. angefochtene Entscheidungen).

Verfahren und Anträge der Parteien

11.
    Daraufhin haben die Kläger mit Klageschrift, die am 13. April 1999 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

12.
    Die Präsidentin der Vierten Kammer hat mit Beschluss vom 22. Mai 2000 nach Anhörung der Parteien die Rechtssachen T-83/99, T-84/99 und T-85/99 wegen ihres Zusammenhangs nach Artikel 50 der Verfahrensordnung des Gerichts zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung und Entscheidung verbunden.

13.
    Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Vierte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und die Parteien im Rahmen prozessleitender Maßnahmen aufgefordert, schriftliche Fragen zu beantworten und bestimmte Dokumente vorzulegen. Die Parteien sind dem nachgekommen.

14.
    Die Kläger beantragen,

-    die angefochtenen Entscheidungen für nichtig zu erklären;

-    dem Parlament die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

15.
    Der Beklagte beantragt,

-    die Klage als unzulässig oder, hilfsweise, als unbegründet abzuweisen;

-    über die Kosten nach Rechtslage zu entscheiden.

Zur Zulässigkeit

Vorbringen der Parteien

16.
    Das Parlament bestreitet die Zulässigkeit der Klage. Die Kläger Ripa di Meana und Orlando hätten bei der Abteilung Soziale Angelegenheiten keine Anträge auf Beitritt zur vorläufigen Ruhegehaltsregelung eingereicht. Das Schreiben der Vizepräsidenten entfalte keinerlei Rechtswirkung. Bei der Handlung, derenNichtigerklärung beantragt werde, handele es sich um eine einfache Mitteilung des Inhalts einer Regelung, nämlich des Beschlusses des Präsidiums des Parlaments vom 13. September 1995. Die streitige Entscheidung sei daher in Wirklichkeit der Beschluss vom 13. September 1995 zur Änderung der Anlage III, der aufgrund seines klaren und zwingenden Inhalts die Rechtsstellung der Kläger bereits geändert habe. Die Entscheidung sei, mit anderen Worten, ohne weiteres Zutun ergangen, als die Frist für die Einreichung eines Beitrittsantrags abgelaufen sei.

17.
    Die Klage sei folglich auch verspätet. Die Kläger hätten den Beschluss des Präsidiums des Parlaments vom 13. September 1995 anfechten müssen, sobald sie von ihm Kenntnis erhalten hätten. Was den Kläger Parigi angehe, so hätte er jedenfalls die Entscheidungen des Kollegiums der Quästoren vom 2. Juli oder vom 20. Oktober 1998 anfechten müssen, da das Schreiben vom 4. Februar 1999 nur bestätigender Art sei.

18.
    Da die Fristen für die Vornahme von Rechtshandlungen zwingenden Rechts seien, könnten die Kläger sie durch einen Antrag auf Überprüfung nicht erneut in Lauf setzen.

19.
    Das Parlament weist insbesondere die These des Klägers Parigi zurück, das Statut der Beamten der europäischen Gemeinschaften (nachfolgend: Statut) sei entsprechend anzuwenden. Außerdem sei seine Klage selbst bei Anwendung des Statuts verspätet.

20.
    Schließlich macht das Parlament geltend, die angefochtene Entscheidung sei keine Handlung, die Rechtswirkungen erzeugen könne, da sie nicht in dem Verfahren gemäß Artikel 27 Absatz 2 der Kostenerstattungs- und Vergütungsregelung für die Mitglieder des Europäischen Parlaments ergangen sei. Danach kann sich ein Mitglied, das der Ansicht ist, dass diese Regelung nicht richtig angewandt wurde, schriftlich an den Generalsekretär wenden. Wird zwischen dem Mitglied und dem Generalsekretär keine Einigung erzielt, so wird die Sache an das Kollegium der Quästoren verwiesen, das nach Rücksprache mit dem Generalsekretär und nachdem es gegebenenfalls den Präsidenten und/oder das Präsidium konsultiert hat, einen Beschluss fasst.

21.
    Die Kläger Ripa di Meana und Orlando räumen ein, allein deswegen keine förmlichen Anträge auf Beitritt zur Ruhegehaltsregelung gestellt zu haben, weil ihnen von den Beamten der Abteilung Soziale Angelegenheiten mitgeteilt worden sei, dass der Beitritt nicht rückwirkend erfolgen könne.

22.
    Der Kläger Parigi bringt vor, die ablehnenden Entscheidungen, die das Kollegium der Quästoren vor der angefochtenen Entscheidung getroffen habe, seien nicht anfechtbar gewesen. Allein die Entscheidung vom 4. Februar 1999 habe unwiderruflichen Charakter. In Anbetracht dessen, dass andere italienische Abgeordnete das gleiche Problem hätten, habe er mit einer positiven undgemeinsamen Lösung rechnen können. Schließlich trägt er vor, die Bestimmungen des Statuts über den Beschwerdeweg und den Rechtsschutz seien auf die europäischen Abgeordneten entsprechend anzuwenden.

