Language of document : ECLI:EU:T:2019:81

URTEIL DES GERICHTS (Dritte erweiterte Kammer)

12. Februar 2019(*)

„Außervertragliche Haftung – Wettbewerb – Kartelle – Beschluss, mit dem eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV festgestellt wird – Geldbußen – Urteil, mit dem der Beschluss teilweise für nichtig erklärt wird – Erstattung des Hauptbetrags der Geldbuße – Verzugszinsen – Hinreichend qualifizierter Verstoß gegen eine Rechtsnorm, die dem Einzelnen Rechte verleiht – Kausalzusammenhang – Schaden – Art. 266 AEUV – Art. 90 Abs. 4 Buchst. a Satz 2 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 1268/2012“

In der Rechtssache T‑201/17

Printeos, SA, mit  Sitz in Alcalá de Henares (Spanien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte H. Brokelmann und P. Martínez-Lage Sobredo,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch F. Dintilhac und F. Jimeno Fernández als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen eines Antrags nach Art. 268 AEUV auf Ersatz des Schadens, der sich daraus ergeben soll, dass die Kommission der Klägerin keine Verzugszinsen auf den Hauptbetrag einer Geldbuße gezahlt hat, die der Klägerin infolge der Nichtigerklärung des Beschlusses C(2014) 9295 final der Kommission vom 10. Dezember 2014 in einem Verfahren nach Artikel 101 [AEUV] und Artikel 53 des EWR-Abkommens (Sache AT.39780 – Umschläge) durch das Urteil vom 13. Dezember 2016, Printeos u. a./Kommission (T‑95/15, EU:T:2016:722), zurückgezahlt wurde, und hilfsweise eines Antrags nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 26. Januar 2017, mit dem die Zahlung der Zinsen abgelehnt wurde,

erlässt

DAS GERICHT (Dritte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten S. Frimodt Nielsen, der Richter V. Kreuschitz (Berichterstatter) und I. S. Forrester, der Richterin N. Półtorak und des Richters E. Perillo,

Kanzler: J. Palacio González, Hauptverwaltungsrat,

auf das schriftliche Verfahren und auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juli 2018

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        In ihrem Beschluss C(2014) 9295 final vom 10. Dezember 2014 in einem Verfahren nach Artikel 101 [AEUV] und Artikel 53 des EWR-Abkommens (Sache AT.39780 – Umschläge) (im Folgenden: Beschluss von 2014) stellte die Europäische Kommission fest, dass u. a. die Klägerin, die Gesellschaft Printeos, SA, gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) verstoßen habe, indem sie im Zeitraum vom 8. Oktober 2003 bis zum 22. April 2008 an der Bildung und Umsetzung eines Kartells auf dem europäischen Markt für Standardumschläge nach Katalog und bedruckte Spezialumschläge in Dänemark, Deutschland, Frankreich, Schweden, dem Vereinigten Königreich und Norwegen mitgewirkt habe. Dieser Beschluss wurde im Rahmen eines Vergleichsverfahrens nach Art. 10a der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 der Kommission vom 7. April 2004 über die Durchführung von Verfahren auf der Grundlage der Artikel [101 und 102 AEUV] durch die Kommission (ABl. 2004, L 123, S. 18) und der Mitteilung der Kommission über die Durchführung von Vergleichsverfahren bei dem Erlass von Entscheidungen nach Artikel 7 und Artikel 23 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates in Kartellfällen (ABl. 2008, C 167, S. 1) erlassen.

2        Wegen der in Art. 1 Abs. 5 des Beschlusses von 2014 festgestellten Zuwiderhandlung verhängte die Kommission gegen die Klägerin als Gesamtschuldnerin gemeinsam mit einigen ihrer Tochtergesellschaften eine Geldbuße in Höhe von 4 729 000 Euro (Art. 2 Abs. 1 Buchst. e des Beschlusses).

3        Gemäß Art. 2 Abs. 2 des Beschlusses war die Geldbuße innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Zustellung des Beschlusses zu bezahlen.

4        Art. 2 Abs. 3 des Beschlusses von 2014 bestimmt:

„Nach Ablauf dieser Frist werden automatisch Zinsen zu dem Zinssatz fällig, der von der Europäischen Zentralbank [EZB] für ihre Hauptrefinanzierungsgeschäfte am ersten Tag des Monats angewandt wird, in dem dieser Beschluss erlassen worden ist, zuzüglich 3,5 Prozentpunkte.

Wenn ein in Art. 1 genanntes Unternehmen Klage erhebt, deckt dieses Unternehmen den Betrag der Geldbuße zum Tag der Fälligkeit gemäß Art. 90 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 1268/2012 der Kommission [vom 29. Oktober 2012 über die Anwendungsbestimmungen für die Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union (ABl. 2012, L 362, S. 1)] entweder durch Leistung einer akzeptablen finanziellen Sicherheit oder durch die vorläufige Zahlung des Betrags der Geldbuße ab.“

5        Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1 des Beschlusses von 2014 stützt sich auf Art. 83 der Delegierten Verordnung Nr. 1268/2012, der unter der Überschrift „Verzugszinsen“ u. a. bestimmt:

„(1)      … [F]ür jede bei Ablauf der in Artikel 80 Absatz 3 Buchstabe b genannten Frist nicht beglichene Schuld [sind] Zinsen gemäß den Absätzen 2 und 3 dieses Artikels zu zahlen.

(2)      Auf die bei Ablauf der in Artikel 80 Absatz 3 Buchstabe b genannten Frist nicht beglichenen Schulden wird der von der Europäischen Zentralbank für ihre Hauptrefinanzierungsgeschäfte zugrunde gelegte und am ersten Kalendertag des Fälligkeitsmonats geltende Zinssatz angewandt, der im Amtsblatt der Europäischen Union, Reihe C, veröffentlicht wird, zuzüglich

b)      dreieinhalb Prozentpunkte in allen übrigen Fällen.

(4)      Hinterlegt im Fall einer Geldbuße der Schuldner eine Sicherheit, die der Rechnungsführer anstelle einer Zahlung akzeptiert, wird ab dem Ablauf der in Artikel 80 Absatz 3 Buchstabe b genannten Frist der in Absatz 2 dieses Artikels genannte Zinssatz in seiner am ersten Tag des Monats, in dem der Beschluss, mit dem die Geldbuße verhängt wurde, geltenden Fassung, zuzüglich anderthalb Prozentpunkte, angewandt.“

6        Art. 83 der Delegierten Verordnung Nr. 1268/2012 stützt sich auf Art. 78 Abs. 4 der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union und zur Aufhebung der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates (ABl. 2012, L 298, S. 1, im Folgenden: Haushaltsordnung), der der Kommission die Befugnis überträgt, delegierte Rechtsakte gemäß Art. 210 dieser Verordnung zur Festlegung detaillierter Vorschriften u. a. über Verzugszinsen zu erlassen.

7        In Art. 90 der Delegierten Verordnung Nr. 1268/2012, auf den Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 2 des Beschlusses von 2014 Bezug nimmt (siehe oben, Rn. 4), heißt es:

„(1)      Wird vor dem Gerichtshof der Europäischen Union Klage gegen einen Beschluss erhoben, mit dem die Kommission nach Maßgabe des AEU-[Vertrags] oder des EAG-Vertrags eine Geldbuße oder Vertragsstrafe verhängt, nimmt der Schuldner bis zur Ausschöpfung des Rechtswegs entweder die vorläufige Zahlung der betreffenden Beträge auf das vom Rechnungsführer benannte Konto vor oder leistet mit Einverständnis des Rechnungsführers eine finanzielle Sicherheit. Die Sicherheit ist unabhängig von der Verpflichtung zur Zahlung der Geldbuße, der Vertragsstrafe oder anderer Sanktionen auf erste Anforderung vollstreckbar. Sie deckt die noch nicht eingezogene Schuld einschließlich der Zinsen gemäß Artikel 83 Absatz 4 [der Haushaltsordnung].

(2)      Die Kommission sichert die vorläufig eingenommenen Beträge durch Investitionen in Finanzanlagen ab und gewährleistet auf diese Weise die Absicherung und Liquidität des Geldes, mit dem gleichzeitig Erträge erwirtschaftet werden.

