Language of document : ECLI:EU:T:2014:738

BESCHLUSS DES GERICHTS (Dritte Kammer)

2. September 2014(*)

„Zugang zu Dokumenten – Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 – Aufforderungsschreiben im Rahmen eines laufenden Vertragsverletzungsverfahrens betreffend die Vereinbarkeit des deutschen Luftverkehrsrechts mit dem Unionsrecht – Verweigerung des Zugangs – Ausnahme zum Schutz des Zwecks von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten – Teilweise offensichtlich unzulässige und teilweise offensichtlich jeder rechtlichen Grundlage entbehrende Klage“

In der Rechtssache T‑538/13

Verein Natura Havel e. V. mit Sitz in Berlin (Deutschland),

Hans-Peter Vierhaus, wohnhaft in Berlin,

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt O. Austilat,

Kläger,

gegen

Europäische Kommission, zunächst vertreten durch B. Martenczuk und C. Zadra, dann durch B. Martenczuk und J. Baquero Cruz als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung zum einen der Entscheidung der Kommission vom 24. Juni 2013, mit der der Erstantrag auf Zugang zu einem gemäß Art. 258 AEUV an die Bundesrepublik Deutschland gerichteten Aufforderungsschreiben abgelehnt wurde, und zum anderen der Entscheidung der Kommission vom 3. September 2013, mit der der Zweitantrag auf Zugang zu diesem Schreiben abgelehnt wurde,

erlässt

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten S. Papasavvas (Berichterstatter) sowie der Richter N. J. Forwood und E. Bieliūnas,

Kanzler: E. Coulon,

folgenden

Beschluss

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Der Kläger zu 1, der Verein Natura Havel e. V., ist ein Verein deutschen Rechts, dessen Zweck der Schutz der Umwelt, der Natur und der Artenvielfalt durch die Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen im Gebiet der Havel in der Region Berlin-Potsdam und insbesondere der zum europäischen Netz „Natura 2000“ gehörenden besonderen Schutzgebiete „Grunewald“ und „Westlicher Düppeler Forst“ (im Folgenden: FFH- und SPA-Gebiete) ist.

2        Am 10. Februar 2012 erließ das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung die Zweihundertsiebenundvierzigste Durchführungsverordnung zur Luftverkehrs-Ordnung (Festlegung von Flugverfahren für An- und Abflüge nach Instrumentenflugregeln zum und vom Flughafen Berlin-Brandenburg, Bundesanzeiger Nr. 45 vom 20. März 2012, S. 1086, im Folgenden: streitige Verordnung).

3        Am 22. März 2013 erhob der Kläger zu 2, Hans-Peter Vierhaus, ein Mitglied des Klägers zu 1, als dessen Bevollmächtigter beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eine unter dem Aktenzeichen OVG 11 A 21.13 in das Register eingetragene Klage gegen die streitige Verordnung, mit der er geltend machte, dass erstens die Verordnung rechtswidrig sei, weil die Flugrouten ohne Durchführung einer unionsrechtlich gebotenen Umweltverträglichkeitsprüfung festgelegt worden seien, und zweitens die Wannsee-Route kraft dieser Verordnung als Abflugverfahren festgelegt worden sei, was dazu führe, dass Flugzeuge über die FFH- und SPA-Gebiete flögen.

4        Am 12. Februar 2013 legte der Kläger zu 2 im Namen des Klägers zu 1 bei der Europäischen Kommission eine unter dem Aktenzeichen CHAP(2013)00613 registrierte Beschwerde ein, deren Empfang am 26. Februar 2013 bestätigt wurde und die die unionsrechtswidrige Festlegung der Flugverfahren für An- und Abflüge durch die streitige Verordnung ohne Durchführung einer vorherigen Umweltverträglichkeitsprüfung betrifft.

5        Am 30. Mai 2013 richtete die Kommission gemäß Art. 258 AEUV ein Aufforderungsschreiben betreffend die Vereinbarkeit des deutschen Luftverkehrsrechts mit der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. 2012, L 26, S. 1) und der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206, S. 7) (im Folgenden: Aufforderungsschreiben) an die deutschen Behörden und veröffentlichte am selben Tag eine Pressemitteilung. Ferner gab die Generaldirektion (GD) „Umwelt“, vertreten durch den Sprecher des für Umwelt zuständigen Kommissionsmitglieds, am selben Tag eine Pressekonferenz zu diesem Verfahren, die von den deutschen Rundfunkanstalten und von zahlreichen deutschen Tageszeitungen auszugsweise wiedergegeben wurde.

6        Am 30. Mai 2013 stellte der Kläger zu 2 im Namen und für den Kläger zu 1 gemäß Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. L 145, S. 43) einen Antrag auf Zugang zu dem Aufforderungsschreiben.

7        Mit Schreiben vom 24. Juni 2013 lehnte die GD „Umwelt“ den fraglichen Antrag auf Zugang ab (im Folgenden: Antwort auf den Erstantrag).

8        Am 25. Juni 2013 stellte der Kläger zu 2 im Namen und für den Kläger zu 1 einen Zweitantrag gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001, dessen Eingang am 26. Juni 2013 bestätigt wurde.

9        Mit Schreiben vom 17. Juli 2013 teilte die Kommission dem Kläger zu 2 mit, dass die Frist für die Beantwortung des Zweitantrags gemäß Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 um 15 Arbeitstage verlängert werde.