23.
    Auf das Vorbringen des Beklagten, die Schreiben des Kollegiums der Quästoren vom 4. Februar 1999 seien lediglich eine Antwort auf das Auskunftsersuchen der beiden Vizepräsidenten des Parlaments, entgegnen die Kläger, dies werde durch den Inhalt dieser Schreiben widerlegt, die an jeden Kläger persönlich gerichtet seien und zu folgendem Schluss kämen: „Daher kann Ihrem Antrag nach der geltenden Regelung nicht stattgegeben werden.“ Die Kläger halten daran fest, dass die Entscheidung des Kollegiums der Quästoren ihre Vermögenslage unmittelbar betroffen habe und folglich sie und nicht der Beschluss des Präsidiums habe angefochten werden müssen.

24.
    Zum Vorbringen des Parlaments, die Kläger hätten den Beschluss des Präsidiums vom 13. September 1995 anfechten müssen, weil er direkt ihre Situation als Mitglieder betreffe, vertreten die Kläger die Ansicht, im Hinblick auf Artikel 25 der Geschäftsordnung des Parlaments, wonach die „Quästoren ... gemäß vom Präsidium erlassenen Leitlinien mit Verwaltungs- und Finanzaufgaben betraut [sind], die die Mitglieder direkt betreffen“, erlasse das Präsidium lediglich „Leitlinien“ allgemeiner Art, während für Einzelentscheidungen das Kollegium der Quästoren zuständig sei.

Würdigung durch das Gericht

25.
    Was die Rechtssachen T-83/99 und T-84/99 betrifft, haben sich die Kläger Ripa di Meana und Orlando vor der Intervention der Vizepräsidenten des Parlaments am 19. November 1998 ohne schriftlichen und damit ohne ausdrücklichen Antrag mit der Parlamentsverwaltung in Verbindung gesetzt. Das Parlament vertritt gleichwohl die Auffassung, die betreffenden Klagen seien unzulässig, weil das Schreiben vom 4. Februar 1999 lediglich den Inhalt einer Regelung, nämlich des Beschlusses des Präsidiums des Parlaments vom 13. September 1995, wiedergebe. Die streitige Entscheidung sei daher in Wirklichkeit der Beschluss vom 13. September 1995 zur Änderung der Anlage III, der aufgrund seines klaren und zwingenden Inhalts die Rechtsstellung der Kläger bereits geändert habe.

26.
    Dem ist nicht zu folgen. Das Schreiben vom 19. November 1998 ist als Antrag anzusehen, den die Vizepräsidenten im Namen der Kläger gestellt haben.

27.
    Wie der Gerichtshof bereits in seinem Urteil vom 14. Dezember 1962 in den verbundenen Rechtssachen 16/62 und 17/62 (Conféderation nationale des producteurs de fruits et légumes u. a./Rat, Slg. 1962, 961) festgestellt hat, ist der Ausdruck „Entscheidung“ in Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag (jetzt Artikel 230 Absatz 4 EG) in dem sich aus Artikel 189 EG-Vertrag (jetzt Artikel 249 EG) ergebenden technischen Sinne zu verstehen; das maßgebende Unterscheidungsmerkmal zwischen einer normativen Handlung und einerEntscheidung im Sinne des Artikels 189 EG-Vertrag besteht demnach darin, ob die fragliche Handlung allgemeine Geltung hat oder nicht.

28.
    Außerdem verliert eine Handlung nach ständiger Rechtsprechung ihren normativen Charakter nicht dadurch, dass sich die Zahl oder sogar die Identität der Rechtssubjekte, für die sie gilt, mit mehr oder weniger großer Genauigkeit bestimmen lässt (Beschluss des Gerichtshofes vom 23. November 1995 in der Rechtssache C-10/95 P, Asocarne/Rat, Slg. 1995, I-4149, Randnr. 30 und dort zitierte Rechtsprechung).

29.
    Hier ist festzustellen, dass die im Beschluss vom 13. September 1995 zur Änderung der Anlage III festgelegten Begriffsbestimmungen, die allgemein und abstrakt formuliert sind und auf diese Weise Rechtswirkungen für allgemein und abstrakt bestimmte europäische Abgeordnete und folglich für jeden Einzelnen von ihnen entfalten, als solche mit allgemeiner und normativer Geltung anzusehen sind. Auch wenn feststünde, dass die Abgeordneten, für die Artikel 5 Absatz 2 des Änderungsbeschlusses vom 13. September 1995 gilt, zum Zeitpunkt der Beschlussfassung bestimmt werden konnten, würde sein Normcharakter hierdurch nicht in Frage gestellt, da er nur objektive Tatbestände rechtlicher und tatsächlicher Art erfasst.

