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SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

EVGENI TANCHEV

vom 20. Juni 2019(1)(i)

Rechtssache C192/18

Europäische Kommission

gegen

Republik Polen

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Wirksamer Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV – Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Gerichte – Unzulässigkeit einer Rüge der Kommission nach Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Art. 157 AEUV – Art. 5 Buchst. a und Art. 9 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/54/EG – Einführung eines für männliche und weibliche Richter an den ordentlichen Gerichten und am Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) sowie für männliche und weibliche Staatsanwälte unterschiedlichen Ruhestandsalters – Absenkung des Ruhestandsalters für Richter an den ordentlichen Gerichten in Verbindung mit der Ermächtigung des Justizministers zur Verlängerung der aktiven Dienstzeit einzelner Richter im Ermessenswege“






I.      Einleitung

1.        In der vorliegenden Rechtssache hat die Kommission aus zwei Gründen ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Republik Polen eingeleitet. Erstens soll Polen nach Ansicht der Kommission dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 157 AEUV sowie gegen Art. 5 Buchst. a und Art. 9 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen(2) verstoßen haben, dass es in Art. 13 Nrn. 1 bis 3 der Ustawa o zmianie ustawy – Prawo o ustroju sądów powszechnych oraz niektórych innych ustaw z dnia 12 lipca 2017 r(3) (Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Aufbau der ordentlichen Gerichtsbarkeit und bestimmter anderer Gesetze vom 12. Juli 2017, im Folgenden: Änderungsgesetz von Juli 2017) ein Ruhestandsalter von 60 für Frauen und 65 für Männer eingeführt habe, während dieses zuvor für Richter an den ordentlichen Gerichten, Staatsanwälte und Richter am Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) für beide Geschlechter bei 67 Jahren gelegen habe.

2.        Zweitens soll Polen nach Ansicht der Kommission dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV in Verbindung mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) verstoßen haben, dass es in Art. 13 Nr. 1 des Änderungsgesetzes von Juli 2017 das Ruhestandsalter für Richter an den ordentlichen Gerichten abgesenkt und gleichzeitig dem Justizminister das Ermessen übertragen habe, die aktive Dienstzeit einzelner Richter an den ordentlichen Gerichten nach Art. 1 Nr. 26 Buchst. b und c desselben Gesetzes zu verlängern.

3.        Die erste Rüge der Kommission ist in dem Sinne neu, dass eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts noch nicht Gegenstand der Rechtssachen ist, mit denen der Gerichtshof bereits befasst ist(4) im Zusammenhang mit den Reformen der Ruhestandsregelungen für polnische Richter, die 2017 eingeführt wurden und in großem Umfang internationale Kritik auf sich gezogen haben(5). Wie ich in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Kommission/Polen (Unabhängigkeit des Obersten Gerichts) (C‑619/18)(6) erörtert habe, sind die Reformen von 2017 Gegenstand eines begründeten Vorschlags der Kommission nach Art. 7 Abs. 1 EUV zur Rechtsstaatlichkeit in Polen(7).

4.        Was die zweite Rüge angeht, so wird diese Frage, soweit sie die Befugnis der Kommission, sich in einem Vertragsverletzungsverfahren auf Art. 47 der Charta zu stützen, und den Inhalt der Regelung des wirksamen Rechtsschutzes in Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV betrifft, in meinen Schlussanträgen vom 11. April 2019, Kommission/Polen (Unabhängigkeit des Obersten Gerichts) (C‑619/18) eingehend erörtert(8). Dort habe ich den Standpunkt vertreten, dass, wenn ein Mitgliedstaat nicht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta das Recht der Union durchführt, die Kommission ihre Rüge im Rahmen einer Klage nach Art. 258 AEUV nicht auf Art. 47 der Charta stützen kann.

5.        Demgemäß wird in Bezug auf den zweiten Grund das Hauptaugenmerk meiner rechtlichen Würdigung darauf liegen, ob die in Rede stehende Regelung gegen Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV verstößt, der eine Ausprägung der Achtung der Rechtsstaatlichkeit nach Art. 2 EUV(9) ist. Ich werde auch ausführlich die Rechtsquellen behandeln, die bei dieser Beurteilung herangezogen werden können; Quellen, die Art. 19 Abs. 1 Unterabs.2 EUV mit denen teilt, die den Inhalt des Rechts auf ein „unabhängiges, unparteiisches und zuvor durch Gesetz errichtetes Gericht“ in Art. 47 der Charta bestimmen. Wie nachstehend unter VI.C veranschaulicht wird, bilden gemeinsame Quellen eine verfassungsrechtliche Verbindung zwischen diesen beiden Bestimmungen, so dass sich die Rechtsprechung zu den beiden Bestimmungen unvermeidlich überschneidet(10).

6.        Sodann werde ich im selben Abschnitt die Unterschiede zwischen Art. 19 Abs. 1 EUV und Art. 47 der Charta erörtern, und insbesondere die Schwelle für einen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV, die erreicht sein muss, dass der Verstoß unabhängig von der Charta als eigenständiger Verstoß gegen das Unionsrecht in Bezug auf die Unabsetzbarkeit und Unabhängigkeit von Richtern geltend gemacht werden kann.

II.    Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

7.        In Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV heißt es:

„Die Mitgliedstaaten schaffen die erforderlichen Rechtsbehelfe, damit ein wirksamer Rechtsschutz in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen gewährleistet ist.“

8.        In Art. 157 Abs. 1, 2 und 4 AEUV heißt es:

„(1)      Jeder Mitgliedstaat stellt die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicher.

(2)      Unter ‚Entgelt‘ im Sinne dieses Artikels sind die üblichen Grund- oder Mindestlöhne und ‑gehälter sowie alle sonstigen Vergütungen zu verstehen, die der Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer unmittelbar oder mittelbar in bar oder in Sachleistungen zahlt.

Gleichheit des Arbeitsentgelts ohne Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bedeutet:

a)      dass das Entgelt für eine gleiche nach Akkord bezahlte Arbeit aufgrund der gleichen Maßeinheit festgesetzt wird;

b)      dass für eine nach Zeit bezahlte Arbeit das Entgelt bei gleichem Arbeitsplatz gleich ist.

(4)      Im Hinblick auf die effektive Gewährleistung der vollen Gleichstellung von Männern und Frauen im Arbeitsleben hindert der Grundsatz der Gleichbehandlung die Mitgliedstaaten nicht daran, zur Erleichterung der Berufstätigkeit des unterrepräsentierten Geschlechts oder zur Verhinderung bzw. zum Ausgleich von Benachteiligungen in der beruflichen Laufbahn spezifische Vergünstigungen beizubehalten oder zu beschließen.“

9.        Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 79/7/EWG vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit(11) lautet:

„(1)      „Diese Richtlinie steht nicht der Befugnis der Mitgliedstaaten entgegen, Folgendes von ihrem Anwendungsbereich auszuschließen:

a)      die Festsetzung des Rentenalters für die Gewährung der Altersrente oder Ruhestandsrente und etwaige Auswirkungen daraus auf andere Leistungen“.

10.      Art. 3 („Positive Maßnahmen“) der Richtlinie 2006/54 lautet:

„Die Mitgliedstaaten können im Hinblick auf die Gewährleistung der vollen Gleichstellung von Männern und Frauen im Arbeitsleben Maßnahmen im Sinne von Artikel 141 Absatz 4 des Vertrags beibehalten oder beschließen.“

11.      Art. 5 („Diskriminierungsverbot“) der Richtlinie 2006/54 lautet:

„Unbeschadet des Artikels 4 darf es in betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts geben, insbesondere hinsichtlich:

a)      des Anwendungsbereichs solcher Systeme und d[er] Bedingungen für den Zugang zu ihnen,

…“

12.      In Art. 9 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/54 heißt es:

„(1)      Dem Grundsatz der Gleichbehandlung entgegenstehende Bestimmungen sind solche, die sich unmittelbar oder mittelbar auf das Geschlecht stützen und Folgendes bewirken:

f)      Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen für den Eintritt in den Ruhestand“.

B.      Polnisches Recht

13.      Die Rüge der Kommission betrifft das Änderungsgesetz von Juli 2017. Für die vorliegende Rechtssache von Bedeutung sind dessen Art. 1 Nr. 26 Buchst. b und c und Art. 13 Nrn. 1 bis 3, die die drei nachstehend aufgeführten Gesetze betreffen.

1.      Gesetz über die ordentliche Gerichtsbarkeit

14.       Nach Art. 69 Abs. 1 des Gesetzes vom 27. Juli 2001 über den Aufbau der ordentlichen Gerichtsbarkeit (im Folgenden: Gesetz über die ordentliche Gerichtsbarkeit) betrug das normale Ruhestandsalter(12) für Richter sowohl für Männer als auch für Frauen 67 Jahre. Dieses konnte auf einen beim Justizminister zu stellenden schriftlichen Antrag des betreffenden Richters/der betreffenden Richterin bei Vorlage eines Gesundheitszeugnisses verlängert werden. Am 16. November 2016 wurde die entsprechende Bestimmung geändert(13) und das Ruhestandsalter sowohl für Männer als auch für Frauen auf 65 Jahre abgesenkt; es konnte ebenfalls auf einen beim Justizminister zu stellenden schriftlichen Antrag des betreffenden Richters/der betreffenden Richterin bei Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses für einen kurzen Zeitraum verlängert werden. Diese Änderung sollte am 1. Oktober 2017 in Kraft treten.

15.      Allerdings wurden durch Art. 13 des Änderungsgesetzes von Juli 2017 die Bestimmungen über das Ruhestandsalter erneut dahin geändert, dass das Alter für Frauen 60 und für Männer 65 Jahre betrug. Nach dem Änderungsgesetz von Juli 2017 trat dieser Artikel am 1. Oktober 2017 in Kraft.

16.      Art. 69 Abs. 1 des Gesetzes über die ordentliche Gerichtsbarkeit in der durch das Änderungsgesetz von Juli 2017(14) geänderten Fassung trat am 1. Oktober 2017 in Kraft; er lautet:

„Ein Richter wird mit Vollendung des 60. Lebensjahrs, wenn es sich um eine Frau handelt, beziehungsweise mit Vollendung des 65. Lebensjahrs, wenn es sich um einen Mann handelt, in den Ruhestand versetzt, sofern er nicht spätestens sechs Monate und frühestens zwölf Monate vor Erreichen dieses Alters dem Justizminister seinen Wunsch mitteilt, sein Amt weiter auszuüben, und eine Bescheinigung nach den Vorschriften für Bewerber um Einstellung in das Richteramt darüber vorlegt, dass seine Gesundheit der Ausübung der Dienstpflichten eines Richters nicht entgegensteht.“

17.      Durch Art. 1 Nr. 26 Buchst. b und c des Änderungsgesetzes von Juli 2017 wurde in Art. 69 des Gesetzes über die ordentliche Gerichtsbarkeit ferner ein neuer Abs. 1b eingefügt und der Wortlaut von Art. 69 Abs. 3 geändert. Art. 69 Abs. 1b lautet:

„Der Justizminister kann einem Richter seine Zustimmung dazu erteilen, sein Amt weiter auszuüben; zu berücksichtigen sind hierbei ein rationeller Einsatz der Bediensteten der ordentlichen Gerichte und der sich aus der Arbeitsbelastung der einzelnen Gerichte ergebende Bedarf. Ist das Verfahren über die weitere Ausübung des Amts des Richters zu dem Zeitpunkt noch nicht beendet, zu dem er das in § 1 genannte Alter erreicht, übt der Richter sein Amt bis zum Abschluss dieses Verfahrens weiter aus …“

18.      Art. 69 Abs. 3 in geänderter Fassung lautet:

„Erteilt der Justizminister seine Zustimmung nach Art. 69 Abs. 1 Buchst. b, kann ein Richter sein Amt nur bis zur Vollendung des 70. Lebensjahrs weiter ausüben. Der betreffende Richter kann mit einer Frist von drei Monaten durch entsprechende Erklärung gegenüber dem Justizminister in den Ruhestand gehen. Die Kündigungsfrist verlängert sich um den Jahresurlaub, der bis zum Ende dieser Kündigungsfrist erworben und nicht in Anspruch genommen wurde. Auf Antrag des Richters kann der Justizminister der Versetzung des Richters in den Ruhestand vor Ablauf der Kündigungsfrist zustimmen.“

19.      Zur Besoldung von Richtern heißt es in Art. 91 des Gesetzes über die ordentliche Gerichtsbarkeit:

„(1)      Die Höhe der Besoldung der Richter, die ein entsprechendes Richteramt bekleiden, richtet sich nach der Dienstzeit und der ausgeübten Funktion …

(2)      Das Grundgehalt eines Richters wird in Besoldungsgruppen ausgedrückt, deren Höhe durch die Anwendung von Multiplikatoren auf die Grundlage für die Ermittlung des Grundgehalts nach § 1 Buchst. c ermittelt wird. Die Grundgehaltsgruppen für einzelne Richterstellen und die Multiplikatoren für die Ermittlung der Höhe des Grundgehalts für Richter in einzelnen Gruppen sind im Anhang dieses Gesetzes aufgeführt …

(7)      Darüber hinaus richtet sich die Besoldung der Richter nach dem Dienstalter und erhöht sich ab dem sechsten Dienstjahr um eine Zulage in Höhe von 5 % des Grundgehalts, die jährlich um 1 % steigt, bis sie die Höhe von 20 % des Grundgehalts erreicht hat.

