Language of document : ECLI:EU:T:2004:9

Ordonnance du Tribunal

BESCHLUSS DES PRÄSIDENTEN DES GERICHTS
16. Januar 2004(1)

„Vorläufiger Rechtsschutz – Richtlinie 67/548/EWG – Dringlichkeit“

In der Rechtssache T-369/03 R

Arizona Chemical BV mit Sitz in Almere (Niederlande),

Eastman Belgium BVBA mit Sitz in Kallo (Belgien),

Resinall Europe BVBA mit Sitz in Brügge (Belgien),

Cray Valley Iberica SA mit Sitz mit Madrid (Spanien),

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte C. Mereu und K. Van Maldegem,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch X. Lewis und F. Simonetti als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Antragsgegnerin,

wegen Aussetzung des Vollzugs einer Maßnahme der Kommission vom 20. August 2003 und der gegenwärtigen Einstufung von Kolofonium in Anhang I der Richtlinie 67/548/EWG des Rates vom 27. Juni 1967 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe (ABl. 1967, 196, S. 1) sowie wegen Anordnung an die Kommission, die Rückstufung von Kolofonium in der nächsten Sitzung des Regelungsausschusses vorzuschlagen, der über die Anpassung der Richtlinie 67/548 an den technischen Fortschritt zu entscheiden hat,

erlässt



DER PRÄSIDENT DES GERICHTS ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN



folgenden



Beschluss




Rechtlicher Rahmen

1
Die Richtlinie 67/548/EWG des Rates vom 27. Juni 1967 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe (ABl. 1967, 196, S. 1) in ihrer zum siebten Mal durch die Richtlinie 92/32/EWG des Rates vom 30. April 1992 (ABl. L 154, S. 1) geänderten Fassung legt Bestimmungen für das Inverkehrbringen bestimmter „Stoffe“ fest, die als „chemische Elemente und ihre Verbindungen in natürlicher Form oder hergestellt durch ein Produktionsverfahren, einschließlich der zur Wahrung der Produktstabilität notwendigen Zusatzstoffe und der bei der Herstellung unvermeidbaren Verunreinigungen, mit Ausnahme von Lösungsmitteln, die von dem Stoff ohne Beeinträchtigung seiner Stabilität und ohne Änderung seiner Zusammensetzung abgetrennt werden können“, definiert sind.

2
Seit ihrem Erlass wurde die Richtlinie 67/548 mehrfach, zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 807/2003 des Rates vom 14. April 2003 zur Anpassung der Bestimmungen über die Ausschüsse zur Unterstützung der Kommission bei der Ausübung von deren Durchführungsbefugnissen, die in nach dem Konsultationsverfahren (Einstimmigkeit) erlassenen Rechtsakten des Rates vorgesehen sind, an den Beschluss 1999/468/EG (ABl. L 122, S. 36), geändert.

Allgemeiner rechtlicher Rahmen

3
Nach Artikel 4 der Richtlinie 67/548 in der geänderten Fassung werden die Stoffe aufgrund ihrer Eigenschaften nach den in Artikel 2 Absatz 2 festgelegten Kategorien eingestuft.

4
Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe k der Richtlinie 67/548 in der geänderten Fassung definiert als „sensibilisierend“ die „Stoffe und Zubereitungen, die bei Einatmen oder Hautresorption eine Überempfindlichkeitsreaktion hervorrufen können, so dass bei künftiger Exposition gegenüber dem Stoff oder der Zubereitung charakteristische Störungen auftreten“.

5
Wird ein chemischer Stoff als „gefährlich“ eingestuft, so muss seine Verpackung mit einer geeigneten Etikettierung versehen werden, die insbesondere Gefahrensymbole, Standardaufschriften zur Angabe besonderer Risiken aufgrund von Gefahren beim Umgang mit dem Stoff (R‑Sätze) und Standardaufschriften mit den Sicherheitsratschlägen für den Umgang mit dem Stoff (S‑Sätze) umfasst. In Bezug auf die R‑Sätze bestimmt Artikel 23 Absatz 2 der Richtlinie 67/548:

„Auf jeder Verpackung müssen folgende Angaben deutlich lesbar und dauerhaft angebracht sein:

d)
Die Standardaufschriften zur Angabe besonderer Risiken aufgrund von Gefahren beim Umgang mit dem Stoff (R‑Sätze). Der Wortlaut dieser R‑Sätze muss den Angaben in Anhang III entsprechen. Die für den jeweiligen Stoff zu verwendenden R‑Sätze sind in Anhang I angegeben …“

Anpassung der Richtlinie 67/548 an den technischen Fortschritt

6
Artikel 28 der Richtlinie 67/548 in der geänderten Fassung bestimmt:

„Die zur Anpassung der Anhänge an den technischen Fortschritt notwendigen Änderungen werden nach dem Verfahren des Artikels 29 vorgenommen.“

7
Die Kommission hat in ihren Erklärungen ausgeführt, dass sie in der Praxis bei der Erstellung eines ersten Entwurfs für Maßnahmen zur Anpassung der Richtlinie 67/548 an den technischen Fortschritt die Arbeitsgruppe für die Einstufung und die Kennzeichnung (im Folgenden: Arbeitsgruppe) anhöre. Diese Gruppe setzt sich aus von den Mitgliedstaaten abgeordneten Sachverständigen für Toxikologie und Einstufung, Vertretern der chemischen Industrie und Vertretern des Industriezweigs, für den die in Rede stehenden Erzeugnisse von besonderem Belang sind, zusammen. Nach Anhörung der Arbeitsgruppe legt die Kommission den Maßnahmenentwurf dem nach Artikel 29 der Richtlinie 67/548 in der geänderten Fassung gebildeten Ausschuss (im Folgenden: Regelungsausschuss) vor.

8
Artikel 29 der Richtlinie 67/548 in der durch die Verordnung Nr. 807/2003 geänderten Fassung bestimmt:

„(1)
Die Kommission wird von einem Ausschuss unterstützt.

(2)    Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so gelten die Artikel 5 und 7 des Beschlusses 1999/468/EG.

Der Zeitraum nach Artikel 5 Absatz 6 des Beschlusses 1999/468/EG wird auf drei Monate festgesetzt.“

9
Artikel 5 der Entscheidung 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse (ABl. L 184, S. 23) bestimmt:

„(1)  Die Kommission wird von einem Regelungsausschuss unterstützt, der sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammensetzt und in dem der Vertreter der Kommission den Vorsitz führt.

(2)    Der Vertreter der Kommission unterbreitet dem Ausschuss einen Entwurf der zu treffenden Maßnahmen. Der Ausschuss gibt seine Stellungnahme zu diesem Entwurf innerhalb einer Frist ab, die der Vorsitzende unter Berücksichtigung der Dringlichkeit der betreffenden Frage festsetzen kann. Die Stellungnahme wird mit der Mehrheit abgegeben, die in Artikel 205 Absatz 2 des Vertrags für die Annahme der vom Rat auf Vorschlag der Kommission zu fassenden Beschlüsse vorgesehen ist. Bei der Abstimmung im Ausschuss werden die Stimmen der Vertreter der Mitgliedstaaten gemäß dem vorgenannten Artikel gewogen. Der Vorsitzende nimmt an der Abstimmung nicht teil.

(3)    Die Kommission erlässt unbeschadet des Artikels 8 die beabsichtigten Maßnahmen, wenn sie mit der Stellungnahme des Ausschusses übereinstimmen.

(4)    Stimmen die beabsichtigten Maßnahmen mit der Stellungnahme des Ausschusses nicht überein oder liegt keine Stellungnahme vor, so unterbreitet die Kommission dem Rat unverzüglich einen Vorschlag für die zu treffenden Maßnahmen und unterrichtet das Europäische Parlament.

(5)    Ist das Europäische Parlament der Auffassung, dass ein Vorschlag, den die Kommission auf der Grundlage eines gemäß Artikel 251 des Vertrags erlassenen Basisrechtsakts unterbreitet hat, über die in diesem Basisrechtsakt vorgesehenen Durchführungsbefugnisse hinausgeht, so unterrichtet es den Rat über seinen Standpunkt.

(6)    Der Rat kann, gegebenenfalls in Anbetracht eines solchen etwaigen Standpunkts, innerhalb einer Frist, die in jedem Basisrechtsakt festzulegen ist, die keinesfalls aber drei Monate von der Befassung des Rates an überschreiten darf, mit qualifizierter Mehrheit über den Vorschlag befinden.

