URTEIL DES GERICHTS (Vierte erweiterte Kammer)
22. Oktober 1997 (1)
„Wettbewerb Mobile Kräne Artikel 6 der Europäischen
Menschenrechtskonvention Wahrung eines angemessenen Zeitraums
Zertifizierungsregelung Zumietverbot Richtpreise Verrechnungstarife
Geldbußen“
In den verbundenen Rechtssachen T-213/95 und T-18/96
Stichting Certificatie Kraanverhuurbedrijf (SCK), Anstalt niederländischen Rechts
mit Sitz in Culemborg (Niederlande),
Federatie Nederlandse Kraanverhuurbedrijven (FNK), Vereinigung
niederländischen Rechts mit Sitz in Culemborg (Niederlande),
Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte Martijn van Empel, Amsterdam, und
Thomas Janssens, Brüssel, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts Marc
Loesch, 11, rue Goethe, Luxemburg,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Wouter Wils,
Juristischer Dienst, als Bevollmächtigten, Zustellungsbevollmächtigter: Carlos
Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,
in der Rechtssache T-18/96 unterstützt durch
Van Marwijk Kraanverhuur BV, Gesellschaft niederländischen Rechts mit Sitz in
Zoetermeer (Niederlande),
Kraanbedrijf Nijdam BV, Gesellschaft niederländischen Rechts mit Sitz in
Groningen (Niederlande),
Kranen, Transport & Montage's Gilde NV, Gesellschaft niederländischen Rechts
mit Sitz in Geldermalsen (Niederlande),
Wassink Transport Arnhem BV, Gesellschaft niederländischen Rechts mit Sitz in
Arnheim (Niederlande),
Koedam Kraanverhuur BV, Gesellschaft niederländischen Rechts mit Sitz in
Vianen (Niederlande),
Firma Huurdeman Kraanwagenverhuurbedrijf, Gesellschaft niederländischen
Rechts mit Sitz in Hoevelaken (Niederlande).
Datek NV, Gesellschaft belgischen Rechts mit Sitz in Genk (Belgien),
Thom Hendrickx, wohnhaft in Turnhout (Belgien),
Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte August Braakman, Rotterdam, und Willem
Sluiter, Den Haag, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts Michel Molitor,
14A, rue de Bains, Luxemburg,
in der Rechtssache T-213/95 wegen Verurteilung der Kommission gemäß den
Artikeln 178 und 215 EG-Vertrag zum Ersatz des den Klägerinnen durch eine
rechtswidrige Verhaltensweise entstandenen Schadens und in der Rechtssache
T-18/96 wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 95/551/EG der Kommission vom
29. November 1995 in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag (IV/34.179.
34.202, 34.216 Stichting Certificatie Kraanverhuurbedrijf und Federatie van
Nederlandse Kraanverhuurbedrijven; ABl. L 312, S. 79)
erläßt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Vierte erweiterte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, der Richterin P. Lindh sowie der
Richter J. Azizi, J. D. Cooke und M. Jaeger,
Kanzler: J. Palacio González, Verwaltungsrat
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4.
Juni 1997,
folgendes
Urteil
Sachverhalt und Verfahren
- 1.
- Die vorliegenden Rechtssachen betreffen den Sektor der Vermietung mobiler
Kräne in den Niederlanden. Mobile Kräne sind Kräne, die auf einer Baustelle frei
bewegt werden können. Durch dieses Merkmal unterscheiden sie sich von
Turmkränen, die auf feste Schienen montiert sind und sich nur vorwärts und
rückwärts bewegen können. Mobile Kräne werden hauptsächlich in der
Bauwirtschaft, in der petrochemischen Industrie und im Verkehrswesen eingesetzt.
- 2.
- Aus technischen Gründen beschränkt sich der Aktionsradius eines mobilen Kranes
auf 50 km. Der Sektor der Vermietung mobiler Kräne ist im übrigen dadurch
gekennzeichnet, daß Verträge sehr kurzfristig vor der Durchführung der Arbeiten
geschlossen werden („Overnight contracting“). Wird ein
Kranvermietungsunternehmen zur Durchführung einer Arbeit sehr kurzfristig
herangezogen, verwendet es nach Maßgabe der Lage der Baustelle und der
Verfügbarkeit seiner eigenen Kräne entweder einen von diesen oder es mietet
einen Kran bei einem anderen in der Nähe der Baustelle niedergelassenen
Unternehmen an.
- 3.
- Die 1982 vom niederländischen Ministerium für soziale Fragen gegründete Anstalt
Keuring Bouw Machines (im folgenden: Keboma) prüft vor der ersten
Inbetriebnahme in den Niederlanden, ob die Kräne den in der
Arbeidsomstandighedenwet (Gesetz über Arbeitsbedingungen; Arbowet), im
Veiligheidsbesluit voor fabrieken of werkplaatsen (Verordnung über die Sicherheit
in Fabrik- oder Werkstattbetrieben), im Veiligheidsbesluit restgroepen (Verordnung
über die Sicherheit der von den anderen Verordnungen nicht erfaßten
Arbeitsstätten) und in verschiedenen Ministerialverordnungen und
Bekanntmachungen der Arbeitsinspektion enthaltenen rechtlichen Anforderungen
entsprechen. Die Keboma ist die einzige anerkannte offizielle Stelle, die mit der
Kontrolle und der Erprobung mobiler Kräne betraut ist. Diese Pflicht zur
Untersuchung vor der ersten Inbetriebnahme gilt nach der Richtlinie 89/392/EWG
des Rates vom 14. Juni 1989 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten für Maschinen (ABl. L 183, S. 9) seit dem 1. Januar 1993 nicht
mehr für Kräne, die mit einer CE-Kennzeichnung versehen sind und denen die
EG-Konformitätsbescheinigung im Sinne dieser Richtlinie beigefügt ist. Die Kräne
müssen drei Jahre nach der ersten Inbetriebnahme und dann alle zwei Jahre
Kontrollen durch die Keboma unterzogen werden.
- 4.
- Die Federatie van Nederlandse Kraanverhuurbedrijven (im folgenden: FNK) ist die
am 13. März 1971 gegründete sektorale Organisation, in der sich die
niederländischen Kranvermietungsunternehmen zusammengeschlossen haben.
Satzungsmäßiges Ziel der FNK ist es, die Interessen der
Kranvermietungsunternehmen, insbesondere ihrer Mitglieder, zu wahren und die
Kontakte und die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedern im weitesten Sinn zu
fördern. Die Mitglieder der FNK verfügen über 1 552 von ungefähr 3 000 Kränen,
die in den Niederlanden zur Vermietung bestimmt sind. Artikel 3 der
Geschäftsordnung der FNK enthielt vom 15. Dezember 1979 bis zum 28. April
1992 eine Klausel, die ihre Mitglieder verpflichtete, bei der Zumietung und der
Vermietung von Kränen vorzugsweise andere Mitglieder einzuschalten (im
folgenden: Vorzugsklausel) und „annehmbare“ Tarife anzuwenden. Die FNK setzte
Richtpreise fest, erstellte Kostenberechnungen für die Vermietung von Kränen an
Auftraggeber und veröffentlichte beide. Zudem wurden bei regelmäßig
stattfindenden Beratungen zwischen Kranvermietungsunternehmen
Verrechnungstarife für die Vermietung von Kränen unter den Mitgliedern der FNK
festgesetzt.
- 5.
- Die Stichting Certificatie Kraanverhuurbedrijf (im folgenden: SCK) ist eine Anstalt,
die 1985 von Vertretern von Kranvermietungsunternehmen und von Auftraggebern
gegründet wurde; ihr satzungsmäßiger Zweck besteht in der Förderung und
Erhaltung des Qualitätsstandards bei Kranvermietungsunternehmen. Zu diesem
Zweck führte die SCK ein Zertifizierungssystem ein, unter dem sie Unternehmen
ein Zertifikat ausstellt, die eine Reihe von Anforderungen an die Verwaltung eines
Kranvermietungsunternehmens und die Verwendung und Wartung der Kräne
erfüllen. Dieses Zertifizierungssystem soll den Auftraggebern das Vertrauen geben,
daß das beauftragte Unternehmen den betreffenden Anforderungen entspricht,
ohne daß sie es selbst prüfen müßten. Artikel 7 zweiter Gedankenstrich der
Regelung über die Zertifizierung von Kranvermietungsunternehmen enthält ein
Verbot für die zertifizierten Unternehmen, Kräne von nicht von der SCK
zertifizierten Unternehmen zuzumieten (im folgenden: Zumietverbot). Mit Wirkung
vom 20. Januar 1989 wurde die SCK vom Rad vor de Certificatie
(Zertifizierungsrat), der niederländischen Zulassungsbehörde für
Zertifizierungseinrichtungen, zugelassen; dieser stellte fest, daß die SCK die
Voraussetzungen der europäischen Norm EN 45011 erfüllte, die die Kriterien
definiert, denen die Zertifizierungseinrichtungen entsprechen müssen. Nach Artikel
2 Nummer 5 der Zulassungskriterien des Zertifizierungsrates muß eine Zertifikate
erteilende Einrichtung dafür Sorge tragen, daß die Zertifizierungsvoraussetzungen
auch im Rahmen von Subunternehmerverhältnissen erfüllt sind. Zur Erfüllung
dieser Verpflichtung verfügt die Einrichtung über folgende Möglichkeiten: Sie kann
die Subunternehmer selbst kontrollieren (Artikel 2 Nummer 5 A 1) oder die
Kontrollen überprüfen, die das zugelassene Unternehmen beim Subunternehmer
durchführt (Artikel 2 Nummer 5 A 2 und A 3).
- 6.
- Am 13. Januar 1992 reichten die Firma M.W.C.M. Van Marwijk und zehn weitere
Unternehmen (im folgenden: Beschwerdeführer) bei der Kommission eine
Beschwerde und einen Antrag auf Erlaß einstweiliger Anordnungen ein. Die
Beschwerdeführer vertraten die Ansicht, die Klägerinnen verstießen gegen das
EG-Wettbewerbsrecht, indem sie von der SCK nicht zertifizierte Unternehmen von
der Vermietung mobiler Kräne ausschlössen und Preise für die Vermietung der
Kräne vorschrieben.
- 7.
- Die Satzung der SCK und ihre Regelung für die Zertifizierung von
Kranvermietungsunternehmen wurden bei der Kommission am 15. Januar 1992
angemeldet. Für die Satzung und die Geschäftsordnung der FNK erfolgte diese
Anmeldung am 6. Februar 1992. In beiden Fällen wurde ein Negativattest,
hilfsweise eine Freistellung gemäß Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag, beantragt.
- 8.
- Auf Antrag der Beschwerdeführer ordnete der Präsident der
Arrondissementsrechtbank Utrecht in einer einstweiligen Verfügung vom 11.
Februar 1992 an, daß die FNK die Vorzugsklausel sowie das System der
Richtpreise (die für die Vermietung von Kränen im Verhältnis zu den
Auftraggebern galten) und der Verrechnungstarife (die für die Vermietung von
Kränen von Kranvermietungsunternehmen untereinander galten) außer Kraft zu
setzen hatte. Der SCK gab er auf, das Zumietverbot nicht mehr anzuwenden.
Dieser Beschluß wurde vom Gerechtshof Amsterdam am 9. Juli 1992, ebenfalls im
Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, im wesentlichen aufgrund der Erwägung
aufgehoben, daß nicht offenkundig sei und nicht zweifelsfrei feststehe, daß die
Regelungen für eine Freistellung durch die Kommission unter keinen Umständen
in Betracht kämen. Die SCK setzte das Zumietverbot noch am Tag der
Verkündung des Urteils des Gerechtshof Amsterdam wieder in Kraft. Die FNK
hingegen lehnte es ab, sich künftig an der Aufstellung der Richtpreise und der
Verrechnungstarife zu beteiligen.
- 9.
- Am 16. Dezember 1992 übersandte die Kommission den Klägerinnen die
Mitteilung der Beschwerdepunkte. Dabei unterrichtete sie sie von ihrer Absicht,
gemäß Artikel 15 Absatz 6 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962,
Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages
(ABl. 1962, Nr. 13, S. 204) die Bußgeldfreiheit gemäß Artikel 15 Absatz 5 der
Verordnung Nr. 17 aufzuheben.
- 10.
- Am 3. Februar 1993 übermittelten die Klägerinnen der Kommission ihre Antwort
auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte. In dieser Antwort beantragten sie
insbesondere eine Anhörung.
- 11.
- Mit Schreiben vom 4. Juni 1993 teilte die Kommission ihnen mit, daß das
Verfahren nach Artikel 15 Absatz 6 der Verordnung Nr. 17 nur nach einer
Rücknahme des Zumietverbots abgeschlossen werden könne.
- 12.
- Die Beschwerdeführer wandten sich erneut an den Präsidenten der
Arrondissementsrechtbank Utrecht, der in einer einstweiligen Verfügung vom 6.
Juli 1993 die Außerkraftsetzung des Zumietverbots anordnete, da die Kommission
inzwischen zu den fraglichen Regelungen Stellung genommen und deutlich gemacht
habe, daß das Zumietverbot nicht freigestellt werden könne.
- 13.
- Mit Schreiben vom 29. September 1993 teilte die Kommission den Klägerinnen mit,
sie werde sie antragsgemäß vor Erlaß einer abschließenden Entscheidung gemäß
Artikel 85 EG-Vertrag anhören, jedoch sei eine solche Anhörung im Rahmen einer
auf Artikel 15 Absatz 6 der Verordnung Nr. 17 gestützten Entscheidung nicht
erforderlich.
- 14.
- Der Beschluß der Arrondissementsrechtbank Utrecht vom 6. Juli 1993 wurde vom
Gerechtshof Amsterdam mit Urteil vom 28. Oktober 1993 bestätigt. Dieses Urteil
stützte sich insbesondere auf ein undatiertes Schreiben eines Herrn Giuffrida von
der Generaldirektion Wettbewerb (GD IV) der Kommission an die
Beschwerdeführer mit beglaubigter Kopie an den Prozeßbevollmächtigten der
Klägerinnen. Diese bestätigten am 22. September 1993 den Empfang des
Schreibens. Dessen Verfasser drückte sich wie folgt aus: „Ich kann bestätigen, daß
ein Entwurf einer auf Artikel 15 Absatz 6 der Verordnung Nr. 17 gestützten
Entscheidung der Kommission zur Annahme im schriftlichen Verfahren Ende
dieser Woche vorzulegen ist, sobald alle erforderlichen Sprachfassungen verfügbar
sind. Das Einverständnis der beteiligten Stellen wurde bereits erteilt ...
Voraussichtlich könnte die offizielle Bekanntgabe der Entscheidung [an die
Klägerinnen] in der ersten Hälfte des Oktobers 1993 erfolgen.“
- 15.
- Mit Mitteilung vom 4. November 1993 setzte die SCK das Zumietverbot bis zur
endgültigen Stellungnahme der Kommission aus.
- 16.
- Am 13. April 1994 erließ die Kommission eine Entscheidung gemäß Artikel 15
Absatz 6 der Verordnung Nr. 17.
- 17.
- Die Klägerinnen forderten die Kommission mit Schreiben vom 3. Juni 1994 auf,
ihre endgültige Entscheidung bis spätestens 3. August 1994 zu erlassen.
- 18.
- Der Generaldirektor der GD IV Ehlermann teilte den Klägerinnen mit Schreiben
vom 27. Juni 1994 mit, daß „der für den Erlaß der endgültigen Entscheidung
gesetzte Zeitpunkt des 3. August 1994 völlig unrealistisch“ sei, daß jedoch „der
Erlaß der endgültigen Entscheidung mit Vorrang behandelt“ werde.
- 19.
- In Beantwortung eines Schreibens der Klägerinnen vom 3. August 1994 teilte die
Kommission mit Schreiben vom 9. August 1994 mit, die Mitteilung der
Beschwerdepunkte vom Dezember 1992 betreffe ausschließlich die Eröffnung eines
Verfahrens, das dem Erlaß der auf Artikel 15 Absatz 6 der Verordnung Nr. 17
gestützten Entscheidung vorausgehe. Vor der endgültigen Entscheidung werde eine
neue Mitteilung der Beschwerdepunkte ergehen, zu der die Klägerinnen angehört
würden.
- 20.
- Am 21. Oktober 1994 erging gegen die Klägerinnen eine neue Mitteilung der
Beschwerdepunkte in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag.
- 21.
- Am 21. Dezember 1994 übermittelten die Klägerinnen der Kommission ihre
Antwort auf diese Mitteilung. In dieser Antwort forderten sie die Kommission
erneut auf, unverzüglich tätig zu werden, und verzichteten auf eine Anhörung.
- 22.
- Am 27. November 1995 haben sie beim Gericht eine Klage auf Schadensersatz
(Rechtssache T-213/95) und, mit gesondertem Schriftsatz, einen Antrag auf
einstweilige Anordnungen eingereicht (Rechtssache T-213/95 R). Die Klägerinnen
haben diesen Antrag zurückgenommen; der Präsident hat die Rechtssache
T-213/95 R mit Beschluß vom 24. Januar 1996 aus dem Register des Gerichts
gestrichen. Die Kostenentscheidung ist vorbehalten geblieben.
- 23.
- Am 29. November 1995 erließ die Kommission die Entscheidung 95/551/EG in
einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag (IV/34.179, 34.202, 34.216 Stichting
Certificatie Kraanverhuurbedrijf und Federatie van Nederlandse
Kraanverhuurbedrijven ; ABl. L 312, S. 79; im folgenden: streitige Entscheidung).
Sie stellte fest, daß die FNK vom 15. Dezember 1979 bis 28. April 1992 gegen
Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag verstoßen habe, indem sie ein System von
Richtpreisen und Verrechnungstarifen angewandt habe, das ihren
Mitgliedsunternehmen die Möglichkeit gegeben habe, Vorhersagen über die
Preispolitik der anderen Mitglieder zu treffen (Artikel 1). Sie stellte weiter fest, daß
die SCK vom 1. Januar 1991 bis zum 4. November 1993 (mit Ausnahme der Zeit
vom 17. Februar bis zum 9. Juli 1992) gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag
verstoßen habe, indem sie es den ihr angeschlossenen Unternehmen untersagt
habe, Kräne von der SCK nicht angeschlossenen Unternehmen zuzumieten
(Artikel 3). Im übrigen ordnete sie an, daß die Klägerinnen diese
Zuwiderhandlungen unverzüglich abzustellen hätten (Artikel 2 und 4), und
verhängte eine Geldbuße von 11 500 000 ECU gegen die FNK und eine Geldbuße
von 300 000 ECU gegen die SCK (Artikel 5).
- 24.
- Mit Schreiben vom 11. Januar 1996 beantragten die Klägerinnen im Hinblick auf
die Erhebung einer Klage gegen diese Entscheidung Einsicht in die Akten, was die
Kommission mit Schreiben vom 15. Januar 1996 ablehnte.
- 25.
- Mit Klageschrift, die am 6. Februar 1996 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen
ist, haben sie Klage erhoben auf Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung
(Rechtssache T-18/96). Sie haben auch mit gesondertem Schriftsatz einen Antrag
auf einstweilige Anordnungen eingereicht (Rechtssache T-18/96 R).
- 26.
- Für die Zeit bis zur Verkündung des Urteils des Gerichts in der Rechtssache
T-18/96 gelangten die Klägerinnen am 25. März 1996 zu einer Einigung mit der
Kommission in bezug auf die Anpassung der Bestimmung über das Zumietverbot.
Nach der angepaßten Fassung des Artikels 7 zweiter Gedankenstrich der Regelung
über die Zertifizierung von Kranvermietungsunternehmen dürfen die von der SCK
zertifizierten Unternehmen nur Kräne benutzen, „die aufgrund einer vorherigen
Zertifizierung entweder durch die Anstalt oder durch eine andere niederländische
oder ausländische Zertifizierungsstelle, die für die Zertifizierung von
Kranvermietungsunternehmen qualifiziert ist und die offensichtlich gleichwertige
Kriterien anwendet, mit einer Zertifizierungsplakette versehen sind, sofern nicht
durch schriftliche Urkunden (einschließlich Fernkopien) nachgewiesen werden
kann, daß der Auftraggeber bei Erteilung des Auftrags keinen Wert darauf gelegt
hat, daß das (dritte) Kranvermietungsunternehmen, auf das er im jeweiligen Fall
zurückgegriffen hat, zertifiziert ist“ (Schreiben der Kommission an die Klägerinnen
vom 25. März 1996).
- 27.
- Der Präsident des Gerichts hat den Antrag auf einstweilige Anordnung in der
Rechtssache T-18/96 R mit Beschluß vom 4. Juni 1996 zurückgewiesen. Die
Kostenentscheidung im Verfahren der einstweiligen Anordnung ist vorbehalten
geblieben. Das Rechtsmittel gegen den Beschluß des Gerichts ist mit Beschluß des
Präsidenten des Gerichtshofes vom 14. Oktober 1996 zurückgewiesen worden.
- 28.
- Die Klägerinnen haben mit Schreiben vom 9. Juli 1996 an den Präsidenten des
Gerichts in der Rechtssache T-18/96 beantragt, gemäß Artikel 65 Buchstabe b der
Verfahrensordnung, hilfsweise gemäß Artikel 64 § 3 Buchstabe d der
Verfahrensordnung, die Vorlage der Akten der Kommission in den Sachen SCK
und FNK mit den Nummern IV/34.179, 34.202 und 34.216 einschließlich der
internen Unterlagen der Kommission über den Austausch der Standpunkte der
Generaldirektion Industrie (GD III) und der GD IV in diesen Angelegenheiten
sowie etwaiger anderer Akten, die als Grundlage der streitigen Entscheidung
gedient haben, anzuordnen.
- 29.
- Der Präsident der Vierten erweiterten Kammer hat mit Beschluß vom 4. Oktober
1996 die Beschwerdeführerin Van Marwijk und sieben andere
Kranvermietungsunternehmen als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der
Kommission in der Rechtssache T-18/96 zugelassen.
- 30.
- Die beiden Rechtssachen sind mit Beschluß vom 12. März 1997 gemäß Artikel 50
der Verfahrensordnung für die Zwecke der mündlichen Verhandlung verbunden
worden.
- 31.
- Das Gericht (Vierte erweiterte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters
beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu
eröffnen. Es hat jedoch die Partien aufgefordert, vor der mündlichen Verhandlung
einige Unterlagen vorzulegen.
- 32.
- Die Parteien haben in der Sitzung vom 4. Juni 1997 mündlich verhandelt und
Fragen des Gerichts beantwortet.
- 33.
- Nach Anhörung der Parteien zu diesem Punkt in der mündlichen Verhandlung ist
das Gericht (Vierte erweiterte Kammer) der Auffassung, daß die beiden
Rechtssachen auch zu gemeinsamer Entscheidung zu verbinden sind.
Anträge der Parteien
- 34.
- In der Rechtssache T-213/95 beantragen die Klägerinnen,
festzustellen, daß die Gemeinschaft für den Schaden haftet, der ihnen durch
die rechtswidrigen Verhaltensweisen der Kommission entstanden ist und
noch entsteht;
die Gemeinschaft zu verurteilen, diesen Schaden zu ersetzen, und ihr
aufzugeben, dessen Umfang in Abstimmung mit den Klägerinnen
festzulegen; sofern zu diesem Punkt keine gütliche Einigung erfolge, möge
das Gericht selbst die Höhe des Schadens erforderlichenfalls nach der
Bestellung eines Sachverständigen, der mit dessen genauer Bezifferung
beauftragt wird, festlegen;
der Gemeinschaft die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
- 35.
- Die Kommission beantragt,
die Klage abzuweisen;
den Klägerinnen die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des
Verfahrens der einstweiligen Anordnung gesamtschuldnerisch aufzuerlegen.
- 36.
- In der Rechtssache T-18/96 beantragen die Klägerinnen,
festzustellen, daß die streitige Entscheidung nichtig ist, soweit die
Kommission entscheidet, daß Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag anwendbar
ist, und deshalb gegen die Klägerinnen eine Geldbuße verhängt, jedoch zum
Antrag der Klägerinnen auf Anwendung des Artikels 85 Absatz 3
EG-Vertrag nicht Stellung nimmt;
hilfsweise, die Entscheidung vollständig für nichtig zu erklären;
weiter hilfsweise, die Entscheidung wegen Verstoßes gegen Artikel 85
EG-Vertrag, Artikel 6 der Europäischen Konvention zum Schutze der
Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (im folgenden:
EMRK), allgemeine Rechtsgrundsätze und die Begründungspflicht (Artikel
190 EG-Vertrag) für nichtig zu erklären;
höchst hilfsweise, die streitige Entscheidung teilweise für nichtig zu erklären,
so daß gegen die Klägerinnen keine Geldbuße verhängt wird;
der Kommission die Kosten aufzuerlegen;
den Streithelfern die Kosten der Streithilfe aufzuerlegen.
- 37.
- Die Kommission beantragt,
die Klage abzuweisen;
den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.
- 38.
- Die Streithelfer beantragen,
den Anträgen der Kommission stattzugeben;
den Klägerinnen die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der
Streithelfer aufzuerlegen.
Die Klage auf Schadensersatz (Rechtssache T-213/95)
- 39.
- Nach ständiger Rechtsprechung ist Voraussetzung für die außervertragliche
Haftung der Gemeinschaft im Rahmen des Artikels 215 Absatz 2 EG-Vertrag, daß
ein Tatbestand erfüllt ist, dessen Merkmale die Rechtswidrigkeit des dem
Gemeinschaftsorgan zur Last gelegten Verhaltens, das Vorliegen eines Schadens
und das Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Verhalten des
Organs und dem geltend gemachten Schaden sind (z. B. Urteil des Gerichtshofes
vom 15. September 1994 in der Rechtssache C-146/91, KYDEP/Rat und
Kommission, Slg. 1994, I-4199, Randnr. 19, und Urteil des Gerichts vom 13.
Dezember 1995 in den Rechtssachen T-481/93 und T-484/93, Exporteurs in
Levende Varkens u. a./Kommission, Slg., 1995, II-2941, Randnr. 80).
1. Zum angeblich rechtswidrigen Verhalten der Kommission
- 40.
- Die Klägerinnen machen vier Klagegründe geltend, um ein rechtswidriges
Verhalten der Kommission in dem Verfahren darzutun, das diese auf die
Einreichung der Beschwerde vom 13. Januar 1992 und auf die Anmeldungen der
Klägerinnen vom 15. Januar und vom 6. Februar 1992 eingeleitet hatte. Diese
Klagegründe sind ein Verstoß gegen Artikel 6 EMRK, ein Verstoß gegen den
Grundsatz der Rechtssicherheit, ein Verstoß gegen den Grundsatz des
Vertrauensschutzes und eine Verletzung des Rechts auf Anhörung.
Erster Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 6 EMRK
Parteivorbringen
- 41.
- Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission sei verpflichtet, die
Bestimmungen der EMRK zu beachten. Das ergebe sich aus der Rechtsprechung
(Urteile des Gerichtshofes vom 17. Dezember 1970 in der Rechtssache 11/70,
Internationale Handelsgesellschaft, Slg. 1970, 1125, vom 21. September 1989 in den
Rechtssachen 46/87 und 227/88, Hoechst/Kommission, Slg. 1989, 2859, und vom 18.
Oktober 1989 in der Rechtssache 374/87, Orkem/Kommission, Slg. 1989, 3283), aus
Artikel F Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union und aus der
Gemeinsamen Erklärung der Versammlung, des Rates und der Kommission vom
5. April 1977 (ABl. C 103, S. 1).
- 42.
- Das Verwaltungsverfahren vor der Kommission im Hinblick auf die Anwendung des
Artikels 85 EG-Vertrag sei ein Verfahren, auf das Artikel 6 EMRK Anwendung
finde. Aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für
Menschenrechte und der Europäischen Menschenrechtskonvention ergebe sich
nämlich, daß diese Bestimmung auf Verwaltungsstreitverfahren Anwendung finde
(Stenuit/Frankreich, 1992, 14 EHRR 509, und Niemitz/Deutschland, 1993,
16 EHRR 97).
- 43.
