Language of document : ECLI:EU:T:2023:531

URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer)

13. September 2023(*)

„Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Belarus – Einfrieren von Geldern – Aufnahme des Namens des Klägers in die Listen der betroffenen Personen, Organisationen und Einrichtungen und Belassung seines Namens auf diesen Listen – Beurteilungsfehler“

In den Rechtssachen T‑97/21 und T‑215/22,

Synesis TAA mit Sitz in Minsk (Belarus), vertreten durch Rechtsanwälte G. Lansky und A. Egger,

Klägerin,

gegen

Rat der Europäischen Union, vertreten durch T. Haas, J. Haunold und S. Van Overmeire als Bevollmächtigte,

Beklagter,

erlässt

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten J. Svenningsen sowie des Richters J. Laitenberger und der Richterin M. Stancu (Berichterstatterin),

Kanzler: S. Jund, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

auf die mündliche Verhandlung vom 17. Januar 2023

folgendes

Urteil

1        Mit ihren Klagen nach Art. 263 AEUV beantragt die Klägerin, Synesis TAA, die Nichtigerklärung

–        des Durchführungsbeschlusses (GASP) 2020/2130 des Rates vom 17. Dezember 2020 zur Durchführung des Beschlusses 2012/642/GASP über restriktive Maßnahmen gegen Belarus (ABl. 2020, L 426 I, S. 14) und der Durchführungsverordnung (EU) 2020/2129 des Rates vom 17. Dezember 2020 zur Durchführung des Artikels 8a Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 765/2006 über restriktive Maßnahmen gegen Belarus (ABl. 2020, L 426 I, S. 1) (im Folgenden zusammen: ursprüngliche Rechtsakte),

–        des Beschlusses (GASP) 2021/353 des Rates vom 25. Februar 2021 zur Änderung des Beschlusses 2012/642/GASP über restriktive Maßnahmen gegen Belarus (ABl. 2021, L 68, S. 189) und der Durchführungsverordnung (EU) 2021/339 des Rates vom 25. Februar 2021 zur Durchführung des Artikels 8a der Verordnung (EG) Nr. 765/2006 über restriktive Maßnahmen gegen Belarus (ABl. 2021, L 68, S. 29) (im Folgenden zusammen: Fortsetzungsrechtsakte von 2021) sowie

–        des Beschlusses (GASP) 2022/307 des Rates vom 24. Februar 2022 zur Änderung des Beschlusses 2012/642/GASP über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Belarus (ABl. 2022, L 46, S. 97) und der Durchführungsverordnung (EU) 2022/300 des Rates vom 24. Februar 2022 zur Durchführung des Artikels 8a der Verordnung (EG) Nr. 765/2006 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Belarus (ABl. 2022, L 46, S. 3) (im Folgenden zusammen: Fortsetzungsrechtsakte von 2022),

soweit diese Rechtsakte (im Folgenden zusammen: angefochtene Rechtsakte) sie betreffen.

 Vorgeschichte des Rechtsstreits und Sachverhalt nach Klageerhebung

2        Die Klägerin ist ein belarussisches Unternehmen, das im Bereich der Informationstechnologien tätig ist.

3        Den vorliegenden Rechtssachen liegen die restriktiven Maßnahmen zugrunde, die die Europäische Union seit 2004 angesichts der Lage in Belarus in Bezug auf Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte erlassen hat. Wie aus den Erwägungsgründen der ursprünglichen Rechtsakte hervorgeht, hängen diese Maßnahmen insbesondere mit der Intensivierung der anhaltenden Verletzung der Menschenrechte und dem brutalen Vorgehen gegen die Opposition des Regimes von Präsident Lukaschenko nach den Präsidentschaftswahlen vom 9. August 2020 zusammen, die von der Union als nicht konform mit internationalen Standards befunden wurden.

4        Am 18. Mai 2006 erließ der Rat der Europäischen Union auf der Grundlage der Art. [75 und 215 AEUV] die Verordnung (EG) Nr. 765/2006 über restriktive Maßnahmen gegen Präsident Lukaschenko und verschiedene belarussische Amtsträger (ABl. 2006, L 134, S. 1) und am 15. Oktober 2012 auf der Grundlage von Art. 29 EUV den Beschluss 2012/642/GASP über restriktive Maßnahmen gegen Belarus (ABl. 2012, L 285, S. 1).

5        Die Kriterien, auf deren Grundlage die individuellen restriktiven Maßnahmen gegen die Klägerin erlassen wurden, sind in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a des Beschlusses 2012/642 und Art. 2 Abs. 4 der Verordnung Nr. 765/2006 sowie in Art. 4 Abs. 1 Buchst. b des Beschlusses 2012/642 und Art. 2 Abs. 5 der Verordnung Nr. 765/2006 in ihren zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Rechtsakte geltenden Fassungen festgelegt.

6        Nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a des Beschlusses 2012/642 und Art. 2 Abs. 4 der Verordnung Nr. 765/2006, wobei letztere Bestimmung auf erstere verweist, werden sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen eingefroren, die im Besitz oder im Eigentum u. a. von Personen, Organisationen oder Einrichtungen stehen oder von diesen gehalten oder kontrolliert werden, die für schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen oder Repressionen gegen die Zivilgesellschaft und die demokratische Opposition verantwortlich sind oder deren Aktivitäten die Demokratie oder die Rechtsstaatlichkeit in Belarus auf andere Weise ernsthaft untergraben.

7        Nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. b des Beschlusses 2012/642 und Art. 2 Abs. 5 der Verordnung Nr. 765/2006, wobei letztere Bestimmung auf erstere verweist, werden sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen eingefroren, die im Besitz oder im Eigentum von Personen, Organisationen oder Einrichtungen stehen oder von diesen gehalten oder kontrolliert werden, die vom Regime von Präsident Lukaschenko profitieren oder es unterstützen.

8        Mit den ursprünglichen Rechtsakten wurde der Name der Klägerin in die Listen der von den restriktiven Maßnahmen betroffenen Personen, Organisationen und Einrichtungen im Anhang des Beschlusses 2012/642 und in Anhang I der Verordnung Nr. 765/2006 (im Folgenden zusammen: fragliche Listen) aufgenommen.

9        In den ursprünglichen Rechtsakten rechtfertigte der Rat die Aufnahme des Namens der Klägerin in die fraglichen Listen mit folgenden Gründen:

„[Synesis TAA] stellt den belarussischen Behörden eine Überwachungsplattform bereit, mit der Videoaufnahmen durchsucht und ausgewertet werden können und eine Gesichtserkennungssoftware eingesetzt werden kann; damit ist das Unternehmen verantwortlich für die Repression der Zivilgesellschaft und der demokratischen Opposition durch den Staatsapparat in Belarus.

Den Beschäftigten von Synesis ist es untersagt, auf Belarussisch zu kommunizieren, womit das Unternehmen dafür verantwortlich ist, dass Arbeitnehmerrechte untergraben werden.

Das belarussische Staatssicherheitskomitee (KGB) und das Innenministerium werden als Nutzer des von Synesis entwickelten Systems aufgeführt. Das Unternehmen profitiert somit vom [Regime von Präsident Lukaschenko] und der für dieses geleisteten Unterstützung.

Der Vorstandsvorsitzende von Synesis, Alexander Shatrov, kritisierte öffentlich die gegen das [Regime von Präsident Lukaschenko] demonstrierenden Personen und relativierte den Mangel an Demokratie in Belarus.“

10      Mit Schreiben vom 31. Dezember 2020 ersuchte die Klägerin den Rat, die Aufnahme ihres Namens in die fraglichen Listen zu überprüfen und ihr alle Dokumente und Beweise zu übermitteln, die diese Aufnahme stützen.

11      Am 8. Januar 2021 übermittelte der Rat der Klägerin die Dokumente WK 13848/2020 INIT und WK 14796/2020 EXT 2.

12      Mit Schreiben vom 13. Januar 2021 übermittelte die Klägerin dem Rat ihre Stellungnahme zu diesen Dokumenten und wiederholte ihren Antrag, die Aufnahme ihres Namens in die fraglichen Listen zu überprüfen.