Hat sich der Rat innerhalb dieser Frist mit qualifizierter Mehrheit gegen den Vorschlag ausgesprochen, so überprüft die Kommission den Vorschlag. Die Kommission kann dem Rat einen geänderten Vorschlag vorlegen, ihren Vorschlag erneut vorlegen oder einen Vorschlag für einen Rechtsakt auf der Grundlage des Vertrags vorlegen.

Hat der Rat nach Ablauf dieser Frist weder den vorgeschlagenen Durchführungsrechtsakt erlassen noch sich gegen den Vorschlag für die Durchführungsmaßnahmen ausgesprochen, so wird der vorgeschlagene Durchführungsrechtsakt von der Kommission erlassen.“

Richtlinie 1999/45/EG

10
Die Richtlinie 1999/45/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. Mai 1999 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Zubereitungen (ABl. L 200, S. 1) legt Bestimmungen für das Inverkehrbringen gefährlicher „Zubereitungen“ fest, die als „Gemenge, Gemische und Lösungen, die aus zwei oder mehreren Stoffen bestehen“, definiert sind.

11
Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 1999/45 lautet:

„Diese Richtlinie gilt für Zubereitungen, die

mindestens einen gefährlichen Stoff im Sinne von Artikel 2 enthalten

und

nach Artikel 5, 6 oder 7 als gefährlich gelten.“

12
In Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe k der Richtlinie 1999/45 sind als „sensibilisierend“ definiert „Stoffe und Zubereitungen, die bei Einatmen oder Hautresorption eine Überempfindlichkeitsreaktion hervorrufen können, so dass bei künftiger Exposition gegenüber dem Stoff oder der Zubereitung charakteristische Störungen auftreten“.

13
In Artikel 10 Nummer 1.1 der Richtlinie 1999/45 heißt es:

„Die Mitgliedstaaten ergreifen alle erforderlichen Maßnahmen, damit

a)
Zubereitungen nach Artikel 1 Absatz 2 nur in Verkehr gebracht werden können, wenn die Kennzeichnung auf der Verpackung allen Bedingungen dieses Artikels und allen Bestimmungen des Anhangs V Teile A und B entspricht.“

14
Anhang V Teil B Nummer 9 der Richtlinie 1999/45, der Bestimmungen über Zubereitungen enthält, die nicht als sensibilisierend eingestuft sind, aber mindestens einen sensibilisierenden Stoff enthalten, bestimmt:

„Die Verpackung von Zubereitungen, die mindestens einen als sensibilisierend eingestuften Stoff in einer Konzentration enthalten, die mindestens 0,1 % beträgt oder mindestens ebenso hoch ist wie die in Anhang I der Richtlinie 67/548/EWG in einem besonderen Vermerk für den Stoff genannte Konzentration, muss folgende Aufschrift tragen: ‚enthält ´Name des sensibilisierenden Stoffes´. Kann allergische Reaktionen hervorrufen‘.“


Sachverhalt und Verfahren

15
Die Unternehmen Arizona Chemical BV, Eastman Belgium BVBA, Resinall Europe BVBA und Cray Valley Iberica SA (im Folgenden: Antragstellerinnen) erzeugen und vertreiben Kolofonium und Derivate dieses Stoffes.

16
Kolofonium ist ein natürlicher Stoff, der aus Fichten gewonnen und wegen seiner klebenden und Wasser abstoßenden Eigenschaften verwendet wird. Er ist in zahlreichen Erzeugnissen wie Papier, Klebstoffen, Farben und Kosmetika enthalten.

17
In Durchführung der Richtlinie 93/72/EWG der Kommission vom 1. September 1993 zur neunzehnten Anpassung der Richtlinie 67/548 (ABl. L 258, S. 29) wurde Kolofonium in Anhang I der Richtlinie 67/548 als die Atemwege und die Haut sensibilisierender Stoff eingestuft und dem Risikosatz R 42/43 zugeordnet, der wie folgt lautet: „Sensibilisierung durch Einatmen und durch Hautkontakt möglich.“

18
In Durchführung der Richtlinie 94/69/EG der Kommission vom 19. Dezember 1994 zur einundzwanzigsten Anpassung der Richtlinie 67/548 (ABl. L 381, S. 1) wurde Kolofonium nicht mehr in die Klasse R 42 eingestuft. Kolofonium blieb jedoch in Anhang I als die Atemwege sensibilisierender Stoff mit dem Risikosatz R 43 aufgeführt, der wie folgt lautet: „Sensibilisierung durch Hautkontakt möglich.“

