Language of document : ECLI:EU:T:2024:108

URTEIL DES GERICHTS (Achte Kammer)

21. Februar 2024(*)

„Unionsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung der Unionswortmarke Holex – Ältere Unionsbildmarke MOLDEX – Relatives Eintragungshindernis – Nachweis der ernsthaften Benutzung – Keine Verwechslungsgefahr – Ähnlichkeit der Waren – Zeichenähnlichkeit – Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) 2017/1001“

In der Rechtssache T‑767/22,

Hoffmann GmbH Qualitätswerkzeuge mit Sitz in München (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwalt D. von Schultz,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch A. Ringelhann und T. Klee als Bevollmächtigte,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO und Streithelferin vor dem Gericht:

Moldex/Metric AG & Co. KG mit Sitz in Walddorfhäslach (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwalt T. Krüger,

erlässt

DAS GERICHT (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. Kornezov (Berichterstatter) sowie des Richters G. De Baere und der Richterin S. Kingston,

Kanzler: R. Ūkelytė, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

auf die mündliche Verhandlung vom 25. Oktober 2023

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragt die Klägerin, die Hoffmann GmbH Qualitätswerkzeuge, die teilweise Aufhebung und die Abänderung der Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 30. September 2022 (Sache R 1248/2022‑2) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Am 7. April 2020 meldete die Klägerin beim EUIPO das Wortzeichen Holex als Unionsmarke an.

3        Die Marke wurde für folgende Waren der Klassen 9 und 10 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 9: „… Arbeitsschutzbekleidung, insbesondere Schutzanzüge, insbesondere gegen Feuer und gegen Chemikalien, Schutzschuhe, Sicherheitsschuhe, Schutzhandschuhe; Kopfschutz, insbesondere Schutzhelme; Schutzbrillen; Kopfhalterungen für Schutzvisiere; Schutzmasken, insbesondere Atemschutzmasken, Schweißmasken; Sicherheitsvorrichtungen, Sicherheitsgeräte und Sicherheitsinstrumente zur Absturzsicherung von Personen; Sicherheitsrückhaltevorrichtungen, Schutznetze; alle vorstehenden Waren zum Sichern von Personen oder Festlegen von Ausrüstungsgegenständen; Anseilschutzvorrichtungen und ‑ausrüstungen zur Absturzsicherung von Personen; horizontale und vertikale Absturzsicherungssysteme; Abseilrettungsgeräte; Augenspülvorrichtungen; Atemgeräte und Atemmasken, außer für künstliche Beatmung; … Helmvisiere; Halterungen für Helme; … Lampen zur Verwendung als Warnleuchten“;

–        Klasse 10: „Spender für Gehörschutz; Gehörschutz; Gehörschutz, insbesondere Gehörschutzstöpsel, Gehörschutzlamellen, Kapselgehörschutz (Gehörschutz in Kopfhörerform)“.

4        Am 18. September 2020 legte die Streithelferin, die Moldex/Metric AG & Co. KG, Widerspruch gegen die Eintragung der angemeldeten Marke für die oben in Rn. 3 genannten Waren ein.

5        Der Widerspruch wurde auf folgende Unionsbildmarke gestützt, die am 2. Mai 2006 unter der Nummer 4260527 für die Waren der Klasse 9 „Atemschutzmasken, Gehörschutzstöpsel und ‑kapseln“ eingetragen worden war:

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6        Der Widerspruch wurde auf Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1) gestützt.

7        Auf Antrag der Klägerin forderte das EUIPO die Streithelferin auf, den Nachweis der ernsthaften Benutzung der älteren Widerspruchsmarke zu erbringen. Diese kam der Aufforderung fristgerecht nach.

8        Am 12. Mai 2022 wies die Widerspruchsabteilung den Widerspruch mit der Begründung zurück, dass keine Verwechslungsgefahr bestehe.

9        Die Streithelferin erhob am 12. Juli 2022 beim EUIPO Beschwerde gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung und beantragte die teilweise Aufhebung dieser Entscheidung, soweit der Widerspruch in Bezug auf folgende Waren zurückgewiesen worden war:

–        Klasse 9: „Atemgeräte und Atemmasken, außer für künstliche Beatmung“;

–        Klasse 10: „Spender für Gehörschutz; Gehörschutz; Gehörschutz, insbesondere Gehörschutzstöpsel, Gehörschutzlamellen, Kapselgehörschutz (Gehörschutz in Kopfhörerform)“.

10      Mit der angefochtenen Entscheidung gab die Beschwerdekammer der Beschwerde mit der Begründung, dass Verwechslungsgefahr bestehe, teilweise statt und wies die Anmeldung in Bezug auf folgende Waren zurück:

–        Klasse 9: „Atemmasken, außer für künstliche Beatmung“;

–        Klasse 10: „Spender für Gehörschutz; Gehörschutz; Gehörschutz, insbesondere Gehörschutzstöpsel, Gehörschutzlamellen, Kapselgehörschutz (Gehörschutz in Kopfhörerform)“.

11      Hingegen wies die Beschwerdekammer die Beschwerde in Bezug auf „Atemgeräte, außer für künstliche Beatmung“ in Klasse 9 zurück.

 Anträge der Parteien

12      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben, soweit mit ihr die in Rede stehende Anmeldung für die oben in Rn. 10 genannten Waren zurückgewiesen wurde;

–        den Widerspruch insgesamt zurückzuweisen;

–        dem EUIPO die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

13      Das EUIPO beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        im Fall der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung die Klägerin zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

14      Die Streithelferin beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

15      Die Klägerin führt im Wesentlichen zwei Klagegründe an, mit denen sie erstens das Fehlen einer ernsthaften Benutzung der älteren Marke und zweitens einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 geltend macht.

