Language of document : ECLI:EU:T:2014:1036

URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer)

9. Dezember 2014(*)

„Gemeinschaftsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung der Gemeinschaftswortmarke VALDASAAR – Ältere Gemeinschaftswortmarke Val d’Azur – Relatives Eintragungshindernis – Verwechslungsgefahr – Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009“

In der Rechtssache T‑519/13

Leder & Schuh International AG, mit Sitz in Salzburg (Österreich), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt S. Korn,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch A. Pohlmann als Bevollmächtigten,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des HABM:

Valerie Epple, wohnhaft in Bronnen (Deutschland),

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des HABM vom 9. Juli 2013 (Sache R 719/2012‑1) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen Frau Valerie Epple und der Leder & Schuh International AG

erlässt

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin M. E. Martins Ribeiro (Berichterstatterin) sowie der Richter S. Gervasoni und L. Madise,

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund der am 25. September 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 16. Dezember 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien binnen der Frist von einem Monat nach der Mitteilung, dass das schriftliche Verfahren abgeschlossen ist, die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des daher auf Bericht der Berichterstatterin gemäß Art. 135a der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 13. Dezember 2010 meldete die Klägerin, die Leder & Schuh International AG, nach der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 78, S. 1) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen VALDASAAR.

3        Die Marke wurde für Waren und Dienstleistungen der Klassen 18, 25 und 35 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet.

4        Die Waren und Dienstleistungen der Klassen 25 und 35, gegen die sich der erhobene Widerspruch allein richtet, lauten:

–        Klasse 25: „Bekleidungsstücke, Schuhe, Stiefel, Pantoffeln, Sandalen, Stiefeletten, Boots, Wanderschuhe, Hausschuhe, Espandrilles, Turnschuhe, Gummistiefel, Socken, Strümpfe, Strumpfhosen, Legwarmers, Einlegesohlen“;

–        Klasse 35: „Einzelhandelsdienstleistungen eines Schuhgeschäftes, insbesondere das Zusammenstellen verschiedener Waren (ausgenommen deren Transport) für Dritte, um den Verbrauchern Ansicht und Erwerb dieser Waren zu erleichtern, hinsichtlich folgender Waren: chemische Erzeugnisse, insbesondere Imprägniermittel, Lederdehnspray, Putz- und Pflegemittel, Sonnenbrillen, echte und unechte Schmuckwaren, Uhren, Wecker, Büroartikel (ausgenommen Möbel), Taschen, Beutel, Umhängetaschen, Geldbörsen, Brieftaschen, Koffer und Reisetaschen, alle vorgenannten Waren insbesondere aus Leder oder Lederimitationen, Schuhsäcke und Schuhbeutel, Gürteltaschen, Schuhformer, Tücher, Schuhe, Stiefel, Pantoffeln, Sandalen, Stiefeletten, Boots, Wanderschuhe, Hausschuhe, Espandrilles, Turnschuhe, Gummistiefel, Socken, Strümpfe, Strumpfhosen, Legwarmers, Einlegesohlen, Bekleidung, Unterwäsche, Kopfbedeckungen, Schals, Handschuhe, Bikinis, Schweißbänder, Stirnbänder, Gürtel, Schnürsenkel, Haarspangen, Spiele, Spielzeug, Turn- und Sportartikel, Christbaumschmuck; Einzelhandelsdienstleistungen bezüglich folgender Waren: Chemische Erzeugnisse, insbesondere Imprägniermittel, Lederdehnspray, Putz- und Pflegemittel, Sonnenbrillen, echte und unechte Schmuckwaren, Uhren, Wecker, Büroartikel (ausgenommen Möbel), Taschen, Beutel, Umhängetaschen, Geldbörsen, Brieftaschen, Koffer und Reisetaschen, alle vorgenannten Waren insbesondere aus Leder oder Lederimitationen, Schuhsäcke und Schuhbeutel, Gürteltaschen, Schuhformer, Tücher, Schuhe, Stiefel, Pantoffeln, Sandalen, Stiefeletten, Boots, Wanderschuhe, Hausschuhe, Espandrilles, Turnschuhe, Gummistiefel, Socken, Strümpfe, Strumpfhosen, Legwarmers, Einlegesohlen, Bekleidung, Unterwäsche, Kopfbedeckungen, Schals, Handschuhe, Bikinis, Schweißbänder, Stirnbänder, Gürtel, Schnürsenkel, Haarspangen, Spiele, Spielzeug, Turn- und Sportartikel, Christbaumschmuck“.