19
Nach dieser Änderung sammelten die Antragstellerinnen wissenschaftliche Daten und Argumente und legten sie dem Europäischen Büro für chemische Stoffe (im Folgenden: BESC) sowie der Arbeitsgruppe vor, um zu belegen, dass die Zuordnung von Kolofonium zu der Angabe R 43 wissenschaftlich falsch sei und dass nur die oxidierte Form von Kolofonium (im Folgenden: oxidiertes Kolofonium), also ein anderer Stoff, sensibilisierende Wirkungen haben könne.

20
Die Arbeitsgruppe gelangte in ihrer Sitzung von Oktober 1999 zu dem Ergebnis, dass die Rückstufung von Kolofonium „wissenschaftlich gerechtfertigt“ sei. Sie fügte jedoch hinzu, dass diese Rückstufung zu einer „Senkung des durch den gegenwärtigen Regelungsrahmen vorgesehenen Schutzniveaus und der verfügbaren Kontrollmittel“ führe. Sie beschloss auch, die „Nachforschungen im Hinblick auf eine Lösung im Rahmen der Richtlinien über die Stoffe und die Zubereitungen fortzusetzen, die wissenschaftlich genauer ist und das Schutzniveau aufrechterhält“.

21
Im September 2002 wiederholte die Arbeitsgruppe ihre Schlussfolgerungen, nach denen die Rückstufung von Kolofonium zwar „wissenschaftlich gerechtfertigt“ sei, jedoch zu einer „Senkung des durch den gegenwärtigen Regelungsrahmen vorgesehenen Schutzniveaus und der verfügbaren Kontrollmittel führt“. Daher gelangte die Arbeitsgruppe zu dem Ergebnis, dass Kolofonium „als Stoff mit sensibilisierenden Eigenschaften nicht zurückgestuft werden und nicht mehr Gegenstand von Erörterungen auf der Grundlage der vorliegenden Daten sein sollte“.

22
Mit Schreiben vom 23. Juni 2003 beantragten die Antragstellerinnen bei der Kommission, die erforderlichen Maßnahmen zur Rückstufung von Kolofonium als eines die Haut sensibilisierenden Stoffes zu ergreifen.

23
Mit Antwortschreiben vom 20. August 2003 (im Folgenden: angefochtener Rechtsakt) teilte die Kommission den Antragstellerinnen u. a. mit, dass frisches Kolofonium bei seiner Verwendung eine Reaktion auf sensibilisierende Mischungen beim Kontakt mit dem Sauerstoff der Umgebungsluft verursache und dass Kolofonium gewöhnlich oxidiertes Kolofonium enthalte, das die Sensibilisierung hervorrufe. Im angefochtenen Rechtsakt heißt es weiter: „Kolofonium gehört zu den zehn stärksten Allergenen.“ Zum Schluss führt die Kommission aus, dass die Antragstellerinnen keine „Gründe, die die Rückstufung von Kolofonium rechtfertigen“, vorgetragen hätten.

24
Mit Klageschrift, die am 29. Oktober 2003 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Antragstellerinnen Klage erhoben auf

Nichtigerklärung des angefochtenen Rechtsakts;

Feststellung der Rechtswidrigkeit der Aufnahme von Kolofonium in Anhang I der Richtlinie 67/548;

hilfsweise, Feststellung, dass die Aufnahme von Kolofonium in Anhang I der Richtlinie 67/548 in Anwendung von Artikel 241 EG gegenüber den Klägerinnen unwirksam ist;

Verurteilung der Kommission zum Ersatz des durch den Erlass des angefochtenen Rechtsakts entstandenen Schadens.

25
Kurz nach Erhebung dieser Klage wurde den Antragstellerinnen mitgeteilt, dass der Regelungsausschuss am 23. Januar 2004 zum Zweck der Billigung der neunundzwanzigsten Anpassung der Richtlinie 67/548 an den technischen Fortschritt zusammentreten werde.