…“

20.      Art. 91a Abs. 2 des Gesetzes über die ordentliche Gerichtsbarkeit bestimmt:

„(2)      Hatte ein Richter vor Antritt einer Richterstelle eine andere, dieser Stelle gleichwertige Stelle als Richter oder Staatsanwalt bekleidet, hat er in seinem neuen Amt Anspruch auf ein Grundgehalt in einer Besoldungsgruppe, die nicht niedriger ist als die Besoldungsgruppe, auf die er auf der zuvor bekleideten Stelle Anspruch hatte.“

21.      In Art. 91a Abs. 3 des Gesetzes über die ordentliche Gerichtsbarkeit heißt es:

„(3)      Das Grundgehalt eines Richters steigt nach fünfjähriger Dienstzeit auf einer Richterstelle in die nächsthöhere Besoldungsgruppe.“

22.      In Art. 100 Abs. 1, 2, 4a und 4b des Gesetzes über die ordentliche Gerichtsbarkeit in der durch Art. 13 des Änderungsgesetzes von Juli 2017 geänderten Fassung heißt es:

„(1)      Ein Richter, der im Fall von Änderungen im Aufbau des Gerichtswesens oder Änderungen der Gerichtsbezirke in den Ruhestand versetzt worden ist, hat bis zur Vollendung des 60. Lebensjahrs, wenn es sich um eine Frau handelt, und bis zur Vollendung des 65. Lebensjahrs, wenn es sich um einen Mann handelt, Anspruch auf eine Besoldung in der auf der zuletzt bekleideten Stelle geleisteten Höhe.

(2)      Ein Richter, der aus Gründen des Alters, der Krankheit oder des Kräfteverfalls in den Ruhestand eingetreten oder versetzt worden ist, hat Anspruch auf eine Besoldung in Höhe von 75 % der auf der zuletzt bekleideten Stelle geleisteten Höhe des Grundgehalts und der Dienstalterszulagen.

(4a)      Im Fall des Abs. 1 erhält ein Richter im Ruhestand eine Einmalzahlung für Frauen mit Vollendung des 60. Lebensjahrs und für Männer mit Vollendung des 65. Lebensjahrs.

(4b)      Ein Richter, der nach Art. 71c Abs. 4 oder Art. 74 Abs. 1a auf die von ihm früher bekleidete oder eine der früher bekleideten Stelle gleichwertige Stelle zurückgekehrt ist, hat bei Eintritt oder Versetzung in den Ruhestand Anspruch auf eine Einmalzahlung in Höhe der Differenz zwischen der Höhe der Bezüge, die ihm zum Zeitpunkt des Eintritts oder der Versetzung in den Ruhestand zustand, und der Höhe der bereits gewährten Bezüge. Im Fall des Abs. 1 hat der Richter/die Richterin für Frauen mit Vollendung des 60. Lebensjahrs und für Männer mit Vollendung des 65. Lebensjahrs Anspruch auf die Zahlung.“

2.      Gesetz vom 23. November 2002 über das Oberste Gericht

23.       Die Ustawa z dnia 23 lisopada 2002 r. o Sądzie Najwyższym(15) (Gesetz von 2002 über das Oberste Gericht) vom 23. November 2002 in der durch das Änderungsgesetz von Juli 2017 geänderten Fassung ist Gegenstand der vorliegenden Rechtssache.

24.      Bis 3. April 2018 war das Ruhestandsalter von Richtern am Obersten Gericht durch das Gesetz von 2002 über das Oberste Gericht auf 70 festgesetzt. Mit Wirkung von diesem Tag wurde es jedoch auf 65 abgesenkt(16).

25.      Unbeschadet dieser Bestimmungen haben nach Art. 30 Abs. 2 des Gesetzes vom 2002 über das Oberste Gericht Richter die Möglichkeit, vor Vollendung des 70. Lebensjahrs die Versetzung in den Ruhestand zu beantragen. Das Alter, ab dem ein Richter am Obersten Gericht einen Antrag auf Versetzung in den Ruhestand stellen kann, wurde zuletzt durch das Änderungsgesetz von Juli 2017 dahin geändert, dass das Alter für Frauen auf 60 Jahre und für Männer auf 65 Jahre abgesenkt wurde. In der zuvor geltenden Fassung sah Art. 30 Abs. 2 des Gesetzes von 2002 über das Oberste Gericht ein Alter von 67 Jahren für die Beantragung der Versetzung in den Ruhestand vor. Mit Gesetz vom 16. November 2016 wurde dieses Alter sowohl für Männer als auch für Frauen auf 65 Jahre festgesetzt.

26.      In Art. 42 Abs. 4 und 5 des Gesetzes von 2002 über das Oberste Gericht betreffend die Besoldung der Richter am Obersten Gericht heißt es:

„(4)      Die Besoldung eines Richters am Obersten Gericht wird in Regelgruppen oder Beförderungsgruppen ausgedrückt. Die Beförderungsgruppe beträgt 115 % der Regelgruppe.

(5)      Ein Richter am Obersten Gericht erhält bei Diensteintritt ein Regelgruppen-Grundgehalt. Nach sieben Jahren Dienstzeit steigt das Grundgehalt des betreffenden Richters in die Beförderungsgruppe …“

27.      In Art. 43 des Gesetzes von 2002 über das Oberste Gericht heißt es:

„Ein Richter am Obersten Gericht hat Anspruch auf eine Dienstalterszulage, durch die das Grundgehalt jährlich um 1 %, nicht jedoch über 20 % dieses Grundgehalts, steigt. Die für die Höhe der Zulage maßgebende Dienstzeit umfasst auch die vor seiner Ernennung als Richter am Obersten Gericht zurückgelegten Dienstzeiten oder Beschäftigungsverhältnisse sowie Zeiten der Berufsausübung als Rechtsanwalt, Rechtsberater oder Notar.“

28.      In Art. 50 des Gesetzes von 2002 über das Oberste Gericht heißt es:

„Ein Richter des Obersten Gerichts hat bei Eintritt in den Ruhestand Anspruch auf eine Besoldung in Höhe von 75 % der auf der zuletzt bekleideten Stelle geleisteten Höhe des Grundgehalts und der Dienstalterszulagen. Die Bedingungen und Höhe dieser Bezüge werden den Änderungen des Grundgehalts der aktiven Richter am Obersten Gericht angepasst.“

3.      Ustawa z dnia 28 stycznia 2016 r. Prawino prokuraturze (Gesetz vom 28. Januar 2016 über die Staatsanwaltschaft)

29.      In Art. 127 § 1 des Gesetzes vom 28. Januar 2016 über die Staatsanwaltschaft(17) (im Folgenden: Gesetz über die Staatsanwaltschaft) heißt es u. a.:

„Sofern in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, gelten die Art. 69 bis 71, Art. 73, Art. 74, Art. 76, Art. 85 § 4, Art. 99 bis 102 und Art. 104 des [Gesetzes über die ordentliche Gerichtsbarkeit] sinngemäß für Staatsanwälte.“

30.      Infolgedessen gilt Art. 69 des Gesetzes über die ordentliche Gerichtsbarkeit für das Ruhestandsalter der Staatsanwälte. Dementsprechend lag das Regelruhestandsalter für Staatsanwälte vor den durch das Änderungsgesetz von Juli 2017 vorgenommenen Änderungen sowohl für Männer als auch für Frauen bei 67 Jahren. Das Ruhestandsalter wurde durch das Gesetz vom 16. November 2016 sowohl für Männer als auch für Frauen auf 65 Jahre gesenkt. Diese Änderung sollte im Oktober 2017 in Kraft treten. Mit Art. 13 Nr. 2 des Änderungsgesetzes von Juli 2017 wurden die Bestimmungen über das Ruhestandsalter erneut geändert und für Frauen auf 60 Jahre und für Männer auf 65 Jahre festgelegt.

31.      Ebenso gelten für die Leistungen für Staatsanwälte im Ruhestand nach Art. 127 Abs. 1 des Gesetzes über die Staatsanwaltschaft die Bestimmungen über Richter an den ordentlichen Gerichten, insbesondere Art. 100 des oben genannten Gesetzes über die ordentliche Gerichtsbarkeit.

32.      Die Vergütung selbst richtet sich jedoch nach Art. 124 des Gesetzes über die Staatsanwaltschaft. Er bestimmt u. a.:

„(1)      Die Höhe der Besoldung der Staatsanwälte, die ein entsprechendes staatsanwaltschaftliches Amt bekleiden, richtet sich nach der Dienstzeit und der ausgeübten Funktion. Das Grundgehalt der Bezirks- und Regionalstaatsanwälte entspricht dem Grundgehalt von Richtern an den entsprechenden Organisationseinheiten der ordentlichen Gerichte. Das Grundgehalt der Provinzialstaatsanwälte entspricht dem Grundgehalt der Richter an den Berufungsgerichten.

Das Grundgehalt der Staatsanwälte der Generalstaatsanwaltschaft entspricht dem Grundgehalt der Richter am Obersten Gericht. Die Dienstzulagen des Generalstaatsanwalts und der weiteren Stellvertreter des Generalstaatsanwalts entsprechen denjenigen des Ersten Präsidenten des Obersten Gerichts bzw. des Präsidenten des Obersten Gerichts.

(2)      Das Grundgehalt der Staatsanwälte wird in Besoldungsgruppen ausgedrückt, deren Höhe sich aus der Anwendung von Multiplikatoren auf die Grundlage für die Ermittlung des Grundgehalts der Staatsanwälte ergibt.

(4)      Bekleidete ein Staatsanwalt vor der Annahme eines Amts als Staatsanwalt ein anderes Amt als Staatsanwalt oder eine diesem gleichwertige Stelle in der Justiz, hat er auf seiner neuen Stelle Anspruch auf ein Grundgehalt einer Besoldungsstufe, die nicht niedriger ist als diejenige, auf die er auf der von ihm zuvor bekleideten Stelle Anspruch hatte.

(5)      Das Grundgehalt eines Staatsanwalts steigt nach fünfjähriger Dienstzeit auf einer Stelle als Staatsanwalt in die nächsthöhere Besoldungsgruppe.

…“

III. Vorverfahren

33.      Am 28. Juli 2017 richtete die Kommission ein Mahnschreiben an Polen, mit dem sie rügte, dass das Änderungsgesetz von Juli 2017 gegen das Unionsrecht, insbesondere Art. 157 AEUV, die Richtlinie 2006/54 und Art. 19 Abs. 1 EUV in Verbindung mit Art. 47 der Charta, verstoße.

34.      Mit Schreiben vom 31. August 2017 antwortete Polen auf das Mahnschreiben. Es trat dem Vorbringen der Kommission entgegen und ersuchte um die Einstellung des Verfahrens.

35.      Am 12. September 2017 richtete die Kommission an die Republik Polen eine mit Gründen versehene Stellungnahme, in der sie gestützt auf Art. 258 AEUV erstens behauptete, dass Polen dadurch, dass es mit Art. 13 Abs. 1 bis 3 des Änderungsgesetzes von Juli 2017 ein für Männer und Frauen unterschiedliches Ruhestandsalter für Richter an den ordentlichen Gerichten und am Obersten Gericht sowie für Staatsanwälte eingeführt habe, seinen Verpflichtungen aus Art. 157 AEUV in Verbindung mit Art. 5 Buchst. a und Art. 9 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/54 nicht nachgekommen sei.

36.      Zweitens habe die Republik Polen durch die nach Art. 13 Nr. 1 des Änderungsgesetzes von Juli 2017 über den Aufbau der ordentlichen Gerichtsbarkeit eingetretene Absenkung des Ruhestandsalters für Richter an den ordentlichen Gerichten und durch die Ermächtigung des Justizministers zur Verlängerung der aktiven Dienstzeit dieser Richter im Ermessenswege nach Art. 1 Nr. 26 Buchst. b und c dieses Gesetzes gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 des Vertrags über die Europäische Union und Art. 47 der Charta verstoßen.

37.      Am 12. Oktober 2017 antwortete Polen auf die mit Gründen versehene Stellungnahme und bekräftigte seinen Standpunkt, dass der Vorwurf eines Verstoßes gegen Verpflichtungen unbegründet sei, und beantragte die Einstellung des Verfahrens.

38.      Die Kommission beschloss, den Gerichtshof mit den folgenden Anträgen zu befassen (Nr. 39).

IV.    Verfahren vor dem Gerichtshof

39.      Mit am 15. März 2018 beim Gerichtshof eingegangener Klageschrift hat die Kommission die vorliegende Klage nach Art. 258 AEUV beim Gerichtshof erhoben. Sie beantragt,

–        festzustellen, dass Polen durch die in Art. 13 Nrn. 1 bis 3 des Änderungsgesetzes von Juli 2017 erfolgte Festlegung eines für Männer und Frauen unterschiedlichen Ruhestandsalters für Richter an den ordentlichen Gerichten, Richter am Obersten Gericht und Staatsanwälte/Staatsanwältinnen gegen seine Verpflichtungen nach Art. 157 AEUV, Art. 5 Buchst. a und Art. 9 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/54 verstoßen hat;

–        festzustellen, dass Polen durch die in Art. 13 Nr. 1 des vorgenannten Gesetzes erfolgte Absenkung des Ruhestandsalters für Richter an den ordentlichen Gerichten und die Ermächtigung des Justizministers zur Verlängerung der aktiven Dienstzeit dieser Richter im Ermessenswege nach Art. 1 Nr. 26 Buchst. b und c dieses Gesetzes gegen seine Verpflichtungen nach Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 des Vertrags über die Europäische Union und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verstoßen hat;

–        Polen die Kosten aufzuerlegen.

40.      In ihrer am 31. Mai 2018 eingegangenen Klagebeantwortung beantragt die Republik Polen,

–        die vorliegende Klage insgesamt als unbegründet abzuweisen;

–        der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

V.      Vorbringen der Parteien

A.      Zulässigkeit der Klage

41.       Nach der von Polen in seiner Gegenerwiderung vorgetragenen Ansicht sei die Klage insgesamt gegenstandslos geworden; es fordert die Kommission auf, ihre Rüge umgehend zurückzunehmen.

