Language of document : ECLI:EU:T:2009:111

BESCHLUSS DES GERICHTS (Fünfte Kammer)

22. April 2009(*)

„Nichtigkeitsklage − Verordnung (EG) Nr. 248/2008 − Milchquotenregelung − Erhöhung der nationalen Milchquoten − Fehlendes individuelles Betroffensein − Unzulässigkeit“

In der Rechtssache T‑217/08

Bundesverband Deutscher Milchviehhalter e. V. mit Sitz in Bonn (Deutschland),

Romuald Schaber, wohnhaft in Petersthal (Deutschland),

Stefan Mann, wohnhaft in Eberdorfergrund (Deutschland),

Walter Peters, wohnhaft in Körchow (Deutschland),

vertreten durch die Rechtsanwälte W. Renner und O. Schniewind,

Kläger,

gegen

Rat der Europäischen Union, vertreten durch M. Moore und Z. Kupčová als Bevollmächtigte,

Beklagter,

unterstützt durch

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch H. Tserepa‑Lacombe und M. Vollkommer als Bevollmächtigte,

Streithelferin,

wegen Nichtigerklärung der Verordnung (EG) Nr. 248/2008 des Rates vom 17. März 2008 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 in Bezug auf die einzelstaatlichen Milchquoten (ABl. L 76, S. 6)

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Vilaras (Berichterstatter) sowie der Richter M. Prek und V. M. Ciucă,

Kanzler: E. Coulon,

folgenden

Beschluss

 Sachverhalt und Verfahren

1        Der erstgenannte Kläger, der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter e. V., ist ein Verband von Milchviehhaltern aus dem gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, dessen Zweck die Vertretung der Interessen der aktiven Milcherzeuger in der Bundesrepublik Deutschland mit dem Ziel ist, die wirtschaftliche und soziale Lage der Milcherzeuger zu verbessern. Die anderen Kläger, Romuald Schaber, Stefan Mann und Walter Peters, sind auf die Haltung von Milchvieh spezialisierte Landwirte, die ihre Tätigkeit in Deutschland ausüben.

2        Am 17. März 2008 erließ der Rat die Verordnung (EG) Nr. 248/2008 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 in Bezug auf die einzelstaatlichen Milchquoten (ABl. L 76. S. 6).

3        Die Verordnung Nr. 248/2008 enthält folgende Erwägungsgründe:

„(1)      In Anhang IX der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates vom 22. Oktober 2007 über eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte und mit Sondervorschriften für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse (Verordnung über die einheitliche GMO) [ABl. L 299, S. 1] sind die im Rahmen der Milchquotenregelung zur Begrenzung der Erzeugung vorgesehenen einzelstaatlichen Milchquoten für die sieben am 1. April 2008 anlaufenden Zwölfmonatszeiträume festgesetzt.

(2)      Gemäß Artikel 66 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 werden diese Quoten vorbehaltlich einer etwaigen Überprüfung auf der Grundlage der allgemeinen Marktlage und der besonderen Bedingungen in bestimmten Mitgliedstaaten festgesetzt.

(3)      Der Rat hat die Kommission aufgefordert, einen Bericht über die Marktperspektiven auszuarbeiten, sobald die Reformen 2003 der gemeinsamen Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse vollständig durchgeführt sind, damit beurteilt werden kann, ob die Zuweisung zusätzlicher Quoten angebracht ist.

(4)      Der nun vorliegende Bericht enthält die Schlussfolgerung, dass angesichts der derzeitigen Lage auf dem Gemeinschaftsmarkt und auf den Weltmärkten sowie der voraussichtlichen Lage bis 2014 eine zusätzliche Anhebung der Quoten um 2 % zur Erleichterung einer größeren Milcherzeugung in der Gemeinschaft und zur Erfüllung der neuen Anforderungen des Milchmarktes gerechtfertigt ist.