(4)      Nach Ausschöpfung des Rechtswegs und der Aufhebung oder Verringerung der Geldbuße oder Vertragsstrafe werden

a)      entweder die unrechtmäßigen Beträge, einschließlich der aufgelaufenen Zinsen, dem betreffenden Dritten zurückgezahlt, wobei, falls der Ertrag über den betreffenden Zeitraum insgesamt negativ war, die unrechtmäßigen Beträge netto zurückgezahlt werden;

b)      oder die gegebenenfalls geleisteten finanziellen Sicherheiten freigegeben.“

8        Art. 90 der Delegierten Verordnung Nr. 1268/2012 stützt sich auf Art. 83 Abs. 4 der Haushaltsordnung, mit dem der Kommission die Befugnis übertragen wird, delegierte Rechtsakte gemäß Art. 210 dieser Verordnung zur Festlegung detaillierter Vorschriften über die Beträge aus Geldbußen, Vertragsstrafen und aufgelaufenen Zinsen zu erlassen.

9        Der Beschluss von 2014 wurde der Klägerin am 11. Dezember 2014 zugestellt.

10      Mit E‑Mail vom 16. Februar 2015 wies die Kommission die Klägerin darauf hin, dass die verhängte Geldbuße innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Zustellung dieses Beschlusses abzudecken sei und dass sie entweder eine hinreichende Bankbürgschaft stellen oder die vorläufige Zahlung der Geldbuße vornehmen müsse, falls sie beschließe, beim Gericht Nichtigkeitsklage zu erheben.

11      Dieser E‑Mail war ein mit „Information Note on Provisionally Paid or Guaranteed Fines“ (Informationsvermerk über vorläufig gezahlte oder besicherte Geldbußen) überschriebener Vermerk vom 20. Juli 2002 beigefügt. In diesem Vermerk hieß es:

„Gemäß Art. 85a der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2342/2002 [der Kommission vom 23. Dezember 2002 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften (ABl. 2002, L 357, S. 1)] nimmt der Rechnungsführer beim betreffenden Unternehmen die vorläufige Einziehung der Beträge der Geldbußen vor, die Gegenstand einer Klage vor dem Gerichtshof der Europäischen Union sind, bzw. verlangt von diesem Unternehmen die Leistung einer Sicherheit. Nach Ausschöpfung des Rechtswegs werden die vorläufig eingezogenen Beträge einschließlich der Zinsen in den Haushaltsplan eingesetzt bzw. dem betreffenden Unternehmen ganz oder teilweise zurückgezahlt.

Im Falle von Geldbußen, die von der Kommission ab 2010 verhängt werden, wird diese die vorläufig gezahlten Beträge in einen Fonds mit einem Portfolio von Vermögenswerten investieren, deren Risikoexposition auf die erstklassiger Staatsanleihen mit einer Restlaufzeit von maximal [zwei] Jahren beschränkt ist. Der Fonds wird von den Dienststellen der Kommission verwaltet.

Hebt der Gerichtshof die Geldbuße ganz oder teilweise auf, zahlt die Kommission den Betrag der Geldbuße ganz oder teilweise zurück, zuzüglich einer garantieren Rendite.

Diese garantierte Rendite beruht auf der Wertentwicklung des spezifischen Referenzwerts, gemessen über die Laufzeit der Investition. …“

12      Art. 85a der Verordnung Nr. 2342/2002 bestimmt insbesondere:

„(1)      Wird vor einem Gemeinschaftsgericht Klage gegen eine Entscheidung erhoben, mit der die Kommission eine Geldbuße, ein Zwangsgeld oder eine Sanktion nach Maßgabe des EG-Vertrags oder des Euratom-Vertrags verhängt, nimmt der Rechnungsführer bis zur Ausschöpfung des Rechtswegs die vorläufige Einziehung der betreffenden Beträge beim Schuldner vor bzw. verlangt vom Schuldner die Leistung einer finanziellen Sicherheit. Die Sicherheit ist unabhängig von der Verpflichtung zur Zahlung der Geldbuße, des Zwangsgeldes oder der Vertragsstrafe und auf erste Anforderung vollstreckbar. Diese Sicherheit deckt die noch nicht eingezogene Schuld einschließlich der Zinsen gemäß Artikel 86 Absatz 5 [dieser Verordnung].

(2)      Nach Ausschöpfung des Rechtswegs werden die vorläufig eingezogenen Beträge einschließlich der Zinsen in den Haushaltsplan eingesetzt bzw. dem Schuldner zurückgezahlt. Falls eine finanzielle Sicherheit geleistet wurde, wird diese Sicherheit eingezogen bzw. freigegeben.“

13      Nach Art. 290 Abs. 1 der Delegierten Verordnung Nr. 1268/2012 wurde Art. 85a der Verordnung Nr. 2342/2002 zum 1. Januar 2013 aufgehoben und durch Art. 90 der Delegierten Verordnung Nr. 1268/2012 ersetzt (siehe oben, Rn. 7).

14      Mit Klageschrift, die am 20. Februar 2015 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob die Klägerin eine auf Art. 263 AEUV gestützte Klage, mit der sie in erster Linie die teilweise Nichtigerklärung des Beschlusses von 2014 begehrte.

15      Am 9. März 2015 nahm die Klägerin die vorläufige Zahlung der ihr mit diesem Beschluss auferlegten Geldbuße vor.

16      Am 10. März 2015 setzten die Vertreter der Klägerin die Kommission von dieser Klageerhebung und der vorläufigen Zahlung der Geldbuße in Kenntnis.

17      Gemäß Art. 90 Abs. 2 der Delegierten Verordnung Nr. 1268/2012 wurde der von der Klägerin vorläufig gezahlte Betrag der Geldbuße in einen Finanzanlagenfonds eingezahlt, der gemäß dem Beschluss C(2009) 4264 final der Kommission vom 15. Juni 2009 zur Verringerung der Risiken bei der Verwaltung von vorläufig eingenommenen Geldbußen errichtet und von der Generaldirektion (GD) „Wirtschaft und Finanzen“ verwaltet wurde (im Folgenden: BUFI-Fonds). Dieser Beschluss beruhte auf Art. 74 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates vom 25. Juni 2002 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften (ABl. 2002, L 248, S. 1), der durch Art. 83 der Haushaltsordnung ersetzt wurde.

18      Mit Urteil vom 13. Dezember 2016, Printeos u. a./Kommission (T‑95/15, EU:T:2016:722, im Folgenden: Urteil Printeos), hat das Gericht einen Verstoß der Kommission gegen ihre Begründungspflicht nach Art. 296 Abs. 2 AEUV festgestellt und daher Art. 2 Abs. 1 Buchst. e des Beschlusses von 2014 aufgehoben. Dieses Urteil ist rechtskräftig.

19      Mit E‑Mail vom 14. Dezember 2016 unterrichtete die Kommission die Klägerin von ihrer Absicht, die vorläufig gezahlte Geldbuße zurückzuzahlen, und übermittelte ihr die entsprechenden Formulare.

20      Mit E‑Mail vom 15. Dezember 2016 übermittelten die Vertreter der Klägerin der Kommission die ausgefüllten Formulare.

21      Mit E‑Mail vom 26. Januar 2017 teilte die Kommission den Vertretern der Klägerin mit, dass sie im Laufe der kommenden Woche die Rückzahlung der Geldbuße vornehmen werde.

22      Am selben Tag antworteten die Vertreter der Klägerin der Kommission, sie erwarteten und verlangten, dass die Geldbuße einschließlich Zinsen ab dem Zeitpunkt der Zahlung der Geldbuße durch die Klägerin, d. h. ab dem 9. März 2015, zu dem von der EZB für ihre Hauptrefinanzierungsgeschäfte zugrunde gelegten Zinssatz (im Folgenden: Refinanzierungszinssatz der EZB) zuzüglich dreieinhalb Prozentpunkte, also zu dem Zinssatz, der in Art. 2 Abs. 3 des Beschlusses von 2014 im Falle verspäteter (d. h. nach Ablauf der in Art. 2 Abs. 2 dieses Beschlusses vorgesehenen Frist erfolgter) Zahlung vorgesehen sei.

23      Mit zwei E‑Mails vom selben Tag (im Folgenden gemeinsam: streitige E‑Mails) antwortete die Kommission den Vertretern der Klägerin wie folgt:

„Wie in dem Ihnen am 16. Februar 2015 übermittelten [Informations‑]Vermerk ausgeführt, werden vorläufig eingezogene Geldbußen in einen Fonds investiert. Wird eine Geldbuße aufgehoben, zahlt die Kommission sie zuzüglich einer garantierten Rendite auf der Grundlage der Wertentwicklung des Referenzwerts zurück. Da die Wertentwicklung negativ war, wird Ihnen nur der Hauptbetrag erstattet.

