Language of document : ECLI:EU:C:2023:48

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

26. Januar 2023(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Öffentliche Aufträge – Richtlinie 2014/24/EU – Art. 57 Abs. 4 Buchst. g – Fakultativer Ausschlussgrund aufgrund von Mängeln im Rahmen eines früheren Auftrags – An eine Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern vergebener Auftrag – Vorzeitige Beendigung dieses Auftrags – Automatische Eintragung sämtlicher Mitglieder der Gruppe in eine Liste unzuverlässiger Auftragnehmer – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – Richtlinie 89/665/EWG – Art. 1 Abs. 1 und 3 – Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf“

In der Rechtssache C‑682/21

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Lietuvos Aukščiausiasis Teismas (Oberstes Gericht Litauens) mit Entscheidung vom 11. November 2021, beim Gerichtshof eingegangen am selben Tag, in dem Verfahren

„HSC Baltic“ UAB,

„Mitnija“ UAB,

„Montuotojas“ UAB

gegen

Vilniaus miesto savivaldybės administracija,

Beteiligte:

„Active Construction Management“ UAB, in Insolvenz,

„Vilniaus vystymo kompanija“ UAB,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Lycourgos (Berichterstatter), der Richterin L. S. Rossi, der Richter J.‑C. Bonichot und S. Rodin sowie der Richterin O. Spineanu-Matei,

Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der litauischen Regierung, vertreten durch K. Dieninis, V. Kazlauskaitė-Švenčionienė und E. Kurelaitytė als Bevollmächtigte,

–        der tschechischen Regierung, vertreten durch L. Halajová, M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch P. Ondrůšek, A. Steiblytė und G. Wils als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 18 Abs. 1 und Art. 57 Abs. 4 Buchst. g und Abs. 6 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. 2014, L 94, S. 65) sowie von Art. 1 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge (ABl. 1989, L 395, S. 33) in der durch die Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 (ABl. 2014, L 94, S. 1) geänderten Fassung.

2        Das Vorabentscheidungsersuchen ergeht im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen der „HSC Baltic“ UAB, der „Mitnija“ UAB und der „Montuotojas“ UAB einerseits und der Vilniaus miesto savivaldybės administracija (Stadtverwaltung Vilnius, Litauen) (im Folgenden: Stadt Vilnius), unterstützt durch die „Active Construction Management“ UAB, in Insolvenz, und die „Vilniaus vystymo kompanija“ UAB, andererseits wegen der Folgen, die sich für HSC Baltic, Mitnija und Montuotojas aus der vorzeitigen Beendigung eines öffentlichen Auftrags ergeben, der an eine Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern vergeben wurde, zu der sie gehörten.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

 Richtlinie 89/665

3        Art. 1 („Anwendungsbereich und Zugang zu Nachprüfungsverfahren“) der Richtlinie 89/665 bestimmt:

„(1)      Diese Richtlinie gilt für Aufträge im Sinne der Richtlinie [2014/24] …

Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass … die Entscheidungen der öffentlichen Auftraggeber wirksam und vor allem möglichst rasch nach Maßgabe der Artikel 2 bis 2f dieser Richtlinie auf Verstöße gegen das Unionsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder gegen die nationalen Vorschriften, die dieses Recht umsetzen, überprüft werden können.

(3)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Nachprüfungsverfahren entsprechend den gegebenenfalls von den Mitgliedstaaten festzulegenden Bedingungen zumindest jeder Person zur Verfügung stehen, die ein Interesse an einem bestimmten Auftrag hat oder hatte und der durch einen behaupteten Verstoß ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht.

…“

 Richtlinie 2014/24

4        In den Erwägungsgründen 101 und 102 der Richtlinie 2014/24 heißt es:

„(101)      Öffentliche Auftraggeber sollten … die Möglichkeit erhalten, Wirtschaftsteilnehmer auszuschließen, die sich als unzuverlässig erwiesen haben, beispielsweise wegen Verstoßes gegen umwelt- oder sozialrechtliche Verpflichtungen … oder wegen anderer Formen schwerwiegenden beruflichen Fehlverhaltens wie der Verletzung von Wettbewerbsregeln oder Rechten des geistigen Eigentums. …

… Es sollte [öffentlichen Auftraggebern] auch möglich sein, Bewerber oder Bieter auszuschließen, deren Leistung bei früheren öffentlichen Aufträgen im Hinblick auf wesentliche Anforderungen erhebliche Mängel aufwies, zum Beispiel Lieferungsausfall oder Leistungsausfall, erhebliche Defizite der gelieferten Waren oder Dienstleistungen, die sie für den beabsichtigten Zweck unbrauchbar machen, oder Fehlverhalten, das ernste Zweifel an der Zuverlässigkeit des Wirtschaftsteilnehmers aufkommen lässt. In den nationalen Rechtsvorschriften sollte eine Höchstdauer für solche Ausschlüsse vorgesehen sein.

Bei der Anwendung fakultativer Ausschlussgründe sollten die öffentlichen Auftraggeber insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragen. …

(102)      Es sollte jedoch berücksichtigt werden, dass Wirtschaftsteilnehmer Compliance-Maßnahmen treffen können, um die Folgen etwaiger strafrechtlicher Verstöße oder eines Fehlverhaltens zu beheben und weiteres Fehlverhalten wirksam zu verhindern. Bei diesen Maßnahmen kann es sich insbesondere um Personal- und Organisationsmaßnahmen handeln, wie den Abbruch aller Verbindungen zu an dem Fehlverhalten beteiligten Personen oder Organisationen, geeignete Personalreorganisationsmaßnahmen, die Einführung von Berichts- und Kontrollsystemen, die Schaffung einer internen Audit-Struktur zur Überwachung der Compliance oder die Einführung interner Haftungs- und Entschädigungsregelungen. Soweit derartige Maßnahmen ausreichende Garantien bieten, sollte der jeweilige Wirtschaftsteilnehmer nicht länger alleine aus diesen Gründen ausgeschlossen werden. …“

5        Art. 18 („Grundsätze der Auftragsvergabe“) der Richtlinie 2014/24 bestimmt in Abs. 1:

„Die öffentlichen Auftraggeber behandeln alle Wirtschaftsteilnehmer in gleicher und nichtdiskriminierender Weise und handeln transparent und verhältnismäßig.