30.
    Auch wenn der Gemeinschaftsrichter anerkannt hat, dass eine Regelung normativer Art unter bestimmten Umständen bestimmte natürliche oder juristische Personen unmittelbar und individuell betreffen kann (Urteil des Gerichts vom 27. Juni 2000 in den verbundenen Rechtssachen T-172/98 und T-175/98 bis T-177/98, Salamander u. a./Parlament und Rat, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 30 und dort zitierte Rechtsprechung), kann diese Rechtsprechung im vorliegenden Fall nicht herangezogen werden, da die angefochtene Regelung kein spezifisches Recht der Kläger im Sinne dieser Rechtsprechung verletzt hat.

31.
    Infolgedessen ist das Vorbringen des Parlaments zur Unzulässigkeit der Klagen in den Rechtssachen T-83/99 und T-84/99 zurückzuweisen.

32.
    Was die Zulässigkeit der Klage des Klägers Parigi in der Rechtssache T-85/99 angeht, so reichte dieser, nachdem er sich bewusst geworden war, dass er von der vorläufigen Ruhegehaltsregelung nicht erfasst wurde, am 18. Februar 1998 seinen Antrag auf Beitritt zu dieser Regelung bei der Abteilung Soziale Angelegenheiten ein. Anschließend beantragte er mit Schreiben vom 13. Mai 1998 den rückwirkenden Beitritt zu der betreffenden Regelung. Dieser Antrag wurde vom Kollegium der Quästoren ausdrücklich abgelehnt, zunächst am 2. Juli, dann am 20. Oktober 1998.

33.
    Nach gefestigter Rechtsprechung ist eine Nichtigkeitsklage gegen eine Entscheidung, durch die lediglich eine frühere, nicht fristgerecht angefochtene Entscheidung bestätigt wird, unzulässig. Eine Entscheidung bestätigt lediglich einefrühere Entscheidung, wenn sie kein neues Element gegenüber der früheren Handlung enthält und ihr keine erneute Prüfung der Lage des Adressaten dieser früheren Handlung vorausgegangen ist (Beschluss des Gerichts vom 4. Mai 1998 in der Rechtssache T-84/97, BEUC/Kommission, Slg. 1998, II-795, Randnr. 52 und dort zitierte Rechtsprechung).

34.
    Da das Schreiben vom 4. Februar 1999 kein neues Element gegenüber den Schreiben vom 2. Juli und 20. Oktober 1998 enthält, handelt es sich bei ihm um eine Entscheidung, die lediglich die Entscheidungen vom 2. Juli und 20. Oktober 1998 bestätigt. Zudem stellt die Tatsache, dass das Kollegium der Quästoren erneut geantwortet hat, keine erneute Prüfung der Lage von Herrn Parigi dar. Da die Entscheidungen vom 2. Juli und 20. Oktober 1998 nicht innerhalb der gesetzlichen Frist, d. h. gemäß Artikel 173 Absatz 5 EG-Vertrag innerhalb von zwei Monaten ab ihrer Mitteilung an den Kläger, angefochten wurden, ist die Klage in der Rechtssache T-85/99 unzulässig.

35.
    Was das Vorbringen des Klägers Parigi zur Einrede der Rechtswidrigkeit betrifft, ist zu beachten, dass diese nur inzident anlässlich einer Klage vor dem Gericht oder dem Gerichtshof aufgrund einer anderen Bestimmung des EG-Vertrags erhoben werden kann, da nach Artikel 184 EG-Vertrag (jetzt Artikel 241 EG) Privatpersonen einen Rechtsetzungsakt nicht unmittelbar mit einer Klage anfechten können. Die Erhebung der Einrede der Rechtswidrigkeit setzt daher die Zulässigkeit der Klage voraus, bei deren Gelegenheit sie vorgebracht wird (Beschluss des Gerichtshofes vom 28. Juni 1993 in der Rechtssache C-64/93, Donatab u. a./Kommission, Slg. 1993, I-3595, Randnrn. 19 und 20).

36.
    Die Klage des Klägers Parigi ist daher insgesamt unzulässig. Folglich bedarf es keiner Prüfung der anderen von ihm geltend gemachten Klagegründe. Der Hinweis auf die Kläger bezieht sich somit in der Folge nur auf die Kläger Ripa di Meana und Orlando.

Zur Begründetheit

Zur Einrede der Rechtswidrigkeit

37.
    Die Kläger erheben im Rahmen der vorliegenden Nichtigkeitsklage zunächst eine Einrede der Rechtswidrigkeit gegenüber dem Beschluss des Präsidiums des Parlaments vom 13. September 1995 zur Änderung der vorläufigen Ruhegehaltsregelung. Diese Einrede wird auf drei Gründe gestützt, und zwar die Überschreitung von Befugnissen, einen Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes sowie eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung.