10      Mit Schreiben vom 5. August 2013 teilte die Kommission dem Kläger zu 2 mit, dass sie noch nicht in der Lage sei, den Zweitantrag zu beantworten.

11      Am 20. August 2013 forderte der Kläger zu 2 im Namen und für den Kläger zu 1 die Kommission auf, den Zweitantrag bis zum 30. August 2013 zu bescheiden, und stellte klar, dass er anderenfalls eine Klage gemäß Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 erheben werde.

12      Mit Entscheidung vom 3. September 2013 bestätigte die Kommission die Verweigerung des Zugangs zu dem Aufforderungsschreiben und lehnte somit den vom Kläger zu 2 im Namen und für den Kläger zu 1 gestellten Zweitantrag ab (im Folgenden: ablehnende Entscheidung). Im Wesentlichen stellte die Kommission fest, dass eine frühzeitige Freigabe des Aufforderungsschreibens dem zwischen ihr und den deutschen Behörden eingeleiteten Dialog schaden und die Atmosphäre des gegenseitigen Vertrauens beeinträchtigen würde, die für die angestrebte Erzielung einer gütlichen Einigung erforderlich sei. Diese Auslegung sei von der Unionsrechtsprechung bestätigt worden, die das Bestehen einer allgemeinen Vermutung dafür anerkannt habe, dass durch die Verbreitung von Dokumenten einer Verwaltungsakte über ein Vertragsverletzungsverfahren im Stadium des zugehörigen Vorverfahrens grundsätzlich der Schutz der Ziele von Untersuchungstätigkeiten im Sinne von Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 beeinträchtigt würde, solange dieses Verfahren laufe.

13      Die Kommission wies im Übrigen darauf hin, dass die Kundgabe der Einleitung des in Rede stehenden Verfahrens üblich sei und dem allgemeinen Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit entgegenkomme. Die Kommission führte weiter aus, dass kein überwiegendes öffentliches Interesse vorgebracht worden sei und sie ein solches Interesse auch nicht habe erkennen können. Daher stellte sie fest, dass sich die GD „Umwelt“ zu Recht auf die Ausnahmeregelung nach Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 berufen habe und dass auch der teilweise Zugang zu dem angeforderten Dokument gemäß Art. 4 Abs. 6 der Verordnung ausgeschlossen sei, da es zu diesem Zeitpunkt des Verfahrens vollständig unter die betreffende Ausnahmeregelung falle.

 Verfahren und Anträge der Parteien

14      Die Kläger haben mit Klageschrift, die am 10. Oktober 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

15      Mit besonderem Schriftsatz, der am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Kläger gemäß Art. 76a § 1 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichts einen Antrag auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren gestellt.

16      Mit Schriftsatz, der am 12. November 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Kommission ihre Stellungnahme zum Antrag auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren eingereicht.

17      Die Kommission hat die Klagebeantwortung am 4. Dezember 2013 eingereicht.

18      Mit Entscheidung vom 9. Dezember 2013 hat das Gericht (Dritte Kammer) den Antrag auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren gemäß Art. 76a § 2 Abs. 1 der Verfahrensordnung zurückgewiesen, und der Kommission ist eine zusätzliche Frist gewährt worden, um gegebenenfalls die Klagebeantwortung zu ergänzen.

19      Mit Schreiben vom 7. Januar 2014 hat die Kommission dem Gericht mitgeteilt, dass sie darauf verzichte, ihre Klagebeantwortung zu ergänzen.

20      Am 13. Januar 2014 ist gemäß Art. 47 § 1 der Verfahrensordnung entschieden worden, dass ein zweiter Schriftsatzwechsel nicht erforderlich ist.

21      Die Kläger beantragen,

–        die Antwort auf den Erstantrag und die ablehnende Entscheidung für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

22      Die Kommission beantragt,

–        die Klage teilweise als unzulässig abzuweisen;

–        die Klage im Übrigen als unbegründet abzuweisen;

–        den Klägern die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

23      Gemäß Art. 111 der Verfahrensordnung kann das Gericht, wenn eine Klage offensichtlich unzulässig ist oder ihr offensichtlich jede rechtliche Grundlage fehlt, ohne Fortsetzung des Verfahrens durch Beschluss entscheiden, der mit Gründen zu versehen ist.

24      Im vorliegenden Fall hält das Gericht die sich aus den Akten ergebenden Angaben für ausreichend und beschließt, ohne Fortsetzung des Verfahrens zu entscheiden.

 Zulässigkeit

25      Ohne förmlich eine Einrede der Unzulässigkeit zu erheben, macht die Kommission geltend, die Klage sei teilweise unzulässig, weil zum einen der Kläger zu 2 durch die Verweigerung des Zugangs nicht im Sinne des Art. 263 Abs. 4 AEUV unmittelbar und individuell betroffen sei, da er während des Verwaltungsverfahrens lediglich als Vertreter des Klägers zu 1 gehandelt und keinen Zugangsantrag im eigenen Namen gestellt habe. Zum anderen sei die Klage insoweit teilweise unzulässig, als sie die Nichtigerklärung der Antwort auf den Erstantrag betreffe, die ein vorbereitender Rechtsakt sei, der nicht angefochten werden könne.

26      Die Kläger machen geltend, dass die Klage zulässig sei und sie ein Interesse daran hätten, die Nichtigerklärung sowohl der Antwort auf den Erstantrag als auch der ablehnenden Entscheidung zu erwirken.

