Language of document : ECLI:EU:C:2018:287

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

JULIANE KOKOTT

vom 26. April 2018(1)

Rechtssache C17/17

Grenville Hampshire

gegen

The Board of the Pension Protection Fund,

Beteiligte:

Secretary of State for Work and Pensions

(Vorabentscheidungsersuchen des Court of Appeal [Berufungsgericht, Vereinigtes Königreich])

„Vorabentscheidungsverfahren – Schutz von Arbeitnehmern bei Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers – Art. 8 der Richtlinie 2008/94/EG – Schutz erworbener Rechte und Anwartschaften der Arbeitnehmer auf Leistungen bei Alter – Betriebliche Zusatzversorgungseinrichtung – Mindestgarantie – Unmittelbare Anwendbarkeit“






I.      Einführung

1.        Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen aus dem Bereich der Sozialpolitik betrifft den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers. Konkret geht es um das Schicksal von Ansprüchen aus einer betrieblichen Altersvorsorge, die vom Arbeitgeber eingerichtet wurde, im Insolvenzfall. Solche Ansprüche werden von Art. 8 der Richtlinie 2008/94/EG(2) erfasst, welcher die Mitgliedstaaten verpflichtet, für den Fall der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers Maßnahmen zum Schutz der Interessen der Arbeitnehmer hinsichtlich ihrer Rechte auf Leistungen bei Alter zu treffen. Diesen Schutzauftrag hat der Gerichtshof in seinen Urteilen in den Rechtssachen Robins und Hogan bereits dahingehend konkretisiert, dass Arbeitnehmern im Falle der Insolvenz ihres Arbeitgebers mindestens 50 % ihrer Ansprüche auf Leistungen bei Alter erhalten bleiben müssen.(3)

2.        Im vorliegenden Verfahren rückt erneut die Umsetzung der Richtlinie im Vereinigten Königreich in den Fokus, welche eine absolute Deckelung der Ausgleichsansprüche vorsieht, die Arbeitnehmern im Falle der Insolvenz ihres Arbeitgebers zustehen. Von der streitigen nationalen Regelung betroffen sind vor allem solche Arbeitnehmer, deren Ansprüche aus der betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung bereits relativ hoch sind. Im Fall des Klägers im Ausgangsverfahren, Herrn Hampshire, führt diese Regelung zu einer Einbuße von über 67 % seiner Ansprüche auf Altersrente.

3.        Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach dem Umfang und der praktischen Handhabung der Mindestgarantie der erworbenen Rentenansprüche, die der Gerichtshof herausgearbeitet hat.

4.        Außerdem stellt sich die Frage nach der Möglichkeit einer unmittelbaren Anwendbarkeit von Art. 8 der Richtlinie im vorliegenden Verfahren. Diese Bestimmung ist zwar von ihrem Wortlaut her relativ offen gefasst, wurde gleichzeitig aber durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs bereits weitreichend konkretisiert.

II.    Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

5.        Der unionsrechtliche Rahmen dieses Falles wird durch die Vorschriften der Richtlinie 2008/94 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (im Folgenden auch: Richtlinie) bestimmt. Diese bezweckt ausweislich ihres dritten Erwägungsgrundes den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers, insbesondere im Hinblick auf die Zahlung nicht erfüllter Ansprüche.

6.        Art. 8 der Richtlinie bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten vergewissern sich, dass die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Interessen der Arbeitnehmer sowie der Personen, die zum Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers aus dessen Unternehmen oder Betrieb bereits ausgeschieden sind, hinsichtlich ihrer erworbenen Rechte oder Anwartschaftsrechte auf Leistungen bei Alter, einschließlich Leistungen für Hinterbliebene, aus betrieblichen oder überbetrieblichen Zusatzversorgungseinrichtungen außerhalb der einzelstaatlichen gesetzlichen Systeme der sozialen Sicherheit getroffen werden.“

7.        Außerdem ist auf Art. 12 Buchst. a) der Richtlinie hinzuweisen, der folgende Regelung enthält:

„Diese Richtlinie steht nicht der Möglichkeit der Mitgliedstaaten entgegen,

a)      die zur Vermeidung von Missbräuchen notwendigen Maßnahmen zu treffen;

b)      (…)“

B.      Nationales Recht

8.        Die Richtlinie 2008/94 wurde im Vereinigten Königreich, soweit es um den Schutz der Rechte von Arbeitnehmern auf Leistungen im Alter geht, im Wesentlichen durch den Pensions Act 2004 (Rentengesetz von 2004) umgesetzt.

9.        Das Rentengesetz von 2004 errichtet einen gesetzlichen Rentensicherungsfond, den Pension Protection Fund (im Folgenden: PPF). Im Fall der Zahlungsunfähigkeit eines Arbeitgebers übernimmt dieser Fond unter bestimmten Voraussetzungen die Haftung für die Ansprüche der Arbeitnehmer aus der betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung. Zur Finanzierung dieser Aufgabe erhebt er eine Abgabe von allen zugelassenen betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtungen. Außerdem übernimmt er im Fall der Haftungsübernahme die verbleibenden Aktiva der betroffenen Einrichtung. Das Board of the Pension Protection Fund (im Folgenden: Board) verwaltet den PPF.

10.      Nach Section 127 Abs. 2 des Rentengesetzes von 2004 ist eine Voraussetzung für die Übernahme der Haftung durch den PPF, dass der Wert der Aktiva der betroffenen Einrichtung zum Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit geringer ist als die Höhe der geschützten Verbindlichkeiten.

11.      Als „geschützte Verbindlichkeiten“ im Sinne dieser Vorschrift gelten jedoch nicht die vollen Rentenansprüche aller Arbeitnehmer des betrieblichen Zusatzversorgungssystems, sondern nur die Ausgleichsansprüche, die sich für sie aus dem Rentengesetz von 2004 ergeben (sog. PPF-Ausgleich). Die Höhe des jeweils zu zahlenden PPF-Ausgleichs wird vom Board nach Eintritt der Insolvenz während eines sogenannten Prüfungszeitraumes festgesetzt.

12.      Für Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt der Insolvenz des Arbeitgebers bereits das normale Rentenalter ihrer Versorgungseinrichtung erreicht hatten, sieht Section 162 des Rentengesetzes von 2004 keine Kürzung ihrer Ansprüche vor. Demgegenüber haben Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt der Insolvenz das normale Rentenalter noch nicht erreicht haben, lediglich einen Anspruch auf 90 % des Wertes ihrer erworbenen Anwartschaften. Zudem unterliegt ihr Anspruch der hier streitgegenständlichen Deckelung nach Anhang 7 Paragraf 26 des Rentengesetzes von 2004.

13.      Der jährlich geltende Deckelungsbetrag für Arbeitnehmer einer bestimmten Altersstufe wird vom PPF festgelegt. Zwar wird dieser jährlich entsprechend der allgemeinen Lohnentwicklung erhöht. Ein Leistungsbezieher, auf den die Deckelung Anwendung findet, erhält jedoch lebenslang den Betrag, der für das Jahr, in dem ihm zum ersten Mal Leistungen durch den PPF ausgezahlt wurden, festgelegt wurde.

14.      Darüber hinaus sieht Anhang 7, Paragraf 28 des Rentengesetzes von 2004 einen Inflationsausgleich mit einer Begrenzung von maximal 2,5 % p. a. für die einmal festgelegten Höchstsätze fest; eine auf diese Vorschrift gestützte Anpassung des Höchstsatzes ist jedoch nicht für solche Ausgleichszahlungen vorgesehen, die auf Grund einer Beschäftigung bezogen werden, die vor dem 6. April 1997 lag.

15.      Kommt der PPF nach Abschluss seiner Prüfung und Berechnung der insgesamt zu bedienenden geschützten Verbindlichkeiten zu dem Ergebnis, dass im maßgeblichen Zeitpunkt ausreichende Aktiva in der betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung vorhanden waren, um mindestens Leistungen in Höhe des PPF-Ausgleichs an die Arbeitnehmer auszuzahlen, so stellt er gemäß Section 154 des Rentengesetzes von 2004 fest, dass keine Übernahme der Haftung durch den PPF angezeigt ist.

16.      In diesem Fall wird die betriebliche Zusatzversorgungseinrichtung außerhalb des PPF abgewickelt. Die jeweilige Zusatzversorgungseinrichtung ist sodann verpflichtet, den Arbeitnehmern aus den verbleibenden Mitteln den PPF-Ausgleich zu gewähren. Nach Section 154 Abs. 7 des Rentengesetzes von 2004 untersteht die betriebliche Zusatzversorgungseinrichtung dabei den Weisungen des PPF.

