Language of document : ECLI:EU:T:2023:210

URTEIL DES GERICHTS (Sechste Kammer)

26. April 2023(*)(1)

„Öffentliche Dienstleistungsaufträge – Ausschreibungsverfahren – Wettbewerblicher Dialog – Beschaffung von Galileo-Übergangssatelliten – Ablehnung des Angebots eines Bieters – Ausschlusskriterien – Schwere Verfehlung eines Bieters im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit – Fehlen einer rechtskräftigen Gerichts- oder einer bestandskräftigen Verwaltungsentscheidung – Befassung des in Art. 143 der Haushaltsordnung genannten Gremiums – Gleichbehandlung – Ungewöhnlich niedriges Angebot – Offensichtlicher Beurteilungsfehler“

In der Rechtssache T‑54/21,

OHB System AG mit Sitz in Bremen (Deutschland), vertreten durch die Rechtsanwälte W. Würfel und F. Hausmann,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch G. Wilms, L. André, J. Estrada de Solà und L. Mantl als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Italienische Republik, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Gentili und G. Santini, Avvocati dello stato,

und durch

Airbus Defence and Space GmbH mit Sitz in Taufkirchen (Deutschland), vertreten durch die Rechtsanwälte P.‑E. Partsch, F. Dewald und C.‑E. Seestädt,

Streithelferinnen,

erlässt

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin M. J. Costeira (Berichterstatterin), der Richterin M. Kancheva und des Richters P. Zilgalvis,

Kanzler: P. Cullen, Verwaltungsrat,

aufgrund des Beschlusses vom 26. Mai 2021, OHB System/Kommission (T‑54/21 R, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:292),

aufgrund des schriftlichen Verfahrens, insbesondere

–        des Beschlusses vom 30. Juni 2021, OHB System/Kommission (T‑54/21, nicht veröffentlicht),

–        des Beschlusses vom 2. Dezember 2021, OHB System/Kommission (T‑54/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:878),

–        der prozessleitenden Maßnahmen vom 17. Oktober 2022 und der am 29. Oktober 2022 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Antwort der Kommission,

auf die mündliche Verhandlung vom 17. November 2022

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV begehrt die Klägerin, die OHB System AG, die Nichtigerklärung der ihr mit Schreiben vom 19. Januar 2021 und mit Fax vom 22. Januar 2021 mitgeteilten Beschlüsse, ihrem Angebot im Rahmen des in Form des wettbewerblichen Dialogs eingeleiteten Vergabeverfahrens 2018/S 091-206089 betreffend die Beschaffung von Galileo-Übergangssatelliten nicht den Zuschlag zu erteilen und den Auftrag an zwei andere Bieter zu vergeben (im Folgenden: angefochtene Beschlüsse).

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Die Klägerin ist eine Gesellschaft deutschen Rechts, die sich mit der Entwicklung und Umsetzung innovativer Raumfahrtsysteme und ‑projekte sowie der Vermarktung spezifischer Luftfahrt‑, Raumfahrt- und Telematikprodukte einschließlich geostationärer und erdnaher Satelliten befasst.

3        Nach den Angaben im zweiten Erwägungsgrund und in Art. 2 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EU) Nr. 1285/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013 betreffend den Aufbau und den Betrieb der europäischen Satellitennavigationssysteme und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 876/2002 des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 683/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2013, L 347, S. 1) soll mit dem Galileo-Programm ein europäisches System für die satellitengestützte Navigation und Positionsbestimmung aufgebaut und betrieben werden, das speziell für zivile Zwecke konzipiert ist und eine Satellitenkonstellation sowie ein weltweites Netz von Bodenstationen umfasst.

4        Die Kommission trägt nach Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1285/2013 die Gesamtverantwortung für das Galileo-Programm und hat gemäß ihrem Art. 15 Abs. 1 für die Errichtungsphase dieses Programms mit der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) eine Übertragungsvereinbarung zu schließen, in der die Aufgaben der ESA insbesondere in Bezug auf die das System betreffenden Beschaffungen im Einzelnen aufgeführt sind.

5        Im Rahmen der Übertragungsvereinbarung zwischen der Kommission und der ESA für die Errichtungsphase des Galileo-Programms ist die ESA mit der Durchführung der Verfahren zur Vergabe der dieses Programm betreffenden öffentlichen Aufträge betraut; die Kommission bleibt der öffentliche Auftraggeber.

6        Mit Auftragsbekanntmachung vom 15. Mai 2018, die in der Beilage zum Amtsblatt der Europäischen Union vom 15. Mai 2018 (ABl. 2018/S 091-206089) und auf der Webseite „emits.esa.int“ veröffentlicht wurde, leitete die im Namen und im Auftrag der Kommission handelnde ESA für die Beschaffung von Galileo-Übergangssatelliten ein Vergabeverfahren in der Form des wettbewerblichen Dialogs (im Folgenden: streitiger wettbewerblicher Dialog) ein. Das Verfahren wurde in dieser Form eingeleitet, da die Kommission bereits ihren Bedarf ermittelt und festgelegt hatte, aber noch nicht die genauen zu dessen Deckung am besten geeigneten Mittel.

7        Der streitige wettbewerbliche Dialog betraf die Beschaffung von zunächst vier (von bis zu zwölf) Galileo-Übergangssatelliten mit weiterentwickelten Spezifikationen, um den Übergang von der ersten Generation der Galileo-Satelliten zur zweiten Generation einzuleiten. Es wurde beschlossen, im Einklang mit Art. 19 Buchst. d der Verordnung Nr. 1285/2013, wonach für die parallele Beschaffung von voraussichtlich jeweils zwei Satelliten zwei Auftragnehmer ausgewählt und zwei Verträge unterzeichnet werden konnten, mehrere Bezugsquellen zu erschließen.

8        Der Zuschlag für den Auftrag sollte auf der Grundlage von zwei Kriterien, und zwar dem Preis mit einer Gewichtung von 35 % und der Qualität mit einer Gewichtung von insgesamt 65 %, dem wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt werden. Das Qualitätskriterium bestand aus fünf Unterkriterien. Das mit 10 % gewichtete erste Unterkriterium betraf die Angemessenheit und Eignung der vom Bieter vorgeschlagenen personellen und technischen Ressourcen und Anlagen in Bezug auf die im Vorschlag beschriebene technische und programmatische Lösung. Das mit 25 % gewichtete zweite Unterkriterium betraf das Verständnis der Anforderungen und Ziele – einschließlich im Bereich der Sicherheit –, die Qualifikation und den Reifegrad des vorgeschlagenen Projekts, die Eignung, Qualität und Robustheit des vorgeschlagenen Projekts sowie die Übereinstimmung mit den technischen Bedingungen. Das mit 30 % gewichtete dritte Unterkriterium betraf die Qualität und Eignung des Arbeitsprogramms, die Einhaltung des Lastenhefts, die Geeignetheit der technischen Planung sowie die Vorgehensweise bei Tests und Versuchen, die Risikoermittlung und die Vorschläge zur Risikominderung einschließlich der technologischen Diversifizierung. Das mit 25 % gewichtete vierte Unterkriterium betraf die Angemessenheit der Verwaltung, der Kostenberechnung und der Planung der Ausführung der Arbeiten. Das mit 10 % gewichtete fünfte Unterkriterium betraf die Einhaltung der Ausschreibungsbedingungen und des Vertrags.

9        Der streitige wettbewerbliche Dialog verlief in drei Phasen. Der Ablauf der ersten beiden Phasen richtete sich nach den Bestimmungen der Verordnung Nr. 1285/2013 sowie der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union und zur Aufhebung der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates (ABl. 2012, L 298, S. 1) und der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 1268/2012 der Kommission vom 29. Oktober 2012 über die Anwendungsbestimmungen für die Verordnung Nr. 966/2012 (ABl. 2012, L 362, S. 1). Die dritte Phase lief nach den Bestimmungen der Verordnung Nr. 1285/2013 sowie der Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juli 2018 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union, zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1296/2013, (EU) Nr. 1301/2013, (EU) Nr. 1303/2013, (EU) Nr. 1304/2013, (EU) Nr. 1309/2013, (EU) Nr. 1316/2013, (EU) Nr. 223/2014, (EU) Nr. 283/2014 und des Beschlusses Nr. 541/2014/EU sowie zur Aufhebung der Verordnung Nr. 966/2012 (ABl. 2018, L 193, S. 1, im Folgenden: Haushaltsordnung) ab.

10      Die erste Phase des streitigen wettbewerblichen Dialogs begann im Mai 2018 mit der Veröffentlichung einer „Aufforderung zur Einreichung eines Teilnahmeantrags“ durch die ESA.

11      Unter den bei ihr eingegangenen Teilnahmeanträgen wählte die ESA drei Bieter aus, und zwar die Klägerin, die Airbus Defence and Space GmbH (im Folgenden: ADS) und die Thales Alenia Space Italia (im Folgenden: TASI) (im Folgenden zusammen: Bieter).

12      Die zweite Phase, die im Juli 2018 begann, diente zur Ermittlung und Festlegung der Mittel, mit denen der Bedarf des öffentlichen Auftraggebers am besten erfüllt werden kann. Zunächst forderte die ESA die Bieter zur Einreichung eines „Preliminary Proposal“ (vorläufiges Angebot) auf und übersandte ihnen u. a. die „Special Conditions of Tender for Invitation to Submit a Preliminary Proposal“ (Besondere Vergabebedingungen für die Aufforderung zur Einreichung eines vorläufigen Angebots). Sodann forderte die ESA nach einer Dialogphase die Bieter zur Einreichung eines „Refined Proposal“ (überarbeitetes Angebot) auf und übersandte ihnen die „Conditions of Tender for Invitation to Submit a Refined Proposal“ (Vergabebedingungen für die Aufforderung zur Einreichung eines überarbeiteten Angebots). Die Klägerin reichte am 26. September 2018 ihr vorläufiges Angebot und am 11. Oktober 2019 ihr überarbeitetes Angebot ein.

13      Die dritte Phase begann im August 2020, und nach einer weiteren Dialogphase forderte die ESA die Bieter auf, ihr „Best and Final Offer“ (endgültiges Angebot) abzugeben und übersandte ihnen u. a. die „Conditions of Tender for Invitation to Submit a Best and Final Offer“ (Vergabebedingungen für die Aufforderung zur Einreichung eines endgültigen Angebots). Am 11. Oktober 2020 reichte die Klägerin ihr endgültiges Angebot ein.

14      Zwischen Oktober und Dezember 2020 wurden die endgültigen Angebote der Bieter von einem Evaluierungsausschuss – bestehend aus Vertretern der ESA, der Agentur für das europäische globale Satellitennavigationssystem (GSA) und der Kommission – evaluiert, der die Ergebnisse der Evaluierung in einem Evaluierungsbericht (im Folgenden: Evaluierungsbericht) darlegte.

15      Mit Schreiben vom 23. Dezember 2020 an die Kommission, von dem u. a. die ESA eine Kopie erhielt (im Folgenden: Schreiben vom 23. Dezember 2020), beantragte die Klägerin bei der Kommission im Wesentlichen, den streitigen wettbewerblichen Dialog wegen des „Verdachts auf Verletzung [ihrer] Geschäftsgeheimnisse durch einen Mitarbeiter von [ADS]“ auszusetzen, eine Untersuchung durchzuführen und ADS gegebenenfalls von dem streitigen wettbewerblichen Dialog auszuschließen.

16      In dem genannten Schreiben unterrichtete die Klägerin die Kommission im Wesentlichen über Folgendes: Erstens sei Herr [vertraulich](2) (im Folgenden: ehemaliger Mitarbeiter) vom 22. Dezember 2016 bis Ende November 2019 für sie tätig gewesen, habe als Chief Operating Officer (Manager für das operative Geschäft) weitreichenden Zugang zu den Projektdaten gehabt und sei an der Vorbereitung des Angebots beteiligt gewesen, das sie im Rahmen des streitigen wettbewerblichen Dialogs eingereicht habe. Insbesondere sei er in die den technischen Teil ihres Angebots betreffende „Strategie“ sowie in die beim Preis und bei der Preisberechnung verfolgte „Strategie“ einbezogen gewesen. Zweitens hätten der ehemalige Mitarbeiter und die Klägerin auf seinen Wunsch am 11. November 2019 die vorzeitige Auflösung seines Arbeitsvertrags unterzeichnet. Drittens habe ADS im Dezember 2019 den ehemaligen Mitarbeiter eingestellt, der im Jahr 2020 bei ADS eine Stelle an der Spitze der Abteilung bekleidet habe, die für das von ADS im Rahmen des streitigen wettbewerblichen Dialogs eingereichte Angebot zuständig gewesen sei. Ferner gebe es Anhaltspunkte dafür, dass der ehemalige Mitarbeiter sensible Informationen der Klägerin erlangt habe, die geeignet gewesen seien, ADS im Rahmen des streitigen wettbewerblichen Dialogs einen unzulässigen Vorteil zu verschaffen. Viertens habe die Klägerin eine Untersuchung des Computers in Auftrag gegeben, den ihr ehemaliger Mitarbeiter bei ihr benutzt habe; dabei seien Belege dafür gefunden worden, dass er seit Juni 2019 die Absicht gehabt habe, den Arbeitgeber zu wechseln, und dass er im Rahmen der Verhandlungen über seine Einstellung ADS u. a. darauf hingewiesen habe, dass ihr durch seine Einstellung bei Projekten, bei denen sie im Wettbewerb mit der Klägerin stehe, Vorteile entstünden, sowie Anhaltspunkte dafür, dass der ehemalige Mitarbeiter vertrauliche Dateien der Klägerin kopiert habe. Fünftens seien die vorstehend beschriebenen Umstände Gegenstand eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gewesen, das die zuständige Staatsanwaltschaft in Deutschland aufgrund einer von der Klägerin im März 2020 gegen den ehemaligen Mitarbeiter erstatteten Strafanzeige eingeleitet habe.

17      Die Kommission beschloss auf der Grundlage des Evaluierungsberichts, den Zuschlag nicht dem Angebot der Klägerin, sondern den Angeboten von TASI und ADS zu erteilen. Die angefochtenen Beschlüsse wurden der Klägerin von der ESA mit Schreiben vom 19. Januar 2021 und mit Fax vom 22. Januar 2021 übermittelt.

18      Mit Schreiben vom 19. Januar 2021 teilte die ESA der Klägerin mit, dass sie ihrem Angebot nicht den Zuschlag erteilen werde, da es nicht das wirtschaftlich günstigste Angebot sei. Als Anlage zu diesem Schreiben übersandte sie ihr einen Auszug aus der vom Evaluierungsausschuss anhand der fünf Unterkriterien des Qualitätskriteriums vorgenommenen Evaluierung ihres endgültigen Angebots.

19      In der Folge forderte die Klägerin die ESA mit Fax vom 20. Januar 2021 auf, ihr Informationen über die erfolgreichen Bieter, die Merkmale und Vorteile ihrer Angebote und den zur Festlegung der Rangfolge herangezogenen Gesamtpreis sowie die detaillierte Evaluierung ihres eigenen Angebots zu übermitteln.

20      Mit Schreiben vom 20. Januar 2021 teilte die Kommission der Klägerin unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 23. Dezember 2020 mit, dass erstens derzeit keine ausreichenden Gründe für eine Aussetzung des streitigen wettbewerblichen Dialogs vorlägen, zweitens das Vorbringen einer rechtswidrigen Aneignung von Geschäftsgeheimnissen der Klägerin bereits Gegenstand einer Untersuchung durch die nationalen Behörden sei, gestützt auf deren Ergebnisse die Kommission gegebenenfalls zusätzliche Maßnahmen ergreifen könne, und drittens dieses Vorbringen nicht durch eine rechtskräftige Gerichts- oder eine bestandskräftige Verwaltungsentscheidung im Sinne von Art. 136 Abs. 1 der Haushaltsordnung bestätigt worden sei, so dass kein Anlass bestehe, ADS von dem streitigen wettbewerblichen Dialog auszuschließen.