Zum ersten Grund: Überschreitung von Befugnissen

- Vorbringen der Parteien

38.
    Die Kläger tragen vor, die vorläufige Ruhegehaltsregelung werde vom Parlament im Auftrag der verschiedenen Regierungen verwaltet, darunter der italienischen Regierung. Folglich müssten die zuständigen Dienststellen des Parlaments und die europäischen Abgeordneten italienischer Staatsangehörigkeit auf die für die Abgeordneten der italienischen Abgeordnetenkammer geltende Regelung Bezug nehmen. Im Hinblick darauf, dass der Abgeordnete nach der italienischen Regelung von Amts wegen der Ruhegehaltsregelung unterliege, hätte Anlage III dies ebenfalls vorsehen müssen und jedenfalls die Anwendung dieser Regelung unter keinen Umständen von der Einhaltung einer Frist abhängig machen dürfen. Folglich habe sich das Parlament, indem es eine zeitliche Beschränkung für den Beitritt zur vorläufigen Ruhegehaltsregelung nach Anlage III eingeführt habe, eine Befugnis angemaßt, die nicht in seine Zuständigkeit falle, und dadurch seine Befugnisse überschritten. Ferner sei die Änderung der Anlage III rechtswidrig, weil mit ihr eine Beschränkung des Ruhegehaltsanspruchs eingeführt werde, die es in der italienischen Regelung nicht gebe.

39.
    Das Parlament meint, die Kläger versuchten die Unzulässigkeit ihrer Klagen durch die Erhebung einer Einrede der Rechtswidrigkeit zu umgehen. Unter Verweis auf seinen Antrag zur Unzulässigkeit der Klage wiederholt es, dass der Beschluss seines Präsidiums vom 13. September an eine genau identifizierbare Gruppe von Personen gerichtet gewesen sei, die den Beschluss mit einer Nichtigkeitsklage hätten anfechten können. Infolgedessen könnten die Kläger die Rechtmäßigkeit des Beschlusses nicht mehr in Zweifel ziehen, nachdem sie nicht rechtzeitig mit der Nichtigkeitsklage gegen ihn vorgegangen seien.

40.
    Die Bezugnahme auf die Höhe und die Bedingungen der nationalen Systeme in Artikel 2 der Anlage III hindere das Parlament nicht daran, eine Frist für die Einreichung eines Beitrittsantrags festzusetzen. Gemäß Artikel 22 der Geschäftsordnung des Parlaments sei das Präsidium das hierfür zuständige Organ. Die Einführung bestimmter für den Beitritt zur vorläufigen Ruhegehaltsregelung einzuhaltender Bedingungen und Verfahren schränke den Ruhegehaltsanspruch der Kläger nicht ein.

- Würdigung durch das Gericht

41.
    Wie der Gerichtshof u. a. im Urteil vom 6. März 1979 in der Rechtssache 92/78 (Simmenthal/Kommission, Slg. 1979, 777, Randnr. 39) ausgeführt hat, ist Artikel 184 EG-Vertrag der Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes, der jeder Partei das Recht gewährleistet, zum Zweck der Nichtigerklärung einer an sie gerichteten Entscheidung inzident die Gültigkeit derjenigen Rechtsvorschriften zu bestreiten, die ihre Rechtsgrundlage bilden, falls die Partei nicht das Recht hatte, gemäß Artikel 173 EG-Vertrag unmittelbar gegen diese Rechtshandlungen zu klagen.

42.
    Der erste Grund, auf den die Einrede der Rechtswidrigkeit gestützt wird, beruht auf der Annahme, die vorläufige Ruhegehaltsregelung werde vom Parlament imAuftrag der verschiedenen Regierungen verwaltet. Diese Annahme ist jedoch irrig. Artikel 1 dieser Regelung ist zu entnehmen, dass aus dem Haushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften, Einzelplan Parlament, ein provisorisches Altersruhegehalt gezahlt wird.

43.
    Das Vorbringen der Kläger, Artikel 2 Absatz 1 nehme Bezug auf die für die Abgeordneten der italienischen Abgeordnetenkammer geltende Regelung, ist ebenfalls unbegründet. Denn nach Artikel 2 Absatz 1 der Anlage III sind Höhe und Bedingungen des provisorischen Altersruhegehalts identisch mit Höhe und Bedingungen des Altersruhegehalts für Mitglieder des Unterhauses des Parlaments des Staates, in dem das Mitglied des Europäischen Parlaments gewählt wurde. Somit passen diese Bestimmungen das Altersruhegehalt dem System des Staates an, in dem das Mitglied des Parlaments gewählt wurde, aber nicht die Bedingungen für die Ausübung des Rechts auf Beitritt zur vorläufigen Ruhegehaltsregelung.