…“

6        Art. 57 („Ausschlussgründe“) dieser Richtlinie sieht vor:

„…

(4)      Öffentliche Auftraggeber können in einer der folgenden Situationen einen Wirtschaftsteilnehmer von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen oder dazu von den Mitgliedstaaten verpflichtet werden:

g)      der Wirtschaftsteilnehmer hat bei der Erfüllung einer wesentlichen Anforderung im Rahmen eines früheren öffentlichen Auftrags, eines früheren Auftrags mit einem Auftraggeber oder eines früheren Konzessionsvertrags erhebliche oder dauerhafte Mängel erkennen lassen, die die vorzeitige Beendigung dieses früheren Auftrags, Schadenersatz oder andere vergleichbare Sanktionen nach sich gezogen haben;

(6)      Jeder Wirtschaftsteilnehmer, der sich in einer der in den Absätzen 1 und 4 genannten Situationen befindet, kann Nachweise dafür erbringen, dass die Maßnahmen des Wirtschaftsteilnehmers ausreichen, um trotz des Vorliegens eines einschlägigen Ausschlussgrundes seine Zuverlässigkeit nachzuweisen. Werden solche Nachweise für ausreichend befunden, so wird der betreffende Wirtschaftsteilnehmer nicht von dem Vergabeverfahren ausgeschlossen.

Zu diesem Zweck weist der Wirtschaftsteilnehmer nach, dass er einen Ausgleich für jeglichen durch eine Straftat oder Fehlverhalten verursachten Schaden gezahlt oder sich zur Zahlung eines Ausgleichs verpflichtet hat, die Tatsachen und Umstände umfassend durch eine aktive Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden geklärt und konkrete technische, organisatorische und personelle Maßnahmen ergriffen hat, die geeignet sind, weitere Straftaten oder Verfehlungen zu vermeiden.

(7)      Die Mitgliedstaaten legen durch Gesetz, Verordnung oder Verwaltungsvorschrift und unter Beachtung des Unionsrechts die Bedingungen für die Anwendung dieses Artikels fest. Sie bestimmen insbesondere den höchstzulässigen Zeitraum des Ausschlusses für den Fall, dass der Wirtschaftsteilnehmer keine Maßnahmen gemäß Absatz 6 zum Nachweis seiner Zuverlässigkeit ergreift. Wurde kein Ausschlusszeitraum durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung festgelegt, so darf dieser Zeitraum … in den in Absatz 4 genannten Fällen drei Jahre ab dem betreffenden Ereignis nicht überschreiten.“

7        In Art. 90 Abs. 1 dieser Richtlinie heißt es:

„Die Mitgliedstaaten setzen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie bis 18. April 2016 nachzukommen. …“

8        Art. 91 der Richtlinie 2014/24 sieht vor:

„Die Richtlinie 2004/18/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. 2004, L 134, S. 114)] wird mit Wirkung zum 18. April 2016 aufgehoben.

…“

 Litauisches Recht

 Vergabegesetz

9        Das Lietuvos Respublikos viešųjų pirkimų įstatymas (Gesetz der Republik Litauen über das öffentliche Auftragswesen) in seiner auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung (im Folgenden: Vergabegesetz) bestimmt in Art. 2 Nr. 36:

„Unter ‚Auftragnehmer‘ – Wirtschaftsteilnehmer – zu verstehen ist eine natürliche oder juristische Person des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts, eine andere Organisation und ihre Mitglieder oder eine Gruppe solcher Personen, einschließlich einer vorübergehenden Vereinigung von Wirtschaftsteilnehmern, die auf dem Markt die Ausführung von Bauleistungen, die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen anbietet.“

10      In Art. 46 dieses Gesetzes heißt es:

„…

4.      Der öffentliche Auftraggeber schließt den Auftragnehmer vom Vergabeverfahren aus, wenn

6)      der Auftragnehmer einen nach diesem Gesetz … oder einem Konzessionsvertrag vergebenen Auftrag nicht oder nicht ordnungsgemäß ausgeführt hat und dies eine wesentliche Vertragsverletzung im Sinne des Zivilgesetzbuchs darstellt …, die in den letzten drei Jahren eine vorzeitige Beendigung eines Auftrags oder ein rechtskräftiges Urteil, mit dem dem Antrag des öffentlichen Auftraggebers, des Auftraggebers oder der vertragschließenden Behörde auf Ersatz des Schadens stattgegeben wurde, der aufgrund erheblicher oder dauerhafter Mängel bei der Erfüllung einer wesentlichen Anforderung des Auftrags entstanden ist, oder eine Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers, mit der festgestellt wird, dass der Auftragnehmer bei der Erfüllung einer wesentlichen Anforderung des Auftrags erhebliche oder dauerhafte Mängel erkennen ließ, wegen deren eine Vertragsstrafe angewandt wurde, nach sich gezogen hat. …

8.      Erfüllt ein Auftragnehmer nicht die Anforderungen der Absätze 1, 4 und 6 dieses Artikels, schließt der öffentliche Auftraggeber ihn nicht vom Vergabeverfahren aus, wenn die beiden folgenden Bedingungen erfüllt sind:

1)      Der Auftragnehmer hat dem öffentlichen Auftraggeber Informationen vorgelegt, aus denen hervorgeht, dass er folgende Maßnahmen ergriffen hat:

a)      Er hat freiwillig eine Entschädigung für den Schaden gezahlt, der durch den in den Absätzen 1, 4 oder 6 des vorliegenden Artikels genannten Verstoß oder die darin genannte Zuwiderhandlung verursacht wurde, oder sich verpflichtet, gegebenenfalls eine Entschädigung zu zahlen;

b)      er hat kooperiert, aktive Unterstützung geleistet oder andere Maßnahmen ergriffen, die zur Aufklärung oder Feststellung des von ihm gegebenenfalls begangenen Verstoßes oder der von ihm begangenen Zuwiderhandlung beitragen;

c)      er hat technische, organisatorische und personelle Maßnahmen ergriffen, um weitere Zuwiderhandlungen oder Verstöße zu verhindern;

2)      der öffentliche Auftraggeber hat die vom Auftragnehmer gemäß Nr. 1 dieses Absatzes vorgelegten Informationen ausgewertet und eine mit Gründen versehene Entscheidung erlassen, wonach die vom Auftragnehmer zum Nachweis seiner Zuverlässigkeit getroffenen Maßnahmen ausreichend sind. …“

11      In Art. 91 Abs. 1 dieses Gesetzes in der vom vorlegenden Gericht angeführten Fassung heißt es:

„Der öffentliche Auftraggeber veröffentlicht spätestens binnen zehn Tagen im zentralen Portal für das öffentliche Auftragswesen gemäß den vom Amt für öffentliche Auftragsvergabe festgelegten Modalitäten Informationen über die Auftragnehmer (im Fall einer Bietergemeinschaft in Bezug auf sämtliche ihrer Mitglieder), die den Auftrag nicht oder nicht ordnungsgemäß ausgeführt haben, sowie, wenn der Mangel einen an Unterauftragnehmer vergebenen Teil des Auftrags betrifft, über die Wirtschaftsteilnehmer, deren Kapazitäten der Auftragnehmer in Anspruch genommen hat und die sich gesamtschuldnerisch mit ihm zur ordnungsgemäßen Ausführung des Auftrags verpflichtet haben …“

 Zivilgesetzbuch

12      Art. 6.6 des Lietuvos Respublikos civilinis kodeksas (Zivilgesetzbuch der Republik Litauen) bestimmt:

„1.      Die gesamtschuldnerische Haftung der Schuldner wird, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist, nicht vermutet. Sie liegt nur in den gesetzlich vorgesehenen oder von den Parteien vereinbarten Fällen sowie in Fällen vor, in denen der Gegenstand der Verpflichtung untrennbar ist.

3.      Die gesamtschuldnerische Haftung der Schuldner wird vermutet, wenn die Verpflichtung die Erbringung von Dienstleistungen, eine gemeinsame Tätigkeit oder den Ersatz eines durch Handlungen mehrerer Personen verursachten Schadens betrifft.

…“

13      Art. 6.15 des Zivilgesetzbuchs sieht in Abs. 1 vor:

„Ist die Erfüllung der Verpflichtung durch das Verschulden eines der Mitschuldner unmöglich, sind die anderen Gesamtschuldner nicht von der Haftung für die Nichterfüllung der Verpflichtung befreit.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

14      Am 7. Dezember 2016 veröffentlichte die Stadt Vilnius eine Bekanntmachung über einen öffentlichen Auftrag im Wert von 21 793 166,72 Euro ohne Mehrwertsteuer für den Bau eines Mehrzweck-Gesundheitszentrums (im Folgenden: streitiger Auftrag).

15      In einem am 30. Januar 2017 zwischen Active Construction Management, HSC Baltic, Mitnija, Montuotojas und der „Axis Power“ UAB geschlossenen Kooperationsvertrag wurde Active Construction Management für die Teilnahme am Verfahren zur Vergabe des streitigen Auftrags und für die Ausführung der Arbeiten im Fall des Zuschlags zum federführenden Unternehmen dieser Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern bestimmt. Ferner wurde vereinbart, dass die jeweiligen wertmäßigen Anteile an den Beiträgen zur Kooperationsleistung wie folgt verteilt würden: Aktiv Construction Management 65 %, HSC Baltic 15 %, Axis Power 10 %, Mitnija 5 % und Montuotojas 5 %.

16      Am 5. Juni 2017 vergab die Stadt Vilnius den streitigen Auftrag an diese Gruppe. Da die Frist für die Ausführung der Arbeiten auf 18 Monate festgesetzt war, sollte der Auftrag bis spätestens 5. Dezember 2018 ausgeführt werden.

17      Da die Arbeiten nicht innerhalb dieser Frist abgeschlossen wurden, wurde die Frist bis zum 28. Mai 2020 verlängert. Während dieser zusätzlichen Frist schritten die Arbeiten nicht nach dem vorgesehenen Zeitplan voran.

18      Mit Beschluss vom 28. Oktober 2019 leitete der Vilniaus apygardos teismas (Regionalgericht Vilnius, Litauen) auf Antrag des Geschäftsführers von Active Construction Management ein Insolvenzverfahren über diese Gesellschaft ein. Am 6. Dezember 2019 informierte der Insolvenzverwalter HSC Baltic, Mitnija, Montuotojas und Axis Power sowie die Stadt Vilnius über dieses Insolvenzverfahren und darüber, dass das federführende Unternehmen die Ausführung des streitigen Auftrags nicht fortsetzen werde.

19      Am 22. Januar 2020 teilte die Stadt Vilnius HSC Baltic, Mitnija, Montuotojas und Axis Power mit, dass sie den streitigen Auftrag wegen einer wesentlichen Pflichtverletzung vorzeitig beende; diese habe darin bestanden, dass die Baustelle aufgegeben worden und unbeaufsichtigt gelassen worden sei, keine neue Sicherheit geleistet, der Zeitplan der Arbeiten nicht eingehalten und keine Haftpflichtversicherung abgeschlossen worden sei.

20      Diese Unternehmen erhoben beim Vilniaus apygardos teismas (Regionalgericht Vilnius) Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der vorzeitigen Beendigung des streitigen Auftrags durch die Stadt Vilnius und ihrer Aufnahme in die im zentralen Portal für das öffentliche Auftragswesen enthaltene Liste der unzuverlässigen Auftragnehmer.

21      Mit Urteil vom 27. August 2020 wies dieses Gericht die Klage ab und stellte fest, dass die Stadt Vilnius zu Recht Probleme bei der Ausführung der Arbeiten beim federführenden Unternehmen und den anderen Mitgliedern der Gruppe angeführt habe. Da diese Unternehmen für die ordnungsgemäße Ausführung des streitigen Auftrags gesamtschuldnerisch hafteten und dieser vorzeitig beendet worden sei, habe der öffentliche Auftraggeber nicht über ein Ermessen verfügt, nicht alle Mitglieder der Gruppe in die Liste der unzuverlässigen Auftragnehmer einzutragen. Diese Eintragung hindere die genannten Unternehmen nicht daran, sich zu rehabilitieren und damit an anderen Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge teilzunehmen.

22      HSC Baltic, Mitnija, Montuotojas und Axis Power legten gegen dieses Urteil Berufung beim Lietuvos apeliacinis teismas (Berufungsgericht Litauens) ein. Dieses wies die Berufung mit Urteil vom 21. Januar 2021 zurück und schloss sich der Argumentation des erstinstanzlichen Gerichts an.

23      Am 22. Januar 2021 nahm die Viešųjų pirkimų tarnyba (Amt für öffentliche Auftragsvergabe, Litauen) auf Betreiben der Stadt Vilnius die Mitglieder der Gruppe in die Liste der unzuverlässigen Auftragnehmer auf.

24      HSC Baltic, Mitnija und Montuotojas legten gegen das Urteil des Lietuvos apeliacinis teismas (Berufungsgericht Litauens) vom 21. Januar 2021 beim Lietuvos Aukščiausiasis Teismas (Oberstes Gericht Litauens), dem vorlegenden Gericht, das Rechtsmittel der Kassationsbeschwerde ein.

25      Am 15. März 2021 beantragten HSC Baltic, Mitnija und Montuotojas beim vorlegenden Gericht, im Wege einer einstweiligen Anordnung die Streichung ihrer Namen aus der Liste der nicht zuverlässigen Auftragnehmer anzuordnen. Mit Entscheidung vom 31. März 2021 gab dieses Gericht diesem Antrag statt.

26      Am 11. November 2021 erließ das vorlegende Gericht ein Urteil, mit dem es über das Rechtsmittel teilweise entschied und die auf die Rechtswidrigkeit der vorzeitigen Beendigung des streitigen Auftrags gestützten Rechtsmittelgründe von HSC Baltic, Mitnija und Montuotojas zurückwies.

27      Um über die Eintragung dieser Unternehmen in die Liste der unzuverlässigen Auftragnehmer entscheiden zu können, hält das vorlegende Gericht einige Klarstellungen zum Inhalt des Unionsrechts für erforderlich.

28      Hierzu weist das vorlegende Gericht zunächst darauf hin, dass der litauische Gesetzgeber die Richtlinie 2014/24 verspätet, nach dem 18. April 2016, dem Zeitpunkt des Ablaufs der Frist für ihre Umsetzung, mit Wirkung vom 1. Juli 2017 umgesetzt habe. Es ist jedoch der Ansicht, dass diese Richtlinie auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbar sein könnte.

29      Das vorlegende Gericht fragt sich, ob die automatische Eintragung aller Wirtschaftsteilnehmer, die für die Pflichtverletzung, die zur vorzeitigen Beendigung eines öffentlichen Auftrags geführt hat, rechtlich verantwortlich sind, in eine Liste unzuverlässiger Auftragnehmer mit dem Erfordernis einer individualisierten Beurteilung im Rahmen der Anwendung der in der Richtlinie 2014/24 vorgesehenen Ausschlussgründe vereinbar ist.

30      Nach der Bedeutung der Wendung „Entscheidungen der öffentlichen Auftraggeber“ in Art. 1 der Richtlinie 89/665 könne die Eintragung eines Wirtschaftsteilnehmers in eine Liste unzuverlässiger Auftragnehmer eine anfechtbare Handlung darstellen. Das litauische Recht erlaube es jedoch nicht, diese Eintragung anzufechten, da sie als bloße Rechtswirkung der vorzeitigen Beendigung des Auftrags angesehen werde. Im vorliegenden Fall sei zwar beim Vilniaus apygardos teismas (Regionalgericht Vilnius) eine Klage anhängig gewesen, mit der sowohl diese vorzeitige Beendigung als auch die Eintragung angefochten worden seien. Da diese Eintragung jedoch erfolgt sei, nachdem die Entscheidung des Lietuvos apeliacinis teismas (Berufungsgericht Litauens) rechtskräftig geworden sei, hätten das erstinstanzliche Gericht und das Berufungsgericht über den Teil der Klage, der diese Eintragung betreffe, nicht entscheiden können.

31      Unter diesen Umständen hat der Lietuvos Aukščiausiasis Teismas (Oberstes Gericht Litauens) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Sind Art. 18 Abs. 1 und Art. 57 Abs. 4 Buchst. g und Abs. 6 der Richtlinie 2014/24 sowie Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 4 und Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665 (zusammen oder einzeln betrachtet, aber ohne Beschränkung auf diese Bestimmungen) dahin auszulegen, dass die Entscheidung eines öffentlichen Auftraggebers, den betreffenden Wirtschaftsteilnehmer mit der Begründung, dass dieser Wirtschaftsteilnehmer in erheblichem Maße gegen einen mit diesem öffentlichen Auftraggeber geschlossenen Vertrag verstoßen habe, in das Verzeichnis der unzuverlässigen Auftragnehmer aufzunehmen und damit für eine bestimmte Zeit seine Möglichkeit zur Teilnahme an nachfolgend bekannt gemachten Vergabeverfahren zu beschränken, eine Maßnahme ist, gegen die eine gerichtliche Klage erhoben werden kann?

2.      Falls die erste Frage bejaht wird: Sind die oben angeführten unionsrechtlichen Bestimmungen (zusammen oder einzeln betrachtet, aber ohne Beschränkung auf diese Bestimmungen) dahin auszulegen, dass sie nationalen Regelungen und einer Praxis ihrer Anwendung entgegenstehen, wonach a) der öffentliche Auftraggeber dann, wenn er einen öffentlichen Auftrag wegen eines erheblichen Verstoßes gegen diesen kündigt, keine förmliche (gesonderte) Entscheidung über die Aufnahme von Wirtschaftsteilnehmern in das Verzeichnis der unzuverlässigen Auftragnehmer trifft, b) ein Wirtschaftsteilnehmer nicht im Voraus über die bevorstehende Aufnahme in das Verzeichnis der unzuverlässigen Auftragnehmer informiert wird und daher nicht in der Lage ist, relevante Stellungnahmen abzugeben und sodann gegen die Aufnahme wirksam vorzugehen, und c) der öffentliche Auftraggeber die Umstände der Schlechterfüllung eines Auftrags nicht im Einzelnen prüft, so dass im Fall der rechtmäßigen Kündigung des öffentlichen Auftrags wegen eines erheblichen Verstoßes gegen denselben der für diesen Verstoß de jure verantwortliche Wirtschaftsteilnehmer automatisch in das Verzeichnis der unzuverlässigen Auftragnehmer aufgenommen wird?

3.      Falls die ersten beiden Fragen bejaht werden: Sind die oben angeführten unionsrechtlichen Bestimmungen (zusammen oder einzeln betrachtet, aber ohne Beschränkung auf diese Bestimmungen) dahin auszulegen, dass Kooperationspartner (Unternehmen, die sich zu einem Auftragnehmer zusammengeschlossen haben), die den wegen eines erheblichen Verstoßes rechtmäßig gekündigten öffentlichen Auftrag ausgeführt haben, ihre Zuverlässigkeit nachweisen und somit vom Verzeichnis der unzuverlässigen Auftragnehmer ausgenommen werden können, u. a. auf der Grundlage der Höhe ihres Anteils (Werts) an dem ausgeführten Auftrag, der Insolvenz des federführenden Partners, des Handelns dieses Partners und des Umstands, dass der öffentliche Auftraggeber zur Nichterfüllung des Auftrags beigetragen hat?

 Zu den Vorlagefragen

 Vorbemerkungen

32      Die zweite und die dritte Frage, die vor der ersten Frage zu prüfen sind, betreffen die Modalitäten, nach denen Wirtschaftsteilnehmer im Anschluss an die vorzeitige Beendigung eines an sie vergebenen öffentlichen Auftrags in eine Liste unzuverlässiger Auftragnehmer eingetragen werden, um sie von der Teilnahme an Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge auszuschließen.