21      Mit Fax vom 22. Januar 2021 teilte die ESA der Klägerin die Namen der erfolgreichen Bieter, nämlich TASI und ADS, den Gesamtpreis und die endgültige Rangfolge ihrer Angebote sowie deren Rangfolge bei den fünf Unterkriterien des Qualitätskriteriums mit. Als Anlage zu diesem Schreiben übersandte die ESA der Klägerin die detaillierten Ergebnisse der Evaluierung ihres Angebots anhand der fünf Unterkriterien des Qualitätskriteriums.

22      Die Angebote der Bieter nahmen folgenden Rang ein: Das Angebot von TASI befand sich an erster Stelle, das Angebot von ADS an zweiter Stelle und das Angebot der Klägerin an dritter Stelle. Ihre Angebote wurden anhand der beiden oben in Rn. 8 genannten Vergabekriterien bewertet. Beim Qualitätskriterium befand sich das Angebot von TASI an erster Stelle, das Angebot von ADS an zweiter Stelle und das Angebot der Klägerin an dritter Stelle. Beim Preiskriterium nahm das Angebot von ADS mit einem Gesamtpreis von 707 679 174,75 Euro die erste Stelle, das Angebot von TASI mit einem Gesamtpreis von 804 127 000,00 Euro die zweite Stelle und das Angebot der Klägerin mit einem Gesamtpreis von 822 786 000,00 Euro die dritte Stelle ein.

23      Mit Schreiben vom 28. Januar 2021 beantragte die Klägerin bei der Kommission erstens, ADS von dem streitigen wettbewerblichen Dialog auszuschließen, zweitens, die angefochtenen Beschlüsse dahin abzuändern, dass der Auftrag an sie vergeben werde, drittens, ihr umfassende Einsicht in die Akte des streitigen wettbewerblichen Dialogs und in den Evaluierungsbericht zu gewähren, und viertens, die Verträge nicht zu unterzeichnen, bis über ihre Beanstandungen entschieden worden sei. In ihrem Schreiben trug die Klägerin vor, ADS sei auszuschließen, da sie durch die Einbeziehung des ehemaligen Mitarbeiters in die Ausarbeitung ihres Angebots gegen den Grundsatz des geheimen Wettbewerbs verstoßen habe und da ihr Angebot ungewöhnlich niedrig sei.

 Anträge der Parteien

24      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtenen Beschlüsse für nichtig zu erklären;

–        die Kommission aufzufordern, ihr Einsicht in die Akte des streitigen wettbewerblichen Dialogs zu gewähren;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

25      Die Kommission beantragt,

–        die Klage als teils unzulässig und teils unbegründet abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

26      Die Italienische Republik und ADS beantragen, die Klage abzuweisen.

 Rechtliche Würdigung

 Zum zweiten Klageantrag

27      Der zweite Klageantrag der Klägerin geht dahin, die Kommission aufzufordern, ihr Einsicht in die Akte des streitigen wettbewerblichen Dialogs zu gewähren.

28      Die Kommission hält diesen zweiten Klageantrag für unzulässig, da die Klageschrift insoweit keine Beweise oder Beweisangebote enthalte.

29      Im Rahmen prozessleitender Maßnahmen vom 17. Oktober 2022 hat das Gericht die Klägerin und die Kommission aufgefordert, sich in der mündlichen Verhandlung zur etwaigen Unzulässigkeit des zweiten Klageantrags zu äußern, weil er als Antrag auf Erlass einer Anordnung ausgelegt werden könnte.

30      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht im Rahmen der Rechtsmäßigkeitskontrolle aufgrund von Art. 263 AEUV nicht befugt ist, gegenüber den Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union Anordnungen zu erlassen, auch wenn sie sich auf die Modalitäten der Durchführung seiner Urteile beziehen (vgl. Beschluss vom 22. September 2016, Gaki/Kommission, C‑130/16 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:731, Rn. 14, und Beschluss vom 19. Juli 2016, Trajektna luka Split/Kommission, T‑169/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:441, Rn. 13).

31      Daher wäre der zweite Klageantrag, falls er als Antrag auf Erlass einer Anordnung gegenüber der Kommission zu verstehen sein sollte, wegen Unzuständigkeit zurückzuweisen.

32      In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin jedoch geltend gemacht, dass der zweite Antrag als Antrag auf eine prozessleitende Maßnahme oder eine Beweisaufnahme gemäß Art. 88 der Verfahrensordnung des Gerichts auszulegen sei. Da die Prüfung der Erheblichkeit dieses Antrags zur Beurteilung der Begründetheit gehört, ist sie in deren Rahmen vorzunehmen.

 Zum Klagegrund einer Verletzung der Begründungspflicht

33      Die Kommission macht geltend, die Klägerin trage in der Erwiderung einen neuen Klagegrund, mit dem eine Verletzung der Begründungspflicht gerügt werde, vor, der daher unzulässig sei.

34      In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin auf die von der Kommission aufgeworfene Frage der Unzulässigkeit hin geltend gemacht, die Verletzung der Begründungspflicht sei im Rahmen der Gründe der Klageschrift geltend gemacht worden, und das Vorbringen in der Erwiderung sei nur deren Weiterentwicklung.

35      Insoweit genügt der Hinweis, dass der Unionsrichter die Verletzung der Begründungspflicht von Amts wegen prüfen muss, da sie einen Gesichtspunkt zwingenden Rechts darstellt; dass die Klägerin diesen Gesichtspunkt verspätet geltend gemacht haben mag, führt folglich nicht zu seiner Unzulässigkeit (vgl. Urteil vom 25. November 2014, Alfastar Benelux/Rat, T‑394/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:992, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36      Somit ist die von der Kommission erhobene Rüge der Unzulässigkeit zurückzuweisen, ohne dass geprüft zu werden braucht, ob der Klagegrund der Verletzung der Begründungspflicht erstmals im Rahmen der Erwiderung vorgetragen worden ist.

 Zur Begründetheit

37      Die Klage wird auf vier Gründe gestützt. Mit dem ersten Klagegrund wird ein Verstoß gegen die in Art. 136 der Haushaltsordnung vorgesehenen Ausschlusskriterien sowie gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und des „geheimen Wettbewerbs“ gerügt. Mit dem zweiten Klagegrund wird eine Verletzung der Pflicht zur Prüfung ungewöhnlich niedriger Angebote gerügt. Mit dem dritten Klagegrund werden offensichtliche Beurteilungsfehler bei der Evaluierung des Angebots der Klägerin gerügt. Mit dem vierten Klagegrund wird eine Verletzung der Pflicht der Kommission zur eigenständigen Entscheidung über die Auftragsvergabe gerügt. Außerdem trägt die Klägerin einen Klagegrund der Verletzung der Begründungspflicht vor (siehe oben, Rn. 36).

38      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass ein öffentlicher Auftraggeber bei der Beurteilung der Gesichtspunkte, die bei einer Entscheidung über die Vergabe eines öffentlichen Auftrags zu berücksichtigen sind, über ein weites Ermessen verfügt. Dieses weite Ermessen wird ihm während des gesamten Vergabeverfahrens, einschließlich der Wahl und Bewertung der Zuschlagskriterien, zuerkannt. Hinsichtlich dieser Fragen hat sich die Kontrolle durch das Gericht daher auf die Prüfung zu beschränken, ob die Verfahrensvorschriften und die Begründungspflicht beachtet wurden, ob der Sachverhalt richtig ermittelt wurde und ob kein offensichtlicher Beurteilungsfehler oder Ermessensmissbrauch vorliegt (vgl. Urteil vom 16. Mai 2019, Transtec/Kommission, T‑228/18, EU:T:2019:336, Rn. 66 [nicht veröffentlicht] und die dort angeführte Rechtsprechung).

 Zum Klagegrund einer Verletzung der Begründungspflicht

39      Die Klägerin macht geltend, die Kommission sei ihrer Begründungspflicht nicht nachgekommen, da sie nur bruchstückhafte und unvollständige Informationen übermittelt habe, die es ihr nicht ermöglicht hätten, zu verstehen, inwiefern die beiden erfolgreichen Angebote vorteilhafter als ihres seien. Zudem sei keine vergleichende Evaluierung der drei Angebote vorgenommen worden, um die qualitativen Vorteile der beiden erfolgreichen Angebote den Vorteilen ihres Angebots gegenüberzustellen.

40      Die Kommission, unterstützt durch die Streithelferinnen, tritt diesem Vorbringen entgegen.

41      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Begründungspflicht des öffentlichen Auftraggebers im Rahmen öffentlicher Aufträge der Union in Art. 170 Abs. 2 und Abs. 3 Buchst. a der Haushaltsordnung konkretisiert wird; demnach genügt ein öffentlicher Auftraggeber seiner Begründungspflicht, wenn er sich zunächst darauf beschränkt, die abgelehnten Bieter über die Gründe für die Ablehnung ihrer Teilnahmeanträge oder ihrer Angebote zu informieren und anschließend den Bietern, die dies ausdrücklich beantragen, die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebots sowie den Namen des Bieters, der den Zuschlag erhalten hat, mitteilt (vgl. entsprechend Urteil vom 17. Oktober 2012, Evropaïki Dynamiki/Gerichtshof, T‑447/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:553, Rn. 71).

42      Ein solches Vorgehen entspricht dem Zweck der in Art. 296 AEUV verankerten Begründungspflicht, wonach die Begründung die Überlegungen des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und unmissverständlich zum Ausdruck bringen muss, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann (vgl. Urteil vom 17. Oktober 2012, Evropaïki Dynamiki/Gerichtshof, T‑447/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:553, Rn. 72 und die dort angeführte Rechtsprechung).

43      Nach der Rechtsprechung kann vom öffentlichen Auftraggeber jedoch nicht verlangt werden, dass er einem Bieter, dessen Angebot nicht den Zuschlag erhalten hat, zum einen neben den Gründen für die Ablehnung des Angebots eine detaillierte Zusammenfassung, in der jedes Detail seines Angebots im Hinblick auf dessen Evaluierung berücksichtigt wurde, und zum anderen im Rahmen der Mitteilung der Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebots eine detaillierte vergleichende Analyse des ausgewählten Angebots und des Angebots des abgelehnten Bieters übermittelt (vgl. Urteil vom 4. Oktober 2012, Evropaïki Dynamiki/Kommission, C‑629/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2012:617, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).

44      Ebenso wenig ist der öffentliche Auftraggeber verpflichtet, einem abgelehnten Bieter auf dessen schriftlichen Antrag eine vollständige Kopie des Evaluierungsberichts auszuhändigen (vgl. Urteil vom 4. Oktober 2012, Evropaïki Dynamiki/Kommission, C‑629/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2012:617, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).

45      Außerdem ist nach ständiger Rechtsprechung die gemäß Art. 296 Abs. 2 AEUV erforderliche Begründung anhand der Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Inhalts des Rechtsakts und der Art der geltend gemachten Gründe, zu beurteilen (vgl. Urteil vom 4. Oktober 2012, Evropaïki Dynamiki/Kommission, C‑629/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2012:617, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

46      Im vorliegenden Fall enthielt das Schreiben der ESA vom 19. Januar 2021 die Entscheidung, den Zuschlag nicht dem Angebot der Klägerin zu erteilen, und ihm war ein Auszug aus der Evaluierung ihres Angebots anhand der fünf Unterkriterien des Qualitätskriteriums beigefügt (siehe oben, Rn. 18).

47      Des Weiteren wurden im Fax der ESA vom 22. Januar 2021 die Namen der erfolgreichen Bieter, der Gesamtpreis, die endgültige Rangfolge ihrer Angebote sowie deren Rangfolge bei den fünf Unterkriterien des Qualitätskriteriums angegeben. Darüber hinaus wurden der Klägerin in der Anlage zu diesem Schriftstück die detaillierten Ergebnisse der Evaluierung ihres Angebots anhand der fünf Unterkriterien des Qualitätskriteriums übermittelt (siehe oben, Rn. 21).

48      Folglich ist die Kommission ihrer in Art. 170 Abs. 2 und Abs. 3 Buchst. a der Haushaltsordnung konkretisierten Begründungspflicht nachgekommen.

49      Ferner war die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht verpflichtet, ihr eine detaillierte vergleichende Analyse der erfolgreichen Angebote und ihres Angebots oder eine vollständige Kopie des Evaluierungsberichts zu übermitteln (siehe oben, Rn. 43 und 44).

50      Der Klagegrund einer Verletzung der Begründungspflicht ist daher zurückzuweisen.

51      Das weitere Vorbringen der Klägerin, mit dem im Rahmen der übrigen Klagegründe ein Begründungsmangel gerügt wird, wird bei der Würdigung dieser Klagegründe geprüft.

 Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen die in Art. 136 der Haushaltsordnung vorgesehenen Ausschlusskriterien und gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und des „geheimen Wettbewerbs“

52      Der erste Klagegrund besteht aus zwei Teilen, mit denen erstens ein Verstoß gegen die in Art. 136 der Haushaltsordnung vorgesehenen Ausschlusskriterien gerügt wird und zweitens ein Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und des „geheimen Wettbewerbs“.

–       Zum ersten Teil des ersten Klagegrundes: Verstoß gegen die in Art. 136 der Haushaltsordnung vorgesehenen Ausschlusskriterien

53      Die Klägerin trägt erstens vor, die Entscheidung, einen Teil des Auftrags an ADS zu vergeben, verstoße gegen Art. 136 und Art. 167 Abs. 1 Buchst. b der Haushaltsordnung, da ADS von dem streitigen wettbewerblichen Dialog hätte ausgeschlossen werden müssen.

54      Zunächst trägt die Klägerin vor, ADS hätte auf der Grundlage von Art. 136 Abs. 1 Buchst. c Ziff. ii und v der Haushaltsordnung von dem streitigen wettbewerblichen Dialog ausgeschlossen werden müssen, weil es mutmaßlich eine wettbewerbswidrige Absprache oder eine stillschweigende Vereinbarung zwischen ADS und dem ehemaligen Mitarbeiter gegeben habe, um im Rahmen des streitigen wettbewerblichen Dialogs den Wettbewerb mit der Klägerin zu verzerren, und weil ADS durch die Einstellung des ehemaligen Mitarbeiters mutmaßlich versucht habe, vertrauliche Informationen über die Klägerin zu erhalten, die ihr bei dem streitigen wettbewerblichen Dialog einen unzulässigen Vorteil hätten verschaffen können.

55      Sodann macht die Klägerin geltend, in Ermangelung einer rechtskräftigen Gerichts- oder einer bestandskräftigen Verwaltungsentscheidung hätte ADS auf der Grundlage einer vorläufigen rechtlichen Bewertung gemäß Art. 136 Abs. 2 der Haushaltsordnung ausgeschlossen werden müssen. Zudem hätte die Kommission den Sachverhalt untersuchen und von ADS Informationen einholen müssen.

56      Schließlich trägt die Klägerin vor, ADS hätte auf der Grundlage von Art. 136 Abs. 4 Buchst. a der Haushaltsordnung ausgeschlossen werden müssen, da der ehemalige Mitarbeiter bei ADS eine leitende Stelle bekleide und sich in einer der in Art. 136 Abs. 1 Buchst. c der Haushaltsordnung genannten Situationen befinde.

57      Die Kommission und die Streithelferinnen treten diesem Vorbringen entgegen.

58      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 167 Abs. 1 Buchst. b der Haushaltsordnung Aufträge auf der Grundlage von Zuschlagskriterien vergeben werden, sofern der öffentliche Auftraggeber geprüft hat, ob der Bewerber oder Bieter nicht nach ihrem Art. 136 ausgeschlossen oder nach ihrem Art. 141 abgelehnt worden ist.