13      Mit Schreiben vom 22. Januar 2021 teilte der Rat der Klägerin mit, dass er beabsichtige, ihren Namen auf den fraglichen Listen zu belassen, und übermittelte ihr zusätzliche, im Dokument WK 749/2021 INIT zusammengefasste Beweise zur Untermauerung der Gründe.

14      Am 1. Februar 2021 nahm die Klägerin zur Absicht des Rates Stellung, ihren Namen auf den fraglichen Listen zu belassen.

15      Mit den Fortsetzungsrechtsakten von 2021 wurde der Name der Klägerin bis zum 28. Februar 2022 auf den fraglichen Listen belassen, und zwar aus folgenden Gründen:

„[Synesis TAA] stellt den belarussischen Behörden eine Überwachungsplattform bereit, mit der Videoaufnahmen durchsucht und ausgewertet werden können und eine Gesichtserkennungssoftware eingesetzt werden kann; damit ist das Unternehmen verantwortlich für die Repression der Zivilgesellschaft und der demokratischen Opposition durch den Staatsapparat in Belarus.

Den Beschäftigten von Synesis ist es untersagt, auf Belarussisch zu kommunizieren, womit die vom [Regime von Präsident Lukaschenko] betriebene Politik der Diskriminierung aufgrund der Sprache unterstützt wird.

Das belarussische Staatssicherheitskomitee (KGB) und das Innenministerium werden als Nutzer des von Synesis entwickelten Systems aufgeführt. Das Unternehmen profitiert somit vom [Regime von Präsident Lukaschenko] und unterstützt es.

Der Vorsitzende der Geschäftsleitung von Synesis, Alexander Shatrov, kritisierte öffentlich die gegen das [Regime von Präsident Lukaschenko] demonstrierenden Personen und relativierte den Mangel an Demokratie in Belarus.“

16      Mit Schreiben vom 26. Februar 2021 beantwortete der Rat die oben in den Rn. 10, 12 und 14 genannten Schreiben der Klägerin und übermittelte ihr das Dokument WK 749/2021 ADD 1.

17      Mit Schreiben vom 17. Januar 2022 teilte der Rat der Klägerin mit, dass er beabsichtige, die gegen sie verhängten restriktiven Maßnahmen aufrechtzuerhalten. Ferner übermittelte er ihr die Dokumente WK 15385/2021 REV 1, WK 15436/2021 ADD 1 und WK 15436/2021 EXT 3.

18      Am 1. Februar 2022 nahm die Klägerin zur Absicht des Rates Stellung, die gegen sie gerichteten restriktiven Maßnahmen aufrechtzuerhalten.

19      Mit den Fortsetzungsrechtsakten von 2022 wurde der Name der Klägerin bis zum 28. Februar 2023 auf den fraglichen Listen belassen, und zwar mit folgender Begründung:

„[Synesis TAA] stellt den belarussischen Behörden eine Überwachungsplattform bereit, mit der Videoaufnahmen durchsucht und ausgewertet werden können und eine Gesichtserkennungssoftware eingesetzt werden kann; damit ist das Unternehmen verantwortlich für die Repression der Zivilgesellschaft und der demokratischen Opposition durch den Staatsapparat in Belarus.

Den Beschäftigten von Synesis ist es untersagt, auf Belarussisch zu kommunizieren, womit die vom [Regime von Präsident Lukaschenko] betriebene Politik der Diskriminierung aufgrund der Sprache unterstützt wird.

Das belarussische Staatssicherheitskomitee (KGB) und das Innenministerium werden als Nutzer des von Synesis entwickelten Systems aufgeführt. Das Unternehmen profitiert somit vom [Regime von Präsident Lukaschenko] und unterstützt es.

Der frühere Leiter, Gründer und frühere Mehrheitsanteilseigner von Synesis, Alexander Shatrov, kritisierte öffentlich die gegen das [Regime von Präsident Lukaschenko] demonstrierenden Personen und relativierte den Mangel an Demokratie in Belarus.“

20      Mit Schreiben vom 25. Februar 2022 beantwortete der Rat die oben in Rn. 18 genannte Stellungnahme der Klägerin.

 Anträge der Parteien

21      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtenen Rechtsakte für nichtig zu erklären, soweit sie sie betreffen;

–        dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

22      Der Rat beantragt,

–        die Klagen abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen;

–        in der Rechtssache T‑97/21, hilfsweise, für den Fall, dass das Gericht die ursprünglichen Rechtsakte und die Fortsetzungsrechtsakte von 2021 für nichtig erklärt, soweit sie die Klägerin betreffen, anzuordnen, dass die Wirkungen des Beschlusses 2021/353 bis zum Wirksamwerden der teilweisen Nichtigerklärung der Durchführungsverordnung 2021/339 aufrechtzuerhalten sind;

–        in der Rechtssache T‑215/22, hilfsweise, für den Fall, dass das Gericht die Fortsetzungsrechtsakte von 2022 für nichtig erklärt, soweit sie die Klägerin betreffen, anzuordnen, dass die Wirkungen des Beschlusses 2022/307 bis zum Wirksamwerden der teilweisen Nichtigerklärung der Durchführungsverordnung 2022/300 aufrechtzuerhalten sind.

 Rechtliche Würdigung

23      Nachdem die Parteien hierzu angehört worden sind, entscheidet das Gericht, die vorliegenden Rechtssachen gemäß Art. 68 seiner Verfahrensordnung zu gemeinsamem Urteil zu verbinden.

24      Ihre Klagen stützt die Klägerin auf einen einzigen Klagegrund, mit dem sie Beurteilungsfehler rügt.

25      Insoweit macht sie im Wesentlichen geltend, dass die in den angefochtenen Rechtsakten genannten Gründe, soweit sie sie beträfen, auf Beurteilungsfehlern beruhten und daher die Aufnahme ihres Namens in die fraglichen Listen und seine Belassung auf diesen Listen nicht rechtfertigen könnten.

26      Zum ersten Aufnahme‑ und Belassungsgrund führt die Klägerin aus, der Rat habe zu Unrecht angenommen, dass sie für Repressionen gegen die Zivilgesellschaft und die demokratische Opposition in Belarus verantwortlich sei, da die Beweise in den Akten nicht belegten, dass zwischen der Entwicklung von KIPOD, die die in den angefochtenen Rechtsakten genannte Überwachungsplattform sei, und den Repressionen ein hinreichender Kausalzusammenhang bestehe.

27      Die Klägerin macht erstens geltend, KIPOD könne nicht zu Zwecken der Repression verwendet werden und sei auch nicht dazu verwendet worden. Zum einen sei es nämlich nicht möglich, eine gesamte Reisepass-Datenbank auf KIPOD herunterzuladen, um danach jede darin geführte Einzelperson zu suchen, oder umgekehrt, Bilder von Einzelpersonen aus einer Menschenmenge mit einer gesamten Reisepass-Datenbank abzugleichen. Zum anderen werde KIPOD im Wesentlichen in der U-Bahn und am Zentralbahnhof von Minsk (Belarus) zur Überwachung der Sicherheit in diesen öffentlichen Räumen verwendet, wobei jede Nutzung von KIPOD zu anderen als den genannten Zwecken gesetzwidrig sei.

28      Zweitens trägt die Klägerin vor, dass sie KIPOD nicht betreibe und daher, selbst wenn KIPOD zu Zwecken der Repression verwendet werden könne und von ihren Nutzern dazu verwendet worden sei, nicht für deren Handlungen verantwortlich gemacht werden könne. Außerdem sei KIPOD den belarussischen Behörden jedenfalls nicht von der Klägerin, sondern von einer rechtlich eigenständigen Gesellschaft, nämlich OOO 24x7 Panoptes (im Folgenden: Panoptes), zur Verfügung gestellt worden.

29      Zum zweiten Aufnahme‑ und Belassungsgrund führt die Klägerin aus, dass dieser Grund, der im Licht des oben in Rn. 6 genannten Kriteriums auszulegen und anzuwenden sei, keinen rechtmäßigen Grund für die Aufnahme ihres Namens in die fraglichen Listen und die Belassung auf diesen Listen darstellen könne, da sie durch ihre innerbetriebliche Kommunikationspolitik nicht für Repressionen verantwortlich werde noch Demokratie oder Rechtsstaatlichkeit in Belarus untergrabe.