16      Außerdem weist die Klägerin darauf hin, dass sie am 1. Dezember 2022 beim EUIPO einen Antrag auf Einschränkung des Warenverzeichnisses der Markenanmeldung (im Folgenden: Einschränkungsantrag) gestellt habe, und ersucht das Gericht im Wesentlichen, ihre Klage unter Berücksichtigung dieses Antrags zu beurteilen.

17      Zunächst ist der Einschränkungsantrag zu prüfen, bevor der zweite Klagegrund und gegebenenfalls der erste Klagegrund weiter geprüft werden.

 Zum Antrag auf Einschränkung des Warenverzeichnisses der angemeldeten Marke

18      Die Klägerin ersucht das Gericht, ihren Einschränkungsantrag zu berücksichtigen und auf dieser Grundlage davon auszugehen, dass die angemeldete Marke nunmehr folgende Waren erfasse: „Atemgeräte und Atemmasken, außer für künstliche Beatmung, ausschließlich für den betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz“ und „Spender für Gehörschutz; Gehörschutz; Gehörschutz, insbesondere Gehörschutzstöpsel, Gehörschutzlamellen, Kapselgehörschutz (Gehörschutz in Kopfhörerform), ausschließlich für den betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz“.

19      Das EUIPO und die Streithelferin machen geltend, dass der Antrag auf Einschränkung gemäß Art. 188 der Verfahrensordnung des Gerichts im Verfahren vor dem Gericht nicht berücksichtigt werden könne.

20      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass der Anmelder einer Unionsmarke nach Art. 49 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 seine Anmeldung jederzeit zurücknehmen oder das in der Anmeldung enthaltene Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen einschränken kann.

21      Nach ständiger Rechtsprechung kann das Gericht im Interesse der Verfahrensökonomie eine Einschränkung der in der Markenanmeldung aufgeführten Waren und Dienstleistungen berücksichtigen, sofern sie nicht geeignet ist, den tatsächlichen Rahmen zu verändern, auf den sich die Prüfung der Beschwerdekammer hinsichtlich der von dieser Einschränkung nicht betroffenen Waren oder Dienstleistungen bezogen hat. So kann eine gemäß Art. 49 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 nach Erlass der angefochtenen Entscheidung vorgenommene Einschränkung vom Gericht berücksichtigt werden, wenn sich der Anmelder strikt darauf beschränkt, den Streitgegenstand dadurch einzuschränken, dass er bestimmte Kategorien von Waren oder Dienstleistungen aus dem Verzeichnis der von der Markenanmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen streicht. Da die Beschwerdekammer das Vorliegen der Gefahr von Verwechslungen für jede Ware und Dienstleistung zu beurteilen hat, für die die Unionsmarke angemeldet worden ist, ist die bloße Herausnahme einer oder mehrerer Kategorien von Waren und Dienstleistungen aus deren Verzeichnis in der Anmeldung grundsätzlich nicht geeignet, den tatsächlichen Rahmen zu verändern, auf den sich die Prüfung der Beschwerdekammer hinsichtlich der von dieser Einschränkung nicht betroffenen Waren und Dienstleistungen bezogen hat (vgl. Urteil vom 30. April 2015, Tecalan/HABM – Ensinger [TECALAN], T‑100/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:251, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22      Führt diese Einschränkung dagegen zu einer Änderung des Streitgegenstands, weil dadurch neue Gesichtspunkte eingeführt werden, die der Beschwerdekammer für den Erlass der angefochtenen Entscheidung nicht zur Prüfung unterbreitet worden waren, kann sie vom Gericht grundsätzlich nicht berücksichtigt werden. Dies ist der Fall, wenn die Einschränkung der Waren und Dienstleistungen aus näheren Angaben besteht, die die Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen oder die Bestimmung der maßgeblichen Verkehrskreise beeinflussen und infolgedessen den tatsächlichen Rahmen ändern können, der vor der Beschwerdekammer dargelegt worden war (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. April 2015, TECALAN, T‑100/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:251, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

23      Im vorliegenden Fall ist mit dem EUIPO und der Streithelferin festzustellen, dass die in Rede stehende Einschränkung keine bloße Streichung aus dem Warenverzeichnis der Klassen 9 und 10 darstellt, sondern zu einer Änderung der Beschreibung der betreffenden Waren führt und somit geeignet ist, den tatsächlichen Rahmen zu verändern, auf den sich die Prüfung der Beschwerdekammer bezogen hat.

24      Daher kann das Gericht diese Einschränkung bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht berücksichtigen.

 Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001

25      Der zweite Klagegrund gliedert sich in vier Teile. Erstens wird eine fehlerhafte Beurteilung der Ähnlichkeit oder Identität der in Rede stehenden Waren, zweitens eine fehlerhafte Beurteilung der maßgeblichen Verkehrskreise, drittens eine fehlerhafte Beurteilung der Markenähnlichkeit und viertens eine fehlerhafte Auswertung der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr geltend gemacht.

26      Zunächst ist der zweite, gefolgt vom ersten, dritten und vierten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes zu prüfen.