59      In Bezug auf die Ausschlusskriterien heißt es in Art. 136 Abs. 1 der Haushaltsordnung: „Der zuständige Anweisungsbefugte schließt eine in Artikel 135 Absatz 2 genannte Person oder Stelle von der Teilnahme an Gewährungsverfahren nach dieser Verordnung … aus, wenn diese Person oder Stelle sich in einer oder mehrerer der [in Artikel 136 Absatz 1 Buchstaben a bis h vorgesehenen] Ausschlusssituationen befindet.“ Insbesondere schließt nach Art. 136 Abs. 1 Buchst. c Ziff. ii und v der Haushaltsordnung der zuständige Anweisungsbefugte eine in Art. 135 Abs. 2 genannte Person oder Stelle von der Teilnahme an Gewährungsverfahren nach der Haushaltsordnung aus, wenn „durch eine rechtskräftige Gerichts- oder eine bestandskräftige Verwaltungsentscheidung festgestellt wurde, dass die Person oder Stelle im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit eine schwere Verfehlung begangen hat …; dazu zählen insbesondere … ii) Absprachen mit anderen Personen oder Stellen mit dem Ziel einer Wettbewerbsverzerrung [oder] v) [der] Versuch, vertrauliche Informationen über das Verfahren zu erhalten, durch die unzulässige Vorteile beim Gewährungsverfahren erlangt werden könnten“.

60      Zudem schließt der zuständige Anweisungsbefugte nach Art. 136 Abs. 4 Buchst. a der Haushaltsordnung eine in Art. 135 Abs. 2 genannte Person oder Stelle aus, wenn „sich eine natürliche oder juristische Person, die Mitglied des Verwaltungs‑, Leitungs- oder Aufsichtsorgans einer in Artikel 135 Absatz 2 genannten Person oder Stelle ist oder bezüglich dieser Person oder Stelle Vertretungs‑, Beschluss- oder Kontrollbefugnisse hat, in einer oder mehreren der in Absatz 1 Buchstaben c bis h [des Artikels 136] genannten Situationen befindet“.

61      Darüber hinaus sieht Art. 136 Abs. 2 Unterabs. 1 der Haushaltsordnung Folgendes vor: „In Ermangelung einer rechtskräftigen Gerichts- bzw. bestandskräftige[n] Verwaltungsentscheidung in den Fällen nach Absatz 1 Buchstaben c, d, f, g und h dieses Artikels legt der zuständige Anweisungsbefugte bei [einem den in den Buchstaben c, d, f, g und h genannten Fällen] entsprechende[n] Verhalten einer in Artikel 135 Absatz 2 genannten Person oder Stelle eine vorläufige rechtliche Bewertung für deren Ausschluss zugrunde, wobei er sich auf die festgestellten Sachverhalte oder sonstigen Erkenntnisse aus der Empfehlung des in Artikel 143 [der Haushaltsordnung] genannten Gremiums stützt.“

62      Aus den oben genannten Bestimmungen ergibt sich u. a., dass ein öffentlicher Auftraggeber einen Bieter von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließt, wenn sich dieser Bieter in einer oder mehreren der Situationen befindet, die den oben in den Rn. 59 bis 61 genannten drei Ausschlusskriterien entsprechen.

63      Dabei entspricht das erste, in Art. 136 Abs. 1 Buchst. c Ziff. ii und v in Verbindung mit Art. 135 Abs. 2 Buchst. a der Haushaltsordnung vorgesehene Ausschlusskriterium den Situationen, in denen durch eine rechtskräftige Gerichts- oder eine bestandskräftige Verwaltungsentscheidung festgestellt wurde, dass der Bieter im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit eine schwere Verfehlung in Form einer der in Art. 136 Abs. 1 Buchst. c Ziff. ii und v der Haushaltsordnung genannten Verhaltensweisen – Absprachen mit anderen Personen oder Stellen mit dem Ziel einer Wettbewerbsverzerrung oder der Versuch, vertrauliche Informationen über das Verfahren zu erhalten, durch die unzulässige Vorteile bei dem Vergabeverfahren erlangt werden könnten – begangen hat.

64      Das zweite, in Art. 136 Abs. 4 Buchst. a in Verbindung mit Art. 135 Abs. 2 Buchst. a und Art. 136 Abs. 1 Buchst. c Ziff. ii und v der Haushaltsordnung vorgesehene Ausschlusskriterium entspricht den Situationen, in denen durch eine rechtskräftige Gerichts- oder eine bestandskräftige Verwaltungsentscheidung festgestellt wurde, dass eine natürliche oder juristische Person, die Mitglied des Verwaltungs‑, Leitungs- oder Aufsichtsorgans des Bieters ist oder bezüglich dieses Bieters Vertretungs‑, Beschluss- oder Kontrollbefugnisse hat, im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit eine schwere Verfehlung in Form einer der in Art. 136 Abs. 1 Buchst. c Ziff. ii und v der Haushaltsordnung genannten Verhaltensweisen begangen hat.

65      Das dritte, in Art. 136 Abs. 2 Unterabs. 1 in Verbindung mit Art. 135 Abs. 2 Buchst. a, Art. 136 Abs. 1 Buchst. c Ziff. ii und v sowie Art. 143 Abs. 6 Buchst. a der Haushaltsordnung vorgesehene Ausschlusskriterium entspricht den Situationen, in denen in Ermangelung einer rechtskräftigen Gerichts- oder einer bestandskräftigen Verwaltungsentscheidung durch eine in der Empfehlung des in Art. 143 der Haushaltsordnung genannten Gremiums (im Folgenden: Gremium) enthaltene vorläufige rechtliche Bewertung festgestellt worden ist, dass der Bieter im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit eine schwere Verfehlung in Form einer der in Art. 136 Abs. 1 Buchst. c Ziff. ii und v der Haushaltsordnung genannten Verhaltensweisen begangen hat. Nach Art. 135 Abs. 4 der Haushaltsordnung kann der öffentliche Auftraggeber eine Entscheidung über den Ausschluss eines Bieters auf der Grundlage einer vorläufigen rechtlichen Bewertung gemäß Art. 136 Abs. 2 nur dann treffen, wenn er zuvor eine Empfehlung des Gremiums eingeholt hat.

66      Im vorliegenden Fall sind die oben in Rn. 63 genannten Voraussetzungen für die Anwendung des ersten Ausschlusskriteriums nicht erfüllt. Zwischen den Parteien ist nämlich unstreitig, dass es zum Zeitpunkt des streitigen wettbewerblichen Dialogs in Bezug auf ADS weder eine rechtskräftige Gerichts- noch eine bestandskräftige Verwaltungsentscheidung im Sinne von Art. 136 Abs. 1 Buchst. c der Haushaltsordnung gab.

67      In Bezug auf das zweite Ausschlusskriterium ergibt sich aus den oben in Rn. 64 angeführten Bestimmungen der Haushaltsordnung, dass der Bieter nur dann ausgeschlossen werden kann, wenn die schwere Verfehlung im Rahmen der beruflichen Tätigkeit der natürlichen oder juristischen Person, die Mitglied seines Verwaltungs‑, Leitungs- oder Aufsichtsorgans ist, durch eine rechtskräftige Gerichts- oder eine bestandskräftige Verwaltungsentscheidung festgestellt wurde.

68      Selbst wenn man davon ausgeht, dass der ehemalige Mitarbeiter als Mitglied des Verwaltungs‑, Leitungs- oder Aufsichtsorgans von ADS im Sinne von Art. 136 Abs. 4 Buchst. a der Haushaltsordnung angesehen werden könnte, ergibt sich aus der Akte aber keineswegs, dass in Bezug auf ihn eine rechtskräftige Gerichts- oder eine bestandskräftige Verwaltungsentscheidung vorliegt; die Klägerin hat dies im Übrigen nicht behauptet. Bezüglich des Verhaltens des ehemaligen Mitarbeiters geht aus der Akte nämlich hervor, dass das Verfahren, das durch die von der Klägerin bei der zuständigen Staatsanwaltschaft in Deutschland erstattete Strafanzeige eingeleitet worden war, mit Verfügung vom 10. Dezember 2020 eingestellt wurde und dass die von der Klägerin gegen diese Einstellungsentscheidung eingelegte Beschwerde am 1. März 2021 von der zuständigen Staatsanwaltschaft zurückgewiesen wurde.

69      Folglich ist im vorliegenden Fall nicht dargetan worden, dass ein Verstoß gegen die oben in den Rn. 63 und 64 aufgeführten Ausschlusskriterien 1 und 2 vorliegt.

70      In Bezug auf das dritte Ausschlusskriterium ist darauf hinzuweisen, dass der Ausschluss eines Bieters von einem Vergabeverfahren nur auf der Grundlage einer vorläufigen rechtlichen Bewertung seines Verhaltens erfolgen kann, die sich auf die festgestellten Sachverhalte oder Erkenntnisse aus der Empfehlung des Gremiums stützt (siehe oben, Rn. 65).

71      Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Kommission dieses Gremium nicht befasst hat. In Anbetracht dessen stellt sich die Frage, ob die Kommission aufgrund dessen unter Verstoß gegen das dritte Ausschlusskriterium ihre Pflichten aus Art. 136 Abs. 2 Unterabs. 1 und Art. 143 der Haushaltsordnung verletzt hat.

72      Vorab bedarf es einiger Ausführungen zur Befassung des Gremiums und zur vorläufigen rechtlichen Bewertung, auf deren Grundlage ein Bieter von einem Ausschreibungsverfahren ausgeschlossen werden kann.

73      Erstens besteht der Zweck einer Befassung des Gremiums, damit es eine Empfehlung abgibt, die gegebenenfalls eine vorläufige rechtliche Bewertung des Verhaltens eines Bieters enthält, auf deren Grundlage er von einem Ausschreibungsverfahren ausgeschlossen werden kann, im Schutz der finanziellen Interessen der Union vor Verhaltensweisen, die ein Risiko für diese Interessen darstellen. Insoweit bestimmt Art. 135 Abs. 1 Unterabs. 1 der Haushaltsordnung: „Zum Schutz der finanziellen Interessen der Union errichtet die Kommission ein Früherkennungs- und Ausschlusssystem und unterhält es.“ Gemäß Art. 135 Abs. 1 Unterabs. 2 der Haushaltsordnung soll dieses System u. a. Folgendes erleichtern: „a) die frühzeitige Erkennung von in Absatz 2 aufgeführten Personen oder Stellen, die ein Risiko für die finanziellen Interessen der Union darstellen“, und „b) den Ausschluss von in Absatz 2 aufgeführten Personen oder Stellen, auf die eine der in Artikel 136 Absatz 1 genannten Ausschlusssituationen zutrifft“.

74      Zweitens ist die vorläufige rechtliche Bewertung gemäß Art. 135 Abs. 4 der Haushaltsordnung ausschließlich Sache des Gremiums, damit im Rahmen des Früherkennungs- und Ausschlusssystems „eine zentrale Bewertung solcher Situationen gewährleistet ist“.

75      Drittens betrifft die vorläufige rechtliche Bewertung zwingend Verhaltensweisen der Bieter selbst. Sie kann, wie sich aus den oben in den Rn. 61 und 65 angeführten Bestimmungen ergibt, nur die in Art. 136 Abs. 1 Buchst. c, d, f, g und h der Haushaltsordnung genannten Sachverhalte oder Erkenntnisse und damit nur Verhaltensweisen der in ihrem Art. 135 Abs. 2 genannten Personen oder Stellen betreffen.

76      Viertens betrifft die vorläufige rechtliche Bewertung Sachverhalte oder Erkenntnisse, die im Wesentlichen im Rahmen von Prüfungen oder Untersuchungen der zuständigen Behörden der Union oder gegebenenfalls der Mitgliedstaaten festgestellt wurden. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 142 Abs. 2 Buchst. b und c der Haushaltsordnung die Früherkennung drohender Gefahren für die finanziellen Interessen der Union auf der Grundlage der Übermittlung von Informationen an die Kommission insbesondere durch einen Anweisungsbefugten der Kommission, eines von ihr eingerichteten Europäischen Amtes oder einer Exekutivagentur (Art. 142 Abs. 2 Buchst. b der Haushaltsordnung) oder durch ein Unionsorgan, ein Europäisches Amt oder eine Agentur, die nicht in Art. 142 Abs. 2 Buchst. b der Haushaltsordnung genannt sind, erfolgt (Art. 142 Abs. 2 Buchst. c der Haushaltsordnung) (vgl. entsprechend Urteil vom 16. Mai 2019, Transtec/Kommission, T‑228/18, EU:T:2019:336, Rn. 52).

77      Ferner bestimmt Art. 136 Abs. 2 Unterabs. 4 der Haushaltsordnung:

„Die Sachverhalte und Erkenntnisse nach Unterabsatz 1 können insbesondere Folgendes umfassen:

a)      Sachverhalte, die im Zuge von Prüfungen oder Untersuchungen der [Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA)] für die Mitgliedstaaten, die an der verstärkten Zusammenarbeit gemäß [der] Verordnung (EU) 2017/1939 teilnehmen, des Rechnungshofs oder des OLAF oder des Internen Prüfers oder bei sonstigen, unter der Verantwortung des Anweisungsbefugten durchgeführten Überprüfungen, Prüfungen oder Kontrollen festgestellt wurden;

b)      nicht bestandskräftige Verwaltungsentscheidungen, die Disziplinarmaßnahmen umfassen können, die von der für die Prüfung der Einhaltung ethischer Standards des Berufsstandes zuständigen Aufsichtsbehörde ergriffen wurden;

c)      Sachverhalte, auf die in Beschlüssen von Personen und Stellen, die Unionsmittel gemäß Artikel 62 Absatz 1 Unterabsatz 1 Buchstabe c ausführen, Bezug genommen wird;

d)      Informationen, die von Stellen, die Unionsmittel gemäß Artikel 62 Absatz 1 Unterabsatz 1 Buchstabe b ausführen, nach Artikel 142 Absatz 2 Buchstabe d übermittelt wurden;

e)      Entscheidungen der Kommission in Bezug auf den Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht der Union oder Entscheidungen einer zuständigen nationalen Behörde in Bezug auf den Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht der Union oder gegen nationales Wettbewerbsrecht.“

78      Fünftens muss der öffentliche Auftraggeber das in Art. 143 der Haushaltsordnung genannte Gremium nur dann befassen, wenn die festgestellten Sachverhalte, die ihm vorliegen, ausreichende Anhaltspunkte für die Vermutung der Schuld des Bieters darstellen. Wie das Gericht bereits entschieden hat, ergibt sich aus der Gesamtheit der oben genannten Bestimmungen, dass der öffentliche Auftraggeber, wenn er über ausreichende Anhaltspunkte für die Vermutung verfügt, dass dieser Bieter insbesondere eine schwere Verfehlung im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit begangen hat, das Gremium befassen muss, damit es eine Empfehlung abgibt, die gegebenenfalls eine vorläufige rechtliche Bewertung des streitigen Sachverhalts enthält (vgl. entsprechend Urteil vom 16. Mai 2019, Transtec/Kommission, T‑228/18, EU:T:2019:336, Rn. 53).

79      Überdies ist darauf hinzuweisen, dass das für die Befassung des Gremiums geltende Erfordernis ausreichender Anhaltspunkte den Zielen eines Systems entspricht, das u. a. zur Früherkennung und zum Ausschluss von Bietern dient, deren Verhalten ein Risiko für die finanziellen Interessen der Union darstellt (siehe oben, Rn. 73). Dieses Erfordernis ergibt sich aus dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung und der Leistungsorientierung (vgl. Titel II Kapitel 7 der Haushaltsordnung), da es verhindert, dass ein Vergabeverfahren ohne triftigen Grund verzögert wird. Zudem folgt dieses Erfordernis aus der Rolle des Gremiums, das nicht mit der Vornahme von Untersuchungen betraut ist, sondern eine Empfehlung abzugeben hat, die gegebenenfalls eine vorläufige rechtliche Bewertung von Sachverhalten oder Erkenntnissen enthält, die zuvor im Rahmen von Prüfungen oder Untersuchungen der zuständigen Behörden, insbesondere der Union, festgestellt wurden (siehe oben, Rn. 76). Schließlich ergibt sich das Erfordernis ausreichender Anhaltspunkte aus der Tragweite der vorläufigen rechtlichen Bewertung, da sie das Verhalten eines Bieters im Fall des Fehlens einer rechtskräftigen Gerichts- oder einer bestandskräftigen Verwaltungsentscheidung betrifft (siehe oben, Rn. 65) und sich folglich nicht auf einen bloßen Verdacht stützen kann.