30      Zum dritten Aufnahme‑ und Belassungsgrund führt die Klägerin zum einen aus, der Rat habe sie zu Unrecht als juristische Person angesehen, die vom Regime von Präsident Lukaschenko profitiere.

31      So habe sie erstens weder mit dem belarussischen Staatssicherheitskomitee (KGB) noch mit dem belarussischen Innenministerium, sondern mit Panoptes einen Vertrag geschlossen. Zweitens sei es Panoptes, die vertragliche Verpflichtungen mit den belarussischen Behörden eingegangen sei, und zwar nach dem erfolgreichen Abschluss eines Vergabeverfahrens im Wege einer öffentlichen Ausschreibung. Der Rat könne sich nicht auf Verträge stützen, die das Ergebnis eines Vergabeverfahrens seien, wenn die Vergabe aufgrund der im Vergabeverfahren nachgewiesenen Leistung nach Durchführung eines unparteiischen Verfahrens erfolgt sei. Drittens weist die Klägerin darauf hin, dass weder sie noch Panoptes jemals ein Entgelt vom KGB oder dem Innenministerium erhalten hätten und dass KIPOD, nicht Synesis, ihren Umsatz durch den Einzug monatlicher Gebühren von den abonnierten Unternehmen erwirtschafte. Außerdem sei die Frage, ob die Klägerin vom Regime von Präsident Lukaschenko profitiere, anhand der bestehenden Situation zu beurteilen, und Spekulationen über zukünftige Entwicklungen dürften nicht berücksichtigt werden.

32      Zum anderen trägt die Klägerin zu der im Rahmen des dritten Aufnahme‑ und Belassungsgrundes gerügten Unterstützung des Regimes von Präsident Lukaschenko vor, der Rat könne aus ihren Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten nicht schließen, dass sie eine solche Unterstützung leiste. Außerdem reiche eine mittelbare Unterstützung nicht aus, um die Aufnahme ihres Namens in die fraglichen Listen und seine Belassung auf diesen Listen zu rechtfertigen, da die Unterstützung von der Organisation, deren Name in diese Listen aufgenommen worden sei, und nicht von anderen in ihrem Eigentum stehenden oder von ihr kontrollierten Organisationen erbracht werden müsse.

33      Der vierte Aufnahme‑ und Belassungsgrund sei nicht stichhaltig, da es keine Kritik von Alexander Shatrov an den Protesten im Zusammenhang mit den Präsidentschaftswahlen 2020 gegeben habe. Dieser Grund beruhe auf einem Facebook-Beitrag, den Alexander Shatrov am 25. März 2017, also lange vor diesen Protesten veröffentlicht habe. Damit habe dieser lediglich seine Meinung geäußert und von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht. Schließlich bestreitet die Klägerin, dass Alexander Shatrov ihr Vorstandsvorsitzender sei, da sie keinen Vorstand habe; jedenfalls gebe es keine rechtliche Grundlage dafür, ihr Handlungen eines Dritten vorzuwerfen.

34      Der Rat tritt diesem Vorbringen entgegen.

35      Erstens ist darauf hinzuweisen, dass die durch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantierte Wirksamkeit der gerichtlichen Kontrolle u. a. erfordert, dass sich der Unionsrichter, wenn er die Rechtmäßigkeit der einer Entscheidung, den Namen einer Person oder Organisation in die Liste der restriktiven Maßnahmen unterliegenden Personen aufzunehmen oder darauf zu belassen, zugrunde liegenden Begründung prüft, vergewissert, dass diese Entscheidung, die eine individuelle Betroffenheit dieser Person oder Organisation begründet, auf einer hinreichend gesicherten tatsächlichen Grundlage beruht. Dies setzt eine Überprüfung der Tatsachen voraus, die in der dieser Entscheidung zugrunde liegenden Begründung angeführt werden, so dass sich die gerichtliche Kontrolle nicht auf die Beurteilung der abstrakten Wahrscheinlichkeit der angeführten Gründe beschränkt, sondern auf die Frage erstreckt, ob diese Gründe – oder zumindest einer von ihnen, der für sich genommen als ausreichend angesehen wird, um diese Entscheidung zu stützen – erwiesen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juli 2013, Kommission u. a./Kadi, C‑584/10 P, C‑593/10 P und C‑595/10 P, EU:C:2013:518, Rn. 119).

36      Der Unionsrichter hat bei dieser Prüfung gegebenenfalls von der zuständigen Unionsbehörde – vertrauliche oder nicht vertrauliche – Informationen oder Beweise anzufordern, die für eine solche Prüfung relevant sind (vgl. Urteil vom 18. Juli 2013, Kommission u. a./Kadi, C‑584/10 P, C‑593/10 P und C‑595/10 P, EU:C:2013:518, Rn. 120 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37      Im Streitfall ist es nämlich Sache der zuständigen Unionsbehörde, die Stichhaltigkeit der gegen die betroffene Person oder Organisation vorliegenden Gründe nachzuweisen, und nicht Sache der betroffenen Person oder Organisation, den negativen Nachweis zu erbringen, dass diese Gründe nicht stichhaltig sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juli 2013, Kommission u. a./Kadi, C‑584/10 P, C‑593/10 P und C‑595/10 P, EU:C:2013:518, Rn. 121).

38      Übermittelt die zuständige Unionsbehörde relevante Informationen oder Beweise, muss der Unionsrichter die inhaltliche Richtigkeit der vorgetragenen Tatsachen anhand dieser Informationen oder Beweise prüfen und deren Beweiskraft anhand der Umstände des Einzelfalls und im Licht etwaiger dazu abgegebener Stellungnahmen, insbesondere der betroffenen Person oder Organisation, würdigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juli 2013, Kommission u. a./Kadi, C‑584/10 P, C‑593/10 P und C‑595/10 P, EU:C:2013:518, Rn. 124).

39      Bei dieser Beurteilung sind die Beweise und Informationen nicht isoliert, sondern in dem Zusammenhang zu prüfen, in dem sie stehen. Der Rat kommt der ihm obliegenden Beweislast nach, wenn er vor dem Unionsrichter auf ein Bündel von Indizien hinweist, die hinreichend konkret, genau und übereinstimmend sind und die Feststellung ermöglichen, dass eine hinreichende Verbindung zwischen der Organisation, die einer Maßnahme des Einfrierens ihrer Gelder unterworfen ist, und dem bekämpften Regime oder ganz allgemein den bekämpften Situationen besteht (vgl. Urteil vom 12. Februar 2020, Kanyama/Rat, T‑167/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:49, Rn. 93 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40      Außerdem kann sich der Unionsrichter zur Belastung und zur Entlastung auch auf einen vom Kläger während des Gerichtsverfahrens vorgebrachten Gesichtspunkt stützen. Dass die von den restriktiven Maßnahmen betroffene Person einen Gesichtspunkt zu ihrer Entlastung mitgeteilt hat, schließt nämlich nicht aus, dass ihr dieser Gesichtspunkt gegebenenfalls entgegengehalten wird, um die Stichhaltigkeit der Gründe festzustellen, die den gegen sie verhängten restriktiven Maßnahmen zugrunde liegen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Februar 2020, Ilunga Luyoyo/Rat, T‑166/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:50, Rn. 124 und die dort angeführte Rechtsprechung). Gleiches gilt für die Gesichtspunkte, die diese Person anlässlich eines Antrags auf Überprüfung der sie betreffenden restriktiven Maßnahmen mitgeteilt hat.

41      Schließlich ist hinsichtlich der Zuverlässigkeit und Beweiskraft von Beweisen, einschließlich solcher aus digitalen Quellen, zu beachten, dass für den Gerichtshof und das Gericht der Grundsatz der freien Beweiswürdigung gilt und dass für die Würdigung der vorgelegten Beweise allein deren Glaubhaftigkeit maßgeblich ist. Außerdem ist zur Beurteilung des Beweiswerts eines Dokuments die Wahrscheinlichkeit der darin enthaltenen Informationen zu untersuchen, wobei insbesondere die Herkunft des Dokuments, die Umstände seiner Ausarbeitung sowie sein Adressat zu berücksichtigen sind und zu prüfen ist, ob es seinem Inhalt nach sinnvoll und glaubhaft erscheint (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. März 2018, Kim u. a./Rat und Kommission, T‑533/15 und T‑264/16, EU:T:2018:138, Rn. 224, und vom 12. Februar 2020, Kande Mupompa/Rat, T‑170/18, EU:T:2020:60, Rn. 107 [nicht veröffentlicht]).

