Language of document : ECLI:EU:T:2021:28

URTEIL DES GERICHTS (Zehnte erweiterte Kammer)

20. Januar 2021(*)

„Wirtschafts- und Währungsunion – Bankenunion – Einheitlicher Abwicklungsmechanismus für Kreditinstitute und bestimmte Wertpapierfirmen (SRM) – Einheitlicher Abwicklungsfonds (SRF) – Festlegung der im Voraus erhobenen Beiträge für die Jahre 2015 und 2018 – Zurückweisung des Antrags auf Neuberechnung und Rückerstattung der Beiträge – Nichtigkeitsklage – Anfechtbare Handlung – Zulässigkeit – Institut, dessen Zulassung entzogen wurde – Art. 70 Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 – Begriff ‚Statusänderung‘ – Art. 12 Abs. 2 der Delegierten Verordnung (EU) 2015/63“

In der Rechtssache T‑758/18,

ABLV Bank AS mit Sitz in Riga (Lettland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt O. Behrends,

Klägerin,

gegen

Einheitlicher Abwicklungsausschuss (SRB), vertreten durch J. Kerlin und P. Messina als Bevollmächtigte im Beistand der Rechtsanwälte B. Meyring, S. Schelo, T. Klupsch und S. Ianc,

Beklagter,

unterstützt durch

Europäische Kommission, vertreten durch D. Triantafyllou, A. Nijenhuis und A. Steiblytė als Bevollmächtigte,

Streithelferin,

betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Schreibens des SRB vom 17. Oktober 2018, mit dem dieser den Antrag der Klägerin zurückgewiesen hat, der zum einen auf Neuberechnung ihres im Voraus erhobenen Beitrags für das Jahr 2018 und Rückerstattung des zu viel erhaltenen Betrags sowie zum anderen auf Rückerstattung eines Teils ihres im Voraus erhobenen Beitrags für das Jahr 2015 nach dem Entzug ihrer Zulassung durch die Europäische Zentralbank (EZB) gerichtet war,

erlässt

DAS GERICHT (Zehnte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten S. Papasavvas sowie der Richter A. Kornezov, E. Buttigieg, der Richterin K. Kowalik-Bańczyk und des Richters G. Hesse (Berichterstatter),

Kanzler: P. Cullen, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. Juli 2020

folgendes

Urteil

I.      Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Die Klägerin, die ABLV Bank AS, war bis zum 11. Juli 2018, an dem ihr die Zulassung von der Europäischen Zentralbank (EZB) entzogen wurde (vgl. unten, Rn. 11), ein zugelassenes lettisches Kreditinstitut. Bis zu diesem Zeitpunkt war sie ein „bedeutendes Unternehmen“ und wurde deshalb im Rahmen des einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM) durch die EZB beaufsichtigt.

2        Nach Art. 103 der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2014, L 173, S. 190) stellt die Republik Lettland sicher, dass jährlich bei den in ihrem Hoheitsgebiet zugelassenen Instituten Beiträge erhoben werden.

3        Im Dezember 2015 erhielt die Klägerin daher einen Beitragsbescheid der Finanšu un kapitāla tirgus komisija (Finanz- und Kapitalmarktkommission, Lettland), in dem ihr die Höhe ihres im Voraus erhobenen Beitrags für das Jahr 2015 mitgeteilt wurde. Die Höhe betrug 1 338 112,40 Euro.

4        Dieser von der die Klägerin gezahlte Beitrag wurde sodann gemäß dem am 21. Mai 2014 in Brüssel unterzeichneten zwischenstaatlichen Übereinkommen über die Übertragung von Beiträgen auf den Einheitlichen Abwicklungsfonds (SRF) und über die gemeinsame Nutzung dieser Beiträge (im Folgenden: zwischenstaatliches Übereinkommen) auf den SRF übertragen.

5        Das United States Department of the Treasury (Finanzministerium der Vereinigten Staaten von Amerika) gab am 13. Februar 2018 über das Financial Crimes Enforcement Network (FinCEN, Netzwerk zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität) den Entwurf einer Maßnahme bekannt, mit dem die Klägerin als eine Einrichtung benannt werden sollte, die ein erhebliches Geldwäscherisiko gemäß Abschnitt 311 des Uniting and Strengthening America by Providing Appropriate Tools Required to Intercept and Obstruct Terrorism Act (USA PATRIOT Act) (Gesetz zur Einigung und Stärkung Amerikas durch die Bereitstellung geeigneter Maßnahmen, um Terrorismus entgegenzutreten und aufzuhalten) darstellte. Nach dieser Bekanntgabe war die Klägerin nicht mehr in der Lage, Zahlungen in US-Dollar zu leisten, und begegnete einer Welle des Einlagenabzugs.

6        Außerdem beauftragte die EZB die Finanz- und Kapitalmarktkommission, ein Moratorium zu verhängen, um der Klägerin Zeit zu geben, ihre Lage zu stabilisieren.

7        Am 23. Februar 2018 gelangte die EZB zu der Einschätzung, dass die Klägerin im Sinne von Art. 18 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 (ABl. 2014, L 225, S. 1) ausfällt oder wahrscheinlich ausfällt. Am selben Tag vertrat der Einheitliche Abwicklungsausschuss (SRB) in seinem Beschluss SRB/EES/2018/09 die Auffassung, dass eine Abwicklungsmaßnahme gegenüber der Klägerin im öffentlichen Interesse nicht erforderlich sei.

8        Am 26. Februar 2018 leiteten die Anteilseigner der Klägerin ein Verfahren zur Selbstliquidation ein und beantragten bei der Finanz- und Kapitalmarktkommission die Genehmigung ihres freiwilligen Liquidationsplans.

9        Mit Beschluss SRB/ES/SRF/2018/03 vom 12. April 2018 über die Berechnung der im Voraus erhobenen Beiträge für 2018 genehmigte der SRB die im Voraus erhobenen Beiträge für 2018.

10      Mit Schreiben vom 27. April 2018 teilte die Finanz- und Kapitalmarktkommission der Klägerin mit, dass der SRB seinen Beschluss über die im Voraus erhobenen Beiträge für 2018 erlassen habe, und teilte ihr den zu entrichtenden Betrag mit. Der von der Klägerin geschuldete im Voraus erhobene Beitrag für 2018 belief sich auf 1 850 285,83 Euro. Die Klägerin entrichtete diesen Betrag am 3. Juli 2018.

11      Mit Entscheidung der EZB vom 11. Juli 2018 wurde der Klägerin auf Vorschlag der Finanz- und Kapitalmarktkommission die Zulassung entzogen.

12      Mit Schreiben vom 17. September 2018 beantragte die Klägerin beim SRB die Rückerstattung eines Teils des für das Jahr 2015 gezahlten Beitrags, die Neuberechnung des geschuldeten im Voraus erhobenen Beitrags für 2018 und die Rückerstattung der zu viel gezahlten im Voraus erhobenen Beiträge.

13      Mit Schreiben vom 17. Oktober 2018 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) antwortete der SRB der Klägerin. In diesem Schreiben fasste der SRB zunächst den Antrag der Klägerin betreffend zum einen ihren im Voraus erhobenen Beitrag für 2018 und zum anderen ihren im Voraus erhobenen Beitrag für 2015 zusammen. Sodann vertrat der SRB in Bezug auf den im Voraus erhobenen Beitrag für 2018 unter Hinweis auf Art. 70 Abs. 4 der Verordnung Nr. 806/2014 und Art. 12 Abs. 2 der Delegierten Verordnung (EU) 2015/63 der Kommission vom 21. Oktober 2014 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/59 im Hinblick auf im Voraus erhobene Beiträge zu Abwicklungsfinanzierungsmechanismen (ABl. 2015, L 11, S. 44) die Auffassung, dass keine Bestimmung der beiden Verordnungen die von der Klägerin beantragte Neuberechnung oder Rückerstattung vorsehe. Der SRB wies darauf hin, dass entgegen dem Vorbringen der Klägerin in ihrem Antrag der Entzug der Zulassung eines Kreditinstituts durch die EZB eine Statusänderung im Sinne von Art. 12 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 sei. Daher wirke sich die Entscheidung der EZB vom 11. Juli 2018 betreffend die Klägerin nicht auf den von der Klägerin für das Jahr 2018 geschuldeten jährlichen Beitrag aus und verpflichte sie nicht zur Neuberechnung oder Rückerstattung eines Teils des fraglichen Beitrags. Was schließlich die im Voraus erhobenen Beiträge für 2015 anbelange, seien die von den Mitgliedstaaten erhobenen Beiträge nach Art. 3 Abs. 3 des zwischenstaatlichen Übereinkommens auf den SRF übertragen worden. Die Unternehmen, die im Voraus erhobene Beiträge für 2015 gezahlt hätten und deren Zulassung später widerrufen worden sei, hätten keinen Anspruch auf Rückerstattung dieser im Voraus erhobenen Beiträge und auch nicht auf Rückerstattung aller anderen ordnungsgemäß gezahlten im Voraus erhobenen Beiträge nach Art. 70 Abs. 4 der Verordnung Nr. 806/2014. Der SRB kam aufgrund dessen zu dem Schluss, dass er weder in der Lage sei, den im Voraus erhobenen Beitrag der Klägerin für 2018 neu zu berechnen, noch ihr den Restbetrag des für 2015 gezahlten im Voraus erhobenen Beitrags zu erstatten, weil ihr ihre Zulassung durch die EZB entzogen worden sei.

II.    Verfahren und Anträge der Parteien

14      Mit Klageschrift, die am 21. Dezember 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

15      Mit Beschluss des Präsidenten der Achten Kammer des Gerichts vom 30. April 2019 ist die Europäische Kommission als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des SRB zugelassen worden.

16      Im Zuge einer Änderung der Besetzung des Gerichts mit Beschluss vom 21. Oktober 2019 hat der Präsident des Gerichts die Rechtssache einem neuen, der Zehnten Kammer zugeteilten Berichterstatter zugewiesen.

17      Mit prozessleitender Maßnahme vom 11. Mai 2020 hat das Gericht die Parteien aufgefordert, mehrere Fragen zu beantworten.

18      Mit Schreiben vom 4. und 12. Juni 2020 haben die die Kommission und der SRB jeweils die Fragen des Gerichts beantwortet.

19      Mit Schreiben vom 12. Juni 2020 hat auch die Klägerin die ihr vom Gericht gestellte Frage beantwortet. Mit Schreiben vom 29. Juni 2020 hat die Klägerin zu den Antworten des SRB und der Kommission auf die zweite Frage des Gerichts im Rahmen der prozessleitenden Maßnahme vom 11. Mai 2020 Stellung genommen.

20      Auf Vorschlag der Zehnten Kammer des Gerichts hat das Gericht gemäß Art. 28 seiner Verfahrensordnung die Rechtssache an einen erweiterten Spruchkörper verwiesen.

21      Die Parteien haben in der Sitzung vom 6. Juli 2020 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

22      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

–        dem SRB die Kosten aufzuerlegen.

23      Der SRB beantragt,

–        die Klage für unzulässig zu erklären, oder anderenfalls, sie als unbegründet abzuweisen,

–        der Klägerin sämtliche Kosten und Aufwendungen der Rechtsverfolgung aufzuerlegen.

24      Die Kommission beantragt,

–        die Klage als unbegründet abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

III. Rechtliche Würdigung

A.      Zur Zulässigkeit

25      Der SRB macht geltend, dass die Klage insgesamt unzulässig sei. Er bringt im Wesentlichen erstens vor, die angefochtene Entscheidung stelle keine anfechtbare Handlung im Sinne von Art. 263 AEUV dar. Der SRB habe keine gesetzlich vorgesehene Befugnis ausgeübt, um Rechtswirkungen zu erzeugen, die die Interessen der Klägerin durch eine Änderung ihrer Rechtsstellung beeinträchtigen könnten. Die angefochtene Entscheidung habe informativen Charakter. Zweitens hat der SRB vorgetragen, er bezweifle, dass die Klägerin die Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit erfülle. Drittens könne die Klägerin nicht die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung für den Zeitraum vor dem Entzug ihrer Zulassung, d. h. den Zeitraum vom 23. Februar bis zum 11. Juli 2018, beantragen, da sich ihr Antrag vom 17. September 2018 nicht auf diesen Zeitraum bezogen habe.

26      Die Klägerin macht geltend, dass die angefochtene Entscheidung eine negative Entscheidung sei, die ihren Antrag eindeutig ablehne. Sie sei von dieser Entscheidung unmittelbar betroffen, da die Entscheidung an sie gerichtet sei. Im Übrigen macht die Klägerin geltend, der SRB habe in der angefochtenen Entscheidung jede etwaige Neuberechnung oder Rückerstattung abgelehnt. Sie könne daher zur Stützung ihrer Klage sowohl den Zeitraum nach dem 23. Februar 2018, dem Datum des Beschlusses des SRB, kein Abwicklungskonzept festzulegen, als auch den Zeitraum nach dem 11. Juli 2018 anführen.

27      Erstens ist zur Anfechtbarkeit der angefochtenen Entscheidung festzustellen, dass nach ständiger Rechtsprechung „anfechtbare Handlungen“ im Sinne von Art. 263 AEUV alle von den Organen erlassenen Maßnahmen sind, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen sollen, unabhängig von ihrer Form (vgl. Urteil vom 25. Oktober 2017, Rumänien/Kommission, C‑599/15 P, EU:C:2017:801, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28      Eine Handlung mit rein informativem Charakter stellt keine anfechtbare Handlung im Sinne von Art. 263 AEUV dar (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 4. Oktober 2007, Finnland/Kommission, C‑457/06 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2007:582, Rn. 36).

