Language of document : ECLI:EU:T:2022:775

URTEIL DES GERICHTS (Vierte erweiterte Kammer)

7. Dezember 2022(*)

„Wirtschafts- und Währungspolitik – Aufsicht über Kreditinstitute – Art. 22 der Richtlinie 2013/36/EU – Einspruch der EZB gegen den Erwerb qualifizierter Beteiligungen an einem Kreditinstitut – Beginn des Beurteilungszeitraums – Beteiligung der EZB im Anfangsstadium des Verfahrens – Kriterien der Finanzstabilität des interessierten Erwerbers und der Einhaltung der Aufsichtsanforderungen – Vorliegen eines berechtigten Grundes für den Einspruch gegen den Erwerb auf der Grundlage eines einzigen oder mehrerer Beurteilungskriterien – Art. 106 der Verfahrensordnung – Antrag auf mündliche Verhandlung ohne Begründung“

In der Rechtssache T‑330/19,

PNB Banka AS mit Sitz in Riga (Lettland), vertreten durch Rechtsanwalt O. Behrends,

Klägerin,

gegen

Europäische Zentralbank (EZB), vertreten durch C. Hernández Saseta, F. Bonnard und V. Hümpfner als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Europäische Kommission, vertreten durch D. Triantafyllou, A. Nijenhuis und A. Steiblytė als Bevollmächtigte,

Streithelferin,

erlässt

DAS GERICHT (Vierte erweiterte Kammer)

zum Zeitpunkt der Beratung unter Mitwirkung des Präsidenten S. Gervasoni (Berichterstatter), der Richter L. Madise und P. Nihoul, der Richterin R. Frendo und des Richters J. Martín y Pérez de Nanclares,

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragt die Klägerin, die PNB Banka AS, die Nichtigerklärung des mit Schreiben vom 21. März 2019 zugestellten Beschlusses der Europäischen Zentralbank (EZB), Einspruch gegen den Erwerb qualifizierter Beteiligungen an B zu erheben (im Folgenden: angefochtener Beschluss).

I.      Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Die Klägerin war zum Zeitpunkt des angefochtenen Beschlusses ein weniger bedeutendes Kreditinstitut im Sinne von Art. 6 Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates vom 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die EZB (ABl. 2013, L 287, S. 63) mit Sitz in Lettland. Sie stand daher unter der direkten Aufsicht der Finanšu un kapitāla tirgus komisija (Finanz- und Kapitalmarktkommission, Lettland, im Folgenden: FKMK).

3        CR war zum Zeitpunkt der Klageerhebung Hauptaktionär der Klägerin.

4        Im August 2017 legte CR nach Angaben der Klägerin bei den Behörden des Vereinigten Königreichs eine Beschwerde gegen A, Präsident der Latvijas Banka (Zentralbank Lettlands), wegen Vorwürfen der Korruption ein. Die angezeigten Korruptionsvorwürfe bestanden in den Versuchen von A, aufgrund des Einflusses, die dieser auf die FKMK habe, Bestechungsgelder von CR zu erhalten.

5        Am 12. Dezember 2017 leiteten die Klägerin sowie CR und andere Mitglieder seiner Familie, Aktionäre der Klägerin, ein Schiedsverfahren gegen die Republik Lettland vor dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) auf der Grundlage des Vertrags vom 24. Januar 1994 zur Förderung und zum Schutz von Investitionen zwischen dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland und der Republik Lettland ein.

6        Im Dezember 2017 zeigte CR nach Angaben der Klägerin bei den lettischen Behörden die oben in Rn. 4 angeführten Vorwürfe der Korruption an.

7        Am 17. Februar 2018 wurde A festgenommen, nachdem am 15. Februar 2018 ein vom Korupcijas novēršanas un apkarošanas birojs (Büro zur Verhütung und Bekämpfung der Korruption, Lettland, im Folgenden: KNAB) geführtes strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet worden war. Gegenstand dieser Ermittlung waren Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit dem aufsichtsrechtlichen Verfahren gegen eine andere lettische Bank als die Klägerin. Mit Entscheidung vom 19. Februar 2018 erlegte das KNAB A bei seiner Freilassung mehrere Sicherungsmaßnahmen auf, darunter das Verbot, sein Amt als Präsident der Zentralbank Lettlands auszuüben.

8        Am 28. Juni 2018 wurde A von der Staatsanwältin, die mit der oben in Rn. 7 angeführten Sache betraut war, angeklagt. Die Anklageschrift, ergänzt am 24. Mai 2019, umfasste drei Anklagevorwürfe. Der erste Anklagevorwurf betraf die Annahme eines vom Präsidenten des Aufsichtsrats einer anderen lettischen Bank als die Klägerin im Jahr 2010 gemachten Angebots für ein Bestechungsgeschenk und des Bestechungsgeschenks selbst, wofür A im Gegenzug Ratschläge erteilt habe, um es dieser Bank zu ermöglichen, sich der Aufsicht der FKMK zu entziehen, und sich nicht an den Sitzungen der FKMK beteiligt habe, in denen Fragen zur Aufsicht über diese Bank besprochen worden seien. Der zweite Anklagevorwurf betraf zum einen die Annahme eines Bestechungsgeldangebots nach dem 23. August 2012 durch den stellvertretenden Vorsitzenden des Vorstands derselben Bank, als Gegenleistung für eine Beratung durch A im Hinblick auf die Aufhebung der von der FKMK angeordneten Beschränkungen der Tätigkeiten und auf die Vermeidung weiterer Beschränkungen, und zum anderen die Annahme der Zahlung der Hälfte dieses Bestechungsgeldes durch A. Der dritte Anklagevorwurf betraf Geldwäsche mit dem Ziel, die Herkunft, die Übermittlung und das Eigentum des an A gezahlten Geldes, das dem im zweiten Anklagevorwurf genannten Bestechungsgeld entspricht, zu verschleiern.

9        Am 1. Oktober 2018 teilte die Klägerin der FKMK mit, dass sie beabsichtige, direkt eine qualifizierte Beteiligung an einem anderen lettischen Kreditinstitut, B (im Folgenden: Zielbank), zu erwerben und 50 % des Kapitals und der Stimmrechte an dieser zu überschreiten. Am selben Tag teilte CR der FKMK seine Absicht mit, indirekt über seine Beteiligung am Kapital der Klägerin eine qualifizierte Beteiligung an der Zielbank zu erwerben.

10      Am 3. Oktober 2018 teilte die FKMK der Klägerin mit, dass sie ihre Anzeige als unvollständig ansehe und dass sie deren Bewertung nicht einleite. Am folgenden Tag forderte sie die Klägerin auf, ergänzende Informationen vorzulegen.

11      Am 19. Oktober 2018 teilten die anderen indirekten interessierten Erwerber als CR, u. a. CT, der FKMK ihre Absicht mit, indirekt eine qualifizierte Beteiligung an der Zielbank zu erwerben.

12      Am 19. und 22. Oktober 2018 legte die Klägerin der FKMK ergänzende Informationen, u. a. einen Geschäftsplan, vor.

13      Am 30. Oktober 2018 teilte die FKMK der Klägerin mit, dass die vorgelegten Informationen unvollständig seien und sie das Bewertungsverfahren nicht einleite. Am folgenden Tag ersuchte sie um ergänzende Informationen.

14      Am 1. und 20. November 2018 übermittelten die interessierten Erwerber die verlangten ergänzenden Informationen, insbesondere einen aktualisierten Geschäftsplan.

15      Am 23. November 2018 teilte die FKMK den interessierten Erwerbern mit, dass sie den Eingang der Anzeigen bestätige, dass diese Anzeigen vollständig seien und dass sie innerhalb von 60 Arbeitstagen bewertet würden.

16      Am 15. und 18. Januar 2019 ersuchte die FKMK die Klägerin und CR um ergänzende Informationen. Sie setzte den Beurteilungszeitraum bis zum Zeitpunkt des Eingangs der betreffenden Informationen und längstens bis zum 13. Februar 2019 aus.

17      Am 12. und 13. Februar 2019 übermittelten die Klägerin und CR ergänzende Informationen.

18      Mit Schreiben vom 15. Februar 2019 bestätigte die FKMK den Eingang der übermittelten Informationen und teilte den interessierten Erwerbern mit, dass der Beurteilungszeitraum am 22. März 2019 ende.

19      Mit Urteil vom 26. Februar 2019, Rimšēvičs und EZB/Lettland (C‑202/18 und C‑238/18, EU:C:2019:139), hat der Gerichtshof die Entscheidung des KNAB vom 19. Februar 2018 für nichtig erklärt, soweit damit A untersagt worden war, sein Amt als Präsident der Zentralbank Lettlands auszuüben. Der Gerichtshof hat festgestellt, dass die Republik Lettland nicht nachgewiesen hatte, dass die Entlassung von A aus seinem Amt auf das Vorliegen hinreichender Anhaltspunkte dafür gestützt war, dass er eine schwere Verfehlung im Sinne von Art. 14.2 Abs. 2 des Protokolls über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der EZB begangen hatte.

20      Am selben Tag erließ die FKMK den Beschluss Nr. 45/2019, mit dem die Klägerin verpflichtet wurde, auf Einzel- und auf konsolidierter Basis im Rahmen des aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozesses eine Gesamteigenkapitalanforderung (im Folgenden: Gesamteigenkapitalerfordernis SREP) von 12 % einzuhalten.

21      Am 1. März 2019 unterbreitete die FKMK der EZB einen Vorschlag für einen Beschluss im Sinne von Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1024/2013 im Sinne eines Einspruchs gegen den beabsichtigten Erwerb.

22      Mit Schreiben vom 7. März 2019 forderte die EZB die interessierten Erwerber auf, zu einem Beschlussentwurf Stellung zu nehmen.

23      Mit Schreiben vom 14. März 2019 nahmen die Klägerin und CR Stellung.

24      Mit Schreiben vom 21. März 2019 teilte die EZB den interessierten Erwerbern den angefochtenen Beschluss mit. Darin erhob sie Einspruch gegen den Erwerb qualifizierter Beteiligungen und gegen die Überschreitung von

–        30 % des Kapitals und der Stimmrechte an der Zielbank, die indirekt von CR und anderer Parteien gemeinsam gehalten würden, die als indirekte interessierte Erwerber handelten;

–        50 % des Kapitals und der Stimmrechte an der Zielbank, die die Klägerin als direkter interessierter Erwerber direkt halte.

25      Die EZB fügte dem angefochtenen Beschluss ihre Antwort auf die Stellungnahme der Klägerin und von CR in ihrem Schreiben vom 14. März 2019 bei (im Folgenden: Antwort auf die Stellungnahme).

26      Was erstens das Kriterium der finanziellen Solidität der interessierten Erwerber betrifft, wies die EZB darauf hin, dass dieses Kriterium als erfüllt anzusehen sei, wenn erwiesen sei, dass der interessierte Erwerber nicht nur über die Fähigkeit verfüge, den beabsichtigten Erwerb zu finanzieren, sondern auch über die Fähigkeit, in absehbarer Zukunft eine solide finanzielle Struktur sowohl für den direkten interessierten Erwerber als auch für die Zielbank aufrechtzuerhalten.

27      Zum einen war die EZB der Ansicht, dass die Klägerin über die Mittel verfüge, die es ihr ermöglichten, die Aktien der Zielbank zu erwerben. Sie stellte jedoch fest, dass die Klägerin erhebliche Nettoverluste erlitten habe. Sie war der Ansicht, dass die Klägerin einem hohen Kreditrisiko ausgesetzt sei, u. a. mit einem Anteil an notleidenden Krediten von 47 % Mitte 2018 und einem geringen Maß an Eigenmitteln. Sie hob insbesondere hervor, dass die Eigenmittelquoten der Klägerin einen Verstoß gegen die Gesamtkapitalanforderung (overall capital requirement, OCR) darstellten. Ende 2018 habe die Klägerin die Anforderungen an Großkredite in Bezug auf mehrere Geschäftspartner missachtet. Sie wies darauf hin, dass die Klägerin die Grenzen für Transaktionen mit den verbundenen Parteien in Bezug auf CR verkannt habe. Die Klägerin sei nicht in der Lage, der Zielbank erforderlichenfalls eine finanzielle Unterstützung zu gewähren.

28      Zum anderen war die EZB der Ansicht, dass die indirekten interessierten Erwerber, die indirekt die Zielbank und die nach dem beabsichtigten Erwerb gebildete neue Gruppe kontrollierten (im Folgenden: neue Gruppe), nicht in der Lage seien, der Zielbank und der neuen Gruppe eine ausreichende finanzielle Unterstützung zu gewähren. Sie stellte fest, dass CR, der Hauptaktionär der Klägerin, keine anderen finanziellen Mittel als seine Beteiligung an der Klägerin für einen geschätzten Wert von 13,6 Mio. Euro angegeben habe, der um 11,8 Mio. Euro um seine Verbindlichkeiten gegenüber der Klägerin zu kürzen sei. Der von den interessierten Erwerbern vorgelegte Geschäftsplan zeige, dass die Höhe der Eigenmittel der neuen Gruppe gering sei. Die Gesamteigenmittelquote der neuen Gruppe erlaube es nicht, das gegenwärtig für die Klägerin geltende OCR auf Konzernebene zu erreichen. Sie war allgemein der Ansicht, dass die Höhe der Eigenmittel der neuen Gruppe nicht angemessen sei, da diese Gruppe ein hohes Risiko aufweise und wahrscheinlich zukünftige Kapitalzufuhren erforderlich seien.

29      Außerdem bestünden ernsthafte Zweifel am wirklichen Willen der indirekten interessierten Erwerber, die Zielbank erforderlichenfalls zu unterstützen. Sie stellte fest, dass sich die indirekten interessierten Erwerber nicht endgültig und unwiderruflich verpflichtet hätten, eine solche Unterstützung zu leisten. Sie berücksichtigte auch, dass es in der jüngeren Vergangenheit an einer finanziellen Unterstützung für die Klägerin gemangelt habe.

30      Die EZB kam zu dem Ergebnis, dass das Kriterium der finanziellen Solidität nicht erfüllt sei.

31      Was zweitens das Kriterium der Fähigkeit des Kreditinstituts zur Einhaltung der Aufsichtsanforderungen betrifft, war die EZB der Ansicht, dass diese Fähigkeit nicht nur auf der Ebene der Zielbank, sondern auch auf der Ebene der neuen Gruppe zu beurteilen sei. Es sei nicht nur auf die Situation zum Zeitpunkt des beabsichtigten Erwerbs, sondern auch auf diejenige nach diesem Erwerb abzustellen.

