Language of document : ECLI:EU:C:2016:650

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MICHAL BOBEK

vom 8. September 2016(1)

Rechtssache C‑354/15

Andrew Marcus Henderson

gegen

Novo Banco, SA

(Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal da Relação de Évora [Rechtsmittelgericht von Évora, Portugal])

„Justizielle Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen – Verordnung Nr. 1393/2007 – Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke – Zustellung durch Postdienste – Einschreiben mit Rückschein – Gleichwertiger Beleg – Zustellung verfahrenseinleitender Schriftstücke an einen Dritten – Formblatt in Anhang II zur Verordnung Nr. 1393/2007“





I –    Einführung

1.        Eine portugiesische Bank erhob Klage gegen einen Schuldner mit Wohnsitz in Irland. Bei der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks traten drei Probleme auf. Erstens wurde der Rückschein über den Empfang des Schriftstücks nicht an das portugiesische Gericht zurückgesandt. Zweitens wurde das zuzustellende Schriftstück angeblich am Wohnsitz des Schuldners, dort jedoch einem Dritten, ausgehändigt. Drittens war dem zuzustellenden Schriftstück nicht das Standard-Formblatt in Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007(2) beigefügt (im Folgenden: Formblatt in Anhang II), mit dem der Empfänger über sein Recht zur Verweigerung der Annahme des Schriftstücks hätte belehrt werden müssen.

2.        Im Ausgangsverfahren wurde noch von der Wirksamkeit der Zustellung des oben erwähnten Schriftstücks ausgegangen, und zwar aus drei Gründen: Erstens hatte der portugiesische Postdienst auf Ersuchen des nationalen Gerichts mittels eines Schreibens an das Gericht das Datum und den Zeitpunkt der Aushändigung des Schriftstücks in Irland bestätigt. Zweitens war das nationale Gericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Entgegennahme von verfahrenseinleitenden Schriftstücken durch einen Dritten die Vermutung einer Zustellung an den Empfänger begründet habe und dass diese Vermutung nicht widerlegt worden sei. Drittens hielt es das Fehlen des Formblatts in Anhang II für problematisch, aber dadurch für geheilt, dass der Empfänger die Nichtverwendung dieses Formblatts nicht innerhalb der nach nationalem Recht hierfür vorgesehenen Frist gerügt habe.

3.        In der vorliegenden Rechtssache möchte das vorlegende Gericht wissen, ob diese nationalen Bestimmungen über die Zustellung von verfahrenseinleitenden Schriftstücken den Vorgaben der Verordnung Nr. 1393/2007 genügen.

II – Anwendbares Recht

A –    Unionsrecht

4.        Im zweiten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1393/2007 heißt es, dass „für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts … die Übermittlung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen, die in einem anderen Mitgliedstaat zugestellt werden sollen, zwischen den Mitgliedstaaten verbessert und beschleunigt werden [muss].“

5.        Gemäß dem sechsten Erwägungsgrund dieser Verordnung „[setzt d]ie Wirksamkeit und Schnelligkeit der gerichtlichen Verfahren in Zivilsachen … voraus, dass die Übermittlung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke unmittelbar und auf schnellstmöglichem Wege zwischen den von den Mitgliedstaaten benannten örtlichen Stellen erfolgt“.

6.        Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 4 der Verordnung Nr. 1393/2007 begründet die Verpflichtung, bei der Zustellung von gerichtlichen Schriftstücken das Formblatt in Anhang II auch dann beizufügen, wenn die Zustellung durch Postdienste erfolgt. Der Zweck des Formblatts in Anhang II ist es, den Empfänger über sein Recht zu belehren, dass er die Annahme des zuzustellenden Schriftstücks bei der Zustellung verweigern oder das Schriftstück binnen einer Woche zurücksenden darf, wenn es nicht in einer der folgenden Sprachen abgefasst oder keine Übersetzung in eine der folgenden Sprachen beigefügt ist: a) einer Sprache, die der Empfänger versteht, oder b) der Amtssprache des Empfangsmitgliedstaats oder, wenn es im Empfangsmitgliedstaat mehrere Amtssprachen gibt, der Amtssprache oder einer der Amtssprachen des Ortes, an dem die Zustellung erfolgen soll.

7.        „Hat der Empfänger“ – so Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1393/2007 – „die Annahme des Schriftstücks gemäß Absatz 1 verweigert, kann die Zustellung dadurch bewirkt werden, dass dem Empfänger im Einklang mit dieser Verordnung das Dokument zusammen mit einer Übersetzung des Schriftstücks in eine der in Absatz 1 vorgesehenen Sprachen zugestellt wird. In diesem Fall ist das Datum der Zustellung des Schriftstücks das Datum, an dem die Zustellung des Dokuments zusammen mit der Übersetzung nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats bewirkt wird. Muss jedoch nach dem Recht eines Mitgliedstaats ein Schriftstück innerhalb einer bestimmten Frist zugestellt werden, so ist im Verhältnis zum Antragsteller als Datum der Zustellung der nach Artikel 9 Absatz 2 ermittelte Tag maßgeblich, an dem das erste Schriftstück zugestellt worden ist.“

8.        Art. 9 der Verordnung Nr. 1393/2007 betrifft das Datum der Zustellung. Gemäß Art. 9 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 dieser Verordnung ist für das Datum der Zustellung eines Schriftstücks grundsätzlich das Recht des Empfangsmitgliedstaats maßgeblich.