5        Die Anmeldung der Gemeinschaftsmarke wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 47/2011 vom 9. März 2011 veröffentlicht.

6        Am 18. Mai 2011 erhob Frau Valerie Epple gegen die Eintragung der angemeldeten Marke für die oben in Rn. 4 genannten Waren und Dienstleistungen Widerspruch nach Art. 41 der Verordnung Nr. 207/2009.

7        Der Widerspruch, der mit Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 begründet wurde, wurde auf die ältere Gemeinschaftswortmarke Val d’Azur gestützt, die am 15. Juli 2010 angemeldet und am 15. November 2010 unter der Nr. 9248196 eingetragen wurde und folgende Waren der Klasse 25 umfasst: „Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen“.

8        Mit Entscheidung vom 10. Februar 2012 gab die Widerspruchsabteilung dem Widerspruch teilweise statt. Sie gelangte zu dem Ergebnis, dass zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen für folgende Waren und Dienstleistungen Verwechslungsgefahr bestehe:

–        Klasse 25: „Bekleidungsstücke, Schuhe, Stiefel, Pantoffeln, Sandalen, Stiefeletten, Boots, Wanderschuhe, Hausschuhe, Espandrilles, Turnschuhe, Gummistiefel, Socken, Strümpfe, Strumpfhosen, Legwarmers, Einlegesohlen“;

–        Klasse 35: „Einzelhandelsdienstleistungen eines Schuhgeschäftes, insbesondere das Zusammenstellen verschiedener Waren (ausgenommen deren Transport) für Dritte, um den Verbrauchern Ansicht und Erwerb dieser Waren zu erleichtern, hinsichtlich folgender Waren: Schuhe, Stiefel, Pantoffeln, Sandalen, Stiefeletten, Boots, Wanderschuhe, Hausschuhe, Espandrilles, Turnschuhe, Gummistiefel, Socken, Strümpfe, Strumpfhosen, Legwarmers, Einlegesohlen, Bekleidung, Unterwäsche, Kopfbedeckungen, Schals, Handschuhe, Bikinis, Schweißbänder, Stirnbänder, Gürtel; Einzelhandelsdienstleistungen bezüglich folgender Waren: Schuhe, Stiefel, Pantoffeln, Sandalen, Stiefeletten, Boots, Wanderschuhe, Hausschuhe, Espandrilles, Turnschuhe, Gummistiefel, Socken, Strümpfe, Strumpfhosen, Legwarmers, Einlegesohlen, Bekleidung, Unterwäsche, Kopfbedeckungen, Schals, Handschuhe, Bikinis, Schweißbänder, Stirnbänder, Gürtel“.

9        Am 10. April 2012 legte die Klägerin gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung nach den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 Beschwerde ein, soweit in der Entscheidung ihre Anmeldung für die Waren und Dienstleistungen der Klassen 25 und 35 zurückgewiesen worden war.

10      Mit Entscheidung vom 9. Juli 2013 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) hob die Erste Beschwerdekammer des HABM zum einen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung, mit der die Eintragung der angemeldeten Marke für die oben in Rn. 4 genannten Dienstleistungen der Klasse 35 abgelehnt worden war, auf und ließ dementsprechend die Marke insoweit zur Eintragung zu.