42.      Nach Ansicht Polens seien die von der Kommission beanstandeten Bestimmungen in Art. 13 Nrn. 1 bis 3 des Änderungsgesetzes von Juli 2017, in denen Polen für Richter an den ordentlichen Gerichten, Richter am Obersten Gericht und Staatsanwälte ein Ruhestandsalter von 60 Jahren für Frauen bzw. 65 Jahren für Männer eingeführt habe, durch die Ustawa z dnia 12 kwietnia 2018 r. o zmianie ustawy – Prawo o ustroju sądów powszechnych, ustawy o Krajowej Radzie Sądownictwa oraz ustawy o Sądzie Najwyższym (Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Aufbau der ordentlichen Gerichtsbarkeit, des Gesetzes über den Landesjustizrat und des Gesetzes über das Oberste Gericht vom 12. April 2018, im Folgenden: Gesetz vom 12. April 2018) geändert worden(18). Nach Art. 1 Nr. 4 dieses Gesetzes, mit dem Art. 69 Abs. 1 des Gesetzes über den Aufbau der ordentlichen Gerichtsbarkeit geändert worden sei, träten Richter unabhängig von ihrem Geschlecht mit Vollendung ihres 65. Lebensjahrs in den Ruhestand ein. Damit sei auch das Ruhestandsalter der Staatsanwälte in gleicher Weise geregelt, da nach Art. 127 der Ustawa Prawo o prokuraturze (Gesetz über das öffentliche Ministerium) vom 28. Januar 2016(19) die Bestimmungen für Richter an den ordentlichen Gerichten sinngemäß auch auf Staatsanwälte Anwendung fänden. Für Richter am Obersten Gericht sei das Ruhestandsalter für diejenigen, die dies beantragten, nach Art. 37 der Ustawa o Sądzie Najwyższym (Gesetz über das Oberste Gericht) vom 8. Dezember 2017(20) auf 65 Jahre für Männer und Frauen festgelegt worden.

43.      Was die Bestimmungen des Art. 13 Nr. 1 in Verbindung mit Art. 1 Nr. 26 Buchst. b und c des Änderungsgesetzes von Juli 2017 angehe, mit denen neben anderen Gesetzen das Ruhestandsalter für Richter an den ordentlichen Gerichten abgesenkt und der Justizminister ermächtigt worden sei, über eine Verlängerung der aktiven Dienstzeit eines Richters zu entscheiden, seien diese ebenfalls geändert worden. Durch Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes vom 12. April 2018 sei Art. 69 Abs. 1b des Gesetzes über die ordentliche Gerichtsbarkeit dahin geändert worden, dass es dem Landesjustizrat obliege, dem Verbleib eines Richters an den ordentlichen Gerichten im aktiven Dienst über das Alter von 65 Jahren hinaus zuzustimmen. Die vom Landesjustizrat anzuwendenden Kriterien seien ebenfalls geändert worden. Der Landesjustizrat sei ein Verfassungsorgan, das dafür zuständig sei, die Unabhängigkeit der Richter und Gerichte zu gewährleisten. Folglich könne darin, dass die Entscheidung über die Verlängerung der aktiven Dienstzeit eines Richters dem Landesjustizrat überlassen werde, keine Handlung zu sehen sein, die die Unabhängigkeit der Richter beeinträchtige.

44.      In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter der Kommission erklärt, dass die Kommission ihre Klage aufrechterhalte. Durch die Gesetzesänderungen hätten sich nicht alle mit ihrer Klage gerügten Punkte erledigt. Es bestehe weiterhin ein ausdrückliches und wichtiges Interesse an einer Entscheidung über die Rechtssache, unabhängig davon, ob und inwieweit Polen seine Rechtsvorschriften im Anschluss an die mit Gründen versehene Stellungnahme der Kommission geändert habe.

B.      Diskriminierung aufgrund des Geschlechts

1.      Kommission

45.      Nach Ansicht der Kommission hat Polen durch die Absenkung des Ruhestandsalters von 67 auf 60 für Frauen und auf 65 für Männer, die durch das Änderungsgesetz von Juli 2017 erfolgt sei, gegen Art. 157 AEUV und Art. 5 Buchst. a der Richtlinie 2006/54 sowie Art. 9 Abs. 1 Buchst. f dieser Richtlinie verstoßen, da das Änderungsgesetz von Juli 2017 aufgrund des Geschlechts unterschiedliche Altersgrenzen für den Eintritt in den Ruhestand für Richter vorsehe(21).

46.      Die Kommission weist darauf hin, dass es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs für die Frage, ob eine Regelung als ein betriebliches System der sozialen Sicherheit anzusehen sei, so dass die Richtlinie 2006/54 und nicht die Richtlinie 79/7 anwendbar sei, entscheidend darauf ankomme, ob sie für das Beschäftigungsverhältnis von wesentlicher Bedeutung sei; dies sei dann der Fall, wenn die Rente an das Entgelt der betreffenden Person anknüpfe und daher unter Art. 157 AEUV falle(22). Die beim Eintritt in den Ruhestand erfolgenden Zahlungen nach den hier in Rede stehenden Regelungen würden unzweifelhaft aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses geleistet und nicht aufgrund politischer, sozialer, ethischer oder haushaltsbezogener Erwägungen, wie dies bei Rentensystemen im Sinne der Richtlinie 79/7 der Fall sei. Polen könne sich somit nicht auf ein in Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 79/7 vorgesehenes Ermessen der Mitgliedstaaten berufen, um für Männer und Frauen unterschiedliche Ruhestandsalter in Systemen der öffentlichen sozialen Sicherheit anzuordnen.

47.      In der Rechtsprechung sind drei Voraussetzungen für die Anwendung dieses Ausschlusses aufgestellt: Die betreffenden Maßnahmen müssen sich auf eine bestimmte Gruppe von Arbeitnehmern beziehen, die Höhe der nach dem Eintritt in den Ruhestand gewährten Leistungen muss unmittelbar vom zeitlichen Umfang der geleisteten Tätigkeit abhängen (wobei dies nach Ansicht der Kommission nicht zwingend in automatischer oder mathematischer Weise der Fall sein muss), und die Höhe der Leistungen muss aufgrund des auf der zuletzt bekleideten Stelle bezogenen Entgelts berechnet werden. Die Kommission sieht diese Kriterien im Fall der beanstandeten Maßnahme alle als erfüllt an; von Polen werde hiergegen in der Tat lediglich eingewendet, dass die Leistungen nach den in Rede stehenden Pensionsregelungen nicht unmittelbar vom zeitlichen Umfang der geleisteten Tätigkeit abhingen.

48.      Die Kommission trägt u. a. insbesondere vor, dass der Umstand, dass die Bestimmung der gewährten Leistungen an Positionen im öffentlichen Dienst außerhalb der Justiz anknüpfe, entgegen dem Vorbringen Polens dafür spreche, dass die Rentenleistungen in der Tat von der Dienstzeit abhingen. Dass das System Obergrenzen vorsehe(23), ändere nichts daran, dass für das Endgehalt, auf dem die Leistungen beruhten, die Besoldungsgruppe (die von der Dienstzeit abhänge) und die Dienstalterszulage (die ebenfalls von der Dienstzeit abhänge) maßgeblich seien. Die Dienstzeit sei ein grundlegender Faktor für die Bestimmung sowohl der Besoldungsgruppe als auch einer spezifischen Dienstalterszulage.

49.       Die Kommission kommt somit zu dem Schluss, dass eine unmittelbare Diskriminierung vorliege, die gegen Art. 157 AEUV und die Richtlinie 2006/54 verstoße, und verweist insbesondere auf Art. 5 Buchst. a und Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie.

50.      Die Kommission weist die Argumente Polens zurück, dass ein niedrigeres Ruhestandsalter für Frauen als für Männer eine Maßnahme der positiven Diskriminierung sei, die nach Art. 157 Abs. 4 AEUV und Art. 3 der Richtlinie 2006/54 zulässig sei, da die betreffenden Maßnahmen Frauen nicht dabei unterstützten, ihre berufliche Laufbahn voranzubringen und die Chancengleichheit beim beruflichen Aufstieg nicht förderten(24). Auch bestehe kein Zusammenhang mit der Kindererziehung, da das Gesetz auch für Frauen gelte, die keine Kinder hätten oder die ihre berufliche Laufbahn nach der Geburt nicht unterbrochen hätten. Auch Männer könnten Kindererziehungsaufgaben haben, seien aber vom Ruhestandsalter von 60 Jahren ausgeschlossen.

2.      Republik Polen

51.       Polen ist der Ansicht, dass die in Rede stehenden Pensionsregelungen der Richtlinie 79/7 und nicht der Richtlinie 2006/54 unterlägen und dass Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 79/7 den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräume, die Festsetzung der Altersgrenzen für Ruhestands- und Altersrenten vom Anwendungsbereich der Richtlinie auszunehmen. Hilfsweise macht Polen geltend, dass die in Rede stehenden Pensionsregelungen, selbst wenn sie unter die Richtlinie 2006/54 fielen, eine Maßnahme der positiven Diskriminierung darstellten, die nach Art. 3 der Richtlinie 2006/54 und Art. 157 Abs. 4 AEUV zulässig sei.

52.      Das zweite der drei oben genannten Kriterien sei nicht erfüllt; die Kommission habe die in Rede stehende polnische Regelung zur Bestimmung der Rentenleistungen zudem grundlegend missverstanden. Die Dienstzeit spiele bei der Bestimmung der Leistungen nur eine sekundäre Rolle.

53.      Der erforderliche Zusammenhang mit der Dienstzeit sei nicht gegeben, da u. a. für die an die Dauer der Tätigkeit anknüpfende Zulage eine Obergrenze von 20 % des Grundgehalts gemäß den Rechtsvorschriften für Staatsanwälte und Richter an den ordentlichen Gerichten gelte, und zwar unabhängig davon, ob ein Richter 20 oder 40 Dienstjahre tätig gewesen sei. Das primäre Element für die Bestimmung des Entgelts sei das Grundgehalt. Zudem werde durch die Methode zur Berechnung der gewährten Pension kein Geschlecht dem anderen vorgezogen; ferner belege der Umstand, dass die geleisteten Dienstzeiten, die bei der Bestimmung von Leistungen berücksichtigt würden, auch Stellen im öffentlichen Dienst außerhalb der Justiz umfassten, dass die Pensionsleistungen von der Dienstzeit nicht unmittelbar abhingen. Eine Erhöhung der Ruhestandspension sei nur in Abhängigkeit von einer Veränderung des Entgelts von Richtern im aktiven Dienst möglich, was zeige, dass es auf die Dienstzeit nicht maßgebend ankomme. Für das Grundgehalt sei nicht die Dienstzeit, sondern die Staffelung anhand der bekleideten Stelle und der Multiplikatoren maßgebend. Auch die Beförderung spiele eine Rolle.

54.      Zum Aspekt der positiven Maßnahme trägt Polen vor, dass höhere Positionen in der Justiz für Frauen aufgrund ihrer Kindererziehungsaufgaben weniger zugänglich seien. Ein vorgezogener Ruhestand sei eine Form des Ausgleichs für diese Benachteiligung. Die große Mehrheit der Frauen in Polen habe Kinder und übernehme die Kindererziehung zum Nachteil ihrer beruflichen Laufbahn häufiger als Männer.

55.      Schließlich verweist Polen auf vom 1. Oktober 2017 bis zum 30. April 2018 parallel zum Änderungsgesetz von Juli 2017 geltende Übergangsmaßnahmen, wonach Richter unabhängig vom Geschlecht im selben Alter, mit 67, hätten in den Ruhestand gehen können. Diese seien ab dem Zeitpunkt in Kraft gewesen, zu dem die von der Kommission beanstandeten Bestimmungen in Kraft gewesen seien, und hätten eine Übergangsregelung vorgesehen, nach der Richter, die zum 1. Oktober 2017 oder bis zum 1. April 2018 (also sechs Monate nach dem 1. Oktober 2017) 60 Jahre (für Frauen) bzw. 65 Jahre (für Männer) alt gewesen seien, lediglich ihren Wunsch hätten erklären müssen, mit 67 in den Ruhestand zu gehen, und eine ärztliche Bescheinigung über die Eignung für die Anwendung dieses vormaligen Ruhestandsalters hätten vorlegen müssen. Hierfür sei keine Zustimmung durch eine Behörde erforderlich gewesen. Die einzige sonstige Voraussetzung sei eine Frist gewesen, wonach diese Unterlagen bis zum 1. April 2018 hätten vorgelegt werden müssen(25).

C.      Angeblicher Verstoß gegen Art. 19 EUV in Verbindung mit Art. 47 der Charta

1.      Kommission

56.      Nach Ansicht der Kommission liege ein Verstoß gegen die Verpflichtungen eines Mitgliedstaats nach Art. 19 Abs. 1 EUV vor, wenn Gerichte, die das Unionsrecht anwendeten, durch Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats an der Einhaltung des Rechts auf wirksamen Rechtsschutz in systematischer Weise gehindert würden(26). Dies sei insbesondere von Bedeutung, um das reibungslose Funktionieren des Mechanismus des Art. 267 AEUV zu gewährleisten(27). Zu den von Art. 19 Abs. 1 EUV umfassten Verpflichtungen gehöre, insbesondere im Licht von Art. 47 der Charta, diejenige der Unabhängigkeit(28). Dies gelte unabhängig davon, welches Modell des Aufbaus der Justiz ein Mitgliedstaat in Ausübung seiner nationalen Verfahrensautonomie auf diesem Gebiet wähle.

57.      Die Kommission beanstandet eine Absenkung des Ruhestandsalters für Richter, die mit einem Ermessen des Justizministers einhergeht, dieses zu verlängern. Die Kommission beanstandet nicht im Allgemeineren alle Regelungen, durch die eine Beziehung zwischen der Justiz und der Exekutive begründet wird.

58.      Die Möglichkeit, Rechtsmittel gegen Urteile der ordentlichen Gerichte einzulegen, garantiere keinen wirksamen Rechtsschutz, wenn die Unabhängigkeit der Richter auf allen Ebenen des Justizsystems nicht gewährleistet sei.

59.      Die Kriterien, die der Minister bei dieser Entscheidung anwende, seien vage, und es gebe nach dem Recht des Mitgliedstaats keine Frist, innerhalb deren der Minister diese Entscheidung zu treffen habe, wodurch dem Minister ein übermäßiges Ermessen und eine tatsächliche Machtbefugnis zur Beeinflussung einzelner Richter übertragen werde. Dies verstoße gegen den Grundsatz der Unabsetzbarkeit der Richter, der als grundlegender Bestandteil ihrer Unabhängigkeit sowohl in persönlicher als auch in funktionaler Hinsicht gelten und den Schutz vor einer Absetzung und Einflussnahme durch die Exekutive einschließen müsse(29). Dies könne nicht damit entschuldigt werden, dass das Ruhestandsalter von Richtern an das normale Renteneintrittsalter angepasst werde.