9.        Nach Art. 9 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1393/2007 ist, „[m]uss … nach dem Recht eines Mitgliedstaats ein Schriftstück innerhalb einer bestimmten Frist zugestellt werden, … im Verhältnis zum Antragsteller als Datum der Zustellung der Tag maßgeblich, der sich aus dem Recht dieses Mitgliedstaats ergibt“.

10.      Gemäß Art. 14 der Verordnung Nr. 1393/2007 steht es „[j]edem Mitgliedstaat … frei, Personen, die ihren Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat haben, gerichtliche Schriftstücke unmittelbar durch Postdienste per Einschreiben mit Rückschein oder gleichwertigem Beleg zustellen zu lassen“.

11.      Art. 19 der Verordnung Nr. 1393/2007 betrifft die Nichteinlassung des Beklagten. Art. 19 Abs. 1 dieser Verordnung – soweit hier von Belang – bestimmt, dass das Gericht, „[w]ar ein verfahrenseinleitendes Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nach dieser Verordnung zum Zweck der Zustellung in einen anderen Mitgliedstaat zu übermitteln und hat sich der Beklagte nicht auf das Verfahren eingelassen, … das Verfahren auszusetzen [hat], bis festgestellt ist,

b)      dass das Schriftstück tatsächlich entweder dem Beklagten persönlich ausgehändigt oder nach einem anderen in dieser Verordnung vorgesehenen Verfahren in seiner Wohnung abgegeben worden ist,

und dass … das Schriftstück so rechtzeitig zugestellt oder ausgehändigt bzw. abgegeben worden ist, dass der Beklagte sich hätte verteidigen können.“

B –    Nationales Recht

12.      Gemäß Art. 230 des Código de Processo Civil (Zivilprozessordnung, im Folgenden: CPC) gilt die Zustellung durch Einschreiben mit Rückschein als an dem Tag bewirkt, an dem der Rückschein unterzeichnet wird, wobei die Zustellung selbst dann als an den Empfänger bewirkt gilt, wenn ein Dritter den Rückschein unterzeichnet hat. Das Einschreiben gilt dem Empfänger als ordnungsgemäß ausgehändigt, es sei denn, er weist das Gegenteil nach.

13.      Gemäß den Art. 365 Abs. 3 und 293 Abs. 2 CPC beträgt die Frist für die Wahrnehmung von Verteidigungsrechten in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zehn Tage. Art. 366 Abs. 3 CPC regelt, dass diese Frist um eine Entfernungsfrist von zehn Tagen verlängert wird.

14.      Ist den verfahrenseinleitenden Schriftstücken bei Zustellung kein Formblatt gemäß Anhang II beigefügt, stellt dies nach portugiesischem Recht und gerichtlicher Praxis eine Verletzung einer wesentlichen Formvorschrift mit der Folge dar, dass die Zustellung gemäß Art. 191 Abs. 1 CPC unwirksam ist.

15.      Jedoch entspricht die Frist, innerhalb deren eine Unwirksamkeit wegen Verletzung einer wesentlichen Formvorschrift geltend gemacht werden kann, gemäß Art. 191 Abs. 2 CPC der Frist für die Einreichung einer Klagebeantwortung, nämlich im vorliegenden Fall 20 Tage seit dem Tag der Zustellung. Die Unwirksamkeit gilt als geheilt, wenn sie nicht innerhalb dieser Frist geltend gemacht wird.

III – Sachverhalt, innerstaatliches Verfahren und Vorlagefragen

16.      Im Jahr 2008 schloss die Novo Banco, SA (Klägerin) mit Herrn Henderson (Beklagter) zwei Finanzierungsleasingverträge über in der Gemeinde Portimão, Portugal, belegene Ladengeschäfte. Der Beklagte zahlte die für die Ladengeschäfte in den Monaten März und August 2012 fälligen Leasingraten jeweils nicht und geriet auch mit den nachfolgenden Raten in Zahlungsverzug. Daraufhin kündigte die Klägerin beide Verträge.

17.      Der Beklagte weigerte sich, die Objekte herauszugeben. Die Klägerin erhob in Portugal Klage gegen ihn und beantragte u. a. Maßnahmen des vorläufigen Rechtsschutzes, darunter konkret die Herausgabe der Objekte.

18.      Zum Zeitpunkt der Klageerhebung hatte der Beklagte seinen Wohnsitz in Irland. Das verfahrenseinleitende Schriftstück wurde ihm offenbar mittels Einschreiben unter seiner irischen Anschrift zugestellt.

19.      Jedoch wurde der Rückschein nicht an das nationale Gericht zurückgesandt. Dieses richtete daher ein Auskunftsersuchen an den portugiesischen Postdienst (Correios, Telégrafos e Telefonos, im Folgenden: CTT). Die CTT antwortete mit einem Schreiben, in dem bestätigt wurde, dass „gemäß elektronischen Aufzeichnungen des Postbetreibers im Bestimmungsland, Irland, …“ das Schreiben, das die Klageschrift enthielt, dem Empfänger am 22. Juli 2014 ausgehändigt worden sei. Dem Schreiben der CTT waren Kopien des betreffenden Eintrags im Sendungsverfolgungssystem des irischen Postdienstes beigefügt, aus denen die Sendungsnummer des zuzustellenden Schriftstücks, der zugehörige Strichcode, der Sendungsverlauf sowie das Datum und der Ort der Übergabe mit einer Abbildung des Namens und der Unterschrift der Person, die die Sendung entgegengenommen hatte, angegeben waren. Diese Person hatte mit „A. Henderson“ unterschrieben(3).