26
Mit besonderem Schriftsatz, der am 27. November 2003 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerinnen gemäß den Artikeln 242 EG und 243 EG vorläufigen Rechtsschutz beantragt; sie beantragen,

ihren Antrag für zulässig und begründet zu erklären;

den Vollzug des angefochtenen Rechtsakts und die gegenwärtige Einstufung von Kolofonium in Anhang I der Richtlinie 67/548 bis zur Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen;

anzuordnen, dass die Kommission in der nächsten Sitzung des Regelungsausschusses die Rückstufung von Kolofonium im Rahmen der neunundzwanzigsten Anpassung der Richtlinie 67/548 an den technischen Fortschritt vorzuschlagen hat;

der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

27
Die Antragstellerinnen haben gemäß Artikel 105 § 2 der Verfahrensordnung im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes beantragt, ihrem Antrag schnellstens stattzugeben, und zwar, bevor die Kommission Stellung genommen hat.

28
Die Kommission hat am 4. Dezember 2003 zum Antrag auf einstweilige Anordnung Stellung genommen. Sie beantragt,

den Antrag auf einstweilige Anordnung zurückzuweisen;

den Antragstellerinnen die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

29
Die Antragstellerinnen und die Kommission haben in einer am 11. Dezember 2003 durchgeführten Anhörung mündlich Stellung genommen.

30
Die Kommission hat am 7. Januar 2004 in Beantwortung einer schriftlichen Frage im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ausgeführt, dass sich das Verfahren zur Anhörung ihrer verschiedenen Stellen zu den im Rahmen der neunundzwanzigsten Anpassung der Richtlinie 67/548 an den technischen Fortschritt beabsichtigten Maßnahmen verzögert habe und dass die ursprünglich für den 23. Januar 2004 vorgesehene Sitzung des Regelungsausschusses ohne Anberaumung eines Termins vertagt worden sei.


Entscheidungsgründe

31
Nach Artikel 104 § 2 der Verfahrensordnung müssen die Anträge auf einstweilige Anordnungen den Streitgegenstand bezeichnen und die Umstände anführen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt; ferner ist die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen (Fumus boni iuris). Diese Voraussetzungen sind kumulativ, so dass der Antrag auf einstweilige Anordnungen zurückzuweisen ist, sofern eine von ihnen fehlt (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 14. Oktober 1996 in der Rechtssache C‑268/96 P[R], SCK und FNK/Kommission, Slg. 1996, I‑4971, Randnr. 30). Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist gegebenenfalls auch eine Abwägung der bestehenden Interessen vorzunehmen (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 23. Februar 2001 in der Rechtssache C‑445/00 R, Österreich/Rat, Slg. 2001, I‑1461, Randnr. 73).

32
Die beantragten Anordnungen müssen außerdem vorläufig in dem Sinne sein, dass sie den Rechts‑ und den Tatsachenfragen des Rechtsstreits nicht vorgreifen und die Folgen der später zur Hauptsache zu treffenden Entscheidung nicht im Voraus neutralisieren (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 19. Juli 1995 in der Rechtssache C‑149/95 P[R], Kommission/Atlantic Container Line u. a., Slg. 1995, I‑2165, Randnr. 22).

33
Im Rahmen dieser Gesamtprüfung verfügt der Richter im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ferner über ein weites Ermessen und kann im Hinblick auf die Besonderheiten des Einzelfalls die Art und Weise, in der diese verschiedenen Voraussetzungen zu prüfen sind, sowie die Reihenfolge dieser Prüfung frei bestimmen, da keine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts ihm ein feststehendes Prüfungsschema für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer vorläufigen Entscheidung vorschreibt (Beschluss Kommission/Atlantic Container Line u. a., angeführt in Randnr. 32, Randnr. 23).

34
Der vorliegende Antrag auf einstweilige Anordnungen ist im Licht der dargestellten Grundsätze zu prüfen.

Vorbringen der Parteien

Vorbringen der Antragstellerinnen

    Zur Zulässigkeit

35
Die Antragstellerinnen machen geltend, sie seien gemäß Artikel 230 Absatz 4 EG klageberechtigt, da der angefochtene Rechtsakt eine von einem Direktor unterzeichnete Entscheidung der Kommission sei, deren unmittelbare Adressatinnen sie seien, so dass sie nicht darzutun brauchten, dass sie von dieser Entscheidung unmittelbar und individuell betroffen seien, da dieses Kriterium nur auf an Dritte gerichtete Entscheidungen Anwendung finde.

