Language of document : ECLI:EU:C:2013:571

Rechtssache C‑5/12

Marc Betriu Montull

gegen

Instituto Nacional de la Seguridad Social (INSS)

(Vorabentscheidungsersuchen des Juzgado de lo Social nº 1 de Lleida)

„Sozialpolitik – Richtlinie 92/85/EWG – Schutz der Sicherheit und Gesundheit von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz – Art. 8 – Mutterschaftsurlaub – Richtlinie 76/207/EWG – Gleichbehandlung von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen – Art. 2 Abs. 1 und 3 – Urlaubsanspruch unselbständig tätiger Mütter nach der Geburt eines Kindes – Mögliche Inanspruchnahme durch die unselbständig tätige Mutter oder den unselbständig tätigen Vater – Selbständig tätige und keinem öffentlichen System der sozialen Sicherheit angeschlossene Mutter – Ausschluss des Urlaubsanspruchs für den unselbständig tätigen Vater – Biologischer Vater und Adoptivvater – Grundsatz der Gleichbehandlung“

Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Vierte Kammer) vom 19. September 2013

1.        Sozialpolitik – Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer – Schwangere Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillende Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz – Richtlinie 92/85 – Selbständig tätige Arbeitnehmerin, die keinem öffentlichen System der sozialen Sicherheit angeschlossen ist – Anspruch auf Mutterschaftsurlaub – Fehlen – Arbeitnehmerin, die nicht unter die Richtlinie 92/85 fällt

(Richtlinie 92/85 des Rates, Art. 8)

2.        Sozialpolitik – Männliche und weibliche Arbeitnehmer – Zugang zur Beschäftigung und Arbeitsbedingungen – Gleichbehandlung – Richtlinie 76/207 – Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer – Schwangere Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillende Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz – Richtlinie 92/85 – Mutterschaftsurlaub – Innerstaatliche Maßnahme, die es Arbeitnehmern weiblichen oder männlichen Geschlechts erlaubt, nach dem Zeitraum des für die Mutter obligatorischen Urlaubs einen Mutterschaftsurlaub in Anspruch zu nehmen – Für die Gewährung dieses Urlaubs gegenüber einem Arbeitnehmer männlichen Geschlechts geltendes Erfordernis, dass die Mutter des Kindes die Arbeitnehmereigenschaft besitzt – Zulässigkeit – Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts – Rechtfertigung

(Richtlinien des Rates 76/207, Art. 2 Abs. 1 und 92/85, Art. 8)

1.        Die Mutter eines Kindes, die selbständig tätig und keinem öffentlichen System der sozialen Sicherheit angeschlossen ist, hat keinen Anspruch auf Mutterschaftsurlaub gemäß der Richtlinie 92/85 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz. Die Sachlage einer solchen Arbeitnehmerin fällt nämlich nicht unter diese Richtlinie, die nur für schwangere Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillende Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz gilt, die ihre Berufstätigkeit nach Weisung eines Arbeitgebers ausüben.

(vgl. Randnrn. 59, 64)

2.        Die Richtlinien 92/85 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz und 76/207 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen sind dahin auszulegen, dass sie einer innerstaatlichen Maßnahme nicht entgegenstehen, die vorsieht, dass der die Arbeitnehmereigenschaft besitzende Vater eines Kindes mit Zustimmung der ebenfalls die Arbeitnehmereigenschaft besitzenden Mutter nach dem Zeitraum des für die Mutter im Anschluss an die Entbindung obligatorischen sechswöchigen Urlaubs einen Mutterschaftsurlaub in Anspruch nehmen kann, es sei denn, dass eine Gefahr für die Gesundheit der Mutter besteht, während der die Arbeitnehmereigenschaft besitzende Vater eines Kindes einen solchen Urlaub nicht in Anspruch nehmen kann, wenn die Mutter des Kindes nicht die Arbeitnehmereigenschaft besitzt und keinem öffentlichen System der sozialen Sicherheit angeschlossen ist.

Was insbesondere die Richtlinie 76/207 betrifft, so schafft zwar eine solche innerstaatliche Maßnahme eine Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts im Sinne von Art. 2 Abs. 1 dieser Richtlinie, doch handelt es sich um eine Maßnahme, die dem Schutz der körperlichen Verfassung der Frau während und nach ihrer Schwangerschaft dient und die somit im Hinblick auf Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie gerechtfertigt ist.

(vgl. Randnrn. 60, 61, 63, 66 und Tenor)