20.      Dem verfahrenseinleitenden Schriftstück war das Formblatt in Anhang II nicht beigefügt.

21.      Der Beklagte reichte innerhalb der nach dem portugiesischen Recht vorgesehenen Frist keine Klagebeantwortung ein. Die von der Klägerin beantragte Maßnahme des vorläufigen Rechtsschutzes wurde daher erlassen.

22.      Nachfolgend focht der Beklagte das Urteil, mit dem die Maßnahme des vorläufigen Rechtsschutzes angeordnet worden war, vor dem vorlegenden Gericht an, wobei er den Erlass einer Anordnung beantragte, ihm das verfahrenseinleitende Schriftstück erneut zuzustellen. Seiner Ansicht nach genügte die ursprüngliche Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks nicht den geltenden Formvorschriften. Er machte geltend, dass der Rückschein dem Gericht nicht zurückgesandt worden sei. Außerdem sei nicht nachgewiesen, wer das verfahrenseinleitende Schriftstück tatsächlich entgegengenommen habe. Darüber hinaus rügte er das Fehlen des Formblatts in Anhang II, wodurch ihm die Möglichkeit der Kenntnisnahme von seinem Recht genommen worden sei, die Annahme des Schriftstücks zu verweigern, weil ihm nur ein in portugiesischer Sprache abgefasstes Schriftstück zugestellt worden sei – eine Sprache, die er nicht verstehe. Dem verfahrenseinleitenden Schriftstück hätte bei Zustellung eine Übersetzung ins Englische oder Irische beigefügt sein müssen; dies seien die einzigen Sprachen, in denen in Irland zuzustellende verfahrenseinleitende Schriftstücke abgefasst sein dürften.

23.      Das Rechtsmittel vor dem vorlegenden Gericht wurde zurückgewiesen. Daraufhin reichte der Beklagte bei demselben Gericht einen Antrag auf Aufhebung des zweitinstanzlichen Urteils mit der Begründung ein, dieses Urteil sei mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht zu vereinbaren, ohne dabei jedoch auf konkrete Urteile Bezug zu nehmen.

24.      Vor diesem Hintergrund hat das Tribunal da Relação de Évora (Rechtsmittelgericht von Évora, Portugal) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgenden Fragen vorgelegt:

1.         Darf ein portugiesisches Gericht, bei dem ein Zivilverfahren gegen einen Bürger mit Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union anhängig ist, wenn es die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks per Einschreiben mit Rückschein an diesen Bürger angeordnet hat und der entsprechende Rückschein nicht zurückgesandt wird, unter Berücksichtigung der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 und der dieser zugrunde liegenden Grundsätze auf der Grundlage von Schriftstücken des Postdienstes desjenigen Staates, in dem der Empfänger des Schreibens seinen Wohnsitz hat, die die Aushändigung des Einschreibens mit Rückschein an den Empfänger belegen, davon ausgehen, dass die betreffende Zustellung bewirkt wurde?

2.         Verstößt die Anwendung des Art. 230 der portugiesischen Zivilprozessordnung in dem in der ersten Frage in Bezug genommenen Fall gegen die Verordnung und die dieser zugrunde liegenden Grundsätze?

3.         Verstößt die Anwendung des Art. 191 Abs. 2 der portugiesischen Zivilprozessordnung im vorliegenden Fall gegen die Verordnung und die dieser zugrunde liegenden Grundsätze?

25.      Die niederländische, die portugiesische und die spanische Regierung sowie die Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. In der mündlichen Verhandlung, die am 7. Juli 2016 stattgefunden hat, haben die portugiesische Regierung und die Kommission mündliche Erklärungen abgegeben.

IV – Würdigung

26.      In den vorliegenden Schlussanträgen werde ich zunächst die maßgeblichen Beweisanforderungen nach der Verordnung Nr. 1393/2007 für den Nachweis der Zustellung verfahrenseinleitender Schriftstücke durch Postdienste betrachten (A). Zweitens werde ich mich der Frage zuwenden, ob eine Zustellung am Wohnsitz des Empfängers mit der Empfangsbestätigung eines Dritten mit der Verordnung vereinbar ist (B). Schließlich werde ich die Frage beantworten, ob die unterlassene Beifügung des Formblatts in Anhang II zu zuzustellenden Schriftstücken dadurch geheilt werden kann, dass eine Rüge dieses Umstands innerhalb einer vorgegebenen Frist unterbleibt (C).

A –    Rückschein oder gleichwertiger Beleg

27.      Mit der ersten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Verordnung Nr. 1393/2007 es einem nationalen Richter in einer Situation, in der die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks durch die Post ausgeführt, der Rückschein jedoch nicht zurückgesandt wurde, gestattet, andere Beweismittel zu berücksichtigen, um die Wirksamkeit dieser Zustellung zu beurteilen. Ganz konkret fragt es, ob der Rückschein durch ein vom Postdienst ausgestelltes Schriftstück ersetzt werden kann, worin bestätigt wird, dass das Einschreiben dem Empfänger ausgehändigt wurde.