(5)      Daher ist es angebracht, die in Anhang IX der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 festgesetzten Quoten aller Mitgliedstaaten ab 1. April 2008 um 2 % anzuheben.“

4        Nach Art. 1 der Verordnung Nr. 248/2008 erhält Nr. 1 des Anhangs IX der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates vom 22. Oktober 2007 über eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte und mit Sondervorschriften für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse (Verordnung über die einheitliche GMO) (ABl. L 299, S. 1) die Fassung des Wortlauts eines der Verordnung beigefügten Anhangs, in dem für jeden Mitgliedstaat die neue nationale Milchquote aufgeführt ist. In Bezug auf Deutschland wurde die Quote von 28 281 784,697 t durch eine Quote von 28 847 420,391 t ersetzt, was eine Erhöhung um 565 635,694 t bedeutet.

5        Die Kläger haben mit Klageschrift, die am 11. Juni 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

6        Der Rat hat mit gesondertem Schriftsatz, der am 24. September 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, eine Einrede der Unzulässigkeit gemäß Art. 114 der Verfahrensordnung des Gerichts erhoben.

7        Die Kläger haben ihre Stellungnahme zur Einrede der Unzulässigkeit am 10. November 2008 eingereicht.

8        Die Kommission hat mit Schriftsatz, der am 24. September 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, ihre Zulassung als Streithelferin im vorliegenden Verfahren zur Unterstützung der Anträge des Rates beantragt. Der Präsident der Fünften Kammer des Gerichts hat dem Antrag mit Beschluss vom 7. November 2008 stattgegeben. Die Kommission hat am 5. Januar 2009 ihren auf die Zulässigkeit beschränkten Streithilfeschriftsatz eingereicht.

 Anträge der Verfahrensbeteiligten

9        Die Kläger beantragen,

–        die Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen;

–        die Verordnung Nr. 248/2008 für nichtig zu erklären;

–        dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

10      Der Rat, unterstützt durch die Kommission, beantragt,

–        die Klage als unzulässig abzuweisen und

–        den Klägern die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

11      Nach Art. 114 § 1 der Verfahrensordnung kann das Gericht auf Antrag einer Partei vorab über die Unzulässigkeit entscheiden. Nach Art. 114 § 3 wird über den Antrag mündlich verhandelt, sofern das Gericht nichts anderes bestimmt. Im vorliegenden Fall ist das Gericht in der Lage, auf der Grundlage des Akteninhalts ohne mündliche Verhandlung über den Antrag des Rates zu entscheiden.

 Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

12      Der Rat, unterstützt durch die Kommission, macht geltend, dass die Klage unzulässig sei, da die Kläger durch die Verordnung Nr. 248/2008 nicht im Sinne von Art. 230 Abs. 4 EG unmittelbar und individuell betroffen seien.

13      Die Kläger treten diesem Vorbringen damit entgegen, dass sie sehr wohl klagebefugt seien.

14      Sie führen aus, nach ständiger Rechtsprechung seien Vereinigungen, auch wenn sie nicht Adressat eines Gemeinschaftsakts seien, dann klagebefugt, wenn sie die Interessen von Mitgliedern wahrnähmen und diese selbst auch klagebefugt wären, was bei dem klagenden Verband unbestreitbar der Fall sei.

15      Zur Voraussetzung des individuellen Betroffenseins machen die Kläger geltend, dass diese nach der Rechtsprechung bei Nichtigkeitsklagen gegen eine Verordnung dann erfüllt sei, wenn

–        die Anzahl und die Identität der betroffenen Personen bereits im Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung feststehe und die Verordnung sich daher anhand objektiver Kriterien als Bündel von Einzelfallentscheidungen darstelle;

–        dem Betroffenen in dem zum Erlass der Verordnung führenden Verfahren Beteiligungs-, Informations- und Mitwirkungsrechte eingeräumt seien, die ihn in besonderer Weise individualisierten;

–        die Verordnung in besondere Rechte des Klägers eingreife, die nur diesem oder einem abgrenzbaren Teil der Normadressaten zustünden und sie daher aus der Gruppe der Adressaten hervorhöben.