11      Zum anderen bestätigte die Beschwerdekammer die Entscheidung der Widerspruchsabteilung hinsichtlich der Verwechslungsgefahr zwischen den von den Zeichen erfassten Waren der Klasse 25. Hierzu stellte sie in Rn. 20 der angefochtenen Entscheidung fest, die von der älteren Marke betroffenen Waren und die von der Anmeldemarke erfassten Waren seien identisch. In Bezug auf die Ähnlichkeit der beiden Zeichen nahm die Beschwerdekammer in Rn. 23 der angefochtenen Entscheidung eine gewisse schriftbildliche Ähnlichkeit der Zeichen an und in Rn. 24 der angefochtenen Entscheidung einen durchschnittlichen Grad phonetischer Ähnlichkeit. Darüber hinaus könne in begrifflicher Hinsicht kein Vergleich vorgenommen werden. Zur Kennzeichnungskraft führte die Beschwerdekammer in Rn. 30 der angefochtenen Entscheidung aus, dass die Kennzeichnungskraft der älteren Marke durchschnittlich sei, da der Ausdruck „Val d’Azur“ für die betreffenden Waren keine beschreibende Bedeutung habe. Die Beschwerdekammer kam in Rn. 33 der angefochtenen Entscheidung zu dem Ergebnis, dass in Anbetracht der Identität der in Rede stehenden Waren und des Grads der Ähnlichkeit der Zeichen insoweit Verwechslungsgefahr bestehe.

 Anträge der Parteien

12      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        den Widerspruch zurückzuweisen;

–        dem HABM die Kosten aufzuerlegen;

13      Das HABM beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Zur Zulässigkeit der Klage

14      Das HABM trägt vor, die Klage sei unzulässig, da die Klägerin die Klagegründe, die die Grundlage der Klage bildeten, nicht klar dargestellt habe. Die Klägerin nenne keine Rechtsvorschrift, die die Beschwerdekammer verletzt haben solle. Es werde nicht deutlich, ob sich die Klägerin auf eine Verletzung des Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 oder des Art. 75 Satz 2 dieser Verordnung berufe.

15      Der Einrede der Unzulässigkeit kann nicht stattgegeben werden.

16      Die Klägerin beruft sich zwar lediglich auf eine Verletzung der Verordnung Nr. 207/2009, aber aus der Klageschrift geht in hinreichender Weise hervor, dass die Klägerin als einzigen Klagegrund einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 anführt, da die Beurteilung der Beschwerdekammer in Bezug auf die schriftbildliche, klangliche und begriffliche Ähnlichkeit der Zeichen fehlerhaft sei. Darüber hinaus ergibt sich aus der Klageschrift nichts dafür, dass sich die Klägerin auch auf einen Verstoß gegen Art. 75 Satz 2 dieser Verordnung beriefe.

17      Schließlich geht aus der Klagebeantwortung des HABM ungeachtet seiner Einrede der Unzulässigkeit in hinreichender Weise hervor, dass das HABM in der Lage war, die Rügen der Klägerin gegen die angefochtene Entscheidung zu verstehen.

18      Demnach ist die vom HABM erhobene Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen.

 Zur Begründetheit

19      Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, die Beurteilung der schriftbildlichen und klanglichen Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen sei fehlerhaft, so dass angesichts der geringen Kennzeichnungskraft der älteren Marke keine Verwechslungsgefahr zwischen den Zeichen bestehe.

20      Gemäß Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 ist die angemeldete Marke auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke von der Eintragung ausgeschlossen, wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit einer älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt; dabei schließt die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr ein, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird. Gemäß Art. 8 Abs. 2 Buchst. a Ziff. i dieser Verordnung gehören zu den älteren Marken Gemeinschaftsmarken mit einem früheren Anmeldetag als dem Tag der Anmeldung der Gemeinschaftsmarke.

21      Nach ständiger Rechtsprechung liegt Verwechslungsgefahr dann vor, wenn das Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (Urteile vom 10. September 2008, Boston Scientific/HABM – Terumo [CAPIO], T‑325/06, EU:T:2008:338, Rn. 70, und vom 31. Januar 2012, Cervecería Modelo/HABM – Plataforma Continental (LA VICTORIA DE MEXICO), T‑205/10, EU:T:2012:36, Rn. 23; vgl. auch entsprechend Urteile vom 29. September 1998, Canon, C‑39/97, Slg, EU:C:1998:442, Rn. 29, und vom 22. Juni 1999, Lloyd Schuhfabrik Meyer, C‑342/97, Slg, EU:C:1999:323, Rn. 17).

22      Darüber hinaus ist das Vorliegen von Verwechslungsgefahr beim Publikum unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des konkreten Falles umfassend zu beurteilen (Urteil CAPIO, oben in Rn. 21 angeführt, EU:T:2008:338, Rn. 71; vgl. auch entsprechend Urteile vom 11. November 1997, SABEL, C‑251/95, Slg, EU:C:1997:528, Rn. 22, Canon, oben in Rn. 21 angeführt, EU:C:1998:442, Rn. 16, und Lloyd Schuhfabrik Meyer, oben in Rn. 21 angeführt, EU:C:1999:323, Rn. 18).

23      Diese umfassende Beurteilung impliziert eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen. So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (Urteile vom 13. September 2007, Il Ponte Finanziaria/HABM, C‑234/06 P, Slg, EU:C:2007:514, Rn. 48, und vom 23. Oktober 2002, Matratzen Concord/HABM – Hukla Germany [MATRATZEN], T‑6/01, Slg, EU:T:2002:261, Rn. 25; vgl. auch entsprechend Urteil Canon, oben in Rn. 21 angeführt, EU:C:1998:442, Rn. 17). Die Wechselbeziehung zwischen den Faktoren kommt im achten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 207/2009 zum Ausdruck, wonach der Begriff der Ähnlichkeit im Hinblick auf die Verwechslungsgefahr auszulegen ist, deren Feststellung ihrerseits von zahlreichen Faktoren abhängt, u. a. von dem Bekanntheitsgrad der Marke auf dem Markt, der gedanklichen Verbindung, die zwischen ihr und dem benutzten oder eingetragenen Zeichen hergestellt werden kann, und dem Grad der Ähnlichkeit zwischen der Marke und dem Zeichen sowie zwischen den damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen (vgl. Urteil vom 18. September 2012, Scandic Distilleries/HABM – Bürgerbräu, Röhm & Söhne (BÜRGER), T‑460/11, EU:T:2012:432, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

24      Wie aus dem achten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 207/2009 hervorgeht, hängt das Vorliegen von Verwechslungsgefahr von einer Vielzahl von Umständen ab, insbesondere vom Bekanntheitsgrad der Marke auf dem betreffenden Markt. Da die Verwechslungsgefahr umso größer ist, je größer sich die Kennzeichnungskraft der Marke darstellt, genießen Marken, die von Haus aus oder wegen ihrer Bekanntheit auf dem Markt eine erhöhte Kennzeichnungskraft besitzen, einen umfassenderen Schutz als Marken mit geringerer Kennzeichnungskraft (vgl. entsprechend Urteile SABEL, oben in Rn. 22 angeführt, EU:C:1997:528, Rn. 24, Canon, oben in Rn. 21 angeführt, EU:C:1998:442, Rn. 18, und Lloyd Schuhfabrik Meyer, oben in Rn. 21 angeführt, EU:C:1999:323, Rn. 20).

25      Ferner ist bei der umfassenden Beurteilung der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen in Bild, Klang oder Bedeutung auf den Gesamteindruck abzustellen, den sie hervorrufen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Aus dem Wortlaut des Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009, der darauf abstellt, dass „für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen … besteht“, geht nämlich hervor, dass es für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr entscheidend darauf ankommt, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher der fraglichen Art von Waren oder Dienstleistungen wirkt. Der Durchschnittsverbraucher nimmt eine Marke normalerweise als Ganzes wahr und achtet nicht auf die verschiedenen Einzelheiten (Urteil BÜRGER, oben in Rn. 23 angeführt, EU:T:2012:432, Rn. 27; vgl. auch entsprechend Urteil SABEL, oben in Rn. 22 angeführt, EU:C:1997:528, Rn. 23).

