Language of document : ECLI:EU:T:2011:572

BESCHLUSS DES GERICHTS (Sechste Kammer)

6. Oktober 2011(*)

„Verfahren – Kostenfestsetzung“

In der Rechtssache T‑388/02 DEP

Kronoply GmbH & Co. KG mit Sitz in Heiligengrabe (Deutschland),

Kronotex GmbH & Co. KG mit Sitz in Heiligengrabe,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte R. Nierer und L. Gordalla,

Klägerinnen,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch V. Kreuschitz als Bevollmächtigten,

Beklagte,

unterstützt durch

Zellstoff Stendal GmbH mit Sitz in Arneburg (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt T. Müller-Ibold,

durch

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch W.‑D. Plessing und M. Lumma als Bevollmächtigte,

und durch

Land Sachsen-Anhalt (Deutschland), vertreten durch die Rechtsanwälte C. von Donat und G. Quardt,

Streithelfer,

wegen Antrags auf Kostenfestsetzung, eingereicht vom Land Sachsen-Anhalt im Anschluss an das Urteil des Gerichts vom 10. Dezember 2008, Kronoply und Kronotex/Kommission (T‑388/02, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht),

erlässt

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten E. Moavero Milanesi (Berichterstatter) sowie der Richter N. Wahl und S. Soldevila Fragoso,

Kanzler: E. Coulon,

folgenden

Beschluss

 Sachverhalt, Verfahren und Anträge der Parteien

1        Am 19. Juni 2002 erließ die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Entscheidung, gegen die von den deutschen Behörden der Zellstoff Stendal gewährte Beihilfe zur Errichtung einer Anlage zur Herstellung von Zellstoff keine Einwände zu erheben (C[2002] 2018 fin betreffend die staatliche Beihilfe N 240/2002 – Deutschland – Beihilfe zugunsten der ZSG, im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

2        Die Antragstellerinnen, die Kronoply GmbH & Co. KG und die Kronotex GmbH & Co. KG, erhoben mit Klageschrift, die am 23. Dezember 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, Klage auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

3        Mit Urteil vom 10. Dezember 2008, Kronoply und Kronotex/Kommission (T‑388/02, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), wies das Gericht die Klage ab und erlegte den Antragstellerinnen neben ihren eigenen Kosten die der Kommission und den Streithelfern entstandenen Kosten auf, mit Ausnahme der der Bundesrepublik Deutschland entstandenen Kosten, die diese selbst zu tragen hat.

4        Mit Schreiben vom 11. März 2009 forderte das Land Sachsen-Anhalt die Antragstellerinnen auf, ihm für Anwaltskosten und Auslagen einen Betrag in Höhe von 50 580,16 Euro zu zahlen. Das Land Sachsen-Anhalt wiederholte seine Aufforderung zur Erstattung der ihm als Streithelfer entstandenen Kosten mit Schreiben vom 25. Januar 2010.

5        Mit Schreiben vom 19. März 2010 boten die Antragstellerinnen an, die dem Land Sachsen-Anhalt entstandenen Kosten in Höhe von 15 279,42 Euro zu erstatten, was das Land ablehnte.

6        Mit Urteil vom 24. Mai 2011, Kommission/Kronoply und Kronotex (C‑83/09 P, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), wies der Gerichtshof das von der Europäischen Kommission gegen das Urteil Kronoply und Kronotex/Kommission eingelegte Rechtsmittel zurück und erlegte dieser und der Zellstoff Stendal GmbH, einem der Streithelfer vor dem Gericht, ihre eigenen Kosten auf, da die Klägerinnen im ersten Rechtszug am Rechtsmittelverfahren nicht beteiligt waren und dementsprechend keine Kostenanträge gestellt hatten. Das Urteil Kronoply und Kronotex/Kommission ist somit rechtskräftig geworden.

7        Da keine Zahlung erfolgt war, hat das Land Sachsen-Anhalt mit Schriftsatz, der am 29. November 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, gemäß Art. 92 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts beantragt, die Kosten auf 50 580,16 Euro festzusetzen.

