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Klage, eingereicht am 23. Dezember 2010 - Octapharma Pharmazeutika/EMA

(Rechtssache T-573/10)

Verfahrenssprache: Deutsch

Parteien

Klägerin: Octapharma Pharmazeutika Produktionsgesellschaft mbH (Wien, Österreich) (Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte I. Brinker und T. Holzmüller und Professor J. Schwarze)

Beklagte: Europäische Arzneimittel-Agentur

Anträge der Klägerin

Das Schreiben der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) an die Klägerin vom 21. Oktober 2010 aufzuheben, soweit darin die Rückerstattung zuviel gezahlter Gebühren in Höhe von 180 700 Euro abgelehnt wird;

die Beklagte gemäß Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts zur Tragung der Kosten des Rechtsstreits zu verurteilen.

Klagegründe und wesentliche Argumente

Zur Stützung der Klage macht die Klägerin vier Klagegründe geltend.

Erster Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung in Verbindung mit den für die Erhebung von Gebühren maßgeblichen Rechtsregeln

Die Klägerin trägt diesbezüglich vor, dass die EMA auf Grundlage einer von ihr erlassenen rechtswidrigen Gebührenordnung die Gebührenrückerstattung abgelehnt habe. Die EMA hätte ihren Ermessensspielraum überschritten, indem sie die angefochtene Entscheidung auf eine Gebührenregelung stütze, die gegen die speziellen und allgemeinen Grundsätze der Gebührenberechnung verstoßen würde. Die Klägerin macht geltend, dass die Gebührenordnung insbesondere nicht von der Verordnung Nr. (EG) 297/951 gedeckt sei. Die erhobene Gebühr verletze die Grundsätze der aufwandsadäquaten und maßvollen Gebührenerhebung. Ferner stehe sie in krassem Missverhältnis zu den für Erstzertifizierungen und jährliche Rezertifizierungen erhobenen Gebühren und der tradierten Verwaltungspraxis.

Zweiter Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

Die Klägerin trägt an dieser Stelle vor, dass sich der Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Vergleich mit den Gebühren für die übrigen von der EMA angebotenen Leistungen offenbare. Obschon andere Zertifizierungen für die Plasma-Stammdokumentation einen vergleichbaren oder höheren Verwaltungsaufwand verursachen würden, setzte man dafür weitaus niedrigere Gebühren fest. Auch ein Vergleich mit der Gebührenpraxis der letzten Jahre in Bezug auf die hier abgerechnete Verwaltungsleistung lasse erkennen, dass die erhobene Gebühr außer Verhältnis zum angefallenen Aufwand stehe.

Dritter Klagegrund: Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes vor abrupten Änderungen einer Verwaltungspraxis

Die Klägerin macht im Rahmen des dritten Klagegrundes geltend, dass die EMA in für die Klägerin und die anderen Betroffenen nicht nachvollziehbarer und nicht vorhersehbarer Weise von ihrer üblichen Gebührenpraxis abrupt abgewichen sei und dadurch den Grundsatz des Vertrauensschutzes verletzt habe. Insbesondere hätte die Beklagte bei der Bemessung der Gebühren den maßgeblichen rechtlichen Rahmen und ihren Ermessensspielraum missachtet, so dass sich die Klägerin auf den Schutz ihres berechtigten Vertrauens berufen könne. Besonders schwer wiege nach Auffassung der Klägerin in diesem Zusammenhang, dass die EMA noch vor dem Erlass der angegriffenen Entscheidung zu der alten Gebührenpraxis zurückgekehrt sei.

Vierter Klagegrund: Verstoß gegen die Pflicht zum gleichmäßigen und kohärenten Verwaltungshandeln

Die Klägerin trägt diesbezüglich vor, dass die nur auf einen kurzen Zeitraum begrenzte sprunghafte Gebührenerhöhung im Widerspruch zu der im "Kodex der Kommission für eine Verwaltungspraxis in den Beziehungen der Bediensteten der Europäischen Kommission zur Öffentlichkeit" kodifizierten und aus dem Recht auf gute Verwaltung gemäß Art. 41 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union folgenden Pflicht zum gleichmäßigen und kohärenten Verwaltungshandeln stehe. In der tradierten Gebührenpraxis der EMA wäre für die gleiche Verwaltungsleistung sonst eine deutlich niedrigere, auf einer anderen Berechnungsmethode basierende Gebühr verlangt worden. Insofern handele es sich um eine ungerechtfertigte Änderung der Verwaltungspraxis. Ferner macht die Klägerin geltend, dass die EMA in Anbetracht der besonderen zeitlichen Umstände und der beachtlichen Mehrbelastung im Vergleich zu den letzten Jahren zumindest mit einer Ausnahme- bzw. Übergangsregelung auf den Fall der Klägerin hätte reagieren müssen.

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1 - Verordnung (EG) Nr. 297/95 des Rates vom 10. Februar 1995 über die Gebühren der Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln (ABl. L 35, S. 1).