28.      Die Arten, auf die verfahrensbezogene Schriftstücke zugestellt werden können, sind in der Verordnung Nr. 1393/2007 abschließend aufgeführt(4). Sie stellt für diese Arten der Zustellung keine Rangfolge auf(5).

29.      Gemäß Art. 14 der Verordnung ist eine der möglichen Arten der Zustellung die durch Postdienste. Jedoch gibt Art. 14 lediglich an, wie eine Zustellung durch Postdienste vorgenommen werden sollte: Die Zustellung hat durch Einschreiben mit Rückschein oder gleichwertigem Beleg zu erfolgen(6). Weitere Einzelheiten dieses Zustellungsverfahrens sind dort nicht beschrieben. Im Gegensatz zu den Formblättern in Anhang I der Verordnung Nr. 1393/2007 (die für Mitteilungen zwischen den Übermittlungs- und Empfangsstellen zu verwenden sind, wenn die Zustellung über diese bewirkt wird(7)), sehen weder ihr Art. 14 noch sonstige Bestimmungen der Verordnung Nr. 1393/2007 weitere Einzelheiten dazu vor, wie der Empfang nach dieser Verordnung zu bestätigen ist.

30.      Da weder Art. 14 noch sonstige Bestimmungen der Verordnung weitere Einzelheiten zum konkreten Format eines „Rückscheins“ regeln, sind die Merkmale im nationalen Recht festzulegen(8).

31.      Ferner verweist Art. 14 ausdrücklich auf die Möglichkeit der Bereitstellung eines einem Rückschein gleichstehenden, „gleichwertigen Belegs“. Anders ausgedrückt ist ein „Rückschein“ möglicherweise dann nicht erforderlich, wenn sonstige, angemessene und verlässliche Beweismittel vorliegen, die die Zustellung des Schriftstücks an den Empfänger bestätigen(9).

32.      Kurz gesagt bleibt Art. 14, was die konkrete Form des Beweises angeht, der für den Nachweis der erfolgten Zustellung durch Postdienste erforderlich ist, eine sehr offene Bestimmung.

33.      Jedoch ist diese Offenheit und die sich ergebende beweisrechtliche Vielfalt auf nationaler Ebene hinsichtlich des Nachweises der Aushändigung von Schriftstücken meines Erachtens durch die Funktion und die Ziele des durch die Verordnung Nr. 1393/2007 geschaffenen Systems in zweierlei Hinsicht begrenzt. Erstens muss das konkrete Format eines Rückscheins oder des gleichwertigen Belegs dem nationalen Richter genügend beweisgeeignete Informationen an die Hand geben, damit er oder sie die Wirksamkeit der Zustellung beurteilen kann. Zweitens muss er auch überprüfen können, ob die Verfahrensrechte des Empfängers gewahrt wurden.

34.      Was die erste Begrenzung angeht, bildet der Rückschein eine standardisierte Form des Beweises, der für den Nachweis der erfolgten Zustellung von Schriftstücken regelmäßig als ausreichend anzusehen ist. Er enthält im Allgemeinen mindestens Informationen über das Datum und den Ort der Zustellung sowie eine Angabe zu der Person, der das Schriftstück zugestellt wurde. Jedoch lassen mich diese Beweisfunktion eines Rückscheins und der durch die Verwendung des Begriffs „gleichwertiger Beleg“ dokumentierte offene Wortlaut des Art. 14 der Verordnung Nr. 1393/2007 zu der Schlussfolgerung gelangen, dass das Fehlen eines Papiers mit der Bezeichnung „Rückschein“ eine Zustellung nicht automatisch unwirksam macht. Das Fehlen eines solchen Papiers bedeutet nämlich nicht, dass der nationale Richter nicht feststellen kann, ob Schriftstücke tatsächlich dem Empfänger zugestellt wurden. Ein Richter kann diese Feststellung auf der Grundlage anderer einschlägiger Beweismittel treffen.

35.      Die zweite Begrenzung liegt im Schutz der Verfahrensrechte des Empfängers. Der Gerichtshof hat unterstrichen, dass das Recht auf ordnungsgemäße Zustellung verfahrenseinleitender Schriftstücke aus dem Recht auf ein faires Verfahren erwächst(10). Dieser Schutz darf durch das mit der Verordnung Nr. 1393/2007 verfolgte Ziel, nämlich eine wirksame und schnelle Zustellung von gerichtlichen und außergerichtlichen Schriftstücken, nicht unterlaufen werden(11).

36.      Darüber hinaus ist die Wahrung der Verfahrensrechte des Empfängers von besonderer Bedeutung, wenn man sie in dem weiter gefassten Kontext anderer Rechtsakte der justiziellen Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen(12), wie etwa der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012(13) (Brüssel-I-Verordnung [Neufassung]) und der Verordnung (EG) Nr. 805/2004(14), betrachtet. Ob ein verfahrenseinleitendes Schriftstück ordnungsgemäß zugestellt wurde, ist nämlich ausschlaggebend sowohl für die anschließende Beurteilung, ob ein sich daraus ergebendes Urteil anerkannt und vollstreckt werden sollte, als auch für die, ob es als ein Europäischer Vollstreckungstitel über eine unbestrittene Forderung im Sinne der Verordnung Nr. 805/2004 bestätigt werden kann(15).