17.      Sobald die Bewertung seitens des PPF stattgefunden hat, wird sie gemäß Section 145 des Rentengesetzes von 2004 – vorbehaltlich einer Anfechtung – bindend.

III. Sachverhalt, Ausgangsverfahren und Vorabentscheidungsersuchen

18.      Herr Grenville Hampshire, Rechtsmittelführer im Ausgangsverfahren, war von 1971 bis 1998 bei Turner & Newall plc (im Folgenden: T&N) angestellt. Während seiner gesamten Beschäftigungszeit war er Mitglied der betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung von T&N. 1998 ging er im Alter von 51 Jahren in Rente, wobei seine Rentenansprüche durch den Verwalter der Versorgungseinrichtung von T&N auf 48 781,80 Pfund brutto pro Jahr, zuzüglich. einer jährlichen Erhöhung von mindestens 3 %, festgesetzt wurden. Nach der Übernahme durch das amerikanische Unternehmen Federal Mogul wurde 2001 in den USA die Insolvenz von T&N, nunmehr Federal Mogul, angemeldet. In der Folge eröffnete der PPF am 10. Juli 2006 im Vereinigten Königreich die Prüfung hinsichtlich der Übernahme der betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung.

19.      Nach Abschluss der Prüfung kam der PPF am 19. September 2011 zu dem Ergebnis, dass zum 10. Juli 2006 in der Versorgungseinrichtung von T&N ausreichende Mittel vorhanden seien, um den verbleibenden Arbeitnehmern lebenslang mindestens den PPF-Ausgleich zu gewähren. Die Höhe des maßgeblichen PPF-Ausgleichs wurde für Herrn Hampshire im Ergebnis auf 19 819 Pfund brutto pro Jahr festgesetzt, da er im Jahre 2006 noch nicht das normale Rentenalter der T&N-Versorgungseinrichtung erreicht hatte und somit die Deckelungsregelung auf ihn anwendbar war.

20.      Hinzu kommt, dass für diesen Betrag kein Inflationsausgleich vorgesehen ist, da Herrn Hampshires Arbeitsverhältnis zum Großteil vor dem 6. April 1997 lag. Gegenüber seinen Ansprüchen in Höhe von 60 240 Pfund pro Jahr, die Herr Hampshire ohne die Zahlungsunfähigkeit seines Arbeitgebers im Jahr 2006 erworben hätte, handelt es sich dabei um eine Verringerung von 67 %, Tendenz steigend.

21.      Aus diesem Grunde haben Herr Hampshire und 15 weitere ehemalige Angestellte von T&N, die von ähnlichen Kürzungen betroffen sind, zunächst ein durch das Rentengesetz von 2004 vorgesehenes Überprüfungsverfahren der Bewertung des PPF angestrebt sowie in der Folge Rechtsmittel gegen die diese Bewertung bestätigende Entscheidung eingelegt und sich dabei auf Art. 8 der Richtlinie 2008/94 gestützt.

22.      Der PPF ist jedoch der Auffassung, dass sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 8 der Richtlinie lediglich ergebe, dass die Mitgliedstaaten Sicherungssysteme einzuführen hätten, die im Durchschnitt der Gesamtheit der Arbeitnehmer einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung einen Ausgleich in Höhe von mindestens 50 % des Wertes ihrer erworbenen Ansprüche garantierten, nicht jedoch jedem einzelnen Arbeitnehmer.

23.      Das Verfahren ist nunmehr am Court of Appeal (Vereinigtes Königreich) anhängig. Mit Beschluss vom 26. Juli 2016, eingegangen am Gerichtshof am 16. Januar 2017, hat dieser sein Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof nach Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1)      Verpflichtet Art. 8 der Richtlinie 80/987/EWG (nunmehr ersetzt durch Art. 8 der Richtlinie 2008/94/EG) die Mitgliedstaaten, sicherzustellen, dass jeder einzelne Arbeitnehmer im Fall der Zahlungsunfähigkeit seines Arbeitgebers (ausgenommen allein die Fälle von Missbrauch, für die Art. 10 Buchst. a der Richtlinie gilt) mindestens 50 % des Werts seiner erworbenen Ansprüche auf Leistungen bei Alter erhält?

2)      Hilfsweise, vorbehaltlich der Feststellungen der nationalen Gerichte zum Sachverhalt des Verfahrens: Ist es nach Art. 8 der Richtlinie 80/987 ausreichend, wenn ein Mitgliedstaat ein Sicherungssystem besitzt, in dem Arbeitnehmer gewöhnlich mehr als 50 % des Werts ihrer erworbenen Ansprüche auf Leistungen bei Alter erhalten, aber einzelne Arbeitnehmer weniger als 50 % aufgrund

a)      einer finanziellen Deckelung des an Arbeitnehmer (insbesondere Arbeitnehmer, die beim Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers das normale Rentenalter ihres Altersversorgungssystems noch nicht erreicht haben) geleisteten Ausgleichs und/oder

b)      von Regelungen, die die jährlichen Erhöhungen des an Arbeitnehmer geleisteten Ausgleichs oder die jährliche Neubewertung ihrer Ansprüche vor dem Erreichen des Rentenalters begrenzen?

3)      Kommt Art. 8 der Richtlinie 80/987 unter den Umständen des vorliegenden Falls unmittelbare Wirkung zu?

24.      Im Verfahren vor dem Gerichtshof haben Herr Hampshire, der PPF, das Vereinigte Königreich, Irland sowie die Europäische Kommission schriftlich Stellung genommen. In der mündlichen Verhandlung vom 8. März 2018 waren dieselben Beteiligten vertreten.

IV.    Rechtliche Würdigung

25.      Das vorlegende Gericht befragt den Gerichtshof zur Auslegung von „Art. 8 der Richtlinie 80/987, nunmehr ersetzt durch Art. 8 der Richtlinie 2008/94“. Der Wortlaut der Vorschrift wurde bei Neufassung der Richtlinie nicht verändert. Da im Ausgangsverfahren die Entscheidung des PPF vom 19. September 2011 Streitgegenstand ist, werde ich im Folgenden alleine die Bestimmungen der Richtlinie 2008/94 zugrunde legen.

A.      Zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens

26.      Vorab ist auf den vom Vereinigten Königreich vorgebrachten Einwand einzugehen, das Vorabentscheidungsersuchen sei unzulässig, weil die dort gestellten Fragen rein hypothetischer Natur seien.

27.      Dies ergebe sich zum einen aus dem Umstand, dass in jedem Fall keine Haftungsübernahme durch den PPF angezeigt sei, da auch bei entsprechend höherer Bewertung der geschützten Verbindlichkeiten ausreichend Aktiva in der T&N-Versorgungseinrichtung vorhanden seien.

28.      Zum anderen könne Herr Hampshire sein Begehren mangels unmittelbarer Anwendbarkeit von Art. 8 der Richtlinie nur in Form eines Staatshaftungsanspruchs verfolgen. Ein solches Vorgehen sei jedoch von vorneherein aussichtslos, da der Gerichtshof im Urteil Hogan festgestellt habe, dass ein qualifizierter Verstoß gegen Art. 8 der Richtlinie erst ab dem 25. Januar 2007 angenommen werden könne(4), die Insolvenz des Arbeitgebers im vorliegenden Fall jedoch bereits im Jahre 2006 eingetreten sei.

29.      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs allein Sache des nationalen Gerichts ist, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung zum Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zu beurteilen; allerdings gilt eine Ausnahme in Fällen, in denen offensichtlich ist, dass die Auslegung des Unionsrechts in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht.(5)

30.      Vorliegend wird jedoch im Ausgangsverfahren in jedem Fall die Frage zu klären sein, ob die Berechnung der geschützten Verbindlichkeiten auf Grundlage der Bestimmungen des Rentengesetzes von 2004 den Anforderungen von Art. 8 der Richtlinie 2008/94 entspricht. Denn wäre dies nicht der Fall, müsste eine Neubewertung der geschützten Verbindlichkeiten durch den PPF vorgenommen werden. Es kann somit nicht in Abrede gestellt werden, dass die Vorlagefragen sich auf den konkreten Rechtsstreit im Ausgangsverfahren beziehen und für diesen entscheidungserheblich sind.

