Language of document : ECLI:EU:T:2010:57

URTEIL DES GERICHTS (Rechtsmittelkammer)

2. März 2010

Rechtssache T‑248/08 P

Frantisek Doktor

gegen

Rat der Europäischen Union

„Rechtsmittel – Öffentlicher Dienst – Beamte – Einstellung – Probezeit – Verlängerung der Probezeit – Probezeitbericht – Entlassung am Ende der Probezeit – Art. 34 des Statuts – Verfälschung von Tatsachen und Beweisen – Begründungspflicht des Gerichts für den öffentlichen Dienst“

Gegenstand:      Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union (Dritte Kammer) vom 16. April 2008, Doktor/Rat (F‑73/07, Slg. ÖD 2008, I‑A‑1‑91 und II‑A‑1‑479), wegen Aufhebung dieses Urteils und Zuerkennung einer Entschädigung

Entscheidung:      Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen. Frantisek Doktor und der Rat der Europäischen Union tragen ihre eigenen Kosten im vorliegenden Rechtszug.

Leitsätze

1.      Verfahren – Begründungspflicht – Umfang

(Satzung des Gerichtshofs, Art. 36 und Anhang I Art. 7 Abs. 1)

2.      Beamte – Fürsorgepflicht der Verwaltung – Umfang

(Beamtenstatut, Art. 34)

3.      Beamte – Klage – Beschwerende Maßnahme – Begriff – Vorbereitende Maßnahme – Bericht über die Probezeit im Hinblick auf die Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit oder die Entlassung – Ausschluss

(Beamtenstatut, Art. 34, 90 und 91)

4.      Rechtsmittel – Rechtsmittelgründe – Unzureichende Begründung

(Art. 253 EG)

5.      Beamte – Beschwerende Verfügung – Begründungspflicht – Umfang – Unzureichende Begründung

(Art. 253 EG; Beamtenstatut, Art. 25)

1.      Die Urteile des Gerichts für den öffentlichen Dienst müssen ausreichend begründet sein, damit das Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Diese Verpflichtung bedeutet jedoch nicht, dass sich das Gericht für den öffentlichen Dienst detailliert mit jedem vom Kläger vorgebrachten Argument befassen müsste, insbesondere, wenn es nicht hinreichend klar und bestimmt und nicht auf geeignete Beweismittel gestützt ist.

(vgl. Randnr. 64)

Verweisung auf:

Gerichtshof, 6. März 2001, Connolly/Kommission, C‑274/99 P, Slg. 2001, I‑1611, Randnr. 121; Gerichtshof, 4. Oktober 2007, Naipes Heraclio/HABM, C‑311/05 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 52; Gerichtshof, 9. September 2008, FIAMM und FIAMM Technologies/Rat und Kommission, C‑120/06 P und C‑121/06 P, Slg. 2008, I‑6513, Randnr. 91

2.      Die Fürsorgepflicht verlangt, dass zwischen dem dienstlichen Interesse und den Interessen des betreffenden Beamten ein gerechter Ausgleich hergestellt wird; anstatt gegen einen Beamten auf Probe sofort strenge Maßnahmen zu erlassen, kann die Anstellungsbehörde diesem für den Nachweis, dass er die Voraussetzungen für die Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit erfüllt, daher eine zweite Chance geben.

(vgl. Randnr. 79)

Verweisung auf:

Gerichtshof, 29. Juni 1994, Klinke/Gerichtshof, C‑298/93 P, Slg. 1994, I‑3009, Randnr. 38

3.      Beim Probezeitbericht handelt es sich um eine Maßnahme zur Vorbereitung der Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit oder der Entlassung und damit nicht um eine beschwerende Maßnahme.

(vgl. Randnr. 81)

Verweisung auf:

Gericht, 16. März 2009, R/Kommission, T‑156/08 P, Slg. ÖD 2009, I‑B‑1‑11 und II‑B‑1‑51, Randnrn. 48 bis 55

4.      Die Frage des Umfangs der Pflicht zur Begründung einer Entscheidung eines Organs der Gemeinschaft ist eine Rechtsfrage, die im Rahmen eines Rechtsmittels gegen ein Urteil des Gerichts für den öffentlichen Dienst der Nachprüfung durch das Gericht unterliegt.

(vgl. Randnr. 92)

Verweisung auf:

Gerichtshof, 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, Slg. 2005, I‑5425, Randnr. 453; Gerichtshof, 28. Februar 2008, Neirinck/Kommission, C‑17/07 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 50 bis 52; Gerichtshof, 10. Juli 2008, Bertelsmann und Sony Corporation of America/Impala, C‑413/02 P, Slg. 2008, I‑4951, Randnr. 30

5.      Ein Mangel in der Begründung einer gegen einen Beamten erlassenen Entscheidung eines Organs der Gemeinschaft – nicht jedoch das völlige Fehlen einer Begründung – kann auch noch im Laufe des Verfahrens behoben werden, wenn der Betroffene vor Klageerhebung bereits über Informationen verfügte, die im Ansatz eine Begründung darstellten. Darüber hinaus kann eine Entscheidung hinreichend begründet sein, wenn sie in einem Zusammenhang ergangen ist, der dem betroffenen Beamten bekannt war und ihn in die Lage versetzt hat, ihre Tragweite zu verstehen. Schließlich kann die Begründung insbesondere bei Entscheidungen über die Ablehnung einer Beförderung oder Bewerbung im Rahmen der Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde ergänzt werden; da die Begründung der letztgenannten Entscheidung auch für die Entscheidung, maßgebend, gegen die die Beschwerde gerichtet war, maßgebend ist.

(vgl. Randnr. 93)

Verweisung auf:

Gericht, 15. September 2005, Casini/Kommission, T‑132/03, Slg. ÖD 2005, I‑A‑253 und II‑1169, Randnrn. 32 und 36 und die dort angeführte Rechtsprechung; Gericht, 3. Oktober 2006, Nijs/Rechnungshof, T‑171/05, Slg. ÖD 2006, I‑A‑2‑195 und II‑A‑2‑999, Randnrn. 42 und 45; Gericht, 4. Juli 2007, Lopparelli/Kommission, T‑502/04, Slg. ÖD 2007, I‑A‑2‑145 und II‑A‑2‑995, Randnrn. 76 und 83; Gericht, 11. Juli 2007, Konidaris/Kommission, T‑93/03, Slg. ÖD 2007, I‑A‑2‑149 und II‑A‑2‑1045, Randnrn. 51 bis 54