36
Der angefochtene Rechtsakt entfalte endgültige Wirkungen, die ihre Rechtsstellung beeinträchtigten, indem er den endgültigen Standpunkt der Kommission zur Einstufung von Kolofonium festlege. Die Entscheidung der Kommission, dessen Rückstufung als die Haut sensibilisierenden Stoff nicht vorzunehmen, stelle eine abschließende Entscheidung dar, da der Regelungsausschuss nicht ultra petita entscheiden und nicht vom Standpunkt der Kommission abweichen könnte.

37
Selbst wenn der angefochtene Rechtsakt schließlich als vorbereitende Maßnahme zu betrachten sei, so bliebe eine Klage dennoch entsprechend den Erwägungen zulässig, die der Gerichtshof in den beiden Urteilen vom 30. Juni 1992 in der Rechtssache C‑312/90 (Spanien/Kommission, Slg. 1992, I‑4117) und in der Rechtssache C‑47/91 (Italien/Kommission, Slg. 1992, I‑4145) angestellt habe, in denen Klagen gegen vorbereitende Maßnahmen, nämlich Schreiben zur Eröffnung des Verfahrens gemäß Artikel 88 Absatz 2 EG, für zulässig erklärt worden seien.

    Zum Fumus boni iuris

38
Die Antragstellerinnen machen geltend, dass ihre Klage, die auf sechs Gründe gestützt werde, nicht unbegründet sei.

39
Erstens beruhe die Analyse, die die Arbeitsgruppe im BESC vorgenommen habe – und die sich die Kommission im angefochtenen Rechtsakt zu Eigen gemacht habe – auf Angaben zu den Eigenschaften von oxidiertem Kolofonium und nicht von Kolofonium. Die Beurteilungen in Bezug auf den erstgenannten Stoff könnten jedoch für die Rechtsetzung keinen Schluss auf die angemessene Einstufung des letztgenannten Stoffes rechtfertigen.

40
Zweitens seien die gegenwärtige Einstufung von Kolofonium in Anhang I der Richtlinie 67/548 und die Entscheidung der Kommission, diesen Stoff nicht zurückzustufen, unbegründet und rechtswidrig. Dies gehe aus dem wissenschaftlichen Beweismaterial hervor, das der Arbeitsgruppe und der Kommission übermittelt worden sei und wonach Kolofonium die Haut nicht im Sinne der Kriterien der Richtlinie 67/548 sensibilisiere.

41
Drittens stütze sich der angefochtene Rechtsakt auf die falsche Annahme, dass in den Verkehr gebrachtes Kolofonium stets oxidiertes Kolofonium enthalte und Letzteres daher eine sensibilisierende Wirkung auf die Haut habe. Dies sei jedoch unter den üblichen Behandlungs‑ und Verwendungsbedingungen nicht der Fall. Somit beruhe der angefochtene Rechtsakt auf einer falschen Sachgrundlage, sei wissenschaftlich unrichtig und verletze die Einstufungskriterien des Anhangs  VI der Richtlinie 67/548.

42
Selbst wenn, erstens, in den Verkehr gebrachtes Kolofonium stets oxidiertes Kolofonium enthalten und, zweitens, die Kommission berechtigt sein sollte, Kolofonium anhand der Eigenschaften von oxidiertem Kolofonium einzureihen, bliebe der angefochtene Rechtsakt dennoch unrichtig und rechtswidrig. Denn zunächst sei die Anwendung der Prüfungsmethode, auf die sich die Kommission gestützt habe, auf oxidiertes Kolofonium ungerechtfertigt. Sodann beweise ein objektiverer Versuch, dass oxidiertes Kolofonium keine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstelle. Schließlich enthalte in den Verkehr gebrachtes Kolofonium oxidiertes Kolofonium nicht in einem Maß, das toxikologisch erheblich oder geeignet sei, sensibilisierende Wirkungen hervorzurufen.

43
Viertens sei die Weigerung der Arbeitsgruppe, die Rückstufung von Kolofonium zu empfehlen, in sich widersprüchlich und sei offenkundig, wenn auch stillschweigend, auf das Vorsorgeprinzip gestützt. Die Anwendung dieses Prinzips im Kontext der vorliegenden Rechtssache sei jedoch weder sachlich noch rechtlich und technisch gerechtfertigt.