42      Zweitens lässt sich in Anbetracht des präventiven Charakters der fraglichen restriktiven Maßnahmen dann, wenn der Unionsrichter im Rahmen seiner Kontrolle der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung zu der Auffassung gelangt, dass zumindest einer der Aufnahmegründe hinreichend präzise und konkret ist, dass er nachgewiesen ist und dass er für sich genommen eine hinreichende Grundlage für diese Entscheidung darstellt, deren Nichtigerklärung nicht damit rechtfertigen, dass dies auf andere Aufnahmegründe nicht zutrifft (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juli 2013, Kommission u. a./Kadi, C‑584/10 P, C‑593/10 P und C‑595/10 P, EU:C:2013:518, Rn. 130).

43      Anhand dieser Grundsätze ist im vorliegenden Fall zu prüfen, ob die Gründe für die Aufnahme des Namens der Klägerin in die fraglichen Listen und seine Belassung auf diesen Listen auf einem Bündel von Indizien beruhen, die hinreichend konkret, genau und übereinstimmend sind und es ermöglichen, die Klägerin als juristische Person anzusehen, die für die Repression der Zivilgesellschaft und der demokratischen Opposition in Belarus verantwortlich ist sowie vom Regime von Präsident Lukaschenko profitiert und es unterstützt.

44      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass es erstens im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Rechtsakte unerheblich ist, dass der Bezeichnung der Klägerin in der deutschen Fassung der ursprünglichen Rechtsakte, und zwar in der Rubrik „Gründe für die Aufnahme in die Liste“ der fraglichen Listen, fälschlicherweise das Akronym „JSC“ vorangestellt ist. Es liegt nämlich auf der Hand, dass es sich um einen bloßen Schreibfehler in der deutschen Sprachfassung der ursprünglichen Rechtsakte handelt, der sich in keiner anderen Sprachfassung dieser Rechtsakte wiederfindet.

45      Zweitens ist festzustellen, dass der Umstand, dass in den fraglichen Listen in der Rubrik „Angaben zur Identität“ zwei verschiedene Anschriften und Registrierungsnummern in Belarus und in Russland aufgeführt sind, bei der Klägerin keine Ungewissheit darüber hervorrufen konnte, ob sie von den angefochtenen Rechtsakten betroffen ist. In diesen Rechtsakten ist der Name der Klägerin nämlich in den Rubriken „Namen (Transkription der belarussischen Schreibweise) (Transkription der russischen Schreibweise)“ und „Namen (belarussische Schreibweise) (russische Schreibweise)“ zusammen mit ihrer Anschrift und ihrer Registrierungsnummer genannt. Im Übrigen ist in den angefochtenen Rechtsakten nur eine Telefonnummer in Belarus genannt. Folglich ist entgegen dem Vorbringen der Klägerin der Schluss zu ziehen, dass die Aufnahme der als „LLC Synesis“ bezeichneten Organisation in die fraglichen Listen nur die Klägerin betrifft.

46      Drittens genügt hinsichtlich des Vorbringens der Klägerin, der Rat könne sich bei der Annahme der ursprünglichen Rechtsakte vom 17. Dezember 2020 nicht auf das Dokument WK 14796/2020 EXT 2 vom 8. Januar 2021 stützen, die Feststellung, dass sich das Datum des Dokuments WK 14796/2020 EXT 2, nämlich der 8. Januar 2021, gemäß dem Dokument „Understanding the Council’s open data datasets“ (Die Open-Data-Datensätze des Rates verstehen) des Rates vom 21. März 2016, das auf seiner Website öffentlich zugänglich ist und als Anlage zu seiner Klagebeantwortung in der Rechtssache T‑97/21 vorgelegt wurde, auf das Datum der Vorlage dieses Dokuments bei der Klägerin (siehe oben, Rn. 11) bezieht und nicht, wie diese zu Unrecht geltend macht, auf das Datum der Aufnahme der Informationen in das Dossier des Rates. Das Vorbringen ist daher unbegründet.

47      Was die Prüfung der Stichhaltigkeit der Gründe für die Aufnahme des Namens der Klägerin in die fraglichen Listen und seine Belassung auf diesen Listen angeht, so sind zunächst der erste und der dritte Aufnahme‑ und Belassungsgrund zu prüfen.

 Erster Aufnahme und Belassungsgrund

48      Die Parteien sind darüber einig, dass es sich bei der Überwachungsplattform, auf die sich die angefochtenen Rechtsakte beziehen, um KIPOD handelt und dass die Bereitstellung dieser Plattform an die belarussischen Behörden in Form ihrer Integration in das in Belarus bestehende staatliche Überwachungssystem erfolgte.

49      Wie aus den Beweisen Nrn. 4 und 5 des Dokuments WK 13848/2020 INIT hervorgeht, wurde dieses System auf der Grundlage des Präsidialdekrets Nr. 187 vom 25. Mai 2017 über das staatliche Überwachungssystem (im Folgenden: Präsidialdekret Nr. 187 von 2017) und des Beschlusses Nr. 841 des Ministerrats der Republik Belarus vom 10. November 2017 (im Folgenden: Beschluss Nr. 841 des Ministerrats von 2017) eingerichtet. Es besteht aus Videoüberwachungskameras, Detektoren und Kommunikationsketten, die alle mit einem staatlichen Datenverarbeitungszentrum verbunden sind, das der Sammlung, Speicherung und Verarbeitung der mittels der Bestandteile des Systems erhobenen Daten dient. Gemäß dem Präsidialdekret Nr. 187 von 2017 und dem Beschluss Nr. 841 des Ministerrats von 2017 ist das Innenministerium die als Koordinator des staatlichen Überwachungssystems benannte Regierungsstelle.

50      Die Klägerin bestreitet nicht die in den angefochtenen Rechtsakten angegebenen Funktionen von KIPOD, nämlich dass damit Videoaufnahmen durchsucht und ausgewertet werden können und eine Gesichtserkennungssoftware eingesetzt werden kann. Sie wendet sich vielmehr gegen die Beurteilung des Rates hinsichtlich ihrer Verantwortlichkeit für die Repression der Zivilgesellschaft und der demokratischen Opposition durch den Staatsapparat in Belarus, da es sich erstens bei der Organisation, die KIPOD den belarussischen Behörden bereitgestellt habe, um die rechtlich eigenständige Organisation Panoptes gehandelt habe, zweitens KIPOD nicht zu Zwecken der Repression habe verwendet werden können und auch nicht dazu verwendet worden sei und drittens die Klägerin jedenfalls nicht für die Handlungen der Nutzer von KIPOD verantwortlich gemacht werden könne.

51      Zunächst ist zu prüfen, ob KIPOD zu Zwecken der Repression verwendet werden kann und tatsächlich dazu verwendet wurde, und sodann, ob die Klägerin für die Bereitstellung von KIPOD an die belarussischen Behörden und für die Repression der Zivilgesellschaft und der demokratischen Opposition in Belarus aufgrund dieser Bereitstellung verantwortlich gemacht werden kann.

 Möglichkeit der Verwendung von KIPOD zu Zwecken der Repression und ihre Verwendung zu diesen Zwecken

52      Was erstens das Vorbringen der Klägerin betrifft, KIPOD könne nicht zu Zwecken der Repression verwendet werden, ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin nicht bestreitet, dass mit KIPOD Videoaufnahmen durchsucht und ausgewertet werden können und eine Gesichtserkennungssoftware eingesetzt werden kann. Wie aus dem Beweis Nr. 1 des Dokuments WK 13848/2020 INIT und den Beweisen Nrn. 3 und 4 des Dokuments WK 749/2021 INIT hervorgeht, deren Quellen entweder die Klägerin oder mit ihr verbundene Organisationen sind, ermöglichen es die Funktionen von KIPOD u. a., eine Person auf der Grundlage des bloßen Hochladens eines Fotos, selbst wenn es von schlechter Qualität ist, sofort zu identifizieren und zu bestimmen, wo sie wann gewesen ist, oder auch eine Person auf der Grundlage von Alter, Rasse, Geschlecht und anderen Merkmalen zu identifizieren.