16      Zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung Nr. 248/2008 habe durchaus festgestanden, welche Milcherzeuger betroffen seien. Es handele sich also nicht um eine allgemeine Regelung, die eine unbestimmte Zahl von Unionsbürgern betreffe, sondern vielmehr um eine Regelung, die ausschließlich und abschließend die Rechtsstellung der derzeitigen Milcherzeuger in der Europäischen Union verändere. Der betroffene Personenkreis sei klar umrissen, und es sei unerheblich, wie viele andere Personen in der gleichen Lage von der Milchquotenerhöhung ebenfalls nachteilig betroffen würden.

17      Die Voraussetzung des individuellen Betroffenseins sei auch dann erfüllt, wenn die angefochtene Gemeinschaftsmaßnahme die Rechtsposition der betreffenden Personen unzweifelhaft und gegenwärtig dadurch beeinträchtige, dass sie ihre Rechte einschränke und ihnen Pflichten auferlege.

18      Die Milchviehhalter, deren Einkünfte vom Milchpreis abhingen, würden durch die in der Verordnung Nr. 248/2008 vorgesehene Erhöhung der nationalen Milchquoten unzweifelhaft und gegenwärtig beeinträchtigt, da dadurch ihre Einkommenssituation nachhaltig verschlechtert werde. Die Erhöhung dieser Quoten führe nämlich unmittelbar zu einer Erhöhung der erzeugten Milchmengen, die zu einem Druck auf den Milchpreis führe, der in Deutschland bereits stark gesunken sei. Verschiedene internationale Studien stellten diesen nachteiligen Einfluss der Verordnung Nr. 248/2008 auf den Milchmarkt heraus. Eine solche Situation führe dazu, dass die Kläger in ihrem Grundrecht auf Berufsfreiheit und in ihrem Grundrecht auf Eigentum eingeschränkt würden.

19      Daneben seien die Kläger aufgrund einer „regionaltypischen Produktionsstruktur“ in besonderer Weise auf die Rechte angewiesen, die ihnen durch die Milchquotenregelung zugewiesen seien, was sie deutlich aus der Gruppe der allgemeinen Normadressaten hervorhebe.

20      So stamme ein Teil der europäischen Erzeugung insbesondere in Süddeutschland aus kleinen Familienbetrieben, die in Übereinstimmung mit der kulturellen Tradition und im Einklang mit den natürlichen Ressourcen ihrer Region mit kleinen Viehherden produzierten. Eine Ausweitung der Quote würde zu einem weiteren Überangebot und damit einer erheblichen Senkung des Milchpreises und der Einkünfte dieser kleinen Erzeuger führen, deren Produktionskosten bereits höher als diejenigen der Großbetriebe seien, was zu einer Einstellung der Tätigkeit dieser kleinen Erzeuger führen würde.

21      Die Zulässigkeit der vorliegenden Klage sei zwingend erforderlich, um den Klägern einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz zu gewährleisten, der durch Art. 47 der am 7. Dezember 2000 in Nizza proklamierten Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. 2000, C 364, S. 1) und die Gemeinschaftsrechtsprechung garantiert werde.

22      Die deutsche Rechtsordnung sehe nicht vor, dass Gemeinschaftsverordnungen einer gerichtlichen Prüfung unterzogen werden könnten. Das Fehlen einer direkten Klagemöglichkeit gegen eine in Form einer Verordnung ergangene Gemeinschaftsmaßnahme werde nicht dadurch, dass der Gerichtshof für die Beurteilung der Gültigkeit der Gemeinschaftsmaßnahme im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens eines nationalen Gerichts zuständig sei, oder durch die Möglichkeit einer Schadensersatzklage aus außervertraglicher Haftung gemäß Art. 235 EG und Art. 288 Abs. 2 EG kompensiert.