26      Bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist auf einen normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren abzustellen. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass sich dem Durchschnittsverbraucher nur selten die Möglichkeit bietet, verschiedene Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen, sondern dass er sich auf das unvollkommene Bild dieser Marken verlassen muss, das er im Gedächtnis behalten hat. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers je nach Art der betreffenden Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann (vgl. Urteil BÜRGER, oben in Rn. 23 angeführt, EU:T:2012:432, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. auch entsprechend Urteil Lloyd Schuhfabrik Meyer, oben in Rn. 21 angeführt, EU:C:1999:323, Rn. 26).

27      Im Licht der vorstehenden Erwägungen ist die von der Beschwerdekammer vorgenommene Beurteilung der Gefahr von Verwechslungen zwischen den Zeichen zu überprüfen.

28      Im vorliegenden Fall ist der Referenzverbraucher für die Art der in Rede stehenden Waren, wie die Beschwerdekammer zu Recht in Rn. 18 der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, ohne dass dies von der Klägerin bestritten worden wäre, ein normal informierter und angemessen aufmerksamer Durchschnittsverbraucher.

29      Erstens hat die Beschwerdekammer in Rn. 20 der angefochtenen Entscheidung zum Vergleich der in Rede stehenden Waren unter Verweis auf die in Rn. 7 dieser Entscheidung wiedergegebenen Ausführungen der Widerspruchsabteilung konstatiert, dass diese Waren, die alle der Klasse 25 angehörten, identisch seien. Diese Feststellung, die von der Klägerin – nach deren Ansicht lediglich eine weitgehende Übereinstimmung der Waren besteht, ohne dass sie jedoch einen Unterschied zwischen diesen benannt hätte – nicht wirklich bestritten worden ist, kann nur bestätigt werden.

30      Die von der Anmeldemarke erfassten Waren werden nämlich von dem Verzeichnis der von der älteren Marke erfassten Waren derselben Klasse eingeschlossen.

31      Was zweitens die Prüfung der Ähnlichkeit der beiden Zeichen anbelangt, ist zunächst zur schriftbildlichen Zeichenähnlichkeit festzustellen, dass nach Ansicht der Beschwerdekammer laut Rn. 23 ihrer Entscheidung die Schreibweise in Groß- oder Kleinbuchstaben, weil es sich hier um Wortmarken handele, irrelevant ist und ungeachtet des Umstands, dass die ältere Marke aus drei Wörtern und die Anmeldemarke nur aus einem Wort bestehe, infolge der Länge der Zeichen, ihrer Vokalfolge und der identischen Abfolge der ersten fünf Buchstaben eine gewisse schriftbildliche Ähnlichkeit besteht.

32      Diese Feststellung ist zu bestätigen. Das Vorbringen der Klägerin, es sei keine Ähnlichkeit gegeben, da die Beschwerdekammer nicht hinreichend gewürdigt habe, dass die Zeichen aus unterschiedlich vielen Elementen bestünden, nämlich die ältere Marke aus zwei oder drei Teilen und die Anmeldemarke aus nur einem, und dass die ältere Marke einen Leerschritt bzw. ein Apostroph enthalte, geht in tatsächlicher Hinsicht fehl, da die Beschwerdekammer diese Gesichtspunkte gerade berücksichtigt hat und zu dem Ergebnis gelangt ist, dass eine gewisse Ähnlichkeit bestehe.

33      Es kann demgemäß nicht angenommen werden, dass, wie die Klägerin, behauptet, ein geringer Grad visueller Ähnlichkeit gegeben sei, wenn die beiden Zeichen wie im vorliegenden Fall ähnlich lang sind – die ältere Marke besteht aus acht Buchstaben und die Anmeldemarke aus neun Buchstaben −, ihre ersten fünf Buchstaben identisch und die Vokale ähnlich angeordnet sind.