Ich lege Ihnen zu Ihrer Information eine Berechnung des Auszahlungsbetrags, geprüft von [der Gesellschaft] D, bei.“

24      Nach den – nicht bestrittenen – Angaben der Kommission war die kumulierte Rendite des BUFI-Fonds im Jahr 2015 (–0,09 %) und im Jahr 2016 (–0,265 %) negativ. Ebenso war der Einlagesatz der EZB (ECB deposit facility rate) seit dem 5. Juni 2014 negativ, d. h. er betrug –0,10 ab Juni 2014, –0,20 ab September 2014, –0,30 ab Dezember 2015 und –0,40 ab März 2016. Schließlich betrug der Refinanzierungszinssatz der EZB 0,05 % seit dem 9. März 2015 und 0 % seit dem 16. März 2016.

25      Mit E‑Mail vom 27. Januar 2017 antworteten die Vertreter der Klägerin, dass die Kommission nach Art. 266 AEUV verpflichtet sei, alle zur Durchführung des Urteils Printeos erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Sie wiesen unter Bezugnahme auf das Urteil vom 10. Oktober 2001, Corus UK/Kommission (T‑171/99, EU:T:2001:249, Rn. 50 bis 53, im Folgenden: Urteil Corus), darauf hin, dass es im Fall eines bereits vollzogenen Rechtsakts geboten sein könne, den Kläger wieder in den Stand einzusetzen, in dem er sich vor diesem Rechtsakt befunden habe (Grundsatz der restitutio in integrum). Im Fall eines Urteils, mit dem eine gegen ein Unternehmen wegen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln verhängte Geldbuße für nichtig erklärt oder herabgesetzt werde, müsse die Kommission somit die von diesem Unternehmen rechtsgrundlos gezahlte Geldbuße zurückzahlen, und diese Verpflichtung umfasse nicht nur den Hauptbetrag dieser Geldbuße, sondern auch die Zinsen auf diesen Betrag.

26      Am 1. Februar 2017 ging auf dem Bankkonto der Klägerin eine Überweisung der Kommission in Höhe von 4 729 000 Euro ein, was der am 9. März 2015 vorläufig gezahlten Geldbuße entsprach.

27      Mit E‑Mail vom 3. Februar 2017 wies die Kommission die Argumente der Klägerin unter Berufung insbesondere auf Art. 90 Abs. 4 der Delegierten Verordnung Nr. 1268/2012 zurück und erläuterte:

„Zunächst war es die Entscheidung Ihrer Mandantin, eine vorläufige Zahlung und nicht eine finanzielle Sicherheit zu leisten. Zudem wusste ihre Mandantin genau, dass der Betrag der vorläufigen Zahlung in einen Fonds investiert werden würde. Die Funktionsweise dieses Fonds und der Begriff der garantierten Rendite wurden im ,Informationsvermerk‘ eingehend erläutert, der Ihnen am 16. Februar 2015 übermittelt wurde.

Da die im Zeitraum vom 10. März 2015 bis zum 25. Januar 2017 erzielte Rendite insgesamt negativ war, beträgt die garantierte Rendite 0 Euro, und Ihrer Mandantin wurde nur der Hauptbetrag erstattet.“

 Verfahren und Anträge der Parteien

28      Mit Klageschrift, die am 31. März 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

29      Auf Vorschlag des Berichterstatters hat das Gericht (Dritte Kammer) beschlossen, das mündliche Verfahren zu eröffnen, und im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 89 der Verfahrensordnung des Gerichts den Parteien schriftliche Fragen zur Entscheidungserheblichkeit insbesondere des Urteils vom 12. Februar 2015, Kommission/IPK International (C‑336/13 P, EU:C:2015:83, im Folgenden: Urteil IPK), gestellt, die teils schriftlich, teils in der mündlichen Verhandlung zu beantworten waren. Die Parteien haben die schriftlichen Fragen des Gerichts fristgerecht beantwortet.

30      Auf Vorschlag der Dritten Kammer hat das Gericht gemäß Art. 28 der Verfahrensordnung die Rechtssache an einen erweiterten Spruchkörper verwiesen.

31      Die Parteien haben in der Sitzung vom 3. Juli 2018 mündlich verhandelt und die schriftlichen und mündlichen Fragen des Gerichts (Dritte erweiterte Kammer) beantwortet.

32      In Beantwortung mündlicher Fragen des Gerichts hat die Klägerin zum einen ausgeführt, sie wolle nicht mehr Art. 266 Abs. 1 AEUV als maßgebliche Rechtsgrundlage im Sinne eines selbstständigen Rechtsbehelfs für ihren ersten Klageantrag aufrechterhalten, und zum anderen bestätigt, dass der dort verwendete Ausdruck „Ausgleichszinsen“ als „Verzugszinsen“ im Sinne von Rn. 30 des Urteils IPK zu verstehen sei, was in das Protokoll der mündlichen Verhandlung aufgenommen worden ist.

33      Die Klägerin beantragt,

–        die Kommission zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 184 592,95 Euro zu verurteilen, was den Verzugszinsen auf den Betrag von 4 729 000 Euro für den Zeitraum vom 9. März 2015 bis zum 1. Februar 2017 (im Folgenden: Referenzzeitraum) entspricht, berechnet zum Refinanzierungszinssatz der EZB, zuzüglich 2 Prozentpunkte, oder andernfalls zu dem Zinssatz, den das Gericht für angemessen erachtet;

–        die Kommission zur Zahlung von Verzugszinsen auf den im vorstehenden Gedankenstrich geforderten Betrag für den Zeitraum vom 1. Februar 2017 bis zu dem Tag, an dem die Kommission diesen Betrag in Durchführung eines der vorliegenden Klage stattgebenden Urteils tatsächlich zahlt, zu dem Zinssatz, der von der Europäischen Zentralbank für ihre Refinanzierungsgeschäfte zugrunde gelegt wird, zuzüglich 3,5 Prozentpunkte, oder andernfalls zu dem Zinssatz, den das Gericht für angemessen erachtet, zu verurteilen;

–        hilfsweise, die streitige E‑Mail für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

34      In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin beantragt, den oben in Rn. 33 erster Gedankenstrich angeführten Aufschlag auf den Refinanzierungszinssatz der EZB auf 3,5 Prozentpunkte anzuheben.

35      Die Kommission beantragt,

–        den Antrag auf Entschädigung als unbegründet zurückzuweisen;

–        den Antrag auf Nichtigerklärung der streitigen E‑Mail als unzulässig oder hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen;

–        die Einrede der Rechtswidrigkeit von Art. 90 Abs. 4 Buchst. a der Delegierten Verordnung Nr. 1268/2012 (im Folgenden: streitige Vorschrift) für unzulässig zu erklären oder hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen;

–        falls es für angebracht erachtet wird, der Klägerin eine Entschädigung oder Zinsen zuzusprechen, die Berechnungen auf der Grundlage der in den Rn. 65 bis 78 der Klagebeantwortung angeführten Kriterien vorzunehmen;

–        jedenfalls der Klägerin die Kosten aufzuerlegen oder hilfsweise, falls der Klägerin eine Entschädigung zugesprochen werden sollte, anzuordnen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt.

 Rechtliche Würdigung

 Zum Gegenstand des Rechtsstreits

36      Nachdem sie ihren ersten Klageantrag zurückgenommen hat, soweit er auf Art. 266 Abs. 1 AEUV als selbstständigen Rechtsbehelf gestützt war (siehe oben, Rn. 32), beantragt die Klägerin nach Art. 266 Abs. 2 AEUV in Verbindung mit Art. 340 Abs. 2 AEUV und Art. 41 Abs. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) die Gewährung einer Entschädigung, die dem Betrag der Verzugszinsen entspricht, die die Kommission ihr in Durchführung des Urteils Printeos hätte zahlen müssen, als sie den Hauptbetrag der Geldbuße zurückzahlte, die gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. e des mit diesem Urteil für nichtig erklärten Beschlusses von 2014 rechtsgrundlos gezahlt worden war.