- Die Kommission habe die Voraussetzung des „angemessenen Zeitraums“ des
Artikels 6 Absatz 1 EMRK nicht beachtet. Der Europäische Gerichtshof für
Menschenrechte habe entschieden, daß ein Zeitraum von 17 Monaten über das
Angemessene hinausgehe (Urteil vom 9. Dezember 1994, Schouten und
Meldrum/Niederlande, Serie A, Nr. 304). Das gesamte Verwaltungsverfahren vor
der Kommission habe mehr als 45 Monate gedauert. Daher stelle das Verhalten
der Kommission offensichtlich einen Verstoß gegen Artikel 6 Absatz 1 EMRK dar.
- 44.
- Die Kommission habe das Verfahren nach der Verordnung Nr. 17 dadurch
mißbraucht, daß sie die erste Mitteilung der Beschwerdepunkte nur im Hinblick aufden Erlaß einer auf Artikel 15 Absatz 6 dieser Verordnung gestützten Entscheidung
gemacht habe. Zudem sei nicht verständlich, weshalb die Kommission von der
ersten Mitteilung der Beschwerdepunkte an 22 Monate benötigt habe, um die
zweite Mitteilung der Beschwerdepunkte zu versenden, deren Grundargumentation
völlig die gleiche sei wie bei der ersten. Die zweite Mitteilung der
Beschwerdepunkte sei unnötig gewesen und habe einen Schritt der Kommission zur
Verlängerung des Verfahrens dargestellt.
- 45.
- Das Urteil des Gerechtshof Amsterdam vom 28. Oktober 1993 habe sich als
einstweilige Verfügung dargestellt, die ihre Wirkungen bis zum Erlaß der
Entscheidung der Kommission habe entfalten sollen. Unter diesen Umständen
hätte die Kommission schnell zu einer abschließenden Entscheidung gelangen
müssen. Der Geist, in dem die Kommission das Verfahren durchgeführt habe, sei
von der Überzeugung geprägt gewesen, sie brauche nur das nationale Gericht
durch eine Entscheidung gemäß Artikel 15 Absatz 6 der Verordnung Nr. 17 zu
beeinflussen. Sie habe diese Angelegenheit niemals im geringsten mit Vorrang
behandelt.
- 46.
- Die Klägerinnen hätten in keiner Weise zur Dauer des Verfahrens bei der
Kommission beigetragen. Sie hätten konstruktive Vorschläge formuliert, um zu
einer schnellen Lösung zu gelangen, die jedoch von der Kommission abgelehnt
worden seien. Sie hätten nach dem Empfang der zweiten Mitteilung der
Beschwerdepunkte auf eine Anhörung verzichtet, um den Erlaß der endgültigen
Entscheidung zu beschleunigen. Die Kommission dürfe ihnen nicht zum Vorwurf
machen, daß sie ihre Anliegen bei der GD III, der für die Zertifizierungspolitik
zuständigen Stelle der Kommission, vorgetragen hätten. Das Eingreifen der GD III
wäre selbst dann notwendig gewesen, wenn die Klägerinnen dies nicht beantragt
hätten. Auch das Eingreifen der Ständigen Vertretung der Niederlande bei der
Europäischen Union und des Zertifizierungsrates in einem Zeitraum von zwei
Wochen (vom 13. bis zum 27. Oktober 1993) könne ihnen nicht zum Vorwurf
gemacht werden.
- 47.
- Schließlich könne die Komplexität des Verfahrens die Überschreitung eines
angemessenen Zeitraums nicht rechtfertigen (Urteil Schouten und
Meldrum/Niederlande, a. a. O.). Die Verzögerungen, die das Fehlen der finnischen
und der schwedischen Übersetzung des Entscheidungsentwurfs verursacht habe,
könnten als strukturelle Verzögerungen eine Überschreitung des angemessenen
Zeitraums nicht rechtfertigen (Urteil des Europäischen Gerichtshofes für
Menschenrechte vom 6. Mai 1981, Buchholz, Serie A, Nr. 42).
- 48.
- Die Kommission erwidert, für die Beurteilung, ob ein Zeitraum angemessen sei,
seien alle Umstände des jeweiligen Falles zu berücksichtigen. Nicht nur das
Verhalten der Kommission sei erheblich, sondern auch dasjenige der Klägerinnen
sowie die Komplexität der Angelegenheit und alle anderen besonderen Umstände.
Die Kommission räumt ein, die Angelegenheit in der Zeit von Januar bis Juli 1992
nicht vorrangig behandelt zu haben, da sie gleichzeitig beim niederländischen
Gericht anhängig gewesen sei und da die Zuwiderhandlungen seit der Verkündung
des Beschlusses der Arrondissementsrechtbank Utrecht vom 11. Februar 1992
abgestellt worden seien (vgl. hierzu Urteil des Gerichts vom 18. September 1992
in der Rechtssache T-24/90, Automec/Kommission, Slg. 1992, II-2223, Randnrn. 77
und 85). Sie habe die Prüfung der Angelegenheit nach der Verkündung des Urteils
des Gerechtshof Amsterdam vom 9. Juli 1992 beschleunigt, das der SCK die
Wiedereinführung des Zumietverbots erlaubt habe (siehe Randnr. 8).
- 49.
- Die vorläufige Untersuchung der Angelegenheit habe zu dem Ergebnis geführt, daß
die Voraussetzungen für die Anwendung von Artikel 15 Absatz 6 der Verordnung
Nr. 17 vorgelegen hätten. Binnen fünf Monaten nach Verkündung des Urteils des
Gerechtshof Amsterdam habe die Kommission den Klägerinnen eine Mitteilung der
Beschwerdepunkte nach diesem Artikel übermittelt (Mitteilung der
Beschwerdepunkte vom 16. Dezember 1992, siehe Randnr. 9).
- 50.
- Zu dem Zeitpunkt, zu dem der Entscheidungsentwurf gemäß Artikel 15 Absatz 6
der Verordnung Nr. 17 fertig gewesen sei, habe die GD III die GD IV gebeten,
diesen Entwurf vor der Vorlage an die Kommission als Kollegialorgan zu
besprechen. Das Eingreifen der GD III in das Verfahren, das der Hauptgrund für
die Verzögerung bei der Behandlung des Vorgangs in den folgenden Monaten
gewesen sei, sei jedoch die unmittelbare Folge der von den Klägerinnen
unternommenen Schritte gewesen. Die Entscheidung nach Artikel 15 Absatz 6 der
Verordnung Nr. 17 sei schließlich am 13. April 1994 erlassen worden.
- 51.
- Ferner habe die Kommission am 21. Oktober 1994 den Klägerinnen die Mitteilung
der Beschwerdepunkte im Hinblick auf den Erlaß einer endgültigen Entscheidung
übersandt. Diese Mitteilung, die auf die Artikel 3 und 15 Absatz 2 der Verordnung
Nr. 17 gestützt worden sei, habe einen anderen Gegenstand und andere rechtliche
Folgen als eine auf Artikel 15 Absatz 6 gestützte Entscheidung gehabt. Einen
Monat nach dem Empfang der Antwort der Klägerinnen auf die zweite Mitteilung
der Beschwerdepunkte habe die GD IV bereits einen Entscheidungsentwurf
abgefaßt. Es habe jedoch nach dem Beitritt Finnlands und Schwedens zur
Europäischen Union am 1. Januar 1995 erhebliche Verzögerungen bei der
Übersetzung in das Finnische und das Schwedische gegeben. Schließlich habe die
Kommission die streitige Entscheidung am 29. November 1995 erlassen.
- 52.
- Der Kommission könne daher nicht vorgeworfen werden, sie habe den Grundsatz
der Einhaltung eines angemessenen Zeitraums im Verwaltungsverfahren verletzt.
Würdigung durch das Gericht
- 53.
- Nach ständiger Rechtsprechung gehören die Grundrechte zu den allgemeinen
Rechtsgrundsätzen, deren Wahrung der Gemeinschaftsrichter zu sichern hat (vgl.
Gutachten 2/94 des Gerichtshofes vom 28. März 1996, Slg. 1996, I-1759,
Randnr. 33, Urteil des Gerichtshofes vom 29. Mai 1997 in der Rechtssache
C-299/95, Kremzow, Slg. 1997, I-2629, Randnr. 14). Dabei lassen sich der
Gerichtshof und das Gericht von den gemeinsamen Verfassungstraditionen der
Mitgliedstaaten sowie von den Hinweisen leiten, die die völkerrechtlichen Verträge
über den Schutz der Menschenrechte geben, an deren Abschluß die Mitgliedstaaten
beteiligt waren oder denen sie beigetreten sind. Der EMRK kommt in diesem
Zusammenhang besondere Bedeutung zu (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 15.
Mai 1986 in der Rechtssache 222/84, Johnston, Slg. 1986, 1651, Randnr. 18, und
Kremzow, a. a. O., Randnr. 14). Ferner achtet gemäß Artikel F Absatz 2 des
Vertrages über die Europäische Union die Union „die Grundrechte, wie sie in der
[EMRK] gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen
Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten [ergeben,] als allgemeine
Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ...“.
- 54.
- Die Klägerinnen rügen, daß die streitige Entscheidung, die das Datum des 29.
November 1995 trage, nach der Einreichung der Beschwerde durch die Streithelfer
am 13. Januar 1992 und der Anmeldungen der SCK vom 15. Januar 1992 sowie der
FNK vom 6. Februar 1992 (siehe Randnrn. 6 und 7) nicht innerhalb eines
„angemessenen Zeitraums“ im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 der EMRK erlassen
worden sei, wonach „[j]edermann ... Anspruch darauf [hat], daß seine Sache in
billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist gehört wird, und
zwar von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden
Gericht“.
- 55.
- Beantragt eine Partei bei der Kommission ein Negativattest gemäß Artikel 2 der
Verordnung Nr. 17 oder nimmt sie eine Anmeldung gemäß Artikel 4 Absatz 1 der
Verordnung Nr. 17 vor, um eine Freistellung zu erhalten, kann die Kommission
ihre Entscheidung nicht unbegrenzt hinausschieben. Um die Rechtssicherheit und
einen angemessenen Rechtsschutz zu garantieren, muß sie nämlich innerhalb eines
angemessenen Zeitraums eine Entscheidung erlassen oder ein
Verwaltungsschreiben abfassen, falls ein solches Schreiben beantragt worden ist.
Desgleichen ist die Kommission verpflichtet, innerhalb eines angemessenen
Zeitraums endgültig zur Beschwerde Stellung zu nehmen, wenn bei ihr ein Antrag
gemäß Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 gestellt wird, in dem
Zuwiderhandlungen gegen Artikel 85 und/oder Artikel 86 EG-Vertrag gerügt
werden (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 18. März 1997 in der Rechtssache
C-282/95 P, Guérin automobiles/Kommission, Slg. 1997, I-1503, Randnr. 38).
- 56.
- Daß die Kommission Entscheidungen, mit denen Verwaltungsverfahren auf dem
Gebiet der Wettbewerbspolitik abgeschlossen werden, innerhalb eines
angemessenen Zeitraums zu erlassen habe, stellt einen allgemeinen Grundsatz des
Gemeinschaftsrechts dar (vgl. in bezug auf die Zurückweisung einer Beschwerde
Urteil Guérin automobiles/Kommission, a. a. O., Randnr. 38, im Zusammenhang
mit staatlichen Beihilfen Urteile des Gerichtshofes vom 11. Dezember 1973 in der
Rechtssache 120/73, Lorenz, Slg. 1973, 1471, Randnr. 4, und vom 24. November
1987 in der Rechtssache 223/85, RSV/Kommission, Slg. 1987, 4617, Randnrn.
12 bis 17). Daher ist, ohne daß über die Anwendbarkeit des Artikels 6 Absatz 1
EMRK auf Verwaltungsverfahren vor der Kommission auf dem Gebiet der
Wettbewerbspolitik zu entscheiden wäre, zu prüfen, ob die Kommission im
vorliegenden Fall gegen diesen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts
verstoßen hat.
- 57.
- Die Gesamtdauer des Verwaltungsverfahrens betrug im vorliegenden Fall ungefähr
46 Monate. Wie jedoch die Kommission zu Recht ausgeführt hat, beurteilt sich die
Angemessenheit der Dauer des Verwaltungsverfahrens anhand der besonderen
Umstände des jeweiligen Einzelfalls und insbesondere von dessen Kontext, der
verschiedenen Verfahrensabschnitte, die die Kommission abgeschlossen hat, des
Verhaltens der Beteiligten im Laufe des Verfahrens, der Komplexität der
Angelegenheit sowie ihrer Bedeutung für die verschiedenen Beteiligten (vgl.
entsprechend die Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom
23. April 1987, Erkner, Serie A, Nr. 117, S. 62, Abschnitt 66, vom 25. Juni 1987,
Milasi, Serie A, Nr. 119, S. 46, Abschnitt 15, sowie Schouten und
Meldrum/Niederlande, a. a. O., S. 25, Abschnitt 63).
- 58.
- Was zunächst den Kontext der Rechtssache angeht, so enthielt die
Geschäftsordnung der FNK bereits seit dem 15. Dezember 1979 eine Bestimmung,
die die Mitglieder der Vereinigung verpflichtete, vorrangig bei der Vermietung von
Kränen auf andere Mitglieder zurückzugreifen und annehmbare Tarife zu
praktizieren (Geschäftsordnung, Artikel 3 Buchstaben a und b). Die in der
streitigen Entscheidung angesprochene Bestimmung der Zertifizierungsregelung der
SCK (Zertifizierungsregelung Artikel 7 zweiter Gedankenstrich) trat am 1. Januar
1991 in Kraft. Die Klägerinnen haben es offensichtlich nicht als notwendig erachtet,
vor der Einreichung der Beschwerde der Beschwerdeführer bei der Kommission am
13. Januar 1992 die Stellungnahme der Kommission zu ihren Satzungen und
Regelungen einzuholen. Denn die Satzung der SCK und ihre Regelung der
Zertifizierung von Kranvermietungsunternehmen wurden bei der Kommission erst
am 15. Januar 1992, die Satzung und die Geschäftsordnung der FNK erst am 6.
Februar 1992 angemeldet.
- 59.
- Sodann umfaßte der Zeitraum von 46 Monaten, der zwischen der Einreichung der
Beschwerde und der Anmeldungen einerseits und dem Erlaß der streitigen
Entscheidung andererseits verstrichen ist, verschiedene Verfahrensabschnitte. Die
Kommission gab nach Prüfung der Beschwerde und der Anmeldungen am 16.
Dezember 1992 eine Mitteilung der Beschwerdepunkte im Hinblick auf den Erlaß
einer Entscheidung gemäß Artikel 15 Absatz 6 der Verordnung Nr. 17 ab und
erließ tatsächlich am 13. April 1994 eine solche Entscheidung. Sodann übersandte
sie am 21. Oktober 1994 eine neue Mitteilung der Beschwerdepunkte im Hinblick
auf den Erlaß der streitigen Entscheidung, die am 29. November 1995 erging.
- 60.
- Es ist zu prüfen, ob die jeweilige Dauer dieser Verfahrensabschnitte angemessen
war.
- 61.
- Die erste vorläufige Stellungnahme der Kommission zu den Anmeldungen der
Klägerinnen war die Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 16. Dezember 1992.
Die Dauer dieses ersten Verfahrensabschnitts, ungefähr elf Monate, war
angemessen und kann in Anbetracht sämtlicher Einzelheiten des Vorgangs sogar
als verhältnismäßig kurz angesehen werden. In dieser Zeit prüfte die Kommission
parallel die Anmeldungen der Klägerinnen und die Beschwerde der
Beschwerdeführer, in der gerade die von den Klägerinnen angemeldeten Praktiken
beanstandet wurden. Im übrigen durfte sie mit Recht davon ausgehen, daß der von
den Klägerinnen unterbreitete Vorgang nicht vorrangig zu behandeln war. Denn
die Klägerinnen machten in ihren Anmeldungen nicht geltend, daß eine dringliche
Behandlung ihres Vorgangs erforderlich sei, obwohl in Punkt 7.4 des Anhangs des
Formblatts A/B (im Anhang der Verordnung Nr. 27 der Kommission vom 3. Mai
1962 Erste Ausführungsverordnung zur Verordnung Nr. 17 des Rates [ABl. 1962,
Nr. 35, S. 1118], später ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 3385/94 der
Kommission vom 21. Dezember 1994 über die Form, den Inhalt und die anderen
Einzelheiten der Anträge und Anmeldungen nach der Verordnung Nr. 17 des Rates
[ABl. L 377, S. 28]) die anmeldenden Beteiligten aufgefordert werden, anzugeben,
wie dringlich die Angelegenheit ist. Ferner wurden die angemeldeten Praktiken, die
nach Auffassung der Kommission nicht gemäß Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag
freigestellt werden konnten, für ungefähr fünf Monate, vom 11. Februar 1992 bis
zum 9. Juli 1992 (siehe Randnr. 8) aufgrund des Vorgehens der Beschwerdeführer
vor den niederländischen Gerichten eingestellt.
- 62.
- Der Zeitraum von ungefähr sechzehn Monaten, der von der Mitteilung der
Beschwerdepunkte vom 16. Dezember 1992 bis zum Erlaß der Entscheidung gemäßArtikel 15 Absatz 6 der Verordnung Nr. 17 am 13. April 1994 verstrich, war
ebenfalls angemessen. Die Klägerinnen haben in der mündlichen Verhandlung vor
dem Gericht eingeräumt, daß die SCK in ihrem Schreiben an die Kommission vom
21. Oktober 1993 (an Herrn Dubois von der GD IV) erstmals auf einer schnellen
und dringlichen Behandlung des Vorgangs bestanden. Die FNK hatte vor dem
Erlaß der Entscheidung vom 13. April 1994 keine entsprechenden Schritte
unternommen. Im Aufforderungsschreiben der Klägerinnen an die Kommission
vom 3. Juni 1994 gab die FNK erstmals ihr Interesse an einer schnellen
Behandlung des Vorgangs kund. Im übrigen ist unstreitig, daß die Klägerinnen im
selben Zeitpunkt, als die SCK erstmals bei der GD IV auf eine schnellen
Abwicklung des Verfahrens drang, das Eingreifen der GD III bei der GD IV
beantragt haben, um eine wohlwollende Behandlung ihres Freistellungsantrags zu
erreichen (siehe insbesondere Schreiben der Klägerinnen vom 5. Oktober 1993 an
den Leiter der Verwaltungseinheit III.B.3 McMillan). Solche Schritte sind zwar
völlig legitim; gleichwohl hätten sich die Klägerinnen darüber im klaren sein
müssen, daß das beantragte Eingreifen der GD III den Ablauf des Verfahrens
verlangsamen würde, da im übrigen die GD III weder in einem
Freistellungsverfahren gemäß Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag noch in einem
Verfahren zur Feststellung einer Zuwiderhandlung gemäß Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag gehört zu werden braucht.
- 63.
- Der folgende Abschnitt des Verfahrens bestand in der Übersendung der Mitteilung
der Beschwerdepunkte im Hinblick auf den Erlaß der streitigen Entscheidung an
die Klägerinnen. Diese Übersendung erfolgte am 21. Oktober 1994, sechs Monate
nach dem Erlaß der Entscheidung gemäß Artikel 15 Absatz 6 der Verordnung
Nr. 17.
- 64.
- Dieser Zeitraum von sechs Monaten ist nicht unangemessen.
- 65.
- Die Klägerinnen machen jedoch geltend, daß die zweite Mitteilung der
Beschwerdepunkte überflüssig und eine Maßnahme der Kommission zur
Verlängerung des Verfahrens gewesen sei. Dieses Vorbringen ist zurückzuweisen.
Zum einen dienten die beiden Mitteilungen der Beschwerdepunkte
unterschiedlichen Zwecken. Die erste betraf den Widerruf der Befreiung von
Geldbußen gemäß Artikel 15 Absatz 5 der Verordnung Nr. 17 im Wege einer
Entscheidung gemäß Artikel 15 Absatz 6, die zweite eine Entscheidung über die
Feststellung von Zuwiderhandlungen und die Verhängung von Geldbußen nach den
Artikeln 3 Absatz 1 und 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17. Zudem wurden in der
zweiten Mitteilung Beschwerdepunkte aufgeführt, die sämtliche in der streitigen
Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlungen betrafen, nämlich das
Zumietverbot, die Richtpreise und die Verrechnungstarife, während die erste nur
die Untersuchung des Zumietverbots unter dem Gesichtspunkt des Artikels 85 EG-Vertrag erfaßte. Nach Artikel 19 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 in Verbindung
mit den Artikeln 2 und 4 der Verordnung Nr. 99/63/EWG der Kommission vom 25.
Juli 1963 über die Anhörung nach Artikel 19 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr.
17 (ABl. 1963, Nr. 127, S. 2268), die dem Schutz der Verfahrensrechte dienen,
müssen die von einem Verfahren zur Feststellung von Zuwiderhandlungen
betroffenen Unternehmen sich im Verwaltungsverfahren zu allen in der
Entscheidung berücksichtigten Beschwerdepunkten äußern können (Urteil des
Gerichtshofes vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 85/76, Hoffmann-La
Roche/Kommission, Slg. 1979, 461, Randnr. 9, Urteile des Gerichts vom 18.
Dezember 1992 in den Rechtssachen T-10/92, T-11/92, T-12/92 und T-15/92,
Cimenteries CBR u. a./Kommission, Slg. 1992, II-2667, Randnr. 19, und vom 23.
Februar 1994 in den Rechtssachen T-39/92 und T-40/92, CB und
Europay/Kommission, Slg. 1994, II-49, Randnr. 47). Die Kommission war daher
nicht nur deshalb verpflichtet, den Klägerinnen eine zweite Mitteilung der
Beschwerdepunkte zu übersenden, weil die beiden Mitteilungen der
Beschwerdepunkte unterschiedlichen Zwecken dienten, sondern auch deshalb, weil
die streitige Entscheidung einen Beschwerdepunkt berücksichtigte, der in der ersten
Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht aufgeführt war. Mit anderen Worten, ohne
eine zweite Mitteilung der Beschwerdepunkte hätte die streitige Entscheidung die
Verfahrensrechte der Klägerinnen offensichtlich verletzt.
- 66.
- Schließlich erließ die Kommission ihre endgültige Entscheidung am 29. November
1995, d. h. elf Monate nach dem Eingang der Antwort der Klägerinnen auf die
zweite Mitteilung der Beschwerdepunkte am 21. Dezember 1994. Unabhängig von
den Übersetzungsproblemen, die die Parteien in ihren Schriftsätzen erörtert haben,
stellt der Umstand, daß die Kommission nach dem Eingang der Antwort auf die
Mitteilung der Beschwerdepunkte elf Monate benötigte, um eine endgültige
Entscheidung in allen Amtssprachen der Gemeinschaft vorzubereiten, keine
Verletzung des Grundsatzes dar, daß ein Verwaltungsverfahren auf dem Gebiet der
Wettbewerbspolitik innerhalb eines angemessenen Zeitraums abzuschließen ist.
- 67.
- Das Argument der Klägerinnen, daß die Kommission den Vorgang niemals im
mindesten vorrangig behandelt habe und der Ansicht gewesen sei, sie brauche
lediglich das nationale Gericht durch eine Entscheidung gemäß Artikel 15 Absatz
6 der Verordnung Nr. 17 zu beeinflussen, geht fehl. Die Kommission kann den bei
ihr anhängigen Vorgängen unterschiedliche Prioritäten zuweisen (Urteil
Automec/Kommission, a. a. O., Randnr. 77). Im übrigen kann sie, wenn sie der
Ansicht ist, daß die bei ihr angemeldeten Praktiken nicht für eine Freistellung
gemäß Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag in Betracht kommen, bei der Beurteilung
des Grades der Priorität, der der Anmeldung beizumessen ist, berücksichtigen, daß
ein nationales Gericht die betreffenden Zuwiderhandlungen bereits abgestellt hat.
- 68.
- In der mündlichen Verhandlung haben die Klägerinnen Ausführungen zu den
bleibenden nachteiligen Auswirkungen einer Entscheidung gemäß Artikel 15 Absatz
6 der Verordnung Nr. 17 gemacht. Der Gerichtshof hat jedoch in seinem Urteil
vom 15. März 1967 in den Rechtssachen 8/66, 9/66, 10/66 und 11/66 (Cimenteries
CBR u. a./Kommission, Slg. 1967, 100, 124) die Zulässigkeit einer Klage auf
Nichtigerklärung einer solchen Entscheidung insbesondere auf die Erwägung
gestützt, daß, wenn „die vorläufige Maßnahme keiner richterlichen Kontrolle
unterliegen [würde]“, dies „praktisch dazu führen [würde], daß die Kommission
wegen der Wirkung der einfachen Bußgelddrohung von der Notwendigkeit befreit
wäre, eine endgültige Entscheidung zu treffen“. Im vorliegenden Fall haben es die
Klägerinnen unterlassen, gegen die gemäß Artikel 15 Absatz 6 der Verordnung Nr.
17 ergangene Entscheidung vom 13. April 1994 Nichtigkeitsklage zu erheben. Sie
können daher keine etwaigen bleibenden nachteiligen Auswirkungen dieser
Entscheidung rügen.
- 69.
- Nach allem hat die Kommission den Grundsatz beachtet, daß das
Verwaltungsverfahren, das dem Erlaß der streitigen Entscheidung vorausging,
innerhalb eines angemessenen Zeitraums abzuschließen war.
- 70.
- Somit ist der erste Klagegrund zurückzuweisen.
Zweiter Klagegrund: Verletzung des Grundsatzes der Rechtssicherheit
Parteivorbringen
- 71.
- Die Klägerinnen machen geltend, sie hätten sich in bezug auf die Frage der
Gewährung der beantragten Freistellung 45 Monate lang im Ungewissen befunden.
Der Grundsatz der Rechtssicherheit gelte in besonderem Maße, wenn es sich um
eine Regelung handele, die finanzielle Konsequenzen haben könne (Urteil des
Gerichtshofes vom 15. Dezember 1987 in der Rechtssache 325/85,
Irland/Kommission, Slg. 1987, 5041, Randnr. 18). Eine Entscheidung gemäß Artikel
15 Absatz 6 der Verordnung Nr. 17 könne niemals die Sicherheit bieten, die eine
endgültige Entscheidung verschaffe (Urteil des Gerichtshofes Cimenteries CBR
u. a./Kommission, a. a. O.). Zudem sei es seltsam, daß die Kommission erkläre, die
Klägerinnen hätten nach den Entscheidungen der niederländischen Gerichte
Gewißheit über ihre Lage gehabt, obwohl diese nur eine provisorische Regelung
bis zur endgültigen Entscheidung der Kommission hätten treffen wollen. Im übrigen
stütze sich das Urteil des Gerechtshof Amsterdam vom 28. Oktober 1993 besonders
auf das Schreiben Giuffrida vom September 1993 (siehe Randnr. 14), das die
falsche Behauptung enthalte, daß „die Zustimmung der beteiligten Stellen bereits
eingeholt worden [sei]“. Die GD III habe zu diesem Vorgang im Zeitpunkt dieser
Behauptung noch gar keine Stellungnahme abgegeben gehabt.
- 72.
- Die Kommission ist der Ansicht, daß sich die Klägerinnen nicht 45 Monate in
Rechtsunsicherheit befunden hätten. Sie bezieht sich auf den Beschluß der
Arrondissementsrechtbank Utrecht vom 6. Juli 1993. In ihrer Gegenerwiderung
führt sie noch aus, daß die Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 16. Dezember
1992 sowie ihr Schreiben vom 4. Juni 1993 (siehe Randnrn. 9 und 11) den
Klägerinnen ein eindeutiges Signal in bezug auf die mögliche Gewährung einer
Freistellung gegeben habe. Auch beziehe sich die Wendung „beteiligte Stellen“ im
Schreiben Guiffrida vom September 1993 nur auf die Stellen der GD IV und den
Juristischen Dienst der Kommission. Die GD III sei am Verfahren erst auf ihr
ausdrückliches Verlangen nach entsprechenden Schritten der Klägerinnen beteiligt
worden. Die Beteiligung der GD III habe zu einer Verzögerung des Erlasses der
auf Artikel 15 Absatz 6 der Verordnung Nr. 17 gestützten Entscheidung um einige
Monate geführt, was Herr Giuffrida am 22. September 1993 nicht habe
vorhersehen können.