37.      Ob die beiden oben dargestellten Grenzen bei einem Rückschein oder ihm gleichwertigen Beleg im Sinne des Art. 14 der Verordnung Nr. 1393/2007 gewahrt wurden, ist eine Tatsachenwürdigung, die vom nationalen Gericht nach den konkreten Umständen des Einzelfalls vorzunehmen ist.

38.      Ich möchte der im vorliegenden Fall vom nationalen Gericht vorzunehmenden Bewertung in keiner Weise vorgreifen. Da der Gerichtshof vom vorlegenden Gericht in dessen erster Frage jedoch ausdrücklich um die Beurteilung der Bedeutung einer oben in Rn. 19 der vorliegenden Schlussanträge beschriebenen, vom nationalen Postdienst ausgestellten Bestätigung ersucht worden ist, bin ich – vorbehaltlich weiterer, vom nationalen Gericht erhobener Beweise – der Ansicht, dass eine solche Bestätigung als einem Rückschein „gleichwertiger Beleg“ ansehen werden kann.

39.      Im Licht dieser Ausführungen gelange ich zu dem Ergebnis, dass Art. 14 der Verordnung Nr. 1393/2007 dahin ausgelegt werden sollte, dass ein nationales Gericht auf ein anderes Schriftstück als einen Rückschein zurückgreifen darf, um zu entscheiden, ob dem Empfänger ein verfahrenseinleitendes Schriftstück im Einklang mit dieser Bestimmung zugestellt wurde. Um als ein einem Rückschein gleichwertiger Beleg angesehen werden zu können, müssen die betreffenden Schriftstücke dem nationalen Richter die Prüfung gestatten, ob die Zustellung an den Empfänger in einer Art und Weise erfolgt ist, die seine bzw. ihre Verfahrensrechte wahrt.

B –    Zustellung mit Unterschrift eines Dritten am Wohnsitz des Empfängers

40.      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Verordnung Nr. 1393/2007 eine nationale Bestimmung zulässt, nach der die Zustellung eines verfahrenseinleitenden Schriftstücks in einer Handelssache an dem Tag als bewirkt gilt, an dem der Rückschein am Wohnsitz des Empfängers von einem Dritten unterzeichnet wird.

41.      Es ist hervorzuheben, dass die in der Vorlageentscheidung beschriebene nationale Bestimmung die Vermutung der Zustellung vom bloßen Empfang durch einen Dritten abhängig macht. Dem Sachverhalt der vorliegenden Rechtssache ist jedoch zu entnehmen, dass die Schriftstücke unter der Anschrift des Beklagten zugestellt und dort angeblich von einem Dritten unterzeichnet wurden. Ich verstehe die zweite Vorlagefrage des nationalen Gerichts daher so, dass sie die Vereinbarkeit einer nationalen Bestimmung, nach der eine Zustellung als bewirkt gilt, wenn sie gegenüber einem Dritten am Wohnsitz des Empfängers erfolgt, mit der Verordnung Nr. 1393/2007 betrifft.

42.      Wie bereits im vorherigen Abschnitt ausgeführt, harmonisiert die Verordnung Nr. 1393/2007 nicht die Einzelheiten der Zustellung durch Postdienste über die Anforderung hinaus, dass sie durch Einschreiben mit Rückschein oder gleichwertigem Beleg bewirkt werden muss.

43.      Das Datum der Zustellung ist nach Art. 9 der Verordnung Nr. 1393/2007 nach den nationalen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten zu bestimmen. Im Einzelnen ist das Datum der Zustellung grundsätzlich nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats, hier also Irland, zu ermitteln.

44.      Jedoch enthält die Verordnung Nr. 1393/2007 keine ausdrückliche Regelung über die Wirksamkeit einer gegenüber einem Dritten erfolgten Zustellung. Hierzu möchte ich Folgendes anmerken.

45.      Die einschlägigen Anforderungen an die Zustellung von gerichtlichen Schriftstücken in Zivil- und Handelssachen sind im Allgemeinen weniger streng als die in Verwaltungsrechts- oder Strafsachen. Insbesondere in Strafverfahren(16) kann man erwarten, dass die Zustellung an den Empfänger tatsächlich durch persönliche Übergabe erfolgen muss, ohne jede etwaige Zustellungsvermutung oder ‑fiktion. Hingegen lassen sich in den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Zustellungen in Zivil- und Handelssachen eine Reihe von Vermutungen oder gar gesetzliche Fiktionen finden. Bei diesen Vermutungen oder Fiktionen im Zusammenhang mit Zivil- und Handelssachen geht man im Allgemeinen davon aus, dass sie hinsichtlich der Rechtssicherheit zwischen Antragsteller und Empfänger ein ausgewogenes Gleichgewicht herstellen(17).

46.      Die Tatsache, dass die Verordnung Nr. 1393/2007 zur Frage einer von einem Dritten bestätigten Zustellung schweigt und in Art. 9 auf das Recht der Mitgliedstaaten verwiesen wird, legt die Schlussfolgerung nahe, dass die Verordnung selbst einer derartigen Zustellung nicht zwingend entgegensteht.