27      Zunächst ist festzustellen, dass die Klage insoweit zulässig ist, als sie vom Kläger zu 1 erhoben worden ist, was die Kommission im Übrigen nicht bestreitet. Da es sich um ein und dieselbe Klage handelt, braucht nach ständiger Rechtsprechung nicht geprüft zu werden, ob auch die anderen Kläger klagebefugt sind (vgl. Urteil des Gerichts vom 19. Januar 2012, Xeda International und Pace International/Kommission, T‑71/10, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28      Folglich braucht aus Gründen der Verfahrensökonomie die Klagebefugnis des Klägers zu 2 nicht gesondert geprüft zu werden.

29      Sodann ist darauf hinzuweisen, dass, nach ständiger Rechtsprechung, bei Handlungen oder Entscheidungen, die in einem mehrphasigen Verfahren ergehen, Handlungen, die Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein können, grundsätzlich nur jene Maßnahmen darstellen, die den Standpunkt des betreffenden Organs zum Abschluss des Verfahrens endgültig festlegen; vorläufige Maßnahmen oder solche rein vorbereitender Natur können nicht Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein (Urteile des Gerichtshofs vom 11. November 1981, IBM/Kommission, 60/81, Slg. 1981, 2639, Rn. 9 und 10, und vom 10. Januar 2006, Kommission/Alvarez Moreno, C‑373/04 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 42).

30      Aus gleichfalls ständiger Rechtsprechung ergibt sich, dass das Verfahren des Zugangs zu Dokumenten in zwei Schritten abläuft. Die Antwort auf einen Erstantrag auf Zugang zu Dokumenten stellt nur eine erste Stellungnahme dar und gewährt den Antragstellern die Möglichkeit, die Kommission um Überprüfung dieses Standpunkts zu ersuchen; allein die von der Kommission in Beantwortung eines Zweitantrags erlassene Maßnahme, die den ursprünglichen Standpunkt ersetzt, hat Entscheidungscharakter und kann Rechtswirkungen erzeugen, die die Interessen der Kläger beeinträchtigen können, und somit Gegenstand einer Nichtigkeitsklage gemäß Art. 263 AEUV sein (Beschluss des Gerichtshofs vom 15. Februar 2012, Internationaler Hilfsfonds/Kommission, C‑208/11 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 29 und 30; Urteil des Gerichts vom 19. Januar 2010, Co-Frutta/Kommission, T‑355/04 und T‑446/04, Slg. 2010, II‑1, Rn. 34 und 35).

31      Die Antwort auf den Erstantrag erzeugt daher – wie die Kommission geltend macht – keine Rechtswirkungen und kann nicht als ein anfechtbarer Rechtsakt angesehen werden. Folglich ist die Klage als offensichtlich unzulässig abzuweisen, soweit sie gegen diese Antwort gerichtet ist.

 Begründetheit

32      Zur Stützung ihrer Klage machen die Kläger im Wesentlichen vier Klagegründe geltend, mit denen sie erstens einen Verstoß gegen Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001, zweitens einen Verstoß gegen Art. 4 Abs. 6 dieser Verordnung, drittens eine Verletzung der Begründungspflicht und viertens einen Verstoß gegen Art. 10 Abs. 1 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) rügen.

33      Zunächst ist der dritte Klagegrund, anschließend sind der erste und der zweite Klagegrund gemeinsam und abschließend der vierte Klagegrund zu prüfen. In Anbetracht der oben in Rn. 31 gezogenen Schlussfolgerung beschränkt das Gericht seine Prüfung auf die Klagegründe, mit denen die Rechtmäßigkeit der ablehnenden Entscheidung bestritten wird.

 Zum dritten Klagegrund, mit dem ein Begründungsmangel der ablehnenden Entscheidung gerügt wird

34      Nach Ansicht der Kläger leidet die ablehnende Entscheidung an einem Begründungsmangel. Insbesondere habe sich die Kommission auf die Behauptung, dass die Freigabe des Aufforderungsschreibens die Atmosphäre des gegenseitigen Vertrauens erheblich beeinträchtigen würde, und auf die Wiedergabe von Passagen aus dem Urteil des Gerichts vom 11. Dezember 2001, Petrie u. a./Kommission (T‑191/99, Slg. 2001, II‑3677), beschränkt, das einen anderen Sachverhalt betroffen habe. Außerdem enthalte Nr. 5 der ablehnenden Entscheidung, die die Möglichkeit eines teilweisen Zugangs betreffe, keine substanzielle Begründung, sondern referiere im Wesentlichen Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1049/2001.

35      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Kläger entgegen.

36      Nach ständiger Rechtsprechung muss die nach Art. 296 AEUV vorgeschriebene Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und nach dem Interesse zu beurteilen, das die Adressaten oder andere durch den Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 296 AEUV genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. Urteil des Gerichts vom 7. Juli 2011, Valero Jordana/Kommission, T‑161/04, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37      Handelt es sich um einen Antrag auf Zugang zu Dokumenten, so muss das jeweilige Organ, wenn es diesen Zugang verweigert, aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden Informationen für jeden Einzelfall nachweisen, dass die Dokumente, für die der Zugang beantragt wurde, tatsächlich unter die in der Verordnung Nr. 1049/2001 aufgezählten Ausnahmetatbestände fallen (vgl. Urteil Valero Jordana/Kommission, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