33      Die vorzeitige Beendigung des streitigen Auftrags durch die Stadt Vilnius hatte zur Folge, dass die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens vorübergehend an der Teilnahme an anderen Vergabeverfahren gehindert waren. Auf diese vorzeitige Beendigung, die ihnen am 22. Januar 2020 mitgeteilt wurde, folgte ihre Eintragung in eine Liste unzuverlässiger Auftragnehmer am 22. Januar 2021. Daher sind die zweite und die dritte Frage anhand der Richtlinie 2014/24 zu prüfen, die zu diesen Zeitpunkten in Kraft war, ohne dass geprüft zu werden braucht, ob diese Richtlinie in der Zeit zwischen dem 18. April 2016, dem Tag des Ablaufs ihrer Umsetzungsfrist, und dem 1. Juli 2017, dem Tag ihrer Umsetzung in Litauen, anwendbar war.

 Zur zweiten Frage

34      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 18 Abs. 1 und Art. 57 Abs. 4 Buchst. g der Richtlinie 2014/24 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung oder Praxis entgegenstehen, wonach dann, wenn der öffentliche Auftraggeber einen an eine Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern vergebenen öffentlichen Auftrag wegen erheblicher oder dauerhafter Mängel, die zur Nichterfüllung einer wesentlichen Verpflichtung im Rahmen dieses Auftrags geführt haben, vorzeitig beendet, jedes Mitglied dieser Gruppe automatisch in eine Liste unzuverlässiger Auftragnehmer eingetragen wird und damit vorübergehend grundsätzlich daran gehindert ist, an neuen Vergabeverfahren teilzunehmen.

35      Insoweit ist zunächst festzustellen, dass Art. 57 Abs. 4 Buchst. g der Richtlinie 2014/24 es erlaubt, jeden Wirtschaftsteilnehmer, der bei der Erfüllung einer wesentlichen Anforderung im Rahmen eines früheren öffentlichen Auftrags erhebliche oder dauerhafte Mängel hat erkennen lassen, von der Teilnahme an Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge auszuschließen, und zwar insbesondere dann, wenn diese Mängel die vorzeitige Beendigung des früheren Auftrags nach sich gezogen haben.

36      Wie sich aus dem 101. Erwägungsgrund dieser Richtlinie ergibt, besteht Sinn und Zweck dieses fakultativen Grundes darin, Wirtschaftsteilnehmer auszuschließen, deren Zuverlässigkeit aufgrund eines fehlerhaften oder fahrlässigen Verhaltens ernsthaft in Frage gestellt ist.

37      Legt ein Mitgliedstaat in seinen nationalen Rechtsvorschriften die Bedingungen für die Anwendung dieses fakultativen Ausschlussgrundes fest, muss er dessen in Art. 57 Abs. 4 Buchst. g der Richtlinie 2014/24 vorgegebene wesentliche Merkmale beachten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Juni 2019, Meca, C‑41/18, EU:C:2019:507, Rn. 33).

38      Außerdem ist bei der Anwendung des genannten fakultativen Ausschlussgrundes der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts einzuhalten, der im Bereich der Vergabe öffentlicher Aufträge in Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24 zum Ausdruck kommt. Diesem Grundsatz ist bei der Anwendung der in Art. 57 dieser Richtlinie genannten fakultativen Ausschlussgründe besondere Rechnung zu tragen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. Januar 2020, Tim, C‑395/18, EU:C:2020:58, Rn. 45 und 48 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

39      Insoweit muss dieser Ausschluss erstens zeitlich befristet sein. Aus dem 101. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/24 geht nämlich hervor, dass ein nationaler Rechtsakt, mit dem die Bedingungen für die Anwendung von Art. 57 Abs. 4 Buchst. g dieser Richtlinie festgelegt werden, eine Höchstdauer für den Ausschluss vorsehen muss. Nach Art. 57 Abs. 7 der Richtlinie darf diese Dauer, wenn sie nicht durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung festgelegt worden ist, drei Jahre nicht überschreiten.

40      Zweitens muss der betreffende Wirtschaftsteilnehmer während dieses Ausschlusszeitraums zur Teilnahme an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags zugelassen werden, sofern er nicht durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung von der Teilnahme an einem solchen Verfahren ausgeschlossen worden ist, wenn er gemäß Art. 57 Abs. 6 der Richtlinie 2014/24 Nachweise dafür vorlegt, dass die von ihm ergriffenen Maßnahmen ausreichen, um seine Zuverlässigkeit nachzuweisen. Die Wirtschaftsteilnehmer werden so veranlasst, Abhilfemaßnahmen zu ergreifen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Juni 2019, Meca, C‑41/18, EU:C:2019:507, Rn. 40).

41      Drittens verlangt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eine konkrete und auf den Einzelfall bezogene Beurteilung der Verhaltensweise des betreffenden Wirtschaftsteilnehmers auf der Grundlage aller relevanten Umstände (Urteil vom 3. Juni 2021, Rad Service u. a., C‑210/20, EU:C:2021:445, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42      Im vorliegenden Fall geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervor, dass im Fall der vorzeitigen Beendigung eines öffentlichen Auftrags wegen erheblicher oder dauerhafter Mängel beim Zuschlagsempfänger bei der Erfüllung einer wesentlichen Anforderung diese Beendigung nach der anwendbaren nationalen Regelung dazu führt, dass jeder Wirtschaftsteilnehmer, der rechtlich für die ordnungsgemäße Ausführung dieses Auftrags einzustehen hatte, in eine Liste eingetragen wird, der öffentliche Auftraggeber die Namen der Wirtschaftsteilnehmer entnehmen können, die einen öffentlichen Auftrag nicht oder nicht ordnungsgemäß ausgeführt haben und daher nicht als zuverlässig angesehen werden. Die Eintragung in diese Liste führt zum Ausschluss von Vergabeverfahren für die Dauer von drei Jahren, sofern der betreffende Wirtschaftsteilnehmer nicht nachweist, dass er angemessene Abhilfemaßnahmen ergriffen hat.

43      Das vorlegende Gericht führt aus, dass in der Praxis nach dem Erlass einer gerichtlichen Entscheidung, mit der die Rechtmäßigkeit der vorzeitigen Beendigung des betreffenden Auftrags bestätigt werde, alle Wirtschaftsteilnehmer, die für die Ausführung dieses Auftrags rechtlich einzustehen hätten, automatisch in diese Liste eingetragen würden, ohne dass hierüber eine förmliche Entscheidung ergehe.