31.      Im Übrigen ist die Frage, ob Art. 8 der Richtlinie unter den Voraussetzungen des Ausgangsverfahrens unmittelbare Wirkung erzeugt oder lediglich ein Staatshaftungsanspruch in Betracht kommt, gerade Gegenstand des Vorabentscheidungsersuchens.(6) Es ist keineswegs offensichtlich, dass es Art. 8 der Richtlinie an der unmittelbaren Wirkung fehlen würde.

32.      Somit ist das Vorabentscheidungsverfahren zulässig.

B.      Zu den ersten beiden Vorlagefragen

33.      Mit der ersten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 8 der Richtlinie 2008/94 im Lichte der Urteile des Gerichtshofs in den Rechtssachen Robins(7) und Hogan(8) dahingehend zu verstehen ist, dass die Mitgliedstaaten Sicherungssysteme vorsehen müssen, die jedem einzelnen Arbeitnehmer im Falle der Zahlungsunfähigkeit seines Arbeitgebers mindestens den Erhalt von 50 % des Wertes seiner erworbenen Ansprüche auf Leistungen bei Alter garantieren.

34.      Alternativ möchte das vorlegende Gericht mit seiner zweiten Vorlagefrage ergründen, ob auch ein nationales System den Anforderungen der Richtlinie entsprechen kann, welches im Einzelfall a) auf Grund von Deckelungsbeträgen oder b) mangels jährlicher Erhöhung der Beträge dazu führt, dass ein Arbeitnehmer weniger als 50 % des Wertes seiner erworbenen Ansprüche ersetzt bekommt. Im Fall b) könnte das Ausgleichsniveau folglich erst mit der Zeit durch die fehlende Anpassung unter 50 % des Niveaus der erworbenen Ansprüche fallen.

35.      Für die Beantwortung der Frage 2 b) kommt es somit darauf an, welchen Wert Art. 8 der Richtlinie schützt – den Betrag, den ein Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers beanspruchen konnte oder den Gesamtumfang der erworbenen Ansprüche auf Leistungen bei Alter.

36.      Da sowohl die erste als auch die zweite Frage die Auslegung von Art. 8 der Richtlinie in Bezug auf das Schutzniveau und die Interpretation der bisher zu dieser Bestimmung ergangenen Rechtsprechung betreffen, sind die ersten beiden Vorlagefragen gemeinsam zu behandeln.

37.      Dabei ist in einem ersten Schritt zu untersuchen, ob Art. 8 der Richtlinie eine individuelle Garantie für jeden einzelnen Arbeitnehmer – im Gegensatz zu einem bloß durchschnittlichen Schutzniveau für die Gesamtheit der Arbeitnehmer – festlegt (dazu unter 1.), und in einem zweiten Schritt auf die Frage einzugehen, auf welchen Wert sich eine solche Mindestgarantie ggf. bezieht (dazu unter 2.). Zuletzt werde ich mich mit den Argumenten des Vereinigten Königreichs für die Beschränkung des Schutzniveaus im vorliegenden Fall auseinandersetzen (dazu unter 3.).

1.      Enthält Art. 8 der Richtlinie eine individuelle Mindestgarantie für jeden Arbeitnehmer (Fragen 1 und 2 a))?

38.      Gemäß Art. 8 der Richtlinie 2008/94 vergewissern sich die Mitgliedstaaten, „dass die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Interessen der Arbeitnehmer (…) hinsichtlich ihrer erworbenen Rechte oder Anwartschaftsrechte auf Leistungen bei Alter (…) getroffen werden.“

39.      Die Frage, welches Schutzniveau die Mitgliedstaaten in Anbetracht dieser Vorschrift konkret gewährleisten müssen, hat der Gerichtshof bereits in seinen Urteilen in den Rechtssachen Robins und Hogan entschieden.(9) Dabei hat er in der Rechtssache Robins entschieden, dass bei einem Absinken des Leistungsniveaus „in bestimmten Situationen (…) auf 20 % oder 49 % der Ansprüche, die einem Arbeitnehmer zustanden, also auf weniger als die Hälfte“ nicht mehr die Rede von einem Schutz der Interessen der Arbeitnehmer im Sinne der oben zitierten Vorschrift sein könne.(10) In den Rechtssachen Hogan und Webb-Sämann hat der Gerichtshof diese Auslegung sodann bestätigt.(11)

40.      Die zitierte Aussage des Gerichtshofs zum Schutzniveau des Art. 8 der Richtlinie ist als eine individuelle Mindestgarantie für jeden Arbeitnehmer zu verstehen.

41.      Zum einen folgt dies bereits aus der vom Gerichtshof gewählten Formulierung: Er hat festgestellt, dass der Schutz der Interessen der Arbeitnehmer im Sinne von Art. 8 der Richtlinie schon dann nicht mehr gewährleistet sei, wenn in bestimmten Fällen(12) weniger als die Hälfte des Wertes der erworbenen Ansprüche ausgeglichen wird. Dies zeigt, dass bereits eine Unterschreitung des gebotenen Schutzniveaus in einem Einzelfall genügt, um einen Verstoß gegen die Richtlinie zu begründen.

42.      Dementsprechend war es für die Feststellung eines qualifizierten Verstoßes gegen Art. 8 der Richtlinie im Fall Hogan ausreichend, dass zehn namentlich genannte Arbeitnehmer aufgrund des in Irland anwendbaren Systems nach der Insolvenz ihres ehemaligen Arbeitgebers weniger als 50 % des Wertes ihrer individuellen Rentenansprüche ausgezahlt bekamen.(13) Daraus ergibt sich, dass es ausreichend ist, wenn nur eine geringe Zahl von Leistungsempfängern – wie z.B. im Ausgangsverfahren etwa 0,1 % – 0,2 % der Arbeitnehmer von T&N – von Kürzungen von über 50 % betroffen sind.

43.      Zum anderen betont der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Zielsetzung der Richtlinie, allen Arbeitnehmern ein Mindestmaß an Schutz zu gewährleisten.(14) Dieses Ziel wird jedoch nur effektiv erreicht, wenn der Mindeststandard für jeden einzelnen Arbeitnehmer gilt und dieser sich darauf berufen kann. Mit dem vom Vereinigten Königreich favorisierten Postulat einer bloßen Gewährleistung des Erhalts von 50 % der Rentenansprüche „im Regelfall“ wäre hingegen auch die völlige Schutzlosstellung im Einzelfall vereinbar. Das der Richtlinie zugrunde liegende Konzept der Mindestharmonisierung verbietet aber gerade das Unterschreiten des durch die Richtlinie für verbindlich erklärten Schutzniveaus.(15) Daher ist das Herausfallen einzelner Arbeitnehmer aus diesem Mindeststandard unzulässig.

44.      Im Übrigen ergibt sich aus den Gesetzgebungsmaterialien zum heutigen Art. 8 der Richtlinie, dass es die Intention des Unionsgesetzgebers war, durch die Regelung besondere Härten zu vermeiden.(16) Es entspricht dem Wesen einer Härtefallregelung, dass diese gerade den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung tragen soll.

45.      Entsprechendes folgt im Übrigen bereits aus der Konstellation, die den Urteilen Robins und Hogan zugrunde lag: In beiden Verfahren ging es auch um die Frage der Haftung des Vereinigten Königreichs bzw. Irlands auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Umsetzung der Richtlinie. Für einen solchen Anspruch stellt der Umstand, dass eine Vorschrift subjektive Rechte des Einzelnen begründet, eine zwingende Voraussetzung dar.(17) Der Gerichtshof nahm dabei im Ergebnis an, dass die Haftung des Mitgliedstaats nur von der Feststellung eines qualifizierten Verstoßes gegen die Umsetzungsverpflichtung abhing(18), und alle anderen Voraussetzungen, also insbesondere die Verleihung subjektiver Rechte durch Art. 8 der Richtlinie, mithin vorlagen.

46.      Vor diesem Hintergrund ist auch im vorliegenden Zusammenhang davon auszugehen, dass Art. 8 der Richtlinie den betroffenen Arbeitnehmern das individuelle Recht auf Absicherung von mindestens 50 % ihrer erworbenen Ansprüche auf Altersrente gewährt. Da die erste Frage somit zu bejahen ist, ist dementsprechend die Frage 2 a) zu verneinen.

47.      Abschließend sei noch erwähnt, dass die Mindestgarantie des Art. 8 der Richtlinie selbstverständlich in jedem Verfahrensstadium, insbesondere auch während des Prüfungszeitraums, den das Rentengesetz von 2004 vorsieht(19), Anwendung finden muss.