44
Fünftens stelle der Umstand, dass die Kommission ihre Beurteilung nicht auf dem Stand der Technik entsprechende Angaben gestützt habe, die ihr übermittelt worden seien, einen Verstoß gegen Artikel 95 Absatz 3 EG dar. Ferner verkenne die Kommission, indem sie von den Antragstellerinnen die Darlegung eines völligen Fehlens einer Gefahr verlange, die Anforderung der Richtlinie 67/548, wonach eine solche Untersuchung unter üblichen Bedingungen der Handhabung und Verwendung stattzufinden hätte.

45
Sechstens stelle der Umstand, dass die Kommission keine geeigneten Maßnahmen für die Rückstufung von Kolofonium als eines die Haut sensibilisierenden Stoffes unternommen habe, eine Verletzung mehrerer Grundprinzipien des Gemeinschaftsrechts, wie der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes dar.

    Zur Dringlichkeit

46
Die Antragstellerinnen machen geltend, dass der Erlass der beantragten einstweiligen Anordnungen dringlich sei, um zum einen die Verabschiedung der neunundzwanzigsten Anpassung der Richtlinie 67/548 an den technischen Fortschritt, die für den 23. Januar 2004 vorgesehen sei, zu verhindern und um zum anderen den nicht wieder gutzumachenden Schäden vorzubeugen, die ihnen in geschäftlicher, finanzieller und rechtlicher Hinsicht zu entstehen drohten.

47
Der Erlass und der Vollzug der Entscheidung der Kommission, Kolofonium nicht zurückzustufen, zeitigten in zweierlei Hinsicht nachteilige Wirkungen, die nicht durch die Gewährung von Schadensersatz wieder gutgemacht werden könnten.

48
Erstens führe der Umstand, dass die Kommission Kolofonium nicht als die Haut sensibilisierenden Stoff zurückstufe, bei ihren Abnehmern zu einem endgültigen und nicht wieder gutzumachenden Verlust des Vertrauens in diesen Stoff wie in Erzeugnisse auf der Grundlage von Kolofonium. Dieser Vertrauensverlust habe eine unmittelbare geschäftlich nachteilige Wirkung für die Erzeugnisse der Antragstellerinnen. Einige ihrer Kunden, die Erzeugnisse des Massenverbrauchs herstellten, entwickelten aktiv Programme zur Ersetzung von Kolofonium und seiner Derivate. Einige größere Hersteller von Massenverbrauchserzeugnissen hätten vorgesehen, die Verwendung von Klebstoffen auf der Grundlage von Kolofonester in Europa bis Mitte 2004 einzustellen. Ebenso sei die Arzneimittelindustrie dabei, Harze auf Kolofoniumgrundlage wegen der möglicherweise sensibilisierenden Wirkungen für die Haut, die die Gemeinschaftsbehörden diesem Stoff beimessen, von medizinischen Klebstoffen, wie beispielsweise Heftpflaster, auszuschließen. Die Verwendung von Kolofonium und das Vertrauen der Öffentlichkeit in diesen Stoff seien besonders empfindlich gegen Angaben, wonach ein Erzeugnis eine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstelle, und selbst wenn diese Angaben später widerlegt würden, sei es praktisch unmöglich, das Vertrauen in das in Rede stehende Erzeugnis wiederherzustellen.

49
Eine weitere erhebliche geschäftliche Wirkung aufgrund der falschen Einstufung von Kolofonium stehe im Zusammenhang mit seiner Aufnahme und der Aufnahme seiner Derivate in Verzeichnisse, in denen bestimmte Großunternehmen und bestimmte Staaten Erzeugnisse zusammenfassten, deren Verwendung bestimmten Beschränkungen unterliege. Alle diese Verzeichnisse verpflichteten die Lieferanten und die Benutzer, sich Ersatzerzeugnissen zuzuwenden. Der Einfluss der Eintragung in ein solches Verzeichnis sei unmittelbar und führe zu unvermeidlichen Umsatzverlusten. Vor allem führe die Aufnahme von Kolofonium und seiner Derivate in ein solches Verzeichnis zu deren Ausschluss bei der Konzipierung neuer Erzeugnisse, was dazu führe, dass ihre geschäftliche Rentabilität herabgesetzt werde. Möglicherweise zunächst geringe Umsatzverluste könnten – und würden nach den Vorhersagen der Antragstellerinnen zwangsläufig – in den kommenden Jahren rasch zunehmen.

