Language of document : ECLI:EU:T:2020:127

URTEIL DES GERICHTS (Zehnte Kammer)

26. März 2020(*)

„Unionsmarke – Anmeldung einer dreidimensionalen Unionsmarke – Form eines geflochtenen Käses – Absolutes Eintragungshindernis – Fehlende Unterscheidungskraft – Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) 2017/1001“

In der Rechtssache T‑570/19,

Muratbey Gida Sanayi ve Ticaret AŞ mit Sitz in Istanbul (Türkei), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin M. Schork,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch A. Söder als Bevollmächtigte,

Beklagter,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des EUIPO vom 13. Juni 2019 (Sache R 106/2019‑4) über die Anmeldung eines dreidimensionalen Zeichens in Form eines geflochtenen Käses als Unionsmarke

erlässt

DAS GERICHT (Zehnte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. Kornezov sowie der Richter J. Passer und G. Hesse (Berichterstatter),

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund der am 16. August 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 18. Oktober 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien innerhalb von drei Wochen nach der Bekanntgabe des Abschlusses des schriftlichen Verfahrens die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des darauf gemäß Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliches Verfahren zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 29. Mai 2018 meldete die Klägerin, die Muratbey Gida Sanayi ve Ticaret AŞ, nach der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eine Unionsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um folgendes dreidimensionales Zeichen:

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3        Die Marke wurde für folgende Waren der Klasse 29 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet: „Käse; Verarbeiteter Käse“.

4        Am 27. Juli 2018 beanstandete die Prüferin die Anmeldung gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 wegen fehlender Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke. Die Klägerin nahm hierzu Stellung.

5        Mit Entscheidung vom 27. November 2018 wies die Prüferin die Anmeldung auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 zurück.

6        Am 15. Januar 2019 legte die Klägerin beim EUIPO nach den Art. 66 bis 71 der Verordnung 2017/1001 Beschwerde gegen die Entscheidung der Prüferin ein.

7        Mit Entscheidung vom 13. Juni 2019 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Vierte Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde zurück. Sie stellte fest, dass die maßgeblichen Verkehrskreise im Hinblick auf die betroffenen Waren aus den Endverbrauchern dieser Waren in der gesamten Europäischen Union bestünden (Rn. 9 der angefochtenen Entscheidung). Die angemeldete Marke bestehe aus der Form der betroffenen Waren (Rn. 10 der angefochtenen Entscheidung). Die Formgebung sei einfach, schlicht und banal (Rn. 11 der angefochtenen Entscheidung). Die angemeldete Marke unterscheide sich nicht wesentlich von dem in der betreffenden Branche Üblichen oder Erwarteten, was die von der Prüferin herangezogenen Abbildungen belegten (Rn. 18 bis 20 der angefochtenen Entscheidung). Darüber hinaus stellte die Beschwerdekammer weitere Überlegungen in Verbindung mit dem Kauf und Verzehr der betroffenen Waren an (Rn. 23 bis 27 der angefochtenen Entscheidung). Hinsichtlich der Verleihung einer Auszeichnung an die Klägerin bei einem Wettbewerb führte die Beschwerdekammer aus, sie verfüge über keinen Anhaltspunkt, der ihr die Feststellung ermögliche, dass bei diesem Wettbewerb auf die Wahrnehmung von Endverbrauchern abgestellt worden sei (Rn. 28 der angefochtenen Entscheidung).

 Anträge der Parteien

8        Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem EUIPO die Kosten aufzuerlegen.

9        Das EUIPO beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

10      Die Klägerin macht als einzigen Klagegrund einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 geltend.

11      Gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 sind Marken, die keine Unterscheidungskraft haben, von der Eintragung ausgeschlossen.

12      Die Unterscheidungskraft einer Marke im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 bedeutet, dass die Marke geeignet ist, die Ware, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Ware somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. Urteil vom 21. Januar 2010, Audi/HABM, C‑398/08 P, EU:C:2010:29, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

13      Die Unterscheidungskraft einer Marke im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 ist zum einen im Hinblick auf die Waren, für die sie angemeldet worden ist, und zum anderen im Hinblick auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen (vgl. Urteil vom 29. April 2004, Henkel/HABM, C‑456/01 P und C‑457/01 P, EU:C:2004:258, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

14      Im vorliegenden Fall handelt es sich bei den betroffenen Waren um „Käse“ und „Verarbeiteten Käse“, also um Lebensmittel des täglichen Verbrauchs, die sich insbesondere an den Endverbraucher wenden.