44      Zu der Frage, ob eine solche Regelung oder Praxis die wesentlichen Merkmale des in Art. 57 Abs. 4 Buchst. g der Richtlinie 2014/24 vorgesehenen fakultativen Ausschlussgrundes und den in Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie zum Ausdruck gebrachten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet, ist festzustellen, dass diese Vorschriften der vorübergehenden Eintragung der Namen der Wirtschaftsteilnehmer, bei denen erhebliche oder dauerhafte Mängel bei der Erfüllung einer wesentlichen Anforderung im Rahmen eines früheren öffentlichen Auftrags festgestellt wurden, in einem Portal, das der Erleichterung der Verwaltung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge dient, nicht entgegenstehen.

45      Wie in den Rn. 35 und 36 des vorliegenden Urteils ausgeführt, soll dieser fakultative Ausschlussgrund es nämlich ermöglichen, den Zugang dieser Wirtschaftsteilnehmer zu den Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge durch ein grundsätzliches Verbot der Teilnahme an diesen Verfahren zu beschränken. Eine solche Beschränkung ist im vorliegenden Fall in Art. 46 des Vergabegesetzes enthalten. Die in Art. 91 dieses Gesetzes vorgesehene Eintragung der betreffenden Wirtschaftsteilnehmer in eine elektronische Liste, die den öffentlichen Auftraggebern und anderen für das öffentliche Auftragswesen zuständigen Stellen zugänglich ist, dürfte – vorbehaltlich der Überprüfung durch das vorlegende Gericht – dazu zu dienen, die Anwendung dieser Beschränkung zu vereinfachen.

46      Um die wesentlichen Merkmale des in Art. 57 Abs. 4 Buchst. g der Richtlinie 2014/24 vorgesehenen fakultativen Ausschlussgrundes und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, muss eine solche Regelung jedoch so ausgestaltet sein, dass, bevor ein Wirtschaftsteilnehmer, der Mitglied einer Gruppe ist, an die ein vorzeitig beendeter öffentlicher Auftrag vergeben wurde, in die Liste der unzuverlässigen Auftragnehmer eingetragen wird, alle relevanten Gesichtspunkte konkret zu beurteilen sind, die dieser Wirtschaftsteilnehmer vorgelegt hat, um nachzuweisen, dass seine Eintragung in diese Liste in Anbetracht seines individuellen Verhaltens ungerechtfertigt sei.

47      Ein solcher Wirtschaftsteilnehmer darf daher im Fall der vorzeitigen Beendigung dieses Auftrags wegen erheblicher oder dauerhafter Mängel bei seiner Ausführung nicht automatisch als unzuverlässig eingestuft und vorübergehend ausgeschlossen werden, ohne dass sein Verhalten zuvor im Licht aller relevanten Gesichtspunkte konkret und individuell beurteilt wurde.

48      Zwar steht es einem Mitgliedstaat frei, im Fall der Festlegung der Bedingungen für die Anwendung des in Art. 57 Abs. 4 Buchst. g der Richtlinie 2014/24 vorgesehenen fakultativen Ausschlussgrundes eine Vermutung vorzusehen, dass jeder Wirtschaftsteilnehmer, der rechtlich für die ordnungsgemäße Ausführung eines öffentlichen Auftrags einzustehen hat, bei der Ausführung dieses Auftrags zur Entstehung oder zum Fortbestehen erheblicher oder dauerhafter Mängel beigetragen hat, die zur vorzeitigen Beendigung dieses Auftrags geführt haben. Wurde dieser Auftrag jedoch an eine Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern vergeben, deren einzelne Beiträge zu diesen Mängeln und etwaige Anstrengungen, um sie zu beheben, nicht notwendigerweise identisch sind, muss eine solche Vermutung widerlegbar sein, da andernfalls die wesentlichen Merkmale dieses fakultativen Ausschlussgrundes und der in Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie genannte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit missachtet würden.

49      Unabhängig von der gesamtschuldnerischen Haftung der Mitglieder einer solchen Gruppe muss die Anwendung des in Art. 57 Abs. 4 Buchst. g der Richtlinie 2014/24 vorgesehenen fakultativen Ausschlussgrundes nämlich darauf gestützt werden, dass dieses individuelle Verhalten fehlerhaft oder fahrlässig ist.

50      Daher muss in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren jedes Mitglied der Gruppe, das rechtlich für die ordnungsgemäße Ausführung eines öffentlichen Auftrags einzustehen hat, bevor es in die Liste der unzuverlässigen Auftragnehmer eingetragen wird und damit der Regelung über den vorübergehenden Ausschluss von Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge unterliegt, die Möglichkeit haben, nachzuweisen, dass die Mängel, die zur vorzeitigen Beendigung dieses Auftrags geführt haben, in keinem Zusammenhang mit seinem individuellen Verhalten standen. Stellt sich nach einer konkreten und auf den Einzelfall bezogenen Beurteilung des Verhaltens des betreffenden Wirtschaftsteilnehmers im Licht aller relevanten Umstände heraus, dass dieser die festgestellten Mängel nicht verursacht hat und von ihm vernünftigerweise nicht verlangt werden konnte, mehr zu tun, als er zur Behebung dieser Mängel getan hat, steht die Richtlinie 2014/24 seiner Eintragung in die Liste der unzuverlässigen Auftragnehmer entgegen (vgl. entsprechend Urteil vom 7. September 2021, Klaipėdos regiono atliekų tvarkymo centras, C‑927/19, EU:C:2021:700, Rn. 157 und 158).

51      Diese Auslegung wird nicht dadurch entkräftet, dass der betreffende Wirtschaftsteilnehmer dem Ausschluss von der Teilnahme an Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge entgehen kann, indem er gemäß Art. 57 Abs. 6 der Richtlinie 2014/24 nachweist, dass er Abhilfemaßnahmen wie die im 102. Erwägungsgrund dieser Richtlinie beispielhaft aufgezählten ergriffen hat. Von diesem Wirtschaftsteilnehmer kann nämlich nicht verlangt werden, dass er nachweist, Abhilfemaßnahmen ergriffen zu haben, obwohl sein individuelles Verhalten mit den Mängeln, die zur vorzeitigen Beendigung des Auftrags geführt haben, nichts zu tun hat.

52      Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 18 Abs. 1 und Art. 57 Abs. 4 Buchst. g der Richtlinie 2014/24 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung oder Praxis entgegenstehen, wonach dann, wenn der öffentliche Auftraggeber einen an eine Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern vergebenen öffentlichen Auftrag wegen erheblicher oder dauerhafter Mängel, die zur Nichterfüllung einer wesentlichen Verpflichtung im Rahmen dieses Auftrags geführt haben, vorzeitig beendet, jedes Mitglied dieser Gruppe automatisch in eine Liste unzuverlässiger Auftragnehmer eingetragen wird und damit vorübergehend grundsätzlich daran gehindert ist, an neuen Vergabeverfahren teilzunehmen.