80      Angesichts all dessen ist zu prüfen, ob die Kommission im vorliegenden Fall verpflichtet war, das Gremium zu befassen, damit es eine Empfehlung abgibt, die gegebenenfalls eine vorläufige rechtliche Bewertung des Verhaltens von ADS enthält. Somit ist zu prüfen, ob die Kommission über ausreichende Anhaltspunkte dafür verfügte, dass ADS im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit eine schwere, die finanziellen Interessen der Union bedrohende Verfehlung begangen hatte, einschließlich insbesondere einer Absprache mit anderen Personen oder Stellen mit dem Ziel einer Wettbewerbsverzerrung oder des Versuchs, vertrauliche Informationen über das Verfahren zu erhalten, durch die sie bei dem streitigen wettbewerblichen Dialog unzulässige Vorteile hätte erlangen können.

81      Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Akte und den mündlichen Ausführungen der Hauptparteien, dass der Kommission in Bezug auf ein mutmaßlich rechtswidriges Verhalten von ADS nur das Schreiben vom 23. Dezember 2020 vorlag. Darin beantragte die Klägerin bei der Kommission im Wesentlichen, den streitigen wettbewerblichen Dialog wegen eines „Verdachts auf Verletzung [ihrer] Geschäftsgeheimnisse durch einen Mitarbeiter von [ADS]“, der sich ihrer Ansicht nach aus den Tatsachen ergab, die sie der Kommission zur Kenntnis gebracht hatte, auszusetzen, eine Untersuchung durchzuführen und ADS gegebenenfalls von dem streitigen wettbewerblichen Dialog auszuschließen (siehe oben, Rn. 15).

82      Insoweit ist zunächst zu beachten, dass das oben in Rn. 16 wiedergegebene Vorbringen der Klägerin im Schreiben vom 23. Dezember 2020 nicht unter die von Art. 136 Abs. 2 Unterabs. 4 Buchst. a bis e der Haushaltsordnung erfassten Sachverhalte und Erkenntnisse fällt.

83      Sodann ist festzustellen, dass die Klägerin zwar ein bei den zuständigen nationalen Behörden laufendes Untersuchungsverfahren in Bezug auf den fraglichen Sachverhalt angeführt hat, doch war dieses Verfahren die Folge ihrer Strafanzeige wegen einer Verletzung von Rechtsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland über Geschäftsgeheimnisse, die von ihrem ehemaligen Mitarbeiter und nicht von ADS begangen worden sein soll (siehe oben, Rn. 16).

84      Die in Art. 136 Abs. 2 der Haushaltsordnung vorgesehene vorläufige rechtliche Bewertung und damit die Befassung des Gremiums kann aber nur Verhaltensweisen der Bieter selbst betreffen (siehe oben, Rn. 75). Folglich kann das im Schreiben vom 23. Dezember 2020 genannte, dem ehemaligen Mitarbeiter zugeschriebene Verhalten keinen für die Befassung des Gremiums ausreichenden Anhaltspunkt darstellen.

85      Schließlich ist festzustellen, dass dem Schreiben vom 23. Dezember 2020 kein Beweisstück beigefügt war, mit dem sich das darin enthaltene Vorbringen substantiieren ließe.

86      Infolgedessen konnten die Ausführungen im Schreiben vom 23. Dezember 2020 nicht als festgestellte Sachverhalte oder Erkenntnisse angesehen werden, die ausreichende, eine Befassung des Gremiums rechtfertigende Anhaltspunkte für eine Vermutung der Schuld von ADS darstellen könnten.

87      In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, ob die Kommission gleichwohl verpflichtet war, wegen des Vorbringens im Schreiben vom 23. Dezember 2020 Untersuchungen anzustellen.

88      Insoweit ist zum einen festzustellen, dass die Klägerin im Schreiben vom 23. Dezember 2020 kein Verhalten von ADS selbst erwähnte, abgesehen davon, dass ADS ihren ehemaligen Mitarbeiter eingestellt hatte (siehe oben, Rn. 16). Im Prinzip stellt aber die Tatsache, dass ein Bieter während eines Ausschreibungsverfahrens den ehemaligen Mitarbeiter eines anderen Bieters eingestellt hat, für sich allein keinen Anhaltspunkt für ein Verhalten des erstgenannten Bieters dar, bei dem es sich um eine schwere Verfehlung im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit handeln könnte. Die Teilnahme an einem Ausschreibungsverfahren kann die Bieter (und ihre Angestellten oder ehemaligen Angestellten) vielmehr nicht daran hindern, während dieses Verfahrens ihre Rechte auszuüben, Arbeitsverträge abzuschließen oder arbeitsrechtlich relevante Handlungen vorzunehmen.

89      Zum anderen ging es im Schreiben vom 23. Dezember 2020 um bestimmte Verhaltensweisen nicht von ADS, sondern des ehemaligen Mitarbeiters der Klägerin. Im Einzelnen führte die Klägerin an, dass auf dem Computer ihres ehemaligen Mitarbeiters ein an den Executive Vice-President (geschäftsführenden Vizepräsidenten) von ADS gerichtetes Bewerbungsschreiben vom 21. Juni 2019 gefunden worden sei, in dem der ehemalige Mitarbeiter u. a. darauf hingewiesen habe, dass sein Wechsel von ihr zu ADS „auch die Perspektiven und die Wettbewerbsposition [der Klägerin] gegenüber [ADS] bei künftigen Akquisitionszielen verändern [könnte]“. Die Klägerin machte in ihrem Schreiben vom 23. Dezember 2020 ferner geltend, die Untersuchung des Computers des ehemaligen Mitarbeiters habe gezeigt, dass er relevante Daten, die er im Rahmen der Vorbereitung ihres Angebots für den streitigen wettbewerblichen Dialog erhalten habe – technische Details und Konzepte, Angebotsstrategien, die Evaluierung der Wettbewerbsfähigkeit, Preisstrategien und Preisdetails –, kopiert haben könne. Die Klägerin fügte hinzu, ADS habe den ehemaligen Mitarbeiter schon im April 2020, wenige Monate nach seiner Einstellung, mit der Leitung der mit dem streitigen wettbewerblichen Dialog befassten Einheit „Head of Space Systems Germany“ betraut, wo er die gleichen Aufgaben wahrgenommen habe wie zuvor bei ihr.

90      Mit diesem Vorbringen machte die Klägerin im Wesentlichen geltend, ihr ehemaliger Mitarbeiter habe ihr Geschäftsgeheimnis dadurch verletzt, dass er sich rechtswidrig sensible Informationen über sie beschafft habe, die geeignet gewesen seien, ADS im streitigen wettbewerblichen Dialog einen unzulässigen Vorteil zu verschaffen (siehe oben, Rn. 16).

91      Ein solcher Verstoß – sein Vorliegen unterstellt – wäre aber jedenfalls kein Anhaltspunkt für ein Verhalten von ADS selbst und daher nicht geeignet, die Vermutung zu begründen, dass ADS sich schuldhaft verhalten hatte.

92      Des Weiteren ist festzustellen, dass die Klägerin im Schreiben vom 23. Dezember 2020 kein konkretes Argument zum Nachweis dafür vorgetragen hat, dass ADS insbesondere von dem ehemaligen Mitarbeiter sensible Informationen erhalten und sie im Rahmen des streitigen wettbewerblichen Dialogs verwendet hatte. In ihrem Schreiben beschränkte sich die Klägerin vielmehr auf die Behauptung, dass ADS sensible Informationen über sie erhalten haben könnte, die ihr im Rahmen des streitigen wettbewerblichen Dialogs einen unzulässigen Vorteil hätten verschaffen können (siehe oben, Rn. 16). Diese vage und hypothetische Behauptung kann keinen ausreichenden Anhaltspunkt im Sinne der oben in Rn. 78 angeführten Rechtsprechung darstellen.

93      Das Schreiben vom 23. Dezember 2020 enthielt nämlich keine konkreten Angaben, mit denen sich mutmaßlich sensible Informationen über die Klägerin identifizieren ließen, die der ehemalige Mitarbeiter erhalten und ADS übermittelt haben könnte und die von ADS im Rahmen des streitigen wettbewerblichen Dialogs hätten verwendet werden können, wodurch ihr ein unzulässiger Vorteil verschafft worden wäre. In dem Schreiben wies die Klägerin nur darauf hin, dass der ehemalige Mitarbeiter an der „Strategie“ des technischen Teils und der „Strategie“ in Bezug auf den Preis und die Preiskalkulation für ihr Angebot beteiligt gewesen sei. Dieses sehr allgemein gehaltene Vorbringen enthält keinen konkreten Anhaltspunkt, der es erlauben würde, etwaige mutmaßlich sensible Informationen zu identifizieren.

94      Insbesondere erwähnt die Klägerin im Schreiben vom 23. Dezember 2020 keinen technischen Aspekt ihres Angebots, den ihr ehemaliger Mitarbeiter ADS übermittelt haben soll und der von ADS im streitigen wettbewerblichen Dialog in unzulässiger Weise verwendet worden wäre. Desgleichen wird die „Strategie“ hinsichtlich des Preises ihres Angebots, von der der ehemalige Mitarbeiter Kenntnis haben soll, in dem Schreiben nicht näher erläutert.

95      Zudem ergibt sich aus dem Schreiben vom 23. Dezember 2020, dass der ehemalige Mitarbeiter bei der Klägerin kurze Zeit nach der Abgabe ihres überarbeiteten Angebots im Rahmen der zweiten Phase des streitigen wettbewerblichen Dialogs ausgeschieden war. Somit konnte der ehemalige Mitarbeiter jedenfalls weder Informationen über den Dialog zwischen der Klägerin und der ESA in der dritten Phase haben noch über den Inhalt des endgültigen Angebots der Klägerin, das im Oktober 2020 eingereicht wurde, also fast ein Jahr, nachdem der ehemalige Mitarbeiter die Klägerin verlassen hatte (siehe oben, Rn. 13 und 16). Ferner ergibt sich aus der Akte und den Antworten der Kommission auf Fragen des Gerichts in der mündlichen Verhandlung, dass die „Vergabebedingungen für die Aufforderung zur Einreichung eines endgültigen Angebots“, die den Bietern im August 2020 übersandt wurden (siehe oben, Rn. 13), Änderungen gegenüber den vorherigen „Vergabebedingungen für die Aufforderung zur Einreichung eines überarbeiteten Angebots“ enthielten. Insbesondere wurde die Lieferfrist für die Satelliten um fast ein Jahr verkürzt, die Frist für die Ausübung der Option für den Erwerb weiterer, über die ursprüngliche Zahl hinausgehender Satelliten durch den öffentlichen Auftraggeber (siehe oben, Rn. 7) um 14 Monate verlängert und die Eignung bestimmter Satelliten für einen Einzel- oder Doppelstart geändert. Solche Änderungen können ihrer Natur nach nicht ohne Auswirkungen auf die technischen und finanziellen Bedingungen bleiben, von denen die Bieter in ihren endgültigen Angeboten ausgehen.

96      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Kommission nicht verpflichtet war, Untersuchungen zu dem im Schreiben vom 23. Dezember 2020 enthaltenen Vorbringen anzustellen, da dieses Vorbringen – seine Stichhaltigkeit unterstellt – keine ausreichenden Anhaltspunkte bot, um die Vermutung zu begründen, dass ADS sich schuldhaft verhalten hatte, was die Befassung des Gremiums gerechtfertigt hätte.

97      Diese Beurteilung wird durch das Vorbringen der Klägerin, die ESA habe ADS erst am 29. Januar 2021, also nach Erlass der angefochtenen Beschlüsse, um Informationen über den ehemaligen Mitarbeiter ersucht, nicht in Frage gestellt. Abgesehen davon, dass sich dieses Ersuchen an ein zweites Schreiben der Klägerin vom 28. Januar 2021 (siehe oben, Rn. 23), das somit seinerseits jüngeren Datums ist als die angefochtenen Beschlüsse, anschloss, ändert dies nämlich nichts daran, dass der Umstand, dass ADS nach Erlass der angefochtenen Beschlüsse um Informationen ersucht wurde, keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Beschlüsse hat, da keine Pflicht zur Befassung des Gremiums bestand (siehe oben, Rn. 86) und da das Vorbringen der Klägerin keinen Bereich betraf, für den es Untersuchungsbefugnisse der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union gibt (siehe oben, Rn. 96).

98      Ferner weist die Kommission zutreffend darauf hin, dass die Klägerin ihr ihren Verdacht erst im Schreiben vom 23. Dezember 2020 mitteilte, obwohl sie bereits im November 2019 die Untersuchung des Computers des ehemaligen Mitarbeiters angeordnet hatte, wie sie in der Klageschrift einräumt, und bereits im März 2020 bei den zuständigen deutschen Behörden Strafanzeige gegen den ehemaligen Mitarbeiter erstattet hatte (siehe oben, Rn. 16). In diesem Zeitraum (November 2019 bis Dezember 2020) ging der streitige wettbewerbliche Dialog von seiner zweiten Phase in seine dritte Phase über, die im August 2020 begann, und im Oktober 2020 reichte die Klägerin ihr endgültiges Angebot ein (siehe oben, Rn. 13). Dieses Verhalten der Klägerin zeigt, dass sie selbst – zumindest während eines längeren Zeitraums und auch bei der Einreichung ihres endgültigen Angebots – nicht davon ausging, dass das mutmaßliche Verhalten des ehemaligen Mitarbeiters ADS im Rahmen des streitigen wettbewerblichen Dialogs einen unzulässigen Vorteil verschaffen konnte.

99      Nach alledem hat die Kommission nicht gegen ihre Pflicht zur Befassung des Gremiums verstoßen und erst recht nicht das oben in Rn. 65 genannte dritte Ausschlusskriterium verletzt.

100    Mithin ist der erste Teil des ersten Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen.

–       Zum zweiten Teil des ersten Klagegrundes: Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und des „geheimen Wettbewerbs“

101    Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, die mutmaßliche Nutzung der Kenntnisse des ehemaligen Mitarbeiters vom Inhalt ihres Angebots stelle einen Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und des „geheimen Wettbewerbs“ dar. Insbesondere verfüge die Kommission über Anhaltspunkte, die Zweifel an der Eigenständigkeit und Unabhängigkeit des Angebots von ADS aufkommen ließen, und daher sei sie verpflichtet, das wettbewerbswidrige Verhalten von ADS und des ehemaligen Mitarbeiters „aufzuklären“.

102    Die Kommission und die Streithelferinnen treten diesem Vorbringen entgegen.

103    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass für öffentliche Aufträge, die ganz oder teilweise aus dem Haushalt finanziert werden, die Grundsätze der Transparenz, der Verhältnismäßigkeit, der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung gelten. Gemäß Art. 18 der Verordnung Nr. 1285/2013 kommen diese Grundsätze im Rahmen der Vergabeverfahren für das Galileo-Programm zur Anwendung.

104    Der Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter, der die Entwicklung eines gesunden und effektiven Wettbewerbs zwischen Unternehmen, die sich um einen öffentlichen Auftrag bewerben, fördern soll, verlangt, dass alle Bieter bei der Abfassung ihrer Angebote die gleichen Chancen haben, was voraussetzt, dass die Angebote aller Wettbewerber den gleichen Bedingungen unterworfen sind. Die Bieter müssen somit sowohl zu dem Zeitpunkt, zu dem sie ihre Angebote vorbereiten, als auch zu dem Zeitpunkt, zu dem diese vom öffentlichen Auftraggeber beurteilt werden, gleichbehandelt werden (vgl. Urteil vom 29. Oktober 2015, Vanbreda Risk & Benefits/Kommission, T‑199/14, EU:T:2015:820, Rn. 64 und 65 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

105    Somit ist der öffentliche Auftraggeber in allen Abschnitten eines Ausschreibungsverfahrens zur Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung und damit der Chancengleichheit aller Bieter verpflichtet (vgl. Urteil vom 13. Dezember 2016, European Dynamics Luxembourg und Evropaïki Dynamiki/Kommission, T‑764/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:723, Rn. 256 und die dort angeführte Rechtsprechung).

106    In Bezug auf das Vorbringen der Klägerin, die Kommission hätte ADS vom streitigen wettbewerblichen Dialog ausschließen müssen, ergibt sich oben aus Rn. 100, dass die Kommission im Fall von ADS die Ausschlusskriterien in Art. 136 der Haushaltsordnung nicht verletzt hat, so dass es keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung darstellen kann, dass ADS nicht ausgeschlossen wurde.