2.      Schützt Art. 8 der Richtlinie auch die vorgesehene Entwicklung der Rentenansprüche (Frage 2b))?

48.      Weiterhin stellt sich die Frage, ob sich die Mindestgarantie gemäß Art. 8 der Richtlinie 2008/94 nur auf den betragsmäßigen Wert der Ansprüche im Zeitpunkt der Insolvenz des Arbeitgebers bezieht oder die vorgesehene Entwicklung des Leistungsniveaus über den gesamten Rentenzeitraum einschließt.

49.      Durch die Rechtsprechung wurde hierzu bereits klargestellt, dass Art. 8 der Richtlinie auf einen Schutz der gesamten Rentenansprüche abzielt, die durch Beitragszahlungen erworben wurden. So hat der Gerichtshof in der Sache Webb-Sämann entschieden, dass Art. 8 – im Unterschied etwa zu Art. 3 der Richtlinie – „den Schutz langfristiger Interessen der Arbeitnehmer sicherstellen [soll], die sich (…) hinsichtlich der erworbenen Rechte oder Anwartschaftsrechte grundsätzlich auf den gesamten Ruhestandszeitraum erstrecken“.(20)

50.      Dies ergibt sich ebenfalls aus den Gesetzgebungsmaterialien zum Richtlinienentwurf, nach denen Art. 8 der Richtlinie sicherstellen soll, dass die Versorgungszusagen eingehalten werden können, die sich der Arbeitnehmer „durch langjährige Arbeit im Betrieb erarbeitet hat.“(21) Dementsprechend sieht der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Rentenansprüche von Arbeitnehmern aus betrieblicher Zusatzversorgung als eine Art „aufgeschobenes Entgelt“ an.(22)

51.      Wird die vorgesehene Entwicklung der Rentenansprüche jedoch bei der Berechnung des Mindestschutzes nicht einbezogen, werden die vorher geleisteten Beitragszahlungen nicht ausreichend berücksichtigt. Denn die vorgesehene jährliche Steigerung ist in den Beitragszahlungen eingepreist.

52.      Folglich müssen auch die mitgliedstaatlichen Sicherungssysteme im Sinne des Art. 8 der Richtlinie 2008/94 die Entwicklung der Ansprüche insofern gewährleisten, als der garantierte Betrag auch im Laufe der Jahre nicht unter 50 % des ursprünglich für ein Rentenjahr erworbenen Wertes fallen darf.

53.      Die zweite Vorlagefrage ist folglich vollumfänglich zu verneinen.

3.      Einschränkbarkeit unter den Umständen des Ausgangsverfahrens?

54.      Somit bleibt zu untersuchen, ob ein geringeres individuelles Schutzniveau im vorliegenden Fall aus anderen Gründen gerechtfertigt sein kann.

55.      Als ersten Grund führt das Vereinigte Königreich an, dass Herr Hampshire ohnehin schon über ein im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern besonders hohes Rentenniveau verfüge und ein voller Ausgleich dieser Ansprüche nicht sozialverträglich wäre.

56.      Wie der Gerichtshof bereits klargestellt hat, besteht im Rahmen von Art. 8 der Richtlinie keine Pflicht zum vollständigen Schutz vor dem Verlust von Ansprüchen.(23) Eine Deckelung der Ansprüche ist also nicht als solche ausgeschlossen. Vielmehr können und müssen die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Richtlinie die Erfordernisse der Notwendigkeit einer ausgewogenen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung berücksichtigen.(24)

57.      Daher ist es möglich – wie es die streitige nationale Regelung dem Grunde nach auch vorsieht –, das Ausgleichsniveau je nach Gesamtumfang der Ansprüche unterschiedlich hoch auszugestalten und dadurch Leistungsempfänger mit ehemals größeren Einkommen und entsprechend höheren Ansprüchen stärker zu belasten. Ein sozialer Ausgleich kann dadurch geschaffen werden, dass diesen Leistungsempfängern nur 50 % des Wertes ihrer Ansprüche ersetzt werden.(25) Es kann jedoch keinen angemessenen Ausgleich darstellen, einzelnen Individuen den Schutz der Richtlinie weitestgehend zu versagen.

58.      Zum einen ergibt sich dies aus der Zielsetzung der Richtlinie, die während eines Arbeitslebens geleisteten Beiträge zu honorieren, und trägt dem Umstand Rechnung, dass die Ansprüche aus der betrieblichen Altersvorsorge ein „aufgeschobenes Entgelt“ darstellen.(26) Zum anderen wird der PPF nicht durch Steuergelder, sondern durch Beiträge der betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtungen und die Übernahme von deren Aktiva finanziert. In der mündlichen Verhandlung wurde zudem erläutert, dass diese Beiträge risikobasiert berechnet werden, sodass Versorgungseinrichtungen mit hohen Verpflichtungen auch entsprechend hohe Beiträge an den PPF zahlen müssen.

59.      Vor diesem Hintergrund erscheint es als ein sozial angemessener Ausgleich, wenn das Unionsrecht eine Mindestgarantie von 50 % für alle Arbeitnehmer vorsieht. Im Übrigen sind im Ausgangsverfahren nur wenige Arbeitnehmer von der Deckelung ihrer Ansprüche betroffen. Daher fallen auch die möglichen finanziellen Auswirkungen im Vergleich zu den Gesamtkosten des Systems nicht gravierend ins Gewicht.

60.      Als zweiten Grund für die Deckelung der Ansprüche gibt die Regierung des Vereinigten Königreichs an, den so genannten moral hazard zu bekämpfen, also die Gefahr eines bewusst geschäftsschädigenden Verhaltens von Angestellten auf Geschäftsführungsebene. Leitende Angestellte sollen nicht in dem Wissen, dass ihre Rentenansprüche auch bei Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens staatlich abgesichert sind, dazu verleitet werden, risikoreiche Entscheidungen zu treffen, die die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens unter Umständen erst herbeiführen.

61.      Zwar entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass es niemandem gestattet ist, sich in betrügerischer oder missbräuchlicher Weise auf Vorschriften des Unionsrechts zu berufen.(27) In Konkretisierung dieses allgemeinen Rechtsgrundsatzes(28) erkennt Art. 10 der Richtlinie 80/987, nunmehr ersetzt durch Art. 12 Buchst. a der Richtlinie 2008/94, ausdrücklich das Recht der Mitgliedstaaten an, die zur Vermeidung von Missbrauch notwendigen Maßnahmen zu treffen.

62.      Allerdings macht das Vereinigte Königreich überhaupt nicht geltend, durch die Regelung zur Deckelung der Ansprüche von der Ermächtigung in Art. 10 der Richtlinie 80/987, nunmehr ersetzt durch Art. 12 der Richtlinie 2008/94, Gebrauch gemacht zu haben. Dementsprechend setzt die Anwendbarkeit der nationalen Regelung die Feststellung eines missbräuchlichen Verhaltens des Leistungsempfängers durch die mitgliedstaatlichen Gerichte auch nicht voraus.(29) Für andere mitgliedstaatliche Maßnahmen mit lediglich ähnlicher Zielrichtung bleibt jedoch neben der ausdrücklichen Ermächtigung in der Richtlinie zur Bekämpfung von konkreten Missbrauchsfällen kein Raum.

63.      In jedem Fall geht die Regelung im Rentengesetz von 2004 über das hinaus, was zur Bekämpfung eines moral hazard erforderlich ist(30).

64.      Zum einen erscheint bereits die Grundannahme gewagt, ein vorzeitig ausgeschiedener leitender Angestellter mit entsprechend hohen Rentenansprüchen habe mit großer Wahrscheinlichkeit die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens selbst zu verantworten. Zum anderen werden leitende Angestellte, die das reguläre Rentenalter bereits erreicht haben, überhaupt nicht von der Deckelung erfasst, selbst wenn sie möglicherweise an riskanten und für die Insolvenz des Arbeitgebers mitursächlichen unternehmerischen Entscheidungen beteiligt waren. Damit verfolgt die innerstaatliche Regelung das von der Regierung des Vereinigten Königreichs ins Feld geführte Ziel jedenfalls nicht in kohärenter und systematischer Weise.(31) Denn das Alter ist offensichtlich kein geeignetes Kriterium, an welchem eine Missbrauchsgefahr festgemacht werden kann.

