Language of document : ECLI:EU:T:2015:188

Rechtssache T‑538/11

Königreich Belgien

gegen

Europäische Kommission

„Staatliche Beihilfen – Öffentliche Gesundheit – Beihilfen zur Finanzierung von Screening-Tests zur Untersuchung auf transmissible spongiforme Enzephalopathien (TSE) bei Rindern – Beschluss, mit dem die Beihilfen für teilweise vereinbar und teilweise unvereinbar mit dem Binnenmarkt erklärt wurden – Nichtigkeitsklage – Beschwerende Maßnahme – Zulässigkeit – Begriff des Vorteils – Begriff der Selektivität“

Leitsätze – Urteil des Gerichts (Erste Kammer) vom 25. März 2015

1.      Nichtigkeitsklage – Anfechtbare Handlungen – Begriff – Handlungen mit verbindlichen Rechtswirkungen – Beschluss, mit dem eine Maßnahme als staatliche Beihilfe eingestuft und für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt wird – Einbeziehung

(Art. 107 Abs. 1 und 3 AEUV, Art. 108 AEUV und Art. 263 AEUV)

2.      Staatliche Beihilfen – Begriff – Maßnahmen des Mitgliedstaats in Bereichen, die nicht in der Europäischen Union harmonisiert sind – Einbeziehung

(Art. 107 AEUV und Art. 108 AEUV)

3.      Staatliche Beihilfen – Begriff – Maßnahme des Mitgliedstaats, die die Belastungen vermindert, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat – Belastungen, die sich aus der Einhaltung der nationalen Regelung ergeben – Kosten der vorgeschriebenen Kontrollen bei der Produktion oder der Vermarktung von Erzeugnissen – Einbeziehung – Belastungen, die mit der Ausübung der hoheitlichen Befugnisse des Staates zusammenhängen – Keine Auswirkung – Verursacherprinzip – Keine Auswirkung

(Art. 107 Abs. 1 AEUV)

4.      Staatliche Beihilfen – Begriff – Gewährung eines Vorteils für die Begünstigten – Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit – Keine Auswirkung auf die Einstufung als staatliche Beihilfe

(Art. 107 Abs. 1 AEUV)

5.      Staatliche Beihilfen – Begriff – Selektivität der Maßnahme – Differenzierung zwischen Unternehmen, die sich in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Lage befinden – Maßnahme, die den Marktteilnehmern nur eines Sektors unter Ausschluss anderer Sektoren zugutekommt – Rechtfertigung durch das Wesen und den inneren Aufbau der Lastenregelung – Fehlen

(Art. 107 Abs. 1 AEUV)

6.      Staatliche Beihilfen – Begriff – Selektivität der Maßnahme – Gewährung eines Vorteils für die Begünstigten – Bewertung durch den Vergleich mit anderen Unternehmen desselben Mitgliedstaats und nicht mit Unternehmen anderer Mitgliedstaaten

(Art. 107 Abs. 1 AEUV)

7.      Nichtigkeitsklage – Gegenstand – Beschluss, der auf mehreren Gründen beruht, die jeweils ausreichend sind, um ihn zu tragen – Beschluss über staatliche Beihilfen – Klagegründe zu einem Fehler oder zu einer anderen Rechtswidrigkeit, die nur einen der Klagegründe berührt – Klagegrund, der für die Begründung der Nichtigkeit des Beschlusses ins Leere geht

(Art. 263 AEUV)

8.      Gerichtliches Verfahren – Klageschrift – Formerfordernisse – Kurze Darstellung der Klagegründe – Entsprechende Erfordernisse für die zur Stützung eines Klagegrundes vorgebrachten Rügen

(Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 44 § 1)

1.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 47 bis 49, 53)

2.      Im Bereich staatlicher Beihilfen sind die Maßnahmen der Mitgliedstaaten in Bereichen, die nicht in der Europäischen Union harmonisiert sind, vom Anwendungsbereich der Regelung in Bezug auf die Kontrolle staatlicher Beihilfen nicht ausgeschlossen. Andernfalls würde den Art. 107 AEUV und 108 AEUV nämlich zwangsläufig die praktische Wirksamkeit genommen.

(vgl. Rn. 65, 67)

3.      Im Bereich staatlicher Beihilfen schließt der Begriff der Belastung, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat, die zusätzlichen Kosten wie die Kosten der vorgeschriebenen Kontrollen bei der Produktion oder der Vermarktung von Erzeugnissen mit ein, die die Unternehmen aufgrund der originären Rechtspflichten, verordnungsrechtlicher oder vertraglicher Natur, zu tragen haben, die auf die wirtschaftliche Tätigkeit Anwendung finden.

Darüber hinaus beschränkt sich der Begriff der Belastung, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat, nicht auf die Kosten, die sich aus der Anwendung des Verursacherprinzips ergeben. Der Umstand, dass dieses Prinzip nicht anwendbar ist, vermag, seine Richtigkeit unterstellt, dieses Ergebnis nicht in Frage zu stellen.

Jedenfalls steht der Umstand, dass den Unternehmen durch nationale Vorschriften Belastungen auferlegt werden, die folglich zwangsläufig daran anknüpfen, dass der betreffende Mitgliedstaat seine hoheitlichen Befugnisse ausübt, einer Einstufung dieser Belastungen als Belastungen, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat, nicht entgegen.

(vgl. Rn. 76, 77, 85, 96, 104, 105)

4.      Art. 107 Abs. 1 AEUV unterscheidet nicht zwischen den Gründen oder den Zielen der in Bezug genommenen Interventionen, sondern ihre Wirkungen sind maßgeblich. Daher reicht das mit der fraglichen Maßnahme verfolgte Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, als zutreffend unterstellt, nicht aus, um eine von der Kommission vorgenommene Einstufung als staatliche Beihilfe abzulehnen.

(vgl. Rn. 80, 81)

5.      Im Bereich staatlicher Beihilfen ist die Selektivität einer Maßnahme, die eine solche Differenzierung zwischen Unternehmen bezüglich Belastungen einführt, zum einen nachgewiesen, wenn die Kommission feststellt, dass den Marktteilnehmern eines bestimmten Sektors ein Vorteil gewährt wird, der den Unternehmen anderer Sektoren nicht zur Verfügung steht, da die Kontrollen, die diese zwingend vor dem Inverkehrbringen oder der Vermarktung ihrer Erzeugnisse vornehmen müssen, für sie kostenlos sind, während die Unternehmen anderer Sektoren diese Möglichkeit nicht haben.

Zum anderen beurteilt sich die Selektivität einer Maßnahme anhand der Gesamtheit der Unternehmen und bemisst sich nicht nach den Unternehmen, denen derselbe Vorteil innerhalb ein und derselben Kategorie zugute kommt.

Schließlich ist der Umstand, dass die Beihilfeempfänger Belastungen tragen müssen, die die Unternehmen anderer Sektoren nicht tragen, als wahr unterstellt, für die Feststellung, dass eine Differenzierung zwischen Unternehmen im Bereich der Kosten durch das Wesen und den inneren Aufbau der Lastenregelung gerechtfertigt ist, unzureichend.

(vgl. Rn. 103, 110, 111, 114 bis 116)

6.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 124)

7.      Daher tragen die übrigen Gründe eines Beschlusses auch ohne eine fehlerhafte Erwägung zur Selektivität einer staatlichen Beihilfe die Schlussfolgerung, dass die Maßnahme selektiv ist und der Fehler der Kommission daher nicht geeignet ist, die Rechtmäßigkeit des Beschlusses in Frage zu stellen.

(vgl. Rn. 126)

8.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 131)