38      Im vorliegenden Fall wies die Kommission in Nr. 3 der ablehnenden Entscheidung zunächst darauf hin, dass das Aufforderungsschreiben die förmliche Einleitung eines zum damaligen Zeitpunkt noch anhängigen Vertragsverletzungsverfahrens über die Vereinbarkeit des deutschen Luftverkehrsrechts mit dem Unionsrecht markiere. Sodann stellte sie erstens fest, dass eine frühzeitige Freigabe des Schreibens den Dialog zwischen ihr und den deutschen Behörden beeinträchtigen würde, da diese aufgefordert worden seien, sich zu den darin formulierten Verstoßvorwürfen zu äußern. Da die Kommission das Ziel verfolge, die Beachtung des Unionsrechts ohne Rückgriff auf das gerichtliche Verfahren des Art. 258 Abs. 2 AEUV zu erreichen, seien zweitens ausführliche Gespräche mit dem betroffenen Mitgliedstaat unerlässlich, was ein Klima des gegenseitigen Vertrauens erfordere. Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs und des Gerichts zur Auslegung von Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 stellte sie jedoch fest, dass die Freigabe des genannten Dokuments diese Atmosphäre des gegenseitigen Vertrauens beeinträchtigen würde und grundsätzlich den Schutz der Ziele von Untersuchungstätigkeiten beeinträchtigen würde, solange das fragliche Verfahren laufe. Drittens hätten sich die Kläger nicht auf das Vorliegen eines überwiegenden öffentlichen Interesses berufen, das die Freigabe des Aufforderungsschreibens rechtfertigen würde, und auch sie könne kein solches Interesse erkennen. In Nr. 5 der ablehnenden Entscheidung führte die Kommission schließlich aus, dass sie, obschon sie die Möglichkeit eines teilweisen Zugangs zu dem genannten Dokument in Erwägung gezogen habe, zu dem Schluss gekommen sei, dass dies zu diesem Zeitpunkt des Verfahrens ausgeschlossen sei, da das angeforderte Dokument vollständig unter die Ausnahmeregelung nach Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 falle.

39      Folglich enthält die ablehnende Entscheidung entgegen dem Vorbringen der Kläger offensichtlich eine im Hinblick auf die oben in den Rn. 36 und 37 angeführte Rechtsprechung hinreichende Begründung, da sie rechtlich hinreichend den Grund für die Verweigerung des Zugangs nennt und in angemessener Weise die Gründe angibt, aus denen das angeforderte Dokument nach Ansicht der Kommission tatsächlich und vollständig unter die Ausnahmeregelung nach Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 fällt, so dass die Anwendung von Art. 4 Abs. 6 der Verordnung ausgeschlossen ist.

40      Daher ist der dritte Klagegrund als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

 Zum ersten und zum zweiten Klagegrund, mit denen ein Verstoß gegen Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich und Abs. 6 der Verordnung Nr. 1049/2001 gerügt wird

41      Die Kläger machen zunächst geltend, die Kommission habe ihr sich aus Art. 15 AEUV, aus Art. 42 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, aus Art. 10 EMRK und aus Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 ergebendes Recht auf Informationszugang verletzt, da die Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahmeregelung nach Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung nicht vorlägen.

42      Insoweit sei zum einen angesichts der für das Aufforderungsschreiben von der Kommission selbst erzeugten maximalen Öffentlichkeit und der umfangreichen Verbreitung seines Inhalts in der Presse und im Internet nicht nachgewiesen, dass die Freigabe dieses Schreibens das im vorliegenden Fall geschützte Interesse erheblich beeinträchtigen würde. Zum anderen bestehe ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Freigabe des Aufforderungsschreibens, das die Kommission nicht berücksichtigt habe. Dieses Interesse ergebe sich sowohl daraus, dass der Kläger zu 1 ein nach deutschem Recht verbandsklagebefugter Umweltschutzverein sei, als auch aus dem Demokratiegebot. Die Kommission habe somit die betroffenen divergierenden Interessen nicht ordnungsgemäß gegeneinander abgewogen.

43      Sodann beantragen die Kläger gemäß Art. 65 Buchst. c der Verfahrensordnung, das Gericht möge eine Reihe von Maßnahmen der Beweisaufnahme dahin gehend erlassen, dass die Vernehmung der Generalsekretärin und des Pressesprechers der Kommission als Zeugen angeordnet werde, um im Wesentlichen festzustellen, dass die Veröffentlichung einer Presseerklärung im Internet und die Durchführung einer Pressekonferenz aus Anlass der Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen einen Mitgliedstaat nicht der üblichen Verwaltungspraxis dieses Organs entsprächen. Außerdem beantragen sie, gemäß Art. 67 § 3 Abs. 3 der Verfahrensordnung eine Beweisaufnahme zu beschließen, dass die Vorlage des Aufforderungsschreibens angeordnet wird.

44      Die Kläger tragen schließlich vor, dass die ablehnende Entscheidung fehlerhaft sei, soweit sie den teilweisen Zugang zu dem Aufforderungsschreiben verweigere, und dass sie gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße und insoweit mit einem Begründungsmangel behaftet sei.

45      Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

46      Gemäß Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 verweigern die Organe den Zugang zu einem Dokument, durch dessen Verbreitung der Schutz des Zwecks von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten beeinträchtigt würde, es sei denn, es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung.

47      Außerdem werden nach Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1049/2001, wenn nur Teile des angeforderten Dokuments einer der Ausnahmen nach den Abs. 1 bis 5 dieser Bestimmung unterliegen, die übrigen Teile des Dokuments freigegeben.