32      Die EZB war der Ansicht, dass zwar der geplante Erwerb keine unmittelbaren negativen Auswirkungen auf die Einhaltung der Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen auf Einzelbasis durch die Zielbank allein hätte, die neue Gruppe jedoch wahrscheinlich nicht die Eigenmittelanforderungen sowohl im Basisszenario als auch im ungünstigen Szenario des von den interessierten Erwerbern vorgelegten Geschäftsplans erfüllen würde. Ginge man nämlich davon aus, dass das für die neue Gruppe geltende Gesamteigenkapitalerfordernis SREP nicht niedriger wäre als das, das für die Klägerin in den Jahren 2018 und 2019 gegolten habe, verstieße die neue Gruppe gegen das anwendbare OCR.

33      Die EZB stellte ferner fest, dass die Zielbank in den beiden vorangegangenen Jahren erhebliche Verluste verzeichnet habe. Sie wies darauf hin, dass die FKMK am 26. Februar 2018 ein Verwaltungsverfahren betreffend die Mängel der Zielbank in Bezug auf das interne Kontrollsystem und die Bekämpfung der Geldwäsche eingeleitet habe. Die neue Gruppe sei einem hohen Risikoprofil ausgesetzt und vernünftigerweise könne erwartet werden, dass das für diese Gruppe geltende Gesamteigenkapitalerfordernis SREP höher sei als die im Basisszenario des Geschäftsplans vorgesehenen Werte.

34      Die EZB war der Ansicht, dass dieses Basisszenario übertrieben optimistisch sei, da es eine sehr schnelle Rückkehr zur Rentabilität und die Anhäufung von Gewinnen vorsehe. Der Geschäftsplan enthalte keine detaillierten und überzeugenden Angaben zu den Fristen, die erforderlich seien, um die Gewinnschwelle zu erreichen und in einem Jahr zu einem solchen Gewinn zu gelangen.

35      Die EZB führte aus, dass die interessierten Erwerber mehrere ungünstige Szenarien vorgelegt hätten. Sie stellte fest, dass im ungünstigsten Szenario die Betriebskosten der Zielbank konstant blieben und dass gegen diese eine Geldbuße in Höhe von 1,5 Mio. Euro von der FKMK im Rahmen des Verwaltungsverfahrens im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Geldwäsche verhängt werde. In diesem Szenario trete eine zusätzliche Eigenmittellücke gegenüber dem OCR von 2019 ein. Diese ungünstigen Szenarien seien realistischer als das Basisszenario und unterstrichen die unzureichenden Eigenmittel der neuen Gruppe.

36      Die EZB war der Ansicht, dass die neue Gruppe daher wahrscheinlich nicht die geltenden Eigenmittelanforderungen erfüllen würde.

37      Die neue Gruppe wäre laut der EZB mit den von der Klägerin übernommenen Problemen konfrontiert, nämlich einem hohen Kreditrisikograd und einem Verstoß gegen die Grenzen für Großkredite. Die Fortdauer des hohen Kreditrisikos der Klägerin wirke sich auf das Risiko einer Eigenmittellücke der neuen Gruppe aus. Sie ging davon aus, dass nach den ungünstigen Szenarien die Verstöße der Klägerin gegen die Grenzen für Großkredite bestehen blieben.

38      Schließlich vertrat die EZB die Auffassung, dass die Schwächen der Unternehmensführung und der internen Kontrolle der Klägerin und der Zielbank, insbesondere was die Verhinderung von Geldwäsche betreffe, im Geschäftsplan nicht behandelt worden seien und dass es keinen Grund für die Annahme gebe, dass die Bildung einer neuen Gruppe diese Schwächen lösen könne.

39      Die EZB war allgemein der Ansicht, dass die Strategie der interessierten Erwerber gegenüber der Zielbank nicht klar sei. Die Erwerber hätten nur sehr begrenzte Informationen über den geplanten Zusammenschluss, der sich über einen Zeitraum von bis zu 18 Monaten erstrecken sollte, und über die Organisation der neuen Gruppe bis zum Abschluss des Zusammenschlusses geliefert. Dieser Mangel an Klarheit zeige sich in der schlechten Qualität des Geschäftsplans hinsichtlich Kohärenz, Lesbarkeit und Beschreibung der vorgesehenen Handlungen, was die Zweifel an der Gesamtglaubwürdigkeit des beabsichtigten Erwerbs vergrößere.

40      Die EZB war der Ansicht, dass der beabsichtigte Erwerb nicht zur Bildung einer neuen tragfähigen Bankengruppe führen könne, insbesondere weil die Maßnahmen, die geeignet seien, den Erfolg eines solchen Vorhabens zu gewährleisten, nicht hinreichend detailliert oder überzeugend seien. Sie war der Ansicht, dass die neue Gruppe durch ein unhaltbares Geschäftsmodell, ein schwaches System der Unternehmensführung und internen Kontrolle, das von den beiden zu fusionierenden Unternehmen übernommen worden sei, sowie eine unklare Strategie zur Überwindung dieser Probleme beeinträchtigt werde und über ein geringes Maß an Eigenmitteln verfüge, was ein erhöhtes Risiko für einen Verstoß gegen die Aufsichtsanforderungen darstelle. Unabhängig vom geplanten Zusammenschluss und nur unter Berücksichtigung der Zielbank habe der geplante Erwerb negative Auswirkungen auf die Fähigkeit dieser Bank, ihre gegenwärtigen Schwächen zu beheben.

41      Folglich war die EZB der Ansicht, dass auch das Kriterium der Einhaltung der Aufsichtsanforderungen nicht erfüllt sei.

42      Die EZB kam zu dem Ergebnis, dass, da weder das Kriterium der Finanzstabilität des interessierten Erwerbers noch das Kriterium der Einhaltung der Aufsichtsanforderungen erfüllt seien, sie Einspruch gegen den beabsichtigten Erwerb erhebe, ohne diesen Erwerb anhand der anderen Kriterien nach Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG (ABl. 2013, L 176, S. 338), wie sie in lettisches Recht umgesetzt worden sei, zu prüfen.

43      Mit Klageschrift, die am 31. Mai 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerin, CR und CT die vorliegende Klage erhoben.

II.    Sachverhalt nach Klageerhebung

44      Am 15. August 2019 gelangte die EZB zu der Einschätzung, dass die Klägerin im Sinne von Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 (ABl. 2014, L 225, S. 1) ausfalle oder wahrscheinlich ausfalle. Am selben Tag beschloss der Einheitliche Abwicklungsausschuss (SRB), in Bezug auf die Klägerin kein Abwicklungskonzept im Sinne von Art. 18 Abs. 1 dieser Verordnung zu erlassen.

45      Am 22. August 2019 beantragte die FKMK bei der Rīgas pilsētas Vidzemes priekšpilsētas tiesa (Stadtgericht Riga, Bezirk Vidzeme, Lettland), die Klägerin für zahlungsunfähig zu erklären.

46      Am 12. September 2019 erklärte die Rīgas pilsētas Vidzemes priekšpilsētas tiesa (Stadtgericht Riga, Bezirk Vidzeme) die Klägerin für zahlungsunfähig. Sie ernannte einen für das Insolvenzverfahren zuständigen Insolvenzverwalter (im Folgenden: Insolvenzverwalter) und übertrug ihm sämtliche Befugnisse der Klägerin und ihres Vorstands. Sie wies den Antrag des Vorstands der Klägerin zurück, seine Rechte auf ihre Vertretung im Rahmen der Klage gegen die Bewertung der EZB vom 15. August 2019, mit der festgestellt worden sei, dass die Klägerin ausfalle oder wahrscheinlich ausfalle, gegen den Beschluss des SRB vom selben Tag, in Bezug auf die Klägerin kein Abwicklungskonzept festzulegen, und gegen den Beschluss der FKMK, ein Insolvenzverfahren einzuleiten, aufrechtzuerhalten. Dieses Gericht fügte hinzu, dass dies die Möglichkeit für den Vorstand der Klägerin nicht ausschließe, hinsichtlich der Vertretungsrechte für besondere Aufgaben beim Insolvenzverwalter einen gesonderten Antrag zu stellen.

47      Ebenfalls am 12. September 2019 beantragte die FKMK bei der EZB, der Klägerin die Zulassung zu entziehen.

48      Mit Klageschrift, die am 25. Oktober 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist (Rechtssache T‑732/19), haben die Klägerin sowie andere Aktionäre oder potenzielle Aktionäre der Klägerin die Nichtigerklärung des Beschlusses des SRB vom 15. August 2019, in Bezug auf die Klägerin kein Abwicklungskonzept festzulegen, beantragt.

49      Am 21. Dezember 2019 endete das Amt von A als Präsident der Zentralbank Lettlands.

50      Mit Klageschrift, die am 29. Januar 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist (Rechtssache T‑50/20), hat die Klägerin die Nichtigerklärung des Beschlusses vom 19. November 2019 beantragt, mit dem die EZB es abgelehnt hat, dem Insolvenzverwalter aufzugeben, dem vom Vorstand der Klägerin beauftragten Rechtsanwalt Zugang zu ihren Räumlichkeiten, zu den in ihrem Besitz befindlichen Informationen, zu ihren Mitarbeitern und zu ihren Betriebsmitteln zu gewähren.

51      Am 17. Februar 2020 entzog die EZB der Klägerin die Zulassung. Der Entzug wurde am folgenden Tag wirksam.

52      Mit Klageschrift, die am 27. April 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist (Rechtssache T‑230/20), hat die Klägerin Klage gegen diesen Beschluss erhoben.

III. Verfahren und Anträge der Parteien

53      Am 10. September 2019 hat die EZB bei der Kanzlei des Gerichts eine Klagebeantwortung eingereicht.

54      Mit Schriftsatz, der am 20. September 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Europäische Kommission beantragt, im vorliegenden Verfahren als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der EZB zugelassen zu werden. Mit Beschluss vom 28. Oktober 2019 hat der Präsident der Vierten Kammer des Gerichts die Kommission als Streithelferin zugelassen.

55      Am 4. November 2019 hat die Kommission einen Streithilfeschriftsatz bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht.

56      Am 28. April 2020 hat der Präsident der Vierten Kammer gemäß Art. 69 Buchst. d der Verfahrensordnung des Gerichts beschlossen, das Verfahren bis zur Verkündung der Entscheidung des Gerichts in der Rechtssache T‑50/20 auszusetzen. Mit Beschluss vom 12. März 2021, PNB Banka/EZB (T‑50/20, EU:T:2021:141), hat das Gericht seine Entscheidung in dieser Rechtssache erlassen, und das Verfahren in der vorliegenden Rechtssache ist an diesem Tag wiederaufgenommen worden.

57      Am 28. April 2021 und am 28. Juni 2021 haben die Klägerin, CR und CT beantragt, das Verfahren auszusetzen, bis der Gerichtshof in der Rechtssache C‑321/21 P über das Rechtsmittel gegen den Beschluss vom 12. März 2021, PNB Banka/EZB (T‑50/20, EU:T:2021:141), entschieden habe. Am 20. Mai 2021 und dann am 6. August 2021 hat der Präsident der Vierten Kammer nach Anhörung der EZB beschlossen, das Verfahren nicht auszusetzen.

58      Mit Schreiben vom 8. Juli 2021 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin dem Gericht mitgeteilt, dass er CR und CT nicht mehr vertrete. Mit Beschluss vom 21. Dezember 2021 hat das Gericht (Vierte Kammer) auf der Grundlage von Art. 131 Abs. 2 der Verfahrensordnung festgestellt, dass die Hauptsache erledigt ist, soweit sie von CR und CT erhoben worden ist.

59      Die Frist für die Einreichung der Erwiderung ist zuletzt auf den 30. September 2021 festgesetzt worden. Die Klägerin hat innerhalb der gesetzten Frist keine Erwiderung eingereicht.

60      Die Klägerin beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

–        der EZB die Kosten aufzuerlegen.

61      Die EZB, unterstützt durch die Kommission, beantragt,

–        die Klage als unbegründet abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

IV.    Rechtliche Würdigung

A.      Zum Vorliegen einer Vollmacht des Vertreters, der die Klage im Namen der Klägerin erhoben hat

62      Nach Art. 51 Abs. 3 der Verfahrensordnung haben Anwälte, die eine juristische Person des Privatrechts als Partei vertreten, bei der Kanzlei eine Vollmacht dieser Partei zu hinterlegen.

63      Eine vom Vorsitzenden des Vorstands der Klägerin am 5. März 2019 erteilte Vollmacht ist in den Akten enthalten (Anlage A.2).

64      Die Klägerin macht geltend, der Insolvenzverwalter habe es abgelehnt, dem Anwalt, den sie zu ihrer Vertretung bestellt habe, Zugang zu ihren Unterlagen, zu ihren Räumlichkeiten, zu ihren Mitarbeitern und zu ihren Betriebsmitteln zu gewähren. Sie hat im Rahmen ihrer Antwort vom 13. März 2020 auf eine Frage des Gerichts ein Schreiben des Insolvenzverwalters vom 16. September 2019 vorgelegt, in dem es heißt, ihr Anwalt müsse erstens „dem [Insolvenzverwalter] einen schriftlichen Bericht über den Stand der Vereinbarung [über die Erbringung juristischer Dienstleistungen] übermitteln, mit detaillierten Angaben zu den von [der Klägerin] erhaltenen Weisungen und den vom [Rechtsanwalt] wahrgenommenen Aufgaben sowie dazu, ob es tatsächlich laufende Arbeiten gibt“, zweitens „den [Insolvenzverwalter] betreffend die Zahlungen … informieren“, und drittens „jede Tätigkeit im Namen [der Klägerin] ohne vorherige Konsultation des [Insolvenzverwalters] unterlassen, insbesondere [der Klägerin] keine weiteren verrechenbaren Dienstleistungen erbringen“.

65      Trotz dieses Schreibens des Insolvenzverwalters vom 16. September 2019 geht aus den Akten nicht hervor und wird weder von der Klägerin noch von der EZB behauptet, dass der Insolvenzverwalter die vom Vorsitzenden des Vorstands der Klägerin am 5. März 2019 erteilte Vollmacht widerrufen habe. In dem Schreiben wird ein solcher Widerruf nicht erwähnt, auch wenn es darauf hinweist, dass der vom Vorsitzenden des Vorstands beauftragte Rechtsanwalt jede Tätigkeit im Namen der Klägerin ohne vorherige Konsultation des Insolvenzverwalters unterlassen müsse.

66      Das Gericht stellt daher fest, dass die Klägerin eine Vollmacht hinterlegt hat, die ihren Anwalt gemäß Art. 51 Abs. 3 der Verfahrensordnung ermächtigt, eine Klage zu erheben.