65.      Zusammenfassend stellt die nationale Regelung also gegenüber leitenden Angestellten, die das Rentenalter noch nicht erreicht haben, eine Art Generalverdacht auf, welcher der grundlegenden Konzeption der Missbrauchsbekämpfung widerspricht. Nach der Rechtsprechung ist eine allgemeine Missbrauchsvermutung nämlich unzulässig.(32)

4.      Zwischenergebnis

66.      Auf die ersten beiden Fragen ist folglich zu antworten, dass Art. 8 der Richtlinie 2008/94 dahin auszulegen ist, dass jeder einzelne Arbeitnehmer – vorbehaltlich von konkreten Missbrauchsfällen im Sinne von Art. 12 Buchst. a dieser Richtlinie – im Falle der Zahlungsunfähigkeit seines Arbeitgebers einen Ausgleich in Höhe von mindestens 50 % des gesamten Wertes seiner erworbenen Rechte oder Anwartschaften auf Leistungen bei Alter beanspruchen kann.

C.      Zur dritten Vorlagefrage

67.      Die dritte Vorlagefrage betrifft die unmittelbare Anwendbarkeit von Art. 8 der Richtlinie 2008/94 im Ausgangsverfahren.

68.      Gemäß ständiger Rechtsprechung haben die nationalen Gerichte den Rechtsschutz sicherzustellen, der sich für den Einzelnen aus den unionsrechtlichen Bestimmungen ergibt, und deren volle Wirkung zu gewährleisten.(33) Sind derartige Bestimmungen in einer Richtlinie enthalten, so sind die mitgliedstaatlichen Gerichte außerdem gehalten, bei Anwendung des nationalen Rechts dessen Auslegung so weit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen und auf diese Weise Art. 288 Abs. 3 AEUV nachzukommen.(34)

69.      Ist eine richtlinienkonforme Auslegung nach Auffassung des nationalen Gerichts nicht möglich, kann eine Richtlinienbestimmung auch unmittelbar angewendet werden. Dies gilt im Falle der nicht fristgemäßen oder nur unzulänglichen Umsetzung für alle Bestimmungen einer Richtlinie, die inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind (dazu unter 1.), sofern sie gegenüber dem Staat geltend gemacht werden sollen (dazu unter 2.).(35)

1.      Inhaltliche Unbedingtheit und hinreichende Genauigkeit der Vorschrift

70.      Der Gerichtshof hat in der Rechtssache Francovich konkretisiert, unter welchen Voraussetzungen eine Vorschrift als inhaltlich unbedingt und hinreichend genau anzusehen ist. Danach kommt es auf drei Gesichtspunkte an: erstens auf den Begünstigten, zweitens auf den Inhalt des Anspruchs und drittens auf seinen Adressaten, d. h. die Person des Schuldners der betreffenden Handlung oder Verbindlichkeit.(36) Anders als in der Rechtssache Francovich sind im vorliegenden Fall diese drei Kriterien für eine unmittelbare Anwendung allesamt erfüllt, wobei sich der Adressat hier klar aus der nationalen Umsetzungsregelung ergibt.(37)

–       Begünstigte

71.      Aus dem Wortlaut von Art. 8 der Richtlinie 2008/94 ergibt sich eindeutig, dass die Arbeitnehmer geschützt werden sollen, die von einer Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers betroffen sind. Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass der Personenkreis, dem die Garantien dieser Richtlinie zugutekommen sollen, durch die Richtlinie so genau und unbedingt bezeichnet wird, wie es nach der Rechtsprechung für eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift erforderlich ist.(38)

–       Inhalt des Anspruchs

72.      Bei bloßer Betrachtung des Wortlautes von Art. 8 der Richtlinie ist zwar der konkrete Inhalt des Anspruchs, der den Arbeitnehmern eingeräumt werden soll, weniger klar.(39)

73.      Allerdings hat der Gerichtshof bereits in der Rechtssache Francovich klargestellt, dass nicht schon die Möglichkeit der Wahl zwischen mehreren Mitteln es ausschließt, dass die betreffenden Bestimmungen der Richtlinie unmittelbar angewendet werden können.(40) Vielmehr genügt es, dass sich auf Grundlage der jeweiligen Vorschrift eine Mindestgarantie bestimmen lässt.(41) In diesem Sinne hat der Gerichtshof in der Rechtssache Webb-Sämann entschieden, dass die Mitgliedstaaten, auch wenn sie über einen weiten Ermessensspielraum bei der Umsetzung von Art. 8 der Richtlinie 2008/94 verfügen, gleichwohl verpflichtet sind, den Arbeitnehmern den in dieser Bestimmung geforderten Mindestschutz zu garantieren.(42)

74.      Der genaue Inhalt dieser Mindestgarantie ergibt sich unzweifelhaft aus der zu der Vorschrift ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs.(43) Die Rechtsprechung erläutert und verdeutlicht dabei, in welchem Sinne und mit welcher Tragweite diese Vorschrift seit ihrem Inkrafttreten zu verstehen und anzuwenden ist oder gewesen wäre.(44)

75.      Das Erfordernis der inhaltlichen Bestimmtheit und Unbedingtheit einer Vorschrift, die unmittelbar angewendet werden soll, hat den Zweck, einen in der Praxis handhabbaren Anspruch zu garantieren. In diesem Sinne betont der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass eine Bestimmung so genau sein muss, dass sie von einem Einzelnen herangezogen und von einem Gericht angewandt werden kann(45) Für die Beurteilung entscheidend ist daher, ob sich der genaue Inhalt für den Rechtsanwender unzweifelhaft ergibt, und zwar aus der Vorschrift selbst, aus ihrem Zusammenhang und ihrer Entstehungsgeschichte(46) sowie unter Zuhilfenahme der zu ihr ergangenen Rechtsprechung.(47)

76.      Für die Verantwortlichen beim PPF war spätestens ab Verkündung des Urteils in der Rechtsache Robins am 25. Januar 2007 klar, dass sie eine Berechnungsgrundlage, nach welcher sich für bestimmte Arbeitnehmer ein Ausgleich im Wert von unter 50 % ihrer erworbenen Ansprüche ergibt, nicht anwenden durften.(48) Stattdessen hätte die Höchstgrenze der Ausgleichsansprüche in unmittelbarer Anwendung des Art. 8 der Richtlinie bei mindestens 50 % der erworbenen Rentenansprüche festgesetzt werden müssen.

77.      Der Inhalt der sich aus Art. 8 der Richtlinie 2008/94 ergebenden Verpflichtung war folglich am 19. September 2011, dem Tag der streitgegenständlichen Prüfungsentscheidung des PPF(49), als unbedingt und hinreichend genau anzusehen.

–       Adressat der Verpflichtung

78.      Was den Adressaten der Verpflichtung anbelangt, hat der Gerichtshof herausgestellt, dass den Mitgliedstaaten im Rahmen von Art. 8 der Richtlinie ein weiter Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Realisierung des Schutzes zusteht. So kann der Schutz etwa durch direkte staatliche Finanzierung, eine Versicherungspflicht zu Lasten der Arbeitgeber oder durch Schaffung einer Garantieeinrichtung gewährleistet werden.(50)

79.      Allerdings hat der Gerichtshof in der Rechtssache Gharehveran ebenfalls zur Frage der Bestimmtheit des Adressaten entschieden, dass dem Einzelnen die Berufung auf die Richtlinie gestattet sein muss, sofern der Mitgliedstaat diesen Gestaltungsspielraum voll ausgeschöpft hat.(51) Folglich muss sich der Mitgliedstaat an einer im Rahmen der Richtlinienumsetzung getroffenen Entscheidung festhalten lassen, wenn diese die Ausübung des dem Mitgliedstaat zustehenden Ermessens darstellt.(52)

80.      In der Rechtssache Francovich hatte der Gerichtshof Art. 3 der Richtlinie 80/987 in Bezug auf die Bestimmtheit des Adressaten nur aus dem Grunde nicht für unmittelbar anwendbar gehalten, weil sie in dem betreffenden Mitgliedstaat überhaupt nicht umgesetzt worden war. Damals entschied der Gerichtshof, dass die Italienische Republik nicht allein aus dem Grund, dass sie die Richtlinie nicht umgesetzt hatte, selbst als Schuldnerin der betreffenden Verbindlichkeit angesehen werden könnte.(53)

81.      Anders liegt der Fall jedoch hier: Das Vereinigte Königreich hat eine Regelung zur Umsetzung der Richtlinie 2008/94 getroffen, die lediglich hinsichtlich der vorgeschriebenen Mindestgarantie von 50 % nicht den Vorgaben des Art. 8 dieser Richtlinie entspricht. Die innerstaatliche Regelung enthält jedoch eine klare Bestimmung des Verantwortlichen für die Durchführung der Berechnung und für die Haftung, nämlich den PPF. Darüber hinaus wurden detaillierte Regelungen über die Finanzierung des PPF und die Abwicklung der betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtungen getroffen.(54)

82.      Mithin steht auch der Adressat der aus Art. 8 der Richtlinie folgenden Verpflichtung im vorliegenden Fall unbedingt und hinreichend bestimmt fest.