23      Ein Vorabentscheidungsersuchen würde einen Verstoß gegen eine Maßnahme einer deutschen Behörde voraussetzen, die mit dem Vollzug der Milchquotenregelung beauftragt sei, damit es zu einer den betreffenden Erzeuger belastenden Entscheidung komme. Es sei in keiner Weise sichergestellt, dass dieser Erzeuger Adressat einer Verwaltungsentscheidung werde, was das Anstoßen eines Vorabentscheidungsverfahrens unmöglich mache. Entgegen der Ansicht des Rates führten die Umsetzungsspielräume der nationalen Behörden beim Vollzug der Quotenregelung nicht dazu, dass die Kläger wirksamen Rechtsschutz gegen die Erhöhung der nationalen Quoten erhalten könnten, und für den vorliegenden Fall lasse sich auch daraus nichts ableiten, dass nationale Gerichte in anderen Fällen Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof gestellt hätten.

24      Abgesehen davon, dass die Entscheidung über eine Vorlage bis zu einem gewissen Grad im Ermessen des vorlegenden Gerichts stehe, das möglicherweise rechtsfehlerhaft den Gerichtshof nicht anrufe, führe das Vorabentscheidungsverfahren zu erheblichen zeitlichen Verzögerungen, die nachteilig für das Verfahren und mit deutlich höheren Verfahrenskosten verbunden seien.

25      Die Schadensersatzklage stelle ebenfalls keine adäquate Rechtsschutzmöglichkeit dar, da sie nur zum Ersatz des durch die Anwendung der Verordnung Nr. 248/2008 entstandenen Schadens führen könne, ohne diese Verordnung als geltendes Gemeinschaftsrecht zu beseitigen.

 Würdigung durch das Gericht

26      Als Erstes ist die Zulässigkeit der Klage zu prüfen, soweit sie von den drei Landwirten erhoben worden ist.

27      Nach Art. 230 Abs. 4 EG kann „[j]ede natürliche oder juristische Person … gegen die an sie ergangenen Entscheidungen sowie gegen diejenigen Entscheidungen Klage erheben, die, obwohl sie als Verordnung oder als eine an eine andere Person gerichtete Entscheidung ergangen sind, sie unmittelbar und individuell betreffen“.

28      Die Kläger machen geltend, dass die Verordnung Nr. 248/2008 als Bündel von Einzelfallentscheidungen anzusehen sei, deren Adressaten sie als Mitglieder eines beschränkten Kreises betroffener Wirtschaftsteilnehmer seien.

29      Das Merkmal zur Unterscheidung zwischen Verordnung und Entscheidung ist darin zu sehen, ob die fragliche Maßnahme allgemeine Geltung hat. Dabei sind die Rechtsnatur der angefochtenen Maßnahme und insbesondere die Rechtswirkungen, die sie erzeugen soll oder tatsächlich erzeugt, zu untersuchen (Urteil des Gerichtshofs vom 24. Februar 1987, Deutz und Geldermann/Rat, 26/86, Slg. 1987, 941, Randnr. 7 ; Beschlüsse des Gerichtshofs vom 23. November 1995, Asocarne/Rat, C‑10/95 P, Slg. 1995, I‑4149, Randnr. 28, und vom 24. April 1996, CNPAAP/Rat, C‑87/95 P, Slg. 1996, I‑2003, Randnr. 33). Ein Rechtsakt hat allgemeine Geltung, wenn er für objektiv bestimmte Situationen gilt und Rechtswirkungen gegenüber generell und abstrakt umschriebenen Personengruppen erzeugt (Beschluss des Gerichts vom 11. September 2007, Honig‑Verband/Kommission, T‑35/06, Slg. 2007, II‑2865, Randnr. 39).

30      Im vorliegenden Fall stellt das Gericht fest, dass die Verordnung Nr. 248/2008 die Verordnung Nr. 1234/2007 ändert, und zwar durch Erhöhung der für jeden Mitgliedstaat vorgesehenen Quoten für die Erzeugung von Milch und anderen Milcherzeugnissen, die in sieben aufeinander folgenden Zwölfmonatszeiträumen, beginnend mit dem 1. April 2008, vermarktet werden.