B.      Zu den am 28. April 2021 und am 28. Juni 2021 gestellten Anträgen auf Aussetzung des Verfahrens

67      Am 28. April 2021 und am 28. Juni 2021 hat die Klägerin die Aussetzung des Verfahrens beantragt. Zur Stützung ihrer Anträge auf Aussetzung machte sie geltend, dass sie Zugang zu ihren Räumlichkeiten, ihren Akten und ihren finanziellen Mitteln benötige und dass der Insolvenzverwalter trotz des Urteils vom 5. November 2019, EZB u. a./Trasta Komercbanka u. a. (C‑663/17 P, C‑665/17 P und C‑669/17 P, EU:C:2019:923), nicht kooperiert habe, um ihre wirksame Vertretung sicherzustellen.

68      Obwohl das Gericht nicht verpflichtet ist, die Gründe darzulegen, aus denen es beschließt, gemäß Art. 69 Buchst. c oder d der Verfahrensordnung ein Verfahren auszusetzen, hält es ausnahmsweise die folgenden Ausführungen für zweckmäßig.

69      Die Entscheidung, ob das Verfahren nach Art. 69 Buchst. c oder d der Verfahrensordnung ausgesetzt wird, fällt in das Ermessen des Gerichts (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse vom 20. Oktober 2011, DTL/HABM, C‑67/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2011:683, Rn. 32 und 33, vom 15. Oktober 2012, Internationaler Hilfsfonds/Kommission, C‑554/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2012:629, Rn. 37, und vom 17. Januar 2018, Josel/EUIPO, C‑536/17 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:14, Rn. 5).

70      Im vorliegenden Fall ist das Verfahren am 28. April 2020 bis zur Verkündung der Entscheidung des Gerichts in der Rechtssache T‑50/20 ausgesetzt worden, mit der die Klägerin die Nichtigerklärung des Beschlusses vom 19. November 2019 beantragt hatte, mit dem die EZB es abgelehnt hatte, dem Insolvenzverwalter aufzugeben, dem vom Vorstand der Klägerin beauftragten Rechtsanwalt Zugang zu ihren Räumlichkeiten, zu den in ihrem Besitz befindlichen Informationen, zu ihren Mitarbeitern und zu ihren Betriebsmitteln zu gewähren.

71      Mit Beschluss vom 12. März 2021, PNB Banka/EZB (T‑50/20, EU:T:2021:141), hat das Gericht die Klage der Klägerin abgewiesen. Es war insbesondere der Ansicht, dass die EZB offenkundig nicht befugt war, dem Antrag des Vorstands der Klägerin stattzugeben, dem Insolvenzverwalter die Weisung zu erteilen, dem vom Vorstand beauftragten Anwalt Zugang zu den Räumlichkeiten, zu den Informationen, den Mitarbeitern und den Betriebsmitteln der Klägerin zu gewähren (Rn. 73). Es hat auch festgestellt, dass die Entscheidungen, die die nationalen Behörden im Zusammenhang mit einem Insolvenzverfahren, wie dem gegen die Klägerin anhängigen, in Beantwortung eines Antrags auf Zugang zu den Dokumenten, Räumlichkeiten, Mitarbeitern oder Betriebsmitteln des betreffenden Kreditinstituts treffen, grundsätzlich der Kontrolle durch die nationalen Gerichte unterliegen, die dem Gerichtshof gegebenenfalls Fragen zur Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV vorlegen können, falls sie bei der Auslegung oder Anwendung des Unionsrechts auf Schwierigkeiten stoßen (Rn. 72).

72      Außerdem ist festzustellen, dass die Klägerin trotz der Aussetzung des Verfahrens vom 28. April 2020 bis zum 12. März 2021 – auch in ihrem Antrag auf Aussetzung des Verfahrens vom 28. Juni 2021 – weder nachgewiesen noch auch nur behauptet hat, dass sie gegen den Insolvenzverwalter ein gerichtliches Verfahren eingeleitet habe, dem sie jedoch vor dem Gericht vorwirft, dem von ihrem Vorstand beauftragten Rechtsanwalt seit Ende 2019 den Zugang zu ihren Räumlichkeiten, ihren Informationen, ihren Mitarbeitern und ihren Betriebsmitteln zu verwehren.

73      Nachdem sie einen Austausch von Schreiben und E‑Mails mit dem Insolvenzverwalter vom 12. und 16. September 2019 sowie vom November 2019 vorgelegt hat, hat sich die Klägerin darauf beschränkt, in ihrem am 28. April 2021 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens geltend zu machen, dass sie gegenüber dem Insolvenzverwalter und den lettischen Gerichten „ihre Bemühungen verstärkt hat“, ohne nähere Angaben zur Art dieser Bemühungen zu machen.

74      Außerdem geht aus der oben in Rn. 46 angeführten Entscheidung der Rīgas pilsētas Vidzemes priekšpilsētas tiesa (Stadtgericht Riga, Bezirk Vidzeme) vom 12. September 2019 nicht hervor, dass die Klägerin daran gehindert wäre, die lettischen Gerichte mit einer etwaigen Streitigkeit mit dem Insolvenzverwalter zu befassen. Nicht nur wird in dieser Entscheidung angegeben, dass dies die Möglichkeit für den Vorstand der Klägerin nicht ausschließe, hinsichtlich der Vertretungsrechte für besondere Aufgaben beim Insolvenzverwalter einen gesonderten Antrag zu stellen, sondern das Urteil vom 5. November 2019, EZB u. a./Trasta Komercbanka u. a. (C‑663/17 P, C‑665/17 P und C‑669/17 P, EU:C:2019:923), auf das sich die Klägerin berufen hat, um geltend zu machen, dass der Insolvenzverwalter nicht in zufriedenstellender Weise kooperiere, um ihre wirksame Vertretung sicherzustellen, ist nach dieser Entscheidung ergangen, so dass sich die Klägerin vor dem nationalen Gericht a priori auf dieses Urteil als neuen Umstand berufen konnte.

75      Das Gericht ist daher der Auffassung, dass das Verfahren nicht erneut auszusetzen ist.

C.      Zum mündlichen Verfahren

76      Art. 106 der Verfahrensordnung lautet:

„(1)      Das Verfahren vor dem Gericht umfasst im Rahmen des mündlichen Verfahrens eine mündliche Verhandlung, die entweder von Amts wegen oder auf Antrag einer Hauptpartei durchgeführt wird.

(2)      In dem von einer Hauptpartei gestellten Antrag auf mündliche Verhandlung sind die Gründe anzugeben, aus denen diese Hauptpartei gehört werden möchte. …

(3)      Wird kein Antrag nach Absatz 2 gestellt, so kann das Gericht, wenn es sich für durch die Aktenstücke der Rechtssache hinreichend unterrichtet hält, beschließen, über die Klage ohne mündliches Verfahren zu entscheiden. …“

77      Somit ergibt sich aus Art. 106 der Verfahrensordnung, dass, wenn kein Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt worden ist, in dem die Gründe angegeben sind, aus denen eine Hauptpartei gehört werden möchte, das Gericht, wenn es sich für ausreichend unterrichtet hält, ohne mündliches Verfahren über die Klage entscheiden kann.

78      Die Begründung des Entwurfs einer Verfahrensordnung vom 14. März 2014, die der Öffentlichkeit auf der Internetseite des Gerichtshofs der Europäischen Union zugänglich ist, bestätigt im Übrigen, dass das Gericht unter Berücksichtigung insbesondere der Erfordernisse einer geordneten Rechtspflege und der Verfahrensökonomie „von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung absehen kann, wenn es dies nicht für erforderlich hält, es sei denn, dass eine der Hauptparteien einen Antrag unter Angabe der Gründe stellt, aus denen sie gehört werden möchte“.

79      In Rn. 142 der Praktischen Durchführungsbestimmungen zur Verfahrensordnung (im Folgenden: PDB) heißt es, dass eine Hauptpartei, die in einer mündlichen Verhandlung gehört werden möchte, innerhalb von drei Wochen, nachdem die Parteien über den Abschluss des schriftlichen Verfahrens unterrichtet worden sind, einen dahin gehenden begründeten Antrag zu stellen hat. Es wird darauf hingewiesen, dass diese Begründung sich aus einer konkreten Beurteilung der Zweckmäßigkeit einer mündlichen Verhandlung für die betreffende Partei ergeben muss, und es ist anzugeben, in Bezug auf welche Bestandteile der Akten der Rechtssache „oder“ welche Ausführungen diese Partei eine eingehendere Darlegung „oder“ Widerlegung in einer mündlichen Verhandlung für erforderlich hält. Im Hinblick auf eine einfachere Verhandlungsführung in der mündlichen Verhandlung „sollte“ die Begründung nicht allgemein gehalten werden, indem sie sich beispielsweise auf eine Bezugnahme auf die Bedeutung der Rechtssache beschränkt. Nach Rn. 143 der PDB kann das Gericht, wenn keine der Hauptparteien fristgemäß einen begründeten Antrag einreicht, beschließen, über die Klage ohne mündliches Verfahren zu entscheiden.

80      Somit ergibt sich aus Art. 106 der Verfahrensordnung sowie aus den Rn. 142 und 143 der PDB, dass das Gericht, wenn kein Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt worden ist oder wenn ein nicht begründeter Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt worden ist, beschließen kann, über die Klage ohne mündliches Verfahren zu entscheiden, wenn es sich für durch die Aktenstücke der Rechtssache hinreichend unterrichtet hält.

81      Im vorliegenden Fall hat die Klägerin mit Schreiben vom 29. November 2021 zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung wie folgt Stellung genommen:

„1. Ich bestätige, dass es aus Gründen, die ich im Einzelnen dargelegt habe, derzeit keine wirksame Vertretung der [Klägerin] gibt. Zum alleinigen Zweck der Einhaltung der geltenden Frist beantrage ich hiermit eine mündliche Verhandlung. Zunächst ist jedoch die wirksame Vertretung [der Klägerin] wiederherzustellen.

2. Unter den gegenwärtigen Umständen ist es nicht möglich, eine mündliche Verhandlung vorzubereiten oder an dieser teilzunehmen.“

82      Aus diesem Schreiben vom 29. November 2021 geht hervor, dass der Antrag der Klägerin auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht begründet ist. Dieser Antrag gibt nämlich keinen Grund an, aus dem die Klägerin gehört werden möchte.

83      Außerdem hat die Kanzlei des Gerichts in ihrem Schreiben vom 25. Oktober 2021, mit dem die Hauptparteien über den Abschluss des schriftlichen Verfahrens unterrichtet worden sind, Art. 106 Abs. 2 der Verfahrensordnung sowie Rn. 142 der PDB in Erinnerung gerufen und die Hauptparteien darauf hingewiesen, dass im Kontext der Gesundheitskrise die Begründung den Anforderungen von Rn. 142 der PDB genügen müsse.

84      Zwar hat die Klägerin in ihrem Antrag auf mündliche Verhandlung geltend gemacht, dass sie der Ansicht sei, nicht wirksam vertreten zu sein.

85      Selbst wenn die Klägerin damit versucht, implizit das Fehlen einer Begründung ihres Antrags auf mündliche Verhandlung zu rechtfertigen, was jedoch aus diesem Antrag nicht hervorgeht, ist davon auszugehen, dass ihr Vorbringen zum Fehlen einer wirksamen Vertretung nicht als Rechtfertigung für das Fehlen einer Begründung dieses Antrags angesehen werden kann. Insbesondere hinderte der Umstand, dass die Klägerin in dem von ihr dargestellten Sinne nicht wirksam vertreten war, sie in keiner Weise daran, substantiierte Umstände zur Stützung eines Antrags auf mündliche Verhandlung vorzubringen.

86      Da die Klägerin in ihrem Antrag auf mündliche Verhandlung keinerlei Begründung dargelegt hat und ihr überdies die Pflicht zur Begründung dieses Antrags von der Kanzlei des Gerichts ausdrücklich in Erinnerung gerufen worden war, ist folglich festzustellen, dass dieser Antrag auf mündliche Verhandlung Art. 106 Abs. 2 der Verfahrensordnung nicht genügt.

87      Unter diesen Umständen beschließt das Gericht, da es sich für durch die Aktenstücke hinreichend unterrichtet hält, gemäß Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung über die Klage ohne mündliches Verfahren zu entscheiden.

D.      Zur Begründetheit

1.      Zum ersten Klagegrund: Der Beurteilungszeitraum sei vor Erlass des angefochtenen Beschlusses abgelaufen

88      Die Klägerin macht geltend, der in Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie 2013/36 vorgesehene Beurteilungszeitraum sei vor dem Erlass des angefochtenen Beschlusses abgelaufen. Der beabsichtigte Erwerb gelte als genehmigt, wenn die Aufsichtsbehörde vor Ablauf dieses Zeitraums gemäß Art. 22 Abs. 6 der Richtlinie keinen Einspruch erhoben habe, und die EZB hätte zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses den beabsichtigten Erwerb nicht beeinspruchen können.

89      Die Klägerin macht geltend, zum Zeitpunkt der E‑Mail der FKMK vom 25. Oktober 2018 seien alle Voraussetzungen für den Beginn des Beurteilungszeitraums erfüllt gewesen. Dieser habe spätestens am 29. Oktober 2018, zwei Werktage nach dieser E‑Mail, begonnen. Mit dieser E‑Mail und später mit Schreiben vom 30. Oktober 2018 habe die FKMK nämlich eingeräumt, dass sie die Anzeige des beabsichtigten Erwerbs sowie alle erforderlichen Unterlagen erhalten habe. Die FKMK habe zwar in ihrer E‑Mail vom 25. Oktober 2018 und später in ihrem Schreiben vom 30. Oktober 2019 einen Ansatz beschrieben, der sich von dem Verfahren und den Fristen nach Art. 22 der Richtlinie 2013/36 unterscheide und ihr nach Ansicht der FKMK von der EZB vorgegeben worden sei, doch sei dieses Argument irrelevant.

90      Die EZB tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

91      Art. 22 Abs. 1, 2 und 6 der Richtlinie 2013/36 lautet:

„(1)      Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass eine natürliche oder juristische Person oder gemeinsam handelnde natürliche oder juristische Personen (im Folgenden ‚interessierter Erwerber‘), die beschlossen hat bzw. haben, an einem Kreditinstitut eine qualifizierte Beteiligung direkt oder indirekt zu erwerben oder eine derartige qualifizierte Beteiligung direkt oder indirekt zu erhöhen, mit der Folge, dass ihr Anteil an den Stimmrechten oder am Kapital 20 %, 30 % oder 50 % erreichen oder überschreiten würde oder das Kreditinstitut ihr Tochterunternehmen würde (im Folgenden ‚beabsichtigter Erwerb‘), den für das Kreditinstitut, an dem eine qualifizierte Beteiligung erworben oder erhöht werden soll, zuständigen Behörden diese Tatsache vor dem Erwerb schriftlich unter Angabe des Umfangs der geplanten Beteiligung zusammen mit den einschlägigen Informationen nach Artikel 23 Absatz 4 [dieser Richtlinie] anzuzeigen hat bzw. haben. …

(2)      Die zuständigen Behörden bestätigen dem interessierten Erwerber umgehend, in jedem Fall jedoch innerhalb von zwei Arbeitstagen nach Erhalt der Anzeige sowie dem etwaigen anschließenden Erhalt der in Absatz 3 genannten Informationen schriftlich deren Eingang.

Die zuständigen Behörden verfügen über höchstens 60 Arbeitstage ab dem Datum der schriftlichen Bestätigung des Eingangs der Anzeige und aller von dem Mitgliedstaat verlangten Unterlagen, die der Anzeige nach Maßgabe der in Artikel 23 Absatz 4 [dieser Richtlinie] genannten Liste beizufügen sind (im Folgenden ‚Beurteilungszeitraum‘), um die Beurteilung nach Artikel 23 Absatz 1 [dieser Richtlinie] (im Folgenden ‚Beurteilung‘) vorzunehmen.

Die zuständigen Behörden teilen dem interessierten Erwerber zum Zeitpunkt der Bestätigung des Eingangs der Anzeige mit, zu welchem Zeitpunkt der Beurteilungszeitraum abläuft.

(6)      Erheben die zuständigen Behörden innerhalb des Beurteilungszeitraums keinen schriftlichen Einspruch gegen den beabsichtigten Erwerb, so gilt dieser als genehmigt.“

92      Art. 23 Abs. 4 der Richtlinie 2013/36 bestimmt: „Die Mitgliedstaaten veröffentlichen eine Liste der Informationen, die für die Beurteilung erforderlich sind und den zuständigen Behörden zum Zeitpunkt der Mitteilung nach Artikel 22 Absatz 1 [dieser Richtlinie] zu übermitteln sind. …“

93      Die Art. 22 und 23 der Richtlinie 2013/36 wurden durch die Art. 28 und 29 des lettischen Gesetzes über Kreditinstitute in der durch die Verordnung 192 der FKMK vom 28. November 2017 („Liste der erforderlichen Informationen für die Anzeige des Erwerbs oder der Erhöhung einer qualifizierten Beteiligung sowie allgemeine Grundsätze und Verfahren für die Prüfung einer Anzeige“) präzisierten Fassung (im Folgenden: Verordnung 192) umgesetzt.

94      Art. 28 der Verordnung 192 sieht vor, dass in der Bestätigung über den Erhalt der Anzeige des beabsichtigten Erwerbs u. a. angegeben ist, dass diese Anzeige als vollständig gilt.

95      Im Übrigen enthalten die am 20. Dezember 2016 veröffentlichten Gemeinsamen Leitlinien der Europäischen Bankaufsichtsbehörde (EBA), der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) und der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) zur aufsichtsrechtlichen Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von qualifizierten Beteiligungen im Finanzsektor (JC/GL/2016/01, im Folgenden: Gemeinsame Leitlinien) nähere Angaben zur Anzeige. Sowohl die EZB als auch die FKMK haben angegeben, diese Leitlinien gemäß Art. 16 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1093/2010/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/78/EG der Kommission (ABl. 2010, L 331, S. 12) zu beachten. Nach Nr. 9.1 Satz 2 dieser Leitlinien sollte die Anzeige als vollständig betrachtet werden, wenn sie alle Informationen enthält, die in der Liste aufgeführt sind, die in Übereinstimmung mit den maßgeblichen Rechtsvorschriften zum Zwecke der aufsichtsrechtlichen Beurteilung durch die zuständige Aufsichtsbehörde zu veröffentlichen ist. In Nr. 9.1 Satz 3 heißt es, dass die Bestätigung der Anzeige ausschließlich einen Verfahrensschritt darstellen sollte, der die formelle Vollständigkeit der Anzeige betrifft und dazu führt, dass die Frist von 60 Werktagen für die aufsichtsrechtliche Beurteilung zu laufen beginnt. Sie beinhaltet keine materielle Prüfung der zur Verfügung gestellten Informationen durch die Aufsichtsbehörde der Zielbank.

96      Im vorliegenden Fall bestätigte die FKMK den Erhalt der Anzeige des beabsichtigten Erwerbs gemäß Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie 2013/36, wie sie in lettisches Recht umgesetzt worden ist, mit Schreiben vom 23. November 2018. In diesem Schreiben wird gemäß Art. 28 der Verordnung 192 insbesondere darauf hingewiesen, dass die Anzeige vollständig ist.

97      Die Klägerin macht zu Unrecht geltend, dass die FKMK vor dem 23. November 2018 mit E‑Mail vom 25. Oktober 2018 und ihrem Schreiben vom 30. Oktober 2018 anerkannt habe, dass sie die Anzeige und alle erforderlichen Unterlagen erhalten habe.

98      Vielmehr hat zum einen die FKMK mit der im Schreiben vom 30. Oktober 2018 erwähnten E‑Mail vom 25. Oktober 2018 der Klägerin mitgeteilt, dass die EZB derzeit prüfe, ob die Anzeige vollständig sei. Zum anderen teilte sie der Klägerin mit diesem Schreiben vom 30. Oktober 2018 mit, dass die vorgelegten Berichte nicht vollständig seien und dass das Beurteilungsverfahren nicht begonnen habe. Sie fügte hinzu, dass sie die Klägerin mit gesondertem Schreiben über die fehlenden Informationen informieren werde. Am 31. Oktober 2018 übermittelte sie der Klägerin eine Liste dieser Informationen.

99      Folglich stellten weder die E‑Mail vom 25. Oktober 2018 noch das Schreiben der FKMK vom 30. Oktober 2018 eine Bestätigung des Erhalts der Anzeige im Sinne von Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie 2013/36, wie sie in lettisches Recht umgesetzt worden ist, dar.

100    Im Übrigen behauptet die Klägerin nicht, dass die von der FKMK in ihrem Schreiben vom 31. Oktober 2018 verlangten Informationen für die Beurteilung nicht erforderlich gewesen seien und der FKMK gemäß Art. 22 Abs. 1 und Art. 23 Abs. 4 der Richtlinie 2013/36, wie sie in lettisches Recht umgesetzt worden seien, zum Zeitpunkt der Anzeige nicht hätten übermittelt werden müssen. Insbesondere bringt sie nicht vor, dass diese Informationen nicht in der Verordnung 192 angeführt seien, die die Liste der Informationen festlegt, die für die Beurteilung erforderlich sind und den zuständigen Behörden zum Zeitpunkt der Mitteilung nach Art. 22 Abs. 1 der Richtlinie 2013/36 und den Anhängen dieser Verordnung zu übermitteln sind.

101    Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die EZB unwidersprochen geltend macht, dass in dem am 19. Oktober 2018 vorgelegten Geschäftsplan bestimmte nach Anhang 9 der Verordnung 192 erforderliche Informationen fehlten, nämlich erstens ein Plan zur Umsetzung des mit dem beabsichtigten Erwerb verfolgten Ziels, zweitens die für die nächsten drei Jahre (einzeln und auf konsolidierter Ebene) vorgesehenen Finanzergebnisse, drittens die Zusammensetzung des Vorstands, die Zusammensetzung des Aufsichtsrats und seine Pflichten sowie die Zusammensetzung der wesentlichen Ausschüsse des Finanzinstituts, die der Vorstand und der Aufsichtsrat eingesetzt haben, einschließlich der Informationen über die Personen, die das Finanzinstitut und seine Ausschüsse leiten oder leiten werden.

102    Folglich kann die Klägerin nicht mit Erfolg geltend machen, dass die Voraussetzungen für den Beginn des Beurteilungszeitraums ab dem 25. Oktober 2018 erfüllt gewesen seien.

103    Somit ist der erste Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

2.      Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen das in Art. 15 der Verordnung Nr. 1024/2013 und in den Art. 85 bis 87 der Verordnung Nr. 468/2014 vorgesehene Verfahren

104    Die Klägerin macht geltend, die FKMK und die EZB hätten die Verfahrensregeln, die im vorliegenden Fall in Art. 15 der Verordnung Nr. 1024/2013 und in den Art. 85 bis 87 der Verordnung (EU) Nr. 468/2014 der EZB vom 16. April 2014 zur Einrichtung eines Rahmenwerks für die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Zentralbank und den nationalen zuständigen Behörden und den nationalen benannten Behörden innerhalb des einheitlichen Aufsichtsmechanismus (ABl. 2014, L 141, S. 1) festgelegt seien, nicht eingehalten, da die FKMK keinen Vorschlag für einen Beschluss vorgelegt habe.

105    Die Klägerin macht ferner geltend, der angefochtene Beschluss sei mit einem Verfahrensfehler behaftet, da die aufsichtsrechtlichen Eigenmittelanforderungen, auf die er sich stütze, erst in einem Schreiben festgelegt worden seien, das am 1. März 2019 eingegangen sei, lange Zeit nach der Anzeige des beabsichtigten Erwerbs, zu einem Zeitpunkt, zu dem die Klägerin nicht mehr die Möglichkeit gehabt habe, diese Anzeige zu ändern. Außerdem habe die EZB nicht berücksichtigt, dass die spezifischen Anforderungen, die die FKMK festgelegt habe, von der Klägerin bestritten worden und Gegenstand einer Überprüfung seien.

106    Die EZB tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

107    Art. 15 der Verordnung Nr. 1024/2013 lautet:

„(1)      Ungeachtet der Ausnahmen nach Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe c [dieser Verordnung] werden alle Anzeigen über den Erwerb einer qualifizierten Beteiligung an einem in einem teilnehmenden Mitgliedstaat niedergelassenen Kreditinstitut und alle damit zusammenhängenden Informationen im Einklang mit dem einschlägigen, auf die Rechtsakte nach Artikel 4 Absatz 3 Unterabsatz 1 [dieser Verordnung] gestützten nationalen Recht an die nationalen zuständigen Behörden gerichtet, in dem das Kreditinstitut niedergelassen ist.

(2)      Die nationale zuständige Behörde prüft den geplanten Erwerb und leitet die Anzeige gemeinsam mit einem Vorschlag für einen Beschluss, mit dem der Erwerb auf Grundlage der in den Rechtsakten nach Artikel 4 Absatz 3 Unterabsatz 1 [dieser Verordnung] festgelegten Kriterien abgelehnt oder nicht abgelehnt wird, der EZB spätestens zehn Arbeitstage vor Ablauf des jeweiligen im Unionsrecht festgelegten Beurteilungszeitraums zu und unterstützt die EZB nach Maßgabe des Artikels 6 [dieser Verordnung].

(3)      Die EZB beschließt auf Grundlage der Beurteilungskriterien des Unionsrechts und im Einklang mit den darin geregelten Verfahren und innerhalb des darin festgelegten Beurteilungszeitraums, ob der Erwerb abzulehnen ist.“

108    Erstens ist, soweit die Klägerin geltend macht, der angefochtene Beschluss verstoße gegen Art. 15 der Verordnung Nr. 1024/2013 und gegen die Art. 85 bis 87 der Verordnung Nr. 468/2014, da die FKMK der EZB keinen Beschlussvorschlag vorgelegt habe, festzustellen, dass dieses Vorbringen sachlich unzutreffend ist. Wie aus den Rn. 1.3 und 2.1 des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, unterbreitete die FKMK der EZB am 1. März 2019 einen Vorschlag für einen Beschluss, der dem Gericht vorgelegt worden ist.

109    Zweitens macht die Klägerin einen Verfahrensfehler geltend, da sich die EZB auf aufsichtsrechtliche Eigenmittelanforderungen gestützt habe, die von der FKMK erst in einem Schreiben festgelegt worden seien, das die Klägerin nach der Anzeige des beabsichtigten Erwerbs am 1. März 2019 erhalten habe.

110    Insoweit ist festzustellen, dass weder Art. 15 der Verordnung Nr. 1024/2013 noch die Art. 85 bis 87 der Verordnung Nr. 468/2014, auf die sich die Klägerin beruft, dem entgegenstehen, dass sich die EZB auf eine Tatsache stützte, die nach der Anzeige des beabsichtigten Erwerbs eingetreten ist. Die Klägerin beruft sich zur Stützung ihres Vorbringens auf keine andere Bestimmung und keinen anderen Grundsatz.

111    Folglich ist das Verfahren, soweit sich die EZB auf von der FKMK nach der Anzeige festgesetzte aufsichtsrechtliche Eigenmittelanforderungen gestützt hat, im Hinblick auf die von der Klägerin angeführten Bestimmungen nicht mit einem Mangel behaftet.

112    Außerdem ergibt sich, wie die EZB zu Recht geltend macht, aus Art. 23 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2013/36, wie er vor der Anzeige des beabsichtigten Erwerbs in lettisches Recht umgesetzt worden ist, dass die zuständigen Behörden die Frage zu prüfen haben, ob das Kreditinstitut in der Lage sein und bleiben wird, den Aufsichtsanforderungen zu genügen.

113    In Nr. 13.4 der Gemeinsamen Leitlinien heißt es im Übrigen, dass die Aufsichtsbehörde der Zielbank beurteilen sollte, ob das Zielunternehmen zum Zeitpunkt des beabsichtigten Erwerbs in der Lage ist, alle aufsichtsrechtlichen Anforderungen zu erfüllen, und ob es auch „nach dem Erwerb“ dazu in der Lage sein wird.

114    Aus Art. 23 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2013/36 ergibt sich, dass die zuständigen Behörden, wie die EZB zu Recht geltend macht, eine vorausschauende Beurteilung der Einhaltung der Aufsichtsanforderungen durch das betreffende Kreditinstitut vornehmen müssen.

115    Folglich war die EZB berechtigt, in Rn. 2.3.1 des angefochtenen Beschlusses das Gesamteigenkapitalerfordernis SREP des Jahres 2019 zu berücksichtigen, das die FKMK in einem Schreiben festgelegt hatte, das die Klägerin laut ihren Angaben am 1. März 2019 erhielt, als sie prüfte, ob die neue Gruppe Gefahr laufe, die für sie geltenden aufsichtsrechtlichen Eigenmittelanforderungen nicht zu erfüllen.

116    Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass sich die EZB bei der Beurteilung der Frage, ob die neue Gruppe in der Lage sein wird, den Aufsichtsanforderungen zu genügen, in Rn. 2.3.1 des angefochtenen Beschlusses nicht nur auf das Gesamteigenkapitalerfordernis SREP des Jahres 2019 stützte, sondern auch auf das für die Klägerin im Jahr 2018 geltende Gesamteigenkapitalerfordernis SREP. Ohne das Gesamteigenkapitalerfordernis SREP des Jahres 2019 zu berücksichtigen, belief sich nach dem Basisszenario die für Ende 2019 vorgesehene Gesamteigenmittelquote der neuen Gruppe somit nur auf 12,91 %, d. h. auf ein Niveau, das unter dem von der Klägerin für das Jahr 2018 zu beachtenden Niveau lag (13,55 %).