47.      Darüber hinaus wird die Annahme, dass die Verordnung Nr. 1393/2007 der Zustellung an einen Dritten nicht entgegensteht, mittelbar durch deren Art. 19 Abs. 1 Buchst. b gestützt. Dort sind die Anforderungen und Rechtsgewährleistungen für den Fall geregelt, dass der Beklagte sich nicht eingelassen hat. Danach ist das Verfahren gegen einen solchen Beklagten auszusetzen, bis festgestellt ist, dass z. B. das betreffende Schriftstück dem Beklagten persönlich ausgehändigt oder in seiner Wohnung abgegeben worden ist(18).

48.      Ohne dass in der Verordnung Nr. 1393/2007 eine allgemeine Regelung über Zustellungen getroffen wird, ist doch klar ersichtlich, dass Art. 19 Abs. 1 Buchst. b (ähnlich wie andere Instrumente des Unionsrechts, die Verfahrensvorschriften für Zivil- und Handelssachen einführen(19)) die Möglichkeit der Zustellung von Schriftstücken an einen Dritten in Betracht zieht, sofern die Zustellung der Schriftstücke am Wohnsitz des Beklagten erfolgt.

49.      Aus diesen Gründen bin ich der Auffassung, dass die Verordnung Nr. 1393/2007 als solche die Wirksamkeit einer Zustellung verfahrenseinleitender Schriftstücke nicht ausschließt, wenn die Zustellung von einem Dritten am Wohnsitz des Empfängers bestätigt wird. Hierfür müssen jedoch zwei wichtige Voraussetzungen erfüllt sein.

50.      Erstens bedeutet Zustellung am Wohnsitz des Empfängers, wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung zutreffend ausgeführt hat, dass das Schriftstück in der konkreten Wohnung des Empfängers abgegeben werden muss. Daher reicht zum Beispiel die Übergabe an eine Person innerhalb eines Blocks von Wohnungen im Gegensatz zur Übergabe an der Tür der betreffenden Wohnung nicht aus.

51.      Zweitens muss der Empfang in der Wohnung des Empfängers von einer volljährigen Person bestätigt werden, von der nach vernünftiger Beurteilung erwartet werden darf, dass sie sicherstellt, dass der Empfänger das zugestellte Schriftstück tatsächlich erhält. Dies wäre meines Erachtens zum Beispiel bei einem Angehörigen oder einer Person der Fall, die gewöhnlich die Wohnung mit dem Empfänger teilt, oder bei einer anderen volljährigen Person, die zum Empfänger in einem Vertrauensverhältnis steht.

52.      Im Ergebnis meine ich daher, dass die Verordnung Nr. 1393/2007 dahin ausgelegt werden sollte, dass sie einer nationalen Bestimmung nicht entgegensteht, nach der die Zustellung eines verfahrenseinleitenden Schriftstücks an den Empfänger als bewirkt gilt, wenn ein Dritter hierfür Unterschrift geleistet hat, sofern diese Übergabe gegenüber einer volljährigen Person am Wohnsitz des Empfängers erfolgt und das zuzustellende Schriftstück einer volljährigen Person übergeben wird, von der nach vernünftiger Beurteilung erwartet werden darf, dass sie es dem Empfänger aushändigt.

C –    Nichtverwendung des Formblatts in Anhang II

53.      Mit der dritten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht geklärt wissen, ob die Verordnung Nr. 1393/2007 eine nationale Bestimmung zulässt, die vorsieht, dass die Nichtverwendung des Formblatts in Anhang II die Zustellung verfahrenseinleitender Schriftstücke unwirksam werden lässt, diese Unwirksamkeit aber geheilt werden kann, wenn der Empfänger das Fehlen des Formblatts in Anhang II nicht innerhalb einer bestimmten Frist rügt. Dem Vorlagebeschluss zufolge handelt es sich bei dieser Bestimmung vorliegend um Art. 191 Abs. 2 CPC.

54.      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das Formblatt in Anhang II notwendiger Bestandteil der Zustellung. Das Formblatt soll sicherstellen, dass der Beklagte sein Recht auf Verweigerung der Annahme des zuzustellenden Schriftstücks ausüben kann, wenn die in Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1393/2007 genannten Sprachanforderungen nicht erfüllt sind. Der Gerichtshof hat außerdem darauf hingewiesen, dass die Verordnung Nr. 1393/2007 keine Ausnahmen von der Verwendung des Formblatts in Anhang II vorsieht. Ferner hat er sehr deutlich gemacht, dass das Formblatt dann, wenn es zunächst nicht beigefügt wurde, dem Empfänger nachzureichen ist(20).

55.      Der Gerichtshof hat diese Ergebnisse im Zusammenhang mit einer Zustellung gemäß Art. 4 der Verordnung Nr. 1393/2007 formuliert, d. h. bei Zustellungen im Verhältnis von Übermittlungs- und Empfangsstellen der betreffenden Mitgliedstaaten. Allerdings erklärt Art. 8 Abs. 4 der Verordnung die Bestimmungen über die Verwendung des Formblatts in Anhang II eindeutig auch für Zustellungen durch Postdienste für anwendbar.