15      Dies wird von der Klägerin nicht bestritten. Dagegen wirft sie der Beschwerdekammer vor, die Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke nur in Bezug auf die Wahrnehmung des Endverbrauchers beurteilt zu haben. Die betroffenen Waren richteten sich auch an die Fachverkehrskreise in der gesamten Union. Folglich komme es vorliegend nicht nur auf die Sicht des Endverbrauchers an, sondern auch auf das Verständnis der Fachverkehrskreise, an die sich insbesondere der von ihr geltend gemachte Wettbewerb „World Dairy Innovation Award 2018“ wende.

16      Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass die Endverbraucher der betroffenen Waren – mit anderen Worten, die breite Öffentlichkeit der Union –, die die Beschwerdekammer berücksichtigt hat, keinen unerheblichen Teil der maßgeblichen Verkehrskreise darstellen. Ein Zeichen fällt jedoch bereits dann unter das Verbot nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001, wenn ein Eintragungshindernis in Bezug auf einen nicht unerheblichen Teil der maßgeblichen Verkehrskreise besteht; insoweit braucht nicht geprüft zu werden, ob die anderen zu den maßgeblichen Verkehrskreisen gehörenden Verbraucher dieses Zeichen ebenfalls kennen (vgl. Urteil vom 11. Juli 2019, Wewi Mobile/EUIPO [Fi Network], T‑601/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:510, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

17      Daher ist zu prüfen, ob die Beschwerdekammer zu Recht zu dem Ergebnis gelangen konnte, dass es der angemeldeten Marke zum einen in Bezug auf Käse und verarbeiteten Käse und zum anderen in Bezug auf die Wahrnehmung der durchschnittlich informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen breiten Öffentlichkeit an Unterscheidungskraft fehle.

18      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass, obwohl die Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft dreidimensionaler Marken, die aus der Form der Ware selbst bestehen, nicht anders sind als die für die übrigen Markenkategorien geltenden, eine dreidimensionale Marke, die aus der Form der Ware selbst besteht, von den maßgeblichen Verkehrskreisen nicht notwendig in gleicher Weise wahrgenommen wird wie eine Wort- oder Bildmarke, die aus einem Zeichen besteht, das vom Erscheinungsbild der mit der Marke bezeichneten Waren unabhängig ist. In der Tat schließen die Durchschnittsverbraucher der Gruppe der betroffenen Waren aus der Form der Waren, wenn grafische oder Wortelemente fehlen, gewöhnlich nicht auf die Herkunft dieser Waren; daher kann es schwieriger sein, die Unterscheidungskraft einer solchen dreidimensionalen Marke als diejenige einer Wort- oder Bildmarke nachzuweisen (Urteil vom 29. April 2004, Henkel/HABM, C‑456/01 P und C‑457/01 P, EU:C:2004:258, Rn. 38; vgl. ebenfalls in diesem Sinne Urteil vom 31. Mai 2006, De Waele/HABM [Form einer Wurst], T‑15/05, EU:T:2006:142, Rn. 32).

19      Die angemeldete Form kann nur als unterscheidungskräftig angesehen werden, wenn sie geeignet erscheint, ohne Weiteres als Hinweis auf die Herkunft der betreffenden Waren wahrgenommen zu werden. Dies setzt jedoch voraus, dass die betreffende Marke von den Regeln oder Gepflogenheiten der Branche erheblich abweicht (Urteil vom 26. November 2015, Établissement Amra/HABM [KJ Kangoo Jumps XR], T‑390/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:897, Rn. 15).

20      Die Beschwerdekammer hat in der angefochtenen Entscheidung zunächst festgestellt, dass die angemeldete Marke aus der Form der betroffenen Ware selbst bestehe. Sodann hat die Beschwerdekammer die angemeldete Marke als Streifen beschrieben, auf dem gewisse diagonal verlaufende Einkerbungen zu sehen seien. Sie habe nicht ersehen können, ob es sich um mehrere ursprünglich getrennte Käsestreifen handele, die ineinander verdreht worden seien, um einen neuen Streifen zu bilden, oder ob es sich lediglich um einen Käsestreifen handele, der verschiedene leichte Einkerbungen enthalte. Schließlich ist die Beschwerdekammer zu dem Ergebnis gelangt, dass die angemeldete Marke keine Unterscheidungskraft habe. Insoweit hat sie ausgeführt, dass die Unterschiede zwischen der angemeldeten Marke und der Grundform eines Käsestreifens zu geringfügig seien. Darüber hinaus zeigten die von der Prüferin herangezogenen Abbildungen, dass Käse in Streifen geschnitten und in geflochtener Form, die der von ineinander verdrehten Strängen entspreche, handelsüblich sei. Käse werde regelmäßig in verschiedenen Formen (Würfel, Scheiben, runde Laibe) verkauft. Zudem sei für die „Käsestangen“ genannten Snacks, die eine mit den betroffenen Waren verwandte Art von Waren darstellten, eine gedrehte und eher unregelmäßige Form üblich. Kurzum, die Beschwerdekammer hat die Auffassung vertreten, dass es im vorliegenden Fall keinen wesentlichen Unterschied zwischen der angemeldeten Marke und dem in der betreffenden Branche Üblichen oder Erwarteten gebe.

21      Insoweit hat das Gericht bereits den Ansatz gebilligt, wonach es nicht erforderlich ist, nachzuweisen, dass eine identische oder fast identische Form bereits auf dem Markt vorhanden ist, sondern zu prüfen ist, ob die betreffende Branche durch eine große Formenvielfalt gekennzeichnet ist und die angemeldete Marke lediglich als eine Variante davon angesehen wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Juni 2019, Gibson Brands/EUIPO – Wilfer [Form eines Gitarrenkorpus], T‑340/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:455, Rn. 35 und 36).

22      Im vorliegenden Fall ergibt sich jedoch aus den Akten und ist auch allgemein bekannt, dass es auf dem Markt eine große Anzahl von Käseformen gibt, mit denen der Verbraucher konfrontiert wird: Käse in Würfeln, Käse in Kugeln, Käse als Laib, Käse in Scheiben, Käse in Stangen, Käse in Strängen, Käse in verdrehten Strängen, Käse in geflochtenen Strängen usw. In Anbetracht der Einfachheit der angemeldeten Marke, wie sie oben in Rn. 2 wiedergegeben ist, werden die maßgeblichen Verkehrskreise die in Rede stehende Form nicht als von einem bestimmten Hersteller stammend ansehen, sondern vielmehr davon ausgehen, dass sie sich aus der Vielfalt ergibt, die den betroffenen Markt kennzeichnet. Das angemeldete dreidimensionale Zeichen stellt sich nämlich, wie die Beschwerdekammer ausgeführt hat, als eine der zahlreichen auf dem Markt vorhandenen Varianten von Käse dar, der aus einem oder mehreren verdrehten oder geflochtenen Strängen besteht.

23      Da die angemeldete Marke nicht ohne Weiteres als Hinweis auf die Herkunft der betroffenen Waren wahrgenommen werden wird, kann folglich nicht davon ausgegangen werden, dass sie eine originäre Unterscheidungskraft aufweist. Im Übrigen trägt die Klägerin auch nichts vor, was den Schluss darauf zuließe, dass die angemeldete Marke Unterscheidungskraft durch Benutzung erlangt habe.

24      Die vorstehende Analyse wird durch keines der von der Klägerin vorgebrachten Argumente in Frage gestellt.

25      Als Erstes macht die Klägerin geltend, die Beschwerdekammer habe die angemeldete Marke zu Unrecht mit einem Käsestreifen verglichen, während sie mehr einem Gewinde ähnele. So habe der in Rede stehende Käse eine spiralförmige, helikoide Struktur, die aus mehreren miteinander verzwirbelten Strängen bestehe.

26      Es ist jedoch festzustellen, dass sich, wie das EUIPO vorbringt, insbesondere aus den Rn. 12, 13 und 20 der angefochtenen Entscheidung ergibt, dass die Beschwerdekammer die angemeldete Marke nicht nur mit Käsestreifen verglichen hat, die aus einem einzigen Käsestrang bestehen, sondern auch mit solchen, die aus mehreren verdrehten oder geflochtenen Käsesträngen bestehen.