37      Die Klägerin führt aus, die streitige Vorschrift sei insbesondere nicht auf den Schadensersatz nach Art. 266 Abs. 2 AEUV und Art. 340 Abs. 2 AEUV anwendbar. Selbst wenn dies aber der Fall sein sollte, verstoße sie gegen die Art. 266 und 340 AEUV sowie Art. 41 Abs. 3 und Art. 47 der Charta, was mit einer Einrede der Rechtswidrigkeit im Sinne von Art. 277 AEUV geltend gemacht werde.

38      Hilfsweise beantragt die Klägerin gemäß Art. 263 AEUV die Nichtigerklärung der streitigen E‑Mail, da sich diese auf eine aufgehobene und nicht anwendbare Rechtsgrundlage stütze und jedenfalls gegen die Art. 266 und 340 AEUV sowie Art. 41 Abs. 3 und Art. 47 der Charta verstoße.

 Zum Hauptantrag auf Entschädigung im Rahmen des ersten Klageantrags

 Zusammenfassung des Vorbringens der Parteien

39      Nach Ansicht der Klägerin hat es die Kommission in rechtswidriger Weise unterlassen, ihr die Verzugszinsen auf den Hauptbetrag der vorläufig gezahlten Geldbuße zu zahlen. Die Zahlung dieser Zinsen sei ein unerlässlicher Bestandteil der Wiederherstellung der Lage, in der sie sich befunden hätte, wenn der Beschluss von 2014 nicht erlassen worden wäre (Urteil Corus, Rn. 54). Sie habe einen Schaden erlitten, weil sie den Hauptbetrag der rechtsgrundlos gezahlten Geldbuße nicht zur Verfügung gehabt habe und sich daher anderer Finanzierungsquellen habe bedienen müssen. In diesem Zusammenhang habe sie die Kosten für drei während des Referenzzeitraums aufgenommene Bankdarlehen tragen müssen. Dieser Schaden beruhe auf einem hinreichend qualifizierten Verstoß gegen Rechtsnormen, die bezweckten, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, – ein Verstoß, der vor allem auf den 92. Erwägungsgrund des Beschlusses von 2014 zurückzuführen sei. Der in Rn. 54 des Urteils Printeos festgestellte Begründungsmangel, mit dem dieser Erwägungsgrund behaftet sei, ja dessen Wahrheitswidrigkeit, belege die Vorsätzlichkeit, Offensichtlichkeit, Schwere und Unentschuldbarkeit des Verstoßes der Kommission gegen das Unionsrecht, der einem Ermessensmissbrauch gleichkomme. Dies werde vor allem durch den 16. Erwägungsgrund des Beschlusses C(2017) 4112 final der Kommission vom 16. Juni 2017 zur Änderung des Beschlusses von 2014 bestätigt, in dem eingeräumt werde, dass „alle Unternehmen mit Ausnahme von Hamelin … sehr hohe individuelle Produkt/Umsatz-Quoten“ gehabt hätten. Die Begründungspflicht im Sinne von Art. 296 Abs. 2 AEUV und Art. 41 Abs. 2 Buchst. c der Charta sei ein Grundrecht, das die wirksame Wahrnehmung eines anderen Grundrechts sicherstelle, nämlich jenes auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf im Sinne von Art. 47 der Charta. Ferner sei die Nichtzahlung von Zinsen auf den Hauptbetrag der rechtsgrundlos gezahlten Geldbuße ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen Art. 266 Abs. 1 AEUV (Beschluss vom 21. März 2006, Holcim [France]/Kommission, T‑86/03, nicht veröffentlicht, EU:T:2006:90, Rn. 32, im Folgenden: Beschluss Holcim), der ein subjektives Recht darauf verleihe, dass die Urteile des Gerichts ordnungsgemäß und vollständig durchgeführt würden, ohne dass die Kommission insoweit über ein Ermessen verfüge. Diese Rechtswidrigkeit könne durch die in der streitigen E‑Mail angeführten Rechtsvorschriften nicht geheilt werden.

40      Insoweit führt die Klägerin zum einen aus, Art. 85a der Verordnung Nr. 2342/2002 sei zum 1. Januar 2013, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Delegierten Verordnung Nr. 1268/2012, aufgehoben worden. Die Verordnung Nr. 2342/2002 sei also weder am 16. Februar 2015, als die Kommission die Informationen über die vorläufige Zahlung der Geldbuße übermittelt habe, noch am 1. Februar 2017, als sie den Hauptbetrag der Geldbuße zurückgezahlt habe, oder am 26. Januar 2017, als sie die streitige E‑Mail geschickt habe, in Kraft gewesen. Die Kommission könne im Nachhinein weder das Fehlen der Rechtsgrundlage noch ihre Unterlassung, die fälligen Zinsen zu zahlen, heilen, indem sie sich erstmals in ihrer E‑Mail vom 3. Februar 2017 auf Art. 90 der Delegierten Verordnung Nr. 1268/2012 stütze. Für den Fall, dass festgestellt werden sollte, dass dieser Artikel dennoch eine tragfähige Rechtsgrundlage sei, sei nach Art. 277 AEUV die Rechtswidrigkeit der streitigen Vorschrift im Hinblick auf die Art. 266 und 340 AEUV sowie auf Art. 41 Abs. 3 und Art. 47 der Charta einzuwenden, soweit diese Vorschrift die Möglichkeit vorsehe, keine Zinsen zu zahlen.

41      Erstens verstoße die streitige Vorschrift gegen Art. 266 Abs. 1 AEUV, genauer gesagt gegen den in den Urteilen IPK und Corus (Rn. 54 und 57) anerkannten Grundsatz der restitutio in integrum, wonach die Kommission verpflichtet sei, nicht nur den Hauptbetrag der rechtsgrundlos gezahlten Geldbuße zu erstatten, sondern auch die während des Zeitraums, in dem die Klägerin über diesen Betrag nicht habe verfügen können, aufgelaufenen Zinsen. Dieses primärrechtliche Erfordernis habe Vorrang vor allen Regeln des abgeleiteten Rechts, die dem gegebenenfalls entgegenstünden. Zweitens verstoße die streitige Vorschrift gegen Art. 47 der Charta, da der Rechtsschutz nach Art. 263 AEUV nicht effektiv sei, wenn das betreffende Unternehmen nach Nichtigerklärung eines Beschlusses, mit dem wegen eines Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln der Union eine Geldbuße verhängt worden sei, durch den Unionsrichter nicht in der Lage wäre, die Zahlung der Zinsen zu erwirken, die auf die rechtsgrundlos gezahlte Geldbuße entfielen. Dies würde von der Erhebung von Klagen gegen Beschlüsse, mit denen eine Sanktion auferlegt werde, abschrecken. Drittens verstoße die streitige Vorschrift auch gegen Art. 41 Abs. 3 der Charta und gegen Art. 340 Abs. 2 AEUV, da der Gerichtshof in seinem Urteil vom 13. Juli 2006, Manfredi (C‑295/04 bis C‑298/04, EU:C:2006:461, Rn. 95), entschieden habe, dass aus dem Recht einer jeder Person auf Ersatz des ihr entstandenen Schadens folge, dass ein Geschädigter nicht nur Ersatz des Vermögensschadens (damnum emergens) und des entgangenen Gewinns (lucrum cessans), sondern auch die Zahlung von Zinsen verlangen können müsse. Daher sei diese Vorschrift im vorliegenden Fall nicht anwendbar und könne auch das Fehlen einer Rechtsgrundlage nicht heilen, die die Kommission ermächtige, die Zahlung von Zinsen zu verweigern.

42      Die Kommission erwidert, dass das Gericht im Urteil Printeos lediglich festgestellt habe, dass der 92. Erwägungsgrund des Beschlusses von 2014 mit einem Begründungsmangel behaftet sei, ohne sich jedoch in der Sache, d. h. zur Beteiligung der Klägerin an einer Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV, zu äußern. Das Vorbringen, die fragliche Begründung sei wahrheitswidrig, sei daher irrelevant, und die Kommission sei berechtigt gewesen, den Beschluss C(2017) 4112 final zu erlassen, mit dem die gleiche Geldbuße wie mit dem Beschluss von 2014 verhängt worden sei. Jedenfalls sei ein solcher Begründungsmangel kein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen eine Unionsrechtsnorm. Zudem seien die Modalitäten für die Rückzahlung der Geldbuße im Beschluss von 2014 durch Verweis auf die streitige Vorschrift festgelegt worden, ohne dass die Klägerin dies beanstandet hätte.