44.
    Wie das Parlament zu Recht ausführt, schränkt die Einführung bestimmter für den Beitritt zur vorläufigen Ruhegehaltsregelung einzuhaltender Bedingungen und Verfahren den Ruhegehaltsanspruch der Kläger nicht ein.

45.
    Schließlich ist zu bekräftigen, dass das Parlament aufgrund der ihm durch die Verträge eingeräumten internen Organisationsbefugnis berechtigt ist, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um sein ordnungsgemäßes Funktionieren und den Ablauf seiner Verfahren sicherzustellen, wie sich bereits aus dem Urteil des Gerichtshofes vom 10. Februar 1983 in der Rechtssache 230/81 (Luxemburg/Parlament, Slg. 1983, 255, Randnr. 38) ergibt (vgl. auch Urteil des Gerichtshofes vom 23. April 1986 in der Rechtssache 294/83, Les Verts/Parlament, Slg. 1986, 1339, Randnr. 44).

46.
    Folglich hat das Parlament dadurch, dass es eine Frist für den Beitritt zur vorläufigen Ruhegehaltsregelung eingeführt hat, seine Befugnisse nicht überschritten.

47.
    Der erste Grund ist daher zurückzuweisen.

Zum zweiten Grund: Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes

- Vorbringen der Parteien

48.
    Die Änderung vom 13. September 1995 sei außerdem unter Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes erfolgt, weil sie den betroffenen Parlamentariern nicht zur Kenntnis gebracht worden sei. Zu Beginn ihres Mandats für die Legislaturperiode von 1994 bis 1999 sei den Klägern erklärt worden, dass die auf dem Gebiet des Ruhegehalts geltende Regelung derjenigen des italienischen Parlaments angepasst sei. Angesichts dieser Situation, die mindestens fünfzehn Monate lang angedauert habe, hätten die Kläger damit rechnen dürfen, dass die vorläufige Ruhegehaltsregelung im Laufe der Legislaturperiode nicht geändert werde.

49.
    Das Parlament betont, sein Verhalten habe bei den Klägern kein berechtigtes Vertrauen wecken können.

- Würdigung durch das Gericht

50.
    Was die Kläger erwarten durften, ergibt sich aus den einschlägigen Bestimmungen der Anlage III der Kostenerstattungs- und Vergütungsregelung für die Mitglieder des Europäischen Parlaments in der im Juli 1994, d. h. zu Beginn der Legislaturperiode geltenden Fassung. Der ehemaligen Anlage III ist zu entnehmen, dass es keine Regelung über eine Frist zur Einreichung des Beitrittsantrags gab. Somit konnten die Abgeordneten vor der Änderung vom 13. September 1995 zu jedem beliebigen Zeitpunkt der Legislaturperiode rückwirkend einen Antrag auf Beitritt zur vorläufigen Ruhegehaltsregelung stellen, wie auch das Parlament einräumt.

51.
    Da die Abgeordneten vor der Änderung vom 13. September 1995 unbefristet einen Antrag auf Beitritt zur vorläufigen Ruhegehaltsregelung stellen konnten, ist zu prüfen, ob diese Situation geändert werden konnte, ohne dass das berechtigte Vertrauen der Kläger verletzt wurde.

52.
    Nach ständiger Rechtsprechung kann sich auf den Schutz des berechtigten Vertrauens jeder berufen, der sich in einer Situation befindet, aus der sich ergibt, dass die Gemeinschaftsverwaltung bei ihm begründete Erwartungen geweckt hat (vgl. z. B. Urteil des Gerichts vom 17. Dezember 1998 in der Rechtssache T-203/96, Embassy Limousines & Services/Parlament, Slg. 1998, II-4239, Randnr. 74). Jedoch kann ein Verstoß gegen diesen Grundsatz nicht geltend gemacht werden, wenn die Verwaltung keine bestimmten Zusicherungen gegeben hat (Urteil des Gerichts vom 30. November 1994 in der Rechtssache T-498/93, Dornonville de la Cour/Kommission, Slg. ÖD 1994, I-A-257 und II-813, Randnr. 46).

53.
    Die Verwaltung des Parlaments hat keine Zusicherungen gegeben, dass die Bedingungen der vorläufigen Ruhegehaltsregelung während der Legislaturperiode unangetastet bleiben würden. Außerdem kann die Bezugnahme auf das italienische System in Anlage III nicht dahin ausgelegt werden, dass sie geeignet gewesen wäre, bei den Klägern begründete Erwartungen in Bezug auf die Beibehaltung der Bedingungen für den Beitritt zur vorläufigen Ruhegehaltsregelung zu wecken.