31      Es ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 66 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1234/2007 die genannten nationalen Quoten auf die Erzeuger aufgeteilt werden, wobei zwischen Lieferungen und Direktverkäufen unterschieden wird. Somit kann jeder Erzeuger am 1. April 2008 über eine oder zwei einzelbetriebliche Quoten, eine für Lieferungen und eine für Direktverkäufe, verfügen, die der oder den einzelbetrieblichen Referenzmengen zum 31. März 2008 entsprechen, und zwar unbeschadet der Quotenübertragungen, -verkäufe und -umwandlungen, die zum 1. April 2008 wirksam werden (Art. 67 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1234/2007).

32      Art. 65 Buchst. c der Verordnung Nr. 1234/2007 definiert den Erzeuger als Betriebsinhaber, der einen Betrieb im geografischen Gebiet eines Mitgliedstaats bewirtschaftet sowie Milch erzeugt und vermarktet oder Vorbereitungen trifft, um dies in nächster Zukunft zu tun.

33      Somit erweist sich, dass die Verordnung Nr. 248/2008 in Verbindung mit dem Rechtsakt, den sie ändert, für objektiv bestimmte Situationen gilt und Rechtswirkungen gegenüber generell und abstrakt umschriebenen Personengruppen erzeugt, nämlich gegenüber den Landwirten, die im Gebiet der Europäischen Union tatsächlich oder potenziell Milch erzeugen und vermarkten.

34      Selbst unterstellt, dass dem Rat zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung Nr. 248/2008 die Identität der Kläger tatsächlich bekannt war, wird jedenfalls nach ständiger Rechtsprechung die allgemeine Geltung und damit der normative Charakter einer Maßnahme nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Personen, auf die sie zu einem bestimmten Zeitpunkt anwendbar ist, der Zahl oder sogar der Identität nach mehr oder weniger genau bestimmt werden können, sofern nur feststeht, dass diese Anwendung aufgrund einer durch die Maßnahme definierten objektiven rechtlichen oder tatsächlichen Situation erfolgt (Urteile des Gerichtshofs vom 11. Juli 1968, Zuckerfabrik Watenstedt/Rat, 6/68, Slg. 1968, 612, 621, und vom 29. Juni 1993, Gibraltar/Rat, C‑298/89, Slg. 1993, I‑3605, Randnr. 17; Beschluss des Gerichts vom 8. Juli 1999, Area Cova u. a./Rat und Kommission, T‑12/96, Slg. 1999, II‑2301, Randnr. 32).

35      Im vorliegenden Fall sind die Kläger durch die Verordnung Nr. 248/2008 in Verbindung mit der durch sie geänderten Verordnung Nr. 1234/2007 aufgrund einer durch diese Maßnahme objektiv bestimmten Situation betroffen, nämlich in ihrer Eigenschaft als Milcherzeuger, deren Betrieb im Gebiet der Europäischen Union belegen ist.

36      Die angefochtene Maßnahme hat folglich allgemeine Geltung und stellt eine Verordnung im Sinne von Art. 249 EG dar.

37      Allerdings genügt der Umstand, dass die angefochtene Maßnahme ihrem Wesen nach normativen Charakter hat und keine Entscheidung im Sinne von Art. 249 EG darstellt, für sich nicht, um die Möglichkeit für die Kläger auszuschließen, eine Nichtigkeitsklage gegen die Maßnahme zu erheben.

38      Unter bestimmten Umständen kann nämlich sogar eine normative Maßnahme, die auf die Gesamtheit der betroffenen Wirtschaftsteilnehmer Anwendung findet, einige von ihnen unmittelbar und individuell betreffen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 16. Mai 1991, Extramet Industrie/Rat, C‑358/89, Slg. 1991, I‑2501, Randnr. 13, und vom 18. Mai 1994, Codorníu/Rat, C‑309/89, Slg. 1994, I‑1853, Randnr. 19).

39      In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass nach der Rechtsprechung eine natürliche oder juristische Person nur dann geltend machen kann, sie sei individuell betroffen, wenn die fragliche Handlung sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder wegen besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie dadurch in ähnlicher Weise individualisiert wie einen Adressaten (Urteile des Gerichtshofs vom 15. Juli 1963, Plaumann/Kommission, 25/62, Slg. 1963, 213, 238, und vom 25. Juli 2002, Unión de Pequeños Agricultores/Rat, C‑50/00 P, Slg. 2002, I‑6677, Randnr. 36).