53      Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist festzustellen, dass in einem Land wie Belarus, das, wie sich u. a. aus dem vierten Erwägungsgrund des Beschlusses 2012/642 ergibt, seit dem Jahr 2004 durch eine ständige Repression der Zivilgesellschaft und der demokratischen Opposition gekennzeichnet ist, die oben genannten Funktionen von KIPOD, die im Rahmen des staatlichen Überwachungssystems genutzt werden, besonders geeignet sind, vom Regime von Präsident Lukaschenko zu Zwecken der Repression verwendet zu werden, da, wie aus dem Beweis Nr. 4 des Dokuments WK 13848/2020 INIT hervorgeht, die beiden wichtigsten Repressionsstellen des Regimes, das Innenministerium und das KGB, zu den Nutzern des staatlichen Überwachungssystems und damit von KIPOD gehören. Außerdem haben diese Stellen, wie im Bericht „Freedom of the Net 2020“ (Freiheit des Internets 2020) der Organisation Freedom House, vorgelegt als Beweis Nr. 6 im Dokument WK 13848/2020 INIT, angegeben, uneingeschränkten Zugang zu diesem System und damit zu den darin integrierten Funktionen von KIPOD, ohne dass nach belarussischem Recht eine vorherige Genehmigung oder eine nachträgliche Kontrolle erforderlich wäre. Dies wird durch die Bestimmungen des Präsidialdekrets Nr. 187 von 2017 bestätigt, das als Beweis Nr. 6 im Dokument WK 749/2021 INIT vorgelegt wurde.

54      Zwar trägt die Klägerin vor, KIPOD sei nicht zur Integration von Reisepass-Datenbanken in der Lage, weshalb sie nicht zu Zwecken der Repression verwendet werden könne. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der fragliche Aufnahme‑ und Belassungsgrund nicht auf eine solche Funktion von KIPOD abzielt, sondern auf den Umstand, dass mit KIPOD Videoaufnahmen durchsucht und ausgewertet werden können und eine Gesichtserkennungssoftware eingesetzt werden kann. Wie oben in Rn. 53 ausgeführt, können die Repressionsstellen des Regimes die Funktionen von KIPOD uneingeschränkt nutzen, die es u. a. ermöglichen, eine Person auf der Grundlage des bloßen Hochladens eines Fotos, selbst wenn es von schlechter Qualität ist, sofort zu identifizieren und zu bestimmen, wo sie wann gewesen ist, oder auch eine Person auf der Grundlage von Alter, Rasse, Geschlecht und anderen Merkmalen zu identifizieren. Daher ist KIPOD besonders geeignet, vom Regime von Präsident Lukaschenko zu Zwecken der Repression verwendet zu werden.

55      Außerdem ist jedenfalls festzustellen, dass KIPOD die Integration von Datenbanken ermöglicht. Die Klägerin führt in ihren Schriftsätzen selbst aus, dass KIPOD technisch in der Lage sei, zwei Bilder zu vergleichen und zu prüfen, ob diese Bilder einander ähnlich seien, und dann die Ergebnisse dieses Vergleichs mit Datenbanken über persönliche Informationen abzugleichen. Dies wird im Übrigen durch die Technische Analyse bestätigt, die die Klägerin in der Rechtssache T‑97/21 als Anlage zur Klageschrift und der Rat in der Rechtssache T‑215/22 als Anlage zur Klagebeantwortung vorgelegt hat. In dieser Analyse, auf die sich das Gericht gemäß der in Rn. 40 angeführten Rechtsprechung nicht nur zur Entlastung, sondern auch zur Belastung stützen kann, heißt es nämlich, dass eine Neuentwicklung und Neugestaltung von KIPOD nur dann erforderlich wäre, wenn beschlossen würde, in die Plattform Informationen über mehr als 10 000 zuvor in einer Datenbank identifizierte Einzelpersonen zu integrieren. Darüber hinaus ist dem Artikel vom 20. Dezember 2020, der auf der Website „tvr.by“ der belarussischen staatlichen Fernseh- und Rundfunkgesellschaft Belteleradio veröffentlicht und als Beweis Nr. 8 des Dokuments WK 749/2021 INIT vorgelegt wurde, zu entnehmen, dass das Innenministerium eine Datenbank mit persönlichen Informationen wie Geschlecht, Alter, Region, Arbeitsplatz, Bildung und Hobbys von Personen, die gegen die Ordnung auf den Straßen verstoßen, eingerichtet hat und methodisch speist.

56      Was zweitens das Vorbringen der Klägerin betrifft, mit dem sie die Verwendung von KIPOD zu Zwecken der Repression durch das Regime von Präsident Lukaschenko bestreitet, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die bloße Einführung eines Systems zur Überwachung der Bevölkerung wie des in Belarus bestehenden staatlichen Überwachungssystems, in dem eine Überwachungsplattform integriert ist, mit der Videoaufnahmen durchsucht und ausgewertet werden können und eine Gesichtserkennungssoftware eingesetzt werden kann und zu der das Innenministerium und das KGB uneingeschränkten Zugang haben, in einem Land wie Belarus an sich schon geeignet ist, die Zivilgesellschaft und die demokratische Opposition nachdrücklich von der Bekundung ihres Bestrebens nach der Ausübung ihrer Rechte abzuhalten, und daher einen Akt der Repression darstellt.

57      Ferner geht entgegen dem Vorbringen der Klägerin aus den Aktenstücken hervor, dass die Funktionen von KIPOD von den belarussischen Behörden tatsächlich im Rahmen des staatlichen Überwachungssystems zu Zwecken der Repression verwendet wurden.

58      In diesem Zusammenhang heißt es in dem Artikel, der am 5. November 2020 auf der Website „tut.by“ – dem, wie vom Rat in Beantwortung einer prozessleitenden Maßnahme ausgeführt, größten unabhängigen Medienunternehmen in Belarus – veröffentlicht und als Beweis Nr. 1 im Dokument WK 13848/2020 INIT vorgelegt wurde, dass „Telegram-Kanäle kürzlich Synesis beschuldigt haben, die Sicherheitskräfte bei der Identifizierung von Demonstranten mit Hilfe der Plattform KIPOD zu unterstützen“. Zwar macht die Klägerin geltend, der Rat habe nicht davon ausgehen dürfen, dass die in diesem Artikel angeführten Tatsachen als erwiesen angesehen werden könnten. Die folgenden Gesichtspunkte belegen jedoch, dass der Artikel seinem Inhalt nach vernünftig und glaubhaft ist. Zum einen führt die Klägerin unter Berufung auf denselben Artikel aus, dieser belege, dass KIPOD nur zur Identifizierung von im Vorhinein spezifizierten Personen verwendet werden könne. Zum anderen wird durch einen weiteren Beweis, den die Klägerin nicht bestreitet, bestätigt, dass die belarussische Polizei KIPOD seit 2019 verwendet, nämlich durch den als Beweis Nr. 3 des Dokuments WK 13848/2020 INIT vorgelegten Artikel, der am 14. Januar 2020 auf der Website „euroradio.fm“ veröffentlicht wurde, die, wie vom Rat in Beantwortung einer prozessleitenden Maßnahme ausgeführt, einem im Jahr 2005 gegründeten belarussischsprachigen Radiosender mit Sitz in Warschau (Polen) gehört. Aus der Rechtsprechung ergibt sich, dass zum Beleg bestimmter Tatsachen – hier der Tatsache, dass die Funktionen von KIPOD von den belarussischen Behörden tatsächlich im Rahmen des staatlichen Überwachungssystems zu Zwecken der Repression verwendet wurden – auf Presseartikel zurückgegriffen werden darf, wenn diese, wie im vorliegenden Fall, aus mehreren unterschiedlichen Quellen stammen und hinreichend konkrete, genaue und übereinstimmende Angaben zu den darin beschriebenen Tatsachen enthalten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Januar 2017, Almaz-Antey Air and Space Defence/Rat, T‑255/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:25, Rn. 147 und die dort angeführte Rechtsprechung).

59      Außerdem bestätigen mehrere Beweise, die dem Rat zum Zeitpunkt des Erlasses der Fortsetzungsrechtsakte von 2021 vorlagen, die Nutzung von KIPOD zu Zwecken der Repression zu diesem Zeitpunkt.

60      So heißt es in dem Artikel vom 20. Dezember 2020, der auf der Website „tvr.by“ der belarussischen staatlichen Fernseh- und Rundfunkgesellschaft Belteleradio, die einer der vom Regime zugelassenen Kommunikationskanäle ist, veröffentlicht und als Beweis Nr. 8 des Dokuments WK 749/2021 INIT vorgelegt wurde, dass das staatliche Überwachungssystem geschaffen wurde, um die Begehung von Verbrechen und Vergehen zu verhindern, und es dem Innenministerium ermöglicht, Kontrolle zu gewährleisten und angemessen auf jede Kundgebung zerstörerischer Aktivitäten zu reagieren. Hierzu wird in dem Artikel im Wesentlichen ausgeführt, dass das staatliche Überwachungssystem es den Behörden ermöglicht, in Echtzeit Informationen über jeden Teilnehmer an Protestkundgebungen im ganzen Land zu sammeln, und dass einzelne Befürworter von Veränderungen, die mit Hilfe der Telegram-App anonyme Nachrichtenkanäle einrichten, immer häufiger in die Hände von Polizeibeamten fallen und ihre Taten bereuen. Darüber hinaus werden im Beweis Nr. 11 des Dokuments WK 749/2021 INIT, nämlich einem Artikel, der am 1. Oktober 2020 auf der Website „tut.by“ – bei der es sich, wie oben in Rn. 58 ausgeführt, um das größte unabhängige Medienunternehmen in Belarus handelt – veröffentlicht wurde, mehrere Textnachrichten zitiert, die das Innenministerium an Personen versandt hat, die an Protestkundgebungen teilgenommen haben, und in denen es den Empfängern mitteilt, dass bei ihnen ein Verstoß gegen die gesetzlichen Bestimmungen über Massenveranstaltungen festgestellt worden sei und ihre Handlungen auf Foto- und Videoaufnahmen aufgezeichnet seien.

61      Diese Beweise sind entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht ohne Beweiswert. Denn auch wenn der Name der Klägerin oder der von KIPOD dort nicht ausdrücklich erwähnt werden, geht aus dem Kontext, in dem diese Beweise stehen, klar hervor, dass sie sich auf das staatliche Überwachungssystem und auf KIPOD beziehen. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der in den Beweisen enthaltenen Artikel war das vom Innenministerium in Belarus verwendete einheitliche Datenverarbeitungssystem nämlich das staatliche Überwachungssystem, und bei der Plattform, mit der Videoaufnahmen durchsucht und ausgewertet werden konnten, handelte es sich um KIPOD, die in dieses System integriert war.

62      Schließlich verfügte der Rat zum Zeitpunkt des Erlasses der Fortsetzungsrechtsakte von 2022 über zusätzliche Beweise dafür, dass die Funktionen von KIPOD zu diesem Zeitpunkt im Rahmen des staatlichen Überwachungssystems zu Zwecken der Repression genutzt wurden. Zu diesen Beweisen gehören Artikel, die am 27. März 2021 und am 23. Dezember 2020 auf der Website „euroradio.fm“ veröffentlicht wurden und in den Beweisen Nrn. 18 bzw. 14 des Dokuments WK 15385/2021 REV 1 enthalten sind. Im ersten Artikel wird die Aussage eines ehemaligen belarussischen Polizeibeamten zitiert, der bestätigt, dass er persönlich die Funktionen von KIPOD zur Identifizierung von Personen verwendet hat. Im zweiten Artikel werden die Ergebnisse einer von ehemaligen Mitgliedern der belarussischen Polizei durchgeführten Untersuchung dargestellt, die bestätigen, dass ein Gegner des Regimes im November 2020 festgenommen wurde, nachdem er mit Hilfe der Funktionen von KIPOD im Rahmen des staatlichen Überwachungssystems identifiziert worden war.

63      Die Klägerin stellt zwar die Zuverlässigkeit dieser Beweise in Frage.

64      Es ist jedoch festzustellen, dass die Zuverlässigkeit der im oben in Rn. 62 genannten Beweis Nr. 18 des Dokuments WK 15385/2021 REV 1 enthaltenen Erklärung des ehemaligen belarussischen Polizisten nicht allein deshalb in Frage gestellt werden kann, weil die Klägerin diesen ehemaligen Polizisten aufgefordert hat, öffentlich zu erläutern, wie er KIPOD zur Identifizierung von Personen verwendet haben will, und er dies nicht getan haben soll.

65      Zu den Tatsachenfehlern, auf denen die in dem oben in Rn. 62 angeführten Beweis Nr. 14 des Dokuments WK 15385/2021 REV 1 erwähnte Untersuchung beruhen soll, genügt die Feststellung, dass die Klägerin ihr Vorbringen durch nichts belegt.

66      In Anbetracht der oben in den Rn. 52 bis 65 dargelegten Erwägungen ist der Schluss zu ziehen, dass die Funktionen von KIPOD zu Zwecken der Repression im Rahmen des staatlichen Überwachungssystems genutzt werden konnten und dazu auch genutzt wurden.

67      Das weitere Vorbringen der Klägerin kann diese Schlussfolgerung nicht in Frage stellen.

68      Entgegen dem Vorbringen der Klägerin werden die Funktionen von KIPOD im Rahmen des staatlichen Überwachungssystems nämlich nicht im Wesentlichen in der U-Bahn und am Zentralbahnhof von Minsk sowie ausschließlich zur Überwachung der Sicherheit in diesen öffentlichen Räumen genutzt.

69      Nach den Bestimmungen des Präsidialdekrets Nr. 187 von 2017 und des Beschlusses Nr. 841 des Ministerrats von 2017 wurde das staatliche Überwachungssystem so konzipiert, dass es das gesamte Hoheitsgebiet der Republik Belarus abdeckt. Außerdem geht aus dem oben in Rn. 60 angeführten Artikel, der aus einem vom Regime von Präsident Lukaschenko zugelassenen Kommunikationskanal stammt, hervor, dass dieses System es den Behörden ermöglicht, in Echtzeit Informationen über jeden Teilnehmer an Protestkundgebungen im ganzen Land zu sammeln.

70      Schließlich ist jedenfalls festzustellen, dass, selbst wenn das staatliche Überwachungssystem zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Rechtsakte noch nicht auf nationaler Ebene eingeführt gewesen sein sollte, die Orte in der Stadt Minsk, an denen es zu Massenansammlungen kommt, gemäß Art. 20 des Präsidialdekrets Nr. 187 von 2017 zwingend mit Videoüberwachungsanlagen ausgestattet sind, die mit dem staatlichen Überwachungssystem verbunden sind, und zwar seit 2014. Darüber hinaus muss nach dieser Bestimmung die Liste dieser Orte, die 2014 vom Ministerrat gebilligt wurde, mindestens einmal jährlich vom Exekutivausschuss der Stadt Minsk überprüft werden, um dem Ministerrat Vorschläge für eine Aktualisierung zu unterbreiten. Folglich werden die Funktionen von KIPOD entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht nur in U‑Bahnstationen und am Zentralbahnhof von Minsk, sondern zumindest auch an den Orten in der Stadt Minsk genutzt, an denen es zu Massenansammlungen kommt und an denen die Kundgebungen gegen das Regime von Präsident Lukaschenko hauptsächlich stattfinden.

71      Zum Vorbringen der Klägerin, die Nutzung der Funktionen von KIPOD im Rahmen des staatlichen Überwachungssystems zu Zwecken der Repression sei gesetzwidrig, ist festzustellen, dass nach Art. 3 des Beschlusses Nr. 841 des Ministerrats von 2017 mit der Einrichtung des staatlichen Überwachungssystems u. a. bezweckt wird, die öffentliche Sicherheitslage zu überwachen, um die öffentliche Ordnung zu gewährleisten, sowie Verbrechen und anderen Straftaten zu verhindern, festzustellen (aufzudecken) und zu verfolgen. Aus dem zweiten Erwägungsgrund des Durchführungsbeschlusses 2020/2130 geht hervor, dass die friedlichen Demonstrationen im Anschluss an die am 9. August 2020 in Belarus abgehaltenen Präsidentschaftswahlen vom Regime von Präsident Lukaschenko brutal unterdrückt wurden. Somit kann dem Vorbringen der Klägerin nicht gefolgt werden, wonach es gegen belarussische Rechtsvorschriften verstoße, die Protestkundgebungen gegen das Regime von Präsident Lukaschenko zu unterdrücken und dazu Informationen zu nutzen, die mit dem staatlichen Überwachungssystem und dessen Bestandteil KIPOD gesammelt wurden.

 Verantwortlichkeit der Klägerin für die Repression der Zivilgesellschaft und der demokratischen Opposition in Belarus aufgrund der Bereitstellung von KIPOD an die belarussischen Behörden

72      Hierzu ist zunächst festzustellen, dass die Klägerin in ihren Schriftsätzen bestätigt hat, dass sie die Organisation ist, die KIPOD entwickelt hat, und damit deren Eigentümerin ist.

73      Die Integration von KIPOD in das staatliche Überwachungssystem erfolgte notwendigerweise mit Zustimmung der Klägerin als Eigentümerin von KIPOD.

74      Die Organisation, die KIPOD faktisch in dieses System integrierte, war zwar Panoptes, als diese zum technischen Betreiber des Systems wurde.

75      Ohne die Zustimmung der Klägerin als Eigentümerin von KIPOD hätte Panoptes die Plattform jedoch nicht in das republikanische Überwachungssystem integrieren dürfen. Dies wird im Übrigen durch den Finanzbericht über die Tätigkeit der Klägerin bestätigt, den diese als Anlage zur Erwiderung in der Rechtssache T‑97/21 vorgelegt hat. Dort heißt es, dass die Klägerin am 25. Juni 2018 Panoptes Nutzungsrechte für KIPOD einräumte.

76      Außerdem geht aus dem Beweis Nr. 5 des Dokuments WK 13848/2020 INIT hervor, dass Panoptes zu der Zeit, als KIPOD in das staatliche Überwachungssystem integriert wurde, eine Tochtergesellschaft der Klägerin war. Dies wird durch den Handelsregisterauszug bestätigt, den die Klägerin als Anlage zur Erwiderung in der Rechtssache T‑97/21 vorgelegt hat und der belegt, dass Panoptes eine im Jahr 2016 von der Klägerin gegründete Gesellschaft ist, die bis zum 25. März 2021, als Alexander Shatrov Eigentümer von Panoptes wurde, im alleinigen Eigentum der Klägerin stand. Daraus folgt, dass Panoptes entgegen dem Vorbringen der Klägerin, selbst wenn sie zu der Zeit, als KIPOD in das staatliche Überwachungssystem integriert wurde, rechtlich eine gesonderte Organisation war, keine im Verhältnis zur Klägerin eigenständige Organisation war, da die Klägerin als alleinige Eigentümerin die Handlungen von Panoptes kontrollierte und somit zwangsläufig dafür die Verantwortung übernahm.

77      Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist diese daher unmittelbar für die Bereitstellung von KIPOD an die belarussischen Behörden verantwortlich.

78      Die Klägerin wusste notwendigerweise, welche Folgen diese Bereitstellung haben würde, nämlich dass gemäß dem Präsidialdekret Nr. 187 von 2017 und dem Beschluss Nr. 841 des Ministerrats von 2017 insbesondere das Innenministerium und das KGB im Rahmen des staatlichen Überwachungssystems einen in Bezug auf Quellen oder Quantität uneingeschränkten Zugang zur Nutzung von KIPOD haben würden. Denn das Dekret und der Beschluss sind Teil des in Belarus geltenden Rechtsrahmens.

79      Außerdem konnte ihr im gesellschaftspolitischen Kontext von Belarus, das, wie oben in Rn. 53 ausgeführt, seit dem Jahr 2004 durch die Repression der Zivilgesellschaft und der demokratischen Opposition gekennzeichnet ist, vernünftigerweise nicht verborgen bleiben, dass die Möglichkeit für die Repressionsstellen des Regimes, die oben in Rn. 52 genannten Funktionen von KIPOD uneingeschränkt zu nutzen, diese Plattform besonders anfällig dafür machen würde, vom Regime von Präsident Lukaschenko zu Zwecken der Repression genutzt zu werden.

80      Schließlich lässt sich kaum bestreiten, dass die Klägerin von der Nutzung der Funktionen von KIPOD durch die belarussischen Behörden im Rahmen des staatlichen Überwachungssystems zu Zwecken der Repression wusste, da sie als alleinige Eigentümerin von Panoptes deren Handlungen kontrollierte und somit zwangsläufig dafür die Verantwortung übernahm.

81      Aus den vom Rat vorgelegten Beweisen, insbesondere dem von der Website von Panoptes stammenden Beweis Nr. 4 des Dokuments WK 13848/2020 INIT und dem Beweis Nr. 6 des Dokuments WK 749/2021 INIT, geht nämlich hervor, dass Panoptes der technische Betreiber des staatlichen Überwachungssystems war.

82      Gemäß Art. 11 des Präsidialdekrets Nr. 187 von 2017 war Panoptes als technischer Betreiber des staatlichen Überwachungssystems nicht nur dafür verantwortlich, die Funktionen von KIPOD in dieses System zu integrieren, sondern war auch mit dem technischen Betrieb von KIPOD sowie der Hardwarekomponenten des staatlichen Überwachungssystems betraut, um dessen kontinuierlichen und ungestörten Betrieb zu gewährleisten.

83      Außerdem hatte Panoptes als technischer Betreiber des Überwachungssystems die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die im Präsidialdekret Nr. 187 von 2017 genannten Behörden, darunter das Innenministerium und das KGB, uneingeschränkten Zugang sowohl zum System selbst als auch zu den von ihm gesammelten Informationen erhielten. Diese Behörden nutzten, wie sich aus den Ausführungen oben in den Rn. 52 bis 65 ergibt, die Funktionen von KIPOD im Rahmen des staatlichen Überwachungssystems zu Zwecken der Repression.

84      Nach alledem ist festzustellen, dass die Klägerin, als sie KIPOD den belarussischen Behörden bereitstellte, wusste oder zumindest vernünftigerweise nicht ignorieren konnte, dass sie zur Repression der Zivilgesellschaft und der demokratischen Opposition in Belarus beitrug.

85      Im Übrigen ist festzustellen, dass aus den Beweisen in den Akten, insbesondere aus den Auszügen der Website der Klägerin und der von KIPOD, hervorgeht, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Erlasses der Fortsetzungsrechtsakte von 2022 nach wie vor Eigentümerin von KIPOD war, was sie in ihren Schriftsätzen auch nicht bestritten hat. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin als Eigentümerin von KIPOD nie angegeben hat, sich der Nutzung von KIPOD im Rahmen des staatlichen Überwachungssystems und der Nutzung ihrer Funktionen durch die belarussischen Behörden im Rahmen dieses Systems zu Zwecken der Repression widersetzt zu haben.

86      Folglich ist der Rat beurteilungsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Klägerin durch die Bereitstellung von KIPOD an die belarussischen Behörden, mit der Videoaufnahmen durchsucht und ausgewertet werden können und eine Gesichtserkennungssoftware eingesetzt werden kann, für die Repression der Zivilgesellschaft und der demokratischen Opposition in Belarus verantwortlich ist.

87      Diese Schlussfolgerung kann nicht durch den von der Klägerin angeführten Umstand in Frage gestellt werden, dass Alexander Shatrov seit dem 25. März 2021 Eigentümer von Panoptes ist. Insoweit genügt nämlich der Hinweis, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Erlasses der Fortsetzungsrechtsakte von 2022 und damit zwangsläufig nach dem 25. März 2021 noch Eigentümerin von KIPOD war. Als solche hätte sie sich daher, selbst wenn sie Panoptes nicht mehr kontrollierte, der Nutzung von KIPOD im Rahmen des staatlichen Überwachungssystems und der Verwendung seiner Funktionen durch die belarussischen Behörden im Rahmen dieses Systems zu Zwecken der Repression widersetzen können. Folglich bleibt die Klägerin für die Repression der Zivilgesellschaft und der demokratischen Opposition in Belarus verantwortlich.