2.      Berufung auf die unmittelbare Anwendbarkeit gegenüber staatlichen Stellen

83.      Es ist anerkannt, dass ein Einzelner sich auf unbedingte und hinreichend genaue Bestimmungen einer Richtlinie nicht nur gegenüber einem Mitgliedstaat und allen Trägern seiner Verwaltung berufen kann,(55) sondern auch gegenüber anderen Organisationen oder Einrichtungen, die dem Staat oder dessen Aufsicht unterstehen oder mit besonderen Rechten ausgestattet sind.(56)

84.      Eine Einrichtung, die unabhängig von ihrer Rechtsform kraft staatlichen Rechtsakts mit der Erfüllung einer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe betraut wurde und hierzu mit besonderen Rechten ausgestattet ist, die über die für die Beziehungen zwischen Privatpersonen geltenden Vorschriften hinausgehen, gehört nach gefestigter Rechtsprechung zu den Rechtssubjekten, denen die unmittelbar anwendbaren Bestimmungen einer Richtlinie entgegengehalten werden können.(57)

85.      Eine solche Einrichtung ist der PPF. Er nimmt die in der Richtlinie angelegte, im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe wahr(58), in jedem Einzelfall das konkrete Schutzniveau festzulegen und unter Umständen die Haftung für die Ansprüche der Arbeitnehmer zu übernehmen.Außerdem ist er im Sinne der oben genannten Definition mit besonderen Rechten ausgestattet(59), da er von den zugelassenen betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtungen eine Abgabe erheben kann und nach Section 154 des Rentengesetzes von 2004 überdies dazu befugt ist, den betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtungen im Rahmen ihrer Abwicklung die nötigen Anweisungen zu erteilen. Im Übrigen hat die mündliche Verhandlung ergeben, dass die Qualifikation des PPF als staatliche Stelle zwischen den Parteien unstreitig ist.

86.      Hingegen kann eine Richtlinie nicht unmittelbar Verpflichtungen für einen Einzelnen begründen.(60)

87.      Das Vereinigte Königreich lehnt aus diesem Grund die unmittelbare Anwendung von Art. 8 der Richtlinie 2008/94 im Ausgangsverfahren ab, da die Vorschrift einer privaten Einrichtung wie dem T&N-Vorsorgesystem nicht entgegengehalten werden könne.

88.      Allerdings geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass es im Ausgangsverfahren gerade nicht darum geht, zu prüfen, ob Herr Hampshire von T&N unmittelbar die Auszahlung eines Ausgleichs in Höhe von mindestens 50 % seiner erworbenen Rentenansprüche verlangen kann. Beklagter bzw. Rechtsmittelgegner im Ausgangsverfahren ist vielmehr der PPF. Als Streitgegenstand bezeichnet das nationale Gericht die der Auszahlung vorgelagerte Bewertung der geschützten Verbindlichkeiten durch den PPF. Durch diese Entscheidung wird die Höhe des Ausgleichs verbindlich festgelegt, den die Arbeitnehmer sowohl im Falle der Haftungsübernahme durch den PPF, als auch im Falle einer etwaigen Abwicklung außerhalb des PPF erhalten.

89.      Im Ausgangsverfahren stellt sich folglich allein die Frage, ob eine Einrichtung wie der PPF dazu verpflichtet werden kann, die Bewertung der geschützten Verbindlichkeiten neu vorzunehmen und dabei Art. 8 der Richtlinie unmittelbar anzuwenden.

90.      Nun sieht zwar das Rentengesetz von 2004 vor, dass T&N weiterhin für die Auszahlung zuständig bleibt, sollten in ihrem Vermögen ausreichende Mittel vorhanden sein, um den von staatlicher Seite festgesetzten PPF-Ausgleich zu gewähren. Dies führt jedoch nicht dazu, dass es zu einer unmittelbaren Anwendung der Vorschrift gegenüber T&N kommt. Vielmehr sieht das Rentengesetz von 2004 für den besonderen Fall eines Überschusses lediglich keine Eingliederung der betrieblichen Versorgungseinrichtung in den PPF vor, weil keine Bezuschussung nötig ist. Auch in diesem Fall wird die betriebliche Zusatzversorgungseinrichtung jedoch nach den Weisungen des Boards, wenn auch außerhalb des PPF, abgewickelt. Würden die geschützten Verbindlichkeiten nach Neubewertung die vorhandenen Aktiva übersteigen, müsste der PPF in jedem Fall die Haftung übernehmen.

91.      Der Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits, wie er sich aus dem Vorabentscheidungsersuchen entnehmen lässt und auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof erörtert wurde, beschränkt sich darauf, vom PPF die unmittelbare Anwendung von Art. 8 der Richtlinie bei Berechnung der Verbindlichkeiten zu verlangen. Unter Umständen soll er dabei noch dazu verpflichtet werden, seine Weisungsbefugnis gegenüber T&N unionsrechtskonform auszuüben.

92.      Die Auswirkung, welche die Berechnung des PPF-Ausgleichs ggf. im nächsten Schritt auf solche Zusatzversorgungssysteme hat, deren Mittel auch ohne Bezuschussung noch ausreichen, kann folglich als bloßer Reflex bezeichnet werden. Sie ergibt sich aus den Besonderheiten des Rentengesetzes von 2004 und nicht aus der Richtlinie selbst. Wollte man darin einen Nachteil für T&N erblicken, so ist doch in der Rechtsprechung des Gerichtshofs anerkannt, dass bloße negative Auswirkungen auf die Rechte Dritter, selbst wenn sie gewiss sind, es nicht rechtfertigen, dem Einzelnen die Berufung auf eine unmittelbar anwendbare Richtlinienbestimmung gegenüber dem Mitgliedstaat zu verwehren.(61)

93.      Zugegebenermaßen hätten die anderen Arbeitnehmer von T&N bei Verteilung des Überschusses, der in Folge der zu niedrig bemessenen Ausgleichsansprüche von Herrn Hampshire und den anderen Klägern entstanden ist, womöglich zusätzliche Zahlungen erhalten. Insoweit ist allerdings darauf hinzuweisen, dass der bloße Wegfall eines solchen etwaigen Vorteils ebenfalls nicht als eine Verpflichtung eines Dritten aufgrund der geltend gemachten Richtlinienbestimmung verstanden werden kann.(62)

V.      Ergebnis

94.      Somit schlage ich vor, wie folgt auf die Vorlagefragen zu antworten:

1)      Art. 8 der Richtlinie 2008/94/EG ist dahin auszulegen, dass jeder einzelne Arbeitnehmer – vorbehaltlich von konkreten Missbrauchsfällen im Sinne von Art. 12 Buchst. a dieser Richtlinie – im Falle der Zahlungsunfähigkeit seines Arbeitgebers einen Ausgleich in Höhe von mindestens 50 % des gesamten Wertes seiner erworbenen Rechte oder Anwartschaften auf Leistungen bei Alter beanspruchen kann.

2)      Art. 8 der Richtlinie 2008/94 enthält eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die inhaltlich unbedingt und hinreichend genau ist, sodass ein Einzelner sich gegenüber einer Einrichtung wie dem Pension Protection Fund unmittelbar auf sie berufen kann.


1      Originalsprache: Deutsch.


2      Richtlinie 2008/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (ABl. 2008, L 283, S. 36), welche die Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (ABl. 1980, L 283, S. 23), ersetzt.


3      Urteile vom 25. Januar 2007, Robins u. a. (C-278/05, EU:C:2007:56, Rn. 57), und vom 25.  April 2013, Hogan u. a. (C-398/11, EU:C:2013:272, Rn. 51).