48      Im vorliegenden Fall steht fest, dass zum Zeitpunkt des Erlasses der ablehnenden Entscheidung ein gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitetes Vertragsverletzungsverfahren gemäß Art. 258 AEUV lief. Folglich konnte sich die Kommission grundsätzlich auf die in Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehene Ausnahme, die sich auf den Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten bezieht, berufen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 9. September 2011, LPN/Kommission, T‑29/08, Slg. 2011, II‑6021, Rn. 101 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49      Vor dem Hintergrund, dass jede Ausnahme vom Zugangsrecht nach gefestigter Rechtsprechung eng auszulegen und anzuwenden ist, kann allerdings der Umstand allein, dass das angeforderte Dokument eine Untersuchungstätigkeit im Sinne von Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 betrifft, nicht die Anwendung dieser Ausnahme rechtfertigen, da diese nur anwendbar ist, wenn die Bekanntgabe der betreffenden Dokumente den Schutz des Zwecks der Untersuchungstätigkeiten der Kommission bezüglich der fraglichen Vertragsverletzungen tatsächlich beeinträchtigen kann (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 6. Juli 2006, Franchet und Byk/Kommission, T‑391/03 und T‑70/04, Slg. 2006, II‑2023, Rn. 105 und 109, und vom 12. September 2007, API/Kommission, T‑36/04, Slg. 2007, II‑3201, Rn. 127). Denn die Gefahr einer Beeinträchtigung des geschützten Interesses muss angemessen absehbar und darf nicht rein hypothetisch sein (Urteil des Gerichtshofs vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat, C‑39/05 P und C‑52/05 P, Slg. 2008, I‑4723, Rn. 43 und 63). Außerdem bezweckt diese Ausnahme, wie sich aus ihrem Wortlaut ergibt, nicht den Schutz der Untersuchungstätigkeiten an sich, sondern den Schutz des Zwecks dieser Tätigkeiten, der im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens darin besteht, den betreffenden Mitgliedstaat dazu anzuhalten, das Unionsrecht einzuhalten (vgl. Urteil LPN/Kommission, Rn. 110 und die dort angeführte Rechtsprechung).

50      Wie außerdem in der Rechtsprechung anerkannt ist, muss ein Organ, wenn bei ihm die Verbreitung eines Dokuments beantragt wird, in jedem Einzelfall prüfen, ob dieses Dokument unter die in Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 genannten Ausnahmen vom Recht auf Zugang fällt (Urteil Schweden und Turco/Rat, Rn. 35). Hierzu ist zum einen klargestellt worden, dass die Prüfung eines Antrags auf Zugang zu Dokumenten konkret und individuell erfolgen und sich auf den Inhalt jedes mit dem genannten Antrag begehrten Dokuments beziehen muss, und zum anderen, dass diese Prüfung aus der Begründung der Entscheidung des Organs in Bezug auf sämtliche in Art. 4 Abs. 1 bis 3 der Verordnung erwähnte Ausnahmen, auf die sich diese Entscheidung stützt, hervorgehen muss (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 13. April 2005, Verein für Konsumenteninformation/Kommission, T‑2/03, Slg. 2005, II‑1121, Rn. 69 bis 74, und LPN/Kommission, Rn. 112).

51      Jedoch gibt es Ausnahmen von der Pflicht der Kommission zur konkreten und individuellen Prüfung der Dokumente, zu denen der Zugang beantragt worden ist.

52      Da die konkrete und individuelle Prüfung, die das Organ grundsätzlich auf einen auf die Verordnung Nr. 1049/2001 gestützten Antrag auf Akteneinsicht hin durchführen muss, es dem betreffenden Organ nämlich, wie mehrfach entschieden worden ist, ermöglichen soll, zu beurteilen, inwieweit eine Ausnahme vom Zugangsrecht anwendbar ist und ob die Möglichkeit eines teilweisen Zugangs besteht, kann eine solche Prüfung entbehrlich sein, wenn aufgrund der besonderen Umstände des betreffenden Falles offenkundig ist, dass der Zugang zu verweigern oder umgekehrt zu gewähren ist. Dies könnte insbesondere dann der Fall sein, wenn bestimmte Dokumente offenkundig in vollem Umfang von einer Ausnahme vom Zugangsrecht erfasst werden oder aber offenkundig in vollem Umfang einsehbar sind oder wenn sie von der Kommission unter ähnlichen Umständen bereits konkret und individuell geprüft wurden (vgl. Urteil LPN/Kommission, Rn. 114 und die dort angeführte Rechtsprechung).

53      Außerdem ist für Recht erkannt worden, dass es dem betreffenden Organ grundsätzlich freisteht, sich auch bei der Begründung der ablehnenden Entscheidung auf allgemeine Vermutungen zu stützen, die für bestimmte Kategorien von Dokumenten gelten können, da für Anträge auf Verbreitung von Dokumenten gleicher Art vergleichbare allgemeine Erwägungen gelten können, sofern das Organ sich in jedem Einzelfall vergewissert, ob die allgemeinen Erwägungen, die normalerweise für einen bestimmten Dokumententypus gelten, tatsächlich auf das betreffende Dokument Anwendung finden, dessen Verbreitung beantragt wird (vgl. Urteil LPN/Kommission, Rn. 115 und die dort angeführte Rechtsprechung).