29      Für die Feststellung, ob die angefochtene Handlung verbindliche Rechtswirkungen erzeugt, ist auf ihr Wesen abzustellen. Die Wirkungen sind anhand objektiver Kriterien zu beurteilen, wie z. B. des Inhalts der Handlung, wobei gegebenenfalls der Zusammenhang ihres Erlasses und die Befugnisse des die Handlung vornehmenden Organs zu berücksichtigen sind (vgl. Urteil vom 25. Oktober 2017, Slowakei/Kommission, C‑593/15 P und C‑594/15 P, EU:C:2017:800, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

30      Im vorliegenden Fall ist in Bezug auf den Inhalt des angefochtenen Rechtsakts darauf hinzuweisen, dass der SRB mit an die Klägerin gerichteten Schreiben vom 17. Oktober 2018 den Antrag der Klägerin zurückgewiesen hat, der zum einen auf Neuberechnung ihres im Voraus erhobenen Beitrags für das Jahr 2018 und Rückerstattung des zu viel erhaltenen Betrags sowie zum anderen auf Rückerstattung eines Teils ihres im Voraus erhobenen Beitrags für das Jahr 2015 nach dem Entzug ihrer Zulassung durch die EZB gerichtet war.

31      Die angefochtene Entscheidung stellt klar, dass der SRB der Ansicht ist, dass er nicht in der Lage sei, den Anträgen der Klägerin auf Neuberechnung und Rückerstattung stattzugeben, weil sie im Widerspruch zu Art. 70 Abs. 4 der Verordnung Nr. 806/2014 und Art. 12 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 stünden.

32      In Bezug auf den im Voraus erhobenen Beitrag für 2018 heißt es, dass „[k]eine Bestimmung [der Verordnung Nr. 806/2014 und der Delegierten Verordnung 2015/63] … insoweit eine Neuberechnung oder Rückerstattung vor[sieht]“. In Bezug auf den Beitrag für 2015 führt der SRB aus, dass „[d]ie Unternehmen, die im Voraus erhobene Beiträge für 2015 gezahlt haben und deren Zulassung später widerrufen wurde, keinen Anspruch auf Rückerstattung dieses Beitrags oder eines anderen ordnungsgemäß gezahlten im Voraus erhobenen Beitrags haben“ und dass „[d]ies … sich aus Art. 70 Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 [ergibt]“. Das Schreiben endet wie folgt: „Nach alledem ist der SRB nicht in der Lage, den im Voraus erhobenen Beitrag für 2018 neu zu berechnen oder den ‚Restbetrag‘ des im Voraus erhobenen Beitrags für 2015 zu erstatten, weil der ABLV Bank die Zulassung durch die EZB entzogen wurde …“.

33      Daher führt der Inhalt der angefochtenen Entscheidung ihren Entscheidungscharakter und ihren endgültigen Charakter an. Entgegen dem Vorbringen des SRB ist ihr Inhalt nicht rein informativ.

34      Zum Kontext, in dem die angefochtene Entscheidung erlassen wurde, ist festzustellen, dass die Klägerin als bis zum 11. Juli 2018 zugelassenes Kreditinstitut, das in einem an der Bankenunion teilnehmenden Mitgliedstaat niedergelassen ist, nach der Richtlinie 2014/59 und der Verordnung Nr. 806/2014 durch im Voraus erhobene Beiträge für die Jahre 2015 bis 2018 an den von der Republik Lettland eingerichteten nationalen Abwicklungsfonds und dann an den SRF Beiträge leisten musste.

35      Zu den Befugnissen des SRB ist darauf hinzuweisen, dass dieser allein die zuständige Behörde für die Berechnung des im Voraus erhobenen Beitrags jedes Instituts und gegebenenfalls für ihre Neuberechnung im Einklang mit der Verordnung Nr. 806/2014, insbesondere ihrem Art. 70 Abs. 2, und der Delegierten Verordnung 2015/63 ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 3. Dezember 2019, Iccrea Banca, C‑414/18, EU:C:2019:1036, Rn. 45 bis 47, und vom 28. November 2019, Portigon/SRB, T‑365/16, EU:T:2019:824, Rn. 71). Der SRB ist auch mit der Verwaltung des SRF betraut, d. h. der Mittel, die durch die im Voraus erhobenen Beiträge gebildet wurden (Art. 67 der Verordnung Nr. 806/2014).

36      Nach alledem ist die angefochtene Entscheidung eine anfechtbare Handlung im Sinne von Art. 263 AEUV.

37      Zweitens ist zum Vorbringen betreffend die Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit, auf das der SRB in der mündlichen Verhandlung verzichtet hat, festzustellen, dass die Klägerin die Adressatin der Handlung ist, deren Nichtigerklärung sie beantragt. Die Voraussetzungen, von denen Art. 263 Abs. 4 erster Satzteil AEUV die Zulässigkeit der Klage abhängig macht, sind somit erfüllt.

38      Drittens macht der SRB geltend, dass einige Stellen in der Klageschrift, nämlich die Rn. 5, 64 und 65 der Klageschrift und Anlage A.17, dahin verstanden werden könnten, dass die Klägerin die Beträge zurückfordern wolle, die sie dem Zeitraum vom 23. Februar bis zum 11. Juli 2018 zurechne. Der SRB ist der Ansicht, dass, wenn und soweit die Klägerin die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung für den Zeitraum vom 23. Februar bis zum 11. Juli 2018 anstrebe, die Klage als unzulässig zurückzuweisen sei.

39      Auf Nachfrage zu diesem Punkt hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgebracht, sie beanstande die angefochtene Entscheidung in ihrer Gesamtheit und beantrage lediglich ihre Nichtigerklärung. Im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits betreffe der Antrag auf Rückerstattung in Bezug auf ihren im Voraus erhobenen Beitrag für 2018 nur den Zeitraum nach dem Widerruf ihrer Zulassung.

40      Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die Rn. 5, 64 und 65 der Klageschrift und der Anlage A.17 allenfalls Argumente enthalten, mit denen die Klägerin dartun will, dass die angefochtene Entscheidung fehlerhaft sei, wie die Klägerin im Übrigen in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat. Entgegen den Befürchtungen, die der SRB haben konnte, strebt die vorliegenden Klage daher nicht die Rückforderung der Beträge an, die für den Zeitraum vom 23. Februar bis zum 11. Juli 2018 geschuldet sein sollen.

41      Daher ist der vom SRB erhobenen Einrede der Unzulässigkeit nicht stattzugeben.

42      Folglich ist die vorliegende Klage zulässig.

B.      Zur Begründetheit

43      Die Klägerin stützt ihre Klage auf zehn Klagegründe. Mit den ersten drei Klagegründen rügt die Klägerin im Wesentlichen, der SRB habe die zeitanteilige Natur der im Voraus erhobenen Beiträge nicht angemessen berücksichtigt. Der vierte und fünfte Klagegrund betreffen eine fehlerhafte Auslegung zum einen von Art. 70 Abs. 4 der Verordnung Nr. 806/2014 und zum anderen von Art. 12 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63. Mit dem sechsten Klagegrund wird ein Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes geltend gemacht. Mit dem siebten Klagegrund wird ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerügt. Der achte Klagegrund betrifft einen Verstoß gegen den Grundsatz nemo auditur propriam turpitudinem allegans. Mit dem neunten Klagegrund wird ein Verstoß gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens gerügt. Mit dem zehnten Klagegrund wird eine Verletzung des Eigentumsrechts und der unternehmerischen Freiheit beanstandet.

44      Das Gericht hält es für angemessen, die ersten fünf Klagegründe gemeinsam zu prüfen. Die anderen Klagegründe werden einzeln geprüft, mit Ausnahme der Klagegründe eines Verstoßes gegen den Grundsatz nemo auditur propriam turpitudinem allegans und eines Verstoßes gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, die gemeinsam und als Letztes zu prüfen sind.

1.      Zur Zulässigkeit der Klagegründe

45      In Bezug auf die Zulässigkeit der Klagegründe beschränkt sich der SRB im Wesentlichen darauf, allgemein geltend zu machen, dass das Vorbringen der Klägerin unklar oder unzureichend untermauert sei.

46      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung die Klageschrift den Streitgegenstand und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten muss und dass diese Angaben so klar und genau sein müssen, dass sie dem Beklagten gegebenenfalls auch ohne weitere Informationen die Vorbereitung seines Verteidigungsvorbringens und dem Gericht die Wahrnehmung seiner Kontrollaufgabe ermöglichen (Urteil vom 7. März 2017, United Parcel Service/Kommission, T‑194/13, EU:T:2017:144, Rn. 191).

47      Des Weiteren ist es für die Zulässigkeit einer Klage vor dem Gericht insbesondere erforderlich, dass sich die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf denen sie beruht, zumindest in gedrängter Form, aber zusammenhängend und verständlich aus dem Wortlaut der Klageschrift selbst ergeben (Urteil vom 7. März 2017, United Parcel Service/Kommission, T‑194/13, EU:T:2017:144, Rn. 192).

48      Wie sich im vorliegenden Fall aus den Rn. 52 bis 56, 132, 140, 155 und 168 unten ergibt, beanstandet die Klägerin mit dem Vorbringen in ihren zehn Klagegründen die Antwort des SRB in der angefochtenen Entscheidung auf ihre Anträge auf Neuberechnung und Rückerstattung mit der Begründung, dass sie auf einer fehlerhaften Auslegung der anwendbaren Bestimmungen beruhe.

49      Allgemein und vorbehaltlich der späteren Ausführungen unten in Rn. 152 ist festzustellen, dass die tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte, auf die die Klägerin dieses Vorbringen stützt, bei der Lektüre der zehn Klagegründe verständlich sind. Ebenso ist festzustellen, dass der SRB in der Klagebeantwortung in der Lage war, auf dieses Vorbringen einzugehen. Auch das Gericht hat keine Schwierigkeiten gehabt, bei der Lektüre der Klageschrift das Vorbringen der Klägerin festzustellen.

50      Nach alledem und vorbehaltlich der Ausführungen unten in Rn. 152 ist das Vorbringen der Klägerin in ihren zehn Klagegründen im Hinblick auf die Voraussetzungen von Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung zulässig.

51      Daraus folgt, dass das gesamte Vorbringen des SRB, das darauf gerichtet ist, dass das Gericht die Klagegründe der Klägerin als unzulässig zurückweist, zurückzuweisen ist.

2.      Zu den ersten fünf Klagegründen: Verkennung der angeblich zeitanteiligen Natur der im Voraus erhobenen Beiträge, von Art. 70 Abs. 4 der Verordnung Nr. 806/2014 und von Art. 12 der Delegierten Verordnung 2015/63

52      Die Klägerin macht erstens geltend, dass die im Voraus erhobenen Beiträge zeitanteilig gezahlt würden, da sie im Voraus und für bestimmte Zeiträume gezahlt würden, in denen die Kreditinstitute in den Genuss der vom europäischen Abwicklungssystem gebotenen Deckung kämen. Die Klägerin weist zunächst darauf hin, dass sie, da sie ihre Stellung als Kreditinstitut verloren habe, nicht mehr in den Genuss dieser Deckung komme. Die Beseitigung des Risikos, das die Klägerin dargestellt habe und das durch den SRF gedeckt gewesen sei, führe zu einer anteilmäßigen Herabsetzung des Finanzierungsbedarfs des SRF. Die Klägerin habe daher Anspruch auf eine teilweise Rückerstattung ihrer im Voraus erhobenen Beiträge. Sodann sei der Umstand, dass in den ersten acht Jahren des Bestehens des SRF die im Voraus erhobenen Beiträge für 2015 von den jährlichen Beiträgen abzuziehen seien, die jedes Kreditinstitut zu entrichten habe, geeignet, die zeitanteilige Natur dieser Beiträge zu belegen. Schließlich räume der SRB im Beschluss SRB/ES/SRF/2018/03 selbst ein, dass die Beiträge erstattungsfähig seien, da er darlege, dass, wenn der Abzug der Beiträge von 2015 zu einem negativen Betrag führe, der entsprechende Betrag im Beitragszeitraum 2018 an das Institut gezahlt werde. In diesem Beschluss werde auch der Fall erwähnt, dass ein Kreditinstitut infolge einer Verschmelzung seine Zulassung verliere. In einem solchen Fall seien die an den SRF gezahlten Beträge nicht verloren, da die Abzüge nach Art. 8 Abs. 2 der Durchführungsverordnung (EU) 2015/81 des Rates vom 19. Dezember 2014 zur Festlegung einheitlicher Modalitäten für die Anwendung der Verordnung Nr. 806/2014 im Hinblick auf im Voraus erhobene Beiträge zum einheitlichen Abwicklungsfonds (ABl. 2015, L 15, S. 1) der aus der Verschmelzung hervorgegangenen Einheit gewährt würden.

53      Zweitens macht die Klägerin geltend, der SRB lege Art. 70 Abs. 4 der Verordnung Nr. 806/2014, wonach die ordnungsgemäß erhaltenen Beiträge nicht rückerstattet würden, falsch aus. Der Ausdruck „ordnungsgemäß erhalten“ sei dahin auszulegen, dass jede Zahlung einen Grund habe und daher rückerstattet werden könne, wenn der Grund wegfalle. Ihr Antrag auf Rückerstattung beruhe insbesondere auf dem Grundsatz des Verbots der ungerechtfertigten Bereicherung. Jedenfalls sei Art. 70 Abs. 4 der Verordnung Nr. 806/2014 nicht auf die im Voraus erhobenen Beiträge für 2015 anwendbar. Diese Beiträge seien nicht nach der Verordnung Nr. 806/2014 „erhalten“ worden, sondern im Rahmen der nationalen Umsetzungsmaßnahme der Richtlinie 2014/59.