50
Wenn die falsche Einstufung von Kolofonium nicht schnell berichtigt werde oder wenn diese Einstufung auf Kolofonium‑Derivate angewandt werde, würden ferner andere Ausgangsstoffe diese Stoffe ersetzen. Die Eigenschaften der Ersatzstoffe in Bezug auf Kosten und Leistung seien für Kolofonium nachteilig. Auf den Märkten der Vereinigten Staaten und Europas würden ungefähr 365 000 t Kolofonium in Form von Derivaten ersetzt. Daneben bestehe in der Kolofonium‑Industrie eine große Überproduktion, was zu einem starken Verfall der Preise für in den Verkehr gebrachtes Kolofonium führen werde.

51
Zudem könnten selbst bei einer Nichtigerklärung im Klageverfahren die Absatzverluste aufgrund des angefochtenen Rechtsakts in der Praxis weder für den Ersatz des entstandenen Schadens beziffert noch von den Antragstellerinnen aufgeholt werden.

52
Zweitens machen die Antragstellerinnen geltend, dass der Umstand, dass die Kommission Kolofonium nicht zurückstufe, eine Einstufungsnorm für sämtliche Derivate dieses Stoffes festlege, mit der Folge, dass logischerweise der nächste Abschnitt des Regelungsverfahrens sehr wahrscheinlich in der Einstufung dieser Derivate als die Haut sensibilisierende Stoffe bestehen werde. Eine solche Einstufung habe sehr schwerwiegende rechtliche und finanzielle Folgen für die Antragstellerinnen, da alle ihre Erzeugnisse, die Kolofonium‑Derivate seien, einer Einstufung auf derselben Grundlage unterlägen.

53
Der angefochtene Rechtsakt habe auch erhebliche Auswirkung auf die Märkte mehrerer Erzeugnisse, die Kolofonium enthielten, und diese Wirkung sei schwer umkehrbar.

    Zur Interessenabwägung

54
Die Antragstellerinnen machen geltend, dass die Abwägung der bestehenden Interessen für eine Aussetzung der Wirkungen des angefochtenen Rechtsakts und der gegenwärtigen Einstufung von Kolofonium in Anhang I der Richtlinie 67/548 spreche. Denn zum einen entstehe den Antragstellerinnen ein schwerer und nicht wieder gutzumachender Schaden, während in Bezug auf die Eigenschaften von Kolofonium keine wissenschaftliche Unsicherheit und daher kein Bedürfnis zum Schutz der menschlichen Gesundheit bestehe. Zum anderen sei es für die Antragstellerinnen und für die gesamte Gemeinschaft wichtig, dass für die Zwecke der Rechtssicherheit bestimmte wesentliche Kriterien der Einstufung und der Kennzeichnung chemischer Stoffe klargestellt würden.

Vorbringen der Kommission

55
Erstens rügt die Kommission die offensichtliche Unzulässigkeit des Antrags auf einstweilige Anordnungen, da die Antragstellerinnen einen Rechtsakt angriffen, der ihre Rechtsstellung nicht beeinträchtige und daher nicht mit einer Klage angefochten werden könne.

56
Zweitens führt die Kommission zur Dringlichkeit aus, die Antragstellerinnen hätten nicht dargetan, dass ihr geschäftlicher Fortbestand durch die Einstufung von Kolofonium in Anhang I der Richtlinie 67/548 bedroht sei. Die Größe und der Tätigkeitsbereich sämtlicher Antragstellerinnen erlaubten den Schluss, dass ihr Fortbestand nicht von Kolofonium und ihren Leistungen allein auf diesem Markt abhänge. Der Umstand, dass die Antragstellerinnen in ihrer Klage in der Hauptsache einen Antrag auf Schadensersatz gemäß Artikel 288 EG gestellt hätten, belege, dass sie selbst der Ansicht seien, dass ihr Schaden ersetzt werden könne.

57
Zur Interessenabwägung führt die Kommission aus, dass eine weit reichende Reform der Richtlinie 67/548 vorgeschlagen worden sei und dass bis zu dieser Reform die