 Zu den maßgeblichen Verkehrskreisen

27      Nach ständiger Rechtsprechung ist bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr auf die Sicht eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der in Frage stehenden Art von Waren abzustellen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers je nach Art der Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann (vgl. Urteil vom 13. Februar 2007, Mundipharma/HABM – Altana Pharma [RESPICUR], T‑256/04, EU:T:2007:46, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28      Im vorliegenden Fall war die Beschwerdekammer der Ansicht, dass sich die in Rede stehenden Waren sowohl an das allgemeine als auch an ein Fachpublikum richteten. Der maßgebliche Verkehrskreis sei aufgrund der Funktion des präventiven Gesundheitsschutzes der in Rede stehenden Waren das allgemeine Publikum mit einem durchschnittlichen Aufmerksamkeitsgrad. Auch in Bezug auf die „Spender für Gehörschutz“ der Klasse 10 hat die Beschwerdekammer einen durchschnittlichen Aufmerksamkeitsgrad angenommen, auch wenn diese Waren von den für ihre Bereitstellung verantwortlichen Personen und nicht von den Endnutzern ausgewählt wurden.

29      Erstens wendet sich die Klägerin gegen die von der Beschwerdekammer vorgenommene Beurteilung und macht geltend, dass sich sämtliche Waren an ein Fachpublikum richteten, das im Wesentlichen über eine erhöhte Aufmerksamkeit verfüge. Sie ist nämlich der Ansicht, dass sich die von der angemeldeten Marke erfassten Waren aufgrund ihres oben in Rn. 18 erwähnten Einschränkungsantrags keinesfalls an das allgemeine Publikum richten könnten. Zweitens hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, dass, wenn davon auszugehen sei, dass die maßgeblichen Verkehrskreise sowohl aus Fachleuten als auch aus dem allgemeinen Publikum bestünden, der Aufmerksamkeitsgrad des allgemeinen Publikums jedenfalls erhöht sei, da die in Rede stehenden Waren eine wichtige Funktion für die Sicherheit und die Gesundheit hätten.

30      Das EUIPO und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

31      Erstens ist das auf den Antrag auf Einschränkung gestützte Vorbringen der Klägerin aus den oben in den Rn. 20 bis 24 dargelegten Gründen zurückzuweisen. Daher kann die Klägerin auf dieser Grundlage nicht mit Erfolg geltend machen, dass sich die in Rede stehenden Waren ausschließlich an ein Fachpublikum richteten.

32      Zweitens ist zum Vorbringen der Klägerin, das allgemeine Publikum werde jedenfalls einen erhöhten Aufmerksamkeitsgrad in Bezug auf alle in Rede stehenden Waren aufweisen, festzustellen, dass die ältere Marke und die angemeldete Marke allgemein und unterschiedslos sowohl gängige und kostengünstige Waren wie Ohrstöpsel oder Einwegatemmasken, bei denen der Aufmerksamkeitsgrad dieses Publikums nur durchschnittlich ist, als auch teurere Waren erfassen, die eine spezifische Funktion zum Schutz der Gesundheit und der Sicherheit der Benutzer haben können, wie Atemmasken, die das gesamte Gesicht abdecken, für die das allgemeine Publikum einen erhöhten Aufmerksamkeitsgrad aufweisen könnte. Unter diesen Umständen ist nach ständiger Rechtsprechung das Publikum mit dem geringsten Aufmerksamkeitsgrad maßgeblich (vgl. Urteil vom 20. Mai 2014, Argo Group International Holdings/HABM – Arisa Assurances [ARIS], T‑247/12, EU:T:2014:258, Rn. 27 bis 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33      Daher ist das Vorbringen der Klägerin zu den maßgeblichen Verkehrskreisen zurückzuweisen.

 Zum Vergleich der Waren

34      Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der betroffenen Waren oder Dienstleistungen alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis kennzeichnen, in dem diese Waren oder Dienstleistungen zueinander stehen. Zu diesen Faktoren gehören insbesondere ihre Art, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie ihr Charakter als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen. Es können auch andere Faktoren wie die Vertriebswege der betreffenden Waren und Dienstleistungen berücksichtigt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juli 2007, El Corte Inglés/HABM – Bolaños Sabri [PiraÑAM diseño original Juan Bolaños], T‑443/05, EU:T:2007:219, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35      Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer hervorgehoben, dass „Atemmasken, außer für künstliche Beatmung“ der Klasse 9 und „Gehörschutz; Gehörschutz, insbesondere Gehörschutzstöpsel, Gehörschutzlamellen, Kapselgehörschutz (Gehörschutz in Kopfhörerform)“ der Klasse 10, die von der angemeldeten Marke erfasst würden, mit den von der älteren Marke erfassten Waren identisch seien, da sie wörtlich übereinstimmten oder ganz oder teilweise inhaltsgleiche Waren beträfen. Zu den von der angemeldeten Marke erfassten „Spendern für Gehörschutz“ führte die Beschwerdekammer aus, dass diese Waren aufgrund ihres offensichtlichen funktionalen Zusammenhangs mit den von der älteren Marke erfassten Ohrstöpseln trotz ihrer offensichtlich unterschiedlichen Materialbeschaffenheit im Wesentlichen hochgradig ähnlich seien. Schließlich seien die von der angemeldeten Marke erfassten „Atemgeräte, außer für künstliche Beatmung“ und die von der älteren Marke erfassten „Atemschutzmasken“ hochgradig ähnlich, weil diese Waren insbesondere einen im Kern identischen sicherheitstechnischen Zweck erfüllten.

