Language of document : ECLI:EU:T:2010:308

BESCHLUSS DES PRÄSIDENTEN DES GERICHTS

2. März 2011 (*)

„Vorläufiger Rechtsschutz – Antrag auf einstweilige Anordnung – Offensichtliche Unzulässigkeit“

In der Rechtssache T‑27/11 R

Rheinischer Sparkassen- und Giroverband mit Sitz in Düsseldorf (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte A. Rosenfeld und I. Liebach,

Antragsteller,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch L. Flynn, B. Martenczuk und T. Maxian Rusche als Bevollmächtigte,

Antragsgegnerin,

wegen Aussetzung des Vollzugs des Beschlusses der Kommission vom 21. Dezember 2010 C (2010) 9525 final, Staatliche Beihilfe MC 8/2009 und C 43/2009 – Deutschland – WestLB Veräußerungen, soweit sich daraus die Verpflichtung zur Einstellung des Neugeschäfts der Westdeutsche ImmobilienBank AG nach dem 15. Februar 2011 ergibt,

erlässt

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

folgenden

Beschluss

 Sachverhalt und Verfahren

1        Der Antragsteller hält 25,03% der Anteile an der WestLB, einer deutschen Landesbank, die u. a. als Zentralbank der Sparkassen in Nordrhein-Westfalen fungiert. Er verfolgt mit dem vorliegenden Antrag das Ziel, die Abwicklung der Westdeutsche ImmobilienBank AG (im Folgenden: WestImmo), einer im Immobiliengeschäft tätigen hundertprozentigen Tochtergesellschaft der WestLB, abzuwenden. Diese Abwicklung hat die Kommission in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit den Ziff. 5.4, 5.7 und 6.7 des Anhangs ihrer Entscheidung vom 12. Mai 2009 K (2009) 3900 endgültig korr. über die staatliche Beihilfe C 43/2008 (ex N 390/2008), die Deutschland zur Umstrukturierung der WestLB AG gewähren will (im Folgenden: Entscheidung vom 12. Mai 2009), verbindlich festgelegt.

2        Mit der Entscheidung vom 12. Mai 2009 hat die Kommission eine staatliche Beihilfe für die WestLB unter Bedingungen und Auflagen genehmigt. In Bezug auf die WestImmo sahen die Bedingungen ursprünglich eine vollständige Veräußerung bis zum 31. März 2010 vor, die bis zum 31. Dezember 2010 aufgeschoben werden konnte; sollte die WestImmo nicht innerhalb dieser Fristen veräußert worden sein, war ihr Neugeschäft einzustellen und das noch bestehende Geschäft abzuwickeln.

3        Da sich der Veräußerungsprozess bei der WestImmo schwierig gestaltete, wurde die zunächst gültige Veräußerungsfrist bis zum 31. Dezember 2010 verlängert. Als sich auch diese Fristverlängerung als unzureichend erwies, beantragte die Bundesrepublik Deutschland am 28. Oktober 2010 bei der Kommission, die Frist für die Veräußerung der WestImmo in angemessenem Umfang zu verlängern, wobei sie in einer ergänzenden Mitteilung vom 11. November 2010 eine Fristverlängerung um drei Jahre für sinnvoll hielt. Schließlich beantragte die Bundesrepublik Deutschland am 1. Dezember 2010 „unabhängig vom Fristverlängerungsantrag vom 28. Oktober 2010“, die Frist für die Veräußerung der WestImmo „zunächst bis zum 15. Februar 2011“ zu verlängern. Bis zum 15. Februar 2011 sollte nämlich ein neues Restrukturierungskonzept für die WestLB vorgelegt werden. Mit Schreiben vom 6. Dezember 2010 erklärte die Kommission, dass sie den Antrag vom 28. Oktober 2010 als durch den Antrag vom 1. Dezember 2010 überholt ansehe.

4        Mit Beschluss vom 21. Dezember 2010 C (2010) 9525 final, Staatliche Beihilfe MC 8/2009 und C 43/2009 – Deutschland – WestLB Veräußerungen (im Folgenden: angefochtener Beschluss), hat die Kommission die von der Bundesrepublik Deutschland beantragte Fristverlängerung für die Veräußerung der WestImmo bis zum 15. Februar 2011 gewährt. Dabei hat sie die beiden oben genannten Fristverlängerungsanträge zu einem einheitlichen Antrag dahin gehend zusammengefasst, dass der zweite (15. Februar 2011) den ersten (drei Jahre) präzisiere.