107    In Bezug auf das Vorbringen der Klägerin zur Eigenständigkeit und Unabhängigkeit des Angebots von ADS ist festzustellen, dass im vorliegenden Fall nicht dargetan worden ist, dass Zweifel an dessen Eigenständigkeit und Unabhängigkeit bestehen; hierzu hat die Klägerin im Übrigen nichts Konkretes vorgetragen. Wie sich oben aus Rn. 93 ergibt, enthielt das Schreiben vom 23. Dezember 2020 vielmehr keine konkreten Angaben, anhand deren sich mutmaßlich sensible Informationen der Klägerin über die technischen oder die finanziellen Aspekte ihres Angebots ermitteln ließen, die der ehemalige Mitarbeiter erlangt und ADS übermittelt haben könnte und die von ADS im Rahmen des streitigen wettbewerblichen Dialogs verwendet worden sein könnten, um ihr einen unzulässigen Vorteil zu verschaffen. Ebenso wenig geht aus dem Evaluierungsbericht hervor, dass der Evaluierungsausschuss Zweifel an der Eigenständigkeit und Unabhängigkeit des Angebots von ADS hatte (siehe oben, Rn. 17 und 22).

108    Wie bereits oben in Rn. 96 dargelegt, war die Kommission daher nicht verpflichtet, das behauptete wettbewerbswidrige Verhalten von ADS „aufzuklären“; dies gilt erst recht für das Verhalten des ehemaligen Mitarbeiters.

109    Diese Beurteilung wird durch das auf die Urteile vom 17. Mai 2018, Specializuotas transportas (C‑531/16, EU:C:2018:324), vom 11. Juli 2019, Telecom Italia (C‑697/17, EU:C:2019:599), vom 19. Mai 2009, Assitur (C‑538/07, EU:C:2009:317), und vom 28. Februar 2018, Vakakis kai Synergates/Kommission (T‑292/15, EU:T:2018:103), gestützte Vorbringen der Klägerin nicht in Frage gestellt. Denn diese Rechtsprechung lässt sich nicht auf den vorliegenden Fall übertragen, da sie völlig andere Sachverhalte betraf.

110    So betraf die Rechtssache, in der das Urteil vom 17. Mai 2018, Specializuotas transportas (C‑531/16, EU:C:2018:324), ergangen ist, Verbindungen zwischen Bietern, die in demselben Verfahren gesonderte Angebote eingereicht hatten. Die Rechtssache, in der das Urteil vom 11. Juli 2019, Telecom Italia (C‑697/17, EU:C:2019:599), ergangen ist, betraf die Notwendigkeit der Wahrung rechtlicher und tatsächlicher Identität zwischen dem in der Vorauswahl berücksichtigten Bewerber und dem Bewerber, der das Angebot abgibt. Die Rechtssache, in der das Urteil vom 19. Mai 2009, Assitur (C‑538/07, EU:C:2009:317), ergangen ist, betraf eine nationale Regelung, wonach sich Unternehmen, zwischen denen ein Abhängigkeitsverhältnis besteht oder beträchtlicher Einfluss ausgeübt wird, nicht in Wettbewerb zueinander an demselben Vergabeverfahren beteiligen dürfen. Die Rechtssache, in der das Urteil vom 28. Februar 2018, Vakakis kai Synergates/Kommission (T‑292/15, EU:T:2018:103), ergangen ist, betraf einen Interessenkonflikt eines an der Vorbereitung des Ausschreibungsverfahrens beteiligten Sachverständigen. Im vorliegenden Fall liegt daher keine ähnliche Sach- oder Rechtslage wie in den Rechtssachen vor, in denen die oben genannten Urteile ergangen sind.

111    Schließlich ist das auf das Beweismaß und die Beweislastverteilung gestützte Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen. Wie sich oben aus den Rn. 78 und 79 ergibt, setzt die Befassung des Gremiums voraus, dass der öffentliche Auftraggeber ausreichende Anhaltspunkte dafür hat, dass der Bieter im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit eine schwere, die finanziellen Interessen der Union bedrohende Verfehlung begangen hat. Wie oben in Rn. 96 dargelegt, lagen hier jedoch keine solchen Anhaltspunkte vor.

112    Folglich ist der zweite Teil des ersten Klagegrundes und damit der erste Klagegrund insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: Verletzung der Pflicht zur Prüfung ungewöhnlich niedriger Angebote

113    Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die Kommission habe gegen Anhang I Kapitel 1 Abschnitt 2 Nrn. 23.1 und 23.2 der Haushaltsordnung verstoßen, denn sie habe nicht die beiden darin vorgesehenen Schritte befolgt, um sich zu vergewissern, dass das endgültige Angebot von ADS nicht ungewöhnlich niedrig gewesen sei, obwohl hierfür Anhaltspunkte vorgelegen hätten. Das endgültige Angebot von ADS weise nämlich einen erheblich niedrigeren Preis auf als die endgültigen Angebote von TASI und ihr; daher hätte sich die Kommission nicht auf die Angabe beschränken dürfen, dass ihr dieses Angebot nicht ungewöhnlich niedrig erscheine.

114    Die Kommission und die Streithelferinnen treten diesem Vorbringen entgegen.

115    Nach Anhang I Kapitel 1 Abschnitt 2 Nr. 23.1 Abs. 1 der Haushaltsordnung verlangt der öffentliche Auftraggeber, wenn die bei einem bestimmten Vertrag im Angebot vorgeschlagenen Preise oder Kosten ungewöhnlich niedrig zu sein scheinen, schriftlich Aufklärung über die wesentlichen Bestandteile der Preise oder Kosten, die er für relevant hält, und gibt dem Bieter Gelegenheit zur Stellungnahme. Nach Anhang I Kapitel 1 Abschnitt 2 Nr. 23.2 der Haushaltsordnung lehnt der öffentliche Auftraggeber das Angebot nur dann ab, wenn die beigebrachten Nachweise das niedrige Niveau des vorgeschlagenen Preises bzw. der vorgeschlagenen Kosten nicht zufriedenstellend erklären.

116    Aus den genannten Bestimmungen ergibt sich, dass das Vorliegen ungewöhnlich niedriger Angebote vom öffentlichen Auftraggeber in zwei Schritten geprüft wird (vgl. entsprechend Urteil vom 4. Juli 2017, European Dynamics Luxembourg u. a./Eisenbahnagentur der Europäischen Union, T‑392/15, EU:T:2017:462, Rn. 87).

117    Im ersten Schritt muss der öffentliche Auftraggeber prüfen, ob die eingereichten Angebote ungewöhnlich niedrig zu sein „scheinen“ (vgl. Anhang I Kapitel 1 Abschnitt 2 Nr. 23.1 der Haushaltsordnung). Die Verwendung des Verbs „scheinen“ in der Haushaltsordnung bedeutet, dass der öffentliche Auftraggeber eine Prima-facie-Prüfung der Frage vornimmt, ob ein Angebot ungewöhnlich niedrig ist. Die Haushaltsordnung schreibt daher dem öffentlichen Auftraggeber nicht vor, von Amts wegen die Einzelpositionen jedes Angebots eingehend zu prüfen, um festzustellen, ob es nicht ungewöhnlich niedrig ist. Somit muss der öffentliche Auftraggeber im ersten Schritt nur feststellen, ob die eingereichten Angebote einen Hinweis enthalten, der den Verdacht erwecken kann, dass sie ungewöhnlich niedrig sein könnten (vgl. entsprechend Urteil vom 4. Juli 2017, European Dynamics Luxembourg u. a./Eisenbahnagentur der Europäischen Union, T‑392/15, EU:T:2017:462, Rn. 88).

118    Im zweiten Schritt hat der öffentliche Auftraggeber, falls Hinweise vorliegen, die den Verdacht erwecken können, dass ein Angebot ungewöhnlich niedrig sein könnte, die Einzelpositionen des Angebots zu prüfen, um sich zu vergewissern, dass es nicht ungewöhnlich niedrig ist. Wenn der öffentliche Auftraggeber diese Prüfung vornimmt, muss er es dem Bieter, von dem das Angebot stammt, ermöglichen, die Gründe darzulegen, aus denen er der Ansicht ist, dass sein Angebot nicht ungewöhnlich niedrig ist. Sodann hat der öffentliche Auftraggeber die gegebenen Erläuterungen zu beurteilen und festzustellen, ob das in Rede stehende Angebot ungewöhnlich niedrig ist; trifft dies zu, muss er es ablehnen (vgl. entsprechend Urteil vom 4. Juli 2017, European Dynamics Luxembourg u. a./Eisenbahnagentur der Europäischen Union, T‑392/15, EU:T:2017:462, Rn. 89).

119    Der Begriff „ungewöhnlich niedriges Angebot“ wird in der Haushaltsordnung nicht definiert. Nach der Rechtsprechung ist das Vorliegen eines ungewöhnlich niedrigen Angebots anhand der Einzelposten des Angebots und der betreffenden Leistung zu beurteilen (vgl. entsprechend Urteil vom 16. Mai 2019, Transtec/Kommission, T‑228/18, EU:T:2019:336, Rn. 69 [nicht veröffentlicht] und die dort angeführte Rechtsprechung).

120    Ferner ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass Hinweise, die den Verdacht erwecken können, dass ein Angebot ungewöhnlich niedrig sein könnte, u. a. dann vorliegen können, wenn es ungewiss erscheint, ob ein Angebot die Rechtsvorschriften im Bereich der Vergütung des Personals, der Sozialversicherungsbeiträge, der Einhaltung der Bestimmungen über die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz und des Verkaufs unter Selbstkosten des Landes beachtet, in dem die Leistungen erbracht werden müssten, und ob der angebotene Preis alle mit den technischen Aspekten des Angebots einhergehenden Kosten umfasst. Gleiches gilt, wenn der in einem eingereichten Angebot angeführte Preis erheblich niedriger ist als der Preis bei den anderen eingereichten Angeboten oder als der übliche Marktpreis (vgl. Urteil vom 16. Mai 2019, Transtec/Kommission, T‑228/18, EU:T:2019:336, Rn. 72 [nicht veröffentlicht] und die dort angeführte Rechtsprechung).

121    Die Klägerin macht geltend, der Unterschied zwischen dem Preis des endgültigen Angebots von ADS und den Preisen der endgültigen Angebote der übrigen Bieter stelle einen Hinweis dar, der den Verdacht habe erwecken können, dass das Angebot von ADS ungewöhnlich niedrig sein könnte; dies hätte die Kommission dazu veranlassen müssen, die Einzelposten dieses Angebots zu überprüfen, um sich zu vergewissern, dass es nicht ungewöhnlich niedrig sei.

122    Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Akte, dass die Kommission dem Angebot von ADS auf der Grundlage der vom Evaluierungsausschuss vorgenommenen Einstufung der Angebote den Zuschlag erteilt hat (siehe oben, Rn. 17). Aus der Erteilung des Zuschlags für das Angebot von ADS folgt implizit, aber zwangsläufig, dass die Kommission ebenso wie der Evaluierungsausschuss keine Hinweise dafür sah, dass dieses Angebot ungewöhnlich niedrig war, so dass kein Anlass bestand, Aufklärung über seine Einzelposten zu verlangen. Diese Beurteilung wird durch das Vorbringen der Klägerin nicht in Frage gestellt.

123    Erstens trifft es zwar zu, dass zwischen den Preisen im Angebot von ADS (707 679 174,75 Euro) und in den Angeboten von TASI (804 127 000 Euro) und der Klägerin (822 786 000 Euro) ein Unterschied von 11,99 % bzw. 13,9 % besteht. Nach der Rechtsprechung kann jedoch der bloße Umstand, dass der Preis des Angebots des erfolgreichen Bieters niedriger ist als der des Angebots eines anderen Bieters, als solcher nicht belegen, dass das Angebot des erfolgreichen Bieters ungewöhnlich niedrig ist. Ein Angebot kann nämlich günstiger sein als ein anderes, ohne ungewöhnlich niedrig zu sein (vgl. Urteil vom 26. Januar 2017, TV1/Kommission, T‑700/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:35, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

124    So verhält es sich hier. Der Unterschied zwischen dem Preis des endgültigen Angebots von ADS und dem der übrigen eingereichten Angebote kann für sich allein angesichts der Besonderheiten des betreffenden Auftrags kein Hinweis dafür sein, dass das Angebot von ADS ungewöhnlich niedrig ist.

125    Zum einen ist nämlich darauf hinzuweisen, dass das Ausschreibungsverfahren in Form eines wettbewerblichen Dialogs eingeleitet wurde, da die Kommission bereits ihren Bedarf, nicht aber die genauen zu dessen Deckung am besten geeigneten Mittel ermittelt und festgelegt hatte (siehe oben, Rn. 6). Folglich hingen die Preise der Angebote weitgehend von den verschiedenen technischen Lösungen und Mitteln ab, die der jeweilige Bieter vorschlug, und damit von den jeweiligen Kosten.

126    Zum anderen betraf der streitige wettbewerbliche Dialog den Erwerb von Produkten, für die es keinen Marktpreis gab. Wie die Hauptparteien in der mündlichen Verhandlung auf Frage des Gerichts anerkannt haben, ergibt sich aus den besonderen Merkmalen von Satelliten, dass es sich bei ihnen nicht um Güter handelt, für die ein Standardpreis oder ein Marktpreis gefunden werden kann. Zudem handelte es sich hier um die Beschaffung von Satelliten mit weiterentwickelten Spezifikationen, die für den Übergang von der ersten Generation der Galileo-Satelliten zur zweiten Generation sorgen sollen (siehe oben, Rn. 7), und somit um Satelliten, für die es noch keinen Marktpreis geben konnte.

127    Zweitens bringt die Klägerin neben dem Preisunterschied nichts Konkretes zur Stützung ihrer Behauptung vor, dass das Angebot von ADS ungewöhnlich niedrig hätte erscheinen müssen. Insbesondere macht sie nicht geltend, dass die Rechtsvorschriften des Landes, in dem die Dienstleistungen erbracht werden sollten, nicht eingehalten worden seien oder dass in den von ADS angebotenen Preis nicht alle durch die technischen Aspekte ihres Angebots verursachten Kosten eingeflossen seien. Jedenfalls ist festzustellen, dass der Akteninhalt die Behauptung der Klägerin nicht stützt.

128    Der Zuschlag für den Auftrag sollte nämlich dem wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt werden, wobei das Preiskriterium mit 35 % gewichtet wurde und das Qualitätskriterium mit 65 % (siehe oben, Rn. 8). Das endgültige Angebot von ADS nahm jedoch sowohl beim Preiskriterium als auch beim Qualitätskriterium einen höheren Rang ein als das der Klägerin (siehe oben, Rn. 22).

129    Ferner geht aus den Unterlagen mit den Beschreibungen des streitigen wettbewerblichen Dialogs, in denen die für jede seiner drei Phasen (siehe oben, Rn. 10, 12 und 13) geltenden Bedingungen enthalten sind, hervor, dass die Angebote einen dem technischen Vorschlag entsprechenden finanziellen Vorschlag und detaillierte Finanzdaten, insbesondere getrennte Kostenvoranschläge, enthalten mussten.

130    Insoweit geht aus der Akte hervor, dass im Evaluierungsausschuss in Bezug auf die Evaluierung des Angebots von ADS anhand des vierten Unterkriteriums des Qualitätskriteriums, das die Angemessenheit der Verwaltung, der Kostenberechnung und der Planung der Ausführung der Arbeiten betraf (siehe oben, Rn. 8), keine Bedenken geäußert wurden. Aus dem Schreiben vom 19. Januar 2021 und dem Fax vom 22. Januar 2021 (siehe oben, Rn. 18 und 21) ergibt sich vielmehr, dass das Angebot von ADS bei diesem Unterkriterium den zweiten Rang einnahm.