117    Soweit die Klägerin schließlich angibt, dass die von der FKMK festgelegten Anforderungen an Eigenmittel bestritten worden seien, ist, wie die EZB zu Recht ausführt, davon auszugehen, dass das gerichtliche Verfahren vor den lettischen Gerichten keine aufschiebende Wirkung hat und die EZB nicht daran hinderte, sich teilweise auf das Gesamteigenkapitalerfordernis SREP des Jahres 2019 zu stützen.

118    Drittens, selbst wenn davon auszugehen wäre, dass die Klägerin, wie die EZB annimmt, zur Stützung des zweiten Klagegrundes ein Argument vorgebracht hätte, wonach die EZB zu Unrecht vor der Übermittlung eines Beschlussvorschlags durch die FKMK am Verfahren beteiligt gewesen sei, was nicht der Fall ist, wäre dieses Vorbringen zurückzuweisen.

119    Der Unionsgesetzgeber möchte nämlich mit der Wahl eines Verwaltungsverfahrens, das die Vornahme von Handlungen nationaler Behörden zur Vorbereitung einer Rechtswirkungen erzeugenden und potenziell beschwerenden endgültigen Entscheidung eines Unionsorgans vorsieht, zwischen dem Organ und den nationalen Behörden ein besonderes Instrument der Zusammenarbeit einrichten, das auf der ausschließlichen Entscheidungsbefugnis des Unionsorgans beruht (Urteil vom 19. Dezember 2018, Berlusconi und Fininvest, C‑219/17, EU:C:2018:1023, Rn. 48).

120    Nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 1024/2013 in Verbindung mit deren Art. 15 Abs. 3 und mit Art. 87 der Verordnung Nr. 468/2014 ist nur die EZB dafür zuständig, nach Abschluss des u. a. in Art. 15 der Verordnung Nr. 1024/2013 und in den Art. 85 und 86 der Verordnung Nr. 468/2014 vorgesehenen Verfahrens den geplanten Erwerb zu genehmigen oder nicht zu genehmigen (Urteil vom 19. Dezember 2018, Berlusconi und Fininvest, C‑219/17, EU:C:2018:1023, Rn. 54).

121    Im Rahmen der nach Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1024/2013 durch den Grundsatz der Zusammenarbeit geregelten Beziehungen besteht die Rolle der nationalen Behörden – wie sich aus dieser Vorschrift, aus Art. 15 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1024/2013 und aus den Art. 85 und 86 der Verordnung Nr. 468/2014 ergibt – darin, die Genehmigungsanträge zu registrieren und die allein entscheidungsbefugte EZB insbesondere dadurch zu unterstützen, dass sie ihr alle zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Informationen mitteilen, die Anträge prüfen und anschließend der EZB einen Beschlussvorschlag übermitteln, an den die EZB nicht gebunden ist und hinsichtlich dessen das Unionsrecht im Übrigen nicht vorsieht, dass er an den Antragsteller zu übermitteln ist (Urteil vom 19. Dezember 2018, Berlusconi und Fininvest, C‑219/17, EU:C:2018:1023, Rn. 55).

122    In Anbetracht des besonderen Instruments der Zusammenarbeit, das der Unionsgesetzgeber zwischen der EZB und der zuständigen nationalen Behörde für die Prüfung von Anträgen auf vorherige Genehmigung jedes Erwerbs oder jeder Erhöhung von qualifizierten Beteiligungen an Kreditinstituten einrichten wollte, kann die EZB vor der Übermittlung des in Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1024/2013 vorgesehenen Beschlussvorschlags durch die letztere Behörde und sogar von Beginn des Verfahrens an in das Verfahren eingreifen (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Campos Sánchez-Bordona in der Rechtssache Berlusconi und Fininvest, C‑219/17, EU:C:2018:502, Nrn. 91, 95, 98 und 101).

123    Art. 85 Abs. 1 der Verordnung Nr. 468/2014 sieht im Übrigen vor, dass eine zuständige nationale Behörde, die eine Anzeige über den geplanten Erwerb einer qualifizierten Beteiligung an einem in diesem teilnehmenden Mitgliedstaat niedergelassenen Kreditinstitut erhält, die EZB „spätestens“ fünf Arbeitstage nach der Bestätigung ihres Eingangs gemäß Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie 2013/36 über die Anzeige unterrichtet.

124    Der zweite Klagegrund ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

3.      Zum sechsten Klagegrund: Verfälschung der maßgeblichen Tatsachen

125    Im vorliegenden Fall ist der sechste Klagegrund, mit dem eine Verfälschung der maßgeblichen Tatsachen geltend gemacht wird, unmittelbar nach dem ersten und dem zweiten Klagegrund betreffend die Verletzung von Verfahrensvorschriften und vor dem dritten Klagegrund betreffend einen Verstoß gegen Art. 23 der Richtlinie 2013/36 zu prüfen.

126    Im Rahmen des sechsten Klagegrundes macht die Klägerin geltend, der angefochtene Beschluss beruhe auf einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung. Im angefochtenen Beschluss werde nicht berücksichtigt, dass der beabsichtigte Erwerb zu einem erheblichen Beitrag von CR zum Kapital der Klägerin führe, obwohl es sich um einen wesentlichen Umstand handele.

127    Die EZB tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

128    Es ist davon auszugehen, dass die Klägerin mit ihrem sechsten Klagegrund geltend gemacht hat, die EZB haben einen Tatsachenfehler in Bezug auf den Beitrag zum Kapital der Klägerin infolge des beabsichtigten Erwerbs begangen.

129    Dieser Klagegrund geht in tatsächlicher Hinsicht fehl.

130    Entgegen dem Vorbringen der Klägerin hat die EZB durchaus berücksichtigt, dass der beabsichtigte Erwerb zu einer „Kapitalzufuhr“ zugunsten der Klägerin führte. Die EZB führte aus, dass diese „Kapitalzufuhr“ auf einer Vereinbarung über den Austausch von Aktien zwischen CR und bestimmten Aktionären der Zielbank beruhe. Sie war der Ansicht, dass diese „Kapitalzufuhr“ nicht den Schluss zulasse, dass CR künftig eine zusätzliche Unterstützung gewähren wolle, und dass dies vor allem die Notwendigkeit, die finanzielle Solidität aller interessierten Erwerber zu beurteilen, nicht in Frage stelle. Diese „Kapitalzufuhr“ habe eine positive Auswirkung auf die Eigenmittelquoten der Klägerin in ihrem gegenwärtigen Umfang. Gleichwohl könne die Klägerin trotz dieser Auswirkung wegen ihrer finanziellen Schwächen, nämlich ihrer negativen Rentabilität, des hohen Anteils an notleidenden Krediten und der Überschreitungen der Grenzen für Großkredite nicht als finanziell solide angesehen werden. Trotz dieser positiven Auswirkung sei die Fähigkeit der neuen Gruppe, den Aufsichtsanforderungen zu genügen, nicht nachgewiesen worden (Antwort auf die Stellungnahme, S. 5 bis 7).

131    Dass diese „Kapitalzufuhr“ in der Antwort auf die Stellungnahme angeführt wird, ist unerheblich, da diese dem angefochtenen Beschluss beigefügt ist und als Bestandteil dieses Beschlusses anzusehen ist.

132    Folglich hat die EZB entgegen dem Vorbringen der Klägerin berücksichtigt, dass der beabsichtigte Erwerb zu einer „Kapitalzufuhr“ zugunsten der Klägerin führte, und zwar aus Gründen, die im Übrigen mit keiner Ungenauigkeit behaftet sind.

133    Der sechste Klagegrund ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

4.      Zum dritten Klagegrund: Unrichtige Auslegung und Anwendung der Beurteilungskriterien nach Art. 23 der Richtlinie 2013/36

134    Erstens macht die Klägerin geltend, die EZB habe das Erfordernis berechtigter Gründe nach Art. 23 der Richtlinie 2013/36 nicht beachtet. Gegen einen Erwerb dürfe nur Einspruch erhoben werden, wenn er im Vergleich zu der Situation, in der der beabsichtigte Erwerb nicht vollzogen werde, eine erhebliche negative Auswirkung habe. In den Gemeinsamen Leitlinien werde darauf hingewiesen, dass „[d]er beabsichtigte Erwerb … sich nicht negativ auf die Einhaltung der Aufsichtsvorschriften durch das Zielunternehmen auswirken [sollte]“. Die EZB habe im vorliegenden Fall Einspruch gegen den beabsichtigten Erwerb mit der Begründung erhoben, dass die mit diesem Erwerb verbundenen Verbesserungen unzureichend gewesen seien. Der Standpunkt der EZB führe dazu, dass der beabsichtigte Erwerb nicht durchgeführt werden könne, selbst wenn seine Auswirkungen in regulatorischer Hinsicht positiv seien.

135    Zweitens macht die Klägerin zum Kriterium der finanziellen Solidität geltend, dass die EZB in Bezug auf die Fähigkeit des interessierten Erwerbers, in absehbarer Zukunft eine solide finanzielle Struktur aufrechtzuerhalten, nicht zu dem Ergebnis komme, dass der beabsichtigte Erwerb erhebliche negative Auswirkungen habe. Unter dem Gesichtspunkt der Eigenmittelanforderungen führe dieser Erwerb sogar im ungünstigsten Szenario zu einer Verbesserung. Die EZB vergleiche den beabsichtigten Erwerb nicht mit dem Szenario, in dem die beiden Banken keine neue Gruppe bilden dürften.

136    Zu den ernsthaften Zweifeln am wirklichen Willen der indirekten interessierten Erwerber, die Zielbank erforderlichenfalls zu unterstützen, macht die Klägerin geltend, die EZB werfe den indirekten interessierten Erwerbern zu Unrecht vor, sich im Krisenfall zur Unterstützung der neuen Gruppe verpflichtet zu haben. Die EZB habe in der Antwort auf die Stellungnahme ungerechtfertigt beanstandet, dass CR erwartet habe, dass jede willkürliche und diskriminierende Behandlung seitens der lettischen Behörden beendet werde. Sie habe nicht nachgewiesen, dass der von CR angezeigte Sachverhalt, nämlich dass A ihn aufgefordert habe, Bestechungsgelder zu zahlen, und Druck ausgeübt habe, um ihre Zahlung zu erreichen, um eine diskriminierende Behandlung zu vermeiden, unzutreffend gewesen sei. Sie habe zu Unrecht beanstandet, dass bestimmte Erklärungen über den Wunsch, die Bank zu unterstützen, mit dem Hinweis „wenn dies zweckmäßig erscheint“ versehen gewesen seien.

137    Die Klägerin macht geltend, es bestehe ein Widerspruch zwischen den behaupteten Zweifeln an der Bereitschaft von CR, die Zielbank zu unterstützen, und dem Umstand, dass der beabsichtigte Erwerb aus der Sicht der Klägerin eine Kapitalzuführung von mindestens 10 Mio. Euro darstelle. Rund 40 % dieses Erwerbs würden von CR finanziert.

138    Die Klägerin fügt hinzu, der angefochtene Beschluss beruhe auf einer unrichtigen Auslegung des Kriteriums der finanziellen Solidität. Die EZB habe sich zu Unrecht auf das Bestehen einer allgemeinen Finanzierungspflicht in dem Sinne gestützt, dass der Erwerber die Fähigkeit und den Willen haben solle, mit Eigenmittel jedem Finanzierungsbedarf zu entsprechen, dem das betreffende Kreditinstitut künftig begegnen könne. Eine sachgerechte Auslegung des Kriteriums der finanziellen Solidität sei enger, nämlich diejenige einer soliden Finanzlage, die kein problematisches Verhalten hervorrufen könne.

139    Drittens ist die Klägerin in Bezug auf das Kriterium der Einhaltung der Aufsichtsanforderungen der Ansicht, dass der angefochtene Beschluss auf einer unrichtigen Auslegung und Anwendung dieses zweiten Kriteriums beruhe. Die EZB sei weder für die Zielbank noch für die Klägerin zu dem Ergebnis gelangt, dass sich der beabsichtigte Erwerb negativ auswirke. Sie erhebe Einspruch gegen eine Maßnahme mit positiven Auswirkungen.

140    Viertens beruhe schließlich der angefochtene Beschluss auf einer fehlerhaften Auslegung von Art. 23 der Richtlinie 2013/36, da die Beurteilungskriterien als materielle Anforderungen angesehen würden, deren Voraussetzungen kumulativ erfüllt werden müssten. Die EZB hätte im Rahmen einer Gesamtbeurteilung unter Berücksichtigung aller Beurteilungskriterien in ihrer Gesamtheit prüfen müssen, ob ein erhebliches Risiko bestehe, dass die solide und umsichtige Führung des Kreditinstituts nicht gewährleistet sei.

141    Die EZB, unterstützt durch die Kommission, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

142    Art. 23 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2013/36 lautet:

„(1)      Bei der Beurteilung der Anzeige nach Artikel 22 Absatz 1 und der Informationen nach Artikel 22 Absatz 3 [dieser Richtlinie] haben die zuständigen Behörden im Interesse einer soliden und umsichtigen Führung des Kreditinstituts, an dem der Erwerb beabsichtigt wird, und unter Berücksichtigung des voraussichtlichen Einflusses des interessierten Erwerbers auf jenes Kreditinstitut die Eignung des interessierten Erwerbers und die finanzielle Solidität des beabsichtigten Erwerbs anhand folgender Kriterien zu prüfen:

a)      Leumund des interessierten Erwerbers,

b)      Leumund, Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrung gemäß Artikel 91 Absatz 1 [dieser Richtlinie] aller Mitglieder des Leitungsorgans, die die Geschäfte des Kreditinstituts infolge des beabsichtigten Erwerbs führen werden,

c)      finanzielle Solidität des interessierten Erwerbers, insbesondere in Bezug auf die Art der tatsächlichen und geplanten Geschäfte des Kreditinstituts, an dem der Erwerb beabsichtigt wird,

d)      die Frage, ob das Kreditinstitut in der Lage sein und bleiben wird, den Aufsichtsanforderungen dieser Richtlinie und der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. 2013, L 176, S. 1),] und gegebenenfalls denen anderer Rechtsvorschriften, einschließlich der Richtlinien 2002/87/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2002 über die zusätzliche Beaufsichtigung der Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen eines Finanzkonglomerats und zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG, 79/267/EWG, 92/49/EWG, 92/96/EWG, 93/6/EWG und 93/22/EWG des Rates und der Richtlinien 98/78/EG und 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2003, L 35, S. 1),] und 2009/110/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über die Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung der Tätigkeit von E‑Geld‑Instituten, zur Änderung der Richtlinien 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2000/46/EG (ABl. 2009, L 267, S. 7)], zu genügen, und insbesondere die Frage, ob die Gruppe, zu der es gehören wird, über eine Struktur verfügt, die es ermöglicht, eine wirksame Beaufsichtigung auszuüben, einen wirksamen Informationsaustausch zwischen den zuständigen Behörden durchzuführen und die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen den zuständigen Behörden zu bestimmen,

e)      die Frage, ob ein hinreichender Verdacht besteht, dass im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Erwerb Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung im Sinne des Artikels 1 der Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung [(ABl. 2005, L 309, S. 15),] stattfinden, stattgefunden haben oder ob diese Straftaten versucht wurden bzw. ob der beabsichtigte Erwerb das Risiko eines solchen Verhaltens erhöhen könnte.

(2)      Die zuständigen Behörden können gegen den beabsichtigten Erwerb nur dann Einspruch erheben, wenn es dafür berechtigte Gründe auf der Grundlage der in Absatz 1 genannten Kriterien gibt oder die vom interessierten Erwerber vorgelegten Informationen unvollständig sind.“

143    Art. 23 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2013/36 wurde durch Art. 29 des lettischen Gesetzes über Kreditinstitute und durch die Verordnung 192 in lettisches Recht umgesetzt.

144    Die Parteien stimmen darin überein, dass die EZB über ein weites Ermessen verfügt, wenn sie, wie im vorliegenden Fall, einen Rechtsakt bezüglich der Aufsicht über ein Kreditinstitut erlässt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Mai 2019, Landeskreditbank Baden-Württemberg/EZB, C‑450/17 P, EU:C:2019:372, Rn. 86).

145    Der Unionsrichter prüft daher insoweit, ob ein offensichtlicher Beurteilungsfehler vorliegt (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 11. Dezember 2018, Weiss u. a., C‑493/17, EU:C:2018:1000, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

a)      Zum Kriterium der finanziellen Solidität des interessierten Erwerbers

146    Die Klägerin macht als Erstes geltend, die EZB hätte, um gegen den beabsichtigten Erwerb auf der Grundlage des Kriteriums der finanziellen Solidität Einspruch zu erheben, auf das Vorliegen einer erheblichen negativen Auswirkung des beabsichtigten Erwerbs im Vergleich zu der Situation abstellen müssen, in der dieser Erwerb nicht vollzogen werde.

147    Jedoch ergibt sich weder aus Art. 23 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2013/36, wie sie in lettisches Recht umgesetzt worden ist, noch aus den Gemeinsamen Leitlinien, dass die EZB eine solche Auswirkung nachweisen muss, um einem beabsichtigten Erwerb auf der Grundlage des Kriteriums der finanziellen Solidität entgegenzutreten. Erst recht ergibt sich aus diesen Bestimmungen nicht, dass die EZB verpflichtet wäre, eine kontrafaktische Analyse der Situation vorzunehmen, in der dieser Erwerb nicht stattfinden würde.

148    Art. 51 der Verordnung 192 definiert im Gegenteil die finanzielle Solidität des interessierten Erwerbers als dessen Fähigkeit, den beabsichtigten Erwerb zu finanzieren und in absehbarer Zukunft eine solide finanzielle Struktur für sich selbst und das Zielunternehmen aufrechtzuerhalten, ohne auf einen Einspruchsgrund der erheblichen negativen Auswirkung des beabsichtigten Erwerbs Bezug zu nehmen oder eine Analyse der Situation zu verlangen, in der dieser Erwerb nicht stattfinden würde.

149    Soweit sich die Klägerin auf Nr. 13.1 der Gemeinsamen Leitlinien beruft, ist festzustellen, dass diese das Kriterium der Einhaltung der Aufsichtsanforderungen der Zielbank und nicht das der finanziellen Solidität des interessierten Erwerbers betrifft.

150    Folglich kann die Klägerin nicht mit Erfolg geltend machen, die EZB habe dadurch gegen Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2013/36 verstoßen, dass sie gegen den beabsichtigten Erwerb auf der Grundlage des Kriteriums der finanziellen Solidität des interessierten Erwerbers Einspruch erhoben habe, ohne das Vorliegen einer erheblichen negativen Auswirkung dieses Erwerbs nachzuweisen.

151    Als Zweites macht die Klägerin geltend, die EZB habe sich zu Unrecht auf das Bestehen einer allgemeinen Finanzierungspflicht gestützt, indem sie davon ausgegangen sei, dass der interessierte Erwerber für die Genehmigung des beabsichtigten Erwerbs im Hinblick auf das Kriterium der finanziellen Solidität die Fähigkeit und den Willen haben müsse, mit Eigenmitteln unbegrenzt jedem Finanzierungsbedarf zu entsprechen, dem das betreffende Kreditinstitut künftig begegnen könne.

152    Dieses Argument beruht auf einem falschen Verständnis des angefochtenen Beschlusses.

153    Die EZB hat nämlich in den Rn. 2.2.1 und 2.2.2 dieses Beschlusses ausgeführt, dass die interessierten Erwerber angesichts ihrer finanziellen Situation in einem Kontext, in dem angesichts des der EZB vorgelegten Geschäftsplans eine solche Unterstützung wahrscheinlich erforderlich sei, nicht in der Lage gewesen seien, der Zielbank eine finanzielle Unterstützung zu gewähren.

154    Damit hat die EZB den interessierten Erwerbern keine unbegrenzte Finanzierungspflicht auferlegt, sondern sich auf die Prüfung beschränkt, ob die interessierten Erwerber eine ausreichende finanzielle Solidität aufwiesen, um den Kapitalbedarf der neuen Gruppe zu decken, wie er im Licht der von ihnen selbst übermittelten Informationen beurteilt werden konnte.

155    Folglich ist das Vorbringen der Klägerin, die EZB habe sich zu Unrecht auf das Bestehen einer allgemeinen Finanzierungspflicht für die interessierten Erwerber gestützt, zurückzuweisen.

156    Als Drittes ist festzustellen, dass die Klägerin die finanziellen Schwierigkeiten, mit denen sie konfrontiert war, wie sie von der EZB in Rn. 2.2.1 des angefochtenen Beschlusses beurteilt wurden, nicht bestreitet. Insbesondere bestreitet sie nicht, dass sie erstens in den beiden vorangegangenen Jahren erhebliche Nettoverluste erlitten hatte, zweitens einem hohen Kreditrisiko ausgesetzt war, insbesondere in Anbetracht eines Anteils an notleidenden Krediten von 47 % Mitte 2018, drittens, dass ihre Eigenmittelquote 2018 einen Verstoß gegen die OCR darstellte, viertens dass sie die Grenzen für Großkredite in Bezug auf mehrere Geschäftspartner auf Konzernebene missachtet und fünftens die Grenzen für Transaktionen mit den verbundenen Parteien in Bezug auf CR verkannt habe.

157    Im Übrigen bestreitet die Klägerin auch nicht die finanzielle Situation der indirekten interessierten Erwerber, wie sie von der EZB in Rn. 2.2.2 des angefochtenen Beschlusses beurteilt wird. Insbesondere bestreitet sie nicht, dass die indirekten interessierten Erwerber, insbesondere CR, einen niedrigen Betrag an finanziellen Mitteln, wie er von der EZB beurteilt worden war, angegeben hatten. Die Klägerin weist zwar darauf hin, dass der beabsichtigte Erwerb zu einer Verbesserung ihrer Eigenmittelsituation führen würde, bestreitet aber nicht, dass die Eigenmittel der neuen Gruppe angesichts des erwarteten Risikoprofils dieser Gruppe nicht angemessen seien und dass zukünftige Kapitalzufuhren wahrscheinlich erforderlich seien.

158    Folglich hat die EZB, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen, unter Berücksichtigung der finanziellen Schwierigkeiten, mit denen die Klägerin konfrontiert war, der geringen Mittel der indirekten interessierten Erwerber und des wahrscheinlichen Bedarfs an Kapitalzufuhren der neuen Gruppe festgestellt, dass weder die Klägerin noch die indirekten interessierten Erwerber in der Lage wären, der Zielbank und der neuen Gruppe die erforderliche finanzielle Unterstützung zu gewähren.

159    Als Viertes schließlich wendet sich die Klägerin gegen die Beurteilung der EZB in Rn. 2.2.3 des angefochtenen Beschlusses, wonach ernsthafte Zweifel am Willen der indirekten interessierten Erwerber bestanden hätten, die Zielbank erforderlichenfalls zu unterstützen.

160    Insoweit ist mit der Kommission festzustellen, dass die in den Rn. 2.2.1 und 2.2.2 des angefochtenen Beschlusses angeführten Gründe, die sich auf die finanzielle Solidität der Klägerin und der indirekten interessierten Erwerber beziehen, für sich genommen die in Rn. 2.2.4 dieses Beschlusses angeführte Schlussfolgerung der EZB rechtfertigen können, dass die interessierten Erwerber nicht in der Lage gewesen seien, eine hinreichend solide finanzielle Struktur in Bezug auf die Zielbank und die neue Gruppe aufrechtzuerhalten.

161    Folglich ist das gegen die Hilfserwägung in Rn. 2.2.3 des angefochtenen Beschlusses gerichtete Vorbringen der Klägerin als ins Leere gehend zurückzuweisen.

162    Darüber hinaus ist festzustellen, dass sich die EZB für ihre Feststellung, dass ernsthafte Zweifel am Willen der indirekt interessierten Erwerber bestünden, die Zielbank erforderlichenfalls zu unterstützen, auf das Fehlen einer endgültigen und unwiderruflichen Verpflichtung, eine solche Unterstützung zu leisten, stützte. Insoweit geht aus der Antwort auf die Stellungnahme hervor, dass sich die EZB auf eine Erklärung von CR vom 17. Oktober 2018 und auf ein Schreiben des Letzteren vom 12. Februar 2019 stützte. Sie berücksichtigte auch, dass es in der jüngeren Vergangenheit an einer finanziellen Unterstützung für die Klägerin gemangelt habe.

163    Erstens geht aus dem angefochtenen Beschluss jedoch nicht hervor, dass die EZB den interessierten Erwerbern vorgeworfen hätte, sich nur im Krisenfall zur Unterstützung der neuen Gruppe verpflichtet zu haben.

164    Zweitens wies CR in der Erklärung vom 17. Oktober 2018 darauf hin, dass sein Wille und der Wille seiner Familie, die Klägerin und ihre Gruppe künftig weiterhin zu unterstützen, „vollständig [vom Willen der Republik Lettland] abhängt“, eine gütliche Einigung mit ihm zu erzielen, um allen Problemen der Willkür und der Diskriminierung abzuhelfen, die ihn und seine Familie betroffen hätten, und die er der FKMK und anderen Organen zurechnete.

165    Entgegen dem Vorbringen der Klägerin warf die EZB CR nicht unter Berufung auf die oben in Rn. 164 angeführte Erklärung vor, verlangt zu haben, dass die behauptete willkürliche und diskriminierende regulatorische Behandlung beendet werde. Sie stellte lediglich fest, dass dieser Erklärung zufolge die Unterstützung von CR und seiner Familie für die Klägerin und die Gruppe, zu der sie gehörte, von einer Bedingung abhängig war. Insoweit macht die EZB zu Recht geltend, dass das Erzielen einer von CR gewünschten gütlichen Einigung einen hohen Grad an Unsicherheit aufwies.

166    Darüber hinaus stellte die EZB fest, dass CR und seine Familie nach einem Schreiben von CR vom 12. Februar 2019 bereit waren, die Zielbank finanziell zu unterstützen, „wenn dies angemessen [war]“. Die Verwendung dieses Ausdrucks konnte von der EZB im Licht der oben in Rn. 164 angeführten Erklärung als Vorbehalt angesehen werden, den CR und seine Familie in Bezug auf ihren Willen geäußert hatten, die Zielbank im Krisenfall zu unterstützen.

167    Drittens bringt die Klägerin vor, CR habe beabsichtigt, einen erheblichen Teil des beabsichtigten Erwerbs durch eine zwischen ihm und bestimmten Aktionären der Zielbank geschlossene Vereinbarung über den Austausch von Aktien zu finanzieren, was einer Kapitalzufuhr gleichkomme.

168    Dieser Umstand genügt jedoch nicht für die Annahme, dass CR zwangsläufig bereit war, die Zielbank und die neue Gruppe künftig zu unterstützen.

169    Es ist nämlich festzustellen, dass die Klägerin die Erwägung in Rn. 2.2.3 des angefochtenen Beschlusses nicht bestreitet, der jedoch eine besondere Bedeutung in der Argumentation der EZB zukommt, wonach die indirekten interessierten Erwerber in der jüngeren Vergangenheit einen erheblichen Mangel an finanzieller Unterstützung der Klägerin gezeigt hätten. Insoweit geht aus der Antwort auf die Stellungnahme hervor, dass die Aktionäre der Klägerin, insbesondere CR, kein Kapital zuführten, um der Überschreitung der Grenzen für Großkredite, die seit März 2016 bestand, abzuhelfen. Außerdem hing, wie die EZB in der Klagebeantwortung ausführt, die Entscheidung über die Überschreitung der Grenzen für Transaktionen mit verbundenen Parteien, die durch die Gewährung eines Zahlungsaufschubs zugunsten von CR für den Erwerb einer früheren russischen Tochtergesellschaft der Klägerin verursacht wurde, in erster Linie davon ab, dass CR den Zeitpunkt dieser aufgeschobenen Zahlung vorverlegen wollte.

170    Folglich hat die EZB keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als sie davon ausging, dass ernsthafte Zweifel am Willen der indirekten interessierten Erwerber bestünden, die Zielbank erforderlichenfalls zu unterstützen.

171    Nach alledem kann die Klägerin nicht mit Erfolg geltend machen, die EZB habe mit der Feststellung, dass das Kriterium der Finanzstabilität der interessierten Erwerber nicht erfüllt sei, gegen Art. 23 der Richtlinie 2013/36 verstoßen.

b)      Zum Kriterium der Einhaltung der Aufsichtsanforderungen

172    Aus Art. 56 der Verordnung 192 geht hervor, dass die FKMK prüft, ob die betreffende Bank das Kriterium der Einhaltung der Aufsichtsanforderungen erfüllt, wobei sie u. a. ihre Fähigkeit berücksichtigt, diese Anforderungen in Bezug auf Eigenmittel, Liquidität, Grenzen für Großkredite, interne Kontrolle, Risikomanagement und Konformität zum Zeitpunkt der Prüfung der Anzeige und nach dem Erwerb einer qualifizierten Beteiligung einzuhalten.