Würdigung durch das Gericht
- 73.
- Der Klagegrund teilt sich in zwei Rügen auf.
- 74.
- Mit der ersten Rüge wird die Frage aufgeworfen, ob die Kommission nach dem
Grundsatz der Rechtssicherheit verpflichtet ist, eine Entscheidung innerhalb eines
angemessenen Zeitraums zu erlassen, wenn Vereinbarungen gemäß Artikel 2
und/oder Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 bei ihr angemeldet werden. So
formuliert, deckt sie sich mit dem ersten Klagegrund und ist aus den gleichen
Gründen zurückzuweisen.
- 75.
- Im Rahmen der zweiten Rüge machen die Klägerinnen geltend, daß das Schreiben
Giuffrida vom September 1993 (siehe Randnr. 14) die unrichtige Behauptung
enthalte, daß „die Zustimmung der beteiligten Stellen ... bereits erteilt [wurde]“.
Diese Rüge wird auch im Rahmen des dritten Klagegrundes Verletzung des
Grundsatzes des Vertrauensschutzes vorgebracht. Sie ist aus den im folgenden in
Randnummer 82 aufgeführten Gründen zurückzuweisen.
- 76.
- Somit ist der Klagegrund einer Verletzung des Grundsatzes der Rechtssicherheit
zurückzuweisen.
Dritter Klagegrund: Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes
Parteivorbringen
- 77.
- Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe Versprechungen
abgegeben, die sich als unrichtig erwiesen hätten. Sie beziehen sich vor allem auf
das Schreiben Giuffrida (siehe Randnr. 14), das im September 1993 den
bevorstehenden Erlaß der Entscheidung aufgrund von Artikel 15 Absatz 6 der
Verordnung Nr. 17 angekündigt habe. Sodann beziehen sie sich auf das Schreiben
Ehlermann vom 27. Juni 1994 (siehe Randnr. 18), wonach der Erlaß der
endgültigen Entscheidung vorrangig behandelt werde. Da sich der Gerechtshof
Amsterdam in seinem Urteil vom 28. Oktober 1993 auf das Versprechen der
Kommission gestützt habe, diese werde ihre Entscheidung kurzfristig erlassen,
hätten die Klägerinnen darauf vertrauen dürfen, daß die Kommission ihre
Versprechungen erfülle.
- 78.
- In ihrer Erwiderung führen sie noch zum Schreiben Giuffrida aus, daß die GD III
für die Zertifizierungspolitik zuständig sei und daß das vorliegende Verfahren nach
den Ausführungen der Kommission der erste Fall einer Anwendung des Artikels
85 auf ein Zertifizierungssystem sei. Somit habe im Zeitpunkt der Abfassung des
Schreibens zumindest eine „beteiligte Stelle“, die GD III, ihre Zustimmung nicht
erteilt gehabt. Angesichts des Einflusses, den das Schreiben auf das Urteil des
Gerechtshof Amsterdam ausgeübt habe, habe die Kommission durch ihre falschen
Behauptungen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verletzt.
- 79.
- Die Kommission erwidert, daß das Schreiben vom 22. September 1993 keinen
falschen Eindruck von der damaligen Lage vermittelt habe. Sie stützt sich hierfür
auf die unter Randnummer 72 dargestellte Argumentation. Ferner ist sie der
Ansicht, ihr Schreiben vom 27. Juni 1994 enthalte nichts Wahrheitswidriges.
Würdigung durch das Gericht
- 80.
- Der Begriff des berechtigten Vertrauens setzt voraus, daß beim Betroffenen durch
klare Zusicherungen der Gemeinschaftsverwaltung berechtigte Erwartungen
geweckt worden sind (Urteil des Gerichts vom 19. Mai 1994 in der Rechtssache
T-465/93, Consorzio gruppo di azione locale „Murgia Messapica“/Kommission, Slg.
1994, II-361, Randnr. 67, und Beschluß des Gerichts vom 11. März 1996 in der
Rechtssache T-195/95, Guérin automobiles/Kommission, Slg. 1996, II-171,
Randnr. 20).
- 81.
- Im vorliegenden Fall berufen sich die Klägerinnen auf zwei Schreiben der
Kommission, die Versprechungen enthalten hätten, die sich als unrichtig erwiesen
hätten.
- 82.
- Das Schreiben Giuffrida wurde entweder am 21. oder am 22. September 1993
verfaßt. Es stellte nämlich eine Antwort auf ein Schreiben der Beschwerdeführer
vom 21. September 1993 dar; die Klägerinnen behaupten, es am 22. September1993 übersandt bekommen zu haben. In dem Schreiben hieß es, daß ein Entwurf
einer Entscheidung gemäß Artikel 15 Absatz 6 der Verordnung Nr. 17 der
Kommission als Kollegialorgan im Laufe der folgenden Woche vorgelegt werden
solle und daß die Kommission die förmliche Mitteilung dieser Entscheidung an die
Klägerinnen in den ersten beiden Wochen des Oktobers 1993 beabsichtige. In
diesem Schreiben ließen sich möglicherweise klare Zusicherungen in bezug auf den
bevorstehenden Erlaß einer Entscheidung der Kommission sehen. Die Klägerinnen
bestreiten jedoch nicht, daß sie unmittelbar nach Kenntnisnahme von diesem
Schreiben bei der GD III Schritte unternommen haben, damit diese bei der GD IV
interveniere (siehe insbesondere Schreiben der Klägerinnen vom 5. Oktober 1993
an den Leiter der Verwaltungseinheit III.B.3 McMillan, das auf eine Unterredung
zwischen diesem und dem Prozeßbevollmächtigten am 28. September 1993 Bezug
nimmt). Unter diesen Umständen durften die Klägerinnen nicht darauf vertrauen,
daß die Kommission etwaige in ihrem am 22. September 1993 übermittelten
Schreiben gegebene Zusicherungen einhalten würde.
- 83.
- Das Schreiben Ehlermann vom 27. Juni 1994 bestätigte, daß der Erlaß einer
endgültigen Entscheidung in dieser Angelegenheit für die GD IV vorrangig
behandelt werde. Unter Berücksichtigung des allgemeinen Charakters dieser
Erklärung kann nicht von klaren Zusicherungen der Kommission gesprochen
werden, die bei den Klägerinnen berechtigte Erwartungen in bezug auf den
Zeitpunkt des Erlasses einer endgültigen Entscheidung in dieser Angelegenheit
hätten wecken können. Zudem haben sich die Behauptungen von Herrn Ehlermann
als richtig erwiesen, denn die Kommission gab am 21. Oktober 1994 eine Mitteilung
der Beschwerdepunkte im Hinblick auf den Erlaß einer endgültigen Entscheidung
heraus.
- 84.
- Nach allem ist der dritte Klagegrund ebenfalls zurückzuweisen.
Vierter Klagegrund: Verletzung des Rechts auf Anhörung
Parteivorbringen
- 85.
- Die Klägerinnen machen geltend, sie hätten mehrfach beantragt, im Verfahren, das
zum Erlaß der Entscheidung gemäß Artikel 15 Absatz 6 der Verordnung Nr. 17
geführt habe, gehört zu werden. Der Umstand, daß die Kommission diesen
Anträgen nicht stattgegeben habe, stelle eine Verletzung ihrer Verfahrensrechte
dar. Diese Rechte hätten es erfordert, daß sie in einem mit allen förmlichen
Garantien ausgestatteten mündlichen Verfahren zum einen zu neuen
Gesichtspunkten, die sich im Laufe des Verwaltungsverfahrens hätten ergeben
können, und zum anderen zur Verweigerung eines jeden Kompromisses durch die
Kommission hätten Stellung nehmen können. Ihr Interesse an einer solchen
Anhörung hätte eine mögliche Verzögerung im Verfahren zumindest in der Zeit
vor dem Erlaß der Entscheidung gemäß Artikel 15 Absatz 6 der Verordnung Nr. 17
gerechtfertigt.
- 86.
- Die Kommission erwidert, sie habe es den Klägerinnen ermöglicht, zu den von ihr
erstellten Beschwerdepunkten Stellung zu nehmen. Daher komme eine Verletzung
der Verfahrensrechte nicht in Betracht. Da keine rechtliche Bestimmung
vorschreibe, daß die betroffenen Unternehmen oder Vereinigungen mündlich zu
hören seien, bevor die Kommission eine Entscheidung gemäß Artikel 15 Absatz 6
der Verordnung Nr. 17 erlasse, und da kein besonderer Umstand vorliege,
dessentwegen im vorliegenden Fall eine Anhörung die einzige Möglichkeit gewesen
wäre, die Verfahrensrechte wirksam zu gewährleisten, sei die Kommission nicht
verpflichtet gewesen, die Klägerinnen mündlich zu hören, nachdem sie ihre
schriftliche Stellungnahme eingeholt habe.
Würdigung durch das Gericht
- 87.
- Nach dem Vorbringen der Klägerinnen beruht der ihnen entstandene Schaden
darauf, daß die Kommission im Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht endgültig
zu den Anmeldungen der Klägerinnen Stellung genommen habe und auf diese
Weise vier Jahre lang Zweifel in bezug auf die Rechtmäßigkeit der angemeldeten
Satzungen und Regelungen habe bestehen lassen. Das Verhalten der Kommission
habe dazu geführt, daß der Zertifizierungsrat der SCK den Widerruf ihrer
Zulassung angedroht habe, daß die Kranvermieter die allgemeinen Bedingungen
der FNK weniger aufmerksam beachtet hätten und daß der gute Ruf der
Klägerinnen beeinträchtigt worden sei.
- 88.
- Das mit diesem Klagegrund gerügte Verhalten der Kommission, nämlich das
Unterlassen einer Anhörung vor dem Erlaß einer Entscheidung gemäß Artikel 15
Absatz 6 der Verordnung Nr. 17, konnte den in der Klageschrift behaupteten
Schaden weder verursachen noch vergrößern.
- 89.
- Der vorliegende Klagegrund steht daher in keinem Zusammenhang mit diesem
Schaden.
- 90.
- Weiter betrifft er lediglich die Rechtmäßigkeit der gemäß Artikel 15 Absatz 6 der
Verordnung Nr. 17 ergangenen Entscheidung vom 13. April 1994. Mit der
vorliegenden Klage wird jedoch der Ersatz eines Schadens begehrt, der im
Zusammenhang mit dem unterbliebenen Erlaß einer endgültigen Entscheidung
innerhalb eines angemessenen Zeitraums steht, nicht aber mit der Rechtswidrigkeit
der Entscheidung vom 13. April 1994, die die Klägerinnen zudem nicht fristgerecht
angefochten haben.
- 91.
- Somit ist der vierte Klagegrund zurückzuweisen.
- 92.
- Nach allem hat die Untersuchung der Klagegründe kein rechtswidriges Verhalten
der Kommission aufgezeigt, das die Haftung der Gemeinschaft auslösen könnte.
- 93.
- Gleichwohl möchte das Gericht noch die Frage eines Kausalzusammenhangs
zwischen dem angeblich rechtswidrigen Verhalten und dem von den Klägerinnen
geltend gemachten Schaden erörtern.
2. Zum Kausalzusammenhang
Parteivorbringen
- 94.
- Die Klägerinnen sind der Ansicht, ihr Schaden sei der Kommission zuzurechnen.
Der SCK drohe der Verlust ihrer Zulassung, da der Zertifizierungsrat der Ansicht
sei, daß das Zumietverbot die einzige Möglichkeit zur Erfüllung der
Zulassungskriterien sei, während dieses Zumietverbot gerade bis zur streitigen
Entscheidung ausgesetzt gewesen sei. Das Ansehen der FNK und ihre allgemeinen
Bedingungen würden insbesondere durch das Verhalten der Kommission
beeinträchtigt. In ihrer Erwiderung machen die Klägerinnen noch geltend, daß der
Gerechtshof Amsterdam aufgrund einer unrichtigen Erklärung der Kommission ein
vorläufiges Urteil erlassen habe, mit dem das Zumietverbot bis zu einer endgültigen
Entscheidung der Kommission ausgesetzt worden sei (siehe Randnr. 14). Die
Untätigkeit der Kommission während eines unzumutbar langen Zeitraums habe
dem Urteil des Gerechtshof Amsterdam vom 28. Oktober 1993 eine zeitliche
Bedeutung beigelegt, die bei weitem diejenige übersteige, den das nationale Gericht
ihm habe beilegen wollen.
- 95.
- Die Kommission erwidert, es gebe keinen unmittelbaren und notwendigen
Kausalzusammenhang zwischen dem Vorgehen der Kommission und der
andauernden Aussetzung des Zumietverbots. Nicht sie, sondern das niederländische
Gericht habe das Zumietverbot im Wege der einstweiligen Verfügung ausgesetzt.
Wenn die SCK der Ansicht sei, daß die einstweiligen Verfügungen nach einiger
Zeit nicht mehr gerechtfertigt gewesen seien, da die endgültige Entscheidung der
Kommission länger auf sich habe warten lassen, als vorgesehen gewesen sei, hätte
sie sich an das nationale Gericht wenden können, um die Aufhebung oder
Abänderung der einstweiligen Verfügungen zu erreichen.
Würdigung durch das Gericht
- 96.
- Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag entfaltet in den Beziehungen zwischen
Einzelpersonen unmittelbare Wirkungen und läßt unmittelbar in deren Person
Rechte entstehen, die die Gerichte der Mitgliedstaaten zu wahren haben (so z. B.
Urteil des Gerichtshofes vom 28. Februar 1991 in der Rechtssache C-234/89,
Delimitis, Slg. 1991, I-935, Randnr. 45).
- 97.
- In Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag untersagte der Gerechtshof
Amsterdam der SCK in seinem Urteil vom 28. Oktober 1993, das „Zumietverbot“
(Artikel 7 zweiter Gedankenstrich der Zertifizierungsregelung der SCK für
Kranvermietungsunternehmen) anzuwenden. Zwar wurde der Gerechtshof
Amsterdam durch den Standpunkt der Kommission, d. h. durch das Schreiben
Giuffrida vom September 1993 (siehe Randnr. 14), mit dem der Erlaß einer
Entscheidung gemäß Artikel 14 Absatz 6 der Verordnung Nr. 17 angekündigt
wurde, beeinflußt, jedoch war diese Stellungnahme für das nationale Gericht nicht
bindend. Denn die Beurteilung des Zumietverbots durch Giuffrida hatte nur den
Charakter eines tatsächlichen Gesichtspunkts, den der Gerechtshof Amsterdam bei
seiner Prüfung der Vereinbarkeit dieser Verhaltensweise mit Artikel 85 EG-Vertrag
berücksichtigen konnte (Urteil des Gerichtshofes vom 10. Juli 1980 in den
Rechtssachen 253/78, 1/79, 2/79 und 3/79, Giry und Guerlain u. a., Slg. 1980, 2327,
Randnr. 13, Urteil des Gerichts vom 9. Januar 1996 in der Rechtssache T-575/93,
Koelman/Kommission, Slg. 1996, II-1, Randnr. 43). Im übrigen beruht, wie die
Erörterung der gegen die streitige Entscheidung gerichteten Nichtigkeitsklage
zeigen wird, der von der Kommission im Verwaltungsverfahren und in der streitigen
Entscheidung vertretene Standpunkt auf einer richtigen Auslegung von Artikel 85
Absatz 1 EG-Vertrag. Daher beruhte, als der SCK der Widerruf ihrer Zulassung
angedroht wurde, diese Androhung darauf, daß sie verpflichtet war, eine
Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag abzustellen. Ein solcher
„Schaden“ kann nicht der Kommission zugerechnet werden.
- 98.
- In bezug auf die FNK erläutern die Klägerinnen nicht, wie ihr Ruf und ihre
allgemeinen Bedingungen durch das Verhalten der Kommission beeinträchtigt
worden sein sollen, obwohl nach ständiger Rechtsprechung die Klägerinnen die
Beweislast für einen Kausalzusammenhang zwischen dem von dem Organ
begangenen Fehler und dem geltend gemachten Schaden tragen (vgl. z. B. Urteil
des Gerichtshofes vom 30. Januar 1992 in den Rechtssachen C-363/88 und
C-364/88, Finsider u. a./Kommission, Slg. 1992, I-359, Randnr. 25; Urteil des
Gerichts vom 18. September 1995 in der Rechtssache T-168/94, Blackspur u. a./Rat
und Kommission, Slg. 1995, II-2627, Randnr. 40). Die einzigen Verhaltensweisen
der FNK, die im Verwaltungsverfahren beanstandet wurden, sind das System der
Richtpreise und die Verrechnungstarife sowie die sogenannte Vorzugsklausel, die
die Mitglieder der FNK verpflichtete, für die An- und Vermietung von Kränen
vorzugsweise auf andere Mitglieder dieser Vereinigung zurückzugreifen (Artikel 3
Buchstaben a und b der Geschäftsordnung der FNK). Die Klägerinnen haben im
Verwaltungsverfahren, im schriftlichen Verfahren vor dem Gericht und in der
mündlichen Verhandlung erklärt, daß die FNK aufgrund der Aufhebung des
Beschlusses des Präsidenten der Arrondissementsrechtbank Utrecht vom 11.
Februar 1992 durch den Gerechtshof Amsterdam am 9. Juli 1992, also zu einem
Zeitpunkt (Juli 1992), als die Kommission noch nicht einmal vorläufig zu der
Anmeldung der FNK oder zu der Beschwerde der Beschwerdeführer Stellung
bezogen hatte, freiwillig auf diese Praktiken verzichtet habe. Daher kann der von
der FNK geltend gemachte Schaden nicht durch das Verhalten der Kommission im
Verwaltungsverfahren verursacht worden sein.
- 99.
- Aufgrund all dieser Erwägungen steht fest, daß der Schadensersatzantrag
abzuweisen ist, ohne daß noch zu prüfen wäre, ob die weitere Voraussetzung für
die Auslösung der Haftung der Kommission, nämlich das Vorliegen eines Schadens,
erfüllt ist.
Die Klage auf Feststellung der Inexistenz oder auf Nichtigerklärung der
Entscheidung 95/551 (Rechtssache T-18/96)
1. Die Anträge auf Feststellung der Inexistenz der streitigen Entscheidung
Parteivorbringen
- 100.
- Die Klägerinnen stützen ihre Anträge auf einen einzigen Klagegrund. Sie sind der
Ansicht, daß die streitige Entscheidung inexistent sei, weil die Kommission es
unterlassen habe, im verfügenden Teil über den Freistellungsantrag gemäß Artikel
85 Absatz 3 EG-Vertrag zu entscheiden. Es wäre unerläßlich gewesen, dort über
diesen Antrag zu entscheiden, da die Vereinbarkeit eines Sachverhalts mit dem
Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft anhand von Artikel 85 insgesamt zu prüfen
sei (Urteil des Gerichts vom 11. Juli 1996 in den Rechtssachen T-528/93, T-542/93,
T-543/93 und T-546/93, Métropole télévision u. a./Kommission, Slg. 1996, II-649)
und da nur der verfügende Teil einer Maßnahme Rechtswirkungen entfalten könne
(Urteile des Gerichts vom 17. September 1992 in der Rechtssache T-138/89, NBV
und NVB/Kommission, Slg. 1992, II-2181, Randnr. 31, und vom 8. Juni 1993 in der
Rechtssache T-50/92, Fiorani/Parlament, Slg. 1993, II-555, Randnr. 39). Die
Entscheidung der Kommission vom 13. April 1994 gemäß Artikel 15 Absatz 6 der
Verordnung Nr. 17 sei in diesem Zusammenhang unerheblich. Eine solche
Entscheidung werde nach einer nur vorläufigen Prüfung getroffen und stehe daher
einer endgültigen Entscheidung nicht gleich. Zudem betreffe sie selbst dann, wenn
sie als endgültige Entscheidung betrachtet werden könne, im vorliegenden Fall nur
das Zumietverbot der SCK und enthalte keine Ausführungen zu den angemeldeten
Verhaltensweisen der FNK, so daß eine Entscheidung über eine mögliche
Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag auf diese Verhaltensweisen noch
ausstehe.
- 101.
- Die Kommission erwidert, daß aus den Abschnitten 32 bis 39 der
Begründungserwägungen der streitigen Entscheidung eindeutig hervorgehe, daß siedas auf eine Freistellung gemäß Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag gerichtete
Vorbringen der Klägerinnen geprüft und verworfen habe. Für die Aufnahme eines
weiteren Artikels in den verfügenden Teil, mit dem der Freistellungsantrag gemäß
Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag ausdrücklich abgelehnt worden wäre, habe kein
Anlaß bestanden, da die Feststellung der Zuwiderhandlungen der SCK und der
FNK gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag in den Artikeln 1 und 3 sowie die
Anordnungen in den Artikeln 2 und 4 die Ablehnung des Freistellungsantrags nach
Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag zwingend voraussetzten.
Würdigung durch das Gericht
- 102.
- Im verfügenden Teil der streitigen Entscheidung stellt die Kommission fest, daß das
System von Richtpreisen und Verrechnungstarifen der FNK (Artikel 1) und das
Zumietverbot der SCK (Artikel 3) gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag
verstoßen; sie ordnete an, daß die FNK (Artikel 2) und die SCK (Artikel 4) diese
Zuwiderhandlungen unverzüglich abzustellen haben. Ferner wurden mit der
streitigen Entscheidung Geldbußen gegen die Klägerinnen verhängt (Artikel 5).
- 103.
- Obwohl der verfügende Teil keine ausdrücklichen Feststellungen zu den
Freistellungsanträgen der Klägerinnen gemäß Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag
enthält, hat die Kommission die Vereinbarkeit der Verhaltensweisen, auf die die
Artikel 1 und 3 der streitigen Entscheidung abstellen, mit dem Wettbewerbsrecht
anhand von Artikel 85 insgesamt untersucht. Denn aus der ausführlichen
Begründung der streitigen Entscheidung (Abschnitte 32 bis 39 der
Begründungserwägungen) geht hervor, daß die Kommission geprüft hat, ob es
möglich war, Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag gemäß Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag für auf diese Verhaltensweisen nicht anwendbar zu erklären. Am Ende
ihrer Prüfung führt sie in Abschnitt 35 der Begründungserwägungen in bezug auf
die Richtpreise und Verrechnungstarife der FNK aus: „Eine Freistellung nach
Artikel 85 Absatz 3 ist ... ausgeschlossen.“ Desgleichen stellt sie in Abschnitt 39 der
Begründungserwägungen ausdrücklich fest: „Eine Freistellung des Zumietverbots
der SCK gemäß Artikel 85 Absatz 3 ist ... ausgeschlossen.“
- 104.
- Die Begründung einer Maßnahme ist zur Bestimmung der genauen Bedeutung des
verfügenden Teils unerläßlich (Urteile des Gerichtshofes vom 26. April 1988 in den
Rechtssachen 97/86, 99/86, 193/86 und 215/86, Asteris u. a./Kommission, Slg. 1988,
2181, Randnr. 27, und vom 15. Mai 1997 in der Rechtssache C-355/95 P,
TWD/Kommission, Slg. 1997, I-2549, Randnr. 21, Urteil des Gerichts vom 5. Juni
1992 in der Rechtssache T-26/90, Finsider/Kommission, Slg. 1992, II-1789,
Randnr. 53). Selbst wenn daher im verfügenden Teil der streitigen Entscheidung
keine ausdrücklichen Feststellungen zu den Freistellungsanträgen der Klägerinnen
gemäß Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag getroffen werden, setzen die Feststellungen
der Zuwiderhandlungen und die Anordnungen, diese abzustellen, die im
verfügenden Teil enthalten sind, im Lichte der Begründung der Entscheidung
(Abschnitte 32 bis 39 der Begründungserwägungen) zwingend voraus, daß die
Kommission die Anträge abgelehnt hat.
- 105.
- Schließlich können sich die Klägerinnen für ihre Argumentation nicht auf die
Urteile NBV und NVB/Kommission sowie Fiorani/Parlament berufen. Denn in
diesen beiden Rechtssachen, in denen es nicht um die Inexistenz einer
Entscheidung eines Gemeinschaftsorgans ging, beschwerte der verfügende Teil der
angefochtenen Entscheidungen die Kläger nicht. Lediglich einige
Begründungserwägungen der angefochtenen Entscheidungen wurden als den
Klägern ungünstig angesehen. Die in diesen Rechtssachen erhobenen
Nichtigkeitsklagen wurden als unzulässig abgewiesen, weil sie in Wirklichkeit auf
Nichtigerklärung allein der Begründung der Entscheidungen gerichtet waren. Im
vorliegenden Fall beschwert der verfügende Teil der streitigen Entscheidung die
Klägerinnen, indem er feststellt, daß sie Zuwiderhandlungen gegen Artikel 85
Absatz 1 EG-Vertrag begangen hätten, anordnet, daß sie diese abzustellen hätten,
gegen sie Geldbußen verhängt und implizit, jedoch unmißverständlich, ihre
Freistellungsanträge ablehnt.
- 106.
- Daher ist der Klagegrund zurückzuweisen.
- 107.
- Infolgedessen ist der Klageantrag auf Feststellung der Inexistenz der streitigen
Entscheidung zurückzuweisen.
2. Zu den Anträgen auf Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung
- 108.
- Die Klägerinnen führen fünf Gründe für die Nichtigerklärung der angefochtenen
Entscheidung an, nämlich einen Verstoß gegen die Artikel 3, 4, 6 und 9 der
Verordnung Nr. 17, einen Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag, einen
Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag, eine Verletzung der
Verfahrensrechte und einen Verstoß gegen Artikel 190 EG-Vertrag.
Erster Klagegrund: Verstoß gegen die Artikel 3, 4, 6 und 9 der Verordnung Nr. 17
Parteivorbringen
- 109.
- Die Klägerinnen machen lückenhaft unter Verweis auf ihr Vorbringen zur
Inexistenz der streitigen Entscheidung geltend, daß die Kommission dadurch, daß
sie nicht über die Freistellungsanträge gemäß Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag
entschieden habe, gegen die Artikel 3, 4, 6 und 9 der Verordnung Nr. 17 verstoßen
und zugleich einen schweren Formfehler begangen habe, so daß die Entscheidung
wegen Formfehlern für nichtig zu erklären sei.
- 110.
- Die Kommission beruft sich auf ihre Argumentation zu den Anträgen auf
Feststellung der Inexistenz der streitigen Entscheidung.
Würdigung durch das Gericht
- 111.
- Der vorliegende Klagegrund stützt sich auf die gleichen Argumente wie die Rügen
im Rahmen des Klagegrundes, auf den die Anträge auf Feststellung der Inexistenz
der streitigen Entscheidung gestützt worden sind.
- 112.
- In dieser Entscheidung hat die Kommission jedoch unmißverständlich über die
Freistellungsanträge der Klägerinnen gemäß Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag
entschieden (siehe Randnrn. 103 und 104).
- 113.
- Der erste Klagegrund ist daher zurückzuweisen.
Zweiter Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag
- 114.
- Aufgrund des Sitzungsberichts und nach dem Ergebnis der mündlichen
Verhandlung ist der Klagegrund in vier Rügen aufzuteilen.
- 115.
- Erstens wird gerügt, daß die SCK zu Unrecht als Unternehmen im Sinne von
Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag eingestuft worden sei. Die zweite Rüge teilt sich
wiederum in zwei Teilrügen auf. Die erste Teilrüge betrifft einen Rechtsfehler bei
Rückgriff auf die Kriterien der Transparenz, der Offenheit, der Unabhängigkeit
und der Anerkennung gleichwertiger Garantien anderer Systeme bei der
Beurteilung der Vereinbarkeit eines Zertifizierungssystems mit Artikel 85 Absatz
1 EG-Vertrag. Die zweite betrifft einen Beurteilungsfehler, der der Kommission
unterlaufen sei, als sie die Ansicht vertreten habe, daß das Zumietverbot eine
Beschränkung des Wettbewerbs im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag
bezwecke oder bewirke. Die dritte Rüge besteht darin, daß der Kommission ein
Beurteilungsfehler unterlaufen sei, als sie die Ansicht vertreten habe, daß das
System der Richtpreise und Verrechnungstarife eine Beschränkung des
Wettbewerbs im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag bezwecke oder
bewirke. Schließlich besteht die vierte Rüge in einem Fehler bei der Beurteilung
der Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten.
Erste Rüge: Fälschliche Einstufung der SCK als Unternehmen im Sinne von Artikel
85 Absatz 1 EG-Vertrag
Parteivorbringen
- 116.
- Die Klägerinnen machen geltend, die SCK sei kein Unternehmen im Sinne von
Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag, denn eine Zertifizierungseinrichtung, die lediglich
und ausschließlich eine neutrale und objektive Kontrolle von Unternehmen auf
einem bestimmten Sektor betreibe, übe keine wirtschaftliche Betätigung aus (vgl.
Urteile des Gerichtshofes vom 23. April 1991 in der Rechtssache C-41/90, Höfner
und Elser, Slg. 1991, I-1979, vom 17. Februar 1993 in den Rechtssachen C-159/91
und C-160/91, Poucet und Pistre, Slg. 1993, I-637, und Schlußanträge des
Generalanwalts Slynn zum Urteil vom 30. Januar 1985 in der Rechtssache 123/83,
BNIC, Slg. 1985, 391). Die SCK sei auch keine Unternehmensvereinigung im Sinne
der genannten Bestimmung.
- 117.
- Die Kommission erwidert, unabhängig von ihrer Rechtsform sei eine Einrichtung
als Unternehmen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag anzusehen, wenn
sie eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübe, die grundsätzlich von einem privaten
Unternehmen zu Gewinnzwecken ausgeübt werden könne. Im vorliegenden Fall
stelle die Ausstellung eines Zertifikats gegen Entgelt eine Tätigkeit dieser Art dar.
Die SCK sei daher als Unternehmen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag
anzusehen.
Würdigung durch das Gericht
- 118.
- In der streitigen Entscheidung hat die Kommission die SCK als Unternehmen im
Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag eingestuft (Abschnitt 17 Absatz 2 der
Begründungserwägungen).
- 119.
- Es ist zu prüfen, ob ihr bei dieser Einstufung ein Beurteilungs- oder ein
Rechtsfehler unterlaufen ist.
- 120.
- Im Rahmen des Wettbewerbsrechts „umfaßt der Begriff des Unternehmens jede
eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform
und der Art ihrer Finanzierung“ (Urteil Höfner und Elser, a. a. O., Randnr. 21).
- 121.
- Die SCK ist eine Einrichtung des Privatrechts, die ein Zertifizierungssystem für
Kranvermietungsunternehmen eingerichtet hat; der Anschluß an dieses System ist
freiwillig. Sie legt selbständig die Kriterien fest, denen die zertifizierten
Unternehmen genügen müssen. Sie stellt ein Zertifikat nur gegen Entgelt aus.
- 122.
- Damit übt die SCK eine wirtschaftliche Tätigkeit aus. Sie ist daher ein
Unternehmen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag.
- 123.
- Da die Kommission die SCK zu Recht als Unternehmen eingestuft hat, ist das
Vorbringen der Klägerinnen, die SCK sei keine Unternehmensvereinigung,
unerheblich.
- 124.
- Nach allem ist die erste Rüge des zweiten Klagegrundes zurückzuweisen.
Zweite Rüge: Rechtsfehler beim Rückgriff auf die Kriterien der Transparenz,
Offenheit, Unabhängigkeit und der Anerkennung gleichwertiger Garantien anderer
Systeme bei der Beurteilung der Vereinbarkeit eines Zertifizierungssystems mit
Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag sowie Beurteilungsfehler der Kommission bei der
Feststellung, daß das Zumietverbot eine Beschränkung des Wettbewerbs im Sinne
von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag bezwecke oder bewirke
Parteivorbringen
- 125.
- Die Klägerinnen führen aus, die Kommission habe in der streitigen Entscheidung
festgestellt: „Ginge das Verbot mit einem allen offenstehenden, unabhängigen und
transparenten Zertifizierungssystem einher, das auch die Anerkennung
gleichwertiger Garantien anderer Systeme beinhaltet, ließe sich argumentieren, daß
es keine Wettbewerbsbeschränkungen bewirkt, sondern ausschließlich darauf
gerichtet ist, die Qualität der zertifizierten Gegenstände oder Dienstleistungen
vollständig zu gewährleisten“ (Abschnitt 23 Absatz 1 der Begründungserwägungen).
Die Kommission habe gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag verstoßen, indem sie
willkürlich allgemeine Kriterien für die Beurteilung der Anwendung dieser
Bestimmung auf Zertifizierungssysteme definiert habe, die in Artikel 85 Absatz 1
EG-Vertrag nicht angeführt seien.
- 126.
- Weiter habe das Zumietverbot im Rahmen des Zertifizierungssystems der SCK
keine Beschränkung des Wettbewerbs bezweckt oder bewirkt. Um zu beurteilen,
ob derartige Klauseln unter das Verbot des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag fielen,
hätte geprüft werden müssen, wie sich der Wettbewerb gestaltet hätte, wenn sie
nicht bestanden hätten (Urteil vom 11. Juli 1985 in der Rechtssache 42/84, Remia
u. a./Kommission, Slg. 1985, 2545, Randnr. 18). Das Zertifizierungssystem der SCK
stärke den Wettbewerb. Es trage zur Transparenz des Marktes dadurch bei, daß
es die Bewertung der Qualität und der Sicherheit der verschiedenen Anbieter des
Erzeugnisses anhand eines objektiven und unparteiischen Standards erlaube. Die
Aufstellung des Zumietverbots bei nichtzertifizierten Unternehmen sei unerläßlich,
denn ein solches Verbot stelle die einzig mögliche Garantie dafür dar, daß jede
Bestellung bei einem zertifizierten Unternehmen von einem Unternehmen
ausgeführt werde, das den gleichen Anforderungen an Sicherheit und Qualität
genüge. In diesem Sinne bezwecke das Zumietverbot den gleichen Schutz wie eine
Marke, deren Vereinbarkeit mit dem Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft der
Gerichtshof anerkannt habe (Urteil des Gerichtshofes vom 17. Oktober 1990 in der
Rechtssache C-10/89, CNL-SUCAL, Slg. 1990, I-3711, Randnr. 13). DasZumietverbot sei auch unerläßlich, da es das einzige Mittel zur Erfüllung des
Erfordernisses des Artikels 2 Absatz 5 der Anerkennungskriterien des
Zertifizierungsrates (siehe Randnr. 5) erfülle, wonach die Organisation, die die
Zertifizierung vornehme, im Falle der Ausführung einer Arbeit durch einen
Subunternehmer selbst prüfen müsse, ob die Qualitätsanforderungen erfüllt seien.
Eine Ad-hoc-Kontrollregelung, wie sie der Vorschlag der Kommission darstelle, es
den zertifizierten Unternehmen zu erlauben, anhand vorher erstellter Listen
nachzuweisen, daß nichtzertifizierte Unternehmen, deren sie sich bedienten,
dennoch die aufgestellten Qualitätserfordernisse erfüllten, stelle die direkte
Ablehnung eines auf einer systematischen Prüfung beruhenden
Zertifizierungssystems dar. Schließlich müsse das Zumietverbot auch dann
beibehalten werden, wenn der Auftraggeber ausdrücklich die Anmietung von
Kränen von einem nichtzertifizierten Unternehmen zulasse. Denn die
Glaubhaftigkeit des Zertifizierungssystems beruhe darauf, daß alle von den
zertifizierten Unternehmen angebotenen Erzeugnisse und Dienstleistungen den
aufgestellten Anforderungen genügten.
- 127.
- Zudem entspreche das streitige System allen von der Kommission aufgestellten
Kriterien. Vor allem zeichne sich dieses System durch eine vollständige Offenheit
aus, da es nicht nur die Mitglieder der FNK, sondern auch jedes Unternehmen, das
dies wünsche, zulasse. So habe die SCK Zertifikate für zwölf Unternehmen
ausgestellt, die nicht Mitglieder der FNK seien. Die Voraussetzungen für die
Erlangung eines Zertifikats seien objektiv und nicht diskriminierend. In diesem
Zusammenhang sei die Ermäßigung des Entgelts, die den Mitgliedern der FNK bis
zum 1. Januar 1992 zugute gekommen sei, nichts anderes als ein Ausgleich für die
Sekretariatsdienstleistungen, die die FNK der SCK geboten habe. Das System sei
auch den Unternehmen anderer Mitgliedstaaten zugänglich gewesen, was durch
einen Bericht des Zertifizierungsrates vom 11. Januar 1993 und ein Schreiben der
Vereinigung der belgischen Kranvermietungsunternehmen vom 11. März 1994
bestätigt werde. Die SCK habe stets anerkannt, daß eine Registrierung im Ausland
die Voraussetzung erfülle, daß ein Unternehmen, das ein Zertifikat der SCK
beantrage, im Register der Handelskammer eingetragen sein müsse. Daher seien
die Schwierigkeiten, die ausländische Unternehmen beim Zugang zum
niederländischen Markt vorfänden, lediglich auf die Unterschiede zwischen den
Regelungen der Länder zurückzuführen.
- 128.
- Auch wenn ihre Regelung dies nicht erwähne, erkenne die SCK andere
Zertifizierungssysteme als gleichwertig an, sofern sie die gleichen Garantien wie das
streitige System vorsähen. Das Zertifizierungssystem der SCK sei sowohl in der
Substanz als auch in der Ausgestaltung des Verfahrens der gesetzlichen Regelung
tatsächlich überlegen. Was die Substanz angehe, stelle es Voraussetzungen sowohl
auf technischer Ebene als auch auf der Ebene der Unternehmensführung auf, die
über die gesetzlichen Voraussetzungen hinausgingen. Die SCK prüfe viel aktiver
als die Keboma. Diese ergänzende Funktion eines Zertifizierungssystems folge aus
der erklärten Absicht der Niederlande, die Kontrolle der rechtlichen
Voraussetzungen weitestgehend den Marktteilnehmern zu übertragen. Die
Überlegenheit des Zertifizierungssystems der SCK sei von der GD III in einem
Vermerk vom 18. August 1994 an die GD IV anerkannt worden. Damit würde es
die Kohärenz des Zertifizierungssystems der SCK beeinträchtigen, wenn sie die
Vermietung von Kränen gestattete, die nur die gesetzlichen Voraussetzungen
erfüllten. Daß keine anderen privaten Einrichtungen existierten, die ein
Zertifizierungssystem wie das der SCK eingeführt hätten, bedeute nicht, daß die
SCK nicht bereit sei, ein vergleichbares System anzuerkennen, wenn es denn
existierte. Im übrigen würde die Argumentation der Kommission die Schaffung
eines Zertifizierungssystems in einem Bereich unmöglich machen, in dem noch kein
solches System bestünde, denn das erste eingerichtete System habe nicht die
Möglichkeit, andere vergleichbare Systeme anzuerkennen.
- 129.
- Die Kommission erwidert, sie habe in den Abschnitten 23 bis 30 der
Begründungserwägungen der streitigen Entscheidung eine eingehende
Untersuchung des Zumietverbots in seinem rechtlichen und wirtschaftlichen
Kontext vorgenommen, um entscheiden zu können, ob ein solches Verbot mit
Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag vereinbar sei (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom
30. Juni 1966 in der Rechtssache 56/65, Société technique minière, Slg. 1966, 282).
- 130.
- Das Zumietverbot sei nicht unerläßlich, um die Kohärenz des
Zertifizierungssystems zu wahren. Für die Unverhältnismäßigkeit des Verbotes
spreche, daß es die Möglichkeit ausschließe, von anderen Einrichtungen zertifizierte
Kräne zu benutzen, und dem Hauptvertragspartner nicht den Nachweis gestatte
auch nicht im voraus durch Erstellung einer Liste , daß sein nichtzertifizierter
Subunternehmer allen Anforderungen der SCK entspreche. Zudem hindere das
Verbot den Hauptvertragspartner, in Fällen auf einen nichtzertifizierten
Subunternehmer zurückzugreifen, in denen der Auftraggeber ausdrücklich auf die
mit dem Zertifikat der SCK verbundenen Qualitätsgarantien verzichtet und die
Verwendung nichtzertifizierter Kräne erlaubt habe.
- 131.
- Das Zertifizierungssystem der SCK erfülle nicht die Kriterien in Abschnitt 23
Absatz 1 der Begründungserwägungen der streitigen Entscheidung. Erstens habe
es von Anfang an, zumindest teilweise bis zum 21. Oktober 1993, die Merkmale
eines geschlossenen Systems aufgewiesen (Abschnitt 24 der
Begründungserwägungen der streitigen Entscheidung). Weiter habe es entgegen
dem Vorbringen der Klägerinnen die Anerkennung anderer Garantiesysteme nicht
zugelassen. Die von den Klägerinnen vorgeschlagene Änderung der ursprünglichen
Fassung des Artikels 7 zweiter Gedankenstrich der Zertifizierungsregelung zum
Zweck der Anerkennung der Zertifizierung anderer privatrechtlicher Einrichtungen
(Schreiben der Klägerinnen an die Kommission [z. Hd. Herrn Dubois] vom 12. Juli
1993) habe keine praktische Wirkung, da es zum einen solche Einrichtungen weder
in den Niederlanden noch in den Nachbarländern gebe und da zum anderen
andere Garantien als private Zertifikate nicht anerkannt würden. Insbesondere
bleibe die Anerkennung der Keboma-Marke sowie vergleichbarer offizieller
Bescheinigungen belgischer oder deutscher Behörden ausgeschlossen.
Würdigung durch das Gericht
- 132.
- Nach Artikel 7 zweiter Gedankenstrich der Regelung der SCK über die
Zertifizierung von Kranvermietungsunternehmen ist es den von dieser Anstalt
zertifizierten Kranvermietungsunternehmen untersagt, Kräne von nichtzertifizierten
Unternehmen zuzumieten.
- 133.
- Was zunächst den ersten Teil dieser Rüge Rechtsfehler beim Rückgriff auf die
Kriterien der Transparenz, Offenheit, Unabhängigkeit und der Anerkennung
gleichwertiger Garantien anderer Systeme bei der Beurteilung der Vereinbarkeit
eines Zertifizierungssystems mit Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag angeht, so hat
die Kommission in der streitigen Entscheidung (Abschnitt 23 der
Begründungserwägungen) ausgeführt, daß der wettbewerbswidrige Charakter des
Zumietverbots nur anhand der Natur des Zertifizierungssystems beurteilt werden
könne, mit dem dieses Verbot in Zusammenhang stehe. Zu diesem Zweck hat sie
vier Kriterien definiert Offenheit, Unabhängigkeit, Transparenz und Anerkennung
gleichwertiger Garantien anderer Systeme , denen das Zertifizierungssystem
genügen müsse, damit das Zumietverbot nicht zwingend unter das Verbot von
Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag falle.
- 134.
- Nach ständiger Rechtsprechung ist die Beurteilung der Vereinbarkeit einer
Verhaltensweise mit Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag im wirtschaftlichen und
rechtlichen Zusammenhang des Vorgangs vorzunehmen (vgl. z. B. Urteil Société
technique minière, a. a. O., und Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1997 in der
Rechtssache T-77/94, Vereniging van Groothandelaren in Bloemkwekerijprodukten
u. a./Kommission, Slg. 1997, II-759, Randnr. 140). Da die Kommission somit
berechtigt ist, Kriterien zu definieren, die die Anforderungen des Artikels 85 Absatz
1 EG-Vertrag in einer bestimmten rechtlichen und wirtschaftlichen Situation
konkretisieren, ist zu prüfen, ob die Kriterien, auf die sie sich in Abschnitt 23
Absatz 1 der Begründungserwägungen der streitigen Entscheidung stützt,
sachgerecht sind.
- 135.
- Da sich die Kommission jedoch für die Feststellung, daß im vorliegenden Fall das
Zumietverbot den Wettbewerb verfälsche (Abschnitt 23 Absatz 2 der
Begründungerwägungen und Artikel 3 der streitigen Entscheidung), nur auf
mangelnde Offenheit des Zertifizierungssystems der SCK und die fehlende
Anerkennung gleichwertiger Garantien anderer Systeme stützt, braucht nur erörtert
zu werden, ob diese beiden Kriterien sachgerecht sind.
- 136.
- Daß das Kriterium der Offenheit des Zertifizierungssystems bei der Beurteilung des
Zumietverbots unter dem Blickwinkel des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag
sachgerecht ist, unterliegt keinem Zweifel. Das Verbot der Zumietung von
nichtzertifizierten Unternehmen beeinträchtigt deren Wettbewerbschancen nämlich
erheblich, falls der Zugang zum Zertifizierungssystem schwierig ist.
- 137.
- Das zweite Kriterium Anerkennung gleichwertiger Garantien anderer Systeme
ist ebenfalls sachgerecht. Da das Zumietverbot die zertifizierten Unternehmen
daran hindert, nichtzertifizierte Unternehmen einzuschalten, selbst wenn diese
Garantien beibringen, die denen des Zertifizierungssystems gleichwertig sind, findet
es nämlich keine objektive Rechtfertigung in dem Bestreben, die Qualität der
Erzeugnisse/Dienstleistungen, die durch das Zertifizierungssystem garantiert ist, zu
wahren. Vielmehr ist die Nichtanerkennung gleichwertiger Garantien anderer
Systeme geeignet, die zertifizierten Unternehmen gegen den Wettbewerb
nichtzertifizierter Unternehmen zu schützen.
- 138.
- Der erste Teil der zweiten Rüge des Klagegrundes Rechtsfehler ist daher
zurückzuweisen.
- 139.
- Mit dem zweiten Teil dieser Rüge machen die Klägerinnen geltend, daß der
Kommission ein Beurteilungsfehler unterlaufen sei, als sie die Ansicht vertreten
habe, daß das Zumietverbot der SCK den Wettbewerb im Sinne von Artikel 85
Absatz 1 EG-Vertrag beschränke. Bei der Erörterung der Gründung der SCK in
einer Sitzung der Region Noord Holland der FNK am 27. September 1983
beabsichtigten die Teilnehmer jedoch keine Stärkung des Wettbewerbs
untereinander, sondern vielmehr eine Erhöhung der Preise auf dem Markt. So
äußerte sich nach dem Protokoll dieser Sitzung (das die Klägerinnen mit Schriftsatz
vom 10. April 1997 vorgelegt haben) einer der Teilnehmer wie folgt: „Eine solche
[Zertifizierungs-]Einrichtung ist etwas sehr Gesundes. Ich erwarte, daß das
Vorhaben, wenn es gut ausgeführt wird, Auswirkungen auf die Preise haben wird.“
Ein anderer Teilnehmer an derselben Sitzung vertrat die Ansicht, daß das
Zertifizierungsvorhaben eine „gute Idee“ sei. Er fügte hinzu: „In einem
Unternehmen ist der erzielte Umsatz wichtiger als der Grad der Ausnutzung der
Maschinen.“ Ein Kranvermietungsunternehmen, das den Grad der Ausnutzung
seiner Maschinen nicht erhöht, kann jedoch eine Steigerung seines Umsatzes nur
durch Erhöhung seiner Preise erreichen.
- 140.
- Im übrigen liegt der zweite Teil der zweiten Rüge auf einer anderen als derjenigen
Ebene, auf der die Kommission das Zumietverbot in der streitigen Entscheidung
beurteilt hat. Die Kommission stützte die Feststellung, es beschränke den
Wettbewerb, nämlich darauf, daß dieses Verbot im Rahmen eines
Zertifizierungssystems gelte, das nicht völlig offen sei und das keine gleichwertigen
Garantien anderer Systeme anerkenne (Abschnitt 23 Absatz 2 der
Begründungserwägungen der streitigen Entscheidung).
- 141.
- Das Zumietverbot des Artikels 7 zweiter Gedankenstrich der Regelung über die
Zertifizierung von Kranvermietungsunternehmen der SCK beschränkt jedoch nicht
nur die Handlungsfreiheit der zertifizierten Unternehmen, sondern beeinträchtigt
daneben vor allem die Wettbewerbschancen der nichtzertifizierten Unternehmen.
Unter Berücksichtigung der Wirtschaftskraft der SCK, die nach ihren eigenen
Angabe etwa 37 % des niederländischen Marktes der Vermietung mobiler Kräne
vertritt, ist diese Wettbewerbsbeschränkung zweifelsfrei im Sinne des Artikels 85
Absatz 1 EG-Vertrag erheblich, wenn, wie die Kommission feststellt, das
Zumietverbot im Rahmen eines Zertifizierungssystems wirkt, das nicht völlig offen
ist und das keine gleichwertigen Garantien anderer Systeme anerkennt (siehe
Randnrn. 143 bis 151). In einem solchen Fall verstärkt das Zumietverbot nämlich
noch den geschlossenen Charakter des Zertifizierungssystems (Abschnitt 26 Absatz
1 der Begründungserwägungen der streitigen Entscheidung) und erschwert den
Zugang Dritter zum niederländischen Markt erheblich (Abschnitt 26 Absatz 2).
- 142.
- Hier ist daher zu prüfen, ob die faktischen Prämissen d. h. der nicht vollständig
offene Charakter des Zertifizierungsystems der SCK und die Nichtanerkennung
gleichwertiger Garantien anderer Systeme , auf die die Kommission ihre
Beurteilung gestützt hat, zutreffen.
- 143.
- Die Feststellung der Kommission, daß das Zertifizierungssystem der SCK im
streitigen Zeitraum (vom 1. Januar 1991 [Zeitpunkt der Einführung des
Zumietverbots] bis zum 4. November 1993 [Zeitpunkt der Aussetzung des
Zumietverbots] mit Ausnahme der Zeit vom 17. Februar bis zum 9. Juli 1992) nicht
offen gewesen sei, wird auf folgende Gesichtspunkte gestützt: Der Zugang zum
Zertifizierungssystem sei für die der FNK nicht angeschlossenen schwieriger als für
die dieser Vereinigung angeschlossenen Unternehmen gewesen, denn die Kosten
der Teilnahme seien für die Erstgenannten höher gewesen als für dieLetztgenannten; die Anforderungen des Zertifizierungssystems seien nach Maßgabe
der Lage in den Niederlanden aufgestellt worden; hierdurch sei der Zugang der
ausländischen Unternehmen behindert worden. So habe das Zertifizierungssystem
der SCK bis zum 1. Mai 1993 die Eintragung in das Register der Handelskammer
erfordert, und bis zum 21. Oktober 1993 hätten die allgemeinen Bedingungen der
FNK angewandt werden müssen (Abschnitt 23 der Begründungserwägungen der
streitigen Entscheidung).
- 144.
- Die Gesichtspunkte, mit denen die Klägerinnen den offenen Charakter des
Zertifizierungssystems der SCK dartun wollen, sind nicht überzeugend.
- 145.
- Die Kommission hat in der streitigen Entscheidung ausgeführt: „Von September
1987 bis zum 1. Januar 1992 war die Teilnahme an dem SCK-Zertifizierungsprojekt
für FNK-Mitgliedsunternehmen um das Dreifache günstiger als für Nichtmitglieder“
(Abschnitt 9 der Begründungserwägungen). Die Klägerinnen haben weder im
Verwaltungsverfahren noch im Verfahren vor dem Gericht bestritten, daß die
Mitglieder der FNK bis zum 1. Januar 1992 einen erheblichen Nachlaß (von
ungefähr 66 %) auf ihren Beitrag für die SCK erhielten. Selbst wenn nach ihrem
Vorbringen dieser Nachlaß einen Ausgleich für die Sekretariatsdienstleistungen
dargestellt hat, die die FNK der SCK anbot, ändert dies nichts daran, daß eine
solche Praxis den Zugang zum Zertifizierungssystem der SCK für ausländische
Unternehmen schwieriger gestaltete als für niederländische Unternehmen, da
praktisch alle von der SCK zertifizierten Unternehmen (mehr als 90 %) Mitglieder
der FNK waren und da nur in den Niederlanden niedergelassene
Kranvermietungsunternehmen Mitglied der FNK werden konnten (Artikel 4
Buchstabe a der Satzung der FNK). Diese „Ausschluß“-Wirkung wurde noch
dadurch verstärkt, daß in anderen Mitgliedstaaten niedergelassene Unternehmen,
wenn sie sich trotzdem für eine Zertifizierung durch die SCK entschieden hätten,
bis zum 21. Oktober 1993 die allgemeinen Bedingungen einer Einrichtung hätten
anwenden müssen, der sie nicht als Mitglied hätten beitreten können, nämlich der
FNK, und an deren Ausarbeitung sie sich nicht hätten beteiligen können. Der für
die Unternehmen anderer Länder geschlossene oder auf alle Fälle nicht völlig
offene Charakter ergibt sich auch aus dem unbestrittenen Umstand, daß die
Anforderungen des Zertifizierungssystems der SCK nach Maßgabe der
niederländischen Situation, und insbesondere der niederländischen
Rechtsvorschriften, aufgestellt wurden.
- 146.
- Die Klägerinnen bringen vor, es sei einem im Ausland registrierten Unternehmen
stets möglich gewesen, bei der SCK ein Zertifikat zu erlangen. In der Tat stellt der
Bericht des Zertifizierungsrates vom 11. Januar 1993 fest (S. 5), es gebe kein
Hindernis für die Teilnahme ausländischer Unternehmen am Zertifizierungssystem
der SCK. Dieses Ergebnis stützt der Bericht auf eine am 1. Januar 1992 in Kraft
getretene Änderung der Satzung der SCK, die den Zweck der Anstalt SCK in dem
Sinne umformuliert, daß diese die Förderung und Aufrechterhaltung der Qualität
der Kranvermietungsunternehmen insgesamt und nicht mehr nur in den
Niederlanden zur Aufgabe habe. Somit schließt die Satzung der SCK nicht mehr
aus, daß in den Niederlanden nicht niedergelassene Unternehmen eine
Zertifizierung bei der SCK erreichen können. Daraus folgt jedoch nicht ohne
weiteres, daß das Zertifizierungssystem der SCK den in einem anderen
Mitgliedstaat niedergelassenen Unternehmen vollständig offensteht. Denn der nicht
völlig offene Charakter des Zertifizierungssystems ist im vorliegenden Fall auf
andere Umstände zurückzuführen, die in Randnummer 145 dargestellt sind.
- 147.
- Im Schreiben des Vorsitzenden der Vereinigung der belgischen
Kranvermietungsunternehmen vom 11. März 1994 heißt es, daß das bedeutendste
Hindernis für den zwischenstaatlichen Handel auf dem Sektor der Vermietung
mobiler Kräne auf den unterschiedlichen Regelungen der verschiedenen
Mitgliedstaaten beruhe und daß sich die belgischen Unternehmen daher bei der
Ausführung von Arbeiten innerhalb der Gemeinschaft durch die Tätigkeit der SCK
nicht behindert fühlten. In diesem Zusammenhang hat die SCK selbst in ihrer
Anmeldung ausgeführt, daß die durch das System der Zertifizierung erteilten
Auflagen in etwa den Auflagen des niederländischen Rechts für
Kranvermietungsunternehmen entsprächen, so daß die Zertifizierung am besten
garantiere, daß diese gesetzlichen Verpflichtungen tatsächlich eingehalten würden
(Nrn. 26 bis 28 der Anmeldung der SCK). Die SCK hat somit durch die Aufnahme
mehrerer Verpflichtungen aus dem niederländischen Recht in den Rahmen des
Zertifizierungssystems die Hemmnisse für den innergemeinschaftlichen Handel
aufgrund möglicher Unterschiede zwischen den nationalen Rechtsvorschriften
gefestigt und verstärkt. Denn wenn nach einer Gemeinschaftsrichtlinie die
wechselseitige Anerkennung der verschiedenen nationalen Regelungen auf einem
Gebiet verwirklicht ist, bewirkt die Verpflichtung zur Beachtung des
niederländischen Rechts auf diesem Gebiet durch eine private
Zertifizierungseinrichtung, daß die Hemmnisse für den innergemeinschaftlichen
Handel, die der Gemeinschaftsgesetzgeber beseitigen wollte, beibehalten oder
wieder eingeführt werden. So steht fest, daß die SCK bestimmte Kontrollen
durchführt, die zuvor von der Keboma vorgenommen wurden, von dieser jedoch
nach der Umsetzung der Richtlinie 89/392 (siehe Randnr. 3) aufgegeben wurden.