131    Des Weiteren ergibt sich aus der schriftlichen Antwort der Kommission vom 29. Oktober 2022 auf eine Frage des Gerichts im Rahmen der prozessleitenden Maßnahmen vom 17. Oktober 2022 sowie aus dem dieser Antwort beigefügten Dokument, zu denen die Klägerin in der mündlichen Verhandlung Stellung genommen hat, dass die in den Angeboten der Bieter enthaltenen Finanzdaten von den Bietern in Form von Standarddateien vorgelegt wurden. Zunächst wurden diese Dateien im Evaluierungsausschuss mit Hilfe einer für die Gesamtbeurteilung der Preisbestandteile in den Angeboten entwickelten, als „ESA Costing Software (ECOS)“ bezeichneten Software geprüft. Sodann wurde u. a. für das endgültige Angebot von ADS auf der Grundlage der Analyse durch diese Software eine Übersichtstabelle erstellt, die 21 Unterkategorien von Preisbestandteilen enthält, u. a. die Kosten für Arbeitskräfte und verschiedene technische Elemente sowie eine Gewinnmarge. Schließlich wurden die in den eingereichten Angeboten enthaltenen Finanzdaten – einschließlich der Daten im endgültigen Angebot von ADS – von einem aus 14 Mitgliedern bestehenden Unterausschuss des Evaluierungsausschusses bewertet, der mit der Evaluierung des oben genannten vierten Unterkriteriums betraut war.

132    Demnach ist im vorliegenden Fall nicht dargetan worden, dass Hinweise vorlagen, die bei der Kommission den Verdacht erwecken konnten, dass das Angebot von ADS ungewöhnlich niedrig sein könnte. Folglich war die Kommission nicht zu einer Überprüfung der Einzelposten des Angebots von ADS im Sinne der oben in Rn. 118 angeführten Rechtsprechung verpflichtet, um sich zu vergewissern, dass das Angebot nicht ungewöhnlich niedrig war.

133    Somit hat die Kommission ihre Pflichten hinsichtlich der Prüfung ungewöhnlich niedriger Angebote entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht verletzt.

134    Überdies hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, sie habe mit ihrem Vorbringen, die Kommission habe sich nicht auf die Angabe beschränken dürfen, dass ihr das Angebot von ADS nicht ungewöhnlich niedrig erscheine, einen Begründungsmangel geltend machen wollen.

135    Die Klägerin trägt jedoch kein eigenständiges Argument zur Stützung dieser Rüge eines gerügten Begründungsmangels vor, sondern wirft der Kommission lediglich vor, nicht geprüft zu haben, ob ungewöhnlich niedrige Angebote vorliegen; dies stellt keine Rüge der Verletzung wesentlicher Formvorschriften – insbesondere eines Begründungsmangels der angefochtenen Beschlüsse – dar, sondern betrifft die Begründetheit dieser Beschlüsse. Wie sich oben aus Rn. 132 ergibt, kann diese Rüge, mit der ein Verstoß der Kommission gegen ihre Pflichten hinsichtlich der Prüfung ungewöhnlich niedriger Angebote geltend gemacht wird, aber keinen Erfolg haben.

136    Der zweite Klagegrund ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum dritten Klagegrund: offensichtliche Beurteilungsfehler bei der Evaluierung des Angebots der Klägerin

137    Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, die Kommission habe bei der Evaluierung ihres endgültigen Angebots durch die Billigung des Evaluierungsberichts mehrere „Beurteilungsfehler“ begangen, indem sie ihrem Angebot im Hinblick auf die oben in Rn. 8 genannten fünf Unterkriterien des Qualitätskriteriums Schwachpunkte attestiert habe. Zudem genüge die Evaluierung ihres Angebots nicht den Grundsätzen der Transparenz, der Verhältnismäßigkeit, der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung.

138    Die Kommission, unterstützt durch ADS, und die Italienische Republik treten diesem Vorbringen entgegen.

139    Wie oben in Rn. 38 ausgeführt, verfügt der öffentliche Auftraggeber u. a. bei der Wahl und Beurteilung der Zuschlagskriterien über ein weites Ermessen, so dass sich die Kontrolle des Gerichts bei diesen Fragen auf die Prüfung beschränkt, ob die Verfahrensvorschriften und die Begründungspflicht beachtet wurden, ob der Sachverhalt richtig ermittelt wurde und ob kein offensichtlicher Beurteilungsfehler oder Ermessensmissbrauch vorliegt.

140    Für die Feststellung, dass der öffentliche Auftraggeber einen Fehler begangen hat, der so offensichtlich ist, dass er die Nichtigerklärung der Ablehnung eines Auftragsangebots rechtfertigt, müssen die vom Kläger beigebrachten Beweise ausreichen, um die Würdigungen in der beanstandeten Entscheidung als nicht plausibel erscheinen zu lassen. Mit anderen Worten ist der auf einen offensichtlichen Fehler gestützte Klagegrund zurückzuweisen, wenn die beanstandete Beurteilung trotz der vom Kläger vorgetragenen Umstände zutreffend oder akzeptabel erscheint (vgl. Urteil vom 7. Juni 2017, Blaž Jamnik und Blaž/Parlament, T‑726/15, EU:T:2017:376, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

141    Im vorliegenden Fall war der Zuschlag nach dem Kriterium des wirtschaftlich günstigsten Angebots (Art. 167 Abs. 4 der Haushaltsordnung) zu erteilen, und zwar anhand des mit 35 % gewichteten Preiskriteriums und des mit insgesamt 65 % gewichteten Qualitätskriteriums. Das Qualitätskriterium bestand aus fünf Unterkriterien, die die oben in Rn. 8 genannten Qualitätskomponenten betrafen.

142    Ferner hat die Kommission, wie sich oben aus den Rn. 14 und 17 ergibt, den Evaluierungsbericht gebilligt und auf der Grundlage der Ergebnisse dieses Berichts beschlossen, den Zuschlag nicht dem endgültigen Angebot der Klägerin zu erteilen, sondern den Auftrag an die beiden anderen Bieter zu vergeben.

143    Des Weiteren ergibt sich oben aus den Rn. 18 und 21, dass die Kommission der Klägerin den Teil des Evaluierungsberichts übermittelt hat, der die Einzelheiten der Evaluierung ihres endgültigen Angebots betrifft. Im Rahmen dieser Evaluierung kam der Evaluierungsausschuss zu dem Ergebnis, dass das endgültige Angebot der Klägerin im Hinblick auf die fünf Unterkriterien des Qualitätskriteriums einige Stärken und einige Schwachpunkte habe.

144    Darüber hinaus ergibt sich aus dem Evaluierungsbericht, dass die fraglichen fünf Unterkriterien die Evaluierung der oben in Rn. 8 genannten Qualitätskomponenten betrafen und dass der Evaluierungsausschuss die Evaluierung der Angebote im Hinblick auf diese Komponenten nach Maßgabe des Projekts und der konkreten technischen Lösungen vornahm, die in jedem der von den drei Bietern eingereichten endgültigen Angebote enthalten waren. Folglich sind die vom Evaluierungsausschuss festgestellten und von der Klägerin im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes bestrittenen Schwachpunkte Teil einer konkreten Evaluierung der fraglichen Unterkriterien in Bezug auf den konkreten Inhalt des endgültigen Angebots der Klägerin.

145    Im Licht dieser Erwägungen ist der dritte Klagegrund zu prüfen, mit dem die Klägerin rügt, die Kommission habe offensichtliche Beurteilungsfehler begangen, indem sie ihrem endgültigen Angebot für jedes der fünf Unterkriterien des Qualitätskriteriums bestimmte Schwachpunkte attestiert habe.

–       Zu den offensichtlichen Fehlern in Bezug auf das erste Unterkriterium

146    Die Klägerin trägt vor, die Kommission habe offensichtliche Beurteilungsfehler begangen, indem sie ihrem endgültigen Angebot in Bezug auf das erste, die Angemessenheit und Eignung der vom Bieter vorgeschlagenen personellen und technischen Ressourcen und Anlagen für die im Vorschlag beschriebene technische und programmatische Lösung betreffende Unterkriterium vier Schwachpunkte attestiert habe.

147    Aus dem Evaluierungsbericht ergibt sich, dass die vier Schwachpunkte des ersten Unterkriteriums Folgende waren: Der erste betraf die beschränkte Erfahrung der „[vertraulich]“ der Klägerin, der zweite die beschränkte Erfahrung bestimmter Mitarbeiter in Schlüsselpositionen bestimmter Bereiche, insbesondere in den Bereichen der „[vertraulich]“ und der Daten in Bezug auf die „[vertraulich]“, der dritte den Umstand, dass 24 Mitarbeiter der Klägerin nicht als Manager bezeichnet und ihre Lebensläufe nicht vorgelegt worden seien, obwohl sie wesentliche Aufgaben wahrgenommen hätten, und der vierte den fehlenden Nachweis der Eignung der für das „[vertraulich]“ gewählten Einrichtung.

148    In Bezug auf den ersten und den zweiten Schwachpunkt des ersten Unterkriteriums stellt die Klägerin im Wesentlichen die „beschränkte Erfahrung“ des fraglichen Personals in Abrede und hebt einige Aspekte ihrer Lebensläufe hervor.

149    Wie die Kommission geltend macht, trägt die Klägerin jedoch nichts zum Nachweis dafür vor, dass die Beurteilung durch den Evaluierungsausschuss einen offensichtlichen Fehler aufweist. Zudem kann die bloße Tatsache, dass die Klägerin bestimmten Aspekten der Lebensläufe ihrer Mitarbeiter größere Bedeutung beimisst, nicht ausreichen, um der Gegenmeinung des Evaluierungsausschusses die Plausibilität zu nehmen.

150    In Bezug auf den dritten Schwachpunkt des ersten Unterkriteriums macht die Klägerin geltend, nicht alle Manager seien Mitarbeiter in Schlüsselpositionen, und in den Beschreibungen des streitigen wettbewerblichen Dialogs seien nur die Lebensläufe der Mitarbeiter in Schlüsselpositionen angefordert worden.

151    Somit bestreitet die Klägerin weder, dass sie bei bestimmten Mitarbeitern nicht angegeben hat, dass sie wesentliche Aufgaben wahrnehmen, noch, dass sie deren Lebensläufe nicht vorgelegt hat. Wie sich aus den Schriftsätzen der Hauptparteien ergibt, sind sich die Kommission und die Klägerin nämlich darüber uneinig, welche Mitarbeiter als solche mit wesentlichen Aufgaben identifiziert werden sollten; dies erklärt, dass nach Ansicht der Kommission das Angebot der Klägerin in Bezug auf die Identifizierung einer Reihe von Managern und ihre Lebensläufe unzureichend war. Eine solche Meinungsverschiedenheit kann aber mangels anderer Anhaltspunkte keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler darstellen.

152    In Bezug auf den vierten Schwachpunkt des ersten Unterkriteriums macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, der Nachweis der Eignung einer [vertraulich] sei nicht verlangt worden.

153    Die Kommission wendet ein, in den Beschreibungen der Ausschreibung sei der Nachweis der Eignung dieser Einrichtung verlangt worden, den die Klägerin nicht erbracht habe.

154    In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin auf Fragen des Gerichts geltend gemacht, dass ein solcher Nachweis nicht erforderlich sei, da die fragliche Einrichtung bereits genutzt worden sei.

155    Die Kommission hat vorgetragen, in den Beschreibungen des streitigen wettbewerblichen Dialogs sei ein solcher Nachweis verlangt worden, und er sei insbesondere für die Evaluierung des ersten Unterkriteriums relevant gewesen.

156    Aus der Akte geht hervor, dass die Eignung der Einrichtungen tatsächlich zu den für die Evaluierung des ersten Unterkriteriums relevanten Gesichtspunkten gehörte, da es die Angemessenheit und Eignung u. a. der von den Bietern vorgeschlagenen Anlagen betraf (siehe oben, Rn. 8). Zudem geht aus dem Evaluierungsbericht hervor, dass der Klägerin vorgeworfen wurde, die Eignung der für das „[vertraulich]“ gewählten Einrichtung nicht nachgewiesen zu haben.

157    Das Vorbringen der Klägerin, ein solcher Nachweis sei nicht erforderlich gewesen, weil die fraglichen Einrichtungen bereits genutzt worden seien, nimmt der Beurteilung durch den Evaluierungsausschuss jedoch nicht die Plausibilität. Denn in Anbetracht der technischen Komplexität des fraglichen Auftrags und der Tatsache, dass die Eignung der Einrichtungen im Hinblick auf die im Angebot beschriebene technische und programmatische Lösung zu beurteilen war, ist dem Evaluierungsausschuss kein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen, als er in dem Umstand, dass eine Einrichtung bereits genutzt wurde, keinen ausreichenden Nachweis ihrer Eignung für die im Angebot vorgeschlagene konkrete Lösung sah; folglich war die Klägerin nicht davon befreit, diesen Nachweis zu erbringen.

158    Infolgedessen ist das Vorbringen der Klägerin, mit dem offensichtliche Beurteilungsfehler in Bezug auf das erste Unterkriterium der Evaluierung gerügt werden, zurückzuweisen.

–       Zu den offensichtlichen Fehlern in Bezug auf das zweite Unterkriterium

159    Die Klägerin trägt vor, die Kommission habe offensichtliche Beurteilungsfehler begangen, indem sie ihrem endgültigen Angebot im Hinblick auf das zweite, das Verständnis der Anforderungen und Ziele – einschließlich im Bereich der Sicherheit –, die Qualifikation und den Reifegrad des vorgeschlagenen Projekts, dessen Eignung, Qualität und Robustheit sowie die Übereinstimmung mit den technischen Bedingungen betreffende Unterkriterium fünf Schwachpunkte attestiert habe.

160    Aus dem Evaluierungsbericht ergibt sich, dass die fünf Schwachpunkte des zweiten Unterkriteriums Folgende waren: Der erste betraf die „geringe Ausgereiftheit“ bei der Entwicklung der [vertraulich] Subsysteme, der zweite die „[vertraulich]“ und die „geringe Ausgereiftheit“ bestimmter im endgültigen Angebot der Klägerin enthaltener technischer Elemente, der dritte die Anwendung der probabilistischen Methode „[vertraulich]“, die zu einem Risiko der Unterschätzung führe, der vierte ein „geringes Konfidenzniveau“ in die Einhaltung der „[vertraulich]“, und der fünfte die ungerechtfertigte Absenkung bestimmter als „[vertraulich]“ bezeichneter Anforderungen an Unterauftragnehmer und Zulieferer.

161    In Bezug auf den ersten Schwachpunkt des zweiten Unterkriteriums trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, die Bewertung des Evaluierungsausschusses werde nicht begründet und sei willkürlich.

162    Zur Stützung ihres Vorbringens führt die Klägerin aber nur einige allgemeine Merkmale der fraglichen Subsystemart an, ohne konkrete Belege für offensichtliche Fehler der Beurteilung des Evaluierungsausschusses in Bezug auf das in ihrem endgültigen Angebot ausdrücklich genannte [vertraulich] Subsystem zu liefern.

163    Zum zweiten Schwachpunkt des zweiten Unterkriteriums trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, die Bewertung sei willkürlich und teilweise sachlich fehlerhaft, und die „geringe Ausgereiftheit“ entspreche keinem vorgesehenen Kriterium und treffe jedenfalls auf die meisten Elemente nicht zu.

164    Der Kommission ist allerdings beizupflichten, dass das Vorbringen der Klägerin zum einen zu vage ist und zum anderen auf einem Fehlverständnis der Begründung des zweiten Schwachpunkts zu beruhen scheint. Wie sich aus dem Evaluierungsbericht ergibt, betraf die Beurteilung des Evaluierungsausschusses hinsichtlich der „geringen Ausgereiftheit“ nämlich speziell die „[vertraulich]“ und nicht die technologische Ausgereiftheit im Allgemeinen. Da die Klägerin die „[vertraulich]“ nicht bestreitet, kann ihr Vorbringen, mit dem sie einen offensichtlichen Beurteilungsfehler rügt, keinen Erfolg haben.