2.      Polen

60.      Polen hält die Klage der Kommission für verallgemeinernd, hypothetisch, abstrakt und für eine Missachtung seiner Befugnis zur Gestaltung seines eigenen Rechtspflegesystems. Die Auslegung von Art. 19 Abs. 1 EUV durch die Kommission sei zu weitreichend. Ferner könne Art. 47 nur Anwendung finden, wenn die Mitgliedstaaten das Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta durchführten. Er könne hier keine Anwendung finden, weil eine Anwendung der Charta, durch die die Zuständigkeiten der Union ausgedehnt würden, nach Art. 6 Abs. 1 EUV und Art. 51 der Charta ausgeschlossen sei. Art. 47 der Charta stelle keinen abstrakten Prüfungsmaßstab dar.

61.      Richter in Polen genössen den verfassungsmäßigen Schutz eines gesetzlich festgelegten Ruhestandsalters. Ein Verstoß gegen die Unabsetzbarkeit von Richtern liegt nicht vor, weil der Minister lediglich mit der Frage der Verlängerung befasst sei. Der Ermessensspielraum des Ministers werde durch Art. 69 Abs. 1b des Gesetzes über die ordentliche Gerichtsbarkeit begrenzt. Er verpflichte den Minister, die Entscheidung unter Berücksichtigung eines rationellen Einsatzes der Bediensteten der ordentlichen Gerichte und des sich aus der Arbeitsbelastung der einzelnen Gerichte ergebenden Bedarfs zu treffen. Richter würden ferner nach polnischem Recht u. a. durch die Aufrechterhaltung des Richterstatus nach dem Eintritt in den Ruhestand und das Beratungsgeheimnis geschützt.

62.      Die Bedenken der Kommission in Bezug auf eine mögliche Tendenz seitens der Richter, zugunsten des Justizministers oder allgemeiner der Exekutive zu entscheiden, hätten schon viele Jahre lang gegen gesetzliche Bestimmungen erhoben werden können, wonach die Zuständigkeit für Beförderungen beim Präsidenten der Republik liege. Die Annahme, polnische Richter seien einer Einflussnahme zugänglich, sei beleidigend; es gebe viele Fälle von Verbindungen zwischen Justiz und Exekutive. Polen führt an, dass die Ämter der Richter des Gerichtshofs alle sechs Jahre verlängert würden. Wenn dies die Unabhängigkeit der Justiz nicht beeinträchtige, könne dies auch bei den von der Kommission beanstandeten Maßnahmen nicht der Fall sein. Es dürften keine unterschiedlichen Standards für den Gerichtshof und die Gerichte der Mitgliedstaaten nebeneinander bestehen.

63.      Die Kommission habe das Justizsystem in Polen samt aller seiner Schutzmechanismen nicht umfassend gewürdigt; dies sei erforderlich, wenn eine „systematische“ Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit geltend gemacht werden solle. Die Kommission habe ihre Würdigung lediglich auf ein einzelnes Element desselben beschränkt.

VI.    Rechtliche Würdigung

A.      Zulässigkeit

64.      Zunächst ist die Klage der Kommission meines Erachtens nicht gegenstandslos. Zu verweisen ist auf die ständige Rechtsprechung, wonach das Vorliegen eines Verstoßes eines Mitgliedstaats gegen Verpflichtungen nach Art. 258 AEUV anhand der Situation zu beurteilen ist, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist befand, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt wurde(30), hier also am 12. Oktober 2017. Zu diesem Zeitpunkt wurde von Polen entgegnet, dass Maßnahmen nicht ergriffen würden (siehe oben, Nr. 37). Die Änderungen des Gesetzes, auf die Polen seine Ansicht stützt, dass ein angeblicher Verstoß gegen seine Verpflichtungen nach dem Unionsrecht jedenfalls geheilt sei, beziehen sich auf ein Gesetz vom 12. April 2018 (siehe oben, Nrn. 42 und 43).

65.      Was die Übergangsbestimmungen (siehe oben, Nr. 55) angeht, die zum Stichtag 12. Oktober 2017 in Kraft waren, so sehen sie in Bezug auf die erste Rüge eine nur für wenige weibliche Richterinnen geltende kurzzeitige Ausnahme vor. Im Übrigen ist das Bestehen von Übergangsmaßnahmen im Rahmen der Prüfung, ob ein Verstoß gegen die Grundsätze der Unabsetzbarkeit und Unabhängigkeit von Richtern vorliegt, eine Frage der Begründetheit und wird daher unten in Abschnitt VI.C erörtert und nicht als eine im Rahmen der Zulässigkeit zusätzlich eröffnete Fragestellung.

66.       Jedenfalls haben, ebenso wie dies in der Rechtssache Kommission/Polen (Unabhängigkeit des Obersten Gerichts) (C‑619/18) der Fall war, die Mitgliedstaaten, Einzelpersonen und die Union ein zwingendes Interesse daran, dass über die vorliegende Rüge vom Gerichtshof entschieden wird. Ebenso wie das ausstehende Urteil in der Rechtssache C‑619/18 wird dieses Urteil auf der Achtung der Rechtsstaatlichkeit in der Unionsrechtsordnung beruhen und Hinweise dazu geben, was zu ihrem Schutz erforderlich ist. Es wird auch die Abgrenzung zwischen öffentlichen Systemen der sozialen Sicherheit, die unter die Richtlinie 79/7 fallen, und berufsbezogenen betrieblichen Systemen der Altersversorgung, die unter die Richtlinie 2006/54 fallen, klären.

67.      Die Rüge der Kommission ist daher zulässig, soweit sie sich nicht auf Art. 47 der Charta stützt.

68.      Zweitens ist hier auf die Nrn. 52 bis 60 und 65 bis 67 meiner Schlussanträge vom 11. April 2019 in der Rechtssache Kommission/Polen (Unabhängigkeit des Obersten Gerichts) (C‑619/18) zu verweisen(31). Die Kommission hat einen Verstoß gegen Art. 47 nicht hinreichend dargelegt, da sie nicht dargetan hat, inwieweit Polen mit der Einführung des Änderungsgesetzes von Juli 2017 Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta durchgeführt hat.

69.      Ergänzend zu diesen Ausführungen möchte ich nur betonen, dass die Kommission zwar nach Art. 17 Abs. 1 EUV die Aufgabe hat, „die Anwendung des Unionsrechts [zu überwachen]“, dies jedoch keinesfalls mit der Befugnis verbunden ist, „die in den Verträgen festgelegten Zuständigkeiten der Union in [irgendeiner Weise zu erweitern]“, wie Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV dies ausschließt. Ebenso wie dies in der Rechtssache C‑619/18 der Fall war, hat die Kommission nicht versucht, in ihrem Vortrag in Bezug auf Art. 47 der Charta an eine Bestimmung des polnischen Rechts anzuknüpfen, durch die eine Bestimmung des Unionsrechts umgesetzt werden sollte(32), oder zu behaupten, dass der ihrer Rüge zugrunde liegende Sachverhalt anderweitig durch das Unionsrecht „geregelt“ sei(33).

70.      Daher komme ich zu dem Ergebnis, dass es einen ungerechtfertigten Eingriff in die Befugnis Polens zur Gestaltung der Rechtspflege darstellen würde, wenn der Kommission darin beigepflichtet würde, dass die Bedeutung des Rechts auf einen wirksamen Rechtsschutz nach Art. 19 EUV durch Art. 47 der Charta an und für sich unmittelbar beeinflusst werden könne. Wie von Generalanwalt Saugmandsgaard Øe in der Rechtssache Kommission/Ungarn (Nießbrauchsrechte an landwirtschaftlichen Flächen)(34) ausgeführt, obliegt es dem Gerichtshof als höchster Auslegungsinstanz für das Unionsrecht, die Achtung der Grundrechte im Bereich der Unionszuständigkeit sicherzustellen. Anders als der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat der Gerichtshof keinen spezifischen Auftrag, alle etwaigen Verstöße der Mitgliedstaaten gegen die Grundrechte zu ahnden(35).

71.      Wie ich nachstehend in Abschnitt VI.C darlegen werde, beeinträchtigt dies in keiner Weise die Heranziehung gemeinsamer Rechtsquellen bei der Entscheidung der Frage, ob der Grundsatz der Unabsetzbarkeit von Richtern, und ihrer Unabhängigkeit und Unparteilichkeit, in einem konkreten Fall verletzt wurde, und dies unabhängig davon, ob die betreffende Klage auf Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV gestützt wird, der eine Ausprägung der in Art. 2 EUV genannten grundlegenden Werte ist, oder ob die Sachlage so ist, dass ein Mitgliedstaat das Unionsrecht durchführt, wodurch der durch Art. 47 der Charta gewährte Schutz und das Recht auf „ein unabhängiges und unparteiisches und zuvor durch Gesetz errichtetes Gericht“ ausgelöst werden.

72.      Die der Charta immanenten Schranken, aufgrund deren sie für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union gilt (Art. 51 Abs. 2 der Charta), können nicht dahin verstanden werden, dass sie die Pflicht der Kommission beeinträchtigen, die in Art. 2 EUV genannten grundlegenden Werte der Union zu schützen(36), die Teil des gemeinsamen europäischen Verfassungserbes sind. Unmittelbare Maßnahmen der Art, wie sie die Kommission mit ihren Rügen in diesem Verfahren eingeleitet hat, führen nicht zu einer mit Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV und Art. 51 Abs. 2 der Charta unvereinbaren Ausdehnung der Unionszuständigkeit.

73.      Drittens schließt der Umstand, dass das Änderungsgesetz von Juli 2017 Teil des begründeten Vorschlags der Kommission nach Art. 7 Abs. 1 des Vertrags über die Europäische Union zur Rechtsstaatlichkeit in Polen(37) ist, keineswegs aus, dass die Kommission eine Direktklage nach Art. 258 AEUV erhebt. Zu verweisen ist auf meine Schlussanträge in der Rechtssache Kommission/Polen (Unabhängigkeit des Obersten Gerichts) (C‑619/18)(38), worin ich erörtere, warum die beiden Verfahren sich unionsrechtlich nicht gegenseitig ausschließen(39).

B.      Erste Rüge

74.      Die Kommission hat mit ihrer ersten Rüge meines Erachtens hauptsächlich deshalb Erfolg, weil Polen von einer zu engen Auslegung der nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs geltenden Voraussetzungen ausgeht, nach denen eine Rentenregelung als eine solche anzusehen ist, die sozialpolitischen Erwägungen Rechnung trägt und somit als Maßnahme im Bereich der sozialen Sicherheit der Richtlinie 79/7 unterliegt, und nicht als Maßnahme, die das „Entgelt“ im Sinne von Art. 157 AEUV betrifft und für die die Ausschlüsse nach diesem Artikel und den Richtlinien über das gleiche Entgelt, hier der Richtlinie 2006/54, gelten.

75.      Zu eng versteht Polen insbesondere die Voraussetzung dahin, dass eine Rentenregelung nur dann nicht unter die Richtlinie 79/7 falle, wenn die danach zu gewährenden Leistungen „unmittelbar“ von der Dienstzeit „abhängen“.

76.      Was der Vortrag Polens vermissen lässt, ist eine Auseinandersetzung mit der Abgrenzung zwischen den Richtlinien 2006/54 und 79/7, wie sie sich in der Rechtsprechung des Gerichtshofs anhand der Bedeutung des Begriffs „Entgelt“ nach Art. 157 AEUV entwickelt hat. Ebenfalls nicht erörtert worden sind die für diese Abgrenzung maßgebenden allgemeineren Grundsätze, die von den drei nur für berufsbezogene Systeme der sozialen Sicherheit maßgebenden Faktoren zu trennen sind, nämlich i) ob sie sich auf eine bestimmte Gruppe von Arbeitnehmern beziehen, ii) ob die Höhe der nach dem Eintritt in den Ruhestand gewährten Leistungen unmittelbar vom zeitlichen Umfang der geleisteten Tätigkeit abhängt und iii) ob die Leistungen aufgrund des auf der zuletzt bekleideten Stelle bezogenen Entgelts berechnet werden.

77.      Beispielsweise betraf das Urteil Evrenopoulos einen Anspruch auf eine Witwerrente gegenüber der griechischen staatlichen Elektrizitätsbehörde nach einer privatrechtlichen Regelung; der Kläger machte geltend, ihm werde die Rente aufgrund des Geschlechts (als Mann) verweigert. Bei der Prüfung, ob die Regelung der Vorgängerregelung des Art. 157 AEUV (nämlich Art. 119 EWG-Vertrag) oder der Richtlinie 79/7 unterlag, bekräftigte der Gerichtshof den wichtigen übergeordneten Grundsatz, dass „allein das Kriterium, dass die Rente dem Arbeitnehmer aufgrund seines Dienstverhältnisses mit seinem früheren Arbeitgeber gezahlt wird, … entscheidend sein [kann]“(40).

78.      Zuvor hatte in der Rechtssache Beune, in der es um die Frage der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts in Bezug auf die Höhe der Leistungen öffentlicher betrieblicher Rentensysteme ging, Generalanwalt Jacobs das Arbeitsverhältnis als das „wirklich entscheidende Kriterium“ bezeichnet und darauf verwiesen, dass mit den „Entscheidungen des Gerichtshofes … zum Verhältnis zwischen sozialer Sicherheit und Artikel 119 [EWG-Vertrag] … eine klare Unterscheidung zwischen allgemeinen Systemen der sozialen Sicherheit und solchen, die im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses funktionieren, angestrebt [wird]“ (41).

79.      Die herausragende Rolle des Arbeitsverhältnisses wurde auch von Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Hlozek hervorgehoben(42). In dem Rechtsstreit, der eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und die Frage betraf, ob ein Überbrückungsgeld als „Entgelt“ im Sinne von Art. 157 AEUV anzusehen war, kam die Generalanwältin zu dem Schluss, dass die Einordnung der Leistung „lediglich von dem … Kriterium der Beschäftigung ab[hängt]“, das aus dieser Vorschrift selbst ableitbar sei(43). Die Generalanwältin sah als allein maßgebend an, ob die Leistung „aufgrund des Dienstverhältnisses erfolgte(44), und verwies ferner darauf, dass die Dauer der Betriebszugehörigkeit im Allgemeinen für die Einordnung unter den Begriff des „Entgelts“ unerheblich und dieser weit zu verstehen sei(45). Hierdurch wird belegt, dass die Voraussetzung der „Betriebszugehörigkeit“ den Rechtsstreitigkeiten über Leistungen im Rahmen betrieblicher Rentensysteme eigen ist(46), was wiederum einer übermäßig engen Auslegung der Formulierung „unmittelbar abhängen“ entgegensteht.

80.      Der vorstehend näher erläuterte Rechtsgrundsatz bildet daher den Rahmen, innerhalb dessen der Gerichtshof entscheidet, ob Erwägungen der Sozialpolitik, der Staatsorganisation und der Ethik oder gar den Haushalt betreffende Überlegungen, die bei der Festlegung eines bestimmten Systems durch den nationalen Gesetzgeber tatsächlich oder vielleicht eine Rolle gespielt haben, vorrangig sind, so dass ein bestimmtes Rentensystem unter die Richtlinie 79/7 fällt. Die drei oben (Nr. 76) behandelten Grundsätze sind eine Richtschnur zur Entscheidungsfindung, wenn die Richtlinie 79/7 auf ein bestimmtes Alterssicherungssystem nicht anwendbar ist, aber diese Richtschnur darf gleichzeitig nicht in einem Vakuum, isoliert vom breiteren Zusammenhang der einschlägigen Rechtsgrundsätze, betrachtet werden. Zu diesen gehört, das ist zu ergänzen, die Bedeutung der primärrechtlichen Regel für die Unionsrechtsordnung, dass eine Ungleichbehandlung in Bezug auf das Entgelt verboten ist(47).

81.       Meines Erachtens kann somit nicht der Schluss gezogen werden, dass einer der drei Faktoren, die ein betriebliches Rentensystem vom Geltungsbereich der Richtlinie 79/7 ausschließen, in dem Sinne in Stein gemeißelt wäre, dass er eine Auslegung dahin erfahren müsste, dass selbst eine geringfügige Abweichung von ihm zwangsläufig dazu führen müsste, dass das jeweilige System in den sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 79/7 und insbesondere unter das den Mitgliedstaaten in Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie verbliebene Ermessen zur Festlegung eines für Männer und Frauen unterschiedlichen Renteneintrittsalters fällt(48).

82.      Polen hat nicht zu erklären versucht, inwiefern das in Rede stehende System von den Entscheidungen zu unterscheiden sein sollte, in denen die Voraussetzung, dass die Rentenleistungen von der Dienstzeit „unmittelbar abhängen“, als gegeben angesehen wurde. Ich denke hier an die Entscheidungen in Rechtssachen wie etwa Beune(49), Podesta(50), Griesmar(51), Niemi(52), Schönheit(53) und Kommission/Griechenland(54). In allen diesen Urteilen stellte der Gerichtshof fest, dass die nach den in Rede stehenden betrieblichen Rentensystemen gewährten Leistungen als „Entgelt“ im Sinne der in jeder Rechtssache einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts anzusehen waren, nachdem er das Indiz des unmittelbaren Abhängens von der Dienstzeit angewendet sowie die Frage, ob das System sich auf eine bestimmte Gruppe von Arbeitnehmern bezieht, und die Frage, ob die Leistungen auf Basis des letzten Gehalts berechnet werden, geprüft hatte, wobei die letzteren beiden Faktoren in der vorliegenden Rechtssache nicht von Bedeutung sind(55).

83.      All dies führt mich zu dem Schluss, dass betriebliche Rentenleistungen schon dann nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 79/7 fallen, wenn sie in nicht unerheblichem Umfang an die Dienstzeit anknüpfen. Der Gerichtshof stellte nämlich im Urteil Kommission/Griechenland fest, dass allein der Umstand, dass die in jener Rechtssache in Rede stehenden Rentenleistungen bisweilen je nach Schwierigkeit der geleisteten Arbeit oder Schwierigkeit der Umstände ihrer Erbringung variierten, der Regel nicht entgegenstand, dass die Leistungen unmittelbar in Abhängigkeit von der geleisteten Dienstzeit gewährt werden müssen(56).

84.      So liegt in der Formulierung „unmittelbar abhängen“ der Schwerpunkt auf „abhängen“ und nicht auf „unmittelbar“. Der letztgenannte Begriff stellt keine Voraussetzung dahin auf, dass die Leistung automatisch oder ausschließlich an die Dienstzeit anknüpfen muss, unter Ausschluss sonstiger Faktoren wie der von Polen angesprochenen (und oben in Rn. 53 zusammengefassten). Diese schließen die Geltung von Obergrenzen (wie die Obergrenze für die Dienstalterszulage), die tatsächlichen Voraussetzungen, die gegeben sein müssen, bevor ein Gehalt im Ruhestand gewährt werden kann, Beförderungen, Multiplikatoren und Staffelung bei der Bestimmung des Grundgehalts ein. Hier bestimmt sich das Grundgehalt auch wesentlich nach der Dienstzeit (siehe unten, Nrn. 86 bis 89). Keiner dieser Faktoren ist daher geeignet, einen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Dienstzeit und den gewährten Leistungen aufzuheben.

85.      Ferner schließe ich mich dem Argument der Kommission an, dass der Umstand, dass für die Berechnung der Dienstzeit auch Stellen im öffentlichen Dienst außerhalb der Justiz berücksichtigt werden können, dafür und nicht dagegen spricht, dass die Leistungen des in Rede stehenden Pensionssystems von der Dienstzeit unmittelbar abhängen (siehe oben, Nr. 48). Dass das Berechnungssystem für Pensionsleistungen nicht ein Geschlecht gegenüber dem anderen bevorzugt, beseitigt nicht die Ungleichbehandlung von Männern, weil ihr Ruhestandsalter höher ist als das von Frauen.

86.      Ich bin auch damit einverstanden, dass die Kommission den Zusammenhang zwischen gewährten Leistungen und Dienstzeit als gegeben ansieht (siehe oben, Nrn. 46 und 48). Ich verweise z. B. auf Art. 91 Abs. 1 des Gesetzes über die ordentliche Gerichtsbarkeit, wonach die Höhe der Besoldung der Richter sich nach der Dienstzeit richtet, und auf Art. 91 Abs. 7, wonach die Besoldung sich ferner nach einer Alterszulage richtet (siehe oben, Nr. 19). Gemäß Art. 91a Abs. 3 des Gesetzes über die ordentliche Gerichtsbarkeit wird das Grundgehalt ebenfalls durch die Dienstzugehörigkeit beeinflusst (oben, Nr. 21). Derartige Gesetzesbestimmungen können nicht durch Verweis auf sonstige Faktoren wie Obergrenzen und Multiplikatoren (siehe die oben in Nr. 84 genannten Faktoren) wegdiskutiert werden oder von der gesetzlichen Realität ablenken, dass den Ruhestandsleistungen das letzte Gehalt zugrunde liegt, das sich zu einem erheblichen Grad nach der Dienstzeit richtet.

87.      Konkret steigt nach Art. 91a Abs. 3 des Gesetzes über die ordentliche Gerichtsbarkeit (oben, Nr. 20) das Grundgehalt eines Richters nach fünfjähriger Dienstzeit auf einer Richterstelle in die nächsthöhere Besoldungsgruppe. Hierdurch wird der wichtige Zusammenhang mit der Dienstzeit hergestellt, da nach Art. 100 Abs. 1 (oben, Nr. 22) die zuletzt bekleidete Stelle für die zu gewährenden Pensionsleistungen maßgebend ist. Die zuletzt bekleidete Stelle dürfte indes einer bestimmten Besoldungsgruppe zugeordnet sein, die von der Dienstzeit abhängig ist. Ferner heben die zusätzlichen Pensionsleistungen nach Art. 100 (siehe oben, Nr. 22) den Zusammenhang zwischen der Dienstzeit, der Einordnung in eine Besoldungsgruppe und der zuletzt bekleideten Stelle nicht auf.

88.      Der Zusammenhang zwischen Besoldungsgruppe und Dienstzeit beim Oberstern Gericht wird nach Art. 42 Abs. 4 bis 5 des Gesetzes von 2002 über das Oberste Gericht (oben, Nr. 26) dadurch hergestellt, dass nach Art. 42 Abs. 5 das Grundgehalt vom Jahr des Diensteintritts abhängt und nach sieben Jahren erhöht wird, während nach Art. 50 die Pensionsleistungen von den Grundgehältern und Dienstalterszulagen abhängen (oben, Nr. 28). Art. 43 des Gesetzes von 2002 über das Oberste Gericht sieht eine Dienstalterszulage vor, die sich zum Teil nach der Dienstzugehörigkeit bestimmt (oben, Nr. 27).

89.      Was die Staatsanwälte anbelangt, wird der unmittelbare Zusammenhang mit der Dienstzeit durch Art. 127 Abs. 1 des Gesetzes über die Staatsanwaltschaft (oben, Nr. 31) sowie einige speziellere Bestimmungen, die die Pensionsleistungen an die Dienstzeit knüpfen, hergestellt. Verwiesen sei hier beispielsweise auf Art. 124 Abs. 1 des Gesetzes über die Staatsanwaltschaft (oben, Nr. 32), wonach die Dienstzeit ein Faktor für die Bestimmung der Besoldung ist. Verwiesen sei beispielhaft vielleicht auch noch auf Art. 124 Abs. 4 und 5 (oben, Nrn. 31 und 32), wonach frühere Stellen bei der Bestimmung des Gehalts zu berücksichtigen sind und in denen die Dienstzeit mit der Besoldungsgruppe verbunden ist.

90.      Was das Vorbringen Polens zur positiven Diskriminierung angeht, genügt der Hinweis darauf, dass der Zweck von positiv diskriminierenden Maßnahmen in der Rechtsprechung des Gerichtshofs dahin geklärt ist, dass sie „Frauen spezifisch begünstigen und ihre Fähigkeit verbessern sollen, im Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt zu bestehen und unter den gleichen Bedingungen wie Männer eine berufliche Laufbahn zu verfolgen“(57). Da Richterinnen, die im Ruhestand sind, am Arbeitsmarkt nicht mehr im Wettbewerb stehen oder eine Laufbahn verfolgen, können die von der Kommission beanstandeten Maßnahmen in keiner Weise als Maßnahmen der positiven Diskriminierung im Sinne von Art. 3 der Richtlinie 2006/54 und Art. 157 Abs. 4 AEUV anzusehen sein. Im Übrigen ist Vorsicht angebracht, Regelungen, die die herkömmliche Rollenverteilung in die Zukunft fortschreiben, als Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung zu betrachten(58). Das „Entgelt“ im Sinne von Art. 157 Abs. 4 AEUV darf nicht, auch nicht unbeabsichtigt, dazu verwendet werden, um Rollenverteilungen aufrechtzuerhalten.

91.      Wie von der Kommission vorgetragen (oben, Nr. 50), ist die beanstandete Maßnahme nicht differenziert genug ausgestaltet. Sie steht Männern, die wegen der Kindererziehung Karrieremöglichkeiten nicht wahrnehmen konnten, nicht offen und berücksichtigt nicht, dass einige Frauen davon überhaupt nicht betroffen sind.

92.      Aus den vorstehenden Gründen sollte die erste Rüge der Kommission als begründet angesehen werden.

C.      Zweite Rüge

1.      Einschlägige Rechtsvorschriften und ihre Quellen

93.      Der Gerichtshof hat im Urteil Associação Sindical dos Juízes Portugueses(59) festgestellt, dass Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV die Mitglieder der Gerichte vor der Absetzung schützt. Er stellt eine der wesentlichen Garantien für die richterliche Unabhängigkeit dar(60). Unabsetzbarkeit und Unabhängigkeit sind eng miteinander verbunden, weil die unerlässliche Freiheit von äußeren Einflüssen bestimmte Garantien wie die Unabsetzbarkeit erfordert, die geeignet sind, die mit der Aufgabe des Richtens Betrauten in ihrer Person zu schützen(61).

94.      Der Gerichtshof hat im Urteil Associação Sindical dos Juízes Portugueses und in anderen Entscheidungen festgestellt, dass die Garantie der Unabhängigkeit dem Auftrag des Richters inhärent ist(62). Der nach Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV geschützte Begriff der Unabhängigkeit setzt u. a. voraus, dass die betreffende Einrichtung ihre richterlichen Funktionen in völliger Autonomie ausübt, ohne mit irgendeiner Stelle hierarchisch verbunden oder ihr untergeordnet zu sein und ohne von irgendeiner Stelle Anordnungen oder Anweisungen zu erhalten, und dass sie auf diese Weise vor Interventionen oder Druck von außen geschützt ist, die die Unabhängigkeit des Urteils ihrer Mitglieder gefährden und deren Entscheidungen beeinflussen könnten(63).

95.      Die Rüge der Kommission in Bezug auf Richter an den ordentlichen Gerichten fällt in den sachlichen Anwendungsbereich von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV, der die Rechtsstaatlichkeit konkretisiert, die ihrerseits ein Wert ist, auf den sich nach Art. 2 EUV die Union gründet. Die ordentlichen Gerichte können über Fragen der Auslegung und Anwendung des Unionsrechts entscheiden und nach Art. 267 AEUV vorlegen. Art. 19 Abs. 1 EUV findet daher auf sie Anwendung(64). Wie der Gerichtshof unlängst erneut erklärt hat, „hat jeder Mitgliedstaat dafür zu sorgen, dass Einrichtungen, die als ‚Gerichte‘ im Sinne des Unionsrechts Bestandteil seines Rechtsbehelfssystems sind, in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz gewähren“(65).