34      In Bezug auf die klangliche Ähnlichkeit der beiden Zeichen hat die Beschwerdekammer in Rn. 24 der angefochtenen Entscheidung wiederum zu Recht festgestellt, dass eine gewisse Ähnlichkeit bestehe, da die ersten fünf Buchstaben der Zeichen übereinstimmten und die Zeichen zumindest im Französischen den gleichen Sprechrhythmus sowie die gleiche Länge, Silbenanzahl und Betonung hätten, auch wenn sie sich in den beiden Endlauten „zur“ und „saar“ unterschieden. Wie das HABM ausführt, unterscheiden sich diese Endlaute zwar tatsächlich, doch weisen sie auch phonetische Ähnlichkeiten auf.

35      Das Vorbringen der Klägerin, die ältere Marke werde zweigliedrig ausgesprochen, ist unzutreffend. Zumindest im Französischen, als von der Beschwerdekammer berücksichtigten Sprache, wird der Ausdruck „val d’azur“ in einem ausgesprochen werden, zumal der Ausdruck „côte d’azur“ entgegen der Behauptung der Klägerin häufig ebenfalls in einem ausgesprochen wird, wobei der Buchstabe „e“ unausgesprochen bleibt.

36      Darüber hinaus legt der Verbraucher üblicherweise dem ersten Teil der Wörter mehr Gewicht bei (Urteile vom 17. März 2004, El Corte Inglés/HABM – González Cabello und Iberia Líneas Aéreas de España (MUNDICOR), T‑183/02 und T‑184/02, Slg, EU:T:2004:79, Rn. 81, und vom 7. Februar 2013, AMC‑Representações Têxteis/HABM – MIP Metro (METRO KIDS COMPANY), T‑50/12, EU:T:2013:68, Rn. 40).

37      Da bei jedem der Zeichen die ersten beiden Silben identisch ausgesprochen werden und sich die Aussprache der letzten Silben nicht wesentlich unterscheidet, ist der Schluss zu ziehen, dass, wie die Beschwerdekammer zu Recht in Rn. 24 der angefochtenen Entscheidung konstatiert hat, ein durchschnittlicher Grad phonetischer Ähnlichkeit der Zeichen besteht.

38      Hierzu ist anzumerken, ohne dass dies im Übrigen von der Klägerin angeführt worden wäre, dass ein Widerspruch vorliegt zwischen Rn. 24 der angefochtenen Entscheidung, in der die Beschwerdekammer angenommen hat, der Grad phonetischer Ähnlichkeit der Zeichen sei durchschnittlich, und Rn. 27 dieser Entscheidung, in der die Beschwerdekammer zu dem Ergebnis gelangt ist, dass ein hoher Grad phonetischer Ähnlichkeit bestehe.

39      Insoweit genügt jedoch der Hinweis, dass, wie bereits oben in Rn. 37 ausgeführt worden ist, der Grad phonetischer Ähnlichkeit der Zeichen, wie sich aus der Prüfung der Beschwerdekammer in Rn. 24 der angefochtenen Entscheidung ergibt, durchschnittlich ist und dass die Stichhaltigkeit der von der Beschwerdekammer vorgenommenen Beurteilung, wonach eine Verwechslungsgefahr zu bejahen ist, unter dieser Voraussetzung, die im Übrigen die für die Klägerin günstigere ist, geprüft werden wird.

40      Was schließlich die begriffliche Ähnlichkeit der Zeichen angeht, hat die Beschwerdekammer in Rn. 27 der angefochtenen Entscheidung ebenfalls zu Recht festgestellt, dass kein begrifflicher Vergleich vorgenommen werden könne. Im Übrigen stimmt die Klägerin der angefochtenen Entscheidung in diesem Punkt weitgehend zu.