5        Im Tenor des angefochtenen Beschlusses „stimmt [die Kommission] einer Verlängerung der Frist für die Beendigung des Neugeschäfts und damit auch für die Veräußerung der WestImmo bis zum 15. Februar 2011 zu“. Zugleich erinnert sie in Randnr. 25 des angefochtenen Beschlusses an die gemäß der Entscheidung vom 12. Mai 2009 bestehende Verpflichtung, nach Ablauf der erweiterten Veräußerungsfrist das Neugeschäft der WestImmo zu beenden.

6        Mit Klageschrift, die am 21. Januar 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Antragsteller Klage mit dem Ziel erhoben, den angefochtenen Beschluss

–        teilweise für nichtig zu erklären, soweit dadurch die mit Antrag Deutschlands vom 28. Oktober 2010 beantragte Fristverlängerung für die Veräußerung und die Beendigung des Neugeschäfts der WestImmo über den 15. Februar 2011 hinaus abgelehnt worden ist;

–        hilfsweise, insoweit für nichtig zu erklären, als die Kommission damit konkludent beschlossen hat, dass Deutschland nur einen einheitlichen Fristverlängerungsantrag für die Veräußerung und die Beendigung des Neugeschäfts der WestImmo bis zum 15. Februar 2011 gestellt hat und daher über eine darüber hinausgehende Fristverlängerung nicht zu entscheiden ist.

7        Mit besonderem Schriftsatz, der am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Antragsteller den vorliegenden Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt, der darauf abzielt,

–        den Vollzug des angefochtenen Beschlusses auszusetzen, soweit sich daraus ergibt, dass das Neugeschäft der WestImmo nach dem 15. Februar 2011 zu beenden ist,

–        bis das Gericht über die Klage in der Hauptsache entschieden hat,

–        oder bis zu einem Zeitpunkt, den der Präsident des Gerichts bestimmt;

–        hilfsweise, jede andere oder zusätzliche einstweilige Anordnung zu treffen, die der Präsident des Gerichts für erforderlich oder angemessen hält;

–        dem Antrag ohne Stellungnahme der Antragsgegnerin gemäß Art. 105 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichts stattzugeben;

–        die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens der Hauptsache vorzubehalten.

8        In ihrer schriftlichen Stellungnahme zum Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz, die am 14. Februar 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, beantragt die Kommission,

–        den Antrag auf Aussetzung des Vollzugs des angefochtenen Beschlusses als unzulässig oder unbegründet zurückzuweisen;

–        die Entscheidung über die Kosten dem Verfahren in der Hauptsache vorzubehalten.

 Gründe

9        Gemäß Art. 104 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist ein Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nur zulässig, wenn der Antragsteller die betreffende Maßnahme durch Klage beim Gericht angefochten hat. Dies setzt voraus, dass die Klage, an die sich der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz anlehnt, vom Gericht wirksam geprüft werden kann.

10      Nach ständiger Rechtsprechung ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Zulässigkeit der Klage grundsätzlich nicht zu prüfen, weil andernfalls der Entscheidung zur Hauptsache vorgegriffen würde, doch kann sich, wenn geltend gemacht wird, dass die dem Antrag auf einstweilige Anordnung zugrunde liegende Klage offensichtlich unzulässig sei, die Klärung von Anhaltspunkten als notwendig erweisen, die prima facie für die Zulässigkeit der Klage sprechen. Eine solche Zulässigkeitsprüfung ist aufgrund der Eilbedürftigkeit des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes notwendigerweise summarisch. Der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter hat seine Prüfung darauf zu beschränken, ob die vom Antragsteller vorgebrachten Gesichtspunkte den Schluss zulassen, dass die Zulässigkeit der Klage nicht ausgeschlossen werden kann, oder ob im Gegenteil Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Zulässigkeit der Klage dem ersten Anschein nach völlig ausgeschlossen ist (vgl. Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 4. Dezember 2007, Cheminova u. a./Kommission, T‑326/07 R, Slg. 2007, II‑4877, Randnrn. 43 bis 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

11      Im vorliegenden Fall macht die Kommission geltend, die Klage sei aus mehreren Gründen offensichtlich unzulässig. Es ist daher zu prüfen, ob die Klage gleichwohl zulässig erscheint, und zwar insbesondere unter dem Aspekt des vom Antragsteller nachzuweisenden Rechtsschutzinteresses.