54      Nach der Rechtsprechung kann schließlich vermutet werden, dass die Verbreitung der Dokumente zu einem Vertragsverletzungsverfahren während des zugehörigen Vorverfahrens den Charakter dieses Verfahrens verändern und dessen Ablauf beeinträchtigen könnte und dass somit durch diese Verbreitung der Schutz des Zwecks der Untersuchungstätigkeiten im Sinne von Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 grundsätzlich beeinträchtigt würde (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 14. November 2013, LPN und Finnland/Kommission, C‑514/11 P und C‑605/11 P, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).

55      Im vorliegenden Fall wurde der Antrag auf Zugang im Stadium des Vorverfahrens des betreffenden Vertragsverletzungsverfahrens gestellt, das zum Zeitpunkt des Erlasses der ablehnenden Entscheidung weder eingestellt noch vor den Gerichtshof gebracht worden war. Wie die Kommission zu Recht ausgeführt hat, soll nach ständiger Rechtsprechung das Vorverfahren aber dem betroffenen Mitgliedstaat Gelegenheit geben, zum einen seinen unionsrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen und sich zum anderen gegenüber den Rügen der Kommission wirksam zu verteidigen (vgl. Urteile des Gerichtshofs vom 7. Juli 2005, Kommission/Österreich, C‑147/03, Slg. 2005, I‑5969, Rn. 22, und vom 14. April 2011, Kommission/Rumänien, C‑522/09, Slg. 2011, I‑2963, Rn. 15).

56      Daher kam die Kommission fehlerfrei zu dem Schluss, dass die oben in Rn. 54 genannte Vermutung im vorliegenden Fall auf das Aufforderungsschreiben anwendbar sei, da offensichtlich war, dass es für seinen gesamten Inhalt von der Ausnahmeregelung nach Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 erfasst war.

57      Es war nämlich nicht denkbar, dass die Kommission den Zugang zu einem Teil des Dokuments hätte gewähren können, ohne die laufenden Verhandlungen mit den deutschen Behörden in Frage zu stellen. Insoweit ergibt sich aus dem Zweck der vorprozessualen Phase des Vertragsverletzungsverfahrens, dass das Aufforderungsschreiben den Gegenstand des Rechtsstreits eingrenzen und dem Mitgliedstaat, der zur Äußerung aufgefordert wird, die notwendigen Informationen zur Vorbereitung seiner Verteidigung geben soll (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 26. September 2000, Kommission/Frankreich, C‑225/98, Slg. 2000, I‑7445, Rn. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung). Auch die nur teilweise Verbreitung des genannten Schreibens wäre somit tatsächlich geeignet gewesen, den Schutz des Zwecks der von der Kommission entfalteten Untersuchungstätigkeiten hinsichtlich der Verstöße, die die Bundesrepublik Deutschland begangen haben soll, zu beeinträchtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil LPN/Kommission, Rn. 121).

58      Diesem Ergebnis steht das Vorbringen der Kläger, dass die Kommission den Inhalt des Aufforderungsschreibens in der Presse und im Internet umfangreich verbreitet habe, nicht entgegen. Insoweit ist festzustellen, dass – wie die Kommission hervorgehoben hat – die Publizität, die bezüglich dieses Verfahrens auf ihre Initiative hin durch die Veröffentlichung einer Pressemitteilung und die Durchführung einer Pressekonferenz erzeugt worden ist, an der Vertreter von deutschen öffentlichen Rundfunkanstalten und von Zeitungen teilgenommen haben sollen, ihrer üblichen Praxis entsprechend dem Interesse der Information der Öffentlichkeit diente, ohne dass jedoch der genaue Inhalt des Aufforderungsschreibens offengelegt worden ist. Im Übrigen erlaubt der Umstand, dass der Vertreter der GD „Umwelt“ Äußerungen von sich gegeben haben soll, die nach Ansicht der Kläger geeignet gewesen sind, das Klima des Vertrauens zu beeinträchtigen, nicht die Feststellung, dass eine Veröffentlichung des Inhalts dieses Schreibens die Diskussion versachlicht und dieses Klima des Vertrauens wiederhergestellt hätte.

59      Außerdem lässt sich der Umstand, dass die deutschen Behörden gebeten worden waren, zu den im Aufforderungsschreiben enthaltenen Beschwerdepunkten innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Zustellung dieses Schreibens Stellung zu nehmen, und die Kommission zum Zeitpunkt der Erhebung der Klage über deren Stellungnahme verfügen musste, entgegen dem Vorbringen der Kläger nicht dahin auslegen, dass dies bedeuten würde, dass das Schreiben nicht mehr unter die Ausnahmeregelung nach Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 fiel. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens das Erfordernis der Vertraulichkeit, auf die die Mitgliedstaaten Anspruch haben, selbst nach Anrufung des Gerichtshofs fortbesteht, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Verhandlungen zwischen der Kommission und dem betreffenden Mitgliedstaat, mit denen erreicht werden soll, dass dieser freiwillig den Anforderungen des Vertrags nachkommt, während des Gerichtsverfahrens und bis zur Verkündung des Urteils fortgesetzt werden. Die Wahrung dieses Zwecks – die gütliche Beilegung des Streits zwischen der Kommission und dem betreffenden Mitgliedstaat vor Erlass des Urteils des Gerichtshofs – rechtfertigt es daher, den Zugang zu diesem Dokument zu verweigern (vgl. Urteil API/Kommission, Rn. 121 und die dort angeführte Rechtsprechung)

60      Unter diesen Umständen konnte sich die Kommission auf die allgemeine Vermutung stützen, dass der – auch nur teilweise – Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten zu einem Vertragsverletzungsverfahren während des zugehörigen Vorverfahrens die Verwirklichung des Zwecks dieses Verfahrens beeinträchtigen würde, um den Zugang zu dem Aufforderungsschreiben gemäß Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 zu verweigern.

61      Zudem schließt die allgemeine Vermutung zwar nicht die Möglichkeit aus, darzulegen, dass die Vermutung für ein bestimmtes Dokument, um dessen Verbreitung ersucht wird, nicht gilt oder dass gemäß Art. 4 Abs. 2 a. E. der Verordnung Nr. 1049/2001 ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung des betreffenden Dokuments besteht, doch muss der Antragsteller konkret Umstände anführen, die ein solches Interesse an der Verbreitung des Dokuments rechtfertigen (vgl. in diesem Sinne Urteil LPN und Finnland/Kommission, Rn. 66 und 94 und die dort angeführte Rechtsprechung).

62      Aus der ablehnenden Entscheidung geht jedoch hervor, dass sich die Kläger gegenüber der Kommission auf kein überwiegendes öffentliches Interesse berufen haben, das die Verbreitung des Aufforderungsschreibens rechtfertigen könnte. Die Eigenschaft des Klägers zu 1 als Verein, der nach deutschem Recht in Umweltangelegenheiten verbandsklagebefugt ist, kann nämlich kein solches Interesse darstellen, auch wenn er als Nichtregierungsorganisation entsprechend seinem satzungsgemäßen Zweck tätig wird, der im Schutz der Umwelt besteht (vgl. in diesem Sinne Urteil LPN und Finnland/Kommission, Rn. 95).

63      In Bezug auf die Absicht des Klägers zu 1, das Aufforderungsschreiben zur Verteidigung seines Vorbringens im Rahmen der beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg erhobenen Klage zu verwenden, genügt die Feststellung, dass das Recht auf Dokumentenzugang nicht von der Art des konkreten Interesses abhängig ist, das derjenige, der den Zugang beantragt, am Erhalt der begehrten Informationen haben könnte (Urteil LPN/Kommission, Rn. 137).

64      Zudem ist – wie die Kommission vorträgt – das Vorbringen der Kläger zu den Bestimmungen des am 25. Juni 1998 abgeschlossenen Übereinkommens von Århus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (im Folgenden: Übereinkommen von Århus), das im Namen der Union mit dem Beschluss 2005/370/EG des Rates vom 17. Februar 2005 über den Abschluss des Übereinkommens von Århus im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigt wurde (ABl. L 124, S. 1) und mit dem die Rolle der Umweltschutzverbände für die Zwecke der Durchführung des Umweltrechts in der Union gestärkt werden soll, im vorliegenden Fall unerheblich, und es zeigt jedenfalls nicht, dass ein überwiegendes öffentliches Interesse im Sinne von Art. 4 Abs. 2 a. E. der Verordnung Nr. 1049/2001 besteht.

65      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. September 2006 über die Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens von Århus auf Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft (ABl. L 264, S. 13) von seinem Anwendungsbereich die „Untersuchungen, insbesondere [solche], die mögliche Verstöße gegen das [Union]srecht zum Gegenstand haben,“ die in der Ausnahmeregelung nach Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 angesprochen sind, ausdrücklich ausschließt. Somit gilt die gesetzliche Vermutung, wonach an der Verbreitung ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht, wenn die angeforderten Informationen Emissionen in die Umwelt betreffen, nicht für Dokumente, die sich auf Untersuchungen beziehen, die im Rahmen von Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet worden sind (vgl. in diesem Sinne Urteil LPN/Kommission, Rn. 133 bis 135).

66      Daher kann das Vorbringen der Kläger, wonach zum einen der Kläger zu 1 aufgrund seines Status ein Recht auf privilegierten Zugang zu dem Aufforderungsschreiben habe und zum anderen sein Interesse, diesen Zugang zu erhalten, das Interesse am Schutz des Zwecks der Untersuchungstätigkeiten überwiege, keinen Erfolg haben.

67      In Bezug auf das geltend gemachte Bestehen eines überwiegenden öffentlichen Interesses aufgrund des „Einfluss[es] der Transparenz … auf die Verwirklichung des Demokratiegebots“ genügt die Feststellung, dass derart allgemeine Erwägungen, wie sie hier angeführt werden, nicht geeignet sind, darzutun, dass der Transparenzgrundsatz im vorliegenden Fall eine besondere Dringlichkeit aufweist, die schwerer hätte wiegen können als die Gründe für die Verweigerung der Freigabe des Aufforderungsschreibens (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Gerichts vom 27. März 2014, Ecologistas en Acción/Kommission, T‑603/11, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung).

68      Schließlich kann auch das Vorbringen der Kläger, wonach die ablehnende Entscheidung ihr sich übereinstimmend aus Art. 15 Abs. 3 AEUV, aus Art. 42 der Charta der Grundrechte, aus Art. 10 EMRK und aus Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 ergebendes Recht auf Informationszugang verletze, keinen Erfolg haben. Hierzu ist festzustellen, dass mit Ausnahme von Art. 10 EMRK, dessen Verletzung im Rahmen des vierten Klagegrundes gerügt wird und der die Freiheit der Meinungsäußerung betrifft und insbesondere die Freiheit einschließt, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben, alle diese Bestimmungen den Zugang zu Dokumenten der Organe betreffen.