56.      Hieraus folgt, dass das Formblatt in Anhang II dann, wenn seine Verwendung bei Postzustellungen von verfahrenseinleitenden Schriftstücken unterbleibt, dem Empfänger unverzüglich zu übermitteln und auszuhändigen ist. Daher ist es meines Erachtens nicht möglich, die Nichtverwendung des Formblatts in Anhang II durch Ablauf eines Zeitraums zu heilen, innerhalb dessen der Empfänger des zuzustellenden Schriftstücks das Fehlen des Formblatts nicht gerügt hat.

57.      Das Formblatt in Anhang II soll sicherstellen, dass die Verteidigungsrechte des Empfängers dadurch gewahrt werden, dass er über sein Recht zur Verweigerung der Annahme zuzustellender Schriftstücke bei Nichterfüllung der in Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1393/2007 genannten Sprachanforderungen belehrt wird. Fehlt die entsprechende Übersetzung, kann der Empfänger das zuzustellende Schriftstück möglicherweise überhaupt nicht verstehen.

58.      Fehlt in einer solchen Situation das Formblatt in Anhang II, hat der Empfänger möglicherweise keine Kenntnis von seinem Annahmeverweigerungsrecht. Die fehlende Kenntnis kann nur durch Beseitigung der Unkenntnis geheilt werden, gewiss jedoch nicht durch bloßen Zeitablauf. Logischerweise können daher keine verfahrensbezogenen Rückschlüsse aus dem Umstand gezogen werden, dass der Empfänger das Fehlen des Formblatts in Anhang II nicht innerhalb einer bestimmten Frist gerügt hat, da es ihm nicht einmal bewusst gewesen sein mag, dass er eine Rüge erheben konnte.

59.      Es ist hinzuzufügen, dass die Verpflichtung zur Zustellung des Formblatts in Anhang II unter allen Umständen gilt, d. h. unabhängig davon, ob der Empfänger die Sprache versteht, in der die zuzustellenden Schriftstücke abgefasst sind. Erst sobald die Zustellung ordnungsgemäß (d. h. einschließlich des Formblatts in Anhang II) vorgenommen wurde, kann das zuständige Gericht beurteilen, ob eine etwaige Annahmeverweigerung durch den Empfänger gerechtfertigt war(21).

60.      Ich gelange daher zu dem Ergebnis, dass die Verordnung Nr. 1393/2007 eine nationale Bestimmung ausschließt, die vorsieht, dass die vom Fehlen des Formblatts in Anhang II der Verordnung Nr. 1393/2007 herrührende Regelwidrigkeit der Zustellung durch den Ablauf einer Frist geheilt werden kann, innerhalb deren der Empfänger das Fehlen des Formblatts nicht rügt. Dieses Versäumnis kann nur durch Zustellung des Formblatts im Einklang mit den einschlägigen Bestimmungen der Verordnung Nr. 1393/2007 an den Empfänger geheilt werden.

V –    Ergebnis

61.      Vor dem Hintergrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Tribunal da Relação de Évora (Rechtsmittelgericht von Évora, Portugal) vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

Frage 1:

Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (Zustellung von Schriftstücken) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 ist dahin auszulegen, dass ein nationales Gericht ein anderes Schriftstück als einen Rückschein heranziehen darf, um darüber zu entscheiden, ob die Zustellung eines verfahrenseinleitenden Schriftstücks im Einklang mit dieser Bestimmung an den Empfänger bewirkt wurde. Um als ein einem Rückschein gleichwertiger Beleg zu gelten, müssen die betreffenden Schriftstücke dem nationalen Richter die Überprüfung gestatten, ob die Zustellung an den Empfänger in einer Art und Weise erfolgt ist, bei der seine oder ihre Verfahrensrechte gewahrt sind.

Frage 2:

Die Verordnung Nr. 1393/2007 ist dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Bestimmung nicht entgegensteht, nach der die Zustellung eines verfahrenseinleitenden Schriftstücks an den Empfänger als bewirkt gilt, wenn hierfür von einem Dritten Unterschrift geleistet worden ist, sofern diese Zustellung am Wohnsitz des Empfängers erfolgt und das zuzustellende Schriftstück einer volljährigen Person übergeben wird, von der nach vernünftiger Beurteilung erwartet werden darf, dass sie es dem Empfänger aushändigt.

Frage 3:

Die Verordnung Nr. 1393/2007 schließt eine nationale Bestimmung aus, die vorsieht, dass die vom Fehlen des Formblatts in Anhang II der Verordnung Nr. 1393/2007 herrührende Regelwidrigkeit der Zustellung durch den Ablauf einer Frist geheilt werden kann, innerhalb deren der Empfänger das Fehlen des Formblatts nicht rügt. Dieses Versäumnis kann nur durch eine Zustellung des Formblatts im Einklang mit den einschlägigen Bestimmungen der Verordnung Nr. 1393/2007 an den Empfänger geheilt werden.


1 – Originalsprache: Englisch.


2 –      Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (Zustellung von Schriftstücken) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates (ABl. 2007, L 324, S. 79).


3 –      Der Vorname des Beklagten lautet Andrew.


4 – Urteil vom 19. Dezember 2012, Alder (C‑325/11, EU:C:2012:824, Rn. 30 bis 32).