54      Drittens lege der SRB Art. 12 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 falsch aus. Der Wortlaut dieser Bestimmung beziehe sich auf den „Status eines Instituts“ und nicht auf den „Status als Institut“. Art. 12 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 setze voraus, dass das betreffende Unternehmen ein Kreditinstitut bleibe. Art. 12 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 sei in dem Fall anwendbar, dass die rechtliche oder tatsächliche Situation des Kreditinstituts eine Auswirkung auf die Bestimmung der Höhe des Beitrags haben könne, aber die Bank weiterhin in den Abwicklungsmechanismus einbezogen bleibe. Dies sei bei der Klägerin nicht der Fall und diese Bestimmung sei daher auf sie nicht anwendbar. Die Klägerin stützt ihr Vorbringen auch auf Art. 7 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/2361 der Kommission vom 14. September 2017 über das endgültige System der Beiträge zu den Verwaltungsausgaben des Ausschusses für die einheitliche Abwicklung (ABl. 2017, L 337, S. 6).

55      Viertens ergänzt die Klägerin in der Erwiderung, dass der SRB unter bestimmten Umständen anerkenne, dass neue Berechnungen durchgeführt und Beiträge rückerstattet würden. Insoweit bringt sie vor, dass Art. 17 Abs. 3 der Delegierten Verordnung 2015/63 die neuen Berechnungen und die Rückerstattungen erlaube, und sie beruft sich auch auf Art. 17 Abs. 4 der Delegierten Verordnung 2015/63.

56      Fünftens macht die Klägerin in ihrer Stellungnahme zum Streithilfeschriftsatz geltend, dass die vorliegende Rechtssache sich von derjenigen unterscheide, in der das Urteil vom 14. November 2019, State Street Bank International (C‑255/18, EU:C:2019:967), ergangen sei. Die vorliegende Rechtssache betreffe die „tatsächliche Beseitigung“ eines Kreditinstituts und seiner Einlagen, während es in der angeführten Rechtssache um die Übernahme eines italienischen Kreditinstituts durch ein deutsches Kreditinstitut gehe. Daher habe aus europäischer Sicht die Verschmelzung in der in Rede stehenden Rechtssache keine Auswirkung auf die Beteiligung des beitragenden Instituts an der Finanzierung des SRF. Umgekehrt nehme in der vorliegenden Rechtssache die Klägerin nicht mehr an der Finanzierung des SRF teil.

57      Der SRB, unterstützt durch die Kommission, tritt diesem Vorbringen entgegen.

a)      Zum im Voraus erhobenen Beitrag für 2018

58      Die Klägerin bringt im Wesentlichen vor, der Entzug ihrer Zulassung durch die EZB während des Beitragszeitraums, nämlich dem Jahr 2018, sei ein Umstand, der ihr einen Anspruch auf eine zeitanteilige Neuberechnung ihres im Voraus erhobenen Beitrags für diesen Zeitraum und daher auf Rückerstattung eines Teils der Beträge eröffne, die sie als im Voraus erhobener Beitrag für 2018 entrichtet habe. Der Beitragszeitraum für diese Neuberechnung sei der Zeitraum vom 1. Januar bis zum 11. Juli 2018. Der zu viel gezahlte Betrag belaufe sich auf 947 127,55 Euro.

59      Nach Art. 2 der Verordnung Nr. 806/2014 gilt diese Verordnung für in einem an der Bankenunion teilnehmenden Mitgliedstaat niedergelassene Kreditinstitute, wie die Klägerin. Ein Kreditinstitut ist gemäß Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. 2013, L 176, S. 1) ein Unternehmen, dessen Tätigkeit darin besteht, Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publikums entgegenzunehmen und Kredite für eigene Rechnung zu gewähren. Die Kreditinstitute müssen über eine Zulassung verfügen, um ihre Tätigkeiten auszuüben, wie von Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG (ABl. 2013, L 176, S. 338) vorgesehen.

60      Die Verordnung Nr. 806/2014 schreibt jedem zugelassenen Institut, das in einem teilnehmenden Mitgliedstaat niedergelassenen ist, vor, am SRF mit mindestens einmal jährlich im Voraus erhobenen Beiträgen teilzunehmen. Die jeweiligen Beiträge der einzelnen Institute werden anteilig zur Gesamthöhe ihrer Verbindlichkeiten (ohne Eigenmittel) abzüglich gedeckter Einlagen im Verhältnis zu den aggregierten Verbindlichkeiten (ohne Eigenmittel) abzüglich gedeckter Einlagen aller im Hoheitsgebiet aller teilnehmenden Mitgliedstaaten zugelassenen Institute berechnet (Art. 70 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014).

61      Außerdem ergibt sich aus Art. 69 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 sowie aus Art. 4 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63, dass die jährliche Erhebung der im Voraus erhobenen Beiträge der Kreditinstitute eingeführt wurde, um sicherzustellen, dass bis zum Ende einer Aufbauphase von acht Jahren ab dem 1. Januar 2016 die verfügbaren Mittel des SRF mindestens 1 % der gedeckten Einlagen aller in allen teilnehmenden Mitgliedstaaten zugelassenen Kreditinstitute erreichen.

62      Um dieses Ziel zu erreichen, schreiben Art. 4 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 bis 3 der Delegierten Verordnung 2015/63 dem SRB vor, die geschuldeten Beiträge anhand der Rechnungslegungsdaten im letzten, zum 31. Dezember des dem Beitragszeitraum vorangehenden Jahres vorliegenden gebilligten und beglaubigten Jahresabschluss, dem der Bericht des Abschlussprüfers oder der Prüfungsgesellschaft beizufügen ist, festzusetzen.

63      Die Klägerin bestreitet nicht, dass sie am 1. Januar 2018 ein zugelassenes Kreditinstitut war, das in einem teilnehmenden Mitgliedstaat niedergelassen war, und dass sie daher am SRF teilzunehmen hatte. Sie bringt nicht vor, dass der SRB mit dem Beschluss SRB/ES/SRF/2018/03 die Höhe ihres einzelnen Beitrags für 2018 falsch berechnet habe. Hingegen macht sie geltend, dass der Entzug ihrer Zulassung durch die EZB am 11. Juli 2018 sie ab diesem Tag vom Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 806/2014 ausgeschlossen habe und dass folglich ihr im Voraus erhobener Beitrag für 2018 zeitanteilig neu zu berechnen sei.

64      Bei der Beantwortung der im Rahmen der vorliegenden Klage aufgeworfenen Auslegungsfragen und bei der Bestimmung der genauen Tragweite von Art. 70 Abs. 4 der Verordnung Nr. 806/2014 und von Art. 12 der Delegierten Verordnung 2015/63 sind nicht nur deren Wortlaut zu berücksichtigen, sondern auch der Zusammenhang, in dem sie stehen, und die Ziele, die mit der Regelung verfolgt werden, zu der sie gehören (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juni 2005, VEMW u. a., C‑17/03, EU:C:2005:362, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

1)      Zur Auslegung von Art. 70 Abs. 4 der Verordnung Nr. 806/2014

65      Erstens ist zur wörtlichen Auslegung von Art. 70 Abs. 4 der Verordnung Nr. 806/2014 darauf hinzuweisen, dass dieser wie folgt lautet:

„Die ordnungsgemäß von Unternehmen im Sinne des Artikels 2 [dieser Verordnung, d. h. u. a. Kreditinstitute wie die Klägerin] erhaltenen Beiträge werden diesen Unternehmen nicht rückerstattet.“

66      Die wörtliche Auslegung von Art. 70 Abs. 4 der Verordnung Nr. 806/2014 bestätigt eher den Standpunkt des SRB in der angefochtenen Entscheidung.

67      Der Wortlaut von Art. 70 Abs. 4 der Verordnung Nr. 806/2014 hebt somit die fehlende Erstattungsfähigkeit der im Voraus erhobenen Beiträge, die ordnungsgemäß erhalten wurden, hervor. Die mangelnde Rückerstattung ist zweifelsfrei aus der vom Gesetzgeber verwendeten Verneinung abzuleiten. Die verwendeten Begriffe sind eindeutig. Die Möglichkeit, die im Voraus erhobenen Beiträge auf der Grundlage einer monatlichen Berechnung anzupassen, wenn ein Institut während des Beitragszeitraums seine Zulassung verliert, wird nicht angeführt.

68      Was zweitens den Kontext von Art. 70 Abs. 4 der Verordnung Nr. 806/2014 anbelangt, ist als Erstes daran zu erinnern, dass nach Art. 70 Abs. 2 der Verordnung Nr. 806/2014 der SRB jährlich die einzelnen Beiträge zu errechnen hat, damit die Beiträge, die von allen im Hoheitsgebiet aller teilnehmenden Mitgliedstaaten zugelassenen Instituten zu entrichten sind, 12,5 % der Zielausstattung nicht übersteigen.

69      Es besteht daher neben der Zielausstattung, die am Ende der Aufbauphase zu erreichen ist, eine jährliche Obergrenze der Höhe der Beiträge, die von den Instituten in einem bestimmten Jahr während dieser Aufbauphase erhoben werden können. Somit ist, wie der SRB zu Recht hervorhebt, die Wahl des Kalenderjahrs als Beitragszeitraum für die im Voraus erhobenen Beiträge die Folge des Willens des Gesetzgebers, dafür zu sorgen, dass die den Instituten auferlegte Belastung gemäß Art. 69 Abs. 2 der Verordnung Nr. 806/2014 während der Aufbauphase zeitlich so gleichmäßig wie möglich gestaffelt wird. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin bedeutet der Umstand, dass die im Voraus erhobenen Beiträge jährliche Beiträge sind, nicht, dass sie sich auf ein bestimmtes Jahr „beziehen“, mit der Folge, dass eine Berichtigung zwangsläufig vorzunehmen wäre, wenn ein Institut im Laufe des Jahres seine Zulassung verliert.

70      Als Zweites ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die im Voraus erhobenen Beiträge, die in den SRF fließen, von der Branche kommen, und zwar vor der Einleitung einer Abwicklungsmaßnahme und unabhängig davon (102. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 806/2014). Zum anderen können die Abwicklungsinstrumente nur auf die Unternehmen angewandt werden, die ausfallen oder wahrscheinlich ausfallen, und auch nur dann, wenn dies dem Ziel der Wahrung der Finanzstabilität im öffentlichen Interesse dient (Art. 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014; vgl. auch 61. Erwägungsgrund dieser Verordnung). Mit anderen Worten kommt, auch wenn ein Institut – das seine im Voraus erhobenen Beiträge ordnungsgemäß entrichtet hat – ausfällt oder wahrscheinlich ausfällt, eine Abwicklungsmaßnahme nur dann in Betracht, wenn sie im öffentlichen Interesse erforderlich ist. Die Regelung stellt keinen automatischen Zusammenhang zwischen der Zahlung des im Voraus erhobenen Beitrags und der Abwicklung des betreffenden Instituts her. Wie der SRB geltend macht, ist nur die Wahrung des öffentlichen Interesses, und nicht das individuelle Interesse eines Instituts, der entscheidende Faktor für die Verwendung des SRF (vgl. auch Art. 67 Abs. 2 der Verordnung Nr. 806/2014). Der im Voraus erhobene Beitrag, den ein Institut für einen bestimmten Zeitraum gezahlt hat, eröffnet ihm keinen individuellen Anspruch darauf, dass der SRF für den Fall verwendet wird, dass dieses Institut in diesem Zeitraum ausfällt oder kurz davor ist, auszufallen.

71      Die Zahlung eines Beitrags an den SRF durch ein Institut garantiert keine Gegenleistung, sondern dient im öffentlichen Interesse der Kapitalausstattung des SRF bis zu der vom Unionsgesetzgeber vorgesehenen Mindesthöhe mit dem Ziel, die Stabilität des europäischen Bankensystems sicherzustellen.

72      Aus der Verordnung Nr. 806/2014, insbesondere aus Art. 14, Art. 18, Art. 67 Abs. 2 und Art. 70 sowie den Erwägungsgründen 19, 100, 102 und 104 dieser Verordnung ergibt sich nämlich, dass das Risiko, das der SRF abdeckt, dasjenige ist, das die gesamte Finanzbranche für die Stabilität des Finanzsystems und folglich für die nationalen Haushalte bewirkt. Wie aus dem 100. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 806/2014 hervorgeht, war der Gesetzgeber der Ansicht, dass die gesamte Finanzbranche die Stabilisierung des Finanzsystems finanzieren sollte. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin als Wirtschaftsbeteiligter der Finanzbranche am 1. Januar 2018 ihren verpflichtenden Beitrag an den SRF für das Jahr 2018 entrichtet.

73      Aus diesem Grund können die im Voraus erhobenen Beiträge nicht als Versicherungsprämien angesehen werden, deren monatliche Zahlung und Rückerstattung möglich wären, wenn das Institut, das sie entrichtet hat, im Lauf des Jahres seine Zulassung verliert, wie die Klägerin zur Stützung ihres Vorbringens geltend macht. Aus den gleichen Gründen ist das Vorbringen zurückzuweisen, dass das im Beitragsjahr wegfallende Institut zu einer Verringerung der zu deckenden Risiken und damit zu einem Rückgang des Finanzierungsbedarfs des SRF führe.

74      Was drittens das mit der Verordnung Nr. 806/2014 und der Delegierten Verordnung 2015/63 verfolgte Ziel betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass die jährliche Erhebung der im Voraus erhobenen Beiträge der Kreditinstitute eingeführt wurde, um sicherzustellen, dass bis zum Ende einer Aufbauphase von acht Jahren ab dem 1. Januar 2016 die verfügbaren Mittel des SRF mindestens 1 % der gedeckten Einlagen aller in allen teilnehmenden Mitgliedstaaten zugelassenen Kreditinstitute erreichen (vgl. oben, Rn. 61).

75      Müsste der SRB die Entwicklung der rechtlichen und finanziellen Lage der Kreditinstitute während des betreffenden Beitragszeitraums berücksichtigen, könnte er die von jedem von ihnen geschuldeten Beiträge kaum zuverlässig und stabil berechnen und das Ziel verfolgen, am Ende der Aufbauphase mindestens 1 % der gedeckten Einlagen aller im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats zugelassenen Institute zu erreichen, da sich die Neuberechnung der Beiträge eines bestimmten Instituts zwangsläufig auf den von den anderen Kreditinstituten geschuldeten Betrag auswirkt.