43      Hilfsweise führt die Kommission aus, dass nach Art. 278 AEUV Klagen bei dem Gerichtshof der Europäischen Union keine aufschiebende Wirkung hätten. Da die Klägerin keine Aussetzung des Beschlusses von 2014 beantragt habe, sei dieser ein vollstreckbarer Titel gewesen, der die vorläufige Zahlung der Geldbuße trotz der dagegen erhobenen Nichtigkeitsklage gerechtfertigt habe. Im vorliegenden Fall sei der Klägerin kein Schaden entstanden, da ihr der Hauptbetrag der Geldbuße erstattet worden sei, und zwar obwohl der Ertrag des Fonds negativ gewesen sei. Zudem sei die Kommission mit der Zahlung nicht in Verzug gewesen, insbesondere weil sie den Hauptbetrag rasch zurückgezahlt habe, noch bevor das Urteil Printeos rechtskräftig geworden sei.

44      Die Kommission macht geltend, im Rahmen von Schadensersatzstreitigkeiten sei es das Ziel von Ausgleichszinsen, vor allem den Schaden zu ersetzen, der durch die Geldentwertung nach dem schädigenden Ereignis bis zur Zahlung der Entschädigung entstehe, und das Vermögen des Opfers so weit wie möglich wiederherzustellen (Grundsatz der restitutio in integrum). Ausgleichszinsen könnten daher nur gewährt werden, wenn die Voraussetzungen der außervertraglichen Haftung erfüllt seien, was hier nicht der Fall sei. Jedenfalls müssten diese Zinsen anhand des tatsächlich erlittenen Schadens berechnet werden, der in der Regel unter Berücksichtigung der von Eurostat für den betreffenden Zeitraum in dem Mitgliedstaat, in dem der Kläger seinen Sitz habe, festgestellten Inflationsrate bestimmt werde. Im vorliegenden Fall habe die Inflationsrate im Referenzzeitraum vom 13. März 2015 bis zum 1. Februar 2017 in Spanien jedoch 0 % betragen. Selbst wenn die Ausgleichszinsen auf der Grundlage des Refinanzierungszinssatzes der EZB (siehe oben, Rn. 24) und nicht auf der Grundlage der Inflationsrate zu berechnen wären, wäre nicht der Refinanzierungszinssatz von 0,05 %, der am 9. März 2015 gegolten habe, sondern derjenige anzuwenden, der im Referenzzeitraum gegolten habe und seit dem 16. März 2016 auf 0 % festgesetzt gewesen sei. Eine Erhöhung um 2 Prozentpunkte sei ausgeschlossen, da die Ausgleichszinsen nicht dazu dienten, dem Schuldner zusätzliche Belastungen aufzuerlegen, um eine Verspätung bei der Erfüllung seiner Zahlungspflicht zu vermeiden oder zu begrenzen, was Ziel der Verzugszinsen sei. Die Klägerin habe durch die vorläufige Zahlung der Geldbuße und den Rückgriff auf Kosten verursachende Finanzierungsquellen keinen Schaden erlitten. Verzugszinsen, die bei einer verspäteten Erfüllung der Pflicht, einen bestimmten Betrag zu zahlen, anfielen, seien vom Tag der Verkündung des diese Pflicht feststellenden Urteils bis zum Zeitpunkt der vollständigen Zahlung zu berechnen. Anders als bei Ausgleichszinsen sei der für diese Verzugszinsen geltende Zinssatz der Refinanzierungszinssatz der EZB zuzüglich 2 Prozentpunkte. Somit könne der Erhöhung um 3,5 Prozentpunkte, die entsprechend dem bei Nichtzahlung der mit dem Beschluss von 2014 verhängten Geldbuße anwendbaren Zinssatz verlangt werde, nicht zugestimmt werden.

45      Die Kommission ist der Ansicht, dass die gegen die streitige Vorschrift erhobene Einrede der Rechtswidrigkeit unzulässig und jedenfalls unbegründet sei. Die Zulässigkeit einer solchen Einrede hänge von jener der Hauptsache ab. Im vorliegenden Fall sei die streitige E‑Mail keine anfechtbare Handlung. Es handle sich dabei um eine reine Bestätigung von Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 2 des Beschlusses von 2014, der für den Fall, dass sich die Klägerin für die vorläufige Zahlung der Geldbuße entscheiden sollte, die Anwendung der streitigen Vorschrift vorsehe. Da die Klägerin diesen Artikel in ihrer Klage gegen den Beschluss nicht beanstandet habe, habe sie seinen endgültigen Charakter akzeptiert, was zur Unzulässigkeit ihres Nichtigkeitsantrags und damit ihrer Einrede der Rechtswidrigkeit führe.

46      In der Sache weist die Kommission erstens darauf hin, dass die streitige Vorschrift Art. 85a der Verordnung Nr. 2342/2002 ersetze und die Voraussetzungen für die Rückzahlung eines vorläufigen gezahlten Betrags im Fall von Negativzinsen regle. Gemäß dieser Vorschrift würden dann, wenn der Adressat einer Geldbuße, wie im vorliegenden Fall, beschließe, die Geldbuße vorläufig zu zahlen anstatt eine Sicherheit zu leisten, die gezahlten Beträge in Finanzanlagen investiert, die vor allem bezweckten, einen positiven Ertrag zu erwirtschaften, worüber die Klägerin „zu jeder Zeit“ informiert gewesen sei. Im Fall einer Nichtigerklärung des Beschlusses, mit dem die Geldbuße verhängt werde, durch den Unionsrichter sehe sie im Einklang mit der Rechtsprechung die Rückzahlung des Hauptbetrags und Zahlung der aufgelaufenen Zinsen vor. Diese Zinsen hätten Entschädigungscharakter und sollten die Nichtverfügbarkeit des vorläufig gezahlten Betrags ab dem Tag der Zahlung bis zu dem der Rückzahlung des Hauptbetrags ausgleichen und den möglicherweise entstandenen Schaden ersetzen. Im Interesse des Adressaten garantiere die streitige Vorschrift, dass er im Fall von Negativzinsen zumindest den gesamten Hauptbetrag erhalte, so dass die Kosten einer negativen Rendite innerhalb des Referenzzeitraums von der Kommission getragen würden.

47      Zweitens steht die streitige Vorschrift nach Ansicht der Kommission im Einklang mit Art. 266 AEUV und dem Grundsatz der restitutio in integrum. Dieser Grundsatz erfordere nicht die artifizielle Zahlung von Zinsen in allen Fällen, sondern nur unter besonderen Umständen, die im vorliegenden Fall in Anbetracht der makroökonomischen Lage, in der die Zinsen der betreffenden Investition negativ seien, nicht vorlägen. Als das Urteil Corus und der Beschluss Holcim verkündet worden seien, hätten spezielle Regeln wie die streitige Vorschrift noch gefehlt, und das Gericht habe die aktuelle wirtschaftliche Situation, in der Zinssätze niedrig, ja negativ seien, nicht berücksichtigen können, da vor der Wirtschaftskrise von 2008 Negativzinsen im wirtschaftlichen Zusammenhang der Länder der Union schwer vorhersehbar gewesen seien. Ein Anspruch auf positive Zinsen widerspreche der wirtschaftlichen Realität, wenn er in einem Kontext gestellt werde, in dem die Zinssätze negativ seien, und könne zu einer ungerechtfertigten Bereicherung führen. Im vorliegenden Fall werde die Klägerin durch die streitige Vorschrift sogar begünstigt, da ohne eine solche Spezialregelung der oben in Rn. 24 angeführte negative Ertrag vom Hauptbetrag zum Zeitpunkt seiner Rückzahlung hätte abgezogen werden müssen.

48      Drittens bestreitet die Kommission, dass die streitige Vorschrift gegen Art. 340 Abs. 2 AEUV, Art. 41 Abs. 3 und Art. 47 der Charta verstoße. Die Klägerin erläutere nicht, aus welchen Gründen sie der Ansicht sei, dass diese Vorschrift die Geltendmachung ihres Entschädigungsanspruchs oder ihres Zinsanspruchs untergrabe, und sie nicht in der Lage sei, ihr Recht auf einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz auszuüben. Sie könne sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Nichtzahlung von Zinsen die Adressaten eines Beschlusses im Bereich des Wettbewerbsrechts davon abhielte, das Gericht anzurufen, um die Nichtigerklärung des Beschlusses zu erwirken, da die Zahlung von (positiven oder negativen) Zinsen gegenüber dem Antrag auf Nichtigerklärung des Hauptbetrags der Geldbuße akzessorisch und im Stadium der Erhebung der Klage nicht vorhersehbar sei.