36      Zunächst wirft die Klägerin der Beschwerdekammer vor, zu Unrecht eine im Wesentlichen hochgradige Ähnlichkeit zwischen den von der angemeldeten Marke erfassten „Atemgeräten, außer für künstliche Beatmung“ und den von der älteren Marke erfassten „Atemschutzmasken“ angenommen zu haben. Sodann führt sie aus, dass die Annahme der Beschwerdekammer unrichtig sei, die von der angemeldeten Marke erfassten „Gehörschutzlamellen“ seien von der älteren Marke erfasste „Gehörschutzstöpsel“, weshalb insoweit Warenidentität gegeben sei. Schließlich habe die Beschwerdekammer unzutreffenderweise eine überdurchschnittliche Ähnlichkeit zwischen „Spendern für Gehörschutz“ und Ohrstöpseln angenommen. Zwischen diesen Waren bestünden grundlegende Unterschiede hinsichtlich ihrer Herstellungsweisen, Materialbeschaffenheiten und Zwecke.

37      Das EUIPO und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

38      Vorab ist festzustellen, dass die Klägerin die von der Beschwerdekammer vorgenommene Beurteilung der Identität anderer als der oben in Rn. 36 genannten Waren nicht beanstandet.

39      Was erstens die in Rede stehenden Waren betrifft, deren Ähnlichkeit bestritten wird, ist hinsichtlich der von der angemeldeten Marke erfassten „Atemgeräte, außer für künstliche Beatmung“ festzustellen, dass diese Waren nicht Gegenstand der vorliegenden Klage sind, da der Widerspruch der Streithelferin in Bezug auf diese Waren endgültig zurückgewiesen wurde.

40      Was zweitens den Vergleich zwischen den von der angemeldeten Marke erfassten „Gehörschutzlamellen“ und den von der älteren Marke erfassten „Gehörschutzstöpseln“ betrifft, ist festzustellen, dass die angemeldete Marke „Gehörschutz, insbesondere Gehörschutzstöpsel, Gehörschutzlamellen“ erfasst. Aus dieser Formulierung geht hervor, dass die von der angemeldeten Marke erfassten „Gehörschutzlamellen“ ebenso wie die von der älteren Marke erfassten „Gehörschutzstöpsel“ eine Art von „Gehörschutz“ sind. Auch wenn es zwischen diesen Waren Unterschiede in der Zusammensetzung geben mag, haben sie die gleiche Verwendung, da sie unmittelbar in das Ohr eingeführt werden, und erfüllen dieselbe Gehörschutzfunktion. Außerdem haben sie dieselben Vertriebswege und richten sich an dieselben maßgeblichen Verkehrskreise.

41      Auf der Grundlage dieser Erwägungen ist festzustellen, dass die von der angemeldeten Marke erfassten „Gehörschutzlamellen“ den von der älteren Marke erfassten „Gehörschutzstöpseln“ jedenfalls hochgradig ähnlich sind.

42      Was drittens die von der angemeldeten Marke erfassten „Spender für Gehörschutz“ betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass Waren oder Dienstleistungen einander ergänzen, wenn zwischen ihnen ein enger Zusammenhang in dem Sinne besteht, dass die eine Ware oder Dienstleistung für die Verwendung der anderen unentbehrlich oder wichtig ist, so dass die Verbraucher denken könnten, die Verantwortung für die Herstellung dieser Waren oder die Erbringung dieser Dienstleistungen liege bei demselben Unternehmen (vgl. Urteil vom 22. Januar 2009, Commercy/HABM – easyGroup IP Licensing [easyHotel], T‑316/07, EU:T:2009:14, Rn. 57 und 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

43      Im vorliegenden Fall handelt es sich bei den von der angemeldeten Marke erfassten „Spendern für Gehörschutz“ um Vorrichtungen, deren Funktion darin besteht, Gehörschutzmittel wie Ohrstöpsel aus einem speziell zu diesem Zweck entworfenen Behälter auszugeben, der z. B. mit einem Drehknopf oder einem Hebel ausgestattet ist, um die Ausgabe einer bestimmten Anzahl von Gehörschutzmitteln zu gewährleisten. Wie das EUIPO zu Recht ausführt, erfordert eine ordnungsgemäße Benutzung dieser Waren deren Befüllung mit Gehörschutzmitteln wie Ohrstöpseln, so dass ein offensichtlicher funktionaler Zusammenhang zwischen den von der angemeldeten Marke erfassten „Spendern für Gehörschutz“ und den von der älteren Marke erfassten „Gehörschutzstöpseln“ besteht. Letztere sind daher für die Verwendung Ersterer wesentlich. Es handelt sich somit um einander ergänzende Waren, so dass die Beschwerdekammer zu Recht davon ausgegangen ist, dass die maßgeblichen Verkehrskreise auf dieselbe betriebliche Herkunft dieser Waren schließen könnten.

44      Folglich hat die Beschwerdekammer keinen Beurteilungsfehler begangen, indem sie im Wesentlichen zu dem Ergebnis gelangte, dass zwischen den von der angemeldeten Marke erfassten „Spendern für Gehörschutz“ und den von der älteren Marke erfassten „Gehörschutzstöpseln“ eine hochgradige Ähnlichkeit bestehe.