Die Klägerinnen haben nämlich in Nummer 114 ihrer Klageschrift eingeräumt:
„Die Einführung der EG-Kennzeichnung für Hebekräne hat die gesetzliche Rolle
der Keboma weiter verringert. Hebekräne, die mit einer EG-Kennzeichnung
versehen sind und für die eine Konformitätsbescheinigung erteilt wurde, unterliegen
im übrigen nicht der Kontrolle der Keboma bei der ersten Inbetriebnahme. Dies
bedeutet, daß die Rolle der SCK gewachsen ist. Im Rahmen der
Zertifizierungsregelung der SCK wird geprüft, ob die neuen Hebekräne den
geltenden Rechtsvorschriften entsprechen.“ Unter diesen Umständen kann dem
Vorbringen der Klägerinnen, daß ein mögliches Hemmnis für die ausländischen
Kranvermietungsunternehmen beim Zugang zum niederländischen Markt
ausschließlich auf den unterschiedlichen Regelungen der verschiedenen
Mitgliedstaaten und nicht auf dem Zertifizierungssystem der SCK beruhe, nicht
gefolgt werden.
- 148.
- Es bleibt die Frage, ob das Zertifizierungssystem der SCK die Anerkennung
gleichwertiger Garantien anderer Systeme erlaubt hat. Die SCK hat mit Schreiben
vom 12. Juli 1993 an Herrn Dubois von der GD IV eine Änderung des
Zertifizierungssystems derart vorgeschlagen, daß andere Zertifizierungssysteme, die
die Bedingungen aufgrund der europäischen Norm EN 45011 erfüllten und dem
System der SCK gleichwertige Garantien böten, von dieser anerkannt würden. Aus
diesem Änderungsvorschlag ergibt sich, daß das Zertifizierungssystem der SCK in
seiner ursprünglichen Fassung die Anerkennung solcher gleichwertiger Systeme
nicht vorsah. Selbst wenn im übrigen die Änderung, wie die Klägerinnen geltend
machen, nur die ursprüngliche Fassung des Artikels 7 zweiter Gedankenstrich der
Zertifizierungsregelung verdeutlichte, sieht das System der SCK nicht die
Möglichkeit der Anerkennung einer öffentlich-rechtlichen Regelung vor, die
denjenigen der SCK entsprechende Garantien bietet.
- 149.
- Nach allem ist der Kommission kein Beurteilungsfehler unterlaufen, als sie in
Abschnitt 23 der Begründungserwägungen der streitigen Entscheidung ausgeführt
hat, daß das Zertifizierungssystem der SCK nicht völlig offen sei (oder dies
zumindest bis zum 21. Oktober 1993 nicht gewesen sei) und es nicht ermöglicht
habe, gleichwertige Garantien anderer Systeme anzuerkennen. Daher stellt das
Zumietverbot, das den nichtoffenen Charakter des Zertifizierungssystems noch
verstärkte und das eine erhebliche Behinderung des Zugangs Dritter, insbesondere
der in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Unternehmen, zum
niederländischen Markt bewirkte (siehe Randnrn. 145 bis 148), tatsächlich eine
Beschränkung des Wettbewerbs im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag dar.
Es würde zu keinem anderen Ergebnis führen, wenn die Klägerinnen dartun
könnten, daß die Bestimmung für die Aufrechterhaltung der Kohärenz des
Zertifizierungssystems notwendig ist. Denn wegen seines nichtoffenen Charakters
und der Nichtanerkennung gleichwertiger Garantien anderer Systeme ist das
Zertifizierungssystem der SCK selbst mit Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag
unvereinbar, auch wenn sich herausstellte, daß es, wie die Klägerinnen geltend
machen, den niederländischen Rechtsvorschriften überlegen ist. Eine besondere
Bestimmung in einem solchen System, wie die Bestimmung, die die Zumietung von
nichtzertifizierten Unternehmen untersagt, wird nicht dadurch mit Artikel 85
Absatz 1 EG-Vertrag vereinbar, daß sie für die Kohärenz dieses Systems notwendig
ist, wenn dieses begrifflich mit Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag unvereinbar ist.
- 150.
- Somit ist der zweite Teil der vorliegenden Rüge zurückzuweisen.
- 151.
- In der mündlichen Verhandlung haben die Streithelfer noch Wert darauf gelegt,
daß das Gericht auch über die Rechtmäßigkeit der Änderung des Artikels 7 zweiter
Gedankenstrich der Zertifizierungsregelung entscheidet, zu der die Parteien für die
Zeit bis zur Verkündung dieses Urteils angehört worden sind (siehe Randnr. 26).
Jedoch kann der Gemeinschaftsrichter im Rahmen des Verfahrens über eine
Nichtigkeitsklage nach Artikel 173 EG-Vertrag nur die Rechtmäßigkeit der
angefochtenen Maßnahme kontrollieren. Im vorliegenden Fall enthält die streitige
Entscheidung zwangsläufig keine Beurteilung der neuen Fassung der
Zumietverbotsklausel, da die Änderung der Zertifizierungsregelung nach dem Erlaß
der Entscheidung vorgenommen wurde. Der Antrag, den die Streithelfer in der
mündlichen Verhandlung gestellt haben, überschreitet daher die Grenzen der
Zuständigkeit, die der EG-Vertrag dem Gericht im Verfahren über eine
Nichtigkeitsklage übertragen hat, und ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
Dritte Rüge: Beurteilungsfehler der Kommission insoweit, als sie die Ansicht
vertritt, daß das System der Richtpreise und der Verrechnungstarife eine
Beschränkung des Wettbewerbs im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag
bezwecke oder bewirke
Parteivorbringen
- 152.
- Die Klägerinnen führen aus, die Veröffentlichung der Richtpreise sowie die
Ausarbeitung der Verrechnungtarife stellten ebenfalls keine
Wettbewerbsbeschränkungen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag dar,
denn diese Preise bzw. Tarife sollten nur als objektive Grundlage für konkrete
Verhandlungen dienen und seien nicht verbindlich. Die Marktlage wäre daher die
gleiche gewesen, wenn die Richtpreise und die Kostenschätzungen nicht
veröffentlicht worden wären. Denn jedem Marktteilnehmer stehe es nach wie vor
frei, seine Geschäftspolitik selbständig festzulegen (vgl. Urteil des Gerichtshofes
vom 14. Juli 1981 in der Rechtssache 172/80, Züchner, Slg. 1981, 2021, Randnr. 13).
Die Marktpreise hätten deutlich unter den von der FNK veröffentlichten
Richtpreisen gelegen und seien je nach Unternehmen, Kunde und Auftrag
unterschiedlich gewesen.
- 153.
- Artikel 3 Buchstabe b der Geschäftsordnung der FNK, der unter Androhung des
Entzugs der Mitgliedschaft gemäß Artikel 10 der Satzung zur Praktizierung
annehmbarer Tarife verpflichte, bedeute nicht, daß die Mitglieder der FNK die
Richtpreise anzuwenden gehabt hätten. Im übrigen sei in all den Jahren des
Bestehens der FNK keine Einzelprüfung dahin vorgenommen worden, ob
annehmbare Tarife praktiziert worden seien, und keine Mitgliedschaft sei aus
derartigen Gründen entzogen worden. Die beiden Urteile, die die Kommission in
Abschnitt 20 der Begründungserwägungen der streitigen Entscheidung zitiere, seien
nicht einschlägig. Das Urteil des Gerichtshofes vom 17. Oktober 1972 in der
Rechtssache 8/72 (Vereniging van Cementhandelaren/Kommission, Slg. 1972, 977)
betreffe die Anwendung von „Richt“-Preisen im Rahmen einer bindenden
Regelung, an der es im vorliegenden Fall fehle, die strenge Sanktionen für den Fall
der Nichtbeachtung vorgesehen habe und es auf diese Weise allen Teilnehmern
ermöglicht habe, mit vernünftiger Gewißheit vorherzusehen, welche Preispolitik von
ihren Wettbewerbern verfolgt werde. Das Urteil des Gerichtshofes vom 27. Januar
1987 in der Rechtssache 45/85 (Verband der Sachversicherer/Kommission, Slg.
1987, 405) habe sich auf einen Sachverhalt bezogen, bei dem mit der in Rede
stehenden Vereinbarung eine Beeinflussung des Wettbewerbs bezweckt gewesen
sei, während im vorliegenden Fall die Veröffentlichung der Richtpreise und der
Kostenschätzungen einem ganz anderen Zweck gedient habe.
- 154.
- In bezug auf die Verrechnungstarife bestreiten die Klägerinnen nicht, daß die FNK
im Rahmen der Abstimmung über diese Preise inzident Sekretariatsaufgaben
wahrgenommen habe. Sie vertreten jedoch die Ansicht, daß die Beteiligung der
FNK an der Ausarbeitung der Verrechnungstarife so geringfügig gewesen sei, daß
sie für diese nicht verantwortlich gemacht werden könne. Soweit die Ausarbeitung
der Verrechnungstarife der FNK zugerechnet werden könne, habe diese zudem die
Wettbewerbslage auf dem Markt nicht beeinflußt. Der Markt, der durch das
„Overnight contracting“ gekennzeichnet sei, habe sich nämlich automatisch dahin
entwickelt, daß die Beteiligten, die untereinander regelmäßige
Geschäftsbeziehungen unterhielten, in deren Rahmen gleichartige und
wechselseitige Leistungen erbracht worden seien, im voraus Preise festgesetzt
hätten, auf die sie bei jeder Dienstleistung zurückgegriffen hätten. Die Kommission
habe im übrigen nicht dargetan, daß die Verrechnungstarife bindend gewesen seien.
- 155.
- Die Kommission erwidert, nach den einschlägigen Bestimmungen der
Geschäftsordnung und der Satzung der FNK sei der verbindliche Charakter der
Richtpreise und der Verrechnungstarife die Folge der Verpflichtung der Mitglieder
der FNK, annehmbare Tarife zu praktizieren, deren Verletzung mit dem Entzugder Mitgliedschaft geahndet werden könne (Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe d der
Satzung). Im übrigen mache es das „Overnight contracting“ wahrscheinlich, daß
diese Richtpreise tatsächlich als Referenzpreis dienten.
Würdigung durch das Gericht
- 156.
- Zunächst ist zu prüfen, ob der Kommission ein Beurteilungsfehler unterlief, als sie
die Ansicht vertrat, daß das System der Richtpreise und Verrechnungstarife den
Wettbewerb im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag beschränke (a). Sodann
ist zu untersuchen, ob die beanstandete Zuwiderhandlung der FNK zuzurechnen
ist (b).
a) Das System der Richtpreise und Verrechnungstarife
- 157.
- In der streitigen Entscheidung (Abschnitte 20 und 21 der Begründungserwägungen)
vertritt die Kommission im Kern die Ansicht, daß die der FNK angeschlossenen
Unternehmen die von dieser vorgeschlagenen Preise und Tarife hätten einhalten
müssen. Auch als Richtpreise und -tarife hätten diese Preise und Tarife den
Wettbewerb beschränkt, da sie es erlaubt hätten, die Preispolitik der Wettbewerber
mit hinreichender Sicherheit vorherzusehen.
- 158.
- Artikel 85 Absatz 1 Buchstabe a EG-Vertrag erklärt ausdrücklich solche
Vereinbarungen für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, die „die mittelbare
oder unmittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger
Geschäftsbedingungen“ bezwecken oder bewirken.
- 159.
- Im streitigen Zeitraum waren die Mitglieder der FNK nach Artikel 3 Buchstabe b
von deren Geschäftsordnung verpflichtet, „annehmbare Preise“ zu praktizieren;
nach Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe d der Satzung kann ein Mitglied aus der FNK
ausgeschlossen werden, wenn es gegen die Geschäftsordnung verstößt. Die FNK hat
bestätigt, daß die veröffentlichten Richtpreise (die in den Beziehungen zu den
Auftraggebern galten) den Begriff des annehmbaren Preises in Artikel 3 Buchstabe
b ihrer Geschäftsordnung konkretisierten (Nr. 17 der Anmeldung der FNK). Das
gleiche gilt für die Verrechnungstarife (die für Mietgeschäfte zwischen den
Mitgliedern der FNK gelten), die innerhalb der FNK üblicherweise auf regionaler
Grundlage festgesetzt werden (siehe Randnr. 167). Es ist nämlich kaum
anzunehmen, daß die FNK an der Erstellung von Verrechnungstarifen
mitgearbeitet hätte, die keine annehmbaren Preise im Sinne von Artikel 3
Buchstabe b der Geschäftsordnung gewesen wären. Somit stellte das System der
Richtpreise und Verrechnungstarife unter Berücksichtigung des Umstands, daß sie
den Begriff der annehmbaren Preise konkretisierten, die die Mitglieder der FNK
gemäß Artikel 3 Buchstabe b von deren Geschäftsordnung zu praktizieren hatten,
tatsächlich für deren Mitglieder ein System vorgeschriebener Preise dar.
- 160.
- Dem entspricht es, daß, wie die Klägerinnen selbst einräumen, das Tarifsystem der
FNK eingerichtet wurde, um eine Instabilität des Marktes zu beseitigen, die zu
einer großen Anzahl von Konkursen geführt haben soll. Im übrigen heben
verschiedene Protokolle von Sitzungen der Regionen der FNK, die dem Gericht auf
eine prozeßleitende Verfügung hin vorgelegt worden sind (siehe Randnr. 31), die
Verbindlichkeit der Richtpreise und der Verrechnungstarife der FNK hervor. So
bemerkte einer der Teilnehmer der Sitzung der Region Noord Holland vom 17.
Februar 1981, daß „die Mitgliedschaft bei der FNK den Nachteil mit sich bringt,
daß ein vereinbarter Tarif angewandt werden muß“ (Protokoll, Nr. 4). Ebenso geht
aus dem Protokoll der Sitzung der Region Noord Holland vom 22. Februar 1982
(Nr. 6) hervor, daß die Nichteinhaltung der Richtpreise als Verstoß gegen die
Geschäftsordnung der FNK betrachtet werde. Einer der Teilnehmer an dieser
Sitzung hat hinzugefügt, daß „Mittel zur Sanktionierung solcher Verstöße gegen die
Geschäftsordnung durch die Verhängung von Geldbußen vorzusehen sind“ (vgl. im
gleichen Sinn Protokoll der Sitzung der Region Oost Nederland vom 16. April 1986,
Nr. 3).
- 161.
- Auch wenn kein konkreter Fall von Sanktionen bekannt ist, die gegen Mitglieder
ergriffen worden wären, die die Preisabsprachen nicht einhielten, unterlag die
Einhaltung der Tarife dennoch einer Kontrolle. So geht aus den Protokollen der
Sitzungen der Regionen der FNK hervor, daß Mitglieder zur Ordnung gerufen
wurden. Beispielsweise enthält das Protokoll der Sitzung der Region West
Brabant/Zeeland vom 8. Dezember 1980 (Nr. 6) folgende Vermerke, die auf die
Nichtbeachtung der vereinbarten Tarife durch einen Herrn Van Haarlem hin
aufgenommen wurden: „Die Region mißbilligt die Handlungsweise von Herrn Van
Haarlem, und Herr Van Haarlem räumt ein, daß dies besser nicht passiert wäre“
(siehe auch Protokoll der Sitzung der Region West Brabant/Zeeland vom 21.
Februar 1980, Nr. 7).
- 162.
- Die FNK hat ihre Unterstützung bei der Ausarbeitung der Verrechnungstarife im
übrigen gerade zu dem Zweck gewährt, sich der Einhaltung ihrer Richtpreise durch
ihre Mitglieder zu vergewissern (siehe Randnrn. 165 bis 170). Denn ein
Kranvermietungsunternehmen, das seine Preise deutlich senkt, sieht sich einer
starken Nachfrage von Auftraggebern gegenüber und ist gezwungen, von seinen
Wettbewerbern zusätzliche Kräne zuzumieten. Das Interesse an der Festsetzung
von Verrechnungstarifen beruht daher darauf, daß ein
Kranvermietungsunternehmen diese Tarife berücksichtigen muß, wenn es seinen
Preis gegenüber dem Auftraggeber festsetzt, um Verluste bei einer möglichen
Zumietung von Kränen zu vermeiden (siehe z. B. Protokoll der Sitzung der Region
Noord Holland vom 22. Februar 1982, Nr. 6: „Es ist angebracht, wechselseitig
Verrechnungstarife zu vereinbaren, denn diese Tarife werden trotzdem eine
bestimmte Auswirkung auf die den Auftraggebern in Rechnung gestellten Preise
haben. Ist nämlich bekannt, daß ein Kran bei einem Kollegen nur zu einem
bestimmten Tarif angemietet werden kann, wird sich die Zurückhaltung beim
Angebot von Preisen, die weit unter diesen Verrechnungstarifen liegen, an
Auftraggeber verdoppeln“; vgl. im gleichen Sinn Protokoll der Sitzung der Region
West Brabant/Zeeland vom 5. Oktober 1987, Nr. 4, Protokoll der Sitzung der
Region Oost Nederland vom 10. Oktober 1989, Nr. 6, Protokoll der Sitzung der
Region Midden Nederland vom 21. Februar 1990, Nr. 4, und Protokoll der Sitzung
der Mitglieder der FNK, die Raupenkräne betreiben, vom 24. August 1989, Nr. 2).
Somit hatten, um die Worte des Direktors der FNK, De Blank, aufzugreifen, die
Verrechnungstarife eine „erzieherische Aufgabe“ (Protokoll der Sitzung der Region
West Brabant/Zeeland vom 30. Mai 1988, Nr. 3).
- 163.
- Nach den Akten war mit dem Tarifsystem der FNK eine Anhebung der Tarife auf
dem Markt bezweckt. Die FNK selbst führte in ihrer Anmeldung aus, daß ihre
Richtpreise über den Marktpreisen lägen (Nr. 18 der Anmeldung). Die Festsetzung
der Verrechnungstarife nach Maßgabe der Richtpreise hat für sich Auswirkungen
gezeitigt, nämlich eine Erhöhung der in den Beziehungen zu den Auftraggebern
angewandten Preise (Protokoll der Sitzung der Region Zuid-Holland vom 9.
Oktober 1990, Nr. 7: Die Verrechnungstarife haben eine „steigernde Wirkung auf
die Marktpreise“; Protokoll der Sitzung der Region Noord Holland vom 11.
Februar 1987, Nr. 5: „Herr De Blank erklärt, in der Region Noord habe es eine
intensive Abstimmung der Tarife gegeben. Zunächst nach Gruppen und sodann
gemeinsam mit den drei Regionen/Provinzen. Dies hat sicherlich Früchte getragen.“
Protokoll der Sitzung der Region Midden Nederland vom 28. Februar 1991, Nr. 4;
Protokoll der Sitzung der Mitglieder der FNK, die Raupenkräne betreiben, vom 12.
November 1991, Nr. 3: „Man hat den Eindruck, daß auch die Markttarife aufgrund
der Vereinbarungen über die Verrechnungstarife steigen.“)
- 164.
- Nach allem war das System der Richtpreise und Verrechnungstarife ein System
vorgeschriebener Preise, das es den Mitgliedern der FNK, selbst wenn einige unter
ihnen nicht stets die festgesetzten Preise einhielten, ermöglichte, mit hinreichender
Sicherheit die von den anderen Mitgliedern der Vereinigung verfolgte Preispolitik
vorherzusehen. Somit ist dargetan, daß es die Erhöhung der Marktpreise
bezweckte. Daher hat die Kommission zu Recht festgestellt, daß dieses System den
Wettbewerb im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag beschränkte (Urteile
Verenigung van Cementhandelaren/Kommission, a. a. O., Randnrn. 19 und 21, und
Verband der Sachversicherer/Kommission, a. a. O., Randnr. 41).
b) Die Verantwortlichkeit der FNK bei der Festsetzung der Verrechnungstarife
- 165.
- Die Klägerinnen sind der Ansicht, daß die FNK nicht für die Ausarbeitung der
Verrechnungstarife verantwortlich gemacht werden könne. Die Rolle der FNK bei
der Festsetzung der Verrechnungstarife habe niemals damit verbundene
Sekretariatsaufgaben überschritten. Diese Tarife seien örtlich oder regional
ausgearbeitet worden.
- 166.
- Bei bestimmten Arten von Kränen, nämlich bei Kränen von mehr als 150 t und
Raupenkränen, wurden jedoch Verrechnungstarife auf Landesebene festgesetzt.
Nach den dem Gericht vorgelegten Protokollen wurden die Verrechnungstarife in
Sitzungen festgelegt, bei denen alle Mitglieder der FNK, die solche Kräne
betrieben, anwesend waren (Protokoll der Sitzung der Unternehmen, die
Raupenkräne betreiben, vom 15. Februar 1979, Nr. 4). Die Sitzungen wurden
grundsätzlich am Sitz der FNK in Anwesenheit des Direktors der FNK, De Blank,
abgehalten; die Protokolle dieser Sitzungen wurden auf Papier mit dem Briefkopf
der FNK angefertigt.
- 167.
- Die Festsetzung eines Verrechnungstarifs auf nationaler Ebene war eher die
Ausnahme als die Regel. Die Direktion der FNK wünschte jedoch, daß
Verrechnungstarife für die anderen Kräne ebenfalls auf Landesebene festgesetzt
werden sollten (Protokoll der Sitzung der Region Noord Holland vom 4. September
1989, Nr. 5: „Was die Direktion am meisten wünscht, ist, daß ein einziger
Verrechnungstarif für das ganze Land erreicht wird“). Aus praktischen Gründen
konnte jedoch die Festsetzung nationaler Verrechnungstarife für andere Kräne als
solche mit mehr als 150 t und Raupenkräne nicht durchgeführt werden. Die
Direktion der FNK führte daher aus: „... Die Anzahl der Unternehmen, die Kräne
von 100 t bis 150 t betreiben, ist zu groß, um Vereinbarungen auf Landesebene zu
treffen. Die Direktion hat daher beschlossen, daß Vereinbarungen auch für diese
Kräne innerhalb der Regionen auszuarbeiten sind ...“ (Protokolle der Sitzung der
Region West Brabant Zeeland vom 15. Oktober 1990, Nr. 7; siehe auch Protokoll
der Sitzung der Unternehmen, die hydraulische Kräne von mehr als 150 t
betreiben, vom 25. September 1990, Nr. 6, und vom 26. November 1991, Nr. 6).
- 168.
- Somit entschied die FNK selbst, ob ein Verrechnungstarif auf nationaler Ebene
oder auf regionaler Ebene festzusetzen war.
- 169.
- Zur Beteiligung der FNK an der Ausarbeitung regionaler Verrechnungstarife ist
von Belang, daß nach der Satzung der FNK die Regionen Abteilungen der FNK
darstellten (Artikel 16 der Satzung), daß die Protokolle der Sitzungen der Regionen
auf Papier mit dem Briefkopf der FNK erstellt wurden und daß der Direktor der
FNK, De Blank, an allen Sitzungen der Regionen teilnahm, deren Protokolle dem
Gericht vorgelegt worden sind und in denen die Verrechnungstarife erörtert
wurden. Er hat im übrigen mehrfach in regionalen Sitzungen die Mitglieder der
betreffenden Region von den in anderen Regionen festgesetzten
Verrechnungstarifen unterrichtet (z. B. Protokoll der Sitzung der Region West
Brabant Zeeland vom 4. März 1991, Nr. 5; Protokoll der Sitzung der Region
Midden Nederland vom 28. Februar 1991, Nr. 4; Protokoll der Sitzung der Region
Noord Holland vom 24. September 1990, Nr. 7, und Protokoll der Sitzung der
Region Noord Nederland vom 26. September 1988, Nr. 5). Er hat auf diese Weise
aktiv bei der Festsetzung der Verrechnungstarife in bestimmten Regionen
mitgearbeitet. Zudem geht aus dem Protokoll der Region Midden Nederland vom
28. Februar 1991 (Nr. 4) hervor, daß ein Rundschreiben der FNK in bezug auf die
Verrechnungstarife in bestimmten Fällen zu einer Erhöhung der Preise führte.
- 170.
- Nach allem war die FNK aktiv an der Ausarbeitung der Verrechnungstarife
beteiligt, unabhängig davon, ob sie für das ganze Land oder für eine oder für
bestimmte Regionen festgesetzt wurden. Selbst wenn die FNK als Vereinigung
nicht einseitig Tarife festsetzte, sondern die von den Kranvermietungsunternehmen
untereinander auf ihren Sitzungen vereinbarten Verrechnungstarife registrierte
(Protokoll der Sitzung der Direktion der FNK vom 4. April 1990, Nr. 8), entsprach
doch die Festsetzung der Verrechnungstarife innerhalb einer Region oder auf
nationaler Ebene dem Willen der FNK, das Verhalten ihrer Mitglieder auf dem
Markt zu koordinieren (vgl. Urteil Verband der Sachversicherer/Kommission,
a. a. O., Randnr. 32).
- 171.
- Somit ist der Kommission kein Beurteilungsfehler unterlaufen, als sie der FNK in
Artikel 1 der streitigen Entscheidung die Verantwortung für die Verrechnungstarife
zuschrieb.
- 172.
- Nach allem ist die dritte Rüge des zweiten Klagegrundes ebenfalls zurückzuweisen.
Vierte Rüge: Fehler bei der Beurteilung der Beeinträchtigung des Handelsverkehrs
zwischen Mitgliedstaaten
Parteivorbringen
- 173.
- Die Klägerinnen machen geltend, daß die in den Artikeln 1 und 3 der streitigen
Entscheidung beanstandeten Verhaltensweisen nicht geeignet seien, den Handel
zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen (Urteil des Gerichtshofes vom 25.
Oktober 1979 in der Rechtssache 22/79, Greenwich Film Production, Slg. 1979,
3275, Randnr. 11, Urteil des Gerichts vom 24. Oktober 1991 in der Rechtssache
T-2/89, Petrofina/Kommission, Slg. 1991, II-1087, Randnr. 222). Der Markt der
Vermietung mobiler Kräne beschränke sich wegen seiner geringen Mobilität unddes „Overnight contracting“ auf das Gebiet der Niederlande, so daß der
zwischenstaatliche Handel nicht erheblich beeinträchtigt werde (Urteil des
Gerichtshofes vom 31. Mai 1979 in der Rechtssache 22/78, Hugin/Kommission, Slg.
1979, 1869). Daß zu den Beschwerdeführern zwei in einem anderen Mitgliedstaat
niedergelassene Unternehmen gehörten, reiche nicht aus, um darzutun, daß der
zwischenstaatliche Handel durch die streitigen Verhaltensweisen beeinträchtigt
werden könne. Insbesondere in bezug auf die SCK machen die Klägerinnen
geltend, daß das Zertifizierungssystem den Unternehmen aus anderen
Mitgliedstaaten in nichtdiskriminierender Weise offenstehe, sofern sie die
Anforderungen des Zertifizierungssystems erfüllten. Das System fördere daher
durch seine Offenheit das Vordringen der ausländischen Unternehmen auf den
niederländischen Markt. Was die FNK angehe, so sei diese an der Vorbereitung
der Verrechnungstarife, die nur auf örtlicher oder regionaler Ebene gegolten
hätten, nur mittelbar beteiligt gewesen. Im übrigen hätten diese Tarife nur die
Unternehmen betroffen, die sie ausgearbeitet hätten. Sie hätten daher keine
Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handelsverkehr im Bereich der mobilen
Kräne.