 Zu den Voraussetzungen für die Auslösung der außervertraglichen Haftung der Union

49      Nach ständiger Rechtsprechung hängt die außervertragliche Haftung der Union im Sinne von Art. 340 Abs. 2 AEUV vom Vorliegen einer Reihe von Voraussetzungen ab, nämlich der Rechtswidrigkeit des dem Unionsorgan vorgeworfenen Verhaltens, dem tatsächlichen Bestehen des Schadens und der Existenz eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Verhalten des Organs und dem geltend gemachten Schaden (vgl. Urteil vom 20. September 2016, Ledra Advertising u. a./Kommission und EZB, C‑8/15 P bis C‑10/15 P, EU:C:2016:701, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).

50      Bezüglich der ersten Voraussetzung verlangt die ständige Rechtsprechung, dass ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen eine Rechtsnorm nachgewiesen wird, die bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen (vgl. Urteile vom 20. September 2016, Ledra Advertising u. a./Kommission und EZB, C‑8/15 P bis C‑10/15 P, EU:C:2016:701, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 30. Mai 2017, Safa Nicu Sepahan/Rat, C‑45/15 P, EU:C:2017:402, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

51      Der Gerichtshof hat auch klargestellt, dass ein solcher Verstoß gegeben ist, wenn das betreffende Organ die Grenzen, die seinem Ermessen gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat, wobei zu den insoweit zu berücksichtigenden Gesichtspunkten insbesondere das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift sowie der Umfang des Gestaltungsspielraums gehören, den diese Vorschrift der Unionsbehörde belässt (vgl. Urteil vom 30. Mai 2017, Safa Nicu Sepahan/Rat, C‑45/15 P, EU:C:2017:402, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung). Nur wenn dieses Organ über einen erheblich verringerten oder gar auf null reduzierten Gestaltungsspielraum verfügt, kann die bloße Verletzung des Unionsrechts ausreichen, um einen hinreichend qualifizierten Verstoß anzunehmen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. Juli 2003, Kommission/Fresh Marine, C‑472/00 P, EU:C:2003:399, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 4. April 2017, Bürgerbeauftragter/Staelen, C‑337/15 P, EU:C:2017:256, Rn. 39).

52      Im vorliegenden Fall sind sich die Parteien uneinig, ob die Nichtzahlung von Zinsen auf den Hauptbetrag der an die Klägerin zurückgezahlten Geldbuße auf einem hinreichend qualifizierten Verstoß gegen eine Rechtsnorm beruht, die bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen.

53      Zur Stützung ihres Entschädigungsantrags macht die Klägerin erstens einen Verstoß gegen die Begründungspflicht nach Art. 296 Abs. 2 AEUV und Art. 41 Abs. 2 Buchst. c der Charta geltend, mit dem insbesondere der 92. Erwägungsgrund des Beschlusses von 2014 behaftet sei und der dazu geführt habe, dass das Gericht mit dem Urteil Printeos diesen Beschluss ihr gegenüber für nichtig erklärt habe. Zweitens rügt sie einen Verstoß gegen Art. 266 Abs. 1 AEUV, der ein subjektives Recht auf vollständige und ordnungsgemäße Durchführung dieses Urteils verleihe. In dieser Hinsicht, auch nicht in Bezug auf die Gewährung von Verzugszinsen, verfüge die Kommission über kein Ermessen.

54      Das Gericht hält es für zweckmäßig, zuerst zu prüfen, ob ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen Art. 266 Abs. 1 AEUV vorliegt.

 Zum Vorliegen eines hinreichend qualifizierten Verstoßes gegen Art. 266 Abs. 1 AEUV

55      Nach Art. 266 Abs. 1 AEUV hat das Organ, dem das für nichtig erklärte Handeln zur Last fällt, die sich aus dem Urteil, mit dem dieses Handeln für nichtig erklärt wird, ergebenden Maßnahmen zu ergreifen. Es ist festzustellen, dass dieser Artikel eine Rechtsnorm ist, die im Sinne der oben in Rn. 50 angeführten Rechtsprechung bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen. Sie sieht nämlich eine absolute und unbedingte Pflicht des Organs, dem das für nichtig erklärte Handeln zur Last fällt, vor, im Interesse des erfolgreichen Klägers die sich aus dem Nichtigkeitsurteil ergebenden Maßnahmen zu ergreifen, der ein Recht des Klägers auf vollständige Erfüllung dieser Pflicht entspricht.

56      Daher ist, wenn ein Beschluss, mit dem – wie hier – eine Geldbuße verhängt wird, oder ein Beschluss, mit dem die Rückzahlung zu Unrecht gezahlter Beträge angeordnet wird, für nichtig erklärt wird, in der Rechtsprechung nach dieser Regel das Recht des Klägers auf Wiedereinsetzung in den Stand, in dem er sich vor diesem Beschluss befand, anerkannt, was insbesondere bedeutet, dass der aufgrund des für nichtig erklärten Beschlusses rechtsgrundlos gezahlte Hauptbetrag zurückgezahlt wird und Verzugszinsen gezahlt werden (vgl. in diesem Sinne Urteile IPK, Rn. 29, und Corus, Rn. 50, 52 und 53, Beschluss Holcim, Rn. 30 und 31, und Schlussanträge des Generalanwalts Bot in der Rechtssache Kommission/IPK International, C‑336/13 P, EU:C:2014:2170, Rn. 78 und 79). Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang betont, dass die Zahlung von Verzugszinsen insofern eine Maßnahme zur Durchführung des Nichtigkeitsurteils im Sinne von Art. 266 Abs. 1 AEUV darstellt, als mit ihr die Vorenthaltung eines zu zahlenden Geldbetrags pauschal ausgeglichen und der Schuldner veranlasst werden soll, das Nichtigkeitsurteil so schnell wie möglich durchzuführen (Urteil IPK, Rn. 29 und 30).

57      Im vorliegenden Fall hat sich die Kommission bei der Durchführung des Urteils Printeos und zur Rechtfertigung ihrer Entscheidung, der Klägerin keine Zinsen zu zahlen, vor allem auf die streitige Vorschrift gestützt.

58      In diesem Zusammenhang kann die von der Klägerin geltend gemachte Rüge, die Kommission habe irrtümlicherweise Art. 85a der Verordnung Nr. 2341/2002 anstatt der streitigen Vorschrift angewendet, durch die sie ersetzt worden sei (siehe oben, Rn. 40), nicht durchgreifen. Wie die Kommission vorträgt, verweist Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 2 des Beschlusses von 2014, der von der Klägerin im Rahmen der Rechtssache T‑95/15 nicht angefochten wurde und daher bestandskräftig geworden ist, im Zusammenhang mit der Möglichkeit des betreffenden Unternehmens, die Geldbuße vorläufig zu zahlen, ausdrücklich auf Art. 90 der Delegierten Verordnung Nr. 1268/2012. Dies wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der der Klägerin mit E‑Mail vom 16. Februar 2015 übermittelte Informationsvermerk noch irrtümlicherweise, wie die Kommission selbst einräumt, auf Art. 85a der Verordnung Nr. 2341/2002 verwies. Im Übrigen bestreitet die Klägerin nicht, dass im vorliegenden Fall der Ertrag der Anlage des Hauptbetrags der Geldbuße im BUFI-Fonds während des Referenzzeitraums keine Zinsen getragen hat, sondern negativ war, und dass die Kommission daher die Kriterien für die Anwendung der streitigen Vorschrift eingehalten hat.

59      Unter Berücksichtigung der oben in Rn. 56 angeführten Rechtsprechung ist daher zu prüfen, ob im vorliegenden Fall die Nichtzahlung von Verzugszinsen durch die Kommission und die Durchführung der streitigen Vorschrift eine Umsetzung des Urteils Printeos darstellt, die den sich aus Art. 266 Abs. 1 AEUV ergebenden Anforderungen entspricht.