54.
    Demnach ist der auf den Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes gestützte Grund als unbegründet zurückzuweisen.

Zum dritten Grund: Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes

- Vorbringen der Parteien

55.
    Nach Ansicht der Kläger hat die Änderung vom 13. September 1995 in zweifacher Hinsicht eine Ungleichbehandlung zur Folge. Erstens entspreche ihre Stellung tatsächlich und rechtlich in solchem Maße derjenigen eines Mitglieds der italienischen Abgeordnetenkammer, dass sie nicht anders behandelt werden dürften. Da die italienische Regelung für nationale Parlamentarier keine Frist für den Beitritt zur Ruhegehaltsregelung vorsehe, dürfe die vorläufige Ruhegehaltsregelung des Europäischen Parlaments hierauf ebenfalls nicht zurückgreifen. Zweitens sehen sich die Kläger auch gegenüber denjenigen italienischen Abgeordneten diskriminiert, die im Laufe der Legislaturperiode Mitglieder des Europäischen Parlaments geworden seien und der vorläufigen Ruhegehaltsregelung hätten beitreten können, indem sie deren Anwendung rückwirkend zum Beginn der Legislaturperiode beantragt hätten.

56.
    Das Parlament tritt diesem Vorbringen entgegen.

- Würdigung durch das Gericht

57.
    Nach ständiger Rechtsprechung liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, der ein tragendes Prinzip darstellt, vor, wenn zwei Kategorien von Personen, deren rechtliche und tatsächliche Lage keine wesentlichen Unterschiede aufweist, unterschiedlich behandelt werden oder wenn unterschiedliche Sachverhalte gleich behandelt werden (Urteil des Gerichts vom 23. September 1997 in der Rechtssache T-172/96, Chevalier-Delanoue/Rat, Slg. ÖD 1997, I-A-287 und II-809, Randnr. 21).

58.
    Die Kläger vergleichen ihre Lage mit derjenigen der Mitglieder der italienischen Abgeordnetenkammer sowie mit derjenigen der Abgeordneten, die im Laufe der Legislaturperiode Mitglieder des Europäischen Parlaments werden.

59.
    Die Lage der beiden letztgenannten Gruppen unterscheidet sich unbestreitbar sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht von derjenigen der Kläger. Daher ist es mit dem Diskriminierungsverbot vereinbar, dass die betreffenden Sachverhalte nicht gleich behandelt werden.

60.
    Folglich ist auch der dritte Grund zurückzuweisen.

61.
    Nach alldem sind sämtliche Gründe, auf die die Einrede der Rechtswidrigkeit gestützt wird, zurückzuweisen.

Zu den Klagegründen, die Kläger hätten die in der Anlage III festgelegte Frist von sechs Monaten für die Einreichung ihrer Anträge auf Beitritt zur vorläufigen Ruhegehaltsregelung nicht überschritten und die Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung sowie der Rechtssicherheit seien verletzt

Vorbringen der Parteien

62.
    Die Kläger tragen vor, sie hätten die Mitteilung Nr. 25/95 über die Änderung der Anlage III vom 13. September 1995 nicht erhalten. Sie hätten 1998 zufällig vom Bestehen einer Frist für die Einreichung des Antrags auf Beitritt zur vorläufigen Ruhegehaltsregelung erfahren.

63.
    Als mögliche Erklärung dafür, dass sie die Mitteilung Nr. 25/95 nicht erhalten hätten, führen sie aus, alle Abgeordneten hätten einen persönlichen Briefkasten, der weder mit einem Schloss versehen sei noch kontrolliert werde und in dem täglich eine umfangreiche und sehr heterogene Korrespondenz deponiert werde. Daher könne es sein, dass jemand die fragliche Mitteilung mitgenommen habe oder dass sie unbemerkt geblieben sei.

64.
    Sie weisen darauf hin, dass gemäß Artikel 27 Absatz 1 der Kostenerstattungs- und Vergütungsregelung für die Mitglieder des Europäischen Parlaments zu „Beginn ihres Mandats ... die Mitglieder vom Generalsekretär ein Exemplar dieser Regelung [erhalten], dessen Empfang schriftlich zu bestätigen ist“. Ihrer Ansicht nach hätte der Beschluss des Präsidiums vom 13. September 1995 zur Änderung der Anlage III jedem Mitglied in dem in Artikel 27 Absatz 1 vorgeschriebenen Verfahren zur Kenntnis gebracht und folglich ihnen persönlich bekannt gegeben werden müssen, und die Adressaten hätten dessen Empfang schriftlich bestätigen müssen.