45      Folglich ist das Vorbringen der Klägerin zum Vergleich der in Rede stehenden Waren insgesamt zurückzuweisen.

 Zum Vergleich der Zeichen

46      Bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen in Bild, Klang oder Bedeutung auf den Gesamteindruck abzustellen, den sie hervorrufen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es entscheidend darauf an, wie die Marken auf den Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren oder Dienstleistungen wirken. Der Durchschnittsverbraucher nimmt eine Marke regelmäßig als Ganzes wahr und achtet nicht auf die verschiedenen Einzelheiten (vgl. Urteil vom 12. Juni 2007, HABM/Shaker, C‑334/05 P, EU:C:2007:333, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

–       Zum bildlichen Vergleich

47      In der angefochtenen Entscheidung ist die Beschwerdekammer zu dem Ergebnis gelangt, dass zwischen den einander gegenüberstehenden Marken in bildlicher Hinsicht ein geringer Grad an Ähnlichkeit bestehe, da sie zwar in den Buchstabenfolgen „ol“ und „ex“ übereinstimmten, sich aber in ihren Anfangsbuchstaben sowie darin unterschieden, dass der in der älteren Marke vorhandene Buchstabe „d“ in der angemeldeten Marke fehle.

48      Die Klägerin tritt dieser Beurteilung entgegen. Als Erstes ist sie der Ansicht, dass es sich bei den einander gegenüberstehenden Marken um kurze Wörter handele, die aus fünf und sechs Buchstaben bestünden und dass aufgrund dieser unterschiedlichen Zahl von Buchstaben vom Fehlen einer bildlich relevanten Zeichenähnlichkeit auszugehen sei. Als Zweites weist sie darauf hin, dass sich die Anfänge der Marken grundlegend unterschieden, da die Buchstaben „m“ und „h“ ein signifikant unterschiedliches Schriftbild aufwiesen, wobei der Verkehr seine Aufmerksamkeit eher auf die Wortanfänge richte. Sie gelangt zu dem Ergebnis, dass es an jedweder schriftbildlichen Ähnlichkeit zwischen den Marken fehle.

49      Das EUIPO tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

50      Die Streithelferin unterstützt das Vorbringen des EUIPO und kommt zu dem Ergebnis, dass eine durchschnittliche bildliche Ähnlichkeit bestehe.

51      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei der älteren Marke um eine Bildmarke handelt, die allein aus dem Wortbestandteil „moldex“ besteht, der in dunkelblauer Farbe in leicht stilisierter Großbuchstabenschrift dargestellt ist. Mit der Beschwerdekammer ist festzustellen, dass die grafische Darstellung für den von der älteren Marke hervorgerufenen Gesamteindruck nur von untergeordneter Bedeutung ist.

52      Die angemeldete Marke ist ihrerseits eine Wortmarke, die ausschließlich aus dem Begriff „holex“ besteht.

53      Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das Gericht bereits entschieden hat, dass bei Marken, die wie im vorliegenden Fall aus fünf bzw. sechs Buchstaben bestehen, die zwischen ihnen bestehenden Unterschiede vom Durchschnittsverbraucher leichter wahrgenommen werden (vgl. Urteil vom 18. Oktober 2011, dm-drogerie markt/HABM – Semtee [caldea], T‑304/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:602, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

54      Wie aus Rn. 70 der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, stimmen die angemeldete Marke und die ältere Marke zwar in den Buchstabenfolgen „ol“ und „ex“ überein, die innerhalb jeder dieser Marken in derselben Reihenfolge erscheinen.

55      Wie die Beschwerdekammer jedoch zu Recht festgestellt hat, unterscheiden sie sich erstens durch ihren jeweiligen Anfangsbuchstaben, nämlich den Buchstaben „m“ und den Buchstaben „h“, wobei diese Buchstaben aufgrund der dem Buchstaben „m“ als Großbuchstaben eigenen Formgebung mit „Zickzack“-Struktur in bildlicher Hinsicht erheblich voneinander abweichen.

56      Zweitens enthält die ältere Marke den Buchstaben „d“, der innerhalb dieser Marke eine zentrale Stellung einnimmt und in der angemeldeten Marke keinerlei Entsprechung hat. Außerdem ist dieser Buchstabe, wie in Rn. 72 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, in bildlicher Hinsicht innerhalb der älteren Marke relativ raumgreifend.

57      Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die ähnliche Zahl von Buchstaben zweier Wortmarken als solche keine besondere Bedeutung für das von den Marken angesprochene Publikum hat. Da das Alphabet aus einer begrenzten Zahl von Buchstaben besteht, die im Übrigen nicht alle mit derselben Häufigkeit verwendet werden, ist es unvermeidlich, dass mehrere Wörter aus der gleichen Zahl von Buchstaben bestehen und auch einige gemein haben, ohne dass sie allein deswegen bildlich als ähnlich eingestuft werden könnten. Darüber hinaus folgt aus ständiger Rechtsprechung, dass sich das Publikum im Allgemeinen nicht der genauen Zahl der Buchstaben bewusst ist, aus denen eine Wortmarke besteht, und folglich in den meisten Fällen nicht bemerkt, dass zwei einander gegenüberstehende Marken aus einer ähnlichen Zahl von Buchstaben bestehen (vgl. Urteil vom 26. März 2020, Conlance/EUIPO – LG Electronics [SONANCE], T‑343/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:124, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

58      Aus denselben Gründen ist entgegen dem Vorbringen der Klägerin der geringe Unterschied zwischen der Anzahl von Buchstaben, aus denen die einander gegenüberstehenden Marken bestehen, für sich genommen nicht geeignet, jede bildliche Ähnlichkeit zwischen ihnen auszuschließen.