 Zur dritten Frage

53      Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 18 Abs. 1 und Art. 57 Abs. 4 Buchst. g der Richtlinie 2014/24 dahin auszulegen sind, dass ein Wirtschaftsteilnehmer, der Mitglied einer Bietergemeinschaft ist, an die ein öffentlicher Auftrag vergeben wurde, im Fall der vorzeitigen Beendigung dieses Auftrags wegen Nichtbeachtung einer wesentlichen Verpflichtung zum Nachweis, dass seine Eintragung in eine Liste unzuverlässiger Auftragnehmer nicht gerechtfertigt ist, sowohl Umstände, die seine eigene Situation betreffen, als auch solche, die die Situation Dritter wie des federführenden Unternehmens dieser Bietergemeinschaft betreffen, geltend machen kann.

54      Wie in Rn. 50 des vorliegenden Urteils ausgeführt, muss jedes Mitglied der erfolgreichen Bietergemeinschaft im Fall der vorzeitigen Beendigung des Auftrags wegen erheblicher oder dauerhafter Mängel, bevor es in eine Liste unzuverlässiger Auftragnehmer eingetragen wird und damit unter die Regelung über den vorübergehenden Ausschluss von Vergabeverfahren fällt, die Möglichkeit haben, nachzuweisen, dass sein individuelles Verhalten bei der Ausführung des Auftrags in keinem Zusammenhang mit diesen Mängeln stand.

55      Um nachzuweisen, dass sein individuelles Verhalten diese Mängel nicht verursacht hat und von ihm im Übrigen vernünftigerweise nicht verlangt werden konnte, mehr zu tun, als er getan hat, um diesen Mängeln abzuhelfen, muss der betreffende Wirtschaftsteilnehmer in die Lage versetzt werden, alle Umstände geltend zu machen, die er für erheblich hält.

56      Der Wortlaut von Art. 57 Abs. 4 Buchst. g der Richtlinie 2014/24 stellt nämlich nicht klar, unter welchen Umständen davon auszugehen ist, dass ein Mitglied einer Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern an den Mängeln, die zur vorzeitigen Beendigung des Auftrags geführt haben, beteiligt war. Daher erlaubt es diese Bestimmung jedem Mitglied einer erfolgreichen Bietergemeinschaft, alle Umstände, die seine eigene Situation oder die eines Dritten betreffen, geltend zu machen, die belegen können, dass dieser Ausschlussgrund nicht auf ihn angewandt werden kann.

57      Es ist Sache der Stelle, die den vorzeitig beendeten öffentlichen Auftrag vergeben hat, und gegebenenfalls des mit einer Klage befassten Gerichts, im Rahmen der konkreten und auf den Einzelfall bezogenen Beurteilung, die nach dem in Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie zum Ausdruck gebrachten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geboten ist, zu bestimmen, welches Gewicht jedem geltend gemachten Umstand beizumessen ist.

58      Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 18 Abs. 1 und Art. 57 Abs. 4 Buchst. g der Richtlinie 2014/24 dahin auszulegen sind, dass ein Wirtschaftsteilnehmer, der Mitglied einer Bietergemeinschaft ist, an die ein öffentlicher Auftrag vergeben wurde, im Fall der vorzeitigen Beendigung dieses Auftrags wegen Nichterfüllung einer wesentlichen Verpflichtung zum Nachweis, dass seine Eintragung in eine Liste unzuverlässiger Auftragnehmer nicht gerechtfertigt ist, jeden Umstand einschließlich solcher, die Dritte wie das federführende Unternehmen dieser Bietergemeinschaft betreffen, geltend machen kann, der belegen kann, dass er die Mängel, die zur vorzeitigen Beendigung dieses Auftrags geführt haben, nicht verursacht hat und dass von ihm vernünftigerweise nicht verlangt werden konnte, mehr zu tun, als er getan hat, um ihnen abzuhelfen.

 Zur ersten Frage

59      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 1 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 89/665 dahin auszulegen ist, dass ein Mitgliedstaat, der im Rahmen der Festlegung von Voraussetzungen für die Anwendung des in Art. 57 Abs. 4 Buchst. g der Richtlinie 2014/24 vorgesehenen fakultativen Ausschlussgrundes vorsieht, dass Wirtschaftsteilnehmer, an die ein öffentlicher Auftrag vergeben worden ist, im Fall der vorzeitigen Beendigung dieses Auftrags wegen Nichterfüllung einer wesentlichen Verpflichtung in eine Liste unzuverlässiger Auftragnehmer eingetragen werden und damit von der Teilnahme an neuen Vergabeverfahren vorübergehend grundsätzlich ausgeschlossen sind, das Recht gewährleisten muss, einen Rechtsbehelf gegen die Eintragung in diese Liste unzuverlässiger Auftragnehmer einzulegen.

60      Nach Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/665 haben die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die Entscheidungen der öffentlichen Auftraggeber wirksam und vor allem möglichst rasch auf Verstöße gegen das Unionsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder gegen die nationalen Vorschriften, die dieses Recht umsetzen, überprüft werden können. Gemäß Art. 1 Abs. 3 dieser Richtlinie müssen diese Nachprüfungsverfahren zumindest jeder Person zur Verfügung stehen, die ein Interesse an einem bestimmten Auftrag hat oder hatte und der durch einen behaupteten Verstoß ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht.

61      Mit diesen Bestimmungen bezweckt die Richtlinie 89/665 im Bereich der dem Unionsrecht unterliegenden öffentlichen Aufträge, die uneingeschränkte Achtung des in Art. 47 Abs. 1 und 2 der Charta verankerten Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht sicherzustellen (Urteil vom 7. September 2021, Klaipėdos regiono atliekų tvarkymo centras, C‑927/19, EU:C:2021:700, Rn. 128 und die dort angeführte Rechtsprechung).

62      Unter diesem Blickwinkel ist der Begriff „Entscheidungen der öffentlichen Auftraggeber“ in Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/665 weit auszulegen. Jede Entscheidung eines öffentlichen Auftraggebers, die unter die unionsrechtlichen Vorschriften über das öffentliche Auftragswesen fällt und gegen sie verstoßen kann, muss der in dieser Richtlinie vorgesehenen gerichtlichen Kontrolle unterliegen. Dieser Begriff bezieht sich also allgemein auf Entscheidungen eines öffentlichen Auftraggebers, ohne sie nach ihrem Inhalt oder dem Zeitpunkt ihres Erlasses zu unterscheiden und sieht keine Beschränkung in Bezug auf Art und Inhalt der betreffenden Entscheidungen vor (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. September 2021, Klaipėdos regiono atliekų tvarkymo centras, C‑927/19, EU:C:2021:700, Rn. 105).