165    In Bezug auf den dritten Schwachpunkt des zweiten Unterkriteriums trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, die Bewertung sei einseitig, willkürlich und falsch, da probabilistische Methoden grundsätzlich in alle Richtungen arbeiteten und daher sowohl Unter- als auch Überschätzungen auftreten könnten. Außerdem werde die Verwendung validierter Modelle, wie von der Kommission angemerkt, für derartige Untersuchungen nirgends gefordert. Jedenfalls sei diese Bewertung überzogen, da die Kommission selbst angebe, dass eine Unterschätzung nicht missionskritisch sei.

166    Insoweit ergibt sich aus dem Evaluierungsbericht, dass der Evaluierungsausschuss zum einen bemängelt hat, dass das endgültige Angebot der Klägerin keine Informationen über die Validierung des Modells enthalte, mit denen sich die vorgeschlagene Methode rechtfertigen ließe, und zum anderen, dass das Risiko einer Unterschätzung der „[vertraulich]“ bestehe. Da das Vorbringen der Klägerin nur aus vagen und allgemeinen Erwägungen besteht, reicht es nicht zum Nachweis dafür aus, dass dem Evaluierungsausschuss bei seiner Evaluierung dieser Methode und des Risikos einer Unterschätzung ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen ist.

167    In Bezug auf den vierten Schwachpunkt des zweiten Unterkriteriums trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, die Beurteilung sei willkürlich und werde nicht begründet.

168    In der Klageschrift räumt die Klägerin allerdings ein, dass in ihrem endgültigen Angebot darauf hingewiesen worden sei, dass die diesen Punkt betreffenden Bedingungen nur zu 68 % erfüllt seien. Daher ist nicht dargetan, dass die Beurteilung der Kommission, wonach einer Situation, in der die Bedingungen nur zu 68 % garantiert waren, ein „geringes Konfidenzniveau“ zugeschrieben wurde, nicht plausibel ist.

169    In Bezug auf den fünften Schwachpunkt des zweiten Unterkriteriums trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, die Beurteilung sei unsubstantiiert und willkürlich, da nicht angegeben werde, was „unkorrekt“ sei, während bei anderen derartigen Anforderungen in der Regel eine „Anpassung“ durch den Bieter von der ESA genehmigt werde.

170    Dieses Vorbringen stellt die im Evaluierungsbericht enthaltene Beurteilung, wonach sich aus der Analyse des die Unterauftragnehmer betreffenden Dokuments der Klägerin in ihrem endgültigen Angebot ergebe, dass dieses Dokument die Bedingungen des streitigen wettbewerblichen Dialogs im Hinblick auf Unterauftragnehmer und Zulieferer nicht korrekt wiedergebe, nicht in Frage.

171    Das Vorbringen der Klägerin zum zweiten Unterkriterium der Evaluierung ist daher zurückzuweisen.

–       Zu den offensichtlichen Fehlern in Bezug auf das dritte Unterkriterium

172    Die Klägerin trägt vor, die Kommission habe offensichtliche Beurteilungsfehler begangen, indem sie ihrem endgültigen Angebot im Hinblick auf das dritte, die Qualität und Eignung des Arbeitsprogramms, die Einhaltung des Lastenhefts, die Geeignetheit der technischen Planung sowie die Vorgehensweise bei Tests und Versuchen, die Risikoermittlung und die Vorschläge zur Risikominderung einschließlich der technologischen Diversifizierung betreffende Unterkriterium sechs Schwachpunkte attestiert habe.

173    Aus dem Evaluierungsbericht ergibt sich, dass die sechs Schwachpunkte des dritten Unterkriteriums Folgende waren: Der erste betraf die unvollständige Erfüllung der Voraussetzungen in Bezug auf bestimmte vorgeschlagene Konzeptionen, der zweite den Umstand, dass für ein bestimmtes Komposit keine Tests vorgeschlagen wurden, insbesondere eine „[vertraulich]“, der dritte Testverfahren, die sich insbesondere auf die „[vertraulich]“ beschränkten, der vierte den Umstand, dass in Bezug auf bestimmte Verifikationen keine Vorschläge gemacht wurden, insbesondere „[vertraulich]“, der fünfte eine nicht glaubhafte Kategorisierung der Risiken und eine unvollständige Liste der Risiken beim „[vertraulich]“ und der sechste Mängel des [vertraulich]-Plans.

174    In Bezug auf den ersten Schwachpunkt des dritten Unterkriteriums trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, die Bewertung sei willkürlich und teilweise sachlich fehlerhaft. Sie gibt an, welcher Test ihrer Ansicht nach qualifikationsrelevant war und welcher Test es nicht war. Ferner gibt sie an, in welcher Reihenfolge die Tests ihrer Ansicht nach durchgeführt werden sollten.

175    Insoweit ist festzustellen, dass der Evaluierungsbericht konkrete Angaben zu den Problemen enthält, die nach Ansicht des Evaluierungsausschusses im endgültigen Angebot der Klägerin hinsichtlich der für die Qualifikation vorgeschlagenen Tests und der Reihenfolge ihrer Durchführung bestehen. Die Klägerin hält dieser Beurteilung jedoch nur entgegen, welche Tests ihrer Ansicht nach qualifikationsrelevant waren und wie sie durchzuführen seien.

176    Folglich beschränkt sich das Vorbringen der Klägerin auf die Äußerung einer in technischer Hinsicht abweichenden Meinung, was nicht zum Nachweis dafür ausreichen kann, dass die Beurteilung des Evaluierungsausschusses einen offensichtlichen Beurteilungsfehler enthält, zumal die Klägerin keinen konkreten Gesichtspunkt vorträgt, der Zweifel an der Plausibilität dieser Beurteilung zuließe.

177    In Bezug auf den zweiten Schwachpunkt des dritten Unterkriteriums, der den Umstand betraf, dass keine Tests vorgeschlagen wurden, trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, das in ihrem Angebot vorgeschlagene Verfahren sei nicht ungewöhnlich und vom Lieferanten des Trägers und der Raketen akzeptiert worden. Darüber hinaus bringe das von ihr vorgeschlagene Konzept insgesamt nur geringe Risiken mit sich, was die Beurteilung des Evaluierungsausschusses in Bezug auf das Vorliegen eines „großen Risikos“ in Frage stelle.

178    Aus dem Evaluierungsbericht ergibt sich, dass der Evaluierungsausschuss im Wesentlichen bemängelt hat, dass der Vorschlag der Klägerin insoweit Risikoelemente im Zusammenhang mit dem [vertraulich] der Satelliten enthalte und diese Risiken nicht minimiert worden seien, da u. a. bestimmte Tests [vertraulich] nicht vorgesehen und nur Simulationen vorgeschlagen worden seien. Insbesondere sei kein „[vertraulich]“ für das „[vertraulich]“ vorgesehen gewesen. Ferner sei die Vorgehensweise der Klägerin aufgrund der in ihrem Angebot vorgeschlagenen komplexen Struktur und der fehlenden Einplanung von Tests riskant.

179    Aus der Antwort der Kommission auf eine Frage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung ergibt sich zudem, dass die vom Evaluierungsausschuss beanstandeten fehlenden Tests darauf abzielten, die fragliche Struktur [vertraulich] zu testen, um die mit dem Start der Satelliten verbundenen Risiken zu minimieren.

180    Daher ist das Vorbringen der Klägerin, das vorgeschlagene Konzept bringe insgesamt nur geringe Risiken mit sich, nicht substantiiert und reicht nicht aus, um die Plausibilität der Beurteilung des Evaluierungsausschusses in Bezug auf die Notwendigkeit von Tests, mit denen die mit dem Satellitenstart zwangsläufig verbundenen Risiken minimiert werden sollen, in Frage zu stellen.

181    In Bezug auf den dritten Schwachpunkt des dritten Unterkriteriums, der die beschränkten Testverfahren betrifft, trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, dass die Beurteilung unsubstantiiert sei, willkürlich sei und nicht berücksichtigt habe, dass die Frage von einem in diesem Bereich weltweit führenden Unternehmen geprüft worden sei.

182    Aus dem Evaluierungsbericht ergibt sich, dass der Evaluierungsausschuss zu dem Ergebnis kam, dass das endgültige Angebot der Klägerin in der Entwicklungsphase beschränkte mechanische Tests zu einem bestimmten Punkt umfasste, und zwar dem „[vertraulich]“.

183    Die Klägerin hat nicht dargetan, dass diese Evaluierung einen offensichtlichen Beurteilungsfehler enthält, da sie sich nur auf die Ansicht eines dritten Unternehmens beruft, die von der des Evaluierungsausschusses abweicht.

184    In Bezug auf den vierten Schwachpunkt des dritten Unterkriteriums, der den Umstand betraf, dass in Bezug auf bestimmte Verifikationen keine Vorschläge gemacht worden seien, trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, der Evaluierungsausschuss habe zu Unrecht angenommen, dass es keine Analyse „[vertraulich]“ gegeben habe, da ihr Angebot eine Beschreibung des „[vertraulich]“-Systems zumindest auf der Ebene einiger Subsysteme wie „[vertraulich]“, „[vertraulich]“ und „[vertraulich]“ enthalten habe.

185    Das Vorbringen der Klägerin ist aber zum einen sehr allgemein gehalten und betrifft zum anderen nicht den vom Evaluierungsausschuss konkret beanstandeten Umstand. Denn nach dessen Ansicht wird im endgültigen Angebot der Klägerin keine Analyse oder Verifikation der [vertraulich] auf der Subsystemebene einschließlich der Nutzlast vorgeschlagen, während die Klägerin behauptet, dass sie bestimmte Subsysteme des „[vertraulich]“-Systems beschrieben habe. Das Vorbringen der Klägerin kann daher keinen Erfolg haben.

186    In Bezug auf den fünften Schwachpunkt des dritten Unterkriteriums, der die Kategorisierung der Risiken betrifft, trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, Risikobewertungen seien definitionsgemäß nicht präzise und hingen von der persönlichen Meinung ab. So stimmten die Beurteilungen des Evaluierungsausschusses hinsichtlich des Risikoniveaus zwar nicht mit ihren eigenen überein, doch bedeute dies nicht, dass die Evaluierung des Ausschusses stets richtig sei, wie bestimmte von ihr angeführte Beispiele belegten.

187    Selbst wenn man davon ausgeht, dass Risikobewertungen definitionsgemäß nicht präzise sind, wie die Klägerin vorträgt, kann eine von der Evaluierung des Evaluierungsausschusses abweichende Evaluierung durch die Klägerin nicht ausreichen, um einen offensichtlichen Beurteilungsfehler des Evaluierungsausschusses nachzuweisen. Das Vorbringen der Klägerin kann daher keinen Erfolg haben.

188    In Bezug auf den sechsten Schwachpunkt des dritten Unterkriteriums, der Mängel des [vertraulich]-Plans betraf, trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, die Beurteilung werde nicht begründet, und es sei eine „doppelte Negativbewertung“ vorgenommen worden, da der Punktabzug insoweit bereits im Rahmen des zweiten Unterkriteriums vorgenommen worden sei. Zudem sei ein generischer [vertraulich]-Plan normal, insbesondere auf einem so spezialisierten Gebiet wie dem hier vorliegenden. Der von ihr vorgelegte Plan genüge jedenfalls allen Anforderungen.

189    Aus der Akte ergibt sich, dass der Evaluierungsausschuss bemängelt hat, dass das endgültige Angebot der Klägerin keinen hinreichend detaillierten [vertraulich]-Plan enthalten habe, wobei er einige konkrete Punkte angegeben hat, die seiner Ansicht nach fehlten.

190    Zum einen ist festzustellen, dass das auf eine „doppelte Negativbewertung“ gestützte Vorbringen der Klägerin auf einem Missverständnis der Tragweite des zweiten und des dritten Unterkriteriums beruht. Denn im Rahmen des fünften Schwachpunkts des zweiten Unterkriteriums hat der Evaluierungsausschuss die ungerechtfertigte Absenkung bestimmter Anforderungen an Unterauftragnehmer und Zulieferer beurteilt, während die Evaluierung im Rahmen des sechsten Schwachpunkts des dritten Unterkriteriums, um den es hier geht, den [vertraulich]-Plan betraf (siehe oben, Rn. 160 und 173). Die von der Klägerin behauptete „doppelte Negativbewertung“ ist somit nicht dargetan.

191    Zum anderen wird mit dem Vorbringen der Klägerin nicht in Frage gestellt, dass ihr [vertraulich]-Plan nicht die im Evaluierungsbericht genannten Angaben enthielt; sie räumt vielmehr ein, dass dieser Plan eher allgemein gehalten war. Zudem trägt die Klägerin keinen konkreten Anhaltspunkt vor, mit dem dargetan werden könnte, dass der Evaluierungsausschuss einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, als er die Eignung eines [vertraulich]-Plans mit allgemeinem Charakter negativ bewertete.

192    Nach alledem ist das Vorbringen der Klägerin, mit dem offensichtliche Beurteilungsfehler in Bezug auf das dritte Unterkriterium der Evaluierung gerügt werden, zurückzuweisen.

–       Zu den offensichtlichen Fehlern in Bezug auf das vierte Unterkriterium

193    Die Klägerin trägt vor, die Kommission habe offensichtliche Beurteilungsfehler begangen, indem sie ihrem endgültigen Angebot im Hinblick auf das vierte, die Angemessenheit der Verwaltung, der Kostenberechnung und der Planung der Ausführung der Arbeiten betreffende Unterkriterium vier Schwachpunkte attestiert habe.

194    Aus dem Evaluierungsbericht ergibt sich, dass die vier Schwachpunkte des vierten Unterkriteriums Folgende waren: Der erste betraf die Solidität des Zeitplans, der zweite den Umstand, dass im Zeitplan einige Punkte, nämlich der „[vertraulich]“ und eine [vertraulich], nicht klar angegeben waren, der dritte die Angemessenheit des „Risikobudgets und der Kostenberechnung“, insbesondere den Umstand, dass die „[vertraulich]“ als [vertraulich] angesehen wurden, und der vierte die Planung des Cashflows.

195    In Bezug auf den ersten und den zweiten Schwachpunkt des vierten Unterkriteriums macht die Klägerin zum einen im Wesentlichen geltend, sie hätten einem einzigen Schwachpunkt entsprochen, der folglich eine „doppelte Negativbewertung“ erhalten habe. Zum anderen wendet sich die Klägerin gegen die negative Evaluierung eines bestimmten Punktes, der die Identifizierung des als „[vertraulich]“ bezeichneten Elements betraf, die ihrer Ansicht nach nicht erforderlich war.

196    Aus der vorstehenden Rn. 194 ergibt sich, dass zwar sowohl der erste als auch der zweite Schwachpunkt des vierten Unterkriteriums den Zeitplan betrafen. Der erste Schwachpunkt betraf jedoch die Solidität des Zeitplans, der zweite hingegen bestimmte darin fehlende Angaben. In diesem Zusammenhang ist das Vorbringen der Klägerin, zur Vermeidung einer „doppelten Negativbewertung“ hätten diese beiden Punkte einen einzigen Schwachpunkt bilden müssen, unbegründet, da die zu evaluierenden Aspekte nicht übereinstimmen. Zudem bestreitet die Klägerin nicht, dass ihr Zeitplan das als „[vertraulich]“ bezeichnete Element nicht eindeutig identifizierte, sondern sie trägt nur vor, dass diese Angabe nicht erforderlich gewesen sei. Die Klägerin hat somit nicht dargetan, dass der Evaluierungsausschuss bei seiner Evaluierung einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat.

197    In Bezug auf den dritten Schwachpunkt des vierten Unterkriteriums macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, das vorgeschlagene [vertraulich] sei angemessen, da es mit dem [vertraulich] im Einklang stehe, wie im Evaluierungsbericht eingeräumt werde. Ferner sei jede Risikobewertung subjektiv, und zudem habe der Evaluierungsausschuss eine „doppelte Negativbewertung“ der Risiken vorgenommen.

198    Die Klägerin lässt bei ihrem Vorbringen allerdings außer Acht, dass die Beurteilung der Angemessenheit des „[vertraulich]“ anhand einer Kostenberechnung erfolgte, die sie nicht einmal erwähnt. Denn aus dem Evaluierungsbericht geht hervor, dass dieses Budget insbesondere im Hinblick auf die Komplexität der Tätigkeit und die Zahl der durchzuführenden Entwicklungen als niedrig angesehen wurde.