59      Im Ergebnis werden, obwohl die einander gegenüberstehenden Marken in den Buchstabenfolgen „ol“ und „ex“ übereinstimmen, die oben in den Rn. 55 und 56 festgestellten erheblichen Unterschiede zwischen ihnen vom Durchschnittsverbraucher gemäß der oben in Rn. 53 angeführten Rechtsprechung leichter wahrgenommen, so dass die Beschwerdekammer unter Zugrundelegung des von diesen Marken hervorgerufenen bildlichen Gesamteindrucks frei von Beurteilungsfehlern zu dem Ergebnis gelangen konnte, dass sie einen geringen und nicht, wie die Streithelferin geltend macht, einen mittleren Grad an bildlicher Ähnlichkeit aufwiesen.

–       Zum klanglichen Vergleich

60      In der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer ihre Prüfung des klanglichen Vergleichs der einander gegenüberstehenden Marken auf die Wahrnehmung des spanischsprachigen Teils der maßgeblichen Verkehrskreise gestützt. Sie wies insoweit darauf hin, dass diese Marken aus der gleichen Zahl von Silben, nämlich zwei, bestünden, dass bei jeder von ihnen die Betonung auf der ersten Silbe liege und dass ihr Sprechrhythmus übereinstimme. Die einander gegenüberstehenden Marken bestünden aus der gleichen Vokalfolge und endeten mit dem Laut „x“, was die klangliche Ähnlichkeit zwischen ihnen verstärke. Außerdem sei der Anlaut „m“, der erste Buchstabe der älteren Marke, ein eher klangschwacher Buchstabe, der im Verhältnis zu dem ihm folgenden Buchstaben „o“ nur eingeschränkt hervortrete, und der Konsonant „h“, der erste Buchstabe der angemeldeten Marke, der vom spanischsprachigen Teil der maßgeblichen Verkehrskreise nicht ausgesprochen werde, sei gar nicht oder jedenfalls nicht erheblich zu hören. Schließlich führte die Beschwerdekammer zum Konsonanten „d“ der älteren Marke im Wesentlichen aus, dass dieser, auch wenn es sich um einen Laut handele, der als solcher nicht auffällig sei, gleichwohl einen gewissen Einfluss auf das Klangbild der Marke habe. Auf dieser Grundlage kam sie zu dem Ergebnis, dass zwischen den fraglichen Marken ein durchschnittlicher Grad an klanglicher Ähnlichkeit bestehe.

61      Nach Ansicht der Klägerin ist allenfalls von einem geringen Grad an klanglicher Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Marken auszugehen. Sie wirft der Beschwerdekammer im Wesentlichen vor, keine Prüfung anhand des von diesen Marken hervorgerufenen Gesamteindrucks vorgenommen zu haben. Sie ist der Ansicht, dass der Klang des Buchstabens „m“, des Anfangsbuchstabens der älteren Marke, auffällig sei, wohingegen der Konsonant „h“, der Anfangsbuchstabe der angemeldeten Marke, stumm sei. Zudem seien die ähnlichen Buchstabenfolgen „ol“ und „ex“ nicht direkt aufeinanderfolgend. Außerdem werde der Laut „o“ in der angemeldeten Marke lang und in der älteren Marke kurz ausgesprochen. Sie meint schließlich, dass der plosive Konsonant „d“, der nur in der älteren Marke vorkomme, ein auffälliger Laut sei, der den Unterschied zwischen den Marken betone.

62      Das EUIPO führt Argumente an, die denen entsprechen, die in der angefochtenen Entscheidung dargelegt und oben in Rn. 60 zusammengefasst worden sind.

63      Die Streithelferin unterstützt das Vorbringen des EUIPO und kommt zu dem Ergebnis, dass ein hoher Grad an klanglicher Ähnlichkeit bestehe.

64      Im vorliegenden Fall ist hervorzuheben, dass der von der Beschwerdekammer für den klanglichen Vergleich der einander gegenüberstehenden Marken herangezogene Teil der maßgeblichen Verkehrskreise, nämlich die spanischsprachige Öffentlichkeit, bei der Aussprache der Marken zwei Silben unterscheidet, nämlich „mol“ und „dex“ für die ältere Marke und „o“ und „lex“ für die angemeldete Marke, da der Buchstabe „h“ im Spanischen stumm ist.

65      Die Aussprache der einander gegenüberstehenden Marken unterscheidet sich somit in ihren ersten Silben, die „mol“ bzw. „o“ ausgesprochen werden.

66      Die jeweils als „dex“ bzw. „lex“ ausgesprochenen zweiten Silben der fraglichen Marken weisen zwar eine klangliche Ähnlichkeit auf, unterscheiden sich jedoch durch ihren ersten Laut, nämlich „d“ bzw. „l“.

67      Insoweit hat die Beschwerdekammer in Rn. 78 der angefochtenen Entscheidung zu Recht darauf hingewiesen, dass dem Buchstaben „d“ aufgrund seiner Stellung ganz am Anfang der zweiten Silbe der älteren Marke ein nicht zu vernachlässigendes Gewicht für den von ihm hervorgerufenen klanglichen Gesamteindruck zukommt und ihm daher eine gewisse Auswirkung in klanglicher Hinsicht zuzuerkennen ist. Außerdem stellt der Buchstabe „d“, wie die Klägerin zu Recht ausgeführt hat, nach den spanischen Ausspracheregeln einen plosiven Konsonanten dar, d. h. einen Konsonanten, dessen Klang durch das plötzliche Lösen einer Luftblockade im Mund erzeugt wird, wenn er, wie im vorliegenden Fall, nach dem Buchstaben „l“ steht.

68      Daraus folgt, dass die einander gegenüberstehenden Marken insgesamt von den spanischsprachigen Verkehrskreisen „mol-dex“ bzw. „o-lex“ ausgesprochen werden. Der klangliche Gesamteindruck, den jede von ihnen hervorruft, lässt daher den Schluss zu, dass zwischen ihnen wegen der erheblichen Unterschiede bei der Aussprache ihrer ersten Silben und des lautlichen Unterschieds, den der erste Buchstabe ihrer jeweils zweiten Silben hervorruft, nicht ein durchschnittlicher, sondern ein geringer Ähnlichkeitsgrad besteht.

–       Zum begrifflichen Vergleich

69      In den Rn. 80 und 81 der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer festgestellt, dass die in Rede stehenden Marken keine Bedeutung hätten und ein begrifflicher Vergleich daher nicht möglich sei. Diese Beurteilung wird von den Parteien nicht angegriffen.

 Zur umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr

70      In den Rn. 85 bis 93 der angefochtenen Entscheidung ist die Beschwerdekammer zu dem Ergebnis gelangt, dass angesichts der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der älteren Marke, der Identität oder hochgradigen Ähnlichkeit der fraglichen Waren, der geringen schriftbildlichen Ähnlichkeit, der durchschnittlichen klanglichen Ähnlichkeit und des Umstands, dass ein begrifflicher Vergleich unmöglich sei, eine Verwechslungsgefahr für die in Rede stehenden Waren bestehe. Außerdem sei, was „vor allem“ Atemmasken, Ohrstöpsel und Gehörschutzspender angehe, die klangliche Wahrnehmung der einander gegenüberstehenden Marken genauso wichtig wie ihre bildliche Wahrnehmung.

71      Die Klägerin tritt dieser Beurteilung insbesondere mit der Begründung entgegen, dass jede bildliche Ähnlichkeit ausgeschlossen und der Grad der klanglichen Ähnlichkeit gering sei. Sie hält eine Verwechslungsgefahr daher für ausgeschlossen.

72      Das EUIPO, unterstützt von der Streithelferin, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

73      Die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr impliziert eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen. So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (Urteile vom 29. September 1998, Canon, C‑39/97, EU:C:1998:442, Rn. 17, und vom 14. Dezember 2006, Mast-Jägermeister/HABM – Licorera Zacapaneca [VENADO mit Rahmen u. a.], T‑81/03, T‑82/03 und T‑103/03, EU:T:2006:397, Rn. 74).

74      Es gibt jedoch keinen Automatismus, der den Schluss auf das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr immer dann zuließe, wenn Identität der Waren und eine geringe Ähnlichkeit zwischen den einander gegenüberstehenden Marken bestehen. Es ist nämlich zwar richtig, dass nach dem Grundsatz der Wechselbeziehung ein geringer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt, doch steht nichts der Feststellung entgegen, dass in Anbetracht der Umstände eines konkreten Falles keine Verwechslungsgefahr besteht, und zwar auch dann nicht, wenn es um identische Waren geht und die einander gegenüberstehenden Marken einen geringen Ähnlichkeitsgrad aufweisen (vgl. Urteil vom 27. Juni 2019, Sandrone/EUIPO – J. García Carrión [Luciano Sandrone], T‑268/18, EU:T:2019:452, Rn. 96 und die dort angeführte Rechtsprechung).

75      Im vorliegenden Fall sind die nicht bestrittene durchschnittliche Kennzeichnungskraft der angemeldeten Marke sowie der Umstand, dass die in Rede stehenden Waren teils identisch, teils hochgradig ähnlich sind und dass die maßgeblichen Verkehrskreise insbesondere aus dem allgemeinen Publikum bestehen, dessen Aufmerksamkeitsgrad durchschnittlich ist, zu berücksichtigen. Wie jedoch oben in den Rn. 59 und 68 festgestellt worden ist, weisen die einander gegenüberstehenden Marken in bildlicher und klanglicher Hinsicht nur einen geringen Ähnlichkeitsgrad auf, während ein begrifflicher Vergleich zwischen ihnen unmöglich ist.

76      Was insbesondere den bildlichen und klanglichen Vergleich der einander gegenüberstehenden Marken betrifft, ergibt sich aus den Rn. 55, 56 und 65 bis 67 oben, dass zwischen ihnen erhebliche Unterschiede bestehen, die von den maßgeblichen Verkehrskreisen leichter wahrgenommen werden, da es sich um Marken handelt, die im Einklang mit der oben in Rn. 53 angeführten Rechtsprechung nicht lang sind. Daher werden die maßgeblichen Verkehrskreise entgegen den Ausführungen der Beschwerdekammer die erheblichen Unterschiede erkennen können, die die Marken kennzeichnen, so dass ausgeschlossen ist, dass diese Verkehrskreise glauben könnten, dass eine wirtschaftliche Verbindung zwischen den Inhabern dieser Marken oder eine gemeinsame betriebliche Herkunft der in Rede stehenden Waren besteht.

77      Überdies ist die Beschwerdekammer zu Unrecht davon ausgegangen, dass die klangliche Wahrnehmung der einander gegenüberstehenden Marken für bestimmte Waren, nämlich Atemmasken, Ohrstöpsel und Gehörschutzspender, genauso wichtig sei wie ihre visuelle Wahrnehmung.

78      Diese Schlussfolgerung der Beschwerdekammer ist nämlich allein auf den Umstand gestützt, dass diese Waren in bestimmten Fällen „in Apotheken an der Ladentheke angefragt und ausgegeben“ werden könnten und dass dem mündlichen Austausch daher eine erhebliche Bedeutung zukomme. Zwar können einige der betroffenen Waren in Apotheken mündlich bestellt werden, doch sind die meisten der in Rede stehenden Waren im Allgemeinen in Selbstbedienung erhältlich. Atemmasken und „Ohrstöpsel“ sind nämlich unabhängig davon, ob sie in Apotheken, in Supermärkten oder andernorts verkauft werden, unmittelbar aus Regalen erhältlich und bedürfen keiner mündlichen Bestellung am Schalter. Außerdem werden jedenfalls „Spender für Gehörschutz“ entgegen den Ausführungen der Beschwerdekammer normalerweise nicht am Schalter von Apotheken bestellt und vertrieben, so dass deren Schlussfolgerung, dass der klangliche Aspekt auch für diese Ware genauso wichtig sei wie der visuelle Aspekt, sachlich unzutreffend ist.

79      Somit ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer zu Unrecht angenommen hat, dass im vorliegenden Fall eine Verwechslungsgefahr bestehe.

80      Nach alledem greift der zweite von der Klägerin angeführte Klagegrund durch.

81      Daher sind, ohne dass über den ersten Klagegrund entschieden zu werden braucht, die Nrn. 1 und 2 des Tenors der angefochtenen Entscheidung aufzuheben, soweit die Beschwerdekammer damit die Entscheidung der Widerspruchsabteilung aufgehoben hat, soweit mit dieser der Widerspruch für die oben in Rn. 10 genannten Waren zurückgewiesen und die in Rede stehende Markenanmeldung für diese Waren abgelehnt wurde.

 Zum zweiten Klageantrag

82      Zum Antrag der Klägerin, den Widerspruch insgesamt zurückzuweisen, ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin mit diesem Antrag das Gericht im Wesentlichen ersucht, die Entscheidung zu erlassen, die das EUIPO ihrer Ansicht nach hätte treffen müssen. Demnach ersucht die Klägerin das Gericht, seine in Art. 72 Abs. 3 der Verordnung 2017/1001 vorgesehene Abänderungsbefugnis auszuüben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. September 2018, Kwizda Holding/EUIPO – Dermapharm [UROAKUT], T‑266/17, EU:T:2018:569, Rn. 84).

83      Soweit die Klägerin beantragt, den Widerspruch „insgesamt“ zurückzuweisen, ist insoweit zunächst festzustellen, dass die Zurückweisung des Widerspruchs für alle Waren, bezüglich derer der Widerspruch erhoben wurde, mit Ausnahme der oben in Rn. 10 genannten Waren bestandskräftig geworden ist.

84      Was den Widerspruch in Bezug auf die oben in Rn. 10 genannten Waren angeht, bewirkt die dem Gericht zustehende Abänderungsbefugnis zwar nicht, dass es dazu ermächtigt wäre, seine eigene Beurteilung an die Stelle der von der Beschwerdekammer vorgenommenen Beurteilung zu setzen, oder gar dazu, eine Frage zu beurteilen, zu der die Beschwerdekammer noch nicht Stellung genommen hat; sie ist jedoch in Situationen auszuüben, in denen das Gericht nach einer Überprüfung der von der Beschwerdekammer vorgenommenen Beurteilung auf der Grundlage der erwiesenen tatsächlichen und rechtlichen Umstände die Entscheidung zu finden vermag, die die Beschwerdekammer hätte erlassen müssen (Urteil vom 5. Juli 2011, Edwin/HABM, C‑263/09 P, EU:C:2011:452, Rn. 72).

85      Dies ist hier der Fall. Die Beschwerdekammer hat nämlich in der angefochtenen Entscheidung zu allen für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr relevanten Gesichtspunkten Stellung genommen, so dass das Gericht die angefochtene Entscheidung in diesem Punkt abändern kann. Wie sich aus den vorstehenden Rn. 73 bis 79 ergibt, hätte die Beschwerdekammer davon ausgehen müssen, dass im vorliegenden Fall eine Verwechslungsgefahr in Bezug auf die oben in Rn. 10 genannten Waren ausgeschlossen war.

86      Unter diesen Umständen ist die von der Streithelferin bei der Beschwerdekammer eingelegte Beschwerde durch Abänderung der angefochtenen Entscheidung zurückzuweisen, soweit sie sich auf die oben in Rn. 10 genannten Waren bezieht. Damit wird entsprechend dem Antrag der Klägerin die Entscheidung der Widerspruchsabteilung wirksam, mit der der Widerspruch zurückgewiesen wurde.

 Kosten

87      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

88      Da das EUIPO unterlegen ist, sind ihm entsprechend dem Antrag der Klägerin seine eigenen Kosten sowie die Kosten der Klägerin aufzuerlegen.

89      Da die Streithelferin unterlegen ist, hat sie ihre eigenen Kosten zu tragen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Nrn. 1 und 2 des Tenors der Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 30. September 2022 (Sache R 1248/20222) werden aufgehoben.

2.      Die Beschwerde der Moldex/Metric AG & Co. KG vor der Zweiten Beschwerdekammer des EUIPO wird zurückgewiesen, soweit sie die von Nr. 1 des Tenors der Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des EUIPO vom 30. September 2022 (Sache R 1248/20222) erfassten Waren betrifft.

3.      Das EUIPO trägt seine eigenen Kosten sowie die Kosten der Hoffmann GmbH Qualitätswerkzeuge.

4.      Moldex/Metric trägt ihre eigenen Kosten.

Kornezov

De Baere

Kingston

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 21. Februar 2024.

Der Kanzler

 

Der Präsident

V. Di Bucci

 

S. Papasavvas


*      Verfahrenssprache: Deutsch.