- 174.
- Die Kommission erwidert, selbst wenn die mobilen Kräne nur in einem Umkreis
von 50 km befördert werden könnten, sei es gut möglich, daß der Handelsverkehr
zwischen Mitgliedstaaten in der belgischen und der deutschen Grenzregion
beeinträchtigt worden sei. Der Umstand, daß zwei belgische Unternehmen zu den
Beschwerdeführern gehörten, zeige, daß der betreffende Markt nicht auf das
niederländische Gebiet beschränkt sei.
Würdigung durch das Gericht
- 175.
- Nach ständiger Rechtsprechung sind Beschlüsse, Vereinbarungen oder
Verhaltensweisen nur dann geeignet, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu
beeinträchtigen, wenn sich anhand objektiver rechtlicher oder tatsächlicher
Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit voraussehen läßt, daß sie
unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell den Warenverkehr zwischen
Mitgliedstaaten in einer Weise beeinflussen, die befürchten läßt, daß sie die
Verwirklichung eines einheitlichen Marktes zwischen Mitgliedstaaten behindern
(vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 29. Oktober 1980 in der Rechtssache 209/78
bis 215/78 und 218/78, Van Landewyck u. a./Kommission, Slg. 1980, 3125,
Randnr. 170, und vom 17. Juli 1997 in der Rechtssache C-219/95 P, Ferriere
Nord/Kommission, Slg. 1997, I-4411, Randnr. 20).
- 176.
- Die Ansicht der Klägerinnen, der zwischenstaatliche Handelsverkehr könne durch
die in der streitigen Entscheidung angesprochenen Verhaltensweisen nicht
beeinträchtigt werden, da auf dem Sektor der Vermietung mobiler Kräne jeder
Handel zwischen Mitgliedstaaten ausgeschlossen sei, ist unzutreffend.
- 177.
- Es steht nämlich fest, daß die mobilen Kräne einen Aktionsradius von ungefähr
50 km haben. Ein zwischenstaatlicher Handelsverkehr kann sich daher in den
Grenzregionen der Niederlande entwickeln. Dem entspricht es, daß zwei nahe der
niederländischen Grenze niedergelassene belgische Unternehmen zu den
Unternehmen gehören, die bei der Kommission eine Beschwerde gegen die SCK
und die FNK eingelegt haben. Es ist nicht anzunehmen, daß diese Unternehmen
einen solchen Schritt unternommen hätten, wenn sie über keine Möglichkeit verfügt
hätten, auf dem niederländischen Markt aufzutreten.
- 178.
- Das weitere Vorbringen der Klägerinnen stellt die Möglichkeit eines
zwischenstaatlichen Handelsverkehrs nicht in Frage, sondern soll dartun, daß es
ausgeschlossen sei, daß dieser durch das Zumietverbot und das System der
Richtpreise und Verrechnungstarife erheblich beeinflußt werde.
- 179.
- Den Wettbewerb beschränkende Verhaltensweisen, die sich auf das gesamte
Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erstrecken, haben schon ihrem Wesen nach die
Wirkung, die Abschottung der Märkte auf nationaler Ebene zu verfestigen, indem
sie die vom EG-Vertrag gewollte wirtschaftliche Verflechtung behindern (Urteile
Vereniging van Cementhandelaren/Kommission, a. a. O., Randnr. 29, und Remia
u. a./Kommission, a. a. O., Randnr. 22, Urteil des Gerichts vom 21. Februar 1995
in der Rechtssache T-29/92, SPO u. a./Kommission, Slg. 1995, II-289, Randnr. 229).
- 180.
- Im vorliegenden Fall ist unbestritten, daß das Zumietverbot der SCK und die
Richtpreise der FNK für die gesamten Niederlande gelten. Das gleiche gilt für
bestimmte Verrechnungstarife (siehe Randnr. 166). Daher beeinträchtigen diese
den Wettbewerb beschränkenden Verhaltensweisen (siehe Randnrn. 141 bis 150
und 157 bis 164) schon ihrem Wesen nach den zwischenstaatlichen Handelsverkehr.
Im übrigen hat die SCK in ihrer Anmeldung zum Zweck der Erlangung eines
Negativattests oder einer Freistellung gemäß Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag
(siehe Randnr. 7) selbst eingeräumt, daß die Regelung über die Zertifizierung von
Kranvermietungsunternehmen den Handelsverkehr zwischen Mitgliedstaaten
nachteilig beeinflussen könnte (Nr. 4.3 der Anmeldung).
- 181.
- Zur Frage, ob die in den Artikeln 1 und 3 der streitigen Entscheidung
angesprochenen Praktiken den zwischenstaatlichen Handel erheblich beeinflussen
können, ist von Belang, daß sich die Beteiligten zwar nicht über den genauen
Marktanteil absprechen, den die Mitglieder der FNK und die von der SCK
zertifizierten Unternehmen halten, daß die Klägerinnen jedoch selbst eingeräumt
haben, daß 1991 die von der SCK zertifizierten Unternehmen 37 % und die
Mitglieder der FNK ungefähr 40 % des niederländischen Marktes der Vermietung
mobiler Kräne eingenommen haben. Selbst wenn der Anteil der von der SCK
zertifizierten Unternehmen oder der Mitglieder der FNK „nur“ 37 % oder 40 %
des niederländischen Marktes ausmachte, waren die Klägerinnen von ihrem
Zuschnitt und ihrer Wirtschaftskraft her so groß, daß ihre in der streitigen
Entscheidung angesprochenen Verhaltensweisen (zu denen das Zumietverbot und
in den gesamten Niederlanden anwendbare Richtpreise gehörten) geeignet waren,
den Handel zwischen Mitgliedstaaten erheblich zu beeinflussen (Urteil des
Gerichtshofes vom 1. Februar 1978 in der Rechtssache 19/77, Miller/Kommission,
Slg. 1978, 131, Randnr. 10).
- 182.
- Somit ist die vierte Rüge des zweiten Klagegrundes zurückzuweisen.
- 183.
- Nach allem ist der Klagegrund eines Verstoßes gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag insgesamt zurückzuweisen.
Dritter Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag
Parteivorbringen
- 184.
- Die Klägerinnen machen hilfsweise geltend, die Kommission habe dadurch gegen
Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag verstoßen, daß sie Artikel 85 Absatz 1 nicht für
auf den vorliegenden Fall unanwendbar erklärt habe, denn das
Zertifizierungssystem der SCK, die Veröffentlichung der Richtpreise und der
geschätzten Kosten sowie die Festsetzung von Verrechnungstarifen hätten alle
Voraussetzungen des Artikels 85 Absatz 3 erfüllt.
Die Weigerung der Kommission, das Zumietverbot der SCK freizustellen
- 185.
- Die Klägerinnen machen geltend, das Zertifizierungssystem verbessere die Lage der
Vermietungsunternehmen mobiler Kräne, indem es zur Einführung eines
transparenten Marktes beitrage, auf dem sich Unternehmen betätigten, die die
gesetzlichen Voraussetzungen übersteigenden Qualitätsanforderungen genügten.
Diese Überlegenheit des Zertifizierungssystems (siehe Randnr. 128), verstärkt
durch eine Kontrollpolitik, die viel aktiver sei als die gesetzlich vorgesehenen
Kontrollen, komme letztlich den Auftraggebern zugute. Da diese in der SCK
vertreten seien, sei im übrigen offensichtlich ein gerechter Anteil am „Gewinn“ aus
dem Zertifizierungssystem den Benutzern vorbehalten. Aus den bereits
angegebenen Gründen (Randnr. 126) sei das Zumietverbot das einzige Mittel, die
Kohärenz des Zertifizierungssystems unter den besonderen Voraussetzungen des
betreffenden Marktes aufrechtzuerhalten, so daß diese mögliche Beschränkung des
Wettbewerbs unerläßlich sei, um das Ziel der Einführung eines
Zertifizierungssystems zu erreichen. Anstatt den Wettbewerb zu beseitigen,
verstärke ihn das Zertifizierungssystem dadurch, daß es einen harten Wettbewerb
zwischen zertifizierten Unternehmen beim Preis und anderen Bedingungen
ermögliche, indem es ein hohes Qualitätsniveau auf einem transparenten Markt
gewährleiste, ohne dabei die Möglichkeit des Wettbewerbs zwischen den
zertifizierten Unternehmen und den nichtzertifizierten Unternehmen zu
beeinträchtigen.
- 186.
- Die Kommission erwidert, aus Abschnitt 37 der Begründungserwägungen der
streitigen Entscheidung gehe hervor, daß zwei von vier Voraussetzungen des
Artikels 85 Absatz 3 EG-Vertrag nicht erfüllt seien. In bezug auf die Voraussetzung
des Beitrags zur Verbesserung der Erzeugung oder Verteilung sei nicht dargetan,
daß das Zertifizierungssystem einen höheren Wert schaffe. Jedenfalls hätten die
den Mitgliedsunternehmen auferlegten Beschränkungen und die sich daraus
ergebenden Nachteile für die nichtangeschlossenen Unternehmen eindeutig die
möglichen Vorteile überwogen. Die Voraussetzungen der Zertifizierung eines
Kranvermietungsunternehmens seien nämlich größtenteils rechtliche
Verpflichtungen, die der Kontrolle mehrerer Stellen unterlägen. Auch habe die
SCK auf Verfahrensebene keine aktivere Kontrollpolitik betrieben als die Keboma.
Schließlich seien die verfügten Beschränkungen zur Erreichung der mit dem
Zertifizierungssystem der SCK angestrebten Ziele nicht unerläßlich; hierzu verweist
die Kommission auf ihr in Randnummer 130 wiedergegebenes Vorbringen.
Die Weigerung der Kommission, das System der Richtpreise und
Verrechnungstarife freizustellen
- 187.
- Die Klägerinnen sind der Ansicht, daß auch die Veröffentlichung der Richtpreise
und der Kostenschätzungen die Voraussetzungen des Artikels 85 Absatz 3 EG-Vertrag erfülle. So sei in der Entscheidungspraxis der Kommission (vgl.
Entscheidung 93/174/EWG der Kommission vom 24. Februar 1993 in einem
Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag [IV/34.494 „Tarifstrukturen im
kombinierten Güterverkehr“; ABl. L 73, S. 38] und Verordnung [EWG] Nr.
3932/92 der Kommission vom 21. Dezember 1992 über die Anwendung von Artikel
85 Absatz 3 EWG-Vertrag auf bestimmte Gruppen von Vereinbarungen,
Beschlüssen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Bereich der
Versicherungswirtschaft [ABl. L 398, S. 7]) anerkannt, daß das Vorhandensein einer
Tarifstruktur zur Transparenz des Marktes und zum wirtschaftlichen Fortschritt auf
dem betreffenden Sektor beitrage, da die Auftraggeber die dort tätigen
Unternehmen besser miteinander vergleichen könnten. Die Auftraggeber erhielten
daher einen gerechten Anteil an diesem Gewinn. Eine solche Transparenz des
Marktes könne nur durch die Veröffentlichung dieser Tarife erreicht werden, so
daß eine davon herrührende Wettbewerbsbeschränkung unerläßlich sei. Schließlich
führe diese Veröffentlichung nicht zur Aufhebung eines wesentlichen Teils des
Wettbewerbs, da die veröffentlichten Tarife nicht verbindlich seien und den
Marktbeteiligten somit die Freiheit ließen, davon abzuweichen und miteinander in
Wettbewerb zu treten.
- 188.
- Für die Verrechnungstarife müsse ebenfalls eine Freistellung gemäß Artikel 85
Absatz 3 EG-Vertrag erteilt werden. Die Lage der Vermieter mobiler Kräne sei
derjenigen der Banken vergleichbar, da sie durch die Vermietung regelmäßig
untereinander in wechselseitige Beziehungen einträten. Da die Kommission Artikel
85 Absatz 1 für auf eine Tarifierungsvereinbarung zwischen Banken für
Dienstleistungen, die sie sich wechselseitig erbringen, nicht anwendbar erklärt habe
(Entscheidung 87/103/EWG der Kommission vom 12. Dezember 1986 betreffend
ein Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag [IV/31.356 ABI; ABl. 1987, L 43,
S. 51]), müßten die Klägerinnen bei der Erstellung der Verrechnungstarife ebenso
behandelt werden. Diese Tarife führten zu einer Verbesserung der Erzeugung,
indem sie einen Gewinn an Effizienz erzielten, denn mit ihnen würden
Preisverhandlungen jedesmal dann, wenn Kranvermietungsunternehmen einen Kran
bei einem anderen zertifizierten Unternehmen zumieteten, vermieden. Dieser
Effizienzgewinn komme im übrigen den Auftraggebern zugute, so daß ein gerechter
Anteil des Gewinns an die Kunden weitergegeben werde. Schließlich werde der
Wettbewerb nicht zu einem wesentlichen Teil beseitigt, denn bei einem bestimmten
Geschäft stehe es allen an der Ausarbeitung der Verrechnungstarife Beteiligten
stets frei, einen anderen Preis anzuwenden oder auf die Vermietung zu verzichten.
- 189.
- Die Kommission verweist auf Abschnitt 34 der Begründungserwägungen der
streitigen Entscheidung. Weiter könne sich die FNK nicht auf die Entscheidung
93/174 berufen, denn im vorliegenden Fall fehle es an den besonderen Merkmalen
dieser Sache. Die empfohlenen Preise beträfen nämlich den Gesamtpreis und nicht
verschiedene Preisbestandteile, und der Bedarf an Transparenz auf dem Markt der
Vermietung mobiler Kräne sei nicht so erheblich wie auf dem Markt, um den es
in dieser Entscheidung gegangen sei. Schließlich könne sich die FNK auch nicht auf
die Entscheidung über die Tarife im Verkehr zwischen den Banken berufen, um
die Unerläßlichkeit ihrer Verrechnungstarife darzutun. Die Situation der
Unternehmen, die mobile Kräne vermieteten, unterscheide sich in mehreren
Punkten von derjenigen der Banken: Die Banken befänden sich in einer Situation
der Zwangspartnerschaft, denn sie müßten bei der Ausführung einer Überweisung
mit der von ihren Kunden gewählten Bank zusammenarbeiten, während die
Unternehmen, die mobile Kräne vermieteten, ihren Subunternehmer selbstauswählten; die Banken müßten eine viel größere Anzahl von Geschäften tätigen;
schließlich seien die Verrechnungstarife an Richtpreise gekoppelt, die für die
Auftraggeber gälten, während die Kommission in der Entscheidung 87/103 eine
Abstimmung der Banken über die Tarife, die auf ihre Kunden angewandt würden,
nicht zugelassen habe.
Würdigung durch das Gericht
- 190.
- Nach ständiger Rechtsprechung kann das Gericht die komplexen wirtschaftlichen
Bewertungen, die die Kommission bei der Ausübung ihres Beurteilungsspielraums
nach Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag im Hinblick auf dessen vier Voraussetzungen
vornimmt, nur darauf überprüfen, ob die Verfahrens- und Begründungsregeln
beachtet wurden, ob der Tatbestand richtig festgestellt wurde, ob kein
offenkundiger Beurteilungsfehler und kein Ermessensfehlgebrauch vorliegen (vgl.
Urteil des Gerichtshofes vom 17. November 1987 in den verbundenen
Rechtssachen 142/84 und 156/84, BAT und Reynolds/Kommission, Slg. 1987, 4487,
Randnr. 62, sowie Urteile des Gerichts CB und Europay/Kommission, a. a. O.,
Randnr. 109, und vom 15. Juli 1994 in der Rechtssache T-17/93, Matra
Hachette/Kommission, Slg. 1994, II-595, Randnr. 104, und SPO u. a./Kommission,
a. a. O., Randnr. 288).
- 191.
- Im vorliegenden Fall wird die Weigerung der Kommission, die Regelungen und
Satzungen der FNK und der SCK freizustellen, auf die Feststellung gestützt, daß
zwei der vier Voraussetzungen des Artikels 85 Absatz 3 EG-Vertrag nicht erfüllt
seien. Da die vier Voraussetzungen für die Gewährung einer Freistellung nach
Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag kumulativ sind (Urteil des Gerichtshofes vom 17.
Januar 1984 in den Rechtssachen 43/82 und 63/82, VBVB und VBBB/Kommission,
Slg. 1984, 19, Randnr. 61, und Urteil SPO u. a./Kommission, a. a. O., Randnr. 267),
war die Kommission nicht verpflichtet, jede der Voraussetzungen des Artikels 85
Absatz 3 zu prüfen.
Die Weigerung der Kommission, das Zumietverbot der SCK freizustellen
- 192.
- Aus Abschnitt 37 der Begründungserwägungen der streitigen Entscheidung geht
hervor, daß die Kommission den Freistellungsantrag für das Zertifizierungssystem
der SCK, insbesondere für das Zumietverbot, aufgrund der Feststellung abgelehnt
hat, daß die erste und die dritte Voraussetzung des Artikels 85 Absatz 3 EG-Vertrag nicht erfüllt seien. Das Zertifizierungssystem der SCK sei den gesetzlichen
Anforderungen weder in der Sache noch auf der Ebene des Verfahrens wirklich
überlegen. Das System trage daher nicht zur Verbesserung der Erzeugung oder zur
Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts bei (erste
Voraussetzung des Artikels 85 Absatz 3 EG-Vertrag). Selbst wenn jedoch das
Zertifizierungssystem Vorteile verschaffte, die die davon herrührenden Nachteile
für die nichtzertifizierten Unternehmen überwögen, sei das Zumietverbot für das
Funktionieren des Systems nicht unerläßlich (dritte Voraussetzung des Artikels 85
Absatz 3).
- 193.
- Nach Ansicht der Klägerinnen hat die Kommission gegen Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag verstoßen. Das Zertifizierungssystem der SCK sei in einer Weise überlegen,
die die angebliche Wettbewerbsbeschränkung aufgrund des Zumietverbots
rechtfertige. So kontrolliere zum einen die SCK die gesetzlichen Anforderungen
aktiver als die Keboma, die die öffentliche Kontrollstelle für Kräne in den
Niederlanden sei; zum anderen stelle das Zertifizierungssystem der SCK sowohl auf
technischer Ebene als auch auf der Ebene der Unternehmensverwaltung
Voraussetzungen auf, die über die gesetzlichen Voraussetzungen hinausgingen.
- 194.
- Was zunächst die angeblich wirksamere Kontrolle der gesetzlichen Anforderungen
durch die SCK angeht (die angebliche Überlegenheit des Verfahrens), ist erheblich,
daß es grundsätzlich Sache der Behörden und nicht privater Einrichtungen ist, die
Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften zu überwachen (Urteil des Gerichts vom
12. Dezember 1991 in der Rechtssache T-30/89, Hilti/Kommission, Slg. 1991,
II-1439, Randnr. 118). Eine Ausnahme von dieser Regel kann dann geduldet
werden, wenn die Behörden die Überwachung der Einhaltung der
Rechtsvorschriften einer privaten Einrichtung übertragen haben. Im vorliegenden
Fall hat die SCK jedoch ein Kontrollsystem parallel zur Überwachung durch die
öffentlichen Stellen eingerichtet, ohne daß eine irgendwie geartete Übertragung der
von den öffentlichen Stellen ausgeübten Kontrolle auf die SCK erfolgt wäre. Im
übrigen wird die Ausführung in Abschnitt 37 Absatz 2 der Begründungserwägungen
der streitigen Entscheidung, wonach „auch Unternehmen, die nicht am
Zertifizierungssystem der SCK teilhaben, den Nachweis erbringen [können], daß sie
die gesetzlichen Anforderungen erfüllen“, von den Klägerinnen nicht ernsthaft
bestritten. So ist nicht dargetan, daß die Kontrolle der gesetzlichen Anforderungen
durch die öffentlichen Stellen Lücken aufwiese, die die Einrichtung eines privaten
Kontrollsystems erforderlich machen könnten. Selbst wenn nachgewiesen wäre, daß
die Kontrolle der gesetzlichen Anforderungen durch die SCK wirksamer als die
Kontrolle der niederländischen öffentlichen Stellen wäre, hätten die Klägerinnen
nicht dargetan, daß das gesetzliche Kontrollsystem unzureichend wäre. Die SCK,
die 1985 gegründet wurde, fügte erst am 1. Januar 1993 das Zumietverbot in ihre
Zertifizierungsregelung ein. Auf eine Frage des Gerichts in der mündlichen
Verhandlung haben die Klägerinnen eingeräumt, daß sich vor der Einführung des
Zumietverbots kein Auftraggeber bei der SCK darüber beschwert hat, daß ein
zertifiziertes Unternehmen von nichtzertifizierten Unternehmen Kräne angemietet
hat, die notwendigerweise nur den Kontrollen durch öffentliche Stellen unterlagen.
Unter diesen Umständen durfte die Kommission zu Recht die Auffassung
vertreten, daß „die den angeschlossenen Unternehmen auferlegten Beschränkungen
und die daraus resultierenden Nachteile für nichtangeschlossene Unternehmen
eindeutig schwerer wiegen als die von der SCK angeführten etwaigen Vorteile“
(Abschnitt 37 Absatz 2 der Begründungserwägungen der streitigen Entscheidung).
Daher war die Beurteilung der Kommission, daß die angebliche Überlegenheit des
Verfahrens des Zertifizierungssystems die erste Voraussetzung des Artikels 85
Absatz 3 EG-Vertrag nicht erfüllte, zumindest nicht offensichtlich fehlerhaft.
- 195.
- Zur angeblichen sachlichen Überlegenheit des Zertifizierungssystems der SCK
aufgrund des Umstands, daß dieses System Voraussetzungen sowohl auf technischer
Ebene als auch auf der Ebene der Unternehmensführung aufstelle, die über die
gesetzlichen Anforderungen hinausgingen, heißt es in der streitigen Entscheidung:
„Es konnte nicht nachgewiesen werden, daß das SCK-Zertifizierungssystem den
geltenden einschlägigen Rechtsvorschriften etwas Wesentliches hinzufügt. Die den
angeschlossenen Unternehmen auferlegten Pflichten sind nahezu identisch mit den
geltenden gesetzlichen Vorschriften ...“ (Abschnitt 37 Absatz 1 der
Begründungserwägungen). So seien die meisten von der SCK aufgestellten
Sicherheitsanforderungen bereits im niederländischen Recht vorgeschrieben. Das
gleiche gelte für die „Anforderungen der SCK, die nicht die Sicherheit betreffen,
wie die Abführung der Lohnsteuer und der Sozialabgaben, die Mitgliedschaft in der
Handelskammer, de[n] Abschluß einer Haftpflichtversicherung, de[n] Nachweis der
Kreditwürdigkeit und die Anwendung der Tarifverträge“ (Abschnitt 37 Absatz 3 der
Begründungserwägungen). Die Kommission führt weiter aus: „Über die gesetzlichen
Vorschriften hinaus geht die SCK mit ihren Anforderungen an die Art der
Unternehmensführung, doch reicht dies allein nicht aus, um die auferlegten
Wettbewerbsbeschränkungen zu rechtfertigen“ (Abschnitt 37 Absatz 3 a. E. der
Begründungserwägungen).
- 196.
- Die Rechtmäßigkeit der Entscheidung, mit der eine Freistellung abgelehnt wird, ist
anhand des Vorbringens der Beteiligten in der Anmeldung in der im
Verwaltungsverfahren vorgetragenen Form zu beurteilen (vgl. Urteil des
Gerichtshofes vom 17. Januar 1995 in der Rechtssache C-360/92 P, Publishers
Association/Kommission, Slg. 1995, I-23, Randnrn. 39 bis 41).
- 197.
- Die SCK erläuterte in ihrer Anmeldung, daß das Zertifizierungssystem den
Unternehmen drei Arten von Verpflichtungen auferlege: Es handele sich um
(erstens) Anforderungen an die mobilen Kräne, (zweitens) allgemeine
Verpflichtungen in bezug auf das Unternehmen und (drittens) Anforderungen an
das Personal des Unternehmens.
- 198.
- In bezug auf die erste Gruppe von Anforderungen, die den
„Sicherheitsanforderungen“ der streitigen Entscheidung entspricht, führt die SCK
in ihrer Anmeldung ausdrücklich aus, daß diese „auch nach den nationalen
Rechtsvorschriften gelten“ (Nr. 26 der Anmeldung). Das gleiche gelte für die
Anforderungen an das Personal des Unternehmens. Sie führt nämlich in ihrer
Anmeldung aus: „... Es handelt sich ... um Anforderungen, die bereits durch das
Gesetz gestellt werden. Die SCK möchte den zertifizierten Unternehmen nur den
Nachweis ermöglichen, daß sie diese gesetzlichen Verpflichtungen erfüllen“ (Nr. 28
der Anmeldung).
- 199.
- Zu den allgemeinen Anforderungen an das Unternehmen führt die SCK in ihrer
Anmeldung aus: „[Sie] betreffen die steuerlichen Verpflichtungen, die
Versicherungspflicht und die Zahlungsfähigkeit. Auch hier ergeben sich die
Anforderungen an die Unternehmen bereits zum großen Teil aus dem nationalen
Recht; die Zertifizierung bietet eine erhöhte Garantie dafür, daß diese gesetzlichen
Anforderungen tatsächlich eingehalten werden. Dies gilt insbesondere für die
Anforderungen in bezug auf die Abführung der Steuern, die Eintragung ins
Handelsregister und die Versicherungspflicht“ (Nr. 27 der Anmeldung). Die SCK
erwähnt in ihrer Anmeldung nur drei über das Gesetz hinausgehende
Verpflichtungen der zertifizierten Unternehmen: Eine Anforderung in bezug auf
die Mindestzahlungsfähigkeit und die Mindestliquidität, eine (inzwischen
aufgehobene) Verpflichtung, die allgemeinen Bedingungen der FNK anzuwenden,
und eine Verpflichtung, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen.
- 200.
- Zur angeblichen Überlegenheit des Zertifizierungssystems ist festzustellen, daß sich
die SCK in ihrer Anmeldung auf die Notwendigkeit einer verstärkten Kontrolle der
bestehenden rechtlichen Anforderungen (Überlegenheit des Verfahrens) anstatt auf
eine sachliche Überlegenheit konzentrierte. Zur sachlichen Überlegenheit hat die
Kommission in ihrer streitigen Entscheidung (siehe Randnr. 195) die von der SCK
in ihrer Anmeldung vertretene Ansicht (siehe Randnrn. 198 und 199), daß die
Verpflichtungen aufgrund des Zertifizierungssystems der SCK in etwa den
geltenden rechtlichen Vorschriften entsprächen, getreu wiedergegeben.
Grundsätzlich dürfte diese Feststellung für die Widerlegung der Behauptung
ausreichen, daß der Kommission ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen
sei, als sie die Ansicht vertreten habe, daß das Zertifizierungssystem der SCK
sachlich den gesetzlichen Anforderungen nicht überlegen sei.
- 201.
- Im Verwaltungsverfahren legten die Klägerinnen jedoch größeres Gewicht auf die
angebliche sachliche Überlegenheit des Systems. In ihrer Antwort auf die
Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 16. Dezember 1992 vertraten sie unter
Bezugnahme auf eine dieser Antwort als Anlage 3 beigefügte Tabelle die Ansicht,
daß das Zertifizierungssystem eine Reihe im niederländischen Recht nicht
vorgesehener Sicherheits- und Leistungsanforderungen stelle (Nr. 9 der Antwort auf
die Mitteilung der Beschwerdepunkte). In ihrer Antwort auf die Mitteilung der
Beschwerdepunkte vom 21. Oktober 1994 suchten sie unter Verweisung auf
dieselbe Tabelle eine sachliche Überlegenheit darzutun (Nr. 32 der Antwort auf die
Mitteilung der Beschwerdepunkte; Anlage 19 der Klageschrift). Diese Tabelle
enthält eine Aufzählung der Bedingungen, die das Zertifizierungssystem aufstellt,
und gibt bei jeder einzelnen von ihnen an, ob sie sich aus dem Gesetz ergibt oder
über das Gesetz hinausgeht. Eine ähnliche Darstellung enthält die Klageschrift
unter den Nummern 101 bis 118 .