199    Des Weiteren ist das Vorbringen der Klägerin, es liege eine doppelte Negativbewertung der Risiken vor, in keiner Weise substantiiert. Zudem darf die im vorliegenden Fall in Rede stehende Bewertung des Budgets für „[vertraulich]“ nicht mit der Bewertung anderer Risiken verwechselt werden.

200    In Bezug auf den vierten Schwachpunkt des vierten Unterkriteriums macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, die Beurteilung sei voreingenommen und konstruiert, da die ESA keinen „neutralen“ Cashflow erlaube und der vorgeschlagene Cashflow dem anderer Projekte ähnele, die sie der ESA vorgelegt habe.

201    Hierzu ergibt sich aus dem Evaluierungsbericht, dass bestimmte Bestandteile des Cashflows als „unausgewogen und nicht mit der Anforderung eines neutralen Cashflow vereinbar“ angesehen wurden. Ferner geht aus der Akte hervor, dass das Erfordernis eines neutralen Cashflows in Nr. 5.4.6.5 der oben in Rn. 13 genannten „Vergabebedingungen für die Aufforderung zur Einreichung eines endgültigen Angebots“ vorgesehen war. In diesem Zusammenhang kann das Vorbringen der Klägerin keinen Erfolg haben, da etwaige Unterschiede zu anderen Vergabeverfahren insoweit irrelevant sind.

202    Das Vorbringen der Klägerin, mit dem offensichtliche Beurteilungsfehler in Bezug auf das vierte Unterkriterium der Evaluierung gerügt werden, ist daher zurückzuweisen.

–       Zu dem offensichtlichen Fehler in Bezug auf das fünfte Unterkriterium

203    Die Klägerin trägt vor, die Kommission habe einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, indem sie ihrem endgültigen Angebot im Hinblick auf das fünfte, die Einhaltung der Ausschreibungsbedingungen und des Vertrags betreffende Unterkriterium einen Schwachpunkt attestiert habe.

204    Aus dem Evaluierungsbericht geht hervor, dass der Schwachpunkt des fünften Unterkriteriums Angaben im [vertraulich] bestimmter Unterauftragnehmer betraf, die für inkorrekt gehalten wurden.

205    Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, diese Beurteilung sei willkürlich, da keine Begründung angegeben werde, und dieses Unterkriterium sei zu niedrig veranschlagt worden, da nur ein Schwachpunkt festgestellt und ansonsten ein gutes Ergebnis erzielt worden sei.

206    Die Klägerin trägt aber weder einen Anhaltspunkt für Zweifel an der Plausibilität der Beurteilung der fraglichen Angaben als „inkorrekt“ vor noch einen Anhaltspunkt dafür, dass die Gesamtbewertung des fünften Unterkriteriums einen offensichtlichen Beurteilungsfehler aufwies.

207    Das Vorbringen der Klägerin, mit dem ein offensichtlicher Beurteilungsfehler in Bezug auf das fünfte Unterkriterium der Evaluierung gerügt wird, ist daher zurückzuweisen.

208    Des Weiteren ist erstens festzustellen, dass die Klägerin zur Stützung ihrer allgemein gehaltenen Rüge eines Verstoßes gegen die Grundsätze der Transparenz, der Verhältnismäßigkeit, der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung neben den geltend gemachten und soeben geprüften offensichtlichen Beurteilungsfehlern keine weiteren Argumente vorträgt.

209    Zweitens sind die Rügen der Klägerin zurückzuweisen, mit denen sie in Bezug auf die vom Evaluierungsausschuss vorgenommenen Beurteilungen des ersten und des fünften Schwachpunkts des zweiten Unterkriteriums, des dritten und des sechsten Schwachpunkts des dritten Unterkriteriums sowie des einzigen Schwachpunkts des fünften Unterkriteriums einen Begründungsmangel geltend macht (siehe oben, Rn. 161, 169, 181, 188 und 205).

210    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Umfang der Begründungspflicht von der Art des in Rede stehenden Rechtsakts und dem Kontext seines Erlasses abhängt. Die Begründung muss die Überlegungen des Organs so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass es den Betroffenen möglich ist, Kenntnis von den Gründen für die getroffene Maßnahme zu erlangen, damit sie ihre Rechte verteidigen und prüfen können, ob die Entscheidung in der Sache begründet ist oder nicht, und dass der Unionsrichter die ihm obliegende Rechtmäßigkeitskontrolle vornehmen kann (vgl. Urteil vom 14. Februar 2006, TEA-CEGOS u. a./Kommission, T‑376/05 und T‑383/05, EU:T:2006:47, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

211    Im vorliegenden Fall werden – wie sich oben aus den Rn. 18, 21 und 141 bis 207 ergibt – die Gründe, aus denen der Evaluierungsausschuss im endgültigen Angebot der Klägerin bestimmte Schwachpunkte festgestellt hat, in dem ihr übermittelten Teil des Evaluierungsberichts klar angegeben, und sie konnte die Stichhaltigkeit dieser Begründung vor dem Gericht beanstanden, das in der Lage war, die ihm obliegende Rechtmäßigkeitskontrolle vorzunehmen, wie sich aus der vorstehenden Prüfung ergibt.

212    Drittens ist das im Rahmen der Erwiderung vorgebrachte Argument zurückzuweisen, dass die Klägerin keine eingehenderen Argumente zur Stützung des vorliegenden Klagegrundes habe vorbringen können, weil sie keine umfassende Einsicht in die Akte des streitigen wettbewerblichen Dialogs gehabt habe und das oben in Rn. 21 genannte Fax nur auszugsweise Informationen über die erfolgreichen Angebote und die Evaluierung ihres endgültigen Angebots enthalten habe.

213    Wie bereits oben in Rn. 48 dargelegt, hat die Kommission ihre in Art. 170 Abs. 2 und Abs. 3 Buchst. a der Haushaltsordnung näher ausgestaltete Pflicht zur Begründung der angefochtenen Beschlüsse im Einklang mit den Anforderungen nach der oben in den Rn. 41 bis 45 angeführten Rechtsprechung erfüllt.

214    Insbesondere geht oben aus den Rn. 18 und 21 hervor, dass die Klägerin Kenntnis von den bei der Evaluierung ihres endgültigen Angebots festgestellten Schwachpunkten und den Einzelheiten ihrer Beurteilungen erlangt hat. Ferner hat diese Begründung es der Klägerin ermöglicht, vor dem Unionsrichter die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Beschlüsse geltend zu machen, insbesondere in Bezug auf die Beurteilungen dieser im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes beanstandeten Schwachpunkte. Daraus folgt, dass die Klägerin in der Lage war, die Gründe, aus denen die Kommission ihr Angebot abgelehnt hat, zur Kenntnis zu nehmen und sachgerecht in Frage zu stellen, und dass das Gericht die Stichhaltigkeit dieser Gründe überprüfen konnte.

215    Demnach ist der dritte Klagegrund ist zurückzuweisen.

 Zum vierten Klagegrund: Verletzung der Pflicht der Kommission zur eigenständigen Entscheidung über die Auftragsvergabe

216    Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, die Kommission habe ihre Pflicht zur eigenständigen Entscheidung über die Auftragsvergabe dadurch verletzt, dass sie die Ergebnisse des Evaluierungsberichts lediglich bestätigt habe. Aus der Verantwortung für das Galileo‑Programm, die die Kommission gemäß Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1285/2013 trage, folge für sie die Pflicht, im Rahmen des streitigen wettbewerblichen Dialogs eine eigenständige Entscheidung über die Auftragsvergabe zu treffen. Die gemäß Art. 15 der Verordnung zwischen der Kommission und der ESA geschlossenen Übertragungsvereinbarungen könnten diese Verantwortung der Kommission weder einschränken noch modifizieren. Außerdem sei die Kommission nicht an den Vorschlag im Evaluierungsbericht gebunden und müsse die Angebote der Bieter selbst prüfen, zumal es im vorliegenden Fall Anzeichen für eine fehlerhafte Beurteilung durch den Evaluierungsausschuss gebe, was die Kommission zu einer sorgfältigen Prüfung des Berichts hätte veranlassen müssen.

217    Die Kommission, unterstützt durch ADS, und die Italienische Republik treten diesem Vorbringen entgegen.

218    Erstens ist das Vorbringen der Klägerin zur Verantwortung der Kommission im Rahmen des Galileo‑Programms zurückzuweisen.

219    Es trifft zwar zu, dass die Kommission die Gesamtverantwortung für das Galileo‑Programm trägt und dass sie für dessen Errichtungsphase eine Übertragungsvereinbarung mit der ESA zu schließen hat, in der die Aufgaben der ESA, insbesondere in Bezug auf die Vergabe das System betreffender Aufträge, genau aufgeführt werden. Im Rahmen dieser zwischen der Kommission und der ESA geschlossenen Übertragungsvereinbarung war die ESA, die im Namen und Auftrag der Kommission handelte, mit der Durchführung des streitigen wettbewerblichen Dialogs betraut, während die Kommission der öffentliche Auftraggeber blieb (siehe oben, Rn. 4 und 5).

220    Entgegen der von der Klägerin offenbar vertretenen Auffassung kann die Verantwortung für das Galileo‑Programm die Pflichten der Kommission als öffentlicher Auftraggeber jedoch weder ändern noch erweitern; es bleibt bei den allgemein in Titel VII der Haushaltsordnung und, insbesondere hinsichtlich der im Rahmen der Errichtung des Galileo‑Programms vergebenen öffentlichen Aufträge, in Kapitel V der Verordnung Nr. 1285/2013 vorgesehenen Pflichten.

221    Zweitens ist das Vorbringen der Klägerin, mit dem sie die Verletzung einer Pflicht der Kommission zur eigenständigen Entscheidung über die Auftragsvergabe rügt, zurückzuweisen.

222    Zunächst ist festzustellen, dass nach Art. 150 Abs. 1 und 2 der Haushaltsordnung die im Rahmen einer Ausschreibung eingereichten Angebote von einem Evaluierungsausschuss bewertet werden, der vom öffentlichen Auftraggeber benannt wird. Der öffentliche Auftraggeber kann nur in den in Art. 168 Abs. 5 der Haushaltsordnung vorgesehenen Fällen darauf verzichten, einen Evaluierungsausschuss einzusetzen. Sodann ergibt sich aus Anhang I Kapitel 1 Abschnitt 2 Nr. 30.1 der Haushaltsordnung, dass das Ergebnis der Evaluierung durch den Evaluierungsausschuss ein Evaluierungsbericht mit dem Vorschlag für die Auftragsvergabe ist. Schließlich trifft der öffentliche Auftraggeber gemäß Anhang I Kapitel 1 Abschnitt 2 Nr. 30.3 der Haushaltsordnung seine Entscheidung, indem er den Evaluierungsbericht genehmigt, indem er gegebenenfalls begründet, weshalb er der im Evaluierungsbericht abgegebenen Empfehlung nicht folgt, oder indem er gegebenenfalls eine Begründung für den Verzicht auf die Vergabe des Auftrags gibt.

223    Daraus folgt zum einen, dass es in Fällen, in denen der öffentliche Auftraggeber einen Evaluierungsausschuss eingesetzt hat, diesem Ausschuss obliegt, die Evaluierung der eingereichten Angebote vorzunehmen. Zum anderen trifft es zwar zu, dass der öffentliche Auftraggeber nicht an den Evaluierungsbericht gebunden ist, doch darf er in den Fällen, in denen er beschließt, dem darin formulierten Vergabevorschlag zu folgen, seine Vergabeentscheidung auf den Bericht stützen.

224    Im vorliegenden Fall wurden die endgültigen Angebote der Bieter von einem aus Vertretern der ESA, der GSA und der Kommission bestehenden Evaluierungsausschuss evaluiert, der die Ergebnisse seiner Evaluierung in einem Evaluierungsbericht darlegte, auf dessen Grundlage die Kommission die angefochtenen Beschlüsse erließ (siehe oben, Rn. 14 und 17). Ferner bestand dieser Ausschuss, wie die Kommission ausführt, ohne dass ihr die Klägerin widersprochen hätte, aus einer Gruppe von etwa 70 Personen, die über die im Hinblick auf den Gegenstand des Auftrags erforderliche Erfahrung und Kompetenz verfügten.

225    Daher ändert der Umstand, dass die angefochtenen Beschlüsse unter Bezugnahme auf den Evaluierungsbericht begründet wurden, wobei sich die Kommission die Begutachtung des mit der Evaluierung der eingereichten Angebote betrauten Evaluierungsausschusses zu eigen machte, nichts daran, dass diese Beschlüsse von der Kommission in ihrer Eigenschaft als öffentlicher Auftraggeber eigenständig erlassen wurden.

226    Drittens ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, mit dem sie eine fehlerhafte Beurteilung der Angebote durch den Evaluierungsausschuss rügt, da dieses sehr allgemein gehaltene Vorbringen keine Eigenständigkeit gegenüber dem Vorbringen der Klägerin im Rahmen des dritten Klagegrundes besitzt, das zurückgewiesen worden ist (siehe oben, Rn. 215).

227    Nach alledem ist der vierte Klagegrund zurückzuweisen, ohne dass über die von der Italienischen Republik in ihrem Streithilfeschriftsatz erhobene Rüge der Unzulässigkeit entschieden zu werden braucht.

 Zum Antrag auf eine prozessleitende Maßnahme oder eine Beweisaufnahme

228    Soweit der zweite, auf Vorlage der Akte über den streitigen wettbewerblichen Dialog gerichtete Antrag als Antrag auf eine prozessleitende Maßnahme oder eine Beweisaufnahme auszulegen sein sollte (siehe oben, Rn. 32), ist ihm jedenfalls nicht stattzugeben.

229    Die Klägerin gibt nämlich unter Missachtung des Erfordernisses in Art. 88 Abs. 2 der Verfahrensordnung nicht genau an, welche Gründe ihren Antrag rechtfertigen können. Im Übrigen gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Vorlage der Akte für die Entscheidung über die vorliegende Klage relevant oder sachdienlich wäre.

230    Zudem kann nach ständiger Rechtsprechung von der Kommission nicht verlangt werden, dass sie einem abgelehnten Bieter eine detaillierte vergleichende Analyse seines Angebots und des erfolgreichen Angebots übermittelt. Desgleichen ist der öffentliche Auftraggeber nicht verpflichtet, dem abgelehnten Bieter auf dessen schriftlichen Antrag eine vollständige Kopie des Evaluierungsberichts auszuhändigen (vgl. entsprechend Urteil vom 8. Juli 2020, Securitec/Kommission, T‑661/18, EU:T:2020:319, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).

231    Jedenfalls reichen die in der Akte der vorliegenden Rechtssache enthaltenen Angaben aus, um dem Gericht eine Entscheidung zu ermöglichen; es war in der Lage, auf der Grundlage der Anträge, der Angriffs- und Verteidigungsmittel und der im Lauf des Verfahrens vorgebrachten Argumente sowie unter Heranziehung der von den Parteien eingereichten Dokumente sachgerecht zu entscheiden.

232    Nach alledem ist die Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

233    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Kommission einschließlich derjenigen, die durch das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entstanden sind, aufzuerlegen.

234    Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Daher trägt die Italienische Republik, die dem Rechtsstreit zur Unterstützung der Anträge der Kommission beigetreten ist, ihre eigenen Kosten.

235    Des Weiteren kann das Gericht nach Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung entscheiden, dass ein anderer Streithelfer als die in Art. 138 Abs. 1 und 2 genannten seine eigenen Kosten trägt. Im vorliegenden Fall sind ADS, die dem Rechtsstreit zur Unterstützung der Anträge der Kommission beigetreten ist, ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die OHB System AG trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Europäischen Kommission einschließlich derjenigen, die durch das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entstanden sind.

3.      Die Italienische Republik und die Airbus Defence and Space GmbH tragen ihre eigenen Kosten.

Costeira

Kancheva

Zilgalvis

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 26. April 2023.

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon

 

M. van der Woude


*      Verfahrenssprache: Deutsch.


1      Das vorliegende Urteil wird auszugsweise veröffentlicht.


2      Nicht wiedergegebene vertrauliche Angaben.