96.      Dem möchte ich hinzufügen, dass allgemeine Grundsätze eine Quelle von Grundrechten bleiben(66), ungeachtet der Einführung der Charta. In Art. 6 Abs. 3 EUV heißt es in der Tat, dass die Grundrechte „als allgemeine Grundsätze Teil des Unionsrechts [sind]“. Wie im Schrifttum bemerkt wurde, sichert „die Koexistenz der verschiedenen Grundrechtsquellen“ das Ziel eines „hohen Schutzniveaus für die Rechte des Einzelnen“(67). Der Inhalt der Garantie der Rechtsstaatlichkeit (Art. 2 und 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV) – und die mit ihr verbundene Achtung der Unabsetzbarkeit und Unabhängigkeit von Richtern – bestimmt sich daher gemäß Art. 6 Abs. 3 EUV nach der EMRK(68) und den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten(69).

97.      Es gibt daher eine verfassungsrechtliche Verbindung zwischen Art. 47 der Charta und Art. 19 Abs. 1 EUV, da eben diese Quellen für die Bestimmung des Inhalts des Rechts auf ein „unabhängiges, unparteiisches und zuvor durch Gesetz errichtetes Gericht“ im Sinne von Art. 47 der Charta relevant sind. Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV und Art. 47 der Charta sind außerdem durch ihr Verhältnis zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen verbunden. Sie sind im Einklang mit diesen auszulegen, so dass nicht zu vermeiden ist, dass sich die Rechtsprechung zu den beiden Bestimmungen überschneidet(70).

98.      Ich bin mir allerdings der Spannung bewusst, die in dem Sinne in Art. 6 Abs. 1 EUV besteht, dass die Charta tatsächlich als Quelle von Grundrechten, die von der Unionsrechtsordnung garantiert werden, anerkannt ist, während es in derselben Vorschrift auch heißt, dass „[d]urch die Bestimmungen der Charta … die in den Verträgen festgelegten Zuständigkeiten der Union in keiner Weise erweitert [werden]“ (71).

99.      Ich bin daher der Ansicht, dass zumindest in dem Fall, dass ein Mitgliedstaat nicht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta das Unionsrecht durchführt, Vorsicht walten sollte bei einer unmittelbaren Heranziehung von Art. 47 der Charta zur Erläuterung des Schutzes, den Art. 2 EUV in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit vorsieht, und der Unabsetzbarkeit von Richtern und des Rechts auf ein unabhängiges und unparteiisches Gericht, die eng mit Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV verbunden sind, und dies unbeschadet der Überschneidung zwischen diesen beiden Bestimmungen, zu der es aufgrund gemeinsamer Quellen unvermeidlich kommt.

100. Auf die Charta selbst wird nämlich oft als Quelle von Grundrechten Bezug genommen(72), was in Anbetracht des Status, der ihr in Art. 6 Abs. 1 EUV zugestanden wird, nicht überrascht. Obwohl die Charta den Rang primären Unionsrechts hat, gerät ihre Heranziehung als (unmittelbare) Quelle von Grundrechten jedoch an ihre Grenzen, wenn Art. 51 Abs. 2 der Charta und Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV ins Spiel kommen, wie dies vorliegend der Fall ist, weil Polen nicht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta das Unionsrecht durchführt. Eine Ausweitung der Zuständigkeit der Kommission würde zu einem Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV und Art. 51 Abs. 2 der Charta führen, wenn sie sich unmittelbar auf Art. 47 der Charta stützen würde.

101. Andererseits sind jedoch die in Art. 6 EUV vorgesehenen Grundrechtsquellen unabhängig davon entscheidend, ob ein geltend gemachter Verstoß gegen die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit im Zusammenhang mit einem nach Art. 19 Abs. 1 EUV zu beurteilenden Fehlverhalten steht oder im Zusammenhang damit, dass der Mitgliedstaat im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta das Unionsrecht durchführt(73), so dass Art. 47 der Charta unmittelbar einschlägig werden kann.

2.      Anwendung auf den vorliegenden Fall

102. Nach Ansicht der Kommission verstößt die Absenkung des Ruhestandsalters für Richter an den ordentlichen Gerichten auf 60 Jahre für Frauen und 65 Jahre für Männer in Verbindung damit, dass gleichzeitig dem Justizminister das Ermessen eingeräumt wird, das Ruhestandsalter für Richter, die von dem Änderungsgesetz von 2017 betroffen sind, zu verlängern, gegen den durch Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV garantierten wirksamen Rechtsschutz, auch wenn dieses Ermessen durch Art. 69 Abs. 1b des Gesetzes über die ordentliche Gerichtsbarkeit eingeschränkt wird. Diese Bestimmung verpflichtet den Minister, die Entscheidung unter Berücksichtigung eines rationellen Einsatzes der Bediensteten der ordentlichen Gerichte und des sich aus der Arbeitsbelastung der einzelnen Gerichte ergebenden Bedarfs zu treffen (oben, Nrn. 17 und 61). Richter sind auch nach polnischem Recht u. a. durch die Aufrechterhaltung des Richterstatus nach dem Eintritt in den Ruhestand und das Beratungsgeheimnis (oben, Nr. 61) geschützt. Ferner erhebt die Kommission die vorliegende Rüge ungeachtet der oben skizzierten Übergangsregelungen (Nr. 55).

103. Ich bin aus den folgenden Gründen zu dem Schluss gekommen, dass das Änderungsgesetz von Juli 2017 mit der Garantie der Unabsetzbarkeit von Richtern und ihrer Unabhängigkeit, wie sie in Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV geschützt ist, nicht im Einklang steht. Zu diesem Schluss komme ich in der Erkenntnis, wie wichtig es ist, Maßnahmen anzufechten, die die institutionelle oder funktionale Unabhängigkeit von Richtern beeinträchtigen(74).

104. Erstens ist die Amtssicherheit selbst ein fundamentaler Grundsatz internationaler Menschenrechtsakte wie des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (im Folgenden: IPBPR), an dem die Mitgliedstaaten mitgewirkt haben(75); diese Rechtsakte sind seit Langem für den Inhalt der allgemeinen Grundsätze der Unionsrechtsordnung anerkannte Quellen(76).

105. Es ist daher nicht ohne Bedeutung, dass der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen vor Kurzem dahin Stellung genommen hat, dass nach Art. 14 Abs. 1 des IPBPR „Garantien, die sich auf die Amtssicherheit [von Richtern] beziehen, Voraussetzungen für die richterliche Unabhängigkeit darstellen“ und „Umstände, unter denen die Exekutive die Justiz kontrollieren oder lenken kann, mit dem Pakt unvereinbar sind“(77). Der Ausschuss unterstrich die Bedeutung von „Garantien, die sie vor einer Absetzung im Ermessenswege schützen“(78).

106. Die Senkung des Ruhestandsalters von Richtern muss daher durch Schutzmaßnahmen flankiert werden(79), um zu gewährleisten, dass ein Richter nicht de facto abgesetzt wird(80). Der Gerichtshof hat unlängst entschieden, dass die Abberufung von Richtern „durch ausdrückliche Gesetzesbestimmungen festgelegt“ sein müsse(81).

107. In der mündlichen Verhandlung hat Polen eingeräumt, dass mindestens 26 Richtern eine Verlängerung bis zum 70. Lebensjahr(82) nach dem Änderungsgesetz von Juli 2017 verweigert worden sei. Auf der Grundlage der Antworten des Bevollmächtigten Polens auf Fragen in der mündlichen Verhandlung, könnte diese Zahl bis zu 112 Richter betragen, in Abhängigkeit von der Wirkung von Übergangsmaßnahmen (siehe oben, Nr. 55).

108. Dies hätte zur Folge, dass die betroffenen Richterinnen sieben Jahre früher in den Ruhestand gegangen sind als nach dem vor dem Änderungsgesetz von Juli 2017 geltenden Alter von 67 und die betroffenen Richter zwei Jahre früher als nach diesem gesetzlichen Ruhestandsalter. Dabei war der Minister nicht verpflichtet, die Ablehnung zu begründen, und es findet keine gerichtliche Überprüfung statt. Dies stand ferner in einem Kontext, in dem, wie vom Vertreter Polens in der mündlichen Verhandlung bestätigt, bis zum Beginn dieses Jahrhunderts über eine Verlängerung über das gesetzliche Ruhestandsalter hinaus vom Landesjustizrat entschieden wurde. Ab 2002 waren diese Anträge beim Justizminister zu stellen und nur auf Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung über die Eignung für die Tätigkeit zu bewilligen. 2017 wurde der Justizminister dann mit dem hier in Rede stehenden Ermessen ausgestattet.

109. Vor dem Hintergrund all dieser Umstände sind eine gesetzliche Verpflichtung des Ministers, die Ressourcen der ordentlichen Gerichte rationell einzusetzen, in Verbindung mit dem sich aus der Arbeitsbelastung ergebenden Bedarf sowie Faktoren wie das Beratungsgeheimnis der Richter und die Tatsache, dass die polnische Verfassung das Rentenalter ab dem jeweils gesetzlich vorgesehenen Zeitpunkt garantiert, nicht ausreichend, um vor einer faktischen Absetzung der vom Änderungsgesetz von Juli 2017 betroffenen Richter zu schützen(83), insbesondere wenn sie im Kontext einer umfangreichen Regierungsreform der Justiz von der in Polen unternommenen Art erfolgt(84).

110. Im Übrigen ist weder ein dringender oder überzeugender politischer Grund für die Verlagerung der Befugnis für die Verlängerungen vom Landesjustizrat auf den Minister noch eine angemessene Erklärung dafür vorgetragen worden, warum eine Absetzung eines Richters mit geringer Arbeitsbelastung die einzige mögliche Lösung sei, und nicht seine Versetzung an ein anderes ordentliches Gericht.

111. Was das Erfordernis der Unabhängigkeit anbelangt, findet bei den hier in Rede stehenden Regelungen, ebenso wie bei denjenigen, die ich in der Rechtssache Kommission/Polen (Unabhängigkeit des Obersten Gerichts) (C‑619/18)(85) untersucht habe, parallel eine Befugnisübertragung auf ein Mitglied der Exekutive, hier nämlich den Justizminister(86), zur Verlängerung der aktiven Amtszeit eines Richters und eine gesetzliche Absenkung des Ruhestandsalters von Richtern statt. Dieses Paket steht nicht im Einklang mit dem objektiven Element der Unparteilichkeit, das durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte geschützt wird(87). Zudem hat der Gerichtshof entschieden, dass Unabhängigkeit und Unparteilichkeit „[voraussetzen], dass es Regeln insbesondere für die Zusammensetzung der Einrichtung, die Ernennung, die Amtsdauer und die Gründe für Enthaltung, Ablehnung und Abberufung ihrer Mitglieder gibt, die es ermöglichen, bei den Rechtsunterworfenen jeden berechtigten Zweifel an der Unempfänglichkeit der genannten Stelle für Einflussnahmen von außen und an ihrer Neutralität in Bezug auf die einander gegenüberstehenden Interessen auszuräumen(88).

112. Worum es hier geht, ist nicht die Annahme, dass es polnischen Richtern an Professionalität fehlt oder dass ihre Entscheidungen in Erwartung einer Entscheidung des Justizministers über die Verlängerung des aktiven Dienstes zwangsläufig befangen sein werden, sondern, ob die Öffentlichkeit von den in Rede stehenden Regelungen berechtigterweise annehmen könnte, dass die Unparteilichkeit von Verfahren, an denen die Exekutive als Partei beteiligt ist, in dieser sensiblen Phase beeinträchtigt sei, die sich über einen erheblichen Zeitraum erstrecken kann, da der Justizminister in seiner Willensbildung keinen zeitlichen Zwängen unterworfen ist(89). Und auch insoweit wird eine solche berechtigte Befürchtung einer Befangenheit in Bezug auf die Wahrnehmung der Öffentlichkeit durch fehlende Schutzmaßnahmen, wie etwa Transparenz und eine gerichtliche Überprüfung, verstärkt(90).

113. Was die Übergangsregelungen (siehe oben, Nr. 55) anbelangt, genügt der Hinweis darauf, dass sie nicht alle vom Änderungsgesetz vom Juli 2017 betroffenen Richter umfassen, sondern nur wenige, nämlich diejenigen die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Änderungsgesetzes vom Juli 2017 60 (für Frauen) bzw. 65 (für Männer) waren oder die dieses Alter zwischen dem 1. Oktober 2017 und dem 1. April 2018 erreichten. Wie vom Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen über die Unabhängigkeit von Richtern und Anwälten zu seiner Untersuchung in Polen festgestellt(91), ist eine Änderung „des neuen Ruhestandsalters für Richter an den ordentlichen Gerichten dahin, dass dieses nicht nur für Richter gilt, die ihr Amt nach Inkrafttreten des Gesetzes angetreten haben“(92), in Verbindung mit einer Abschaffung des Verlängerungsermessens des Justizministers erforderlich(93).

114. Ich möchte abschließend jedoch betonen, dass es bei der Abgrenzung des Anwendungsbereichs von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV auf der verfassungsrechtlichen Ebene darum geht, in welchem Umfang der Gerichtshof befugt ist, bei Entscheidungen über Grundrechtsverletzungen an die Stelle der nationalen Verfassungsgerichte und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu treten(94). Die Wahrung der Grenze zwischen den Zuständigkeiten der Union und denjenigen der Mitgliedstaaten ist in einer auf der Rechtsstaatlichkeit beruhenden Unionsrechtsordnung ebenso bedeutsam wie der Schutz der Grundrechte(95).

115. Somit beschränkt sich der sachliche Anwendungsbereich von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV im Zusammenhang mit der Unabsetzbarkeit und Unabhängigkeit von Richtern auf die Korrektur von Problemen in Bezug auf strukturelle Unzulänglichkeiten in einem bestimmten Mitgliedstaat; dies ist hier der Fall, denn die von der Kommission beanstandeten Gesetze wirken sich auf alle Ebenen der Justiz aus. Diese Unzulänglichkeiten würden am besten als systemische oder allgemeine Mängel bezeichnet(96), die die Unabsetzbarkeit und Unparteilichkeit von Richtern in ihrem „Wesensgehalt“ antasten(97).