- 202.
- Die Auffassung, die die Klägerinnen in ihren Antworten auf die Mitteilung der
Beschwerdepunkte und in ihrer Klageschrift vertreten, ist kaum mit der
Beschreibung der Anforderungen des Zertifizierungssystems durch die SCK in ihrer
Anmeldung vereinbar (Nrn. 26 bis 28 der Anmeldung; siehe Randnrn. 198
und 199). Die Überlegenheit eines Zertifizierungssystems ergibt sich nicht einfach
daraus, daß es im Gesetz nicht vorgesehene Verpflichtungen schafft. Denn das
Zertifizierungssystem der SCK wäre nur dann wirklich überlegen gewesen, wenn
die im System aufgestellten Voraussetzungen geeignet gewesen wären, den
angestrebten Zweck zu verwirklichen, den Auftraggebern eine größere Sicherheit
zu garantieren (siehe hierzu Nrn. 80 bis 87 der Klageschrift). Die Klägerinnen
haben jedoch nicht erklärt, weshalb und inwieweit die über das Gesetz
hinausgehenden Bedingungen geeignet gewesen wären, diesen Zweck zu
verwirklichen. Mit dem alleinigen Vorbringen im Verwaltungsverfahren und in
ihrer Klageschrift, daß mehrere Anforderungen des Zertifizierungssystems über das
Gesetz hinausgingen, und der daraus gezogenen Folgerung, daß das System sachlich
überlegen sei, haben die Klägerinnen nicht dargetan, daß der Kommission ein
offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen sei, als sie die Ansicht vertrat, es sei
„nicht nachgewiesen ..., daß das SCK-Zertifizierungssystem den geltenden
einschlägigen Rechtsvorschriften etwas Wesentliches hinzufügt“ (Abschnitt 37
Absatz 1 der Begründungserwägungen der streitigen Entscheidung), und die
wenigen über das Gesetz hinausgehenden verfügten Bedingungen reichten nicht
aus, „um die auferlegten Wettbewerbsbeschränkungen zu rechtfertigen“ (Abschnitt
37 Absatz 3 a. E.).
- 203.
- Somit haben die Klägerinnen nicht dargetan, daß die Beurteilung der Kommission,
daß das Zertifizierungssystem der SCK und das damit verbundene Zumietverbotnicht die erste der vier von Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag aufgestellten
Bedingungen erfülle, mit einem offensichtlichen Fehler behaftet wäre (vgl. z. B.
Urteil Van Landewyck u. a./Kommission, a. a. O., Randnr. 185). Da alle vier
Voraussetzungen einer Freistellung gemäß Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag
kumulativ erfüllt sein müssen, braucht nicht geprüft zu werden, ob der Kommission
bei der Beurteilung der mangelnden Unerläßlichkeit des Zumietverbots im Rahmen
des Zertifizierungssystems der SCK ein offensichtlicher Fehler unterlaufen ist (vgl.
z. B. Beschluß des Gerichtshofes vom 25. März 1996 in der Rechtssache
C-137/95 P, SPO u. a./Kommission, Slg. 1996, I-1611, Randnr. 48, Urteil CB und
Europay/Kommission, a. a. O., Randnrn. 110 und 115).
- 204.
- Daher ist der Klagegrund, der auf Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag gestützt wird,
zurückzuweisen, soweit er sich auf das Zumietverbot bezieht.
Die Weigerung der Kommission, das System der Richtpreise und
Verrechnungstarife freizustellen
- 205.
- Die Kommission stützt ihre Ablehnung der Freistellung des Systems der Richtpreise
und Verrechnungstarife der FNK auf die Feststellung, daß die ersten beiden
Voraussetzungen des Artikels 85 Absatz 3 EG-Vertrag nicht erfüllt seien. So führt
sie in Abschnitt 34 der Begründungserwägungen der streitigen Entscheidung aus:
„Es konnte nicht nachgewiesen werden, daß die Verpflichtung zur Anwendung
.annehmbarer' Tarife ungeachtet der vermeintlich angestrebten größeren
Markttransparenz zur Verbesserung des Kranvermietungsgewerbes beiträgt und daß
die Kunden Unternehmen, die Hebekräne mieten angemessen an dem
entstehenden Gewinn beteiligt werden. Die berechneten Richtpreise und
Verrechnungstarife, die die FNK festgelegt hatte, um den Begriff .annehmbar' zu
präzisieren, lagen im Gegenteil nach [einer] Unternehmensstudie in der Regel über
den marktüblichen Tarifen. Der Grund dafür liegt der Untersuchung zufolge in
dem Umstand, daß .man es auf dem Markt mit Wettbewerb zu tun hat'.“
- 206.
- Nach ständiger Rechtsprechung ist es, wenn eine Freistellung gemäß Artikel 85
Absatz 3 EG-Vertrag beantragt wird, Sache der anmeldenden Unternehmen, der
Kommission die Anhaltspunkte zu liefern, aus denen sich ergibt, daß die vier
Voraussetzungen nach diesem Artikel erfüllt sind (Urteile VBVB und
VBBB/Kommission, a. a. O., Randnr. 52, und Matra Hachette/Kommission,
a. a. O., Randnr. 104).
- 207.
- Zu den Verrechnungstarifen hat die FNK in dem Kapitel ihrer Anmeldung, das
sich mit Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag befaßt, nur ausgeführt, daß diese Tarife
den Wettbewerb nicht beseitigten (Nr. 25 der Anmeldung). Auch in ihren
Antworten auf die Mitteilungen der Beschwerdepunkte vom 16. Dezember 1992
und vom 21. Oktober 1994 haben die Klägerinnen für die Würdigung der
Verrechnungstarife unter dem Gesichtspunkt des Artikels 85 Absatz 3 EG-Vertrag
nichts Neues vorgetragen. Obwohl das Vorbringen der Klägerinnen im
Verwaltungsverfahren vollkommen ihrer Darstellung entsprach, daß die Festsetzung
der Verrechnungstarife nicht durch die FNK erfolgt sei (Nr. 19 der Anmeldung der
FNK), haben sie bei der Kommission nichts Überzeugendes dafür vorgetragen, daß
in bezug auf das System der Verrechnungstarife die ersten drei Voraussetzungen
des Artikels 85 Absatz 3 EG-Vertrag erfüllt seien. Daher können sie nicht rügen,
der Kommission sei ein offensichtlicher Beurteilungsirrtum unterlaufen, als sie die
Ansicht vertreten habe, es habe „nicht nachgewiesen werden [können]“ (Abschnitt
34 der Begründungserwägungen der streitigen Entscheidung), daß das System der
Verrechnungstarife die ersten beiden Voraussetzungen des Artikels 85 Absatz 3
EG-Vertrag erfülle.
- 208.
- Zu den Richtpreisen der FNK haben die Klägerinnen im Verfahren vor dem
Gericht ausgeführt, daß ein solches System die Transparenz des Marktes erhöhe.
Den Kunden, d. h. den Auftraggebern, komme diese Transparenz zugute. Sie
vereinfache die Vergleiche, die die Kunden zwischen den konkurrierenden
Angeboten anstellen könnten. Die beiden anderen Voraussetzungen des Artikels
85 Absatz 3 EG-Vertrag seien ebenfalls erfüllt, da die Wettbewerbsbeschränkungen
zur Erreichung dieser Ziele unerläßlich seien und da kein wesentlicher Teil des
Wettbewerbs beseitigt werde.
- 209.
- Wenn die FNK in ihrer Anmeldung die Vorteile einer angeblichen Erhöhung der
Transparenz des Marktes auch nicht angeführt hat, um die Gewährung einer
Freistellung zu rechtfertigen (Nrn. 22 bis 24 der Anmeldung), so haben die
Klägerinnen dieses Argument doch im Verwaltungsverfahren und insbesondere in
ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 21. Oktober 1994
(Nr. 28 dieser Antwort) vorgebracht.
- 210.
- Tatsächlich erhöht jedes System, in dessen Rahmen eine Vereinigung, die einen
erheblichen Teil der auf einem bestimmten Markt tätigen Unternehmen vertritt,
Preise und Tarife festsetzt und veröffentlicht, die Transparenz des Marktes. Daher
reicht der Nachweis einer Erhöhung der Transparenz des Marktes im
Zusammenhang mit einem System von Richtpreisen nicht aus, um darzutun, daß
die erste Voraussetzung des Artikels 85 Absatz 3 EG-Vertrag erfüllt sei. Im übrigen
bewegen sich das Vorbringen der Klägerinnen und die Beurteilung der Richtpreise
durch die Kommission in Abschnitt 34 der Begründungserwägungen der streitigen
Entscheidung auf verschiedenen Ebenen. Die Kommission hat nämlich niemals
bestritten, daß das System der Richtpreise die Transparenz des Marktes erhöhe.
Sie hat nur ausgeführt, daß die ersten beiden Voraussetzungen des Artikels 85
Absatz 3 EG-Vertrag „ungeachtet der vermeintlich angestrebten größeren
Markttransparenz“ nicht erfüllt seien. In diesem Zusammenhang hat sie in der
streitigen Entscheidung zu Recht die Ansicht vertreten, daß die Mitglieder der FNK
zur Einhaltung der Richtpreise verpflichtet gewesen seien (Randnrn. 159 bis 164),
da diese Richtpreise den Begriff des annehmbaren Preises, den die Mitglieder der
FNK gemäß Artikel 3 Buchstabe b von deren Geschäftsordnung anzuwenden
verpflichtet gewesen seien, näher bestimmt hätten (Abschnitt 20 der
Begründungserwägungen der streitigen Entscheidung). Im übrigen lagen diese
Preise unbestrittenermaßen über den Markttarifen (Abschnitt 34 der
Begründungserwägungen der streitigen Entscheidung und Nr. 18 der Anmeldung
der FNK).
- 211.
- Daher hat die Kommission in Abschnitt 34 der Begründungserwägungen der
streitigen Entscheidung zunächst festgestellt, daß die Preise der FNK, die zudem
über den Marktpreisen lägen, verbindlich gewesen seien, und sodann die Ansicht
vertreten, daß die möglichen Vorteile des Systems, nämlich eine Verbesserung der
Markttransparenz, die Beeinträchtigung des Wettbewerbs durch verbindliche Preise
und insbesondere einen sicheren Nachteil des Systems, da dieses eine Erhöhung der
Preise gegenüber den Marktpreisen zum Zweck habe, selbst dann nicht überwögen,
wenn das System die Transparenz verbesserte, wozu sie nicht Stellung zu nehmen
brauchte. Die Klägerinnen, die in ihrer Klageschrift lediglich vortragen, daß der
Vorteil des Systems der Richtpreise in einer Erhöhung der Markttransparenz
bestehe, haben somit nicht dargetan, daß der Kommission ein offensichtlicher
Beurteilungsfehler unterlaufen wäre, als sie die Ansicht vertrat, daß die ersten
beiden Voraussetzungen des Artikels 85 Absatz 3 EG-Vertrag „ungeachtet der
vermeintlich angestrebten größeren Markttransparenz“ (Abschnitt 34 der
Begründungserwägungen der angefochtenen Entscheidung) nicht erfüllt seien.
- 212.
- Nach allem ist der dritte Klagegrund Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag insgesamt zurückzuweisen.
Vierter Klagegrund: Verletzung der Verfahrensrechte
Parteivorbringen
- 213.
- Dieser Klagegrund umfaßt drei Rügen.
- 214.
- In der ersten Rüge vertreten die Klägerinnen die Ansicht, daß die Kommission die
Verpflichtung aus Artikel 6 EMRK verletzt habe, innerhalb eines angemessenen
Zeitraums zu entscheiden. Die lange Dauer des Verwaltungsverfahrens sei von der
Kommission absichtlich herbeigeführt worden; sie habe den Vorgang nicht
vorrangig behandelt, da er auch bei einem niederländischen Gericht anhängig
gewesen sei und da die Zuwiderhandlungen nach Verkündung des Beschlusses der
Arrondissementsrechtbank Utrecht vom 11. Februar 1992 eingestellt worden seien.
Das habe sich erst nach der Verkündung des Urteils des Gerechtshof Amsterdam
vom 9. Juli 1992 geändert, das es der SCK erlaubt habe, das Zumietverbot wieder
einzuführen. Die Klägerinnen verweisen im übrigen darauf, daß die Kommission
ihnen im Verwaltungsverfahren zwei Mitteilungen der Beschwerdepunkte übersandt
habe. Die zweite Mitteilung, die 22 Monate nach der ersten übersandt worden sei,
enthalte keine Änderung in der Würdigung des Sachverhalts und dessen rechtlicher
Qualifikation durch die Kommission. Es stelle einen schweren
Verfahrensmißbrauch dar, ein Entscheidungsverfahren ungeachtet des Umstands,
daß die Klägerinnen durch den Verzicht auf ihr Recht auf Anhörung im Oktober
1994 die Dringlichkeit hervorgehoben hätten, derart zu verzögern.
- 215.
- In der zweiten Rüge vertreten die Klägerinnen die Ansicht, die Kommission habe
Artikel 6 EMRK auch dadurch verletzt, daß sie eine Entscheidung aufgrund von
Artikel 15 Absatz 6 der Verordnung Nr. 17 erlassen habe, ohne sie mündlich
gehört zu haben.
- 216.
- In der dritten Rüge machen sie schließlich geltend, die Kommission habe ihre
Verfahrensrechte dadurch verletzt, daß sie ihnen die Akteneinsicht verweigert habe
(siehe Randnr. 24). Die Kommission könne nicht mit der Begründung, daß sie ihr
Recht auf Akteneinsicht erst in ihrer Antwort auf die Mitteilung der
Beschwerdepunkte geltend gemacht hätten, behaupten, sie hätten auf dieses Recht
verzichtet (siehe XII. Bericht über die Wettbewerbspolitik). Im übrigen sei die
Auffassung der Kommission unverhältnismäßig, denn sie entziehe dem Betroffenen
die Möglichkeit, die Verteidigung seiner Interessen im Zeitpunkt der gerichtlichen
Überprüfung der Entscheidung der Kommission bestmöglich vorzubereiten, ohne
daß deutlich wäre, welches Interesse die Kommission damit verfolge. Schließlich
beantragten die Klägerinnen nicht bloß die Einsichtnahme in den „Vorgang“,
sondern auch in die in dieser Angelegenheit zwischen den Generaldirektionen III
und IV in der Zeit vom 18. November 1993 bis zum 27. September 1994
ausgetauschten Vermerke (Randnr. 28). Obwohl solche Vermerke grundsätzlich
nicht zugänglich seien, sei eine Ausnahme von diesem Grundsatz gerechtfertigt,
denn diese Vermerke könnten der Prüfung dienen, ob in dieser Sache ein
Verfahrensmißbrauch vorliege (Schlußanträge des zum Generalanwalt bestellten
Richters Vesterdorf zum Urteil des Gerichts vom 24. Oktober 1991 in der
Rechtssache T-1/89, Rhône-Poulenc/Kommission, Slg.1991, II-867, 869 und 891).
- 217.
- Die Kommission bezieht sich für ihre Antwort auf die erste Rüge auf ihre
Klagebeantwortung in der Rechtssache T-213/95. In bezug auf die zweite Rüge
erwidert sie, mangels einer Bestimmung, die die mündliche Anhörung der
betroffenen Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen vorschriebe, und
mangels besonderer Umstände, aufgrund deren im vorliegenden Fall nur eine
Anhörung die Verfahrensrechte wirksam garantieren könnte, sei sie nicht
verpflichtet gewesen, die Klägerinnen mündlich anzuhören, nachdem sie sie bereits
schriftlich gehört habe. Zur dritten Rüge führt sie aus, daß nach der
Rechtsprechung die Akteneinsicht in Wettbewerbssachen den Adressaten der
Mitteilung der Beschwerdepunkte in die Lage versetzen solle, von den in den
Akten der Kommission vorhandenen Beweisstücken Kenntnis zu nehmen, um
aufgrund dieser Beweisstücke in zweckmäßiger Weise zu Ergebnissen Stellung
nehmen zu können, zu denen die Kommission in der Mitteilung ihrer
Beschwerdepunkte gelangt sei (Urteil des Gerichts vom 29. Juni 1995 in der
Rechtssache T-30/91, Solvay/Kommission, Slg. 1995, II-1775, Randnr. 59). Die
Klägerinnen hätten von der Möglichkeit, nach der Mitteilung der
Beschwerdepunkte Einsicht in die Akten der Kommission zu nehmen, keinen
Gebrauch gemacht; es gebe keinen Grund, ihnen in einem späteren
Verfahrensabschnitt, namentlich nicht nach dem Erlaß der streitigen Entscheidung,
Akteneinsicht zu gewähren.
Würdigung durch das Gericht
- 218.
- Die Klägerinnen haben die erste Rüge des vorliegenden Klagegrundes Verletzung
der Verpflichtung aus Artikel 6 EMRK, innerhalb eines angemessenen Zeitraums
zu entscheiden bereits in der Rechtssache T-213/95 erhoben. Diese Rüge ist aus
den in den Randnummern 53 bis 70 aufgeführten Gründen zurückzuweisen.
- 219.
- Die zweite Rüge geht dahin, daß die Klägerinnen vor dem Erlaß der Entscheidung
vom 13. April 1994 gemäß Artikel 15 Absatz 6 der Verordnung Nr. 17 durch die
Kommission hätten gehört werden müssen. Selbst wenn das Gemeinschaftsrecht die
Kommission verpflichtet hätte, die Betroffenen vor dem Erlaß einer solchen
Entscheidung mündlich anzuhören, hätte die Nichtbeachtung dieser Verpflichtung
nur die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Kommission vom 13. April 1994 und
nicht die Rechtmäßigkeit der streitigen Entscheidung betroffen, die allein im
vorliegenden Fall überprüft wird. Es ist jedoch nicht bestritten, daß die Klägerinnen
in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 21. Oktober 1994
auf eine Anhörung vor dem Erlaß der streitigen Entscheidung verzichtet haben. Die
zweite Rüge des Klagegrundes ist daher ebenfalls zurückzuweisen.
- 220.
- Die letzte Rüge geht dahin, daß die Kommission die Akteneinsicht verweigert habe.
Die Klägerinnen haben einen entsprechenden Antrag erst nach dem Erlaß der
streitigen Entscheidung gestellt. Daher konnte die Rechtmäßigkeit dieser
Entscheidung durch die Weigerung der Kommission, die beantragte Einsicht zu
gewähren, nicht beeinträchtigt werden (Urteil des Gerichts vom 6. April 1995 in der
Rechtssache T-145/89, Baustahlgewebe/Kommission, Slg. 1995, II-987, Randnr. 30).
Im übrigen haben die Klägerinnen nichts dafür vorgetragen, daß die Akten
entlastende Unterlagen enthalten könnten. Sie haben auch nicht vorgetragen, sie
hätten keine Einsicht in alle sie belastenden Unterlagen gehabt. Auch in bezug auf
den Meinungsaustausch zwischen den Generaldirektionen III und IV tragen sie
nicht vor, daß diese Vermerke, die grundsätzlich Dritten nicht zugänglich sind
(Urteil des Gerichts vom 17. Dezember 1991 in der Rechtssache T-7/89, Hercules
Chemicals/Kommission, Slg. 1991, II-1711, Randnr. 54, Urteil des Gerichtshofes
vom 6. April 1995 in der Rechtssache C-310/93 P, BPB Industries und British
Gypsum/Kommission, Slg. 1995, I-865, Randnr. 25), sie entlasten könnten. Sie
machen geltend, daß diese Vermerke im vorliegenden Fall die Feststellung eines
Verfahrensmißbrauchs ermöglichen könnten. Sie haben es jedoch in ihrer
Klageschrift nicht einmal für erforderlich erachtet, den Klagegrund eines
Verfahrensmißbrauchs vorzubringen, um die Rechtswidrigkeit der streitigen
Entscheidung darzutun.
- 221.
- Unter diesen Umständen ist die dritte Rüge des Klagegrundes ebenfalls
zurückzuweisen.
- 222.
- Aus den gleichen Gründen kann dem Antrag der Klägerinnen vom 9. Juli 1996
(Randnr. 28) auf Erlaß von Ermittlungsmaßnahmen oder prozeßleitenden
Verfügungen nicht stattgegeben werden.
- 223.
- Nach allem ist der vierte Klagegrund Verletzung der Verfahrenssrechte
insgesamt zurückzuweisen.
Fünfter Klagegrund: Verletzung des Artikels 190 EG-Vertrag
Parteivorbringen
- 224.
- Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe Artikel 190 EG-Vertrag
verletzt. Im vorliegenden Fall habe sie eine gesteigerte Begründungspflicht
getroffen, da sie sich erstmals vor dem Problem der Vereinbarkeit eines
Zertifizierungssystems mit dem Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft gesehen habe.
Sie sei auch auf die Ausführungen der Klägerinnen im Verwaltungsverfahren nicht
eingegangen. Insbesondere habe die Kommission die folgenden Punkte nicht
hinreichend begründet: die Einstufung der SCK als Unternehmen im Sinne von
Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag, und den Umstand, daß die beanstandeten
Verhaltensweisen der SCK und der FNK den Wettbewerb beschränkten und den
Handelsverkehr zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigten.
- 225.
- Die Kommission erwidert nicht eigens auf diesen Klagegrund.
Würdigung durch das Gericht
- 226.
- Nach ständiger Rechtsprechung hat die Pflicht zur Begründung von
Einzelentscheidungen den Zweck, den Betroffenen so ausreichend zu unterrichten,
daß er erkennen kann, ob die Entscheidung rechtmäßig oder mit einem Mangel
behaftet ist, der ihre Anfechtung erlaubt, und dem Gemeinschaftsrichter die
Überprüfung der Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu ermöglichen. Der
Umfang der Begründungspflicht hängt von der Art des Rechtsakts und den
Umständen ab, unter denen er erlassen wurde (siehe insbesondere Urteil des
Gerichtshofes vom 14. Februar 1990 in der Rechtssache C-350/88, Delacre
u. a./Kommission, Slg. 1990, I-395, Randnr. 15, Urteil des Gerichts vom 12. Juni
1997 in der Rechtssache T-504/93, Tiercé Ladbroke/Kommission, Slg. 1997, II-923,
Randnr. 149). So muß die Kommission ihre Überlegungen ausführlich darlegen,
wenn sie im Rahmen ihrer Entscheidungspraxis erheblich über frühere
Entscheidungen hinausgeht (Urteil des Gerichtshofes vom 26. November 1975 in
der Rechtssache 73/74, Papiers Peints/Kommission, Slg. 1975, 1491, Randnr. 31).
- 227.
- Zu prüfen ist, ob im vorliegenden Fall eine gesteigerte Begründungspflicht bestand.
Die Kommission entscheidet zwar im verfügenden Teil der streitigen Entscheidung
nur über das Zumietverbot und das System der Richtpreise und
Verrechnungstarife, hat jedoch angegeben, unter welchen Kriterien Offenheit,
Unabhängigkeit, Transparenz und Anerkennung gleichwertiger Garantien anderer
Systeme ein Zertifizierungssystem als mit Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag
vereinbar betrachtet werden kann (Abschnitt 23 der Begründungserwägungen der
streitigen Entscheidung). Die Klägerinnen können nicht geltend machen, daß die
streitige Entscheidung in bezug auf die in ihrem verfügenden Teil aufgeführten
Zuwiderhandlungen (Zumietverbot und System von Richtpreisen und
Verrechnungstarifen) erheblich über frühere Entscheidungen der Kommission
hinausginge. Zudem hat die Kommission in der streitigen Entscheidung eingehend
erläutert, weshalb das System der Richtpreise und der Verrechnungstarife sowie
das Zumietverbot Zuwiderhandlungen gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag
darstellten (Abschnitte 20 bis 31 der Begründungserwägungen) und weshalb für
diese Verhaltensweisen keine Freistellung gemäß Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag
gewährt werden könne (Abschnitte 32 bis 39). Desgleichen hat sie die Gründe, aus
denen sie die SCK als Unternehmen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag
ansieht, hinreichend erläutert (Abschnitt 17).
- 228.
- Die Klägerinnen bringen vor, daß die Kommission auf ihre Ausführungen im
Verwaltungsverfahren hätte eingehen müssen. Die Kommission ist zwar nach
Artikel 190 EG-Vertrag verpflichtet, die sachlichen Gesichtspunkte, von denen die
Rechtmäßigkeit der Entscheidung abhängt, sowie die rechtlichen Erwägungen
anzuführen, die sie zum Erlaß ihrer Entscheidung veranlaßt haben, braucht jedoch
nicht auf alle sachlichen und rechtlichen Gesichtspunkte einzugehen, die im
Verwaltungsverfahren erörtert worden sind (Urteile BAT und
Reynolds/Kommission, a. a. O., Randnr. 72, und Tiercé Ladbroke/Kommission,
a. a. O., Randnr. 150). Ferner ergibt sich aus den Akten nicht, daß die
Kommission einen wesentlichen Umstand nicht berücksichtigt hätte, der im
Verwaltungsverfahren vorgetragen worden wäre (vgl. Urteil Publishers
Association/Kommission, a. a. O., Randnrn. 41 und 42).
- 229.
- Somit greift der Klagegrund einer Verletzung des Artikels 190 EG-Vertrag nicht
durch.
- 230.
- Nach allem ist der Antrag auf Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung
zurückzuweisen.
3. Der Hilfsantrag auf Aufhebung oder Herabsetzung der Geldbußen
- 231.
- Die Kläger stützen ihren Hilfsantrag auf Aufhebung oder Herabsetzung der
Geldbußen auf drei Klagegründe. Mit dem ersten wird ein Verstoß gegen Artikel
15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17, mit dem zweiten eine Verletzung des
Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und mit dem dritten eine Verletzung von
Artikel 190 EG-Vertrag gerügt.
Erster Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17
Parteivorbringen
- 232.
- Die Klägerinnen vertreten die Ansicht, die Verhängung einer Geldbuße sei nicht
gerechtfertigt. Die Feststellung in Abschnitt 44 der Begründungserwägungen der
streitigen Entscheidung, es sei „ausgeschlossen, daß sich FNK und SCK nicht des
Umstands bewußt gewesen sind, daß die beanstandeten Verhaltensweisen dazu
dienten, den Wettbewerb einzuschränken, oder zumindest Einschränkungen zur
Folge haben“, sei unzutreffend.
- 233.
- Der SCK sei nicht bekannt gewesen, daß das Zumietverbot eine Einschränkung des
Wettbewerbs bezweckt oder bewirkt habe. So habe der Zertifizierungsrat
anerkannt, daß dieses Verbot das einzige Mittel zur Wahrung der Kohärenz des
Zertifizierungssystems dargestellt habe. Auch die Kommission selbst habe in ihrer
Klagebeantwortung in der Rechtssache T-213/95 die Komplexität dieses Vorgangs
sowohl auf der konzeptionellen Ebene als auch auf der Ebene der
Wettbewerbspolitik eingeräumt. Zudem habe die Kommission in einer früheren
Entscheidung angenommen, daß über eine bestimmte Art von Zuwiderhandlungen
noch nicht entschieden worden sei, sei ausreichender Grund dafür, keine
Geldbußen zu verhängen (Entscheidung 88/501/EWG der Kommission vom 26. Juli
1988 betreffend ein Verfahren nach den Artikeln 85 und 86 EWG-Vertrag [Sache
Nr. IV/31.043 Tetra Pak I] [BTG-Lizenz]; ABl. L 172, S. 27).
- 234.
- In bezug auf die FNK berufen sich die Klägerinnen, soweit es um die Richtpreise
geht, auf Artikel 5 der Verordnung (EWG) Nr. 4087/88 der Kommission vom 30.