76      Unter Berücksichtigung des Zeitpunkts und des Zwecks der Erhebung der im Voraus erhobenen Beiträge ist festzustellen, dass entgegen dem Vorbringen der Klägerin der Verlust der Zulassung durch ein Institut während des Beitragszeitraums diesem keinen Anspruch auf eine zeitanteilige Neuberechnung seines im Voraus erhobenen Beitrags für diesen Zeitraum und daher auf Rückerstattung eines Teils des für diesen Zeitraum entrichteten Beitrags eröffnet. Im Ergebnis hat der SRB keinen Rechtsfehler begangen, indem er Art. 70 Abs. 4 der Verordnung Nr. 806/2014 dahin ausgelegt hat, dass er ihm weder eine zeitanteilige Neuberechnung des im Voraus erhobenen Beitrags der Klägerin für 2018 noch die Rückerstattung des angeblich zu viel erhaltenen Betrags an sie gestattet.

2)      Zur Auslegung von Art. 12 der Delegierten Verordnung 2015/63

77      Zum Vorbringen der Klägerin betreffend Art. 12 der Delegierten Verordnung 2015/63, ist zunächst daran zu erinnern, dass diese Bestimmung wie folgt lautet:

„(1)      Wird ein Institut neu und nur für einen Teil eines Beitragszeitraums unter Aufsicht gestellt, wird der anteilige Beitrag durch Anwendung der in Abschnitt 3 dargelegten Methodik auf den im folgenden Beitragszeitraum berechneten Jahresbeitrag ermittelt, und zwar entsprechend der Zahl der vollen Monate des Beitragszeitraums, in denen das Institut der Beaufsichtigung unterliegt.

(2)      Eine Statusänderung eines Instituts, einschließlich kleiner Institute, während des Beitragszeitraums wirkt sich nicht auf die Höhe des im betreffenden Jahr zu zahlenden jährlichen Beitrags aus“.

78      In der angefochtenen Entscheidung vertrat der SRB die Auffassung, dass der Entzug der Zulassung eines Kreditinstituts durch die EZB eine Statusänderung im Sinne von Art. 12 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 sei. Die Entscheidung der EZB vom 11. Juli 2018, der Klägerin ihre Zulassung zu entziehen, wirke sich daher nicht auf die Höhe des von ihr für das Jahr 2018 geschuldeten jährlichen Beitrags aus.

79      Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, der Wortlaut dieser Bestimmung beziehe sich auf den „Status eines Instituts“ und nicht auf den „Status als Institut“. Art. 12 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 setze voraus, dass das betreffende Unternehmen ein Kreditinstitut bleibe, und sei daher auf ihre Situation nicht anwendbar. Die Klägerin hat in ihrer Antwort vom 12. Juni 2020 auf die schriftliche Frage des Gerichts klargestellt und in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass nicht nur Art. 12 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 nicht anwendbar sei, sondern auch, dass Art. 12 Abs. 1 dieser Verordnung für die vorliegende Rechtssache nicht einschlägig sei.

80      Insoweit hat der Gerichtshof in der Rechtssache, in der das Urteil vom 14. November 2019, State Street Bank International (C‑255/18, EU:C:2019:967), ergangen ist, zum Begriff der „Statusänderung“ im Sinne von Art. 12 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 entschieden, dass der Begriff für die Anwendung der Delegierten Verordnung als autonomer Begriff des Unionsrechts anzusehen ist, der in allen Mitgliedstaaten einheitlich auszulegen ist (Urteil vom 14. November 2019, State Street Bank International, C‑255/18, EU:C:2019:967, Rn. 33).

81      Zunächst hat der Gerichtshof festgestellt, dass der Begriff der „Statusänderung“ jede Art von Änderung der rechtlichen oder tatsächlichen Situation eines Instituts erfasst, die Auswirkungen auf die Anwendung von Art. 12 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 haben kann. Diese Auslegung wird durch die Wendung „einschließlich kleiner Institute“ bestätigt, die zeigt, dass eine Änderung der Größe eines Instituts, die für die Anwendung der Bestimmungen auf kleine Institute relevant ist, nur eine der von dieser Bestimmung erfassten Situationen darstellt (Urteil vom 14. November 2019, State Street Bank International, C‑255/18, EU:C:2019:967, Rn. 35 und 36).

82      Sodann hat der Gerichtshof klargestellt, dass sich Art. 12 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 allgemein auf Änderungen bezieht, die ein Institut betreffen können, während Art. 12 Abs. 1 dieser Verordnung die Berechnungsmethode präzisiert, die ausnahmsweise für ein Institut gilt, das nur für einen Teil des Beitragszeitraums unter Aufsicht gestellt wird (Urteil vom 14. November 2019, State Street Bank International, C‑255/18, EU:C:2019:967, Rn. 38). Er hat sodann festgestellt, dass Art. 12 Abs. 1 der Delegierten Verordnung 2015/63, da er eine Ausnahme von der allgemeinen Regel des Abs. 2 dieses Artikels einführt, eng auszulegen ist, so dass eine Auslegung über den einzigen, in dieser Verordnung ausdrücklich vorgesehen Fall hinaus unzulässig ist (vgl. Urteil vom 14. November 2019, State Street Bank International, C‑255/18, EU:C:2019:967, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung). Der Gerichtshof hat daraus geschlossen, dass bei einem Vorgang, der eine Statusänderung im Sinne von Art. 12 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 darstellt, der Beitrag nicht gemäß Art. 12 Abs. 1 dieser Verordnung zu berechnen ist (Urteil vom 14. November 2019, State Street Bank International, C‑255/18, EU:C:2019:967, Rn. 40).

83      Schließlich hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf die Richtlinie 2014/59, die Verordnung Nr. 806/2014 und die Delegierte Verordnung 2015/63 die jährliche Erhebung der im Voraus erhobenen Beiträge der Kreditinstitute eingeführt wurde, um sicherzustellen, dass bis zum Ende der Aufbauphase die Zielausstattung erreicht wird. Der Gerichtshof hat entschieden, dass, damit die nationalen Abwicklungsbehörden die Beiträge zuverlässig berechnen und somit das mit der Richtlinie 2014/59, der Verordnung Nr. 806/2014 und der Delegierten Verordnung 2015/63 verfolgte Ziel erreichen können, der in Art. 12 Abs. 2 der Delegierten Verordnung vorgesehene Begriff der Statusänderung weit auszulegen ist (Urteil vom 14. November 2019, State Street Bank International, C‑255/18, EU:C:2019:967, Rn. 44). Der Gerichtshof hat festgestellt, dass dieser Begriff dahin auszulegen ist, dass er einen Vorgang umfasst, durch den die Aufsicht einer Abwicklungsbehörde über ein Institut infolge einer grenzüberschreitenden Fusion durch Aufnahme in dessen Muttergesellschaft im Laufe des Jahres endet, so dass dieser Vorgang die Pflicht dieses Instituts zur Entrichtung der gesamten für das fragliche Beitragsjahr fälligen im Voraus erhobenen Beiträge unberührt lässt (Urteil vom 14. November 2019, State Street Bank International, C‑255/18, EU:C:2019:967, Rn. 48).

84      Im vorliegenden Fall ist aus den oben in den Rn. 80 bis 83 dargelegten Gründen davon auszugehen, dass der Entzug der Zulassung eines Kreditinstituts durch die EZB als eine Statusänderung im Sinne von Art. 12 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 anzusehen ist. Wie der Gerichtshof in Rn. 43 des Urteils vom 14. November 2019, State Street Bank International (C‑255/18, EU:C:2019:967), nämlich ausgeführt hat, wäre eine Abwicklungsbehörde, wie der SRB, wenn sie etwaigen während des betreffenden Rechnungsjahrs erfolgten Änderungen der rechtlichen und finanziellen Situation der Institute Rechnung tragen müsste, kaum in der Lage, die im Folgejahr geschuldeten ordentlichen Beiträge zuverlässig zu berechnen und damit das von der Verordnung Nr. 806/2014 vorgesehene Ziel zu verfolgen, bis zum Ende der Aufbauphase mindestens 1 % der gedeckten Einlagen aller in den teilnehmenden Mitgliedstaaten zugelassenen Institute zu erreichen (vgl. oben, Rn. 60 bis 62). Folglich ist der Begriff „Statusänderung“ in Art. 12 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 dahin zu verstehen, dass er die Einstellung der Tätigkeit eines Instituts aufgrund des Verlusts seiner Zulassung während des Beitragszeitraums umfasst.

85      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass der Umstand, dass eine Einrichtung während des Beitragszeitraums aufgrund des Entzugs ihrer Zulassung ihre Tätigkeit als Kreditinstitut einstellt, keine Auswirkung auf ihre Verpflichtung hat, den gesamten für diesen Beitragszeitraum im Voraus erhobenen Beitrag zu entrichten. Der SRB hat daher insoweit in der angefochtenen Entscheidung keinen Fehler begangen. Die Klägerin kann daher nicht beanstanden, dass der SRB ihren im Voraus erhobenen Beitrag für 2018 nicht zeitanteilig neuberechnet und ihr den angeblich zu viel erhaltenen Betrag nicht rückerstattet hat.

86      Diese Schlussfolgerung wird durch den Zusammenhang, den die Klägerin zwischen dem Begriff „Status“ im Sinne von Art. 12 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 und demjenigen im Sinne von Art. 7 der Verordnung 2017/2361 herstellen will, nicht in Frage gestellt. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin kann der Begriff „Statusänderung“ nicht dahin verstanden werden, dass er nur die Situation betrifft, in der ein Institut von einer in Art. 4 Abs. 1 der Verordnung 2017/2361 definierten Kategorie in eine andere übertritt. Wie die Kommission zu Recht vorträgt, unterscheiden sich der Gegenstand und das Ziel der Delegierten Verordnung 2015/63 von denen der Verordnung 2017/2361. Die Letztere betrifft das System der Beiträge zu den Verwaltungsausgaben des SRB. Die Beiträge nach der Delegierten Verordnung 2015/63 sind Beiträge im öffentlichen Interesse an den SRF, während die Beiträge nach der Verordnung 2017/2361 den Arbeitsaufwand und die damit verbundenen Ausgaben decken, die ein Unternehmen, das der direkten Zuständigkeit des SRB unterliegt, verursacht (vgl. fünfter Erwägungsgrund der Delegierten Verordnung 2017/2361).

87      Zwar trägt die Klägerin Argumente vor, die die vorliegende Rechtssache von derjenigen unterscheiden sollen, in der das Urteil vom 14. November 2019, State Street Bank International (C‑255/18, EU:C:2019:967), ergangen ist. Insoweit habe es in dieser Rechtssache zwar eine „Statusänderung“ gegeben, dies sei jedoch darauf zurückzuführen, dass die italienische Einheit den Einheitlichen Abwicklungsmechanismus für Kreditinstitute und bestimmte Wertpapierfirmen (SRM) nicht verlassen habe, sondern eine Zweigstelle eines deutschen Instituts geworden sei. Ohne das Vorliegen dieser Unterschiede außer Acht zu lassen, ist festzustellen, dass sie sich nicht auf die oben in Rn. 84 getroffene Schlussfolgerung auswirken können. Der Begriff der „Statusänderung“ erfasst nämlich jede Art von Änderung der rechtlichen oder tatsächlichen Situation eines Instituts, die Auswirkungen auf die Anwendung von Art. 12 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 haben kann. Der Verlust der Zulassung stellt zweifellos eine Änderung sowohl der rechtlichen als auch der tatsächlichen Situation eines Kreditinstituts dar. Außerdem bezieht sich Art. 12 Abs. 2 dieser Verordnung, der bestimmt, dass sich eine Statusänderung eines Instituts nicht auf die Pflicht zur Entrichtung der im betreffenden Jahr zu zahlenden jährlichen ordentlichen Beiträge auswirkt, allgemein auf Änderungen, die ein Institut betreffen können, während Art. 12 Abs. 1 dieser Verordnung die Berechnungsmethode präzisiert, die ausnahmsweise für ein Institut gilt, das nur für einen Teil des Beitragszeitraums unter Aufsicht gestellt wird. Da die letztere Bestimmung, weil sie eine Ausnahme von der allgemeinen Regel in Art. 12 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 einführt, eng auszulegen ist, so dass eine Auslegung über den einzigen, in dieser Verordnung ausdrücklich vorgesehen Fall hinaus unzulässig ist, fällt der Verlust der Zulassung zwangsläufig unter diesen Art. 12 Abs. 2.

88      Die Klägerin ist auch der Ansicht, dass, anders als in der Situation, die in der Rechtssache, in der das Urteil vom 14. November 2019, State Street Bank International (C‑255/18, EU:C:2019:967) ergangen sei, in Rede gestanden sei, ihr endgültiger Ausschluss aus dem Abwicklungssystem auch die Zielausstattung beeinflusse. Insoweit genügt die Feststellung, dass der Gesetzgeber im Licht des Wortlauts, den er in Art. 12 der Delegierten Verordnung 2015/63 verwendet hat, entschieden hat, dass eine Statusänderung eines Instituts während des Beitragszeitraums sich nicht auf die Höhe des im betreffenden Jahr zu zahlenden jährlichen Beitrags auswirkt, unabhängig von den Auswirkungen, die diese Statusänderung auf die gedeckten Einlagen oder die Zielausstattung haben kann.

89      Daraus folgt, dass Art. 12 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 auf die Situation der Klägerin anwendbar ist. Insoweit ist das Vorbringen der Klägerin daher zurückzuweisen.

90      Auch das übrige Vorbringen der Klägerin, das im Folgenden geprüft wird, stellt die vorstehenden Schlussfolgerungen aus der Analyse von Art. 70 Abs. 4 der Verordnung Nr. 806/2014 und von Art. 12 der Delegierten Verordnung 2015/63 nicht in Frage.

3)      Zum übrigen Vorbringen der Klägerin

91      Mit ihrem übrigen Vorbringen will die Klägerin im Wesentlichen die ungerechtfertigte Bereicherung des SRF, die zeitanteilige Natur der im Voraus erhobenen Beiträge und die Erstattungsfähigkeit dieser Beiträge nachweisen. Zur Stützung ihres Vorbringens beruft sich die Klägerin auf den Grundsatz des Verbots der ungerechtfertigten Bereicherung, den Beschluss SRB/ES/SRF/2018/03, Art. 17 Abs. 3 und 4 der Delegierten Verordnung 2015/63 und Art. 7 Abs. 3 der Durchführungsverordnung 2015/81.

i)      Zur ungerechtfertigten Bereicherung des SRF

92      Die Klägerin macht geltend, Art. 70 Abs. 4 der Verordnung Nr. 806/2014, insbesondere der Ausdruck „ordnungsgemäß erhaltene Beiträge“, sei im Licht des Grundsatzes des Verbots der ungerechtfertigten Bereicherung auszulegen. Jede Zahlung habe einen Grund und diene einem Zweck und könne daher rückerstattet werden, wenn der Grund wegfalle oder der Zweck nicht erreicht werde. Das bedeute im vorliegenden Fall, dass die im Voraus erhobenen Beiträge für den Zeitraum, in dem ein Institut tatsächlich beaufsichtigt worden sei, neuberechnet werden müssten, andernfalls würde der SRF ungerechtfertigt bereichert.

93      Es ist darauf hinzuweisen, dass eine auf ungerechtfertigte Bereicherung gegründete Erstattungsklage nur zulässig ist, wenn der Nachweis erbracht wird, dass eine Bereicherung ohne wirksame Rechtsgrundlage erfolgt und der Kläger im Zusammenhang mit dieser Bereicherung entreichert ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Juli 2011, Agrana Zucker, C‑309/10, EU:C:2011:531, Rn. 53).

94      Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Rechtsgrundlage der angefochtenen Entscheidung in Art. 70 Abs. 4 der Verordnung Nr. 806/2014 und Art. 12 der Delegierten Verordnung 2015/63 bestand. Außerdem ergibt sich aus den Feststellungen oben in den Rn. 65 bis 76, dass, wie der SRB in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, die Anwendung dieser Artikel nicht zu einer Neuberechnung des im Voraus erhobenen Beitrags der Klägerin für 2018 und daher zur Rückerstattung eines Teils des dafür entrichteten Betrags führen konnte.

95      Es ist jedoch festzustellen, dass die Klägerin die Rechtsgrundlage, auf der die Bereicherung des SRF aus der angefochtenen Entscheidung beruhen soll, nicht in Frage stellt. In den Schriftsätzen der Klägerin findet sich, weder ausdrücklich noch stillschweigend, eine Einrede der Rechtswidrigkeit betreffend Art. 70 Abs. 4 der Verordnung Nr. 806/2014 und Art. 12 der Delegierten Verordnung 2015/63.

96      Daher ist davon auszugehen, dass die Ablehnung der Rückerstattung durch den SRB auf eine wirksame Rechtsgrundlage gestützt ist und keine ungerechtfertigte Bereicherung darstellen kann. Unter diesen Umständen ist das Vorbringen der Klägerin betreffend die ungerechtfertigte Bereicherung des SRF zurückzuweisen.

ii)    Zum Vorbringen eines Verstoßes gegen den Beschluss SRB/ES/SRF/2018/03

97      Die Klägerin macht geltend, die angefochtene Entscheidung verstoße gegen den Beschluss SRB/ES/SRF/2018/03, da der SRB darin die zeitanteilige Natur der im Voraus erhobenen Beiträge und ihre Erstattungsfähigkeit ausdrücklich anerkannt habe. Insbesondere weist die Klägerin auf die Rn. 39 und 40 dieses Beschlusses hin.

98      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung eine schlichte Praxis eines Organs, einer Einrichtung oder einer sonstigen Stelle der Union die Vorschriften des Vertrags oder die nach dem Vertrag erlassenen Vorschriften nicht überspielen kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 23. Februar 1988, Vereinigtes Königreich/Rat, 68/86, EU:C:1988:85, Rn. 24, und vom 9. August 1994, Frankreich/Kommission, C‑327/91, EU:C:1994:305, Rn. 36). Daraus folgt, dass ein Beschluss des SRB keine Änderung des Inhalts der im vorliegenden Fall anwendbaren Rechtsvorschriften zur Folge haben kann.

99      Das Vorbringen der Klägerin, mit dem nachgewiesen werden soll, dass der SRB im Beschluss SRB/ES/SRF/2018/03 selbst die zeitanteilige Natur oder die Erstattungsfähigkeit der im Voraus erhobenen Beiträge anerkannt habe, geht daher ins Leere.

100    Jedenfalls ist auch dieses Vorbringen unbegründet. Zunächst ist festzustellen, dass nach Art. 103 der Richtlinie 2014/59 die lettische Abwicklungsbehörde den im Voraus erhobenen Beitrag der Klägerin für 2015 festsetzte und einhob. Dieser Beitrag wurde nach Art. 3 Abs. 3 des zwischenstaatlichen Übereinkommens auf den SRF übertragen. Sodann ist darauf hinzuweisen, dass die Zielausstattung grundsätzlich am Ende eines Zeitraums von acht Jahren erreicht werden muss. Schließlich bedingen in diesem Zeitraum zwei Gesichtspunkte die Berechnung des einzelnen Beitrags jedes Instituts: Erstens eine jährliche Obergrenze (der Gesamtbetrag der Einhebungen darf 12,5 % der Zielausstattung des SRF pro Jahr nicht übersteigen) und zweitens die Verpflichtung, bei der Berechnung der einzelnen Beiträge die Beiträge, die nach der Richtlinie 2014/59 erhoben werden, zu berücksichtigen, indem sie von dem von jedem Institut zu entrichtenden Betrag abgezogen werden. Um dieser Verpflichtung aus Art. 8 Abs. 2 der Durchführungsverordnung 2015/81 nachzukommen, trägt der SRB den Beiträgen, die von den teilnehmenden Mitgliedstaaten erhoben wurden, dadurch Rechnung, dass sie von dem von jedem Institut zu entrichtenden Betrag linear abgezogen werden. Bei der Berechnung ihres im Voraus erhobenen Beitrags für 2018 wurde beispielsweise ein Achtel des von der Klägerin für 2015 entrichteten Betrags von dem Betrag abgezogen, den sie für den im Voraus erhobenen Beitrag für 2018 schuldete.

101    Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist daher die Tatsache, dass nach Rn. 40 des Beschlusses SRB/ES/SRF/2018/03 ein solcher Abzug zu einem negativen einzelnen Beitrag führen kann und dass der entsprechende Betrag folglich an das betreffende Institut gezahlt wird, nur das Ergebnis der oben angeführten Umstände. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin handelt es sich weder um die Anerkennung der zeitanteiligen Natur der im Voraus erhobenen Beiträge noch die ihrer Erstattungsfähigkeit durch den SRB (vgl. auch unten, Rn. 127).

102    Ebenso kann die von der Klägerin geltend gemachte Rn. 39 des Beschlusses SRB/ES/SRF/2018/03 ihr Vorbringen nicht stützen. Zwar wird nach diesem Absatz, wenn während der Aufbauphase ein Institut seine Bankenzulassung infolge einer Verschmelzung verliert, der Abzug nach Art. 8 Abs. 2 der Durchführungsverordnung 2015/81 dem aus der Verschmelzung hervorgegangenen übernehmenden Institut gewährt. Dafür weist diese Rn. 39 jedoch darauf hin, dass das übernehmende Institut weiterhin im Voraus erhobene Beiträge an den SRF entrichten muss. Diese Situation unterscheidet sich daher von der der Klägerin im vorliegenden Fall.

103    Daher ist die Rüge, mit der ein Verstoß gegen diesen Beschluss geltend gemacht wird, als ins Leere gehend und jedenfalls als unbegründet zurückzuweisen.

iii) Zum Vorbringen eines Verstoßes gegen Art. 17 der Delegierten Verordnung 2015/63

104    Die Klägerin macht geltend, Art. 17 Abs. 3 und 4 der Delegierten Verordnung 2015/63 zeige, dass jeder Beitrag später angepasst werden könne.

105    Zunächst ist festzustellen, dass diese Bestimmungen, auf die sich die Klägerin stützt, folgenden Wortlaut haben:

„(3)      Bedürfen die der Abwicklungsbehörde von den Instituten vorgelegten Informationen einer Änderung oder Überarbeitung, passt die Abwicklungsbehörde den jährlichen Beitrag entsprechend den aktualisierten Informationen bei der Berechnung des jährlichen Beitrags des betreffenden Instituts für den folgenden Beitragszeitraum an.

(4)      Jede Differenz zwischen dem jährlichen Beitrag, der auf der Grundlage im Nachhinein geänderter oder überarbeiteter Informationen berechnet und gezahlt wurde, und dem jährlichen Beitrag, der nach der vorgenommenen Anpassung zu zahlen gewesen wäre, wird bei der Festsetzung des für den folgenden Beitragszeitraum zu zahlenden jährlichen Beitrags verrechnet. Die Anpassung erfolgt durch Herabsetzung oder Erhöhung des Beitrags im folgenden Beitragszeitraum.“

106    Sodann ist an den Kontext dieser Bestimmung zu erinnern. Die Institute haben alle in Art. 14 der Verordnung Nr. 2015/63 genannten Informationen innerhalb der in diesem Artikel vorgesehenen Fristen vorzulegen. Diese Informationen betreffen das dem Beitragszeitraum vorangehende Geschäftsjahr. Im vorliegenden Fall behauptet die Klägerin nicht, dass die Informationen, die sie gemäß Art. 14 der Delegierten Verordnung 2015/63 für den Beitragszeitraum 2018 (oder für jeden anderen Beitragszeitraum) vorgelegt habe, später geändert oder überarbeitet worden seien. Hingegen macht sie geltend, dass „die von einem Institut vorgelegten Informationen sich als vorläufiger Natur erweisen können“, „da nicht klar ist, ob das Institut seine Tätigkeiten im fraglichen Jahr weiterführen wird, insbesondere wenn das Institut beabsichtigt, seine Bankenzulassung zurückzugeben und seine Tätigkeiten als Kreditinstitut zu einem bestimmten Zeitpunkt des Jahres einzustellen, ohne dass der genaue Zeitpunkt bereits bestimmt wäre“. Sie leitet somit aus Art. 17 der Delegierten Verordnung 2015/63 ab, dass jeder Beitrag Gegenstand späterer umfangreicher Anpassungen sein könne, unabhängig davon, ob dies auf eine Veränderung der Umstände im Vergleich zum Vorjahr oder auf eine Neuberechnung eines Beitrags aus der Vergangenheit zurückzuführen sei.

107    Diese von der Klägerin vorgeschlagene Auslegung von Art. 17 der Delegierten Verordnung 2015/63 wird jedoch nicht durch den Wortlaut dieser Bestimmung gestützt. Die Entscheidung der Anteilseigner der Klägerin, sie zu liquidieren, und ihre Folgen sind nicht gleichzusetzen oder vergleichbar mit den buchhalterischen Änderungen oder Überarbeitungen, die an den Informationen nach Art. 14 der Verordnung Nr. 2015/63 vorgenommen werden können. Art. 17 Abs. 3 und 4 der Delegierten Verordnung 2015/63 bestimmt, dass die Berücksichtigung der aktualisierten Informationen „für den folgenden Beitragszeitraum“ erfolgt. Diese Bestimmung betrifft daher nicht die Situationen, wie die der Klägerin, in denen ein Institut aus dem Abwicklungssystem ausscheidet.

108    Schließlich wäre eine Auslegung von Art. 17 der Delegierten Verordnung 2015/63 in dem von der Klägerin vorgetragenen Sinn mit Art. 70 Abs. 4 der Verordnung Nr. 806/2014 und Art. 12 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 in der vorstehenden Auslegung unvereinbar.

109    Daher kann sich die Klägerin weder auf Art. 17 der Delegierten Verordnung 2015/63 berufen, um die zeitanteilige Natur der im Voraus erhobenen Beiträge nachzuweisen, noch um ihren Antrag auf Neuberechnung ihres im Voraus erhobenen Beitrags für 2018 und auf Rückerstattung eines Teils davon zu untermauern. Ihr Vorbringen hierzu ist daher zurückzuweisen.

iv)    Zum Vorbringen eines Verstoßes gegen Art. 7 Abs. 3 der Durchführungsverordnung 2015/81

110    Die Klägerin hat in ihren am 29. Juni 2020 eingereichten Erklärungen und in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, es sei ungewöhnlich, dass nach Art. 7 Abs. 3 der Durchführungsverordnung 2015/81 die unwiderruflichen Zahlungsverpflichtungen eines Instituts, das nicht mehr in den Geltungsbereich der Verordnung Nr. 806/2014 falle, aufgehoben werden könnten und die Sicherheiten, durch welche diese Zahlungsverpflichten abgesichert seien, zurückgegeben werden könnten, aber die Barbeiträge nicht rückerstattet werden könnten.

111    Insoweit ist festzustellen, dass besondere Bestimmungen die unwiderruflichen Zahlungsverpflichtungen regeln, die nach Art. 70 Abs. 3 der Verordnung Nr. 806/2014 30 % des Gesamtbetrags der gemäß diesem Artikel erhobenen Beiträge nicht übersteigen dürfen. Diese Verpflichtungen unterscheiden sich von den im Voraus erhobenen Beiträgen, weshalb der Unionsgesetzgeber es für erforderlich gehalten hat, sie einer besonderen Regelung zu unterwerfen. Insoweit zeigt der Umstand, dass Art. 7 Abs. 3 der Durchführungsverordnung 2015/81 nur diese Verpflichtungen, unter Ausschluss der im Voraus erhobenen Beiträge, betrifft, den Willen des Gesetzgebers, die Letzteren nicht der in dieser Bestimmung vorgesehenen Vorschrift zu unterziehen. Daher ist Art. 7 Abs. 3 der Durchführungsverordnung 2015/81 nicht entsprechend auf die Beiträge im Sinne von Art. 70 Abs. 4 der Verordnung Nr. 806/2014 anzuwenden, wie die Klägerin im Wesentlichen geltend macht. Ihr auf Art. 7 Abs. 3 der Durchführungsverordnung 2015/81 gestütztes Vorbringen ist daher zurückzuweisen.

b)      Zum im Voraus erhobenen Beitrag für 2015

112    Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass der SRB, da er während der gesamten Aufbauphase bei der Berechnung des einzelnen Beitrags eines Instituts von dem von diesem Institut zu entrichtenden Betrag die von seinem Mitgliedstaat festgesetzten und erhobenen Beiträge für 2015 abziehe, einem Institut, wenn es seine Zulassung in diesem Zeitraum verliere, den Restbetrag des für 2015 gezahlten im Voraus erhobenen Beitrags erstatten müsse. Dieser Betrag belaufe sich im Fall der Klägerin auf 836 320,40 Euro.

113    Die Klägerin bestreitet nicht, dass sie damals den von der Finanz- und Kapitalmarktkommission festgesetzten Betrag entrichten musste. Hingegen macht sie geltend, dass, da ein Achtel des Betrags, der als im Voraus erhobener Beitrag für 2015 gezahlt worden sei, von jedem ihrer jährlichen Beiträge an den SRF abgezogen worden sei, die Beiträge für 2015 in Wahrheit „Vorauszahlungen für die acht ersten Jahre des SRF“ seien. Da die Klägerin für den Zeitraum von 2019 bis 2023 nicht mehr in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 806/2014 falle, da ihr ihre Zulassung entzogen worden sei, müssten ihr die übrigen fünf Achtel dieser „Vorauszahlungen“ zurückgezahlt werden.

114    In der angefochtenen Entscheidung wies der SRB darauf hin, dass die von den teilnehmenden Mitgliedstaaten für 2015 erhobenen Beiträge nach Art. 3 Abs. 3 des zwischenstaatlichen Übereinkommens auf den SRF übertragen worden seien. Laut dieser Entscheidung steht den Unternehmen, die im Voraus erhobene Beiträge für 2015 gezahlt hätten und deren Zulassung später widerrufen worden sei, kein Anspruch auf Rückerstattung dieser Beiträge zu, wie sich aus Art. 70 Abs. 4 der Verordnung Nr. 806/2014 ergebe.

115    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die in der Richtlinie 2014/59 und der Delegierten Verordnung 2015/63 vorgesehene Einrichtung nationaler Abwicklungsfonds im Jahr 2015 mit der Einrichtung eines einheitlichen Abwicklungsfonds unter den der Bankenunion angehörenden Mitgliedstaaten im Jahr 2016 auf der Grundlage der Verordnung Nr. 806/2014 verbunden wurde, um die nationalen Abwicklungsfonds schrittweise zu ersetzen.

116    In diesem Kontext mussten die Mitgliedstaaten in einem ersten Schritt gemäß Art. 130 Abs. 1 der Richtlinie 2014/59 die im Voraus erhobenen Beiträge bei den in ihrem Hoheitsgebiet zugelassenen Instituten ab dem 1. Januar 2015 aufheben. Zu diesem Zweck mussten die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die Verpflichtung, die im Voraus erhobenen Beiträge zu entrichten, nach ihrem nationalem Recht durchsetzbar war und dass die fälligen Beiträge in vollem Umfang gezahlt wurden (Art. 103 Abs. 4 der Richtlinie 2014/59).

117    In einem zweiten Schritt wurden die so von den Mitgliedstaaten vor dem Beginn der Anwendung des zwischenstaatlichen Übereinkommens, d. h. dem 1. Januar 2016, erhobenen Beiträge gemäß Art. 3 dieses Abkommens auf den SRF übertragen. Nach ihrer Übertragung wird innerhalb des SRF nicht mehr danach unterschieden, für welches Jahr oder nach welcher Rechtsgrundlage die Beiträge erhoben wurden. Die Beiträge für 2015 und diejenigen für die folgenden Jahre werden in diesem Fonds unterschiedslos zusammengeführt.

118    Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Akte, dass der Beitrag, dessen teilweise Rückerstattung die Klägerin begehrt, der im Voraus erhobene Beitrag ist, den sie für 2015 entrichtet hat und dessen Höhe von der lettischen Abwicklungsbehörde nach Art. 103 der Richtlinie 2014/59 festgelegt wurde.

119    Dazu bestimmt Art. 8 („Besondere Anpassungen in der Aufbauphase“) Abs. 2 der Durchführungsverordnung 2015/81:

„Während der Aufbauphase trägt der Ausschuss bei der Berechnung der einzelnen Beiträge jedes Instituts den Beiträgen, die von den teilnehmenden Mitgliedstaaten gemäß den Artikeln 103 und 104 der Richtlinie 2014/59/EU erhoben und nach Maßgabe von Artikel 3 Absatz 3 des [zwischenstaatlichen] Übereinkommens auf den [SRF] übertragen wurden, dadurch Rechnung, dass sie von dem von jedem Institut zu entrichtenden Betrag abgezogen werden.“

120    Es ist festzustellen, dass weder der Wortlaut noch der Kontext dieser Bestimmung das Vorbringen der Klägerin stützen können.

121    Diese Bestimmung erwähnt nämlich keinen Anspruch auf Rückerstattung der Beiträge für 2015 für den Fall, dass ein Institut das Abwicklungssystem in der Aufbauphase (2016-2023) verlassen sollte. Art. 8 Abs. 2 der Durchführungsverordnung 2015/81 bestimmt auch nicht, dass die Beiträge für 2015 „Vorauszahlungen für die acht ersten Jahre des SRF“ sind.

122    Was den Kontext dieser Bestimmung betrifft, besteht der Gegenstand der Durchführungsverordnung 2015/81, wie der SRB hervorhebt, darin, die Modalitäten für die Berechnung der Beiträge der einzelnen Institute zu spezifizieren (Art. 1 der Durchführungsverordnung 2015/81).

123    Diese Verordnung gilt für die Institute, von denen gemäß Art. 70 der Verordnung Nr. 806/2014 Beiträge erhoben werden (Art. 2 der Durchführungsverordnung 2015/81). Art. 8 der Durchführungsverordnung 2015/81 regelt die angepasste Methodik, nach der die jährlichen Beiträge während der Aufbauphase abweichend berechnet werden. Im sechsten Erwägungsgrund der Durchführungsverordnung 2015/81 heißt es insoweit, dass mit dem in Art. 8 Abs. 2 dieser Verordnung vorgesehenen Abzug die gemäß Art. 3 Abs. 3 des zwischenstaatlichen Übereinkommens übertragenen Beträge in die Berechnung der einzelnen Beiträge „einbezogen“ werden sollten. Wenn ein Institut seine Zulassung verliert, hat es in Zukunft keine Beiträge nach Art. 70 der Verordnung Nr. 806/2014 mehr zu zahlen und ist daher von der in Art. 8 der Durchführungsverordnung 2015/81 dargelegten Berechnungsmethode nicht mehr betroffen. Insoweit sieht Art. 8 Abs. 2 der Durchführungsverordnung 2015/81 vor, dass der Abzug auf den „von jedem Institut zu entrichtenden Betrag“ anzuwenden ist. Wie der SRB und die Kommission zu Recht ausführen, wird dieser Abzug nur vorgenommen, solange die Beitragspflicht besteht.

124    Darüber hinaus heißt es im zwölften Erwägungsgrund des zwischenstaatlichen Übereinkommens, dass die Übertragung der Beiträge für 2015 auf den SRF die Stärkung der Finanzkraft dieses Fonds ab dem Zeitpunkt seiner Schaffung zum Ziel gehabt habe. Der Abzug nach Art. 8 Abs. 2 der Durchführungsverordnung 2015/81 gestattet daher dem SRF seit dem ersten Halbjahr seines Inkrafttretens, über Mittel in der Höhe von zwei Jahresraten zu verfügen, wobei er gleichzeitig sicherstellt, dass die Übertragung der im Jahr 2015 erhaltenen Beträge an diesen Fonds keine Ungleichgewichte zwischen den betroffenen Instituten im Hinblick auf die Aufteilung der finanziellen Belastung schafft.

125    So spiegelt, wie der SRB geltend macht, Art. 8 Abs. 2 der Durchführungsverordnung 2015/81 den schrittweisen Übergang von einem nationalen Mechanismus zu einem einheitlichen, gemeinsamen europäischen Mechanismus und die Notwendigkeit wider, die Effizienz des SRM so bald wie möglich zu gewährleisten.

126    Nach alledem ergibt sich aus keiner der einschlägigen Vorschriften, insbesondere nicht aus Art. 8 Abs. 2 der Durchführungsverordnung 2015/81, dass die Beiträge für 2015, wie die Klägerin geltend macht, „Vorauszahlungen für die acht ersten Jahre des SRF“ wären und dass sie daher rückerstattet werden müssten, wenn ein Institut aus dem Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 806/2014 ausscheidet.

127    Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Berechnung des jährlichen Beitrags eines Instituts für beispielsweise das Jahr 2018 nach dem Abzug des Beitrags für 2015 zu einem negativen Betrag und zur Zahlung des betreffenden Betrags an dieses Institut führen kann. Es handelt sich jedoch nicht um eine Rückerstattung in dem von der Klägerin vertretenen Sinn, die sich auf den Grundsatz der Zeitanteiligkeit stützt. Diese Berechnung ist nämlich nichts anderes als eine mathematische Operation zur Bestimmung der Höhe des jährlichen Beitrags dieses Instituts für das Jahr 2018, der negativ sein kann, wenn der abzuziehende Teil des Beitrags für das Jahr 2015 höher ist als der für das Jahr 2018 berechnete Beitrag. Folglich ist der in diesem Fall an das Institut gezahlte Betrag nur die Folge des Ergebnisses dieser Berechnung. Konkret überweist die nationale Abwicklungsbehörde zum Zeitpunkt der Erhebung der im Voraus erhobenen Beiträge für das Jahr 2018 einen Teil der von den anderen Instituten erhaltenen Beträge an das oder die Institut(e), deren Jahresbeitrag abzüglich des Beitrags für 2015 negativ ist. Daher untermauert, entgegen dem Vorbringen der Klägerin, Rn. 40 des Beschlusses SRB/ES/SRF/2018/03, der gerade diese Situation anführt, auch nicht das Vorbringen der Klägerin, aufgrund dessen sie die teilweise Rückerstattung ihres im Voraus erhobenen Beitrags für 2015 beantragt. Gleiches gilt aus den bereits oben in Rn. 98 dargelegten Gründen für Rn. 39 des Beschlusses SRB/ES/SRF/2018/03.

128    Außerdem sind diese Beiträge, obwohl die Höhe der Beiträge für 2015 von den nationalen Abwicklungsbehörden gemäß der Richtlinie 2014/59 festgesetzt wurde, ebenso wie diejenigen, die nach Art. 70 der Verordnung Nr. 806/2014 vom SRB berechnet werden, als Beiträge zum SRF anzusehen. Wie oben in Rn. 117 dargelegt, werden die Beiträge, sobald sie übertragen sind, im SRF unterschiedslos zusammengeführt. Daher ist in Übereinstimmung mit dem SRB in der angefochtenen Entscheidung davon auszugehen, dass Art. 70 Abs. 4 der Verordnung Nr. 806/2014, wonach die ordnungsgemäß erhaltenen Beiträge nicht rückerstattet werden, anwendbar ist.

129    Da die Klägerin nicht bestreitet, dass sie ihren im Voraus erhobenen Beitrag für 2015 zu Recht entrichtet hat, konnte daher der SRB, wie er es getan hat, nach alledem im Hinblick auf Art. 70 Abs. 4 der Verordnung Nr. 806/2014 davon ausgehen, dass er nicht in der Lage war, die beantragte Rückerstattung vorzunehmen.

c)      Schlussfolgerung

130    Aus der Prüfung der ersten fünf von der Klägerin vorgebrachten Klagegründe ergibt sich, dass der SRB keinen Fehler begangen hat, indem er davon ausging, dass der Entzug der Zulassung eines Instituts durch die EZB während des Beitragszeitraums kein Umstand war, der diesem Institut einen Anspruch auf eine zeitanteilige Neuberechnung seines im Voraus erhobenen Beitrags für diesen Zeitraum eröffnet, und daher entschieden hat, der Klägerin nicht einen Teil des Betrags, den sie als im Voraus erhobenen Beitrag für 2018 entrichtet hatte, rückzuerstatten. Ebenso hat der SRB keinen Fehler begangen, indem er davon ausging, dass der Entzug der Zulassung eines Instituts durch die EZB während der Aufbauphase kein Umstand war, der diesem Institut einen Anspruch auf Rückerstattung des Restbetrags seines für 2015 gezahlten im Voraus erhobenen Beitrags eröffnet.

131    Unter diesen Umständen sind die ersten fünf von der Klägerin geltend gemachten Klagegründe zurückzuweisen.

3.      Zum sechsten Klagegrund: Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes

132    Im Rahmen des sechsten Klagegrundes macht die Klägerin geltend, nach den Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes könne der SRB den Instituten nur eine Belastung auferlegen, wenn die Regelung klar bestimme, dass eine solche Belastung verpflichtend sei. Im Übrigen sehe keine Bestimmung ausdrücklich vor, dass die Beiträge einbehalten werden könnten, wenn ein Unternehmen während eines Beitragszeitraums aufhöre, ein unter Aufsicht gestelltes Institut zu sein. Ein neutraler und objektiver Beobachter erwarte nicht, dass die Beiträge auf diese Weise einbehalten würden. Die Klägerin wirft dem SRB daher vor, die betreffenden Institute nie über seine Auslegung dieser Regelung informiert zu haben.

133    Der SRB, unterstützt durch die Kommission, tritt diesem Vorbringen entgegen.

134    Nach ständiger Rechtsprechung gebietet der Grundsatz der Rechtssicherheit, dass eine Regelung klar und bestimmt sein muss, damit der Rechtsunterworfene seine Rechte und Pflichten unzweideutig erkennen kann, und dass ihre Anwendung für den Rechtsunterworfenen voraussehbar sein muss (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. April 2005, Belgien/Kommission, C‑110/03, EU:C:2005:223, Rn. 30, und vom 12. Dezember 2013, Test Claimants in the Franked Investment Income Group Litigation, C‑362/12, EU:C:2013:834, Rn. 44).

135    Außerdem ist die Berufung auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes an drei Voraussetzungen gebunden. Erstens muss die Verwaltung dem Betroffenen präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Zusicherungen von zuständiger und zuverlässiger Seite machen. Zweitens müssen diese Zusicherungen geeignet sein, begründete Erwartungen beim Adressaten zu wecken. Drittens müssen die gegebenen Zusicherungen den geltenden Vorschriften entsprechen (vgl. Urteil vom 9. September 2011, Deltafina/Kommission, T‑12/06, EU:T:2011:441, Rn. 190 und die dort angeführte Rechtsprechung).

136    Nach Art. 70 Abs. 4 der Verordnung Nr. 806/2014 werden die ordnungsgemäß erhaltenen Beiträge nicht rückerstattet. Diese Bestimmung ist klar und präzise und enthält keine Ausnahme oder Abschwächung. Der Umstand, dass sie keine Klarstellung zu ihrem Anwendungsbereich enthält, zeigt, dass sie universelle Geltung hat. Sie gestattet daher dem Rechtsunterworfenen, seine Rechte und Pflichten unzweideutig zu erkennen, und ihre Anwendung ist für den Rechtsunterworfenen voraussehbar.

137    Entgegen dem Vorbringen der Klägerin war die Entscheidung des SRB, ihr die zu Recht gezahlten im Voraus erhobenen Beiträge nicht rückzuerstatten, in Anbetracht der vorstehenden Erwägungen nicht unvorhersehbar. Dem SRB kann daher nicht vorgeworfen werden, dass er die betreffenden Institute nicht zuvor über seine Auslegung der einschlägigen Bestimmungen informiert hat, weder betreffend die für 2015 gezahlten Beiträge noch für die für jedes Jahr der Aufbauphase gezahlten Beiträge.

138    Außerdem stellt die bloße Tatsache, dass Art. 70 Abs. 4 der Verordnung Nr. 806/2014 nicht ausdrücklich bestimmt, dass sie auf die besondere Situation der Klägerin anwendbar ist, im Sinne der Rechtsprechung keine von der Verwaltung gemachte präzise Zusicherung dar, die geeignet ist, begründete Erwartungen zu wecken, dass ihr ihre Beiträge rückerstattet würden. Überdies erlaubt die Auslegung des Beschlusses SRB/ES/SRF/2018/03 die Feststellung, dass entgegen dem Vorbringen der Klägerin der SRB die Erstattungsfähigkeit der im Voraus erhobenen Beiträge nicht anerkennt. Selbst wenn dies der Fall wäre, verstieße dies gegen die geltenden Vorschriften, so dass sich die Klägerin nicht auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen könnte.

139    Der sechste Klagegrund eines Verstoßes gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes ist daher zurückzuweisen.

4.      Zum siebten Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

140    Die Klägerin macht allgemein geltend, dass jede andere Maßnahme als die zeitanteilige Rückerstattung der Beträge, die als im Voraus erhobene Beiträge gezahlt worden seien, an das Institut, dem die Zulassung entzogen worden sei, unverhältnismäßig sei. Insbesondere müsse die Höhe der Beiträge in einem angemessenen Verhältnis zu den Risiken im Zusammenhang mit dem betreffenden Institut stehen. Die Klägerin führt zwei Fallgestaltungen an: zum einen den Fall, dass der SRB den gesamten Jahresbeitrag eines Instituts einbehalten würde, auch wenn dieses seine Stellung als Kreditinstitut nach dem ersten Monat oder ersten Tag des Jahres verliere; zum anderen denjenigen, in dem der SRB fast doppelt so hohe Beiträge erhalte, weil ein Institut seine Tätigkeit zu Beginn des Jahres auf ein anderes Unternehmen übertragen habe, was zum Verlust seiner Stellung als Kreditinstitut führe, während dieses andere Unternehmen zu einem Kreditinstitut werde. Wenn die Institute, die Gegenstand eines Insolvenzverfahrens sein könnten, d. h. die Institute, hinsichtlich deren der SRB beschlossen habe, keine Abwicklungsmaßnahme zu treffen, einer so schweren Belastung ausgesetzt wären, würde dies außerdem die nachteiligen Folgen ihrer Insolvenz verschärfen.

141    Der SRB, unterstützt durch die Kommission, tritt diesem Vorbringen entgegen.

142    Nach ständiger Rechtsprechung verlangt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts gehört, dass die Handlungen der Unionsorgane zur Erreichung der mit der betreffenden Regelung verfolgten legitimen Ziele geeignet sind und nicht über die Grenzen dessen hinausgehen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist, wobei, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen ist und die dadurch bedingten Nachteile in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen müssen (vgl. Urteil vom 4. Mai 2016, Philip Morris Brands u. a., C‑547/14, EU:C:2016:325, Rn. 165 und die dort angeführte Rechtsprechung).

143    Es ist darauf hinzuweisen, dass das durch die jährliche Erhebung der im Voraus erhobenen Beiträge der Kreditinstitute verfolgte Ziel, wie von der Verordnung Nr. 806/2014 vorgesehen, darin besteht, sicherzustellen, dass bis zum Ende einer Aufbauphase von acht Jahren die verfügbaren Mittel des SRF mindestens 1 % der gedeckten Einlagen aller in allen teilnehmenden Mitgliedstaaten zugelassenen Kreditinstitute erreichen.

144    Zu diesem Zweck sind die im Voraus erhobenen Beiträge, wie der Gerichtshof festgestellt hat, „planbar“: Sie werden jedes Jahr anhand der Rechnungslegungsdaten im letzten, zum 31. Dezember des dem Beitragszeitraum vorangehenden Jahres vorliegenden gebilligten und beglaubigten Jahresabschluss festgesetzt und für das Beitragsjahr erhoben (Urteil vom 14. November 2019, State Street Bank International, C‑255/18, EU:C:2019:967, Rn. 63). Die einzige Ausnahme betrifft die neuen Institute, die nur für einen Teil eines Beitragszeitraums unter Aufsicht gestellt werden. In diesem Fall wird der anteilige Beitrag im folgenden Beitragsjahr zusätzlich zu dem für dieses Jahr zu entrichtenden Beitrag erhoben (Art. 12 Abs. 1 der Delegierten Verordnung 2015/63).

145    Zur Frage, ob die angefochtene Entscheidung erforderlich ist, um das verfolgte legitime Ziel zu erreichen, ist festzustellen, dass eine gewisse Stabilität der Ressourcen des SRF wesentlich ist, damit diese schrittweise steigen können und am Ende der Aufbauphase 1 % der Einlagen erreichen. Wenn der SRB etwaigen während des Rechnungsjahrs erfolgten Änderungen der rechtlichen und finanziellen Situation der Institute Rechnung tragen und im folgende Beitragsjahr eine Rückerstattung vornehmen müsste, wäre es schwierig für den SRF, die in der Verordnung Nr. 806/2014 festgelegte Zielausstattung zu erreichen. Der Gerichtshof hat im Übrigen hervorgehoben, wie wichtig es ist, die Berechnung der jährlichen Beiträge durch die Abwicklungsbehörden zu erleichtern, um das mit der Richtlinie 2014/59, der Verordnung Nr. 806/2014 und der Delegierten Verordnung 2015/63 verfolgte Ziel zu erreichen (Urteil vom 14. November 2019, State Street Bank International, C‑255/18, EU:C:2019:967, Rn. 44 und 45). Die angefochtene Entscheidung ist daher im Hinblick auf das verfolgte legitime Ziel erforderlich.

146    Zur Frage, ob die angefochtene Entscheidung nicht über die Grenzen dessen hinausgeht, was zur Erreichung dieses legitimen Ziels erforderlich ist, ist im Hinblick auf Art. 70 Abs. 4 der Verordnung Nr. 806/2014 und Art. 12 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 festzustellen, dass es keine Alternative gab, die es erlaubte, dieses Ziel auf weniger belastende Weise zu wahren. Im Übrigen wäre eine Anpassung des Beitrags, den das Institut schuldet, dem die Zulassung im Laufe des Jahres entzogen wurde, wie die Klägerin vorschlägt, nicht so wirksam, um das oben in Rn. 143 dargelegte Ziel zu erreichen, da es dem SRF die erforderliche Stabilität nähme, damit die Ressourcen bis zur erforderlichen Höhe schrittweise steigen können.

147    Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass Art. 70 Abs. 4 der Verordnung Nr. 806/2014 und Art. 12 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 hinsichtlich der Rückerstattung ordnungsgemäß entrichteter Beiträge keinerlei Möglichkeit oder Ermessensspielraum ließen. Die Klägerin erhebt jedoch gegen diese Bestimmungen keine Einrede der Rechtswidrigkeit.

148    Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass die angefochtene Entscheidung nicht unverhältnismäßig ist, da sie nicht über das hinausgeht, was erforderlich ist, um die legitimen Ziele der in Rede stehenden Regelung zu erreichen.

149    Dieses Ergebnis wird durch das übrige Vorbringen der Klägerin nicht in Frage gestellt.

150    Was das Vorbringen zur Korrelation zwischen den Pflichtbeiträgen und den durch den SRF gedeckten Risiken anbelangt, ist festzustellen, dass die Regelung das mit der Tätigkeit eines Instituts verbundene Risiko bei der Berechnung der Höhe des Beitrags berücksichtigt (Art. 70 Abs. 2 der Verordnung Nr. 806/2014), ohne jedoch eine Verknüpfung zwischen diesem Betrag und der Zahl der Monate herzustellen, in denen das System einem solchen Risiko ausgesetzt war, mit Ausnahme des neu unter Aufsicht gestellten Instituts. Das Vorbringen der Klägerin hierzu ist daher zurückzuweisen.

151    Was den von der Klägerin angeführten Fall betrifft, dass der SRB den gesamten Jahresbeitrag eines Instituts einbehalten würde, auch wenn dieses seine Stellung als Kreditinstitut nach dem ersten Monat oder ersten Tag des Jahres verliere, ist im vorliegenden Fall festzustellen, dass der Beschluss SRB/ES/SRF/2018/03 am 12. April 2018 erlassen wurde, dass die Finanz- und Kapitalmarktkommission die Klägerin am 27. April 2018 über die Höhe ihres Beitrags informierte und dass der Entzug der Zulassung der Klägerin am 11. Juli 2018 erfolgte. Die von der Klägerin angeführte Situation ist daher rein hypothetisch und kann nicht anhand der Umstände des vorliegenden Falls beurteilt werden. Folglich ist dieses Vorbringen zurückzuweisen.

152    Was den von der Klägerin angeführten Fall betrifft, dass der SRB fast doppelt so hohe Beiträge erhalte, weil ein Institut seine Tätigkeit zu Beginn des Jahres auf ein anderes Unternehmen übertragen habe, was zum Verlust seiner Stellung als Kreditinstitut führe, während dieses andere Unternehmen zu einem Kreditinstitut werde, ist festzustellen, dass dieses Vorbringen nicht hinreichend untermauert ist, um dem Gericht zu gestatten, darauf einzugehen. Die Klägerin führt diesen Fall, den sie selbst in Rn. 23 der Klageschrift als hypothetisch bezeichnet, lediglich an, ohne anzugeben, weshalb er für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits relevant ist. Die Berechnung der im Voraus erhobenen Beiträge gründet sich nach Art. 14 Abs. 1 und 4 der Delegierten Verordnung 2015/63 jedoch auf die Daten des vorangehenden Geschäftsjahres, mit anderen Worten, für ein Unternehmen, dass im Jahr 2018 ein Kreditinstitut wird, wird der Beitrag anhand des Jahres 2017 berechnet werden. Die Klägerin hat insbesondere in der Erwiderung nichts vorgetragen, was erkennen ließe, ob ihr Beispiel diese Bestimmung oder andere möglicherweise auf eine solche Situation anwendbare Bestimmungen berücksichtigt. Dieses Vorbringen erfüllt nicht die Mindestanforderungen nach Art. 76 der Verfahrensordnung und ist daher mangels Klarstellung als unzulässig zurückzuweisen.

153    Zum Vorbringen der Klägerin betreffend die nachteiligen Folgen der angefochtenen Entscheidung für die Institute, die Gegenstand eines Insolvenzverfahrens sein könnten, ist festzustellen, dass dieses Vorbringen auf dem Gedanken beruht, dass dem fraglichen Unternehmen im Fall der fehlenden Rückerstattung ein Vermögenswert entzogen würde. Da allerdings die im Voraus erhobenen Beiträge keine „Vorauszahlungen“ sind und der Verlust der Zulassung durch ein Institut während des Beitragsjahrs ihm keinen Anspruch auf Rückerstattung seines jährlichen Beitrags eröffnet, hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass es einen Vermögenswert gibt, der dem Unternehmen entzogen werden könnte. Dieses Vorbringen ist daher zurückzuweisen.

154    Nach alledem ist der siebte Klagegrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zurückzuweisen.

5.      Zum zehnten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 16 und 17 der Charta

155    Im Rahmen des zehnten Klagegrundes macht die Klägerin geltend, ihre Rechte in Bezug auf „nicht verwendete im Voraus erhobene Beiträge“ stellten ebenso wie die Liquiditätsreserven in einer Zentralbank ein Eigentumsrecht dar. Dies sei besonders offenkundig hinsichtlich der im Voraus erhobenen Beiträge für die acht ersten Jahre des Bestehens des SRF. Die Entziehung ihrer Eigentumsrechte sei nicht gesetzlich vorgesehen und nicht durch das öffentliche Interesse gerechtfertigt. Der SRB habe auch keine Art von Entschädigung angeboten. Ferner stelle das Einbehalten der gesamten entrichteten Beiträge durch den SRB, trotz des Verlusts der Zulassung durch das Institut, eine Beschränkung der unternehmerischen Freiheit der Klägerin dar, die nicht gesetzlich vorgesehen sei.

156    Der SRB, unterstützt durch die Kommission, tritt diesem Vorbringen entgegen.

157    Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) bestimmt, dass „[d]ie unternehmerische Freiheit … nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten anerkannt [wird]“.

158    Nach Art. 17 Abs. 1 und Art. 52 Abs. 1 der Charta darf niemandem sein Eigentum entzogen werden, es sei denn aus Gründen des öffentlichen Interesses in den Fällen und unter den Bedingungen, die in einem Gesetz vorgesehen sind, sowie gegen eine rechtzeitige angemessene Entschädigung für den Verlust des Eigentums.

159    Nach der Rechtsprechung gelten die Grundrechte, und insbesondere die unternehmerische Freiheit und das Eigentumsrecht, nicht uneingeschränkt, und ihre Ausübung kann Beschränkungen unterworfen werden, die durch im Allgemeininteresse liegende Ziele der Union gerechtfertigt sind, sofern die Beschränkungen tatsächlich diesen im Allgemeininteresse liegenden Zielen entsprechen und keinen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen und nicht tragbaren Eingriff darstellen, der die so gewährleisteten Rechte in ihrem Wesensgehalt antasten würde (vgl. Urteil vom 28. März 2017, Rosneft, C‑72/15, EU:C:2017:236, Rn. 148 und die dort angeführte Rechtsprechung).

160    Zur Bestimmung dieses Rechts ist im Hinblick auf Art. 52 Abs. 3 der Charta Art. 1 des Zusatzprotokolls Nr. 1 zur am 4. November 1950 in Rom unterzeichnete Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) heranzuziehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. September 2008, Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission, C‑402/05 P und C‑415/05 P, EU:C:2008:461, Rn. 356).

161    Insoweit bestimmt Art. 1 des Zusatzprotokolls Nr. 1 zur EMRK:

„Jede natürliche oder juristische Person hat das Recht auf Achtung ihres Eigentums. Niemandem darf sein Eigentum entzogen werden, es sei denn, dass das öffentliche Interesse es verlangt, und nur unter den durch Gesetz und durch die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts vorgesehenen Bedingungen.

Absatz 1 beeinträchtigt jedoch nicht das Recht des Staates, diejenigen Gesetze anzuwenden, die er für die Regelung der Benutzung des Eigentums im Einklang mit dem Allgemeininteresse oder zur Sicherung der Zahlung der Steuern oder sonstigen Abgaben oder von Geldstrafen für erforderlich hält.“

162    Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die fraglichen Beiträge einen Eingriff in das durch Art. 1 Abs. 1 des Zusatzprotokolls Nr. 1 zur EMRK garantierte Recht darstellen, da sie dem betreffenden Institut einen Teil des Eigentums, nämlich den von ihm gezahlten Betrag, nehmen. Dieser Eingriff ist nach Abs. 2 dieses Artikels gerechtfertigt, der ausdrücklich eine Ausnahme für die Zahlung der Steuern oder sonstigen Abgaben vorsieht (vgl. in diesem Sinne EGMR, 13. Januar 2004, Orion Břeclav s.r.o./Tschechische Republik, CE:ECHR:2004:0113DEC004378398).

163    Unter diesen Umständen ist zu prüfen, ob die angefochtene Entscheidung mit der fraglichen Regelung im Einklang steht, ob der Eingriff in das Eigentumsrecht der Klägerin tatsächlich im Allgemeininteresse liegenden Zielen entspricht und keinen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen und nicht tragbaren Eingriff darstellt, der das Eigentumsrecht in seinem Wesensgehalt antasten würde.

164    Zunächst ergibt sich aus den vorstehenden Rn. 58 bis 131, dass der SRB Art. 70 Abs. 4 der Verordnung Nr. 806/2014 und Art. 12 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 zu Recht angewandt hat. Die angefochtene Entscheidung steht daher im Einklang mit der einschlägigen Regelung.

165    Sodann ergibt sich aus den Rn. 143 bis 148 des vorliegenden Urteils, dass die Entscheidung, der Klägerin trotz des Entzugs ihrer Zulassung einen Teil ihrer Beiträge nicht rückzuerstatten, tatsächlich im Allgemeininteresse liegenden Zielen entspricht und im Hinblick auf diese Ziele nicht unverhältnismäßig ist. Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass diese Entscheidung keinen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen und nicht tragbaren Eingriff darstellt, der das Eigentumsrecht der Klägerin in seinem Wesensgehalt antasten würde. Aus den gleichen Gründen tastet diese Entscheidung nicht die unternehmerische Freiheit der Klägerin in ihrem Wesensgehalt an.

166    Daher ist der behauptete Verstoß gegen das Eigentumsrecht und die unternehmerische Freiheit nicht nachgewiesen.

167    Nach alledem ist der zehnte Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 16 und 17 der Charta zurückzuweisen.

6.      Zum achten und zum neunten Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz nemo auditur propriam turpitudinem allegans und das Verbot widersprüchlichen Verhaltens

168    Im Rahmen des achten Klagegrundes trägt die Klägerin vor, der SRB habe gegen den Grundsatz nemo auditur propriam turpitudinem allegans verstoßen, wonach niemand sich auf sein eigenes rechtswidriges Handeln berufen könne. Insbesondere habe der SRB am 23. Februar 2018 öffentlich bekannt gegeben, dass die Klägerin und ihre luxemburgische Tochtergesellschaft liquidiert werden müssten. Nach dieser Ankündigung seien die Anteilseigner der Klägerin gezwungen gewesen, ein freiwilliges Liquidationsverfahren einzuleiten. Diese freiwillige Liquidation habe sodann dazu geführt, dass die EZB die Zulassung der Klägerin widerrufen habe. Folglich habe der SRB der Klägerin zum einen den Vorteil genommen, den sie aus ihrem im Voraus erhobenen Beitrag zum SRF für 2018 gezogen habe. Zum anderen habe der SRB einen Vorteil erlangt, da er einen Beitrag erhalten habe, obwohl das entsprechende Risiko durch die Liquidation der Klägerin beseitigt worden sei. Indem der SRB die Rückerstattung des im Voraus erhobenen Beitrags der Klägerin verweigert habe, versuche er, einen unzulässigen Vorteil zu behalten. Die Klägerin macht im Rahmen des neunten Klagegrundes ferner geltend, dass der SRB durch die Anordnung der Liquidation der Klägerin unter Einbehaltung ihres Beitrags widersprüchlich und willkürlich gehandelt habe.

169    Der SRB, unterstützt durch die Kommission, tritt diesem Vorbringen entgegen.

170    Zum einen ist es, um sich auf den Grundsatz nemo auditur propriam turpitudinem allegans zu berufen, noch erforderlich, dass ein fehlerhaftes Verhalten nachgewiesen wird, das dem SRB zurechenbar ist. Aus der Prüfung der ersten fünf Klagegründe ergibt sich allerdings, dass der SRB Art. 70 Abs. 4 der Verordnung Nr. 806/2014 und Art. 12 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 zu Recht angewandt hat. Ihm kann daher im vorliegenden Fall kein fehlerhaftes Verhalten vorgeworfen werden.

171    Der Beschluss des SRB vom 23. Februar 2018, kein Abwicklungskonzept festzulegen, und die Frage, ob der SRB verantwortlich für das von den Anteilseignern der Klägerin eingeleitete freiwillige Liquidationsverfahren ist, sind nicht Gegenstand der vorliegenden Klage und können daher kein angeblich fehlerhaftes Verhalten begründen.

172    Zum anderen ist festzustellen, dass der Klagegrund eines widersprüchlichen Verhaltens durch den SRB auf den Beschluss des SRB vom 23. Februar 2018, kein Abwicklungskonzept festzulegen, und auf die Frage gestützt ist, ob der SRB verantwortlich für das von den Anteilseignern der Klägerin eingeleitete freiwillige Liquidationsverfahren ist. Ein solcher Klagegrund, mit dem die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht in Frage gestellt werden soll, geht jedoch ins Leere und ist zurückzuweisen.

173    Folglich sind der achte und neunte Klagegrund zurückzuweisen.

7.      Zur unzureichenden Begründung der angefochtenen Entscheidung

174    In Rn. 92 ihrer am 29. Juni 2020 eingereichten Erklärungen macht die Klägerin geltend, der SRB habe die angefochtene Entscheidung unzureichend begründet. In dieser Entscheidung habe sich der SRB auf die Behauptung beschränkt, dass die Beiträge zum SRF nie rückerstattet würden, ohne eine plausible Erklärung zu geben, um seine Weigerung, eine Neuberechnung vorzunehmen und die beantragte Rückerstattung zu gewähren, zu rechtfertigen. Der SRB habe in seiner Entscheidung die Gründe nicht angeführt, aus denen „die Beiträge für 2015 rückerstattet werden könnten, wenn geringfügige zusätzliche Beträge während der Aufbauphase zu zahlen wären, aber nicht rückerstattet werden müssten, wenn kein anderer Betrag fällig war“.

175    Die Frage der fehlenden oder unzureichenden Begründung ist nach ständiger Rechtsprechung von Amts wegen zu prüfen; entsprechende Rügen können von den Parteien in jedem Stadium des Verfahrens vorgebracht werden (Beschluss vom 25. Juli 2000, RJB Mining/Kommission, T‑110/98, EU:T:2000:199, Rn. 46; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 20. Februar 1997, Kommission/Daffix, C‑166/95 P, EU:C:1997:73, Rn. 23 bis 25). Folglich ist der vorliegende Klagegrund zulässig.

176    Außerdem muss die nach Art. 296 AEUV vorgeschriebene Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Organs, das den beanstandeten Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und der Unionsrichter seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 296 AEUV genügt, nicht nur anhand ihres Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand ihres Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (Urteile vom 2. April 1998, Kommission/Sytraval und Brink’s France, C‑367/95 P, EU:C:1998:154, Rn. 63, und vom 8. Mai 2019, Landeskreditbank Baden-Württemberg/EZB, C‑450/17 P, EU:C:2019:372, Rn. 87).

177    Daraus folgt, dass eine Begründung nicht erschöpfend sein muss, sondern als ausreichend anzusehen ist, wenn sie die Tatsachen und rechtlichen Erwägungen anführt, denen nach dem Aufbau der Entscheidung eine wesentliche Bedeutung zukommt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. Juli 2008, Bertelsmann und Sony Corporation of America/Impala, C‑413/06 P, EU:C:2008:392, Rn. 169, und vom 3. März 2010, Freistaat Sachsen/Kommission, T‑102/07 und T‑120/07, EU:T:2010:62, Rn. 180).

178    Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Darstellung der angefochtenen Entscheidung oben in Rn. 13, dass der SRB die tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte, denen eine wesentliche Bedeutung zukommt, dargelegt hat. Die angefochtene Entscheidung hat es zum einen der Klägerin ermöglicht, ihr die Gründe für die erlassene Entscheidung zu entnehmen, damit sie ihre Rechte verteidigen kann, und es zum anderen dem Unionsrichter ermöglicht, die Rechtmäßigkeit der Entscheidung zu überprüfen. Die Klägerin konnte nämlich die Begründetheit der Beurteilungen in der angefochtenen Entscheidung beanstanden, indem sie dem SRB u. a. seine Auslegung von Art. 70 Abs. 4 der Verordnung Nr. 806/2014 und die Anwendung von Art. 12 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 auf ihre Situation vorwarf, wie die Klageschrift zeigt. Überdies konnte das Gericht, wie die vorstehende Würdigung der verschiedenen in der Klageschrift geltend gemachten Klagegründe zeigt, sich zu diesem Vorbringen äußern und seine Kontrollaufgabe gegenüber der angefochtenen Entscheidung wahrnehmen. Folglich macht die Klägerin zu Unrecht geltend, dass die Begründung dieser Entscheidung unzureichend sei.

179    Dem SRB kann nicht vorgeworfen werden, dass er die Gründe nicht angeführt hat, aus denen „die Beiträge für 2015 rückerstattet werden könnten, wenn geringfügige zusätzliche Beträge während der Aufbauphase zu zahlen wären, aber nicht rückerstattet werden müssten, wenn kein anderer Betrag fällig war“. Der SRB hat nämlich in seiner Entscheidung klar dargelegt, aus welchen Gründen er den Anträgen der Klägerin nicht stattgeben konnte, wie sich aus der vorstehenden Rn. 13 ergibt. Außerdem ergibt sich aus der vorstehenden Prüfung der ersten fünf Klagegründe, dass entgegen dem Vorbringen der Klägerin der SRB nie ausgeführt hat, dass „die Beiträge für 2015 rückerstattet werden könnten“, sondern geltend gemacht hat, dass sie nach Art. 8 Abs. 2 der Durchführungsverordnung 2015/81 von dem vom Institut zu entrichtenden Betrag abgezogen werden könnten. Dieses Vorbringen der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

180    Nach alledem ist der Klagegrund einer unzureichenden Begründung der angefochtenen Entscheidung zurückzuweisen und folglich die Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

181    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr dem Antrag des SRB entsprechend die Kosten aufzuerlegen.

182    Gemäß Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung trägt die Kommission ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zehnte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die ABLV Bank AS trägt neben ihren eigenen Kosten die Kosten, die dem Einheitlichen Abwicklungsausschuss (SRB) entstanden sind.

3.      Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten.

Papasavvas

Kornezov

Buttigieg

Kowalik-Bańczyk

 

      Hesse

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 20. Januar 2021.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Englisch.