27      Das Vorbringen der Klägerin ist somit unbegründet.

28      Als Zweites bestreitet die Klägerin, dass die angemeldete Marke keine Unterscheidungskraft habe, und bringt vor, dass die Form, deren Eintragung sie begehrt, wesentlich von dem Branchenüblichen abweiche. Die maßgebliche, standardmäßige und übliche Form in der Branche der Ware „Käse“ sei nämlich die Torten‑, die Rollen- oder die Radform. Dem habe die Beschwerdekammer unter Verstoß gegen die Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen gemäß Art. 95 der Verordnung 2017/1001 nicht Rechnung getragen. Weder der Käsestreifen noch die angemeldete Marke stellten übliche Grundformen der Ware „Käse“ dar. Die von der Prüferin angeführten Beispiele seien Einzelfälle, die nicht das wiedergäben, was branchenüblich sei. Die in Rede stehende Form, die durch die Verzwirbelung mehrerer Stränge den Eindruck eines Gewindes vermittele, sei einzigartig. Die Klägerin sei insoweit das erste und einzige Unternehmen, das diese Form für die betroffenen Waren in der Union herstelle und benutze. Im Gegensatz zu anderen Käseformen, wie etwa geflochtener oder gerollter Käse, bedürfe die beanspruchte Käseform keines Knotens, um ein Auflösen der Käsestränge zu verhindern.

29      Zunächst konnte die Beschwerdekammer, ohne einen Beurteilungsfehler zu begehen, eine der in der betreffenden Branche üblichen Formen als Bezugspunkt nehmen, nämlich die Form des Käsestreifens, weil die betreffende Branche durch eine große Formenvielfalt, einschließlich der Streifenform, gekennzeichnet ist. Ihr kann also nicht vorgeworfen werden, nicht zu dem Ergebnis gekommen zu sein, dass die Torten‑, die Rollen- oder die Radform die maßgebliche, standardmäßige und übliche Form in der Branche der betroffenen Waren darstelle, da, wie sich aus den von der Prüferin herangezogenen Beispielen und der allgemeinen Erfahrung in Bezug auf die betroffenen Waren ergibt, Käsestreifen eine Form unter anderen Formen für Käse ist, die üblicherweise auf dem betroffenen Markt vorhanden sind. Es ist nämlich allgemein bekannt, dass Käse in verschiedenen Varianten, etwa in Stangenform (Rn. 27 der angefochtenen Entscheidung) oder auch, wie die von der Prüferin zur Stützung ihrer Beanstandungen vom 27. Juli 2018 herangezogenen Abbildungen zeigen, in Strang- oder Zopfform, auf dem Markt zum Kauf angeboten wird. Aus denselben Gründen kann dieses Argument der Klägerin auch nicht zur Stützung der Behauptung herangezogen werden, die Beschwerdekammer habe gegen ihre Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen gemäß Art. 95 der Verordnung 2017/1001 verstoßen.

30      Sodann ist darauf hinzuweisen, dass für die Beurteilung der Frage, ob die in Rede stehende Käseform von den Verkehrskreisen als Hinweis auf die Herkunft der Ware wahrgenommen werden kann, der Gesamteindruck zu prüfen ist, den das Erscheinungsbild des Käses hervorruft (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 31. Mai 2006, Form einer Wurst, T‑15/05, EU:T:2006:142, Rn. 38).

31      Im vorliegenden Fall ist mit Blick auf die Akte festzustellen, dass in Strang‑, Zwirbel- oder Zopfform aufgemachter Käse auf dem Markt so hinreichend verbreitet ist, dass die maßgeblichen Verkehrskreise die angemeldete Marke nicht ohne Weiteres als Hinweis auf die Herkunft der betroffenen Waren wahrnehmen, wenn sie mit ihr konfrontiert werden.

32      Selbst wenn man davon ausginge, dass sich die angemeldete Marke von allen anderen auf dem Markt vorhandenen Käseformen unterscheidet, ist nämlich darauf hinzuweisen, dass Käse in Streifen‑, Strang‑, Zwirbel- oder Zopfform, die der Form der angemeldeten Marke ähnelt, üblicherweise in jedem beliebigen Supermarkt zu finden ist. Die zwischen der angemeldeten Marke und diesen anderen Käseformen bestehenden Unterschiede sind für den von dieser Marke hervorgerufenen Gesamteindruck nicht prägend. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ermöglichen es weder der Umstand, dass die angemeldete Marke einem Gewinde ähnelt, noch die Tatsache, dass nicht an mindestens einem Ende des betroffenen Käses ein Knoten vorhanden ist, die angemeldete Marke wesentlich von den anderen üblicherweise auf dem Markt vorhandenen Käseformen zu unterscheiden. Der von der angemeldeten Marke hervorgerufene Gesamteindruck unterscheidet sich selbst mit diesen Merkmalen nicht hinreichend von dem Gesamteindruck, der von den anderen üblichen Käseformen in der betreffenden Branche hervorgerufen wird, um beim Verbraucher einen Eindruck hervorzurufen, der der angemeldeten Marke das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft verleihen könnte.

33      Schließlich ist das Vorbringen der Klägerin, wonach sie die erste und einzige sei, die einen Käse in der von der angemeldeten Marke dargestellten Form herstelle, der aus mehreren Käsesträngen gedreht bzw. gezwirbelt sei, die ohne weitere Hilfsmittel in einem geschlossenen Erscheinungsbild zusammenhielten, im Rahmen der Beurteilung der Unterscheidungskraft einer dreidimensionalen Marke wie der angemeldeten Marke nicht relevant. Selbst wenn dies der Fall wäre, kann dieser Umstand nämlich weder bestätigen noch widerlegen, dass die mit der angemeldeten Marke konfrontierten maßgeblichen Verkehrskreise diese ohne Weiteres als Hinweis auf die Herkunft der betroffenen Waren wahrnehmen werden (vgl. oben, Rn. 19). Die Neuheit oder die Originalität sind keine maßgeblichen Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft einer Marke, so dass es für die Eintragungsfähigkeit einer Marke nicht genügt, dass sie originell ist (vgl. Urteil vom 17. Dezember 2010, Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli/HABM [Form eines Glöckchens mit rotem Band], T‑346/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2010:548, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Folglich hat die Beschwerdekammer keinen Beurteilungsfehler begangen, als sie zu dem Schluss gekommen ist, dass die angemeldete Marke nicht wesentlich von der Norm oder dem Üblichen in der betreffenden Branche abweiche und dass sie deshalb keine originäre Unterscheidungskraft aufweise.

35      Als Drittes beanstandet die Klägerin die Ansicht der Beschwerdekammer in Rn. 28 der angefochtenen Entscheidung, wonach ihr Vorbringen hinsichtlich der beim Wettbewerb „World Dairy Innovation Award 2018“ erhaltenen Auszeichnung nicht von Belang sei, weil nicht festgestellt werden könne, dass bei dem Wettbewerb auf die Wahrnehmung von Endverbrauchern abgestellt worden sei.

36      Zum einen ist in Übereinstimmung mit der Beschwerdekammer im Stadium der Beschwerde vor ihr festzuhalten, dass die Klägerin selbst in der Klageschrift nicht erläutert, um welche Art von Wettbewerb es sich handelt, nach welchen Kriterien die Auszeichnung verliehen wird und welche anderen Produkte im Rahmen dieses Wettbewerbs bewertet werden.

37      Zum anderen fällt eine angemeldete Marke, wie vorstehend (vgl. oben, Rn. 16 und 17) festgestellt worden ist, bereits dann unter das Verbot nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001, wenn ein Eintragungshindernis in Bezug auf die breite Öffentlichkeit besteht. Aus den vorstehenden Rn. 29 bis 34 geht aber hervor, dass die Beschwerdekammer zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der Anmeldung angesichts der betroffenen Waren und der Wahrnehmung der Endverbraucher der Union das Eintragungshindernis des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 entgegenstehe.