40      Im vorliegenden Fall werden die Kläger nicht etwa wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder wegen besonderer, sie heraushebender Umstände, sondern aufgrund ihrer objektiven Eigenschaft als Milcherzeuger, deren Betrieb im Gebiet der Europäischen Union belegen ist, von der Verordnung Nr. 248/2008 berührt, und zwar in gleicher Weise wie jeder andere in diesem Sektor tätige Wirtschaftsteilnehmer.

41      Keines der von den Klägern vorgetragenen Argumente vermag diese Beurteilung in Frage zu stellen.

42      Die Kläger machen erstens geltend, die Voraussetzung des individuellen Betroffenseins sei erfüllt, wenn dem „Betroffenen … in dem zum Erlass der Verordnung führenden Verfahren Beteiligungs‑, Informations‑ und Mitwirkungsrechte eingeräumt [sind]“.

43      Es ist festzustellen, dass es sich dabei um eine bloße allgemeine Behauptung handelt und die Kläger keine Bestimmung der anwendbaren Gemeinschaftsregelung anführen, die ihnen eine besondere Verfahrensstellung einräumt, die geeignet wäre, sie zu individualisieren.

44      Die Kläger machen zweitens geltend, die in der Verordnung Nr. 248/2008 vorgesehene Erhöhung der nationalen Milchquoten führe zu einer Verschlechterung ihrer Einkommenssituation aufgrund eines Rückgangs des Milchpreises.

45      Es genügt die Feststellung, dass der wirtschaftliche Schaden, der den Klägern durch die Verordnung Nr. 248/2008 entstanden sein soll, – unterstellt, er wäre erwiesen – sie nur in ihrer objektiven Eigenschaft als Milcherzeuger in der Gemeinschaft beträfe und nicht geeignet sein könnte, sie aus dem Kreis aller übrigen von dieser Verordnung betroffenen Erzeuger in der Gemeinschaft herauszuheben.

46      Auch dass die Kläger als Milchviehhalter mit kleinen Betrieben in Bergregionen und dementsprechend hohen Produktionskosten besonders betroffen sein können, reicht nicht aus, um sie im Sinne von Art. 230 EG zu individualisieren. Abgesehen davon, dass sich im gesamten Gebiet der Europäischen Union eine große Zahl von Wirtschaftsteilnehmern, die durch die Verordnung Nr. 248/2008 in gleicher Weise wie die Kläger berührt werden, in einer solchen Situation befinden, vermag jedenfalls der Umstand, dass sich ein normativer Akt auf die verschiedenen Normadressaten im konkreten Fall unterschiedlich auswirken kann, diese nicht aus dem Kreis aller übrigen betroffenen Wirtschaftsteilnehmer herauszuheben, sofern seine Anwendung nach einem objektiv bestimmten Tatbestand erfolgt (Urteil des Gerichts vom 22. Februar 2000, ACAV u. a./Rat, T‑138/98, Slg. 2000, II‑341, Randnr. 66, und Beschluss des Gerichts vom 21. März 2003, Établissements Toulorge/Parlament und Rat, T‑167/02, Slg. 2003, II‑1111, Randnr. 63), was vorliegend unbestreitbar der Fall ist.

47      Für die geltend gemachten nachteiligen wirtschaftlichen Auswirkungen der Verordnung Nr. 248/2008 rügen die Kläger außerdem eine Beschränkung der Berufsfreiheit und des Eigentumsrechts. Selbst wenn diese Beschränkung erwiesen wäre, würden die Kläger dadurch aber nicht aus dem Kreis aller übrigen durch die Verordnung Nr. 248/2008 betroffenen Wirtschaftsteilnehmer herausgehoben.

48      Im Übrigen ist dieses Vorbringen der Kläger nicht geeignet, das Bestehen besonderer subjektiver Rechte im Sinne des oben in Randnr. 38 angeführten Urteils Codorníu/Rat darzutun, die durch die Verordnung Nr. 248/2008 beeinträchtigt werden könnten, da jeder Milcherzeuger in der Gemeinschaft eine gleiche Beschränkung wie die in der vorstehenden Randnummer genannte geltend machen könnte.