63      Die Wendung „jede Person, die ein Interesse an einem bestimmten Auftrag hat oder hatte und der durch einen behaupteten Verstoß ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht“ in Art. 1 Abs. 3 dieser Richtlinie ist ebenfalls weit dahin auszulegen, dass die Vorschriften dieser Richtlinie für alle Personen gelten, deren Interesse an einem solchen Auftrag durch eine Entscheidung eines öffentlichen Auftraggebers beeinträchtigt wird.

64      Werden wie im vorliegenden Fall Mitglieder einer Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern wegen der vorzeitigen Beendigung des an sie vergebenen öffentlichen Auftrags von einem öffentlichen Auftraggeber oder auf dessen Initiative in eine Liste unzuverlässiger und somit vorübergehend von der Teilnahme an künftigen Vergabeverfahren grundsätzlich ausgeschlossener Auftragnehmer eingetragen, stellt diese Eintragung, die das Interesse jedes einzelnen Wirtschaftsteilnehmers an einem dem Unionsrecht unterliegenden öffentlichen Auftrag berührt, eine Entscheidung eines öffentlichen Auftraggebers im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/665 dar. Diese Entscheidung muss, wie sich aus der Prüfung der zweiten und der dritten Frage ergibt, die wesentlichen Merkmale des fakultativen Ausschlussgrundes nach Art. 57 Abs. 4 Buchst. g der Richtlinie 2014/24 beachten und mit dem in Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie zum Ausdruck gebrachten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang stehen. Im Fall eines behaupteten Verstoßes gegen diese Bestimmungen oder eine andere Vorschrift des Unionsrechts muss die Person, die behauptet, geschädigt zu sein, nach Art. 1 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 89/665 über einen wirksamen Rechtsbehelf verfügen.

65      Die Möglichkeit, einen Rechtsbehelf gegen die vorzeitige Beendigung des öffentlichen Auftrags, die zu ihrer Eintragung in die Liste der unzuverlässigen Auftragnehmer führt, einzulegen, stellt für die Mitglieder der erfolgreichen Bietergemeinschaft keinen wirksamen Rechtsbehelf gegen die Entscheidung dar, sie in diese Liste einzutragen und sie somit grundsätzlich von künftigen Vergabeverfahren auszuschließen. Die Rechtmäßigkeit der vorzeitigen Beendigung einerseits sowie der Eintragung und des Ausschlusses andererseits im Hinblick auf das Unionsrecht kann nämlich, wie sich aus der Prüfung der zweiten Frage ergibt, von unterschiedlichen Umständen abhängig sein.

66      Wenn also der vorzeitig beendete Auftrag an eine Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern vergeben worden war, muss jedes Mitglied dieser Gruppe einen Rechtsbehelf gegen seine Eintragung in die Liste unzuverlässiger Auftragnehmer, die den grundsätzlichen Ausschluss von künftigen Vergabeverfahren nach sich zieht, einlegen können.

67      Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 1 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 89/665 dahin auszulegen ist, dass ein Mitgliedstaat, der im Rahmen der Festlegung von Voraussetzungen für die Anwendung des in Art. 57 Abs. 4 Buchst. g der Richtlinie 2014/24 vorgesehenen fakultativen Ausschlussgrundes vorsieht, dass die Mitglieder einer Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern, an die ein öffentlicher Auftrag vergeben wurde, im Fall der vorzeitigen Beendigung dieses Auftrags wegen Nichterfüllung einer wesentlichen Verpflichtung in eine Liste unzuverlässiger Auftragnehmer eingetragen werden und damit von der Teilnahme an neuen Vergabeverfahren vorübergehend grundsätzlich ausgeschlossen sind, diesen Wirtschaftsteilnehmern das Recht gewährleisten muss, einen wirksamen Rechtsbehelf gegen ihre Eintragung in diese Liste einzulegen.

 Kosten

68      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

1.      Art. 18 Abs. 1 und Art. 57 Abs. 4 Buchst. g der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG

sind dahin auszulegen, dass

sie einer nationalen Regelung oder Praxis entgegenstehen, wonach dann, wenn der öffentliche Auftraggeber einen an eine Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern vergebenen öffentlichen Auftrag wegen erheblicher oder dauerhafter Mängel, die zur Nichterfüllung einer wesentlichen Verpflichtung im Rahmen dieses Auftrags geführt haben, vorzeitig beendet, jedes Mitglied dieser Gruppe automatisch in eine Liste unzuverlässiger Auftragnehmer eingetragen wird und damit vorübergehend grundsätzlich daran gehindert ist, an neuen Vergabeverfahren teilzunehmen.

2.      Art. 18 Abs. 1 und Art. 57 Abs. 4 Buchst. g der Richtlinie 2014/24

sind dahin auszulegen, dass

ein Wirtschaftsteilnehmer, der Mitglied einer Bietergemeinschaft ist, an die ein öffentlicher Auftrag vergeben wurde, im Fall der vorzeitigen Beendigung dieses Auftrags wegen Nichterfüllung einer wesentlichen Verpflichtung zum Nachweis, dass seine Eintragung in eine Liste unzuverlässiger Auftragnehmer nicht gerechtfertigt ist, jeden Umstand einschließlich solcher, die Dritte wie das federführende Unternehmen dieser Bietergemeinschaft betreffen, geltend machen kann, der belegen kann, dass er die Mängel, die zur vorzeitigen Beendigung dieses Auftrags geführt haben, nicht verursacht hat und dass von ihm vernünftigerweise nicht verlangt werden konnte, mehr zu tun, als er getan hat, um ihnen abzuhelfen.

3.      Art. 1 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge in der durch die Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 geänderten Fassung

ist dahin auszulegen, dass

ein Mitgliedstaat, der im Rahmen der Festlegung von Voraussetzungen für die Anwendung des in Art. 57 Abs. 4 Buchst. g der Richtlinie 2014/24 vorgesehenen fakultativen Ausschlussgrundes vorsieht, dass die Mitglieder einer Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern, an die ein öffentlicher Auftrag vergeben wurde, im Fall der vorzeitigen Beendigung dieses Auftrags wegen Nichterfüllung einer wesentlichen Verpflichtung in eine Liste unzuverlässiger Auftragnehmer eingetragen werden und damit von der Teilnahme an neuen Vergabeverfahren vorübergehend grundsätzlich ausgeschlossen sind, diesen Wirtschaftsteilnehmern das Recht gewährleisten muss, einen wirksamen Rechtsbehelf gegen ihre Eintragung in diese Liste einzulegen.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Litauisch.