4      Urteil vom 25. April 2013, Hogan u. a. (C-398/11, EU:C:2013:272, Rn. 51).


5      Urteile vom 16. Juli 1992, Meilicke (C-83/91, EU:C:1992:332, Rn. 23), vom 22. November 2005, Mangold (C-144/04, EU:C:2005:709, Rn. 34 und 37), und vom 21. Dezember 2016, Tele2 Sverige und Watson u. a. (C-203/15 und C-698/15, EU:C:2016:970, Rn. 130).


6      Warum eine Vorlage mit dem Ziel der unmittelbaren Anwendung einer unionsrechtlichen Bestimmung ausgeschlossen sein sollte, wenn die Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Staatshaftungsanspruchs nicht vorliegen, wird ohnehin nicht dargelegt. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass das maßgebliche staatliche Handeln, welches gegen Art. 8 der Richtlinie verstoßen haben könnte, nicht der Eintritt der Insolvenz im Jahre 2006, sondern die Entscheidung des PPF im Jahre 2011 ist.


7      Urteil vom 25. Januar 2007, Robins u. a. (C-278/05, EU:C:2007:56).


8      Urteil vom 25. April 2013, Hogan u. a. (C-398/11, EU:C:2013:272).


9      Urteile vom 25. Januar 2007, Robins u. a. (C-278/05, EU:C:2007:56), und vom 25. April 2013, Hogan u. a. (C-398/11, EU:C:2013:272).


10      Urteil vom 25. Januar 2007, Robins u. a. (C-278/05, EU:C:2007:56, Rn. 57).


11      Urteile vom 25. April 2013, Hogan u. a. (C-398/11, EU:C:2013:272, Rn. 51) und vom 24. November 2016, Webb-Sämann (C-454/15, EU:C:2016:891, Rn. 35).


12      Urteil vom 25. Januar 2007, Robins u. a. (C-278/05, EU:C:2007:56, Rn. 57).


13      Daher stellt auch der Tenor des Urteils vom 25. April 2013, Hogan u. a. (C-398/11, EU:C:2013:272) darauf ab, dass den Klägern nicht mindestens 50% des Wertes ihrer Ansprüche erhalten geblieben sind.


14      Urteile vom 19. November 1991, Francovich u.a. (C-6/90 und C-9/90, EU:C:1991:428, Rn. 3), vom 18. Oktober 2001, Gharehveran (C-441/99, EU:C:2001:551, Rn. 26), und vom 24.  November 2016, Webb-Sämann (C-454/15, EU:C:2016:891, Rn. 31); vgl. auch Erwägungsgrund 3 der Richtlinie 2008/94.


15      Vgl. auch Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2008/94.


16      KOM(78) 141 endg., Seite 7 zu Art. 7 des Richtlinienentwurfes, der im Wesentlichen dem Art. 8 der finalen Richtlinie entspricht.


17      Urteile vom 19. November 1991, Francovich u. a. (C-6/90 und C-9/90, EU:C:1991:428, Rn. 38) ff.), vom 5. März 1996, Brasserie du Pêcheur und Factortame (C-46/93 und C-48/93, EU:C:1996:79, Rn. 51), vom 25. Januar 2007, Robins u. a. (C-278/05, EU:C:2007:56 Rn. 69).


18      Urteil vom 25. Januar 2007, Robins u. a. (C-278/05, EU:C:2007:56, Rn. 82).


19      Vgl. dazu die Nr. 11 und 15 der vorliegenden Schlussanträge.


20      Urteil vom 24. November 2016, Webb-Sämann (C-454/15, EU:C:2016:891, Rn. 27).


21      KOM(78) 141 endg., Seite 7.


22      Urteile vom 17. Mai 1990, Barber (C-262/88, EU:C:1990:209, Rn. 25), vom 1. April 2008, Maruko (C-267/06, EU:C:2008:179, Rn. 45), sowie meine Schlussanträge in der Rechtssache Parris (C-443/15, EU:C:2016:493, Rn. 33).


23      Urteile vom 25. Januar 2007, Robins u. a. (C-278/05, EU:C:2007:56, Rn. 42 ff.), und vom 25. April 2013, Hogan u. a. (C-398/11, EU:C:2013:272, Rn. 42).


24      Vgl. dazu bereits meine Schlussanträge in der Rechtssache Robins u. a. (C-278/05, EU:C:2006:476, Rn. 71).


25      Diese Grenze stellt aus unionsrechtlicher Sicht einen gerechten Ausgleich dar, vgl. Urteil vom 25. April 2013, Hogan u. a. (C-398/11, EU:C:2013:272, Rn. 43 f.).


26      Vgl. dazu bereits Nr. 50 dieser Schlussanträge und die Fn. 21 und 22.


27      Urteile vom 3. Dezember 1974, van Binsbergen (33/74, EU:C:1974:131, Rn. 13), vom 9. März 1999, Centros (C-212/97, EU:C:1999:126, Rn. 24), vom 28. Juli 2016, Kratzer (C-423/15, ECLI:EU:C:2016:604, Rn. 37), und vom 22. November 2017, Cussens u. a. (C-251/16, EU:C:2017:881, Rn. 27).


28      Urteile vom 22. Mai 2008, Ampliscientifica und Amplifin (C-162/07, EU:C:2008:301, Rn. 27 f.), vom 5. Juli 2007, Kofoed (C-321/05, EU:C:2007:408, Rn. 38), und vom 22. November 2017, Cussens u. a. (C-251/16, EU:C:2017:881,Rn. 27).


29      Nach der Rechtsprechung sind jedoch konkrete Anhaltspunkte, die den in Rede stehenden Einzelfall betreffen, erforderlich vgl. etwa Urteil vom 18. Dezember 2014, McCarthy und McCarthy Rodriguez (C-202/13, EU:C:2014:2450, Rn. 53).


30      Nach der dabei im Steuerrecht entwickelten Formel des Gerichtshofs müssen entsprechende Vorschriften es speziell bezwecken, die missbräuchliche Konstellation zu erfassen; vgl. Urteile vom 12. September 2006, Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas (C-196/04, EU:C:2006:544, Rn. 55), und vom 13. März 2007, Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation (C-524/04, EU:C:2007:161, Rn. 79).


31      Vgl. zu dieser Anforderung Urteile vom 6. November 2003, Gambelli u.a. (C-243/01, EU:C:2003:597, Rn. 67), vom 10. März 2009, Hartlauer (C-169/07, EU:C:2009:141, Rn. 55), und vom 6. März 2018, SEGRO und Horváth (C-52/16 und C-113/16, EU:C:2018:157, Rn. 78). Diese zu den Grundfreiheiten ergangene Rechtsprechung muss auch für die sekundärrechtlichen Vorschriften gelten (vgl. dazu auch meine Schlussanträge in der Rechtssache Persidera, C-112/16, EU:C:2017:250, Rn. 66 mit Fn. 46, sowie in der Rechtssache Kommission/Österreich, C-187/16, EU:C:2017:578, Rn. 71).


32      In diesem Sinne Urteile vom 4. März 2004, Kommission/Frankreich (C-334/02, EU:C:2004:129, Rn. 27), vom 28. Oktober 2010, Établissements Rimbaud (C-72/09, EU:C:2010:645, Rn. 34), und vom 25. Oktober 2017, Polbud – Wykonawstwo (C-106/16, EU:C:2017:804, Rn. 64).


33      Siehe in Bezug auf Richtlinien Urteile vom 9. März 2004, Pfeiffer u.a. (C-397/01 bis C-403/01, EU:C:2004:584, Rn. 111), und vom 15. April 2008, Impact (C-268/06, EU:C:2008:223, Rn. 42), sowie allgemein Urteile vom 27. Februar 2018, Associação Sindical dos Juízes Portugueses (C-64/16, EU:C:2018:117, Rn. 34), und vom 6. März 2018, Achmea (C-284/16, EU:C:2018:158, Rn. 34).


34      Urteile vom 13. November 1990, Marleasing (C-106/89, EU:C:1990:395, Rn. 8), vom 5. Oktober 2004, Pfeiffer u.a. (C-397/01 bis C-403/01, EU:C:2004:584, Rn. 113),vom 15. April 2008, Impact (C-268/06, EU:C:2008:223, Rn. 98), vom 15. Januar 2014, Association de médiation sociale (C-176/12, EU:C:2014:2, Rn. 38), und vom 19. April 2016, DI (C-441/14, EU:C:2016:278, Rn. 29 und 31).