49      Schließlich führen die Kläger aus, ihr Grundrecht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz gebiete, sie als individuell betroffen zu behandeln.

50      Insoweit hat der Gerichtshof daran erinnert, dass das Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen gehört, die sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergeben, und dass dieses Recht auch in den Art. 6 und 13 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) verankert ist; sodann hat er ausgeführt, dass der EG‑Vertrag mit den Art. 230 EG und 241 EG auf der einen und Art. 234 EG auf der anderen Seite ein vollständiges System von Rechtsbehelfen und Verfahren, das die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Handlungen der Organe gewährleisten soll, geschaffen und mit dieser Kontrolle den Gemeinschaftsrichter betraut hat. In diesem System haben natürliche oder juristische Personen, die wegen der Zuständigkeitsvoraussetzungen des Art. 230 Abs. 4 EG Gemeinschaftshandlungen allgemeiner Geltung nicht unmittelbar anfechten können, die Möglichkeit, je nach den Umständen des Falles die Ungültigkeit solcher Handlungen entweder inzident nach Art. 241 EG vor dem Gemeinschaftsrichter oder aber vor den nationalen Gerichten geltend zu machen und diese Gerichte, die nicht selbst die Ungültigkeit der genannten Handlungen feststellen können, zu veranlassen, dem Gerichtshof insoweit Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen (Urteile des Gerichtshofs Unión de Pequeños Agricultores/Rat, in Randnr. 39 des vorliegenden Beschlusses angeführt, Randnrn. 39 und 40, und vom 1. April 2004, Kommission/Jégo-Quéré, C‑263/02 P, Slg. 2004, I‑3425, Randnrn. 29 und 30).

51      Entgegen dem Vorbringen der Kläger kann der Umstand, dass im vorliegenden Fall kein nationaler Rechtsbehelf effektiv sei, – auch wenn dies unterstellt wird – keine Änderung des durch die Art. 230 EG, 234 EG und 241 EG geschaffenen Systems der Rechtsbehelfe und der Verfahren, wie es in der vorstehenden Randnummer beschrieben ist, im Wege der Rechtsprechung rechtfertigen. Wie sich aus der Rechtsprechung ergibt, kann die Zulässigkeit einer Nichtigkeitsklage vor dem Gemeinschaftsrichter nicht von der Frage abhängen, ob es einen Rechtsbehelf zu einem nationalen Gericht gibt, der die Prüfung der Gültigkeit des Rechtsakts, dessen Nichtigerklärung verlangt wird, ermöglicht (vgl. in diesem Sinne Urteile Unión de Pequeños Agricultores/Rat, in Randnr. 39 des vorliegenden Beschlusses angeführt, Randnrn. 43 und 46, und Kommission/Jégo-Quéré, in Randnr. 50 des vorliegenden Beschlusses angeführt, Randnrn. 33 und 34; Beschluss des Gerichts vom 12. Januar 2007, SPM/Kommission, T‑447/05, Slg. 2007, II‑1, Randnr. 82). Keinesfalls kann die Nichtigkeitsklage einer natürlichen oder juristischen Person für zulässig erklärt werden, die nicht die in Art. 230 Abs. 4 EG vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt (Beschluss des Gerichtshofs vom 1. Februar 2001, Area Cova u. a./Rat und Kommission, C‑301/99 P, Slg. 2001, I‑1005, Randnr. 47), wobei daran zu erinnern ist, dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, ein System von Rechtsbehelfen und Verfahren vorzusehen, mit dem die Einhaltung des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz gewährleistet werden kann (Urteil Unión de Pequeños Agricultores/Rat, in Randnr. 39 des vorliegenden Beschlusses angeführt, Randnr. 41).