8        In ihrer Stellungnahme, die am 7. Januar 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Antragstellerinnen beantragt, einen weit geringeren als den vom Land Sachsen-Anhalt als erstattungsfähige Kosten geforderten Betrag festzusetzen.

 Rechtliche Würdigung

9        Nach Art. 92 § 1 der Verfahrensordnung „[entscheidet das Gericht] Streitigkeiten über die erstattungsfähigen Kosten … auf Antrag einer Partei und nach Anhörung der Gegenpartei durch unanfechtbaren Beschluss“.

10      Nach Art. 91 Buchst. b der Verfahrensordnung gelten als erstattungsfähige Kosten „Aufwendungen der Parteien, die für das Verfahren notwendig waren, insbesondere Reise- und Aufenthaltskosten sowie die Vergütung der Bevollmächtigten, Beistände oder Anwälte“. Aus dieser Vorschrift ergibt sich, dass die erstattungsfähigen Kosten auf die Kosten beschränkt sind, die für das Verfahren vor dem Gericht aufgewendet worden sind und die dafür notwendig waren (vgl. Beschluss des Gerichts vom 28. Juni 2004, Airtours/Kommission, T‑342/99 DEP, Slg. 2004, II‑1785, Randnr. 13 und die dort angeführte Rechtsprechung).

11      Nach ständiger Rechtsprechung hat das Gericht nicht die Vergütungen festzusetzen, die die Parteien ihren eigenen Anwälten schulden, sondern den Betrag zu bestimmen, bis zu dem die Erstattung dieser Vergütungen von der zur Tragung der Kosten verurteilten Partei verlangt werden kann. Es braucht bei der Entscheidung über einen Antrag auf Kostenfestsetzung weder eine nationale Gebührenordnung für Anwälte noch eine eventuell zwischen der betreffenden Partei und ihren Bevollmächtigten oder Beiständen getroffene Gebührenvereinbarung zu berücksichtigen (vgl. Beschluss Airtours/Kommission, Randnr. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung).

12      Es entspricht gleichfalls ständiger Rechtsprechung, dass das Gericht in Ermangelung einer gemeinschaftsrechtlichen Gebührenordnung die Gegebenheiten des Falles frei zu würdigen hat, wobei es den Gegenstand und die Art des Rechtsstreits, seine Bedeutung aus unionsrechtlicher Sicht sowie die Schwierigkeiten des Falles, den Arbeitsaufwand der tätig gewordenen Bevollmächtigten oder Beistände im Zusammenhang mit dem streitigen Verfahren und das wirtschaftliche Interesse der Beteiligten am Ausgang des Rechtsstreits berücksichtigt (vgl. Beschluss Airtours/Kommission, Randnr. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung).

13      Nach diesen Kriterien ist der Betrag der im vorliegenden Fall erstattungsfähigen Kosten zu beurteilen.

14      Was zunächst den Gegenstand des Rechtsstreits, seine Art und seine Bedeutung aus unionsrechtlicher Sicht angeht, weist das Gericht darauf hin, dass der vorliegende Rechtsstreit eine Entscheidung der Kommission betraf, in Bezug auf eine staatliche Beihilfe das förmliche Prüfverfahren nach Art. 88 Abs. 2 EG nicht einzuleiten, und insbesondere die Frage aufwarf, ob die Antragstellerinnen als Beteiligte im Sinne von Art. 88 Abs. 2 EG zur Klageerhebung insoweit befugt waren, als sie mit dieser Klage die Wahrung der ihnen aus dieser Bestimmung erwachsenden Verfahrensrechte anstrebten.

15      Was zweitens die wirtschaftliche Bedeutung des Rechtsstreits betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass es um eine staatliche Beihilfe in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro ging, die an eine Konkurrentin der Antragstellerinnen gezahlt werden sollte. Dass in dieser Rechtssache ein erhebliches wirtschaftliches Interesse an ihrem Ausgang bestand, lässt sich nicht leugnen.