12      Die Nichtigkeitsklage einer natürlichen oder juristischen Person ist nämlich nur zulässig, wenn diese ein Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung hat. Ein solches Interesse besteht insbesondere nur dann, wenn die Klage dem Kläger im Ergebnis einen Vorteil verschaffen kann (vgl. Beschluss des Gerichts vom 17. Oktober 2005, First Data u. a./Kommission, T‑28/02, Slg. 2005, II‑4119, Randnr. 34, und Urteil des Gerichts vom 28. September 2004, MCI/Kommission, T‑310/00, Slg. 2004, II‑3253, Randnr. 44 und die dort zitierte Rechtsprechung).

13      Der Antragsteller macht vorliegend geltend, aufgrund des angefochtenen Beschlusses stehe fest, dass die WestImmo nach dem 15. Februar 2011 gemäß Ziff. 5.7 des Anhangs der Entscheidung vom 12. Mai 2009 abgewickelt werden müsse.

14      Diese Auffassung ist in ihrem Kern unzutreffend.

15      Die Verpflichtung zur Abwicklung der WestImmo ergibt sich nicht aus dem angefochtenen Beschluss, sondern allein aus der Entscheidung vom 12. Mai 2009. Diese Abwicklung hatte aufgrund der letztgenannten Entscheidung ursprünglich bis zum 31. März 2010, spätestens jedoch bis zum 31. Dezember 2010 zu erfolgen. Da der Antragsteller die Entscheidung vom 12. Mai 2009 nicht mit einer Nichtigkeitsklage angefochten hat, ist sie – und damit auch die Verpflichtung zur Abwicklung der WestImmo – ihm gegenüber bestandskräftig geworden.

16      Soweit die Verpflichtung zur Abwicklung der WestImmo in dem angefochtenen Beschluss erneut angesprochen wird, handelt es sich um eine rein bestätigende Aussage, die als solche nicht selbständig anfechtbar ist, da sie in Bezug auf diese Abwicklungspflicht weder ein neues Element noch eine erneute Prüfung enthält (vgl. dazu Urteile des Gerichtshofs vom 15. Dezember 1988, Irish Cement/Kommission, 166/86 und 220/86, Slg. 1988, 6473, Randnr. 16, und vom 11. Januar 1996, Zunis Holding u. a./Kommission, C‑480/93 P, Slg. 1996, I‑1, Randnr. 14, sowie Beschluss des Gerichtshofs vom 7. Dezember 2004, Internationaler Hilfsfonds/Kommission, C‑521/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 47; Beschluss des Gerichts vom 4. Mai 1998, BEUC/Kommission, T‑84/97, Slg. 1998, II‑795, Randnr. 52).

17      Hinsichtlich der WestImmo enthält der angefochtene Beschluss als einziges neues Element die Verlängerung der Abwicklungsfrist bis zum 15. Februar 2011. Diese Fristverlängerung stellt – unabhängig davon, ob sie als ausreichend anzusehen ist – gegenüber den ursprünglichen Fristsetzungen eine begünstigende Maßnahme dar. Wenn der angefochtene Beschluss insoweit aufgehoben würde, hätte dies ein Wiederaufleben der früheren (bereits abgelaufenen) Fristen zur Folge. Die gegen den angefochtenen Beschluss gerichtete Nichtigkeitsklage kann dem Antragsteller also im Ergebnis keinen Vorteil verschaffen, so dass es ihm offensichtlich am Rechtsschutzinteresse fehlt. Folglich erscheint diese Klage auf den ersten Blick offensichtlich unzulässig.

18      Es liegen somit ernsthafte Anhaltspunkte dafür vor, dass die Zulässigkeit der dem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zugrunde liegende Klage dem ersten Anschein nach völlig ausgeschlossen ist. Daher ist dieser Antrag für unzulässig zu erklären.

Aus diesen Gründen hat

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

beschlossen:

1)      Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz wird zurückgewiesen.

2)      Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 2. März 2011.

Der Kanzler

 

       Der Präsident

E. Coulon

 

       M. Jaeger


* Verfahrenssprache: Deutsch.