41      Es ist nämlich wahrscheinlich, dass das Wort „Valdasaar“ als Phantasiebegriff ohne Bedeutung angesehen wird. Jedenfalls wird es der europäische Durchschnittsverbraucher, wie im Übrigen auch den Ausdruck „Val d’Azur“, als Phantasiebegriff wahrnehmen. Nur das französischsprachige Publikum wird den Ausdruck als Bezugnahme auf ein großes Tal oder, wie das HABM zu Recht ausführt, auf ein Tal des Himmelblaus verstehen.

42      Dem Vorbringen der Klägerin, die Anmeldemarke werde wie „Balthazar“ namensmäßig eingeordnet werden und die ältere Marke beziehe sich auf eine fiktive Landschaft, kann deshalb nicht zugestimmt werden.

43      Folglich ist die Feststellung der Beschwerdekammer, in begrifflicher Hinsicht könne kein Vergleich vorgenommen werden, zu bestätigen.

44      Nach alledem besteht zwischen den Zeichen eine gewisse visuelle Ähnlichkeit und ein durchschnittlicher Grad phonetischer Ähnlichkeit, so dass sie insgesamt ähnlich sind.

45      Drittens hat die Beschwerdekammer zur inhärenten Kennzeichnungskraft der älteren Marke in Rn. 30 der angefochtenen Entscheidung angenommen, dass sie durchschnittlich sei, da der Ausdruck „Val d’Azur“ für die von der älteren Marke erfassten Waren keine beschreibende Bedeutung habe.

46      Dieser Feststellung ist gleichfalls zuzustimmen, und dem Vorbringen der Klägerin – das sie im Übrigen nicht untermauert hat –, die ältere Marke besitze nur eine geringe Kennzeichnungskraft, weil sie sich auf die Côte d’Azur als eine weltbekannte Region in Verbindung mit einer in dem Wort „Val“ bestehenden Regionalgattung beziehe, kann nicht gefolgt werden.

47      Außerhalb des französischsprachigen Gebiets wird der Ausdruck „Val d’Azur“ nämlich als eine Phantasiebezeichnung und ohne jeden Sinngehalt wahrgenommen werden. Folglich kann nicht davon ausgegangen werden, dass dieser Ausdruck geringe Kennzeichnungskraft besitzt.

48      Schließlich ist zu der Verwechslungsgefahr darauf hinzuweisen, dass eine solche vorliegt, wenn kumulativ der Grad der Ähnlichkeit der in Rede stehenden Marken und der Grad der Ähnlichkeit der mit diesen Marken gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen hoch genug sind (Urteil vom 11. Januar 2013, Kokomarina/HABM – Euro Shoe Group [interdit de me gronder IDMG], T‑568/11, EU:T:2013:5, Rn. 48).

49      Im vorliegenden Fall ist oben in Rn. 29 festgestellt worden, dass die Waren identisch sind, und in Rn. 44, dass die Zeichen insgesamt ähnlich sind.

50      Daraus folgt, dass bei kumulativer Betrachtung der Grad der Ähnlichkeit der Zeichen und der Grad der Ähnlichkeit der mit diesen gekennzeichneten Waren hoch genug sind. Daher hat die Beschwerdekammer in Rn. 33 der angefochtenen Entscheidung zu Recht angenommen, dass zwischen den Zeichen Verwechslungsgefahr bestehe.

51      Deshalb ist der einzige Klagegrund der Klägerin zurückzuweisen sowie die Klage insgesamt abzuweisen, ohne dass es erforderlich ist, über die Zulässigkeit des Antrags auf Zurückweisung des Widerspruchs zu befinden (vgl. Urteil vom 11. Juni 2009, Hedgefund Intelligence/HABM – Hedge Invest [InvestHedge], T‑67/08, EU:T:2009:198, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 Kosten

52      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des HABM die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Leder & Schuh International AG trägt die Kosten.

Martins Ribeiro

Gervasoni

Madise

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 9. Dezember 2014.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.