16      Drittens ist zu den Schwierigkeiten des Falles und dem Arbeitsaufwand der tätig gewordenen Bevollmächtigten oder Beistände der Parteien im Zusammenhang mit dem Verfahren festzustellen, dass das Land Sachsen-Anhalt am Ausgangsrechtsstreit als Streithelfer beteiligt war und zur Begründung seines Kostenfestsetzungsantrags eine exakte und substantiierte Abrechnung der Auslagen und Honorare vorgelegt hat, die im Laufe des Verfahrens aufgewandt wurden und deren Erstattung es beantragt.

17      Hierzu ist zu bemerken, dass bei der Festsetzung der erstattungsfähigen Kosten zu berücksichtigen ist, dass im Allgemeinen die Aufgabe eines Streithelfers im Verfahren durch die Arbeit der Partei, zu deren Unterstützung er beigetreten ist, deutlich erleichtert wird. Da eine Streithilfe ihrem Wesen nach einer Klage untergeordnet ist, kann sie folglich, abgesehen von außergewöhnlichen Fällen, nicht denselben Schwierigkeitsgrad haben wie die Klage (Beschlüsse des Gerichts vom 22. März 1999, Sinochem/Rat, T‑97/95 DEP, Slg. 1999, II‑743, Randnr. 17, und vom 8. November 2001, Kish Glass/Kommission, T‑65/96 DEP, Slg. 2001, II‑3261, Randnr. 20).

18      Das Land Sachsen-Anhalt hat einen Betrag in Höhe von 50 580,16 Euro an Rechtsanwaltskosten gefordert, und zwar für

–        213,18 Rechtsanwaltsarbeitsstunden zu einem Stundensatz von 200 Euro,

–        Auslagen für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht in Höhe von 702,03 Euro

–        sowie für Mehrwertsteuer zu einem Steuersatz von 16 % bzw. 19 % ab dem 1. Januar 2007. Es hat hierzu darauf hingewiesen, dass es nach dem Umsatzsteuergesetz als Gebietskörperschaft nicht zum Vorabzug der Umsatzsteuer berechtigt sei, die somit zu den erstattungsfähigen Kosten zähle.

19      Das Land Sachsen-Anhalt begründet die 213,18 Rechtsanwaltsarbeitsstunden mit dem sachdienlichen Beitrag des Anwalts zur Klärung der aufgeworfenen Rechts- und Tatsachenfragen. So seien 81,18 Stunden auf die Erstellung des Antrags auf Zulassung als Streithelfer und den Schriftsatz zur Zulässigkeit der Klage entfallen, und zwar zur Unterstützung der von der Kommission erhobenen Einrede der Unzulässigkeit und zur Unterstützung des Vorbringens der Kommission mit eigenen Ausführungen des Landes Sachsen-Anhalt. Weitere 78 Stunden seien auf die Erstellung des Streithilfeschriftsatzes entfallen, der auch die Antworten auf die Fragen des Gerichts enthalten habe. Darüber hinaus seien 6,17 Stunden durch die Anträge der Antragstellerinnen verursacht worden, bestimmte Teile der Erwiderung und der Gegenerwiderung vertraulich zu behandeln. Schließlich seien 42,83 Stunden für die Vorbereitung und Teilnahme an der mündlichen Verhandlung am 15. Mai 2008 im Rahmen von Treffen zur Abstimmung mit der Kommission und den Streithelfern aufgewandt worden, um einen koordinierten Vortrag der Argumente in den Plädoyers zu erreichen.

20      Zunächst ist festzustellen, dass das Land Sachsen-Anhalt bei den Rechtsanwaltsgebühren einen Stundensatz von 200 Euro in Ansatz bringt und dass die Antragstellerinnen die Angemessenheit dieses Satzes in der vorliegenden Rechtssache nicht bestreiten.