116. Einzelne oder spezifizierte Fälle von Verstößen gegen die Unabsetzbarkeit und Unabhängigkeit von Richtern sind jedoch anhand von Art. 47 der Charta zu beurteilen, und nur in Fallgestaltungen, in denen Mitgliedstaaten im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta das Recht der Union durchführen. Eine strukturelle Unzulänglichkeit, die zusätzlich mit der Durchführung des Unionsrechts durch einen Mitgliedstaat einhergeht, wird an beiden Bestimmungen zu messen sein.

117. Jedenfalls sollte aus den vorgenannten Gründen die zweite Rüge der Kommission als begründet angesehen werden.

VII. Kosten

118. Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

119. Nach der von mir vorgetragenen Lösung sind die Rügen der Kommission zwar insoweit, als sie auf Art. 47 der Charta gestützt sind, als unzulässig zurückzuweisen, die Kommission obsiegt jedoch mit beiden Rügen, soweit sie auf Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV, Art. 157 AEUV und die Art. 5 Buchst. a und 9 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/54 gestützt sind. Da die Kommission einen Kostenantrag gestellt hat und die Republik Polen unterlegen ist, sollten der Republik Polen ihre eigenen Kosten und diejenigen der Kommission auferlegt werden.

VIII. Ergebnis

120. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor,

1.      festzustellen, dass die Republik Polen dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 157 AEUV in Verbindung mit Art. 5 Buchst. a und Art. 9 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen verstoßen hat, dass sie in Art. 13 Nrn. 1 bis 3 der Ustawa o zmianie ustawy – Prawo o ustroju sądów powszechnych oraz niektórych innych ustaw (Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Aufbau der ordentlichen Gerichtsbarkeit und anderer Gesetze) vom 12. Juli 2017 ein für männliche und weibliche Richter an den ordentlichen Gerichten und am Obersten Gericht sowie für männliche und weibliche Staatsanwälte unterschiedliches Ruhestandsalter eingeführt hat;

2.      festzustellen, dass die Republik Polen dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV verstoßen hat, dass sie in Art. 13 Nr. 1 des vorgenannten Gesetzes das Ruhestandsalter für Richter an den ordentlichen Gerichten abgesenkt und dem Justizminister das Ermessen übertragen hat, die aktive Dienstzeit dieser Richter nach Art. 1 Nr. 26 Buchst. b und c desselben Gesetzes zu verlängern;

3.      die Klage im Übrigen abzuweisen;

4.      der Republik Polen ihre eigenen Kosten und die Kosten der Kommission aufzuerlegen.


1       Originalsprache: Englisch.


i      Die Kopfzeile der vorliegenden Sprachfassung ist gegenüber der ursprünglich online gestellten Fassung geändert worden.


2       ABl. 2006, L 204, S. 23.


3       Dz. U. 2017, Pos. 1452.


4       Es gibt mehrere andere beim Gerichtshof anhängige Rechtssachen, die die Reform der polnischen Justiz betreffen, insbesondere Vorabentscheidungsersuchen des polnischen Obersten Gerichts (C‑522/18, C‑537/18, C‑585/18, C‑624/18, C‑625/18 und C‑668/18), des Naczelny Sąd Administracyjny (Oberstes Verwaltungsgericht) (C‑824/18) und polnischer Instanzgerichte (C‑558/18, C‑563/18 und C‑623/18). Vgl. auch Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 15. November 2018, Kommission/Polen (C‑619/18, EU:C:2018:910)‚ und meine Schlussanträge in jener Rechtssache (EU:C:2019:325) (das Urteil steht noch aus). Die unterschiedliche Behandlung aufgrund des Alters und der zwangsweise Eintritt in den Ruhestand bei Richtern wurden vom Gerichtshof im Urteil vom 6. März 2012, Kommission/Ungarn (C‑286/12, EU:C:2012:687), geprüft.


5       Vgl. Venedig-Kommission, Stellungnahme Nr. 904/2017 vom 11. Dezember 2017 zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Landesjustizrat, zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Oberste Gericht, vorgeschlagen vom Präsidenten Polens, und zum Gesetz über den Aufbau der ordentlichen Gerichtsbarkeit, CDL-AD(2017)031; United Nations Human Rights Council, Report of the Special Rapporteur on the independence of judges and lawyers on his mission to Poland, 5 April 2018; A/HRC/38/38/Add.1; Organisation for Security and Co-Operation in Europe (OSCE) Office for Democratic Institutions and Human Rights, Opinion on Certain Provisions of the Draft Act on the Supreme Court of Poland (as of 26 September 2017), 13 November 2017, JUD-POL/315/2017


6      EU:C:2019:325.


7       COM (2017) 835 final, 20. Dezember 2017. Vgl. die Ausführungen dort, Nrn. 48 bis 51. In dem begründeten Vorschlag beanstandet die Kommission folgende Gesetze: Gesetz vom 11. Mai 2017 zur Änderung des Gesetzes über die Staatliche Hochschule für Richter und Staatsanwälte, des Gesetzes über die ordentlichen Gerichte und bestimmter weiterer Gesetze (Dz. U. 2017, Pos. 1139, in geänderter Fassung); Gesetz vom 12. Juli 2017 zur Änderung des Gesetzes über die ordentlichen Gerichte (Dz. U. 2017, Pos. 1452, in geänderter Fassung); Gesetz vom 8. Dezember 2017 über das Oberste Gericht (Dz. U. 2018, Pos. 5, in geänderter Fassung); Gesetz vom 8. Dezember 2017 zur Änderung des Gesetzes über den Landesrat für Gerichtswesen und bestimmter weiterer Gesetze (Dz. U. 2018, Pos. 3, in geänderter Fassung).


8       EU:C:2019:325. Ich werde den Ausdruck „wirksamer Rechtsschutz“ in den vorliegenden Schlussanträgen im Einklang mit Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV durchgängig verwenden, wohlwissend, dass der Gerichtshof ausgeführt hat, dass diese Bestimmung in Verbindung mit dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit und Art. 4 Abs. 3 EUV einen „wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz“ garantiert. Vgl. Urteil vom 27. Februar 2018, Associação Sindical dos Juízes Portugueses (C‑64/16, EU:C:2018:117, Rn. 34). „Damit in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen ein wirksamer [gerichtlicher] Rechtsschutz gewährleistet ist, müssen [die Mitgliedstaaten] die erforderlichen Rechtsbehelfe schaffen“.


9       Für Beiträge im Schrifttum aus neuerer Zeit zu Art. 2 EUV als einer Vorschrift die gerichtlich durchsetzbare Normen enthält, vgl. Jacqué, J. P., „Etat de droit et confiance mutuelle“, RTDE April/Juni 2018, 239, und Adam, S., und Van Elsuwege, P., „L’exigence d’indépendance du juge, paradigme de l’Union européenne comme union de droit“, 2018, Journal de droit européen, 334. Beide Beiträge sprechen, zusätzlich zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz gemäß Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV, die Folge an, die diese Entwicklung in der Rechtsprechung für den Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zwischen Mitgliedstaaten hat. Vgl. insbesondere Urteil vom 25. Juli 2018, Minister for Justice and Equality (C‑216/18 PPU, EU:C:2018:56), und meine Schlussanträge in dieser Rechtssache (EU:C:2018:517).


10       Vgl. Urteil vom 25. Juli 2018, Minister for Justice and Equality (C‑216/18 PPU, EU:C:2018:56).


11       ABl. 1979, L 6, S. 24.


12       Im polnischen Rechtssystem gehen Richter und Staatsanwälte nicht in den Ruhestand, sondern (wörtlich) „in eine Ruhephase“ – sie beenden zwar die Ausübung ihres Amtes, behalten jedoch bestimmte Rechte und Privilegien.


13       Die Ustawa o zmianie ustawy o emeryturach i rentach z Funduszu Ubezpieczeń Społecznych (Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Ruhestandspensionen und sonstige aus den öffentlichen Sozialkassen zu zahlende Pensionen) vom 16. November 2016 (Dz. U. 2017, Pos. 38).


14       Art. 13 des Änderungsgesetzes von Juli 2017.


15       Dz. U. 2001, Nr. 240, Pos. 2052.


16       Am 20. Dezember 2017 unterzeichnete der Präsident der Republik die Ustawa z dnia 8 grudnia 2017 r. o Sądzie Najwyższym (Gesetz vom 8. Dezember 2017 über das Oberste Gericht) (Dz. U. 2018, Pos. 5, in geänderter Fassung), das am 3. April 2018 in Kraft trat und diese Änderung brachte. Vgl. Nrn. 5 bis 7 meiner Schlussanträge in der Rechtssache C‑619/18 (EU:C:2019:325).


17       Dz. U. 2016, Pos. 177.


18       Dz. U. 2018, Pos. 848.


19       Dz. U. 2017, Pos. 1767 in geänderter Fassung.


20       Dz. U. 2018, Pos. 5.


21       Die Kommission verweist ferner auf die Art. 1, 2 und 7 der Richtlinie 2006/54.


22       Urteile vom 28. September 1994, Beune (C‑7/93, EU:C:1994:350, Rn. 46), vom 29. November 2001, Griesmar (C‑366/99, EU:C:2001:648, Rn. 28), und vom 13. November 2008, Kommission/Italien (C‑46/07, EU:C:2008:618, Rn. 40 und 41).


23       Die Kommission verweist auf die Urteile vom 29. November 2001, Griesmar (C‑366/99, EU:C:2001:648, Rn. 78), und vom 23. Oktober 2003, Schönheit und Becker (C‑4/02 und C‑5/02, EU:C:2003:583, Rn. 20).


24       Die Kommission verweist auf die Urteile vom 17. Oktober 1995, Kalanke (C‑450/93, EU:C:1995:322), vom 11. November 1997, Marschall (C‑409/95, EU:C:1997:533), vom 28. März 2000, Badeck u. a. (C‑158/97, EU:C:2000:163), vom 19. März 2002, Lommers (C‑476/99, EU:C:2002:183), vom 12. September 2002, Niemi (C‑351/00, EU:C:2002:480), vom 30. September 2004, Briheche (C‑319/03, EU:C:2004:574), und vom 30. September 2010, Roca Álvarez (C‑104/09, EU:C:2010:561).


25       Art. 26 Abs. 1 und 2 der Ustawa o zmianie ustawy o emyturach i renotach i rentach z Funduszu Ubezpieczeń Społecznych oraz juktórych innych ustaw (Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Ruhestandspensionen und sonstige aus den öffentlichen Sozialkassen zu zahlende Pensionen und anderer Gesetze) vom 16. November 2016 (Dz. U. 2017, Pos. 38).


26       Die Kommission verweist auf das Urteil vom 27. Februar 2018, Associação Sindical dos Juízes Portugueses (C‑64/16, EU:C:2018:117, Rn. 40).


27       Ebd. (Rn. 42 und 43).


28       Ebd. (Rn. 41).


29       Die Kommission verweist u. a. auf das Urteil vom 31. Mai 2005, Syfait u. a. (C‑53/03, EU:C:2005:333, Rn. 31).


30       Urteile vom 4. Mai 2006, Kommission/Vereinigtes Königreich (C‑508/03, EU:C:2006:287, Rn. 73 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 22. Februar 2018, Kommission/Polen (C‑336/16, EU:C:2018:94, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).


31       EU:C:2019:325.


32       Urteil vom 13. Juni 2017, Florescu u. a. (C‑258/14, EU:C:2017:448, Rn. 47 und 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).


33       Urteil vom 7. März 2017, X und X (C‑638/16 PPU, EU:C:2017:173, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung). Zu einer Zusammenfassung der rechtlichen Regelungen der Frage, wann die Mitgliedstaaten das Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta „durchführen“, vgl. z. B. Schlussanträge des Generalanwalts Wahl in der Rechtssache Gulletta und Farmacia di Gullotta Davide & C. (C‑497/12, EU:C:2015:168‚ Nr. 55). Aus jüngster Zeit vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Bot in den Rechtssachen TSN und AKT (C‑609/17 und C‑610/17, EU:C:2019:459, Nrn. 72 bis 118).


34       C‑235/17, EU:C:2018:971; Urteil vom 21. Mai 2019 (EU:C:2019:432).


35       Ebd. (Nr. 111).


36       Für einen innovativen Vorschlag bezüglich der umfassenderen Rolle, die Unionsbürger spielen könnten, damit die in Art. 2 EUV genannten Werte entschiedener durchgesetzt werden, vgl. von Bogdandy, A., Kottmann, M., Antpöhler, C., Dickschein, J., Hentrei, S., und Smrkolj, M., „Reverse Solange- protecting the essence of fundamental rights against EU Member States“, Common Market Law Review 42, 2012, 489. Zu Aufforderungen zu einer klareren verfassungsrechtlichen Argumentation in Bezug auf die Charta als einem Instrument zur Sicherung verantwortungsvollen Handelns, vgl. Frantziou, E., „Constitutional reasoning in the European Union and the Charter of Fundamental Rights: in search of public justification“, European Public Law 25, 2019, 183.


37       COM(2017) 835 final, 20. Dezember 2017.


38       EU:C:2019:325.


39       Ebd. (Nrn. 48 bis 51).


40       Urteil vom 17. April 1997, Evrenopoulos (C‑147/95, EU:C:1997:201, Rn. 19). Dies gilt seither durchgehend. Vgl. z. B. im Kontext der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bezüglich der Berechnung von Pensionsleistungen von Richtern, Urteil vom 29. November 2001, Griesmar (C‑366/99, EU:C:2001:648, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. jüngst Urteil vom 26. März 2009, Kommission/Griechenland (C‑559/07, nicht veröffentlicht, EU:C:2009:198, Rn. 47).


41       Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs in der Rechtssache Beune (C‑7/93, EU:C:1994:173, Nrn. 38 und 42).