52      Im Übrigen hat der Gerichtshof ausgeführt, dass, wenn ein Bürger gegen die von ihm beanstandeten Maßnahmen keine Nichtigkeitsklage erheben kann, dies nicht bedeutet, dass ihm damit der Zugang zu den Gerichten versagt wäre, da noch die Möglichkeit einer Klage aus außervertraglicher Haftung nach Art. 235 EG und Art. 288 Abs. 2 EG besteht, wenn diese Maßnahmen geeignet sind, die Haftung der Gemeinschaft auszulösen (Urteil des Gerichtshofs vom 12. September 2006, Reynolds Tobacco u. a./Kommission, C‑131/03 P, Slg. 2006, I‑7795, Randnr. 82, und Beschluss SPM/Kommission, in Randnr. 51 des vorliegenden Beschlusses angeführt, Randnr. 83).

53      Daher ist das auf das Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz gestützte Vorbringen der Kläger zurückzuweisen.

54      Nach alledem können die Kläger nicht als von der Verordnung Nr. 248/2008 individuell betroffen behandelt werden. Da eine der in Art. 230 Abs. 4 EG aufgestellten Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht erfüllt ist, braucht das durch die Kommission unterstützte Vorbringen des Rates, dass die Kläger von dieser Verordnung nicht unmittelbar betroffen seien, nicht geprüft zu werden.

55      Was zweitens die Zulässigkeit der Klage angeht, soweit sie von dem klagenden Verband erhoben worden ist, so ist daran zu erinnern, dass eine berufsständische Vereinigung, die zur Verteidigung und Vertretung der Interessen ihrer Mitglieder gegründet wurde, in drei Arten von Situationen befugt ist, Nichtigkeitsklage zu erheben, nämlich erstens, wenn eine Rechtsvorschrift ihr ausdrücklich eine Reihe von verfahrensrechtlichen Befugnissen einräumt, zweitens, wenn sie die Interessen von Unternehmen vertritt, die selbst klagebefugt wären, und drittens, wenn sie selbst wegen der Beeinträchtigung ihrer eigenen Interessen als Vereinigung individualisiert ist, u. a. weil ihre Position als Verhandlungsführerin von der Handlung, deren Nichtigerklärung verlangt wird, berührt worden ist (vgl. Beschluss des Gerichts vom 8. September 2005, ASAJA u. a./Rat, T‑295/04 bis T‑297/04, Slg. 2005, II‑3151, Randnr. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).

56      Im vorliegenden Fall macht der klagende Verband nur geltend, dass die Klage zulässig sei, da er die Interessen der in Deutschland tätigen Milcherzeuger vertrete, deren Klagebefugnis gegen die Verordnung Nr. 248/2008 unbestreitbar sei.

57      Wie bereits oben in Bezug auf die klagenden Milchviehhalter in Deutschland festgestellt worden ist, betrifft die Verordnung Nr. 248/2008 unterschiedslos alle gegenwärtigen und zukünftigen Milcherzeuger in der Gemeinschaft, und der klagende Verband trägt nichts dafür vor, dass seine Mitglieder dennoch gegen diese Verordnung Klage erheben könnten, weil sie von ihr individuell und unmittelbar betroffen wären.

58      Der klagende Verband hat sich einfach damit begnügt, in seinen Schriftsätzen auf die Ausführungen zur Situation der Kläger zu verweisen, deren fehlendes individuelles Betroffensein in Randnr. 54 des vorliegenden Beschlusses festgestellt worden ist.

59      Nach alledem ist die vorliegende Klage daher als unzulässig abzuweisen.

 Kosten

60      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kläger unterlegen sind, sind ihnen gemäß dem Antrag des Rates die Kosten aufzuerlegen.

61      Nach Art. 87 § 4 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Im vorliegenden Fall sind der Kommission ihr eigenen Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

beschlossen:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter e. V., Romuald Schaber, Stefan Mann und Walter Peters tragen ihre eigenen Kosten sowie die Kosten des Rates.

3.      Die Kommission trägt ihre eigenen Kosten.

Luxemburg, den 22. April 2009

Der Kanzler

 

      Der Präsident

E. Coulon

 

      M. Vilaras


* Verfahrenssprache: Deutsch.