 Zur Anwendbarkeit der streitigen Vorschrift und zur Pflicht zur Zahlung von Verzugszinsen nach Art. 266 Abs. 1 AEUV

60      Wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, ist die streitige Vorschrift angesichts ihres Regelungszusammenhangs und ihres klaren Wortlauts mit ihrer ausdrücklichen Bezugnahme auf den Rechtsweg und insbesondere auf den Fall, dass die mit einem Beschluss verhängte Geldbuße aufgehoben wird, dazu bestimmt, die in Art. 266 Abs. 1 AEUV vorgesehenen Anforderungen umzusetzen. Die Kommission hat in ihren Schriftsätzen außerdem bestätigt, dass die streitige Vorschrift erlassen wurde, um die Regelung mit den in der Rechtsprechung anerkannten Anforderungen, nämlich jenen, die sich aus dem Urteil Corus und dem Beschluss Holcim ergeben, in Einklang zu bringen.

61      Die streitige Vorschrift ist daher, soweit es ihr Wortlaut erlaubt, im Lichte der Anforderungen des Art. 266 Abs. 1 AEUV auszulegen. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Bestimmung des abgeleiteten Unionsrechts möglichst so auszulegen, dass sie mit dem Vertrag und den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts vereinbar ist. Dies darf hingegen nicht zu einer unzulässigen Auslegung contra legem dieser Bestimmung führen, wenn deren Bedeutung klar und eindeutig ist und eine solche Auslegung nicht zulässt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Februar 2017, Yingli Energy [China] u. a./Rat, T‑160/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:125, Rn. 151 und 152 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. in diesem Sinne und entsprechend auch Urteil vom 29. Juni 2017, Popławski, C‑579/15, EU:C:2017:503, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung). Eine Bestimmung, deren Bedeutung klar und eindeutig ist, hat das mit einer Rechtswidrigkeitseinrede im Sinne von Art. 277 AEUV befasste Gericht somit lediglich auf ihre Vereinbarkeit mit dem Vertrag und den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts zu prüfen.

62      Die Delegierte Verordnung Nr. 1268/2012 erläutert die Bedeutung der in der streitigen Vorschrift enthaltenen Wendung „einschließlich der aufgelaufenen Zinsen“ nicht näher. Insbesondere stuft sie diese Zinsen nicht – wie jene, um die es in ihrem Art. 83 geht – als „Verzugszinsen“ oder „Verspätungszinsen“ ein. Zudem spricht auch Art. 83 Abs. 4 der Haushaltsordnung, also die Rechtsgrundlage der streitigen Vorschrift, zweideutig lediglich von „aufgelaufenen Zinsen“. Dagegen wird in Art. 78 Abs. 4 dieser Haushaltsordnung, bei dem es um die Feststellung von Forderungen der Union gegenüber einem Schuldner geht, ausdrücklich der Begriff „Verzugszinsen“ verwendet. Die Kommission hat in Beantwortung entsprechender schriftlicher und mündlicher Fragen des Gerichts im Wesentlichen vorgetragen, dass es sich bei den „aufgelaufenen Zinsen“ in diesem Sinne weder um Verzugszinsen noch um Ausgleichszinsen handele, sondern um Zinsen sui generis, die sich ausschließlich auf den Ertrag oder die Rendite bezögen, die durch die Einzahlung des Hauptbetrags auf ein Konto oder durch Investition dieses Betrags in Finanzanlagen erzielt werden könnten.

63      Insoweit vertritt die Kommission im Wesentlichen die Ansicht, dass die streitige Vorschrift sowie die sonstigen Vorschriften der Delegierten Verordnung Nr. 1268/2012 eine vollständige Regelung auf dem Gebiet der Zinsen enthielten, die im Fall der Begleichung einer Schuld infolge der Nichtigerklärung eines Beschlusses, mit dem eine Geldbuße verhängt werde, zu zahlen seien. Diese Regelung verwehre es ihr grundsätzlich, Zinsen zu zahlen, wenn – wie hier – die Voraussetzungen der streitigen Vorschrift nicht erfüllt seien. Unabhängig von der Anwendung dieser Vorschrift schließt die Kommission jedoch weder die Möglichkeit der Zahlung von Ausgleichszinsen, um einen Schaden zu ersetzen, noch jene der Zahlung von Verzugszinsen im Fall einer verspäteten Zahlung des Hauptbetrags der Geldbuße aus. Im vorliegenden Fall sei sie jedenfalls nicht in Zahlungsverzug gewesen, was die Zahlung von Verzugszinsen hätte rechtfertigen können, sondern sie habe die Geldbuße unverzüglich und ordnungsgemäß, und zwar sogar noch vor dem Zeitpunkt, zu dem das Urteil Printeos rechtskräftig geworden sei, an die Klägerin zurückgezahlt, so dass ein Zahlungsverzug ausgeschlossen sei.

64      Wie jedoch in der oben in Rn. 56 angeführten Rechtsprechung anerkannt, verfolgt die sich unmittelbar aus Art. 266 Abs. 1 AEUV ergebende Pflicht, im Anschluss an ein Urteil, mit dem ein Beschluss rückwirkend für nichtig erklärt wird, mit dem die Rückzahlung zu Unrecht gezahlter Beträge angeordnet wird oder eine Geldbuße verhängt wird, Verzugszinsen zu zahlen, insbesondere das Ziel, die Vorenthaltung des betreffenden zu zahlenden Geldbetrags pauschal auszugleichen. Insoweit wird in der Rechtsprechung berücksichtigt, dass diese Forderung infolge der Nichtigerklärung ex tunc dieses Beschlusses besteht, seit sein Adressat den geforderten Betrag rechtsgrundlos gezahlt hat, so dass sich der Urheber des Beschlusses ab diesem Zeitpunkt zwangsläufig in Zahlungsverzug befindet (vgl. in diesem Sinne Urteile IPK, Rn. 30 und 76, und Corus, Rn. 50 bis 54). Diese Rechtsprechung unterscheidet nicht danach, ob es sich um eine Situation nach Nichtigerklärung eines Beschlusses handelt, mit dem die Rückzahlung zu Unrecht gezahlter Beträge angeordnet wird, oder um eine nach Nichtigerklärung eines Beschlusses, mit dem eine Geldbuße verhängt wird; vielmehr erfasst sie unabhängig von der Tragweite der streitigen Vorschrift und ihrer Anwendbarkeit im konkreten Fall alle Forderungen, die infolge der rückwirkenden Nichtigerklärung einer vom einem Organ erlassenen Maßnahme entstehen.

65      Daher macht die Kommission zu Unrecht geltend, dass sie nach dem 9. März 2015 – als die Klägerin die Geldbuße rechtsgrundlos vorläufig zahlte – nicht in Zahlungsverzug gewesen sei und daher keine Verzugszinsen schulde. Da der Beschluss von 2014 rückwirkend für nichtig erklärt wurde, war die Kommission zwangsläufig ab dieser vorläufigen Zahlung mit der Rückzahlung der Geldbuße in Verzug. Sie war daher verpflichtet, nach Art. 266 Abs. 1 AEUV Verzugszinsen zu zahlen, um dem Grundsatz der restitutio in integrum Genüge zu tun und der Klägerin die Vorenthaltung dieses Geldbetrags pauschal auszugleichen.

66      Daraus folgt auch, dass die Kommission zu Unrecht festgestellt hat, dass die streitige Vorschrift es ihr verwehre, ihrer absoluten und unbedingten Pflicht nachzukommen, Verzugszinsen nach Art. 266 Abs. 1 AEUV zu zahlen. Jedenfalls kann diese Vorschrift weder diese Pflicht berühren noch eine solche Zahlung ausschließen, da der dort verwendete Begriff „aufgelaufene Zinsen“ nicht als „Verzugszinsen“ oder als pauschale Ausgleichszahlung im Sinne der oben in Rn. 64 angeführten Rechtsprechung eingestuft werden können, sondern ausschließlich einen tatsächlichen positiven Ertrag der Investition des betreffenden Betrags bezeichnet.

67      Folglich macht die Klägerin zu Recht geltend, die Kommission sei infolge des Urteils Printeos und unabhängig von der streitigen Vorschrift nach Art. 266 Abs. 1 AEUV in der Auslegung durch die Rechtsprechung verpflichtet gewesen, als Maßnahmen zur Durchführung dieses Urteils nicht nur den Hauptbetrag der Geldbuße zurückzuzahlen, sondern auch Verzugszinsen zu zahlen, um die Vorenthaltung dieses Betrags während des Referenzzeitraums pauschal auszugleichen, und verfüge insoweit über kein Ermessen.