35       Urteile vom 19. Januar 1982, Becker (8/81, EU:C:1982:7, Rn. 17 bis 25), vom 9. März 2004, Pfeiffer u. a., (C-397/01 bis C-403/01, EU:C:2004:584, Rn. 103), vom 24. Januar 2012 Dominguez (C-282/10, EU:C:2012:33, Rn. 33), und vom 15. Februar 2017, British Film Institute (C-592/15, EU:C:2017:117, Rn. 13).


36      Urteil vom 19. November 1991, Francovich u. a. (C-6/90 und C-9/90, EU:C:1991:428, Rn. 12).


37      Vgl. dazu die Nrn. 78 ff. dieser Schlussanträge, sowie das Urteil vom 18. Oktober 2001, Gharehveran (C-441/99, EU:C:2001:551, Rn. 39 bis 44).


38      Urteile vom 19. November 1991, Francovich u. a. (C-6/90 und C-9/90, EU:C:1991:428, Rn. 22), und vom 18. Oktober 2001, Gharehveran (C-441/99, EU:C:2001:551, Rn. 33), zur Richtlinie 80/987 als Vorläuferregelung der Richtlinie 2008/94.


39      Oder „nebulös“, wie es Generalanwalt Bobek in der Rechtssache Webb-Sämann (C-454/15, EU:C:2016:653, Rn. 58) ausgedrückt hat.


40      Urteil vom 19. November 1991, Francovich u. a. (C‑6/90 und C‑9/90, EU:C:1991:428, Rn. 17).


41      In diesem Sinne Urteile vom 19. November 1991, Francovich u. a. (C-6/90 und C-9/90, EU:C:1991:428, Rn. 19 ff.), vom 9. März 2004, Pfeiffer u. a., (C-397/01 bis C-403/01, EU:C:2004:584, Rn. 105), und vom 15. April 2008, Impact (C-268/06, EU:C:2008:223, Rn. 74).


42      Urteil vom 24. November 2016, Webb-Sämann (C-454/15, EU:C:2016:891, Rn. 35).


43      Vgl. dazu die Ausführungen unter B. dieser Schlussanträge.


44      Vgl. zuletzt Urteile vom 29. September 2015, Gmina Wrocław (C-276/14, EU:C:2015:635, Rn. 44), vom 19. April 2016, Dansk Industri (C-441/14, EU:C:2016:278, Rn. 40), und vom 22. November 2017, Cussens u. a. (C-251/16, EU:C:2017:881, Rn. 41).


45      Urteile vom 19. Januar 1982, Becker (8/81, EU:C:1982:7, Rn. 27), vom 26. Oktober 2006, Pohl-Boskamp (C-317/05, EU:C:2006:684, Rn. 41), und vom 1. Juli 2010, Gassmayr (C-194/08, EU:C:2010:386, Rn. 45).


46      Vgl. Urteile vom 17. Dezember 1970, SACE (33/70, EU:C:1970:118, Rn. 13), und vom 4. Dezember 1974, Van Duyn (41/74, EU:C:1974:133, Rn. 12), und vom 19. Januar 1982, Becker (8/81, EU:C:1982:7, Rn. 27 ff.).


47      Vgl. zur Möglichkeit der Konkretisierung einer Vorschrift durch die Rechtsprechung Urteil vom 4. Dezember 1974, Van Duyn (41/74, EU:C:1974:133, Rn. 14).


48      In diesem Sinne hat der Gerichtshof etwa im Urteil vom 20. Dezember 2017, Protect Natur-, Arten- und Landschaftsschutz Umweltorganisation (C‑664/15, EU:C:2017:987, Rn. 45 f., 55 f.), entschieden, dass eine nationale Vorschrift, die den von Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens vorgesehenen Mindestschutz nicht sicherstellt, nicht angewendet werden darf. Vgl. ebenso Urteil vom 15. Oktober 2009, Djurgården-Lilla Värtans Miljöskyddsförening (C‑263/08, EU:C:2009:631, Rn. 45).


49      Auf das Datum der Insolvenzanmeldung am 10. Juli 2006 kommt es daher nicht an. Im Übrigen findet das Unionsrecht nach der Rechtsprechung in jedem Fall auf die künftigen Wirkungen von in der Vergangenheit begonnenen Sachverhalten Anwendung, vgl. etwa Urteil vom 7. November 2013, Gemeinde Altrip u. a. (C-72/12, EU:C:2013:712, Rn. 22), und vom 26. März 2015, Kommission/Moravia Gas Storage (C-596/13 P, EU:C:2015:203, Rn. 32).


50      Urteil vom 25. Januar 2007, Robins u. a. (C-278/05, EU:C:2007:56, Rn. 36 f.).


51      Urteil vom 18. Oktober 2001, Gharehveran (C-441/99, ECLI:EU:C:2001:551, Rn. 44), zur Vorgängerrichtlinie 80/987.


52      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Oktober 2001, Gharehveran (C-441/99, ECLI:EU:C:2001:551, Rn. 40).


53      Urteil vom 19. November 1991, Francovich u. a. (C-6/90 und C-9/90, EU:C:1991:428, Rn. 25). In der Rechtssache Wagner Miret lag wiederum nur eine teilweise Umsetzung vor, durch die bestimmte Bereiche noch gar nicht geregelt wurden, so dass insoweit der nationale Gestaltungsspielraum ebenfalls noch nicht ausgeschöpft worden war, vgl. Urteil vom 16. Dezember 1993, (C-334/92, EU:C:1993:945, Rn. 16 ff.).


54      Zu diesen Kriterien vgl. Urteil vom 18. Oktober 2001, Gharehveran (C-441/99, ECLI:EU:C:2001:551, Rn. 41).


55      Vgl. dazu etwa Urteile vom 19. Januar 1982, Becker (8/81, EU:C:1982:7 Rn. 25), vom 8. Oktober 1987, Kolpinghuis Nijmegen (80/86, EU:C:1987:431, Rn. 7), vom 22. Juni 1989, Costanzo (103/88, EU:C:1989:256, Rn. 31), und vom 28. Juni 2007, JP Morgan Fleming Claverhouse (C-363/05, EU:C:2007:391, Rn. 58).


56      Urteile vom 12. Juli 1990, Foster u. a., (C-188/89, EU:C:1990:313, Rn. 18), vom 4. Dezember 1997, Kampelmann u. a. (C-253/96 bis C-258/96, EU:C:1997:585, Rn. 46), und vom 10. Oktober 2017, Farrell (C-413/15, EU:C:2017:745, Rn. 33).


57      Urteile vom 12. Juli 1990, Foster u. a., (C-188/89, EU:C:1990:313, Rn. 18), vom 24. Januar 2012, Dominguez (C-282/10, EU:C:2012:33, Rn. 39), und vom 10. Oktober 2017, Farrell (C-413/15, EU:C:2017:745, Rn. 33).


58      Siehe zu diesen Kriterien auch das Urteil vom 10. Oktober 2017, Farrell (C-413/15, EU:C:2017:745, Rn. 38 ff.).


59      Vgl. dazu Urteile vom 12. Juli 1990, Foster u. a. (C-188/89, EU:C:1990:313, Rn. 18), vom 4. Dezember 1997, Kampelmann u. a. (C-253/96 bis C-258/96, EU:C:1997:585, Rn. 46), vom 24. Januar 2012, Dominguez (C-282/10, EU:C:2012:33, Rn. 39), und vom 10. Oktober 2017, Farrell (C-413/15, EU:C:2017:745, Rn. 38 ff.).


60      Urteile vom 14. Juli 1994, Faccini Dori (C-91/92, EU:C:1994:292, Rn. 25), vom 9. März 2004, Pfeiffer u. a., (C-397/01 bis C-403/01, EU:C:2004:584, Rn. 108), vom 15. Januar 2014, Association de médiation sociale (C-176/12, EU:C:2014:2, Rn. 36), und vom 19. April 2016, Dansk Industri (C-441/14, EU:C:2016:278, Rn. 30).


61      In diesem Sinne Urteile vom 26. September 2000, Unilever (C-443/98, EU:C:2000:496, Rn. 49 f.), vom 7. Januar 2004, Wells (C-201/02, EU:C:2004:12, Rn. 57), vom 17. Juli 2008, Arcor u.a. (C-152/07 bis C-154/07, EU:C:2008:426, Rn. 36), und vom 6. Oktober 2015, T-Mobile Czech Republic und Vodafone Czech Republic (C-508/14, EU:C:2015:657, Rn. 48).


62      Vgl. Urteil vom 17. Juli 2008, Arcor u.a. (C-152/07 bis C-154/07, EU:C:2008:426, Rn. 38).