38      Hieraus folgt, dass die Beschwerdekammer keinen Fehler begangen hat, indem sie die beim Wettbewerb „World Dairy Innovation Award 2018“ erhaltene Auszeichnung, die von der Klägerin geltend gemacht wurde, nicht berücksichtigt und dies damit begründet hat, dass nicht festgestellt werden könne, dass bei dem Wettbewerb auf die Wahrnehmung von Endverbrauchern abgestellt worden sei.

39      Als Viertes bringt die Klägerin vor, die angemeldete Marke sei nicht nur als Marke durch das Patent- und Markenamt eines Drittstaats, sondern auch als Marke durch das Deutsche Patent- und Markenamt eingetragen worden. Da in einem Mitgliedstaat vorgenommene Eintragungen bei der Beurteilung der Anmeldung einer Unionsmarke berücksichtigt werden könnten, sei die deutsche Marke in die Gesamtwürdigung der angemeldeten Marke einzubeziehen.

40      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Unionsregelung für Marken ein autonomes System ist, das aus einer Gesamtheit von Vorschriften besteht und Zielsetzungen verfolgt, die ihm eigen sind. Seine Anwendung ist von jedem nationalen System unabhängig, und die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen der Beschwerdekammern des EUIPO ist ausschließlich auf der Grundlage der Verordnung 2017/1001 in ihrer Auslegung durch den Unionsrichter zu beurteilen (vgl. Urteil vom 17. Juli 2008, L & D/HABM, C‑488/06 P, EU:C:2008:420, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung). Daher ist das EUIPO und gegebenenfalls der Unionsrichter nicht an eine auf der Ebene eines Mitgliedstaats oder gar eines Drittlands ergangene Entscheidung gebunden, in der die Eintragungsfähigkeit desselben Zeichens als nationale Marke bejaht wird (Urteil vom 27. Februar 2002, Streamserve/HABM [STREAMSERVE], T‑106/00, EU:T:2002:43, Rn. 47).

41      Zwar stellen, wie die Klägerin geltend macht, die in den Mitgliedstaaten bereits vorliegenden Eintragungen einen Umstand dar, der für die Eintragung einer Unionsmarke, ohne entscheidend zu sein, berücksichtigt werden kann, insbesondere indem sie bei der Beurteilung der Anmeldung einer Unionsmarke in die Prüfung mit einbezogen werden können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. November 2004, Henkel/HABM [Form einer weißen und transparenten Flasche], T‑393/02, EU:T:2004:342, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42      Da die Beschwerdekammer jedoch im vorliegenden Fall zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der in Rede stehenden Markenanmeldung das Eintragungshindernis des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 entgegenstehe, können die von der Klägerin geltend gemachten Voreintragungen als solche die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht in Frage stellen.

43      Als Fünftes beanstandet die Klägerin die Erwägungen in den Rn. 23, 25 und 26 der angefochtenen Entscheidung. In diesen Randnummern hat die Beschwerdekammer im Wesentlichen ausgeführt, dass die Form des Käses für den Verzehr unerheblich sei, da der Verbraucher den Käse letztlich nach seinem Belieben zurechtschneide (Rn. 23 der angefochtenen Entscheidung) und in erster Linie auf den Geschmack des Käses achte (Rn. 26 der angefochtenen Entscheidung), und dass die Klägerin nicht erläutert habe, in welchem Zustand (beispielsweise verpackt oder frisch) die betroffenen Waren zum Kauf angeboten würden (Rn. 25 der angefochtenen Entscheidung). Das Vorbringen der Klägerin richtet sich jedoch gegen – wie sich aus Rn. 22 der angefochtenen Entscheidung ergibt – nicht tragende Gründe dieser Entscheidung. Es ist somit als ins Leere gehend zurückzuweisen (vgl. Urteil vom 26. März 2019, Kommission/Italien, C‑621/16 P, EU:C:2019:251, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

44      Nach alledem hat die Beschwerdekammer nicht gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 verstoßen. Da der einzige Klagegrund zurückzuweisen ist, ist die Klage somit abzuweisen.

 Kosten

45      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

46      Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des EUIPO die Kosten aufzuerlegen.


Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zehnte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Muratbey Gida Sanayi ve Ticaret AŞ trägt die Kosten.

Kornezov

Passer

Hesse

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 26. März 2020.

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon

 

      M. van der Woude


*      Verfahrenssprache: Deutsch.