21      Dagegen erscheint der im vorliegenden Fall durch die Rechtssache verursachte und vom Land Sachsen-Anhalt geltend gemachte Arbeitsaufwand unverhältnismäßig hoch angesetzt.

22      Erstens erscheinen die für die Erstellung des Antrags auf Zulassung als Streithelfer und des auf eine Stellungnahme zur Einrede der Unzulässigkeit beschränkten Streithilfeschriftsatzes angeblich aufgewandten Arbeitsstunden (81,18 Stunden) für einen Streithilfeantrag von sechs Seiten Umfang und für einen auf die Frage der Zulässigkeit beschränkten Streithilfeschriftsatz von zwölf Seiten Umfang weit überhöht. In Anbetracht der Art der genannten Verfahrensschriftsätze stellt ein Aufwand von 30 Stunden für diese Arbeit die Grenze dessen dar, was hierfür als notwendig angesehen werden könnte.

23      Auch die für die Erstellung des Streithilfeschriftsatzes zur Begründetheit aufgewandten Arbeitsstunden (78 Stunden) erscheinen überhöht; das Gericht hält für die Abfassung dieses Schriftsatzes von zwölf Seiten Umfang 20 Stunden für die Grenze dessen, was im vorliegenden Fall als notwendig angesehen werden könnte.

24      Schließlich erscheint auch die Zeit, die angeblich für zum einen die Anträge auf vertrauliche Behandlung bestimmter Teile der Erwiderung und der Gegenerwiderung (6,17 Stunden) und zum anderen für die Vorbereitung und die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung am 15. Mai 2008 (42,83 Stunden) aufgewandt wurde, überzogen. Für die Bearbeitung der Anträge auf vertrauliche Behandlung, die Vorbereitung der mündlichen Verhandlung und die Teilnahme an ihr sind insgesamt 15 Arbeitsstunden als notwendig anzuerkennen.

25      Im Übrigen ist der Zeitaufwand, den das Land Sachsen-Anhalt für die Abstimmung mit der Kommission und den Vertretern der anderen Streithelfer angegeben hat, nicht zu berücksichtigen. Da diese Arbeit für das Verfahren nicht notwendig war, können die entsprechenden Aufwendungen nicht als erstattungsfähige Kosten angesehen werden.

26      Zweitens macht das Land Sachsen-Anhalt als Aufwendungen und Auslagen für die Teilnahme seines Vertreters an der mündlichen Verhandlung für Flug‑, Transfer‑ und Übernachtungskosten 702,03 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer geltend. Das Gericht hält die Aufstellung dieser Kosten für angemessen, obwohl sie nicht durch entsprechende Rechnungskopien belegt werden.

27      Da das Land Sachsen-Anhalt letztlich die Mehrwertsteuer auf die Gebühren und Auslagen zu tragen hat, weil es nach dem deutschen Umsatzsteuergesetz nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, zählt diese Steuer zu einem Satz von 16 % für die bis zum 31. Dezember 2006 verauslagten Kosten und zu einem Satz von 19 % für die vom 1. Januar 2007 an entstandenen Kosten zu den erstattungsfähigen Kosten.

28      Nach alledem erscheint es angemessen, den Betrag der Kosten, die dem Land Sachsen-Anhalt für das Verfahren vor dem Gericht zu erstatten sind, auf 16 100 Euro einschließlich Mehrwertsteuer festzusetzen, wobei dieser Betrag alle Umstände des Rechtsstreits bis zum Zeitpunkt des Erlasses des vorliegenden Beschlusses berücksichtigt.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

beschlossen:

Der Gesamtbetrag der Kosten, die dem Land Sachsen-Anhalt zu erstatten sind, wird auf 16 100 Euro einschließlich Mehrwertsteuer festgesetzt.

Luxemburg, den 6. Oktober 2011

Der Kanzler

 

      Der Präsident

E. Coulon

 

      E. Moavero Milanesi


* Verfahrenssprache: Deutsch.