5 – Vgl. Urteil vom 9. Februar 2006, Plumex (C‑473/04, EU:C:2006:96, Rn. 22). Dieses Urteil betraf die Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (ABl. 2000, L 160, S. 37), bei der es sich um die Rechtsvorgängerin der Verordnung Nr. 1393/2007 handelte.


6 – Dies stellt eine Änderung gegenüber der Verordnung Nr. 1348/2000 dar. Art. 14 der Verordnung Nr. 1348/2000 (in der ebenfalls die Möglichkeit der Bewirkung einer Zustellung durch Postdienste geregelt war) enthielt keine Angabe zur konkreten Art des Postversands, in der Schriftstücke zuzustellen waren.


7 – Vgl. Art. 4 Abs. 3, Art. 6 Abs. 1, 3 und 4, Art. 7 Abs. 2 Buchst. a und Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1393/2007.


8 – Dies umfasst die einschlägigen internationalen Standards wie die, die durch den Weltpostverein festgelegt sind.


9 – Wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen feststellt, ergibt sich aus dem Wortlaut des Art. 14 (insbesondere, was die jeweilige Fassung in den verschiedenen Amtssprachen angeht) nicht völlig eindeutig, ob sich der Begriff „gleichwertiger Beleg“ nur auf einen „Rückschein“ oder auf die Art und Weise der Übermittlung „durch Einschreiben mit Rückschein“ insgesamt bezieht. Im Zusammenhang der vorliegenden Rechtssache ist diese Frage jedoch ohne Bedeutung, weil in beiden Fällen ein Nachweis benötigt wird, der einem Rückschein gleichwertig ist, der belegt, dass die Zustellung an den Empfänger erfolgt ist.


10 – Verankert in Art. 47 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und in Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Vgl. Beschluss vom 28. April 2016, Alta Realitat (C‑384/14, EU:C:2016:316, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. auch EGMR, Urteil vom 31. Mai 2016, Gankin u. a./Russland, (CE:ECHR:2016:0531JUD000243006, Rn. 28 und 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).


11 – Vgl. Erwägungsgründe 2 und 6 der Verordnung Nr. 1393/2007. Vgl. Urteile vom 16. September 2015, Alpha Bank Cyprus (C‑519/13, EU:C:2015:603, Rn. 30 und 31), und vom 19. Dezember 2012, Alder (C‑325/11, EU:C:2012:824, Rn. 34 bis 36 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. im Zusammenhang der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1) entsprechend Urteil vom 7. Juli 2016, Lebek (C‑70/15, EU:C:2016:524, Rn. 33 und 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).


12 – Urteil vom 8. Mai 2008, Weiss und Partner (C‑14/07, EU:C:2008:264, Rn. 50).


13 – Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1).


14 – Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen (ABl. 2004, L 143, S. 15).


15 – Vgl. im Zusammenhang mit der Verordnung Nr. 44/2001 EGMR, Urteil vom 23. Mai 2016, Avotinš/Lettland (CE:ECHR:2016:0523JUD001750207, insbesondere Rn. 113 bis 125).


16 – Vgl. hierzu Urteil vom 24. Mai 2016, Dworzecki (C‑108/16 PPU, EU:C:2016:346) betreffend den Rahmenbeschluss des Rates 2002/584/JI vom 13. Juni 2002 über den europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. 2002, L 190, S. 1) in der Fassung des Rahmenbeschlusses des Rates 2009/299/JI vom 26. Februar 2009 (ABl. 2009, L 81, S. 24).


17 – Wie sich aus dem letzten Satz ihres Art. 8 Abs. 3 ergibt, berücksichtigt die Verordnung Nr. 1393/2007 auch die Lage des Antragstellers. Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. September 2015, Alpha Bank Cyprus (C‑519/13, EU:C:2015:603, Rn. 33).


18 – Hervorhebung nur hier. Alternativ dazu kann eine Entscheidung ergehen, wenn das Schriftstück in einem Verfahren zugestellt wurde, das das Recht des Empfangsmitgliedstaats für die Zustellung der in seinem Hoheitsgebiet ausgestellten Schriftstücke an dort befindliche Personen vorschreibt (Art. 19 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1393/2007). Zudem muss in beiden Fällen festgestellt werden, dass das Schriftstück so rechtzeitig zugestellt oder ausgehändigt bzw. abgegeben worden ist, dass der Beklagte sich hätte verteidigen können.


19 – Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 805/2004 liefert hierfür ein weiteres Beispiel. Diese Bestimmung befasst sich mit dem konkreten Szenario der Zustellung ohne Nachweis des Empfangs und regelt die Möglichkeit einer Zustellung unter der Privatanschrift des Schuldners an eine in derselben Wohnung wie der Schuldner lebende Person oder an eine dort beschäftigte Person. Hervorhebung nur hier.


20 – Urteil vom 16. September 2015, Alpha Bank Cyprus (C‑519/13, EU:C:2015:603, Rn. 45, 55, 72 und 76).


21 – Vgl. hierzu Beschluss vom 28. April 2016, Alta Realitat (C‑384/14, EU:C:2016:316, Rn. 75 bis 76), und Urteil vom 16. September 2015, Alpha Bank Cyprus (C‑519/13, EU:C:2015:603, Rn. 54).