68      Insoweit ist das Vorbringen der Kommission, es könne zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Klägerin wegen des negativen Ertrags des Hauptbetrags der Geldbuße während des Referenzzeitraums, ja zu einer Überkompensation wegen der Erstattung des Nominalwerts dieses Betrags kommen, zurückzuweisen, da ein solches Verständnis in direktem Widerspruch zu der in der Rechtsprechung hervorgehobenen Logik der pauschalen Ausgleichszahlung durch die Gewährung von Verzugszinsen steht.

69      Unter diesen Umständen ist angesichts der der Kommission durch Art. 266 Abs. 1 AEUV auferlegten absoluten und unbedingten Pflicht, Verzugszinsen zu zahlen, ohne dass sie insoweit über ein Ermessen verfügt, festzustellen, dass ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen diese Rechtsnorm vorliegt, der die außervertragliche Haftung der Union im Sinne von Art. 266 Abs. 2 AEUV in Verbindung mit Art. 340 Abs. 2 AEUV auslösen kann. Unter diesen Umständen braucht weder über die übrigen hierzu vorgebrachten Rügen der Klägerin noch über ihre gegen die streitige Vorschrift gerichtete Einrede der Rechtswidrigkeit entschieden zu werden.

 Zum Kausalzusammenhang und zum zu ersetzenden Schaden

70      Es ist darauf hinzuweisen, dass sich die in Art. 340 Abs. 2 AEUV aufgestellte Voraussetzung des Kausalzusammenhangs darauf bezieht, dass ein hinreichend unmittelbarer ursächlicher Zusammenhang zwischen dem vorgeworfenen rechtswidrigen Verhalten und dem geltend gemachten Schaden besteht (vgl. Urteile vom 18. März 2010, Trubowest Handel und Makarov/Rat und Kommission, C‑419/08 P, EU:C:2010:147, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 30. Mai 2017, Safa Nicu Sepahan/Rat, C‑45/15 P, EU:C:2017:402, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

71      Im vorliegenden Fall besteht zwischen der Nichterfüllung der Pflicht, Verzugszinsen nach Art. 266 Abs. 1 AEUV zu zahlen, durch die Kommission und dem der Klägerin entstandenen Schaden ein hinreichend unmittelbarer ursächlicher Zusammenhang. Dieser Schaden entspricht dem Verlust dieser Verzugszinsen während des Referenzzeitraums, die die pauschale Entschädigung für die Vorenthaltung des Hauptbetrags der Geldbuße während dieses Zeitraums darstellen und dem anwendbaren Refinanzierungszinssatz der EZB zuzüglich, wie im vorliegenden Fall verlangt, 2 Prozentpunkte entsprechen (siehe unten, Rn. 74).

72      Insoweit kann die Kommission der Klägerin nicht vorwerfen, frei entschieden zu haben, die Geldbuße vorläufig zu zahlen anstatt eine Bankgarantie, die im Übrigen auch Finanzierungskosten verursacht hätte, zu leisten, obwohl sie die in der streitigen Vorschrift vorgesehenen Bedingungen für die Rückzahlung nach einem etwaigen Nichtigkeitsurteil gekannt habe oder hätte kennen müssen. Wie die Kommission selbst einräumt, ist die vorläufige Zahlung der Geldbuße nach Art. 278 AEUV mangels aufschiebender Wirkung einer Klage gegen einen Beschluss, mit dem eine Geldbuße verhängt wird und der einen vollstreckbaren Titel darstellt, die grundsätzliche und erste Pflicht des betreffenden Unternehmens. Diese Zahlung ist im vorliegenden Fall außerdem in Art. 2 Abs. 2 des Beschlusses von 2014 gefordert. Daraus folgt, dass die Entscheidung der Klägerin, die Geldbuße vorläufig zu zahlen, die logische Folge dieses Beschlusses ist und den Kausalzusammenhang zwischen der festgestellten Rechtswidrigkeit und dem entstandenen Schaden nicht unterbrechen kann.

73      Zur Höhe des zu ersetzenden Schadens ist festzustellen, dass die Kommission im vorliegenden Fall den ersatzfähigen Hauptbetrag von 184 592,95 Euro, den die Klägerin als Ausgleich für die seit dem 9. März 2015 aufgelaufenen und nicht gezahlten Verzugszinsen fordert, als solchen nicht bestritten hat, sondern nur ihre Erhöhung um 3,5 anstatt um 2 Prozentpunkte gegenüber dem Refinanzierungszinssatz der EZB (siehe oben, Rn. 44). Unter diesen Umständen ist zu entscheiden, dass der verlangte Hauptbetrag im vorliegenden Fall ersatzfähig ist.

74      Angesichts dieses Bestreitens und des Umstands, dass sich die Klägerin im ersten Antrag ihrer Klageschrift darauf beschränkt hat, eine Entschädigung zu fordern, deren Betrag Verzugszinsen zum Refinanzierungszinssatz der EZB, erhöht um nur 2 Prozentpunkte, entspricht, verbietet es der Grundsatz ne ultra petita dem Gericht jedoch, über dieses Begehren hinauszugehen (vgl. entsprechend Urteil vom 19. Mai 1992, Mulder u. a./Rat und Kommission, C‑104/89 und C‑37/90, EU:C:1992:217, Rn. 35). Insoweit ist der in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag der Klägerin, den Aufschlag – wie in ihrer E‑Mail vom 26. Januar 2017 verlangt (siehe oben, Rn. 22) – auf 3,5 Prozentpunkte zu erhöhen, verspätet und steht im Widerspruch zum Grundsatz der Unveränderlichkeit der Anträge der Parteien (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. November 2017, HX/Rat, C‑423/16 P, EU:C:2017:848, Rn. 18). Schließlich hat die Klägerin nur hilfsweise, d. h. für den Fall der Zurückweisung des Hauptantrags, beantragt, ihr einen Zinssatz zuzusprechen, den das Gericht für angemessen erachtet.

75      Folglich ist dieser Antrag auf Erhöhung zurückzuweisen und der Betrag, der als Entschädigung zu zahlen ist, auf 184 592,95 Euro festzusetzen.

 Zum Antrag auf Gewährung von Verzugszinsen im Rahmen des zweiten Klageantrags

76      Da die Klägerin im Rahmen ihres zweiten Klageantrags die Gewährung von Verzugszinsen auf den oben in Rn. 75 genannten, als Entschädigung zu zahlenden Betrag beantragt hat, sind Verzugszinsen ab Verkündung des vorliegenden Urteils bis zur vollständigen Zahlung durch die Kommission zuzusprechen, und zwar, wie beantragt, zum Refinanzierungszinssatz der EZB zuzüglich 3,5 Prozentpunkte entsprechend Art. 83 Abs. 2 Buchst. b der Delegierten Verordnung Nr. 1268/2012 (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Januar 2017, Gascogne Sack Deutschland und Gascogne/Europäische Union, T‑577/14, EU:T:2017:1, Rn. 178 und 179).

77      Hingegen ist dieser Antrag zurückzuweisen, soweit er auf die Gewährung von Verzugszinsen ab dem 1. Februar 2017 abzielt.

78      Nach alledem ist dem Entschädigungsantrag im Sinne des ersten Klageantrags stattzugeben, ohne dass es erforderlich wäre, zu dem hilfsweisen Antrag auf Nichtigerklärung der streitigen E‑Mail Stellung zu nehmen.

 Kosten

79      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission im Wesentlichen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Dritte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Europäische Union, vertreten durch die Europäische Kommission, hat nach Art. 266 Abs. 1 AEUV in Durchführung des Urteils vom 13. Dezember 2016, Printeos u. a./Kommission (T95/15), den Schaden zu ersetzen, der der Printeos SA durch die unterbliebene Zahlung der ihr geschuldeten Verzugszinsen in Höhe von 184 592,95 Euro entstanden ist, die für den Zeitraum vom 9. März 2015 bis zum 1. Februar 2017 angefallen sind.

2.      Für die in Nr. 1 genannte Entschädigung sind ab Verkündung des vorliegenden Urteils bis zu ihrer vollständigen Zahlung Verzugszinsen in Höhe des von der Europäischen Zentralbank (EZB) für ihre wesentlichen Refinanzierungsgeschäfte festgesetzten Zinssatzes zuzüglich 3,5 Prozentpunkte zu zahlen.

3.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4.      Die Kommission trägt die Kosten.

Frimodt Nielsen

Kreuschitz

Forrester

Półtorak

 

      Perillo

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 12. Februar 2019.

Unterschriften


Inhaltsverzeichnis



*      Verfahrenssprache: Spanisch.