42       C-19/02, EU:C:2004:204).


43       Ebd. (Nr. 45). Die Generalanwältin bezog sich auf die Formulierung von Art. 141 Abs. 2 EG (jetzt Art. 157 AEUV) sowie auf die Urteile vom 9. Februar 1982, Garland (12/81, EU:C:1982:44, Rn. 5), vom 17. Mai 1990, Barber (C‑262/88, EU:C:1990:209, Rn. 12), und vom 9. Februar 1999, Seymour-Smith und Perez (C‑167/97, EU:C:1999:60, Rn. 23).


44       Ebd. (Hervorhebung im Original).


45       Ebd. (Nr. 49).


46       Urteil vom 6. Dezember 2012, Dittrich u. a. (C‑124/11, C‑125/11 und C‑143/11, EU:C:2012:771, Rn. 38).


47       Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Safeway (C‑171/18, EU:C:2019:272‚ Nr. 62) mit Verweis auf das Urteil vom 28. September 1994, Coloroll Pension Trustees (C‑200/91, EU:C:1994:348‚ Rn. 26).


48       Wie in den Schlussanträgen des Generalanwalts Alber in der Rechtssache Griesmar (C‑366/99, EU:C:2001:117, Nr. 50) ausgeführt, schlug Generalanwalt Jacobs in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Beune (C‑7/93, EU:C:1994:173, Nr. 22) eine Prüfung von fünf Faktoren für die Entscheidung vor, ob ein Ermessen bestand. Danach war zu prüfen, ob das System eine gesetzliche Grundlage hat, ob es auf eine Vereinbarung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zurückgeht, wie es sich finanziert, ob es für allgemeine Gruppen von Beschäftigten gilt und ob es komplementär ist.


49       Urteil vom 28. September 1994, Beune (C‑7/93, EU:C:1994:350).


50       Urteil vom 25. Mai 2000, Podesta (C‑50/99, EU:C:2000:288).


51       Urteil vom 29. November 2001, Griesmar (C‑366/99, EU:C:2001:648).


52       Urteil vom 12. September 2002, Niemi (C‑351/00, EU:C:2002:480).


53       Urteil vom 23. Oktober 2003, Schönheit und Becker (C‑4/02 und C‑5/02, EU:C:2003:583).


54       Urteil vom 26. März 2009, Kommission/Griechenland (C‑559/07, nicht veröffentlicht, EU:C:2009:198).


55       Es ist auch in keiner Weise erörtert worden, inwieweit das in Rede stehende System den Systemen entspricht, die Gegenstand der maßgeblichen Entscheidungen waren, in denen der Gerichtshof zu dem Ergebnis kam, dass ein allgemeines staatliches Rentensystem in das den Mitgliedstaaten nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 79/7 verbliebene Ermessen falle. Vgl. z. B. Urteil vom 7. Juli 1992, Equal Opportunities Commission (C‑9/91, EU:C:1992:297).


56       Urteil vom 26. März 2009, Kommission/Griechenland (C‑559/07, nicht veröffentlicht, EU:C:2009:198, Rn. 57). Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass der Gerichtshof jüngst anhand der drei Faktoren geprüft hat, ob der Zusammenhang zwischen der Dienstzeit und Rentenleistungen gegeben ist, vgl. Urteil vom 15. Januar 2019, E.B. (C‑258/17, EU:C:2019:17, Rn. 46), diese Frage jedoch der Entscheidung des vorlegenden Gerichts überlassen hat (Rn. 47).


57       Urteil vom 30. September 2010, Roca Alvarez (C‑104/09, EU:C:2010:561, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).


58       Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Roca Alvarez (C‑104/09, EU:C:2010:254‚ Nr. 47). Die Generalanwältin verweist auf das Urteil vom 19. März 2002, Lommers (C‑476/99, EU:C:2002:183, Rn. 41).


59       Urteil vom 27. Februar 2018 (C‑64/16, EU:C:2018:117).


60       Ebd. (Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).


61       Urteil vom 19. September 2006, Wilson (C‑506/04, EU:C:2006:587, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).


62       Associação Sindical dos Juízes Portugueses (C‑64/16, EU:C:2018:117, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Überschneidung zwischen dem Schutz der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit im Kontext von Art. 47 der Charta mit Art. 19 Abs. 1 Unterabs 2 EUV tritt klar zutage im Gutachten 1/17 des Gerichtshofs (Plenum) vom 20. April 2019 (Rn. 202 bis 204 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. auch z. B. Urteil vom 25. Juli 2018, Minister for Justice and Equality (C‑216/18 PPU,:EU:C:2018:586, Rn. 63 bis 65).


63       Associação Sindical dos Juízes Portugueses (C-64/16, EU:C:2018:117, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung). Urteil vom 7. Februar 2019, Escribano Vindel (C‑49/18, EU:C:2019:106, Rn. 66).


64       Ebd. (Rn. 40). Vgl. ähnlich Nr. 63 meiner Schlussanträge in der Rechtssache Kommission/Polen (Unabhängigkeit des Obersten Gerichts) (C‑619/18, EU:C:2019:325).


65       Urteil vom 7. Februar 2019, Escribano Vindel (C‑49/18, EU:C:2019:106, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung), und Urteil vom 25 Juli 2018, Minister for Justice and Equality (C‑216/18 PPU, EU:C:2018:56, Rn. 52).


66       Für eine Erörterung aus jüngerer Zeit vgl. Mătuşescu, C., „The scope of application of fundamental rights guaranteed by European Union law on Member States’ action; Some jurisprudential landmarks“, Law Review; International Journal of Law and Jurisprudence Open Source Online Publication (2017), S. 22, 24. (http://www.internationallawreview.eu/revista/?rev_id=27).


67       Hofmann, H., und Mihaescu, B., „The relation between the Charter’s Fundamental Rights and the unwritten general principles of EU law: Good administration as the test case“, 9 (2013) European Constitutional Law Review, 73, 83. Vgl. auch Lenaerts, K., und Gutiérrez-Fons, J. A., „The place of the Charter in the EU Constitutional Edifice“ in Peers, S., Hervey, T., Kenner, J., und Ward, A., The EU Charter of Fundamental Rights: A commentary, Hart Publishing, Oxford, 2014, 1573. Auf S. 1575 ff. ziehen die Autoren „Parallelen zwischen der Charta und allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts“.


68       Vgl. hierzu z. B. EGMR, 6. November 2018, Nunes De Carvalho v. Portugal (CE:ECHR:2018:1106JUD005539113, Rn. 144 bis 150); EGMR, 25. September 2018, Denisov v. Ukraine (CE:ECHR:2018:0925JUD007663911, Rn. 60 bis 64). Der Gegenstand und objektive Elemente der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit werden auch in der Rechtsprechung des Gerichtshofs erwogen. Vgl. z. B. Urteil vom 25. Juli 2018 (Minister for Justice and Equality, C‑216/18 PPU, EU:C:2018:56, Rn. 63 bis 65), vom Gerichtshof als externe und interne Aspekte verstanden.


69       Für eine neuere Untersuchung von gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten vgl. Rossi, L. S. „Droit fondamentaux, primauté et autonomie: la mise en balance entre les principes ‚constitutionnels‘ de l’Union européenne“, RTDE, 2019.


70       Urteil vom 25. Juli 2018, Minister for Justice and Equality (C‑216/18 PPU, EU:C:2018:56).


71       Vgl. auch Art. 51 Abs. 2 der Charta. Vgl. unlängst Urteil vom 25. Oktober 2018, Anodiki Services EPE (C‑260/17, EU:C:2018:864, Rn. 38). Vgl. auch Urteil vom 10. Juli 2014, Julián Hernández u. a. (C‑198/13, EU:C:2014:2055, Rn. 32 bis 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).


72       Vgl. aus jüngerer Zeit z. B. Frantziou, E., „Constitutional reasoning in the European Union and the Charter of Fundamental Rights: in search of public justification“, European Public Law 25, 2019, S. 183, 188; Lenaerts, K., und Gutiérrez-Fons, J. A., „The place of the Charter in the EU Constitutional Edifice“, in Peers, S., Hervey, T., Kenner, J., und Ward, A., The EU Charter of Fundamental Rights: A commentary, Hart Publishing, Oxford, 2014, 1573, 1576.


73       Siehe oben, Fn. 32 und 33.


74       Vgl. Anmerkung zu Nr. 1.5 der Bangalore Principles on Judicial Conduct, Vereinte Nationen, Wien, S. 39.


75       Vgl. z. B. die Allgemeine Anmerkung Nr. 32 („General Comment No 32“) zu Art. 14 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (CCPR/C/GC/32), veröffentlicht am 23. August 2007, des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen, Nr. 19 und die Stellungnahme Nr. 1 (2001) des Beirats der Europäischen Richter vom 23. November 2001 (CCJE [2001] OP No 1), in der es unter der Überschrift „Unabsetzbarkeit und Disziplin“ („Tenure-irremovability and discipline“) heißt: „Es ist ein fundamentaler Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit, dass das Amt bis zu einem zwingenden Ruhestandsalter oder dem Ablauf einer festen Amtszeit garantiert ist“, wobei auf insoweit bestehende Grundprinzipien der Vereinten Nationen verwiesen wird. Vgl. außerdem zur Amtssicherheit die oben in Fn. 5 genannten Quellen.


76       Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi in der Rechtssache K und B (C‑380/17, EU:C::2018:504, Nr. 44), und z. B. Urteil vom 14. Februar 2008, Dynamic Medien (C‑244/06, EU:C:2008:85, Rn. 39).


77       Mitteilung Nr. 2203/2012 vom 7. November 2017, Zamora/Venezuela, Nr. 9.3.


78       Ebd.


79       Zur Bedeutung von Schutzmaßnahmen vgl. z. B. EGMR, 16. Dezember 2013, Cooper/Vereinigtes Königreich (CE:ECHR:2003:1216JUD004884399, Rn. 123 bis 126).


80       Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat entschieden, dass Richter nicht zu einem vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand ohne ihre Zustimmung verpflichtet werden können (z. B. Urteil vom 9. Juni 1998, Incal/Türkei, Rn. 67).


81       Urteil vom 25. Juli 2018, Minister for Justice and Equality (C‑216/18 PPU, EU:C:2018:56, Rn. 66).


82       In der mündlichen Verhandlung hat der Bevollmächtigte Polens erklärt, dass dies das Alter sei, bis zu dem Verlängerungen in Betracht gekommen seien.


83       Auf S. 27 des Berichts der Europäischen Kommission für Demokratie durch Recht (Venedig-Kommission, Stellungnahme Nr. 904/2017 vom 11. Dezember 2017), oben, Fn. 5, kommt diese zu dem Schluss, dass der „Justizminister nicht mit dem Ermessen ausgestattet werden darf, das Amt eines Richters über das Ruhestandsalter hinaus zu verlängern“.


84       Siehe oben, Fn. 5 und 7.


85       EU:C:2019:325.


86       Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat unlängst im Zusammenhang mit der Unabhängigkeit der Justiz auf die wachsende Bedeutung der Gewaltenteilung zwischen Exekutive und Justiz und der Unabhängigkeit der Justiz hingewiesen. Vgl. z. B. EGMR, 12. März 2019, Ástráđsson/Island (CE:ECHR:2019:0312JUD002637418, Rn. 103).


87       Oben, Fn. 68.


88       Urteil vom 19. September 2006, Wilson (C‑506/04, EU:C:2006:587, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. auch Urteil vom 25. Juli 2018, Minister for Justice and Equality (C‑216/18 PPU, EU:C:2018:56, Rn. 66 und 77).


89       Der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen über die Unabhängigkeit von Richtern und Anwälten zu seiner Untersuchung in Polen (oben, Fn. 5) berichtete in Nr. 52, dass „das Fehlen eines Zeitrahmens für den Erlass einer Entscheidung es dem Justizminister erlaubt, über die betreffenden Richter für die restliche Zeit ihres Mandats Einfluss zu behalten“.


90       Die Venedig-Kommission (siehe oben, Fn. 5) kam auf S. 26 zu dem Schluss, dass Reformen der polnischen Justiz einschließlich des Gesetzes über die ordentlichen Gerichte „die Legislative und die Exekutive in die Lage versetzen, in schwerwiegender und umfassender Weise in die Rechtspflege einzugreifen, und damit eine große Gefahr für die Unabhängigkeit der Justiz als Schlüsselelement der Rechtsstaatlichkeit darstellen“. Vgl. unlängst EGMR, 12. März 2019, Ástráđsson/Island (CE:ECHR:2019:0312JUD002637418, Rn. 103), worin der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte geprüft hat, ob ein Verstoß gegen die geltenden innerstaatlichen Vorschriften über die Ernennung von Richtern „die reale Gefahr schuf, dass die anderen Regierungsorgane, insbesondere die Exekutive, mit ungebührlichem Ermessensgebrauch die Integrität des Ernennungsverfahrens untergraben“.


91       Bericht vom 5. April 2018, A/HRC/38/38/Add. 1 (oben, Fn. 5).


92       Ebd. (Rn. 83).


93       Ebd. Vgl. auch Bericht der Venedig-Kommission (oben, Fn. 5), S. 27.


94       Schlussanträge des Generalanwalts Saugmandsgaard Øe in der Rechtssache Kommission/Ungarn (Nießbrauchsrechte an landwirtschaftlichen Flächen) (C‑235/17, EU:C:2018:971, Nr. 68). Vgl. auch Spaventa, E., „Should we ‚harmonize‘ fundamental rights in the EU? Some reflections about minimum standards and fundamental rights protection in the EU composite constitutional system“, Common Market Law Review, 997. Auf S. 1022 stellt der Autor „die Klugheit der Zentralisierung von Grundrechten in der Europäischen Union“ in Frage.


95       Schlussanträge des Generalanwalts Saugmandsgaard Øe in der Rechtssache Kommission/Ungarn (Nießbrauchsrechte an landwirtschaftlichen Flächen) (C‑235/17, EU:C:2018:971, Nr. 101).


96       Urteil vom 25. Juli 2018, Minister for Justice and Equality (C‑216/18 PPU, EU:C:2018:56, Rn. 60).


97       Ebd.