69      Art. 15 Abs. 3 Unterabs. 2 AEUV sieht jedoch vor, dass die allgemeinen Grundsätze und die aufgrund öffentlicher oder privater Interessen geltenden Einschränkungen für die Ausübung des Rechts der Bürger auf Zugang zu Dokumenten vom Parlament und vom Rat durch Verordnungen gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren festgelegt werden. So sind diese allgemeinen Grundsätze und Einschränkungen in Bezug auf das Recht auf Zugang zu Dokumenten der Kommission in der auf der Grundlage von Art. 15 Abs. 3 AEUV erlassenen Verordnung Nr. 1049/2001 festgelegt. Zu diesen Einschränkungen gehört die Ausnahmeregelung des Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich dieser Verordnung zum Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten der Organe. Die Kläger können sich daher nicht auf die allgemeinen Bestimmungen der Verträge berufen, um die Anwendung dieser Ausnahmeregelung auszuschließen.

70      In jedem Fall muss sich die Kontrolle des Gerichts auf die Rechtmäßigkeit der ablehnenden Entscheidung ausschließlich im Licht der Verordnung Nr. 1049/2001 und nicht auf die Rechtmäßigkeit dieser Verordnung im Hinblick auf die Charta der Grundrechte oder der EMRK erstrecken, da im vorliegenden Fall keine Einrede der Rechtswidrigkeit erhoben worden ist. Aus dem Vorstehenden ergibt sich jedoch, dass die Kommission den Zugang zu dem Aufforderungsschreiben im Einklang mit dem Wortlaut und dem Geist der Verordnung Nr. 1049/2001 verweigert hat.

71      Daher sind der erste und der zweite Klagegrund als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen, ohne dass die von den Klägern beantragte Beweiserhebung angeordnet zu werden braucht.

 Zum vierten Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK gerügt wird

72      Nach Ansicht der Kläger hat die Kommission mit der ablehnenden Entscheidung ihr sich aus Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK ergebendes Recht verletzt, Informationen ohne behördliche Eingriffe zu empfangen. Sie machen insoweit zum einen geltend, dass die Kommission die Ausnahmeregelung des Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 im Licht von Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 AEUV hätte auslegen müssen, und zum anderen, dass die Verweigerung des Zugangs zu dem Aufforderungsschreiben als ein behördlicher Eingriff in ihr Recht, Informationen zu empfangen, einzustufen sei.

73      Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

74      Hervorzuheben ist, dass die Kläger lediglich geltend machen, die ablehnende Entscheidung stelle einen behördlichen Eingriff in ihr Recht, Informationen zu empfangen, und deshalb einen Verstoß gegen Art. 10 EMRK dar. Sie räumen im Übrigen ein, dass sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bisher noch nicht für ein gegenüber den nationalen Institutionen oder den Unionsorganen wirkendes Recht auf Informationszugang ausgesprochen habe.

75      Die Kläger erläutern jedoch nicht, inwiefern die Verweigerung des Zugangs zu dem Aufforderungsschreiben gemäß der Verordnung Nr. 1049/2001 einen Eingriff in ihr Recht, Informationen zu empfangen, darstellt. Nach Art. 21 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der gemäß ihrem Art. 53 Abs. 1 für das Verfahren vor dem Gericht gilt, sowie nach Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung muss die Klageschrift jedoch u. a. eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten. Diese Angaben müssen so klar und genau sein, dass der beklagten Partei die Vorbereitung ihrer Verteidigung und dem Gericht die Entscheidung über die Klage, gegebenenfalls auch ohne weitere Informationen, ermöglicht wird (vgl. Urteil des Gerichts vom 12. März 2008, European Service Network/Kommission, T‑332/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 229 und die dort angeführte Rechtsprechung).

76      Folglich ist der vorliegende Klagegrund als offensichtlich unzulässig zurückzuweisen.

77      Ergänzend ist daran zu erinnern, dass die Kläger keine Einrede der Rechtswidrigkeit der Verordnung Nr. 1049/2001 im Hinblick auf Art. 10 EMRK erhoben haben. Doch selbst wenn man annimmt, dass die im vorliegenden Fall an die Kläger gerichtete Weigerung auch unter dem Gesichtspunkt der Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit zu prüfen wäre, die in Art. 11 der Charta der Grundrechte niedergelegt ist, der Rechte enthält, die den durch Art. 10 EMRK garantierten Rechten entsprechen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 29. November 2012, Thesing und Bloomberg Finance/EZB, T‑590/10, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 69 bis 72), kann die Ausübung dieser Freiheit gemäß Art. 52 Abs. 1 der Charta eingeschränkt werden, ohne dass dies einen behördlichen Eingriff im Sinne von Art. 11 Abs. 1 der Charta darstellt.

78      Nach alledem ist der vierte Klagegrund als offensichtlich unzulässig und jedenfalls als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen. Die Klage ist demzufolge insgesamt abzuweisen.

 Kosten

79      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kläger unterlegen sind, sind ihnen gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

beschlossen:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Der Verein Natura Havel e. V. und Herr Hans-Peter Vierhaus tragen die Kosten.

Luxemburg, den 2. September 2014

Der Kanzler

 

      Der Präsident

E. Coulon

 

      S. Papasavvas


* Verfahrenssprache: Deutsch.