 Dritter Aufnahme und Belassungsgrund

88      Vorab ist festzustellen, dass der Rat dem dritten Aufnahme- und Belassungsgrund zufolge der Klägerin vorwirft, vom Regime von Präsident Lukaschenko zu profitieren und dieses Regime zu unterstützen, weil das KGB und das Innenministerium als Nutzer des von ihr entwickelten Systems aufgeführt würden. Hierzu führt der Rat unwidersprochen aus, dass es sich bei dem von der Klägerin entwickelten System, auf das sich dieser Aufnahme- und Belassungsgrund bezieht, um KIPOD handele.

89      Aus den oben in Rn. 7 genannten Bestimmungen des Beschlusses 2012/642 und der Verordnung Nr. 765/2006 geht hervor, dass die „Unterstützung“ des Regimes von Präsident Lukaschenko ein Kriterium für die Aufnahme in die fraglichen Listen ist, das von dem Kriterium des von diesem Regime „Profitierens“ verschieden ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. September 2017, BelTechExport/Rat, T‑765/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:669, Rn. 92). Daher sind bei der Prüfung des dritten Aufnahme‑ und Belassungsgrundes der Vorwurf, die Klägerin profitiere vom Regime von Präsident Lukaschenko, und der Vorwurf, die Klägerin unterstütze dieses Regime, getrennt zu prüfen.

90      Zunächst ist der zweite Vorwurf des dritten Aufnahme‑ und Belassungsgrundes zu prüfen, wonach die Klägerin das Regime von Präsident Lukaschenko unterstütze, weil das KGB und das Innenministerium als Nutzer von KIPOD aufgeführt würden, und dadurch, wie KIPOD verwendet werde.

91      Das oben in Rn. 7 genannte Kriterium setzt, wie die Klägerin zu Recht ausführt, eine hinreichende Verbindung zwischen dem Regime von Präsident Lukaschenko und der Person voraus, die den restriktiven Maßnahmen unterliegt, weil sie das Regime unterstützt hat.

92      Im vorliegenden Fall besteht eine solche Verbindung und ergibt sich aus den Tätigkeiten der Klägerin im Rahmen der Bemühungen des Regimes von Präsident Lukaschenko, seine Kapazitäten zur Überwachung der Bevölkerung durch die Einrichtung und Umsetzung des staatlichen Überwachungssystems auszubauen.

93      Hierzu ist festzustellen, dass sich die Tätigkeiten der Klägerin im Zusammenhang mit den Bemühungen des Regimes, seine Kapazitäten zur Überwachung der Bevölkerung auszubauen, nicht auf die Entwicklung von KIPOD beschränken, wie die Klägerin fälschlicherweise geltend macht. Wie oben in den Rn. 72 bis 77 ausgeführt, ist die Klägerin auch unmittelbar für die Bereitstellung von KIPOD an die belarussischen Behörden verantwortlich, da, auch wenn KIPOD faktisch von Panoptes in das staatliche Überwachungssystem integriert wurde, diese Integration durch die Zustimmung der Klägerin als Eigentümerin von KIPOD ermöglicht wurde. Außerdem hat die Klägerin, obwohl sie – wie durch mehrere dem Rat zum Zeitpunkt des Erlasses der Fortsetzungsrechtsakte von 2022 vorliegenden Beweise bestätigt wird – noch Eigentümerin von KIPOD war, nie angegeben, sich der Nutzung von KIPOD im Rahmen des staatlichen Überwachungssystems und der Nutzung seiner Funktionen durch die belarussischen Behörden im Rahmen dieses Systems zu Zwecken der Repression widersetzt zu haben.

94      Die Zustimmung der Klägerin als Eigentümerin von KIPOD zu deren Integration in das staatliche Überwachungssystem, zu dem insbesondere das Innenministerium und das KGB uneingeschränkten Zugang haben, ermöglichte die Nutzung der Funktionen von KIPOD durch das Regime von Präsident Lukaschenko zu Zwecken der Repression, wie oben aus den Rn. 52 bis 71 hervorgeht.

95      Insoweit ergibt sich aus dem sechsten Erwägungsgrund des Beschlusses 2012/642, dass nach Ansicht des Rates in Anbetracht des Ernstes der Lage in Belarus die restriktiven Maßnahmen gegen dieses Land auf Personen ausgeweitet werden sollten, die das Regime von Präsident Lukaschenko unterstützen, „insbesondere Personen …, die das Regime finanziell oder materiell unterstützen“. Daraus folgt, dass der Ausdruck „Unterstützung des Regimes“ im Sinne des oben in Rn. 7 genannten Kriteriums eine materielle Unterstützung wie die Bereitstellung der Überwachungsplattform KIPOD umfasst, da diese Bereitstellung es dem Regime ermöglicht hat, seine Kapazitäten zur Repression der Zivilgesellschaft und der demokratischen Opposition auszubauen.

96      Somit ist festzustellen, dass der Rat beurteilungsfehlerfrei davon ausgegangen ist, dass die Klägerin das Regime von Präsident Lukaschenko unterstützt, weil das KGB und das Innenministerium als Nutzer eines von ihr entwickelten Systems, nämlich KIPOD, aufgeführt werden.

97      Zwar ist Alexander Shatrov, wie die Klägerin vorträgt, seit dem 25. März 2021 der Eigentümer von Panoptes. Dieser Umstand ist jedoch nicht geeignet, die oben in Rn. 96 gezogene Schlussfolgerung in Frage zu stellen, und zwar auch nicht, was die Fortsetzungsrechtsakte von 2022 betrifft, da sich die Klägerin, wie oben in Rn. 87 ausgeführt, selbst wenn sie Panoptes nicht mehr kontrollierte, als Eigentümerin von KIPOD deren Nutzung im Rahmen des staatlichen Überwachungssystems und der Nutzung der Funktionen von KIPOD durch die belarussischen Behörden im Rahmen dieses Systems zu Zwecken der Repression hätte widersetzen können.

98      Zu dem Umstand, dass Panoptes mit Präsidialdekret Nr. 69 vom 25. Februar 2022 als technischer Betreiber des staatlichen Überwachungssystems ersetzt wurde, genügt die Feststellung, dass sich dieser Umstand offensichtlich auf eine Änderung der Lage der Klägerin bezieht, die nach dem Erlass der angefochtenen Rechtsakte eingetreten sein soll. Die Rechtmäßigkeit eines Rechtsakts der Union ist aber anhand der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seines Erlasses zu beurteilen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. April 2021, Al‑Tarazi/Rat, T‑260/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:187, Rn. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung).

99      Nach alledem ist der einzige Klagegrund, mit dem Beurteilungsfehler gerügt werden, als unbegründet zurückzuweisen, so dass die Klagen insgesamt abzuweisen sind, ohne dass das Vorbringen der Klägerin zu den angeblichen Beurteilungsfehlern in Bezug auf den dritten Aufnahme‑ und Belassungsgrund, wonach sie vom Regime von Präsident Lukaschenko profitiere, sowie in Bezug auf den zweiten und den vierten Aufnahme- und Belassungsgrund zu prüfen ist, da es in Anbetracht der oben in Rn. 42 angeführten Rechtsprechung nicht zur Nichtigerklärung der angefochtenen Rechtsakte führen kann, wenn diese Gründe nicht erwiesen wären.

 Kosten

100    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

101    Da die Klägerin im vorliegenden Fall unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des Rates die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Rechtssachen T97/21 und T215/22 werden zu gemeinsamem Urteil verbunden.

2.      Die Klagen werden abgewiesen.

3.      Die Synesis TAA trägt neben ihren eigenen Kosten die Kosten des Rates der Europäischen Union.

Svenningsen

Laitenberger

Stancu

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 13. September 2023.

Der Kanzler

 

Der Präsident

V. Di Bucci

 

S. Papasavvas


*      Verfahrenssprache: Deutsch.