173    Die Klägerin macht geltend, die EZB sei weder für sie selbst noch für die Zielbank zu dem Ergebnis gelangt, dass sich der beabsichtigte Erwerb negativ auswirke. Sie beruft sich auf Nr. 13.1 der Gemeinsamen Leitlinien, wonach der beabsichtigte Erwerb sich nicht negativ auf die Einhaltung der Aufsichtsvorschriften durch das Zielunternehmen auswirken sollte. Der geplante Erwerb habe positive Auswirkungen.

174    Die Vereinbarkeit mit dem Kriterium der Einhaltung der Aufsichtsanforderungen ist jedoch nicht aus der Sicht des interessierten Erwerbers zu beurteilen, sondern aus der Sicht des Kreditinstituts, auf das sich der beabsichtigte Erwerb bezieht, wie sich aus dem Wortlaut von Art. 23 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2013/36, wie sie durch Art. 29 Abs. 5 Nr. 4 des lettischen Gesetzes über Kreditinstitute in lettisches Recht umgesetzt worden ist, ergibt. Dies wird von der Klägerin auch nicht bestritten.

175    Selbst wenn sich aus dem angefochtenen Beschluss ergibt, dass sich der beabsichtigte Erwerb positiv auf die Eigenmittel der Klägerin auswirkt, lässt dies folglich nicht den Schluss zu, dass die Zielbank die Aufsichtsanforderungen erfüllt.

176    Im Übrigen geht aus dem angefochtenen Beschluss hervor, dass die Vereinbarkeit mit dem Kriterium der Einhaltung der Aufsichtsanforderungen nicht nur aus der Sicht der Zielbank, sondern auch aus der Sicht der neuen Gruppe zu beurteilen ist. Die Klägerin bestreitet auch dies nicht.

177    Nr. 13.7 der Gemeinsamen Leitlinien sieht im Übrigen vor, dass die Gruppe, zu der das Zielunternehmen gehören wird, über eine angemessene Kapitalausstattung verfügen muss.

178    Entgegen dem Vorbringen der Klägerin geht aus dem angefochtenen Beschluss jedoch hervor, dass sich der beabsichtigte Erwerb, selbst wenn er sich nicht unmittelbar negativ auf die Einhaltung der Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen der Zielbank allein auswirken würde, negativ auf die Fähigkeit der Zielbank auswirken würde, ihre Schwächen in Bezug auf die Einhaltung der Aufsichtsanforderungen zu beheben.

179    Insoweit bestreitet die Klägerin nicht, dass in Anbetracht der Tatsache, dass der Geschäftsplan die Schwächen der Klägerin im Bereich der Unternehmensführung und der internen Kontrolle nicht korrigierte, ernsthafte Zweifel an ihrer Fähigkeit bestanden, ein gesundes System der Unternehmensführung und internen Kontrolle auf der Ebene der Zielbank einzurichten.

180    Vor allem wendet sich die Klägerin nicht gegen bestimmte Gründe des angefochtenen Beschlusses. Nach diesen Gründen würde erstens die neue Gruppe unabhängig von dem im Geschäftsplan dargestellten Szenario wahrscheinlich die Eigenmittelanforderungen missachten, wobei, was nicht bestritten wird, die ungünstigen Szenarien realistischer waren als das Basisszenario. Zweitens hätte die neue Gruppe in Anbetracht der erheblichen Nettoverluste der Zielbank in den Jahren 2017 und 2018 und der im System der internen Kontrolle und Verhinderung von Geldwäsche dieser Bank festgestellten Mängel ein hohes Risikoprofil. Drittens wäre die neue Gruppe einem hohen Kreditrisiko ausgesetzt und würde die Grenzen für Großkredite missachten. Viertens bestanden angesichts der Tatsache, dass der Geschäftsplan die Schwächen in der Unternehmensführung der Klägerin und der Zielbank nicht korrigierte, ernsthafte Zweifel an der Fähigkeit der neuen Gruppe, ein gesundes System der Unternehmensführung und internen Kontrolle einzurichten. Fünftens schließlich war die Strategie der interessierten Erwerber nicht klar, insbesondere was die Organisation der neuen Gruppe während des Zeitraums von bis zu 18 Monaten zwischen dem Abschluss des Erwerbs und dem des Zusammenschlusses betrifft, da der Geschäftsplan erhebliche Mängel hinsichtlich der inneren Kohärenz, der Lesbarkeit und der Beschreibung der geplanten Handlungen aufwies, die die Zweifel an der Gesamtglaubwürdigkeit des Erwerbs vergrößern konnten.

181    Folglich weist die Klägerin nicht nach, dass sich der beabsichtigte Erwerb in Bezug auf die Zielbank, und jedenfalls in Bezug auf die neue Gruppe, positiv auswirken würde. Die Klägerin behauptet nicht einmal, dass die neue Gruppe über eine angemessene Kapitalausstattung, wie in Nr. 13.7 der Gemeinsamen Leitlinien angeführt, verfüge.

182    Unter Berücksichtigung insbesondere der ernsthaften Zweifel an der Fähigkeit der neuen Gruppe, die geltenden Aufsichtsanforderungen zu beachten, hat die EZB daher keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als sie zu dem Ergebnis kam, dass das Kriterium der Einhaltung der Aufsichtsanforderungen nicht erfüllt sei, und hat daher nicht gegen Art. 23 der Richtlinie 2013/36, wie er in lettisches Recht umgesetzt wurde, verstoßen.

c)      Zur fehlenden Berücksichtigung der übrigen Beurteilungskriterien und zum Vorliegen berechtigter Gründe für den Einspruch gegen den beabsichtigten Erwerb

183    Erstens ergibt sich aus Art. 23 Abs. 2 der Richtlinie 2013/36, dass die zuständigen Behörden gegen den beabsichtigten Erwerb nur dann Einspruch erheben können, wenn es dafür berechtigte Gründe auf der Grundlage der in Abs. 1 genannten Kriterien gibt.

184    Diese Bestimmung verlangt von der zuständigen Behörde, wenn sie gegen den Erwerb eines Kreditinstituts Einspruch erhebt, nicht, dass sie in ihrer Entscheidung alle in Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2013/36 genannten Kriterien prüft.

185    Vielmehr kann die zuständige Behörde gegen den beabsichtigten Erwerb dann Einspruch erheben, wenn es dafür berechtigte Gründe auf der Grundlage eines oder mehrerer der in Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2013/36 genannten Kriterien gibt.

186    Diese Auslegung steht im Einklang mit dem Ziel von Art. 23 der Richtlinie 2013/36, eine solide und umsichtige Führung des Kreditinstituts, an dem der Erwerb beabsichtigt wird, sicherzustellen.

187    Wie die EZB hervorhebt, kann nämlich im Hinblick auf den Inhalt der in Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2013/36 genannten Kriterien die Beurteilung, dass das Ziel einer soliden und umsichtigen Führung des Kreditinstituts, an dem der Erwerb beabsichtigt wird, beeinträchtigt wird, anhand eines einzigen dieser Kriterien vorgenommen werden.

188    Diese Auslegung wird im Übrigen durch die Nrn. 11.3, 12.3, 14.2, 14.4 und 14.7 der Gemeinsamen Leitlinien bestätigt, wonach die zuständige Behörde auf der Grundlage bestimmter Gesichtspunkte, die sich auf eines der in Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2013/36 genannten Kriterien allein beziehen, Einwände gegen den beabsichtigten Erwerb erheben sollte.

189    Im vorliegenden Fall hat die EZB somit dadurch, dass sie Einspruch gegen den beabsichtigten Erwerb im Hinblick auf die Kriterien der Finanzstabilität und der Einhaltung der Aufsichtsanforderungen erhob, ohne die anderen in Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2013/36 genannten Kriterien zu prüfen, nicht gegen Art. 23 Abs. 1 und 2 verstoßen.

190    Zweitens, selbst wenn der beabsichtigte Erwerb zu einer Verbesserung der Situation der Klägerin im Bereich der Eigenmittel geführt hätte und sich nicht unmittelbar negativ auf die Einhaltung der Aufsichtsanforderungen, die allein für die Zielbank in Bezug auf Solvenz und Liquidität galten, ausgewirkt hätte, waren jedoch zum einen die interessierten Erwerber nicht in der Lage, in absehbarer Zukunft eine solide finanzielle Struktur in Bezug auf die Zielbank und die neue Gruppe aufrechtzuerhalten, und bestanden zum anderen ernsthafte Zweifel an der Fähigkeit der neuen Gruppe, die geltenden Aufsichtsanforderungen zu beachten.

191    Folglich stellten die Gesichtspunkte, auf die der angefochtene Beschluss in Bezug auf das Kriterium der Finanzstabilität und das Kriterium der Einhaltung der Aufsichtsanforderungen gestützt wird, berechtigte Gründe dar, gegen den beabsichtigten Erwerb Einspruch zu erheben.

192    Der dritte Klagegrund ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

5.      Zum vierten Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

193    Die Klägerin macht geltend, der angefochtene Beschluss verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dieser Beschluss enthalte keine Prüfung der Verhältnismäßigkeit. Ein weniger einschneidendes Vorgehen, mit dem das Ziel, die vollständige Einhaltung der Aufsichtsanforderungen zu gewährleisten, erreicht werden könne, bestehe darin, den beabsichtigten Erwerb zu genehmigen und anschließend geeignete Aufsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Ein solcher Ansatz würde die behauptete Nichteinhaltung der Aufsichtsanforderungen verringern.

194    Die EZB tritt diesem Vorbringen entgegen.

195    Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass die Handlungen der Unionsorgane zur Erreichung der mit der betreffenden Regelung verfolgten legitimen Ziele geeignet sind und nicht über die Grenzen dessen hinausgehen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist, wobei, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen ist und die dadurch bedingten Nachteile nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen dürfen (Urteile vom 22. Januar 2013, Sky Österreich, C‑283/11, EU:C:2013:28, Rn. 50, und vom 6. September 2017, Slowakei und Ungarn/Rat, C‑643/15 und C‑647/15, EU:C:2017:631, Rn. 206).

196    Die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme ist mit der Beachtung des Ermessensspielraums, der den Unionsorganen bei ihrem Erlass eventuell eingeräumt wird, in Einklang zu bringen (vgl. Urteil vom 8. Mai 2019, Landeskreditbank Baden-Württemberg/EZB, C‑450/17 P, EU:C:2019:372, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

197    Die Klägerin vertritt die Meinung, es wäre vorzuziehen gewesen, dass die EZB nicht gegen den beabsichtigten Erwerb Einspruch erhebe und nach diesem Erwerb geeignete Aufsichtsmaßnahmen ergreife.

198    Die Klägerin macht jedoch keine näheren Angaben zur Art der Aufsichtsmaßnahmen, die geeignet gewesen wären, die von der EZB hervorgehobenen Mängel in Bezug auf die finanzielle Solidität der interessierten Erwerber und die Fähigkeit der Zielbank, den Aufsichtsanforderungen zu genügen und weiterhin zu genügen, zu beheben, um eine solide und umsichtige Führung der Zielbank sicherzustellen. Außerdem ergibt sich aus den Akten gerade, dass die Klägerin die geltenden Aufsichtsanforderungen bereits damals nicht erfüllte.

199    Folglich geht aus den Akten nicht hervor, dass es geeignete Maßnahmen gab, die weniger belastend sind als der angefochtene Beschluss, um das in Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2013/36 vorgesehene Ziel, die solide und umsichtige Führung der Zielbank sicherzustellen, zu gewährleisten.

200    Unter diesen Umständen kann die Klägerin, da, wie oben in Rn. 191 ausgeführt, berechtigte Gründe dafür vorlagen, gegen den beabsichtigten Erwerb Einspruch zu erheben, und auch unter Berücksichtigung des weiten Ermessens, über das die EZB verfügte, nicht mit Erfolg geltend machen, dass der angefochtene Beschluss gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße.

201    Der vierte Klagegrund ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

6.      Zum fünften Klagegrund: Nichtberücksichtigung des Ermessenscharakters eines Beschlusses nach Art. 15 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1024/2013

202    Die Klägerin macht geltend, der angefochtene Beschluss berücksichtige nicht den Ermessenscharakter eines Beschlusses über den Einspruch gegen einen Erwerb. Die EZB habe vermutet, dass sie verpflichtet sei, gegen den beabsichtigten Erwerb Einspruch zu erheben, da „bestimmte“ in Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2013/36 genannte Kriterien nicht erfüllt seien, indem sie diese Kriterien als Anforderungen und nicht im Rahmen einer Gesamtbeurteilung ausgelegt habe. Der Klägerin sei die unparteiische Ausübung des Ermessens der zuständigen Behörde, auf die sie nach Art. 41 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) Anspruch habe, vorenthalten worden.

203    Die EZB, unterstützt durch die Kommission, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

204    Wie oben in Rn. 185 ausgeführt, kann die zuständige Behörde gegen den beabsichtigten Erwerb dann Einspruch erheben, wenn es dafür berechtigte Gründe auf der Grundlage eines oder mehrerer der in Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2013/36 genannten Kriterien gibt.

205    Wie oben in Rn. 144 dargelegt, verfügt die EZB über ein weites Ermessen, wenn sie, wie im vorliegenden Fall, einen Rechtsakt bezüglich der Aufsicht über ein Kreditinstitut erlässt.

206    Aus dem angefochtenen Beschluss geht jedoch nicht hervor, dass die EZB der Ansicht gewesen wäre, dass sie über kein weites Ermessen verfüge.

207    Insbesondere hat die EZB zwar in den Rn. 2.4 und 2.5 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass weder das Kriterium der Finanzstabilität noch das der Einhaltung der Aufsichtsanforderungen erfüllt sei, doch bedeutet dies nicht, dass sie davon ausgegangen wäre, dass sie bei der Beurteilung der Frage, ob jedes dieser Kriterien eingehalten wurde, kein weites Ermessen hätte.

208    Was das Vorbringen betrifft, der Klägerin sei die unparteiische Ausübung des Ermessens der zuständigen Behörde nach Art. 41 der Charta vorenthalten worden, hat jede Person ein Recht darauf, dass ihre Angelegenheiten von den Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unparteiisch, gerecht und innerhalb einer angemessenen Frist behandelt werden.

209    Insoweit trägt die Klägerin im Rahmen des fünften Klagegrundes nichts vor, was belegen könnte, dass der angefochtene Beschluss mit fehlender Unparteilichkeit behaftet ist.

210    Folglich kann die Klägerin nicht mit Erfolg geltend machen, dass die EZB das weite Ermessen, über das sie beim Erlass des angefochtenen Beschlusses verfügt habe, missachtet habe und damit das durch Art. 41 der Charta garantierte Recht auf eine gute Verwaltung verletzt habe.