November 1988 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag auf
Gruppen von Franchisevereinbarungen (ABl. L 359, S. 46) und auf Artikel 1
Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1534/91 des Rates vom 31. Mai 1991 über
die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag auf bestimmte Gruppen von
Vereinbarungen, Beschlüssen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im
Bereich der Versicherungswirtschaft (ABl. L 143, S. 1) sowie auf das Urteil des
Gerichtshofes vom 28. Januar 1986 in der Rechtssache 161/84 (Pronuptia, Slg. 1986,
353), wonach die bloße Anwendung von Richtpreisen, die nicht verbindlich seien,
nicht als Zuwiderhandlung gegen das Gemeinschaftsrecht betrachtet werden dürfe.
Soweit die Ausarbeitung der Verrechnungstarife der FNK zugerechnet werden
könne, habe diese annehmen dürfen, daß diese Verhaltensweise keinen Verstoß
gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag darstelle, da die Kommission bereits
zweimal vergleichbare Verrechnungsregelungen im Bankenwesen gebilligt habe
(Entscheidung 87/103 und Entscheidung 89/512/EWG der Kommission vom 19. Juli
1989 betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag [IV/31.499
Niederländische Banken]; ABl. L 253, S. 1).
- 235.
- Die Kommission weist darauf hin, daß nach ständiger Rechtsprechung die
Einstufung einer Zuwiderhandlung als vorsätzlich nicht voraussetze, daß sich das
Unternehmen des Verstoßes gegen Artikel 85 bewußt gewesen sei. Es genüge
vielmehr, daß es wissen mußte, daß das ihm zur Last gelegte Verhalten eine
Einschränkung des Wettbewerbs bezweckt habe (Urteil des Gerichtshofes vom 11.
Juli 1989 in der Rechtssache 246/86, Belasco u. a./Kommission, Slg. 1989, 2117,
Randnr. 41). Dies sei bei den Klägerinnen der Fall. Insbesondere die FNK könne
sich nicht auf das Urteil Pronuptia, die Verordnungen Nrn. 4087/88 und 1534/91
oder die Entscheidungspraxis der Kommission im Bankwesen berufen, die
freiwillige Tarifregelungen betroffen hätten, während im vorliegenden Fall die
Richtpreise und die Verrechnungstarife verbindlich und auf die Kunden anwendbar
gewesen seien.
Würdigung durch das Gericht
- 236.
- Nach ständiger Rechtsprechung können zu ahndende Verstöße gegen die
Wettbewerbsregeln vorsätzlich oder fahrlässig begangen werden; hierfür genügt es,
daß der Zuwiderhandelnde wissen mußte, daß sein Verhalten zu einer
Wettbewerbsbeschränkung führen würde (vgl,. Urteil des Gerichts vom 7. Juli 1994
in der Rechtssache T-43/92, Dunlop Slazenger/Kommission, Slg. 1994, II-441,
Randnr. 142, und die angeführte Rechtsprechung).
- 237.
- Dem Vorbringen der SCK, sie habe nicht gewußt, daß das Zumietverbot eine
Beschränkung des Wettbewerbs darstelle, kann nicht gefolgt werden. Erstens
enthalten die Akten keinen Beleg dafür, daß der Zertifizierungsrat behauptet hätte,
das Zumietverbot stelle das einzige Mittel dar, um die Voraussetzung der Kohärenz
des Zertifizierungssystems in Nr. 2.5 der Zulassungskriterien dieses Rates zu
erfüllen. Der Abschlußbericht des Zertifizierungsrates vom 22. April 1992, auf den
die Klägerinnen verweisen, stellt nur fest, daß die SCK diesen Punkt nicht mehr
einhalte, nachdem sie das Zumietverbot nach der Entscheidung des nationalen
Gerichts im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zurückgenommen habe,
ohne eine Ersatzlösung vorgesehen zu haben („Es wird festgestellt, daß die SCK
in Befolgung einer gerichtlichen Entscheidung die betreffende Bestimmung
[Zumietverbot] aufgehoben hat, jedoch noch keine andere Bestimmung erlassen
hat, die dem zugrundeliegenden Zweck entsprechen könnte, daß, wenn auf die
Kräne anderer Unternehmen zurückgegriffen wird, feststeht, daß diese Kräne auch
den Voraussetzungen genügen. Damit verstößt die SCK gegen die Voraussetzung
in Nr. 2.5 der Zulassungskriterien“).
- 238.
- Zweitens stellt der Umstand, daß die Kommission die Komplexität des Vorgangs
eingeräumt hat, ebenfalls keine Rechtfertigung der „Unkenntnis“ der SCK dar. Es
ist nämlich nicht glaubhaft, daß die SCK übersehen konnte, daß das Zumietverbot,
das eine Beeinträchtigung der Vertragsfreiheit der zertifizierten Unternehmen
darstellt und die Stellung der nichtzertifizierten Unternehmen beeinträchtigt, zu
einer Beschränkung des Wettbewerbs auf dem Markt führen und Probleme unter
dem Blickwinkel des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft schaffen konnte.
- 239.
- Drittens führt es zu keiner „Immunität“ von Unternehmen, die zuvor von der
Kommission nicht mit Sanktionen belegte Zuwiderhandlungen begangen haben, daß
die Kommission im Rahmen der Entscheidung 88/501 wegen der verhältnismäßigen
Neuartigkeit der festgestellten Verstöße keine Geldbuße verhängt hat. Denn die
Kommission entscheidet im besonderen Rahmen jedes einzelnen Vorgangs nach
ihrem Ermessen darüber, ob es angebracht ist, eine Geldbuße zu verhängen, um
die festgestellte Zuwiderhandlung zu ahnden und die Wirksamkeit desWettbewerbsrechts zu wahren. Hier ist von Belang, daß den Klägerinnen die
wettbewerbswidrigen Auswirkungen des Zumietverbots im Rahmen eines
nichtoffenen Zertifizierungssystems, das die Anerkennung von anderen Systemen
gebotener gleichwertiger Garantien nicht vorsah, bewußt gewesen sein mußten.
- 240.
- Das System der Richtpreise und der Verrechnungstarife der FNK war verbindlich
(siehe Randnrn. 159 bis 164); es betraf nicht nur die Beziehungen zwischen den
Mitgliedern der FNK (Verrechnungstarife), sondern auch die Beziehungen zwischen
diesen und den Auftraggebern (Richtpreise). Damit unterscheidet sich die
vorliegende Rechtssache grundlegend von den Fällen, die im Urteil Pronuptia,
a. a. O., in der Verordnung Nr. 4087/88 und der Verordnung Nr. 1534/91 in ihrer
Ausgestaltung durch die Verordnung Nr. 3932/92 sowie in der Entscheidungspraxis
der Kommission im Bankwesen, auf die sich die Klägerinnen berufen
(Randnr. 234), untersucht werden. Hinzu kommt, daß das System der Richtpreise
und Verrechnungstarife zur Erhöhung des Marktpreises diente (Randnrn. 163
und 164). Unter diesen Umständen mußte sich die FNK dessen bewußt sein, daß
ihr System von Richtpreisen und Verrechnungstarifen zu einer
Wettbewerbsbeschränkung führen würde.
- 241.
- Der erste Klagegrund ist daher zurückzuweisen.
Zweiter Klagegrund: Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit
Parteivorbringen
- 242.
- Die Klägerinnen machen geltend, die von der Kommission in Abschnitt 45 der
Begründungserwägungen der streitigen Entscheidung für die Bestimmung der Höhe
der Geldbuße angegebenen Gesichtspunkte träfen nicht zu. Zunächst stehe der
Betrag der Geldbuße in keinem Verhältnis zur angeblichen Störung des
gemeinsamen Marktes der Vermietung von Kränen. Dann gehe die Kommission
zu Unrecht von engen Beziehungen zwischen der SCK und der FNK aus, die
zusammen nur 40 % der auf dem Markt tätigen Unternehmen verträten und daher
keinen bedeutenden Teil des Kranvermietungsmarktes umfaßten. Schließlich habe
die FNK die Situation, die sich aus der Durchführung des Beschlusses vom 11.
Februar 1992 ergebe, trotz dessen Aufhebung in der Rechtsmittelinstanz am 9. Juli
1992 freiwillig aufrechterhalten. Eine solche Verhaltensweise hätte es gerechtfertigt,
keine Geldbuße zu verhängen (Entscheidung 79/934/EWG der Kommission vom
5. September 1979 betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag
[IV/29.021 BP Kemi DDSF] [ABl. L 286, S. 32]); sie sei zumindest ein Grund
für eine erhebliche Herabsetzung der Geldbuße.
- 243.
- Zudem seien die Geldbußen zu hoch, da die FNK und die SCK sie nicht bezahlen
könnten. Im Fall der SCK seien die kurze Dauer der Zuwiderhandlung
(Entscheidung 75/75/EWG der Kommission vom 19. Dezember 1974 betreffend ein
Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag [IV/28.851 General Motors Continental]
[ABl. 1975, L 29, S. 14]) sowie der Umstand, daß die Kommission niemals die
Anwendung des Wettbewerbsrechts auf Zertifizierungssysteme klargestellt habe
(Urteil des Gerichtshofes vom 3. Juli 1991 in der Rechtssache C-62/86,
AKZO/Kommission, Slg. 1991, I-3359, Randnr. 163), mildernde Umstände, die eine
Herabsetzung der verhängten Geldbuße rechtfertigten. Im Fall der FNK sei die
Kommission nicht berechtigt gewesen, bei der Festsetzung der Geldbuße die
Umsätze der Mitglieder zu berücksichtigen, denn die streitige Entscheidung sei an
die Vereinigung und nicht an die einzelnen Mitglieder gerichtet worden. Schließlich
müsse die gegen Artikel 6 EMRK verstoßende, übermäßige Länge des
Verwaltungsverfahrens zu einer Herabsetzung der Geldbuße führen.
- 244.
- In ihrer Stellungnahme zum Streithilfeschriftsatz verweisen die Klägerinnen noch
auf die Entscheidung 96/438/EG der Kommission vom 5. Juni 1996 in einem
Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag (IV/34.983 FENEX; ABl. L 181, S. 28),
in der die Kommission nur eine Geldbuße von 1 000 ECU verhängt habe, obwohl
die geahndete Zuwiderhandlung Merkmale aufgewiesen habe, die denjenigen der
der FNK vorgeworfenen Zuwiderhandlung vergleichbar gewesen wären.
- 245.
- Die Kommission erwidert, die Klägerinnen könnten nicht behaupten, es sei keine
Störung des Gemeinschaftsmarktes eingetreten. Die beiden Klägerinnen hielten
gemeinsam einen bedeutenden Teil des niederländischen Marktes. Sodann habe
das System der Richtpreise und Verrechnungstarife zu dem Zeitpunkt, zu dem die
FNK es auf den Beschluß des Präsidenten der Arrondissementsrechtbank Utrecht
vom 11. Februar 1992 hin abgeschafft habe, seit mehr als zehn Jahren bestanden.
Die Geldbußen seien nicht zu hoch, denn der Umsatz der Mitglieder der
Klägerinnen belaufe sich auf mehr als 200 Millionen ECU. Er trage der
verhältnismäßig kurzen Dauer der Zuwiderhandlung der SCK Rechnung.
Schließlich sei Artikel 6 EMRK nicht verletzt worden.
Würdigung durch das Gericht
- 246.
- Nach ständiger Rechtsprechung muß die Geldbuße den Umständen und der
Schwere der Zuwiderhandlung entsprechen; bei der Beurteilung der Schwere ist
insbesondere die Art der Wettbewerbsbeschränkungen zu berücksichtigen (Urteil
des Gerichts vom 14. Juli 1994 in der Rechtssache T-77/92, Parker
Pen/Kommission, Slg. 1994, II-549, Randnr. 92).
- 247.
- In Abschnitt 45 der Begründungserwägungen der streitigen Entscheidung hat die
Kommission die Schwere der Zuwiderhandlungen im Hinblick auf die Festsetzung
der gegen die Klägerin zu verhängenden Geldbuße beurteilt. Sie hat zunächst
ausgeführt, daß das Tarifsystem der FNK und das Zumietverbot der SCK „den
niederländischen Kranvermietungsmarkt auf künstliche Weise [kontrollieren und
beschränken] und somit den gemeinschaftlichen Kranvermietungsmarkt [stören]“.
Sodann hat sie den Umstand berücksichtigt, daß die Klägerinnen „untereinander
engen Kontakt halten und eine große Anzahl von Unternehmen umfassen, die
wiederum zusammen einen bedeutenden Teil des Kranvermietungsmarktes
umfassen“, und daß sie „von der Anwendung der Einschränkungen ... erst nach
einer entsprechenden richterlichen Anordnung Abstand genommen“ haben.
- 248.
- Da kein Zweifel daran bestehen kann, daß diese Gesichtspunkte für die
Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlungen erheblich sind, ist zu prüfen, ob
sie sachlich richtig festgestellt wurden.
- 249.
- Wie ausgeführt, verstoßen das Zumietverbot der SCK und das System der
Richtpreise und der Verrechnungstarife der FNK gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag. Das Zumietverbot beschränkte im Zusammenhang mit einem
Zertifizierungssystem, das nicht völlig offen ist und nicht die Anerkennung
gleichwertiger Garantien anderer Systeme vorsieht, die Wettbewerbsmöglichkeiten
der nichtzertifizierten Unternehmen, insbesondere der ausländischen Unternehmen.
Im übrigen beschränkte das Tarifsystem der FNK den Wettbewerb zwischen ihren
Mitgliedern erheblich. Die streitigen Verhaltensweisen der FNK und der SCK
haben daher den gemeinsamen Markt der Kranvermietung erheblich gestört. Zu
den Beziehungen zwischen der FNK und der SCK führen die Klägerinnen in ihrer
Klageschrift selbst aus, daß „die FNK und die SCK beinahe gleich viele Mitglieder
haben und daß es sich großenteils um die gleichen Unternehmen handelt“. Die
Kommission hat auch zu Recht vertreten, daß die Mitglieder der FNK und die von
der SCK zertifizierten Unternehmen einen bedeutenden Teil des Marktes der
Kranvermietung darstellten. In der streitigen Entscheidung schätzte die
Kommission, daß die FNK und die SCK über Marktanteile von 78 % bzw. 51 %
des niederländischen Kranvermietungsmarktes verfügten (Abschnitt 6 der
Begründungserwägungen). Die Zahl von 51 % wurde im übrigen von den
Klägerinnen selbst im Verwaltungsverfahren vorgetragen. So behaupteten die
Klägerinnen in Nummer 26 ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte
vom 21. Oktober 1994, in der sie die von der Kommission vorgetragenen Zahl von
75 % bestritten, daß die Mitglieder der FNK am 31. Dezember 1993 zusammen
1 544 mobile Kräne von insgesamt ungefähr 3 000 mobilen Kränen auf dem Sektor
der Kranvermietung besessen hätten, was einem Marktanteil von 51 % entspricht.
Daher ist das Vorbringen der Klägerinnen, daß die FNK und die SCK, die im Kern
aus den gleichen Unternehmen bestehen, „nur“ 40 % des niederländischen
Kranvermietungsmarktes hielten, zurückzuweisen. Jedenfalls stellt auch ein Anteil
von 40 % einen erheblichen Teil des niederländischen Marktes der Kranvermietung
dar. Schließlich kann die FNK nicht mit der Begründung eine Aufhebung oder
Herabsetzung der Geldbuße beanspruchen, daß sie die Situation, die sich aus der
Durchführung des Beschlusses vom 11. Februar 1992 ergeben habe, trotz dessen
Aufhebung in der Rechtsmittelinstanz am 9. Juli 1992 aufrechterhalten habe. Da
die Geldbuße nur die Zeit bis zum 6. Februar 1992 abdeckt (Abschnitt 46 der
Begründungserwägungen der streitigen Entscheidung), ist es für die Beurteilung der
Schwere einer Zuwiderhandlung für die Zeit vor dem 6. Februar 1992 unerheblich,
daß die FNK das System der Richtpreise und Verrechnungstarife nach dem 11.
Februar 1992 nicht mehr angewandt hat.
- 250.
- Der Klagegrund einer Verletzung des Artikels 6 Absatz 1 EMRK greift nicht durch
(Randnrn. 53 bis 70). Dem Argument, mit dem eine Herabsetzung der Geldbuße
wegen angeblicher Verletzung des Grundsatzes zügiger Sachbehandlung erreicht
werden soll, kann daher ebenfalls nicht gefolgt werden.
- 251.
- Die Klägerinnen können auch nicht mit der Entscheidung 96/438 argumentieren.
Nach dieser Entscheidung waren nämlich die von FENEX vorgeschlagenen Tarife
nur rein empfohlene Tarife. Es handelte sich also nicht um eine Tarifregelung, die
wie im vorliegenden Fall für die Mitglieder der Vereinigung aufgrund einer
Verpflichtung, annehmbare Preise einzuhalten, verbindlich war (siehe Randnrn. 159
bis 164). Im übrigen wurde die FENEX anders als die FNK (Beschluß des
Präsidenten der Arrondissementsrechtbank Utrecht vom 11. Februar 1992; siehe
Randnr. 8) weder von einem nationalen Gericht noch von einer Behörde
verpflichtet, ihre Praktiken der Verbreitung der Tarife abzustellen. Zudem hatte
die FENEX die Verbreitung der empfohlenen Tarife bereits eingestellt, bevor die
Kommission von Amts wegen und nicht aufgrund einer Beschwerde beschloß, ein
Verfahren gegen sie einzuleiten.
- 252.
- Die Klägerinnen machen eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit
geltend, weil sie die Geldbußen nicht bezahlen könnten. Nach ständiger
Rechtsprechung umfaßt die Gattungsbezeichnung „Verstoß“ in Artikel 15 Absatz
2 der Verordnung Nr. 17 unterschiedslos Vereinbarungen, abgestimmte
Verhaltensweisen und Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen. Die
Höchstgrenze von 10 % des Umsatzes ist somit nach dem Umsatz jedes der
Unternehmen zu berechnen, die Parteien der Vereinbarungen und abgestimmten
Verhaltensweisen sind, oder nach den Umsätzen aller Unternehmen, die Mitglieder
solcher Unternehmensvereinigungen sind, jedenfalls soweit die Vereinigung kraft
ihrer Satzung ihre Mitglieder verpflichten kann. Dem entspricht es, daß der Einfluß
einer Unternehmensvereinigung auf dem Markt vom Umsatz ihrer Mitglieder
abhängt, der anders als ihr eigener „Umsatz“ ihre Größe und ihre Wirtschaftskraft
widerspiegelt (Urteile CB und Europay/Kommission, a. a. O., Randnrn. 136
und 137, und SPO u. a./Kommission, a. a. O., Randnr. 385).
- 253.
- Im vorliegenden Fall wird nicht bestritten, daß die FNK eine
Unternehmensvereinigung ist (Nr. 8 der Anmeldung der FNK), die nach Artikel 6
ihrer Satzung ihre Mitglieder verpflichten kann. Die Ansicht der Klägerinnen, die
Kommission sei nicht berechtigt, den Umsatz der Mitglieder der FNK bei der
Festsetzung des Betrages der dieser Vereinigung aufzuerlegenden Geldbuße zu
berücksichtigen, geht daher fehl.
- 254.
- Jedoch hat die Kommission die SCK in ihrer streitigen Entscheidung zu Recht als
Unternehmen eingestuft (Abschnitt 17 der Begründungserwägungen), nicht als
Unternehmensvereinigung. Daher war die Kommission nicht berechtigt, den
Umsatz der zertifizierten Unternehmen der Berechnung der Geldbuße zugrunde
zu legen. Nach dem Jahresabschluß der SCK für 1994 belief sich ihr Umsatz auf
608 231 HFL, was ungefähr 288 750 ECU entspricht. Obwohl die Kommission die
Höchstgrenze des Artikels 15 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung Nr. 17
eingehalten hat, ist die gegen die SCK verhängte Geldbuße von 300 000 ECU, die
deren Gesamtumsatz im Jahr vor dem Erlaß der streitigen Entscheidung übersteigt,
unverhältnismäßig.
- 255.
- In Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung setzt das Gericht
diese Geldbuße auf 100 000 ECU herab.
Dritter Klagegrund: Verletzung von Artikel 190 EG-Vertrag
Parteivorbringen
- 256.
- Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe die Höhe der Geldbuße
lückenhaft begründet (Urteile des Gerichtshofes vom 15. Juli 1970 in der
Rechtssache 45/69, Boehringer Mannheim/Kommission, Slg. 1970, 769, 811, vom 16.
Dezember 1975 in den Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73, 55/73, 56/73,
111/73, 113/73 und 114/73, Suiker Unie u. a./Kommission, Slg. 1975, 1663,
Randnr. 612, und vom 7. Juni 1983 in den Rechtssachen 100/80, 101/80, 102/80 und
103/80, Musique Diffusion française u. a./Kommission, Slg. 1983, 1825,
Randnr. 120).
- 257.
- Die Kommission bezieht sich auf die Abschnitte 45 und 46 der
Begründungserwägungen der streitigen Entscheidung.
Würdigung durch das Gericht
- 258.
- Der Zweck der Verpflichtung zur Begründung beschwerender Entscheidungenbesteht darin, den Betroffenen so ausreichend zu unterrichten, daß er erkennen
kann, ob die Entscheidung rechtmäßig ist oder nicht, und dem Richter die
Überprüfung der Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu ermöglichen (siehe
die in Randnr. 226 angeführte Rechtsprechung und Urteil des Gerichts vom 6.
April 1995 in der Rechtssache T-150/89, Martinelli/Kommission, Slg. 1995, II-1165,
Randnr. 65).
- 259.
- In Abschnitt 44 der Begründungserwägungen der streitigen Entscheidung hat die
Kommission ausgeführt, die Klägerinnen müßten gewußt haben, daß die
beanstandeten Verhaltensweisen eine Einschränkung des Wettbewerbs bezweckt
oder zumindest bewirkt hätten. In den Abschnitten 45 und 46 hat sie im Hinblick
auf die Festsetzung der Geldbußen die Schwere und die Dauer der
Zuwiderhandlung gewürdigt. Diese letzten beiden Abschnitte haben die
Klägerinnen so ausreichend unterrichtet, daß sie erkennen konnten, ob die
Geldbußen gerechtfertigt waren, und sie haben dem Gericht die Überprüfung der
Rechtmäßigkeit ermöglicht.
- 260.
- Der dritte Klagegrund kann daher nicht durchgreifen.
- 261.
- Nach allem sind die Anträge auf Aufhebung der Geldbußen zurückzuweisen,
lediglich die gegen die SCK verhängte Geldbuße ist herabzusetzen.
Kosten
- 262.
- Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag
zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 87 § 3 kann das Gericht
jedoch die Kosten teilen oder beschließen, daß jede Partei ihre eigenen Kosten
trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt. Im vorliegenden Fall sind die
Klägerinnen mit ihren sämtlichen Anträgen in der Rechtssache T-213/95 sowie mit
ihren Hauptanträgen und dem wesentlichen Teil ihrer Hilfsanträge in der
Rechtssache T-18/96 unterlegen. Daher ist Artikel 87 § 3 der Verfahrensordnung
nicht anzuwenden. Vielmehr sind den Klägerinnen die Kosten der Beklagten
einschließlich der Kosten im Verfahren der einstweiligen Anordnung aufzuerlegen.
Sie haben ferner die Kosten der Streithelfer zu tragen.
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Vierte erweiterte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Rechtssachen T-213/95 und T-18/96 werden zu gemeinsamer
Entscheidung verbunden.
2. Die in Artikel 5 Absatz 2 der Entscheidung 95/551/EG der Kommission
vom 29. November 1995 in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag
(IV/34.179, 34.202, 34.216 Stichting Certificatie Kraanverhuurbedrijf und
Federatie van Nederlandse Kraanverhuurbedrijven) gegen die Stichting
Certificatie Kraanverhuurbedrijf verhängte Geldbuße wird auf 100 000 ECU
herabgesetzt.
3. Im übrigen werden die Klagen abgewiesen.
4. Die Klägerinnen tragen ihre eigenen Kosten und die Kosten der
Kommission einschließlich der Kosten im Verfahren der einstweiligen
Anordnung. Sie tragen auch die Kosten der Streithelfer.
LenaertsLindh
Azizi
Cooke Jaeger
|
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 22. Oktober 1997.
Der Kanzler
Die Präsidentin
H. Jung
P. Lindh
Inhaltsverzeichnis
Sachverhalt und Verfahren
II -
Anträge der Parteien
II -
Die Klage auf Schadensersatz (Rechtssache T-213/95)
II -
1. Zum angeblich rechtswidrigen Verhalten der Kommission
II -
Erster Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 6 EMRK
II -
Parteivorbringen
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
Zweiter Klagegrund: Verletzung des Grundsatzes der Rechtssicherheit
II -
Parteivorbringen
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
Dritter Klagegrund: Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes
II -
Parteivorbringen
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
Vierter Klagegrund: Verletzung des Rechts auf Anhörung
II -
Parteivorbringen
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
2. Zum Kausalzusammenhang
II -
Parteivorbringen
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
Die Klage auf Feststellung der Inexistenz oder auf Nichtigerklärung der Entscheidung 95/551
(Rechtssache T-18/96)
II -
1. Die Anträge auf Feststellung der Inexistenz der streitigen Entscheidung
II -
Parteivorbringen
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
2. Zu den Anträgen auf Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung
II -
Erster Klagegrund: Verstoß gegen die Artikel 3, 4, 6 und 9 der Verordnung
Nr. 17
II -
Parteivorbringen
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
Zweiter Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag
II -
Erste Rüge: Fälschliche Einstufung der SCK als Unternehmen im Sinne von
Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag
II -
Parteivorbringen
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
Zweite Rüge: Rechtsfehler beim Rückgriff auf die Kriterien der Transparenz,
Offenheit, Unabhängigkeit und der Anerkennung gleichwertiger
Garantien anderer Systeme bei der Beurteilung der Vereinbarkeit eines
Zertifizierungssystems mit Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag sowie
Beurteilungsfehler der Kommission bei der Feststellung, daß das
Zumietverbot eine Beschränkung des Wettbewerbs im Sinne von Artikel
85 Absatz 1 EG-Vertrag bezwecke oder bewirke
II -
Parteivorbringen
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
Dritte Rüge: Beurteilungsfehler der Kommission insoweit, als sie die Ansicht
vertritt, daß das System der Richtpreise und der Verrechnungstarife eine
Beschränkung des Wettbewerbs im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag bezwecke oder bewirke
II -
Parteivorbringen
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
a) Das System der Richtpreise und Verrechnungstarife
II -
b) Die Verantwortlichkeit der FNK bei der Festsetzung der
Verrechnungstarife
II -
Vierte Rüge: Fehler bei der Beurteilung der Beeinträchtigung des
Handelsverkehrs zwischen Mitgliedstaaten
II -
Parteivorbringen
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
Dritter Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag
II -
Parteivorbringen
II -
Die Weigerung der Kommission, das Zumietverbot der SCK
freizustellen
II -
Die Weigerung der Kommission, das System der Richtpreise und
Verrechnungstarife freizustellen
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
Die Weigerung der Kommission, das Zumietverbot der SCK
freizustellen
II -
Die Weigerung der Kommission, das System der Richtpreise und
Verrechnungstarife freizustellen
II -
Vierter Klagegrund: Verletzung der Verfahrensrechte
II -
Parteivorbringen
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
Fünfter Klagegrund: Verletzung des Artikels 190 EG-Vertrag
II -
Parteivorbringen
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
3. Der Hilfsantrag auf Aufhebung oder Herabsetzung der Geldbußen
II -
Erster Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17
II -
Parteivorbringen
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
Zweiter Klagegrund: Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit
II -
Parteivorbringen
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
Dritter Klagegrund: Verletzung von Artikel 190 EG-Vertrag
II -
Parteivorbringen
II -
Würdigung durch das Gericht
II -