65.
    Nach ständiger Rechtsprechung obliege es den Parteien, die sich auf die Verspätung einer Handlung beriefen, dem Zeitpunkt der Bekanntgabe des streitigen Beschlusses zu beweisen und folglich erst recht, dass eine solche Bekanntgabe erfolgt sei. Daher müsse die Verwaltung Handlungen systematisch in einer Weise mitteilen, die dem zu erreichenden Ziel und der Bedeutung der Handlung entspreche. Im vorliegenden Fall habe die Verwaltung diesen Grundsatz nicht beachtet.

66.
    Die Kläger werfen dem Parlament vor, es habe in der Mitteilung Nr. 25/95 die Abgeordneten nicht darauf aufmerksam gemacht, dass sie von diesem Zeitpunkt an nur sechs Monate Zeit gehabt hätten, um der Ruhegehaltsregelung rückwirkend beizutreten. Außerdem erklären sie zu der Behauptung des Beklagten, der größte Teil der Abgeordneten habe den fraglichen Antrag fristgemäß gestellt, eine sorgfältige Verwaltung hätte die „wenigen Abgeordneten“, die der betreffenden Regelung noch nicht beigetreten seien, davon in Kenntnis setzen müssen, dass die Frist, in der sie dies noch tun könnten, in Kürze ablaufe.

67.
    Das Parlament habe es insoweit 1992 für erforderlich gehalten, die Änderungen eines Zusatzversorgungssystems allen Abgeordneten sowohl unter ihrer Parlamentsadresse als auch unter ihrer Privatadresse mitzuteilen. Die Kläger unterstreichen, dass die Änderung der Anlage III nur die italienischen und französischen Abgeordneten betroffen habe.

68.
    Abschließend führen sie aus, die Gemeinschaftsregelung müsse bestimmt und ihre Anwendung für die ihr Unterworfenen vorhersehbar sein. Dieses Erfordernis der Rechtssicherheit sei besonders streng zu beachten, wenn es sich um eine Regelung handele, die mit finanziellen Folgen verbunden sein könne, damit die Betroffenen Gewissheit über den genauen Umfang ihrer Pflichten hätten. Dieser Grundsatz sei aus den oben genannten Gründen im vorliegenden Fall nicht beachtet worden.

69.
    Zum Vorwurf, dass die fraglichen Handlungen nicht in angemessener Weise bekannt gegeben worden seien, erklärt das Parlament, die Abgeordneten seien mehrfach über die Änderung vom 13. September 1995 informiert worden. Seine zuständigen Dienststellen hätten dafür gesorgt, dass den Abgeordneten der Text der Änderung der Anlage zugegangen sei, indem sie ihnen die Mitteilung Nr. 25/95 vom 28. September 1995, das Protokoll der Sitzung des Präsidiums vom 13. September 1995, das gemäß Artikel 28 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Parlaments an alle Mitglieder verteilt werde, sowie die konsolidierte Fassung der Kostenerstattungs- und Vergütungsregelung für die Mitglieder des Europäischen Parlaments, die im März 1996 und erneut im September 1997 veröffentlicht worden sei, übermittelt hätten. Die Mehrheit der betroffenen Abgeordneten habe den Beitrittsantrag innerhalb der vorgeschriebenen Fristen gestellt.

70.
    Die Kläger hätten zu Beginn ihres Mandats gemäß Artikel 27 Absatz 1 der Kostenerstattungs- und Vergütungsregelung für die Mitglieder des Parlaments ein Exemplar dieser Regelung erhalten. Das Parlament tritt der Auffassung entgegen, dass alle Änderungen der betreffenden Regelung in der von Artikel 27 Absatz 1 vorgesehenen Form verbreitet werden müssten. Die Abgeordneten hätten gegenüber dem Parlament eine Fürsorgepflicht; andernfalls könnte der Erhalt von Informationen, die durch interne Kanäle übermittelt worden seien, systematisch bestritten werden, wodurch der normale Ablauf der parlamentarischen Tätigkeit unmöglich gemacht würde. Schließlich seien die Abgeordneten verpflichtet, die Arbeit der Organe des Parlaments zu verfolgen und sich in Bezug auf die getroffenen Beschlüsse auf dem Laufenden zu halten.

71.
    Folglich sei es allein auf die Unachtsamkeit der Kläger zurückzuführen, dass der Antrag auf Beitritt zur vorläufigen Ruhegehaltsregelung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten eingereicht worden sei.

72.
    Jedenfalls behaupteten die Kläger selbst, spätestens in den ersten Monaten des Jahres 1998 von der Änderung Kenntnis erhalten zu haben.

73.
    Schließlich weist das Parlament darauf hin, dass selbst vor der Änderung der Anlage III der Beitritt zur vorläufigen Ruhegehaltsregelung nicht ohne Zutun der Abgeordneten erfolgt sei.

Würdigung durch das Gericht

74.
    Mit den drei materiellen Klagegründen wollen die Kläger im Wesentlichen dartun, dass das Parlament die Grundsätze der Rechtssicherheit und der ordnungsgemäßen Verwaltung missachtet habe, indem es die ordnungsgemäße Bekanntgabe der Änderung der Anlage III unterlassen habe. Die Änderung der Anlage III könne ihnen nicht entgegengehalten werden, da sie nicht jedem Abgeordneten in der von Artikel 27 Absatz 1 der Kostenerstattungs- und Vergütungsregelung für die Mitglieder des Parlaments vorgeschriebenen Form zur Kenntnis gebracht und ihnen folglich nicht persönlich bekannt gegeben worden sei.

75.
    Nach Auffassung des Gerichts hätte das Parlament gemäß dem Grundsatz der Rechtssicherheit und der ordnungsgemäßen Verwaltung und aufgrund des Artikels 27 Absatz 1 der Kostenerstattungs- und Vergütungsregelung für die Mitglieder des Parlaments die von der Änderung der Anlage III betroffenen Mitglieder durch eine persönliche Mitteilung mit Empfangsbestätigung informieren müssen.

76.
    Nur ein solches Vorgehen hätte der Gemeinschaftsrechtsprechung genügt, wonach jede Maßnahme der Verwaltung, die Rechtswirkungen entfaltet, klar und deutlich sein und dem Betroffenen so zur Kenntnis gebracht werden muss, dass er mit Gewissheit den Zeitpunkt erkennen kann, von dem an die genannte Maßnahme besteht und ihre Rechtswirkungen zu entfalten beginnt (Urteil des Gerichts vom 7. Februar 1991 in den verbundenen Rechtssachen T-18/89 und T-24/89, Tagaras/Gerichtshof, Slg. 1991, II-53, Randnr. 40; vgl. auch Urteil des Gerichtshofes vom 23. September 1986 in der Rechtssache 5/85, AKZO Chemie/Kommission, Slg. 1986, 2585, Randnr. 39).

77.
    Da eine solche Mitteilung nicht erfolgt ist, kann eine Frist für die Antragstellung auf der Grundlage einer Handlung, die Ruhegehaltsansprüche der Art vorsieht, um die es in der vorliegenden Rechtssache geht, nach der Gemeinschaftsrechtsprechung erst von dem Zeitpunkt an zu laufen beginnen, zu dem der Betroffene, nachdem er von der Existenz dieser Handlung erfahren hat, binnen angemessener Frist genaue Kenntnis von der betreffenden Handlung erlangt hat (in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 15. März 1994 in der Rechtssache T-100/92, La Pietra/Kommission, Slg. ÖD 1994, I-A-83 und II-275, Randnr. 30, und dort zitierte Rechtsprechung).

78.
    Zwar bestreiten die Kläger nicht, im Laufe der ersten Monate des Jahres 1998 von der Änderung der Anlage III erfahren zu haben. Das Parlament hat aber nicht den Beweis erbracht, dass sie mehr als sechs Monate vor der Antragstellung am 19. November 1998 genaue Kenntnis vom Änderungsakt erlangten. Die Umstände des Falles lassen außerdem erkennen, dass diese genaue Kenntnis binnen angemessener Frist erlangt wurde.

79.
    Folglich haben die Kläger ihren Antrag auf Beitritt zur vorläufigen Ruhegehaltsregelung innerhalb der im Beschluss zur Änderung der Anlage III festgelegten Frist eingereicht.

80.
    Nach alldem sind die angefochtenen Entscheidungen aufzuheben, soweit sie die Kläger Ripa di Meana und Orlando betreffen.

Kosten

81.
    Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das Parlament in den Rechtssachen T-83/99 und T-84/99 unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag der Kläger Ripa di Meana und Orlando deren Kosten aufzuerlegen. Da der Kläger Parigi unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag des Parlaments dessen Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.    Die Entscheidungen des Europäischen Parlaments Nrn. 300762 und 300763 vom 4. Februar 1999, mit denen die Anträge der Kläger Ripa di Meana und Orlando zurückgewiesen wurden, rückwirkend die vorläufige Ruhegehaltsregelung der Anlage III der Kostenerstattungs- und Vergütungsregelung für die Mitglieder des Europäischen Parlaments anzuwenden, werden aufgehoben.

2.    Die Klage in der Rechtssache T-85/99 wird als unzulässig abgewiesen.

3.    In den Rechtssachen T-83/99 und T-84/99 trägt das Parlament seine eigenen Kosten sowie die Kosten der Kläger Ripa di Meana und Orlando.

4.    In der Rechtssache T-85/99 trägt der Kläger Parigi seine eigenen Kosten sowie die Kosten des Parlaments.

Tiili
Moura Ramos
Mengozzi

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 26. Oktober 2000.

Der Kanzler

Der Präsident

H. Jung

P. Mengozzi


1: Verfahrenssprache: Italienisch.