211    Der fünfte Klagegrund ist als unbegründet zurückzuweisen.

7.      Zum siebten Klagegrund: Verstoß gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit

212    Die Klägerin macht geltend, die EZB lege kein klares Kriterium für die Art der Konsolidierung dar, die sie im Bankensektor zulasse. Sie bestimme die genauen Voraussetzungen nicht, die unter Berücksichtigung ihrer Auslegung der Kriterien der finanziellen Solidität und der Einhaltung der Aufsichtsanforderungen zu erfüllen seien. Diese Bedingungen dürften nicht dazu führen, dass den Mitteln des interessierten Erwerbers unbegrenzte Beträge zur Deckung des potenziellen Finanzierungsbedarfs der Zielbank entnommen werden könnten oder dass andauernde Regulierungslücken einem Erwerb selbst dann entgegenstünden, wenn dieser Erwerb erhebliche positive Auswirkungen habe. Nach Auffassung der Klägerin hätte sie die EZB über ihre Erwartungen unterrichten müssen, z. B. in Bezug auf die Höhe der zur Erfüllung der Voraussetzung der finanziellen Solidität erforderlichen Mittel.

213    Die EZB tritt diesem Vorbringen entgegen.

214    Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet u. a., dass Rechtsvorschriften – vor allem dann, wenn sie nachteilige Folgen für Einzelne und Unternehmen haben können – klar, bestimmt und in ihren Auswirkungen vorhersehbar sein müssen (vgl. Urteil vom 30. April 2019, Italien/Rat [Fangquoten für Schwertfisch im Mittelmeer], C‑611/17, EU:C:2019:332, Rn. 111 und die dort angeführte Rechtsprechung).

215    Als Ausfluss des Grundsatzes der Rechtssicherheit steht das Recht auf Vertrauensschutz jedem Einzelnen zu, wenn sich herausstellt, dass die Unionsverwaltung bei ihm begründete Erwartungen geweckt hat. Präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Auskünfte von zuständiger und zuverlässiger Seite stellen unabhängig von der Form ihrer Mitteilung Zusicherungen dar, die solche Erwartungen wecken können. Dagegen kann niemand eine Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes geltend machen, dem die Verwaltung keine bestimmten Zusicherungen gegeben hat (Urteil vom 30. April 2019, Italien/Rat [Fangquoten für Schwertfisch im Mittelmeer], C‑611/17, EU:C:2019:332, Rn. 112).

216    Im vorliegenden Fall stützt sich der angefochtene Beschluss auf die Kriterien der finanziellen Solidität und der Einhaltung der Aufsichtsanforderungen, die von der Richtlinie 2013/36, wie sie in lettisches Recht umgesetzt worden ist, vorgesehen und durch die Gemeinsamen Leitlinien erläutert werden.

217    Diese Kriterien sind als klar, bestimmt und vorhersehbar im Sinne der oben in Rn. 214 angeführten Rechtsprechung anzusehen.

218    Entgegen dem Vorbringen der Klägerin hat die EZB, wie bereits oben in Rn. 154 ausgeführt, im Rahmen ihrer Analyse des Kriteriums der finanziellen Solidität nicht verlangt, dass den Mitteln der interessierten Erwerber zur Deckung des potenziellen Finanzierungsbedarfs der Zielbank „unbegrenzte“ Beträge entnommen werden könnten. Im Übrigen hat die EZB, wie oben in Rn. 130 ausgeführt, die Gründe dargelegt, aus denen das Kriterium der Einhaltung der Aufsichtsanforderungen trotz der positiven Auswirkungen des beabsichtigten Erwerbs auf die Eigenmittelquoten der Klägerin nicht erfüllt war. Außerdem ist die EZB nicht verpflichtet, dem interessierten Erwerber vor dem Erlass eines Beschlusses über den Erwerb einer qualifizierten Beteiligung die Höhe der Mittel anzugeben, die für die Genehmigung dieses Erwerbs im Hinblick auf das Kriterium der finanziellen Solidität erforderlich sind.

219    Zum Grundsatz des Vertrauensschutzes genügt die Feststellung, dass die Klägerin, wie die EZB geltend macht, nicht behauptet, dass die EZB ihr Zusicherungen gegeben habe, die bei ihr begründete Erwartungen wecken konnten.

220    Folglich kann die Klägerin gemäß der oben in Rn. 215 angeführten Rechtsprechung nicht mit Erfolg geltend machen, dass die EZB gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoßen habe.

221    Der siebte Klagegrund ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

8.      Zum achten Klagegrund: Fehlende Anerkennung der Verantwortlichkeit der EZB und der FKMK

222    Die Klägerin macht geltend, der angefochtene Beschluss sei fehlerhaft, weil die EZB ihre eigene Verantwortlichkeit und die der FKMK für den Verlust des Vertrauens in das Regulierungsverfahren und die Folgen, die dies für die Finanzierung der Klägerin und die der neuen Gruppe mit sich bringe, nicht berücksichtigt habe.

223    Ernsthafte Befürchtungen in Bezug auf Korruption hätten zu einem Verlust des Vertrauens in den Aufsichtsprozess in Lettland und im Rahmen des einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM) geführt. Diese Befürchtungen hingen mit den Versuchen von A zusammen, Bestechungsgelder von der Klägerin und den indirekten interessierten Erwerbern zu erhalten, sowie mit der ungerechten regulatorischen Behandlung im Zusammenhang mit diesen Versuchen. CR habe diese Bestechungshandlungen seit 2017 sowohl den Behörden des Vereinigten Königreichs als auch den lettischen Behörden mitgeteilt. Die Klägerin verweist auch auf das oben in Rn. 5 genannte Schiedsverfahren. Die externen Beobachter (darunter die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung [OECD] und die Kommission) seien sich darin einig, anzuerkennen, dass die Bankenaufsicht in Lettland wegen der allgemeinen Bestechungspraktiken verfälscht werde. Die Behauptungen betreffend A seien durch ähnliches, von anderen Personen angezeigtes Fehlverhalten bestätigt worden. In Bezug auf den Rechtsstreit zwischen der EZB und der Republik Lettland sowie zwischen A und der Republik Lettland, mit dem der Gerichtshof befasst worden sei, sei davon auszugehen, dass die EZB nunmehr Beweise für das Fehlverhalten von A erhalten habe. Die diesem zugerechneten rechtswidrigen Handlungen seien so schwerwiegend, dass er bereits vor einer rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung aus seinem Amt entlassen worden sei.

224    Die Klägerin macht geltend, dass die EZB zwar ihre Unabhängigkeit gegen jede Einflussnahme der lettischen Behörden verteidige, aber nicht ihre Aufgabe erfülle, dafür zu sorgen, dass der SSM nicht durch Bestechung verfälscht werde, obwohl diese Rolle umso wichtiger sei, als die EZB und ihre Beamten besonderen Schutz und Vorrechte gegenüber den zuständigen nationalen Strafverfolgungsbehörden genössen. Die EZB sei verpflichtet, Ermittlungen im Fall von Bestechung oder sonstigen Formen von potenziellem Fehlverhalten durchzuführen.

225    Die Klägerin ist der Ansicht, dass sie selbst und die indirekten interessierten Erwerber einer strengen regulatorischen Behandlung unterzogen würden, weil sie Korruptionsprobleme gemeldet und einen vorausschauenden Ansatz gefordert hätten. Dies ergebe sich aus der Kritik der EZB betreffend den Umstand, dass die Verpflichtung von CR zur Finanzierung der Klägerin mit dem Erfordernis verbunden gewesen sei, dass das Regulierungsverfahren nicht durch Bestechung verfälscht werde.

226    Der Ansatz der EZB, der zusätzliche Investitionen zugunsten der Klägerin verlange, aber jede Investition durch eine feindliche Haltung abschrecke und es verweigere, die Rechtmäßigkeit der Forderung einer Achtung des Rechtsstaats anzuerkennen, sei nicht der einer unparteiischen Verwaltung. Dieser Ansatz verstoße gegen den Grundsatz nemo auditur propriam turpitudinem allegans, gegen Art. 23 der Richtlinie 2013/36 und gegen Art. 41 der Charta.

227    Die EZB tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

228    Die Klägerin macht geltend, der angefochtene Beschluss verstoße gegen den Grundsatz nemo auditur propriam turpitudinem allegans, Art. 23 der Richtlinie 2013/36 und Art. 41 der Charta, indem er die Verantwortlichkeit der EZB und der FKMK für den Verlust des Vertrauens in das Regulierungsverfahren nicht anerkannt habe.

229    Was erstens die Art der in Rede stehenden Korruptionshandlungen betrifft, ist klarzustellen, dass die Behauptung, die Bankenaufsicht werde in Lettland durch „allgemeine“ Bestechungspraktiken verfälscht, nicht mit näheren Angaben versehen ist, die eine Beurteilung ihrer Tragweite ermöglichen würden.

230    Ferner ist festzustellen, dass zum einen die strafrechtlichen Ermittlungen, die zur Anklage gegen A geführt haben, nicht die Klägerin, sondern eine dritte lettische Bank betrafen und zum anderen die Klägerin zu den von CR beanstandeten Bestechungshandlungen ohne nähere Angaben darauf hinweist, dass die Ermittlungen im Gange seien.

231    Zweitens kann sich nach dem Grundsatz nemo auditur propriam turpitudinem allegans niemand auf sein eigenes rechtswidriges Handeln berufen.

232    Um sich auf den Grundsatz nemo auditur propriam turpitudinem allegans zu berufen, ist es erforderlich, dass ein fehlerhaftes Verhalten nachgewiesen wird, das der EZB zurechenbar ist (vgl. entsprechend Urteil vom 20. Januar 2021, ABLV Bank/SRB, T‑758/18, EU:T:2021:28, Rn. 170).

233    Wenn die Klägerin der Ansicht ist, dass die EZB verpflichtet gewesen sei, eine Untersuchung in Bezug auf die von CR beanstandeten Bestechungshandlungen durchzuführen, macht die EZB zu Recht geltend, dass sie nicht befugt ist, diese Handlungen selbst zu untersuchen, und dass sie insoweit mit den zuständigen nationalen Behörden zusammenarbeitet.

234    Weder der Umstand, dass die EZB dafür verantwortlich ist, dass der einheitliche Aufsichtsmechanismus wirksam und einheitlich funktioniert, noch der Umstand, dass die Beamten der EZB gegenüber den für Strafsachen zuständigen nationalen Behörden Vorrechte und Befreiungen genießen, bewirken, dass die EZB dafür zuständig wäre, Ermittlungen wegen Bestechungshandlungen durchzuführen, deren sich der Präsident einer nationalen Zentralbank schuldig gemacht haben soll.

235    Insoweit hat der Gerichtshof entschieden, dass die in Art. 11 Buchst. a des Protokolls (Nr. 7) über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union vorgesehene Befreiung von der Gerichtsbarkeit nicht zur Anwendung kommt, wenn die Person, der diese Befreiung zusteht, in einem Strafverfahren der Begehung von Handlungen beschuldigt wird, die nicht im Rahmen der Aufgaben vorgenommen wurden, die sie für ein Organ der Europäischen Union wahrnimmt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. November 2021, LR Ģenerālprokuratūra, C‑3/20, EU:C:2021:969, Rn. 97). Er hat klargestellt, dass Bestechungshandlungen zwangsläufig aus dem Bereich der Amtstätigkeit eines Beamten oder sonstigen Bediensteten der Union und aus dem Bereich der Amtstätigkeit eines Präsidenten einer Zentralbank eines Mitgliedstaats, der einen Sitz in einem Organ der EZB hat, fallen (Urteil vom 30. November 2021, LR Ģenerālprokuratūra, C‑3/20, EU:C:2021:969, Rn. 67).

236    Selbst wenn man außerdem unterstellt, dass die EZB eine Pflichtverletzung begangen habe, indem sie keine Untersuchung der von CR beanstandeten Bestechungshandlungen oder der Äußerungen von A gegenüber der Klägerin durchgeführt habe, ist nicht dargetan, dass diese Pflichtverletzung zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses geführt hat, der sich nicht zur Zweckmäßigkeit der Durchführung einer solchen Untersuchung äußert, sondern über den Antrag auf Erwerb einer qualifizierten Beteiligung entscheidet.

237    Folglich kann die Klägerin nicht mit Erfolg die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses mit der Begründung beantragen, dass die EZB keine Untersuchung über die von CR beanstandeten Bestechungshandlungen durchgeführt habe.

238    Was drittens die angebliche ungerechte regulatorische Behandlung im Zusammenhang mit den von ihr gerügten Bestechungshandlungen angeht, legt die Klägerin weder genau dar, welche Verwaltungshandlungen ihrer Ansicht nach rechtswidrig sind, noch, inwiefern die Rechtswidrigkeit dieser Rechtsakte, selbst wenn sie nachgewiesen wäre, zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses führen könnte.

239    Zwar hat die Klägerin im Rahmen des zweiten Klagegrundes angegeben, dass sie das für 2019 festgelegte Gesamteigenkapitalerfordernis SREP bestritten habe, doch stellt dieser Umstand nicht die Erwägung in Frage, dass sich die für Ende 2019 vorgesehene Gesamteigenmittelquote der neuen Gruppe nur auf 12,91 % belief, d. h. auf ein Niveau, das unter dem von der Klägerin für das Jahr 2018 zu beachtenden Niveau lag, wie oben in Rn. 116 festgestellt worden ist.

240    Viertens und letztens wurde der angefochtene Beschluss nicht mit der Begründung erlassen, dass die Klägerin Bestechungshandlungen angezeigt oder eine Untersuchung dieses Sachverhalts verlangt habe.

241    Insbesondere hat die EZB entgegen dem Vorbringen der Klägerin, wie oben in Rn. 165 ausgeführt, CR nicht vorgeworfen, verlangt zu haben, dass die behauptete willkürliche und diskriminierende regulatorische Behandlung beendet werde.

242    Folglich kann die Klägerin nicht mit Erfolg geltend machen, dass der angefochtene Beschluss mangels Anerkennung der Verantwortlichkeit der EZB und der FKMK gegen den Grundsatz nemo auditur propriam turpitudinem allegans, gegen Art. 23 der Richtlinie 2013/36 und gegen Art. 41 der Charta verstoße.

243    Der achte Klagegrund ist als unbegründet zurückzuweisen.

244    Nach alledem ist die Klage abzuweisen.

V.      Kosten

245    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der EZB deren Kosten aufzuerlegen.

246    Die Kommission trägt gemäß Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Vierte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      PNB Banka AS trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Europäischen Zentralbank (EZB).

3.      Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten.

Gervasoni

Madise

Nihoul

Frendo

 

      Martín y Pérez de Nanclares

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 7. Dezember 2022.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Englisch.