Language of document : ECLI:EU:T:2007:346

URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer)

20. November 2007

Rechtssache T-205/04

Alessandro Ianniello

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

„Öffentlicher Dienst – Beamte – Beurteilung der beruflichen Entwicklung – Beurteilungsverfahren 2001/2002 – Anfechtungsklage – Schadensersatzklage“

Gegenstand: Klage auf Aufhebung der Beurteilung der beruflichen Entwicklung des Klägers für das Beurteilungsverfahren 2001/2002 und der Entscheidung der Anstellungsbehörde vom 18. Februar 2004, mit der seine Beschwerde zurückgewiesen wurde, sowie auf Zahlung von Schadensersatz für erlittenen immateriellen Schaden

Entscheidung: Die Klage wird abgewiesen. Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Leitsätze

1.      Beamte – Beurteilung – Wahrung der Verteidigungsrechte

(Beamtenstatut, Art. 26 Abs. 1 und 2 und Art. 43)

2.      Beamte – Beurteilung – Paritätischer Evaluierungsausschuss – Verbot der Teilnahme eines Ausschussmitglieds, das bei der Erstellung einer Beurteilung der beruflichen Entwicklung involviert war, an deren sachlicher Prüfung

(Beamtenstatut, Art. 43)

3.      Anfechtungsklage – Gründe

(Art. 230 EG und 253 EG)

4.      Beamte – Beurteilung – Verschlechterung der Beurteilung gegenüber der vorherigen Beurteilung

(Beamtenstatut, Art. 43)

5.      Beamte – Beurteilung – Gerichtliche Nachprüfung

(Beamtenstatut, Art. 43)

6.      Beamte – Beurteilung – Erstellung – Verspätung

(Beamtenstatut, Art. 43)

1.      Bei der Beurteilung des Personals der Europäischen Gemeinschaften muss der fundamentale Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte es dem Betroffenen im Beurteilungsverfahren ermöglichen, sich gegen die Behauptung von Tatsachen, die ihm entgegengehalten werden, zu verteidigen. Dieser Zweck wird insbesondere durch Art. 26 Abs. 1 und 2 des Statuts und die von der Kommission angenommenen allgemeinen Durchführungsbestimmungen zu Art. 43 des Statuts umgesetzt, deren Bestimmungen die Wahrung des Rechts auf Anhörung während des gesamten Verfahrens sicherstellen.

(vgl. Randnr. 46)

Verweisung auf: Gericht, 8. März 2005, Vlachaki/Kommission, T‑277/03, Slg. ÖD 2005, I‑A‑57 und II‑243, Randnr. 64

2.      Um zu gewährleisten, dass die Unparteilichkeit der Mitglieder des Paritätischen Evaluierungsausschusses, der im Verfahren der Beurteilung der Beamten tätig zu werden hat, bei der Ausübung ihrer Aufgaben nicht gefährdet wird, sieht Art. 8 Abs. 6 der von der Kommission angenommenen allgemeinen Durchführungsbestimmungen zu Art. 43 des Statuts vor, dass die Mitglieder dieses Ausschusses verpflichtet sind, zurückzutreten und sich durch einen Stellvertreter ersetzen zu lassen, wenn sich erweist, dass sie sich in ihrer Rolle als beurteilender oder gegenzeichnender Beamter oder als Berufungsbeurteilender in einem Interessenkonflikt befinden.

Daraus geht hervor, dass die Mitglieder des genannten Ausschusses, die für die Erstellung einer Beurteilung der beruflichen Entwicklung verantwortlich sind, nicht an den Sitzungen des Ausschusses teilnehmen können, wenn dieser die gegen die genannte Beurteilung gerichtete Beschwerde prüft.

Der Umstand allein jedoch, dass sich der die Beurteilung gegenzeichnende Beamte, der nach den vorgenannten Bestimmungen nicht an der Prüfung der Beurteilung durch den Ausschuss teilnehmen darf, nicht der Teilnahme an einem Treffen des Ausschusses enthalten hat, in dessen Rahmen von der Aussetzung der Prüfung des Rechtsbehelfs des beurteilten Beamten die Rede war, vermag nicht die Unparteilichkeit des genannten Ausschusses in Frage zu stellen, da während der fraglichen Sitzung kein die Begründetheit des Rechtsbehelfs betreffender Gesichtspunkt geprüft worden ist.

(vgl. Randnrn. 70 bis 72)

3.      In Bezug auf Klagegründe, die im Rahmen einer Anfechtungsklage geltend gemacht werden können, ist eine klare Unterscheidung zwischen dem Klagegrund der Verletzung der Begründungspflicht und dem Klagegrund des offensichtlichen Beurteilungsfehlers vorzunehmen. Es handelt sich nämlich um zwei verschiedene Klagegründe, von denen der Erstgenannte, mit dem eine fehlende oder unzureichende Begründung gerügt wird, den Vorwurf einer Verletzung wesentlicher Formvorschriften im Sinne des Art. 253 EG enthält und einen Gesichtspunkt zwingenden Rechts darstellt, den der Gemeinschaftsrichter von Amts wegen prüfen muss, während der Zweitgenannte, der die materielle Rechtmäßigkeit der streitigen Entscheidung betrifft, vom Gemeinschaftsrichter nur geprüft werden kann, wenn sich der Kläger auf ihn beruft.

(vgl. Randnr. 92)

Verweisung auf: Gericht, 13 Juli 2006, Andrieu/Kommission, T‑285/04, Slg. 2006, II-0000, Randnr. 90 und die dort angeführte Rechtsprechung

4.      Die Verwaltung ist verpflichtet, die Beurteilung hinreichend und detailliert zu begründen und es dem Betroffenen zu ermöglichen, Bemerkungen zu dieser Begründung zu machen; die Einhaltung dieser Erfordernisse ist besonders wichtig, wenn die Beurteilung gegenüber der vorherigen Beurteilung weniger günstig ausfällt.

Die den Einzelbeurteilungen beigefügten allgemeinen Bemerkungen müssen dem Beurteilten erlauben, sich in voller Sachkenntnis ein Urteil über deren Berechtigung zu bilden, und gegebenenfalls dem Gemeinschaftsrichter ihre Kontrolle ermöglichen; hierzu muss zwischen den Einzelbeurteilungen und den Bemerkungen, die ihrer Begründung dienen, eine Kohärenz bestehen.

(vgl. Randnrn. 94 und 95)

Verweisung auf: Gericht, 21. Oktober 1992, Maurissen/Rechnungshof, T‑23/91, Slg. 1992, II‑2377, Randnr. 41; Gericht, 12. Juni 2002, Mellone/Kommission, T‑187/01, Slg. ÖD 2002, I‑A‑81 und II‑389, Randnr. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung

5.      Es steht dem Gericht nicht zu, die Beurteilung durch die Personen, die mit der Bewertung der Arbeit des Beurteilten betraut sind, durch seine eigene zu ersetzen. Die Gemeinschaftsorgane verfügen nämlich über ein weites Ermessen bei der Beurteilung der Arbeit ihrer Beamten. Die in den Beurteilungen enthaltenen Werturteile über Beamte sind von der gerichtlichen Nachprüfung ausgeschlossen, die sich nur auf etwaige Formfehler, in tatsächlicher Hinsicht offensichtlich irrige Bewertungen durch die Verwaltung und einen etwaigen Ermessensmissbrauch bezieht.

(vgl. Randnr. 100)

Verweisung auf: Andrieu/Kommission, Randnr. 99 und die dort angeführte Rechtsprechung

6.       Eine Beurteilung kann außer bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände nicht allein deshalb aufgehoben werden, weil sie verspätet erstellt worden ist. Die Verspätung bei der Erstellung einer Beurteilung kann zwar einen Schadensersatzanspruch zugunsten des betroffenen Beamten begründen, sie kann aber nicht die Gültigkeit der Beurteilung beeinträchtigen und daher auch nicht ihre Aufhebung rechtfertigen.

(vgl. Randnr. 139)

Verweisung auf: Gericht, 7. Mai 2003, den Hamer/Kommission, T‑278/01, Slg. ÖD 2003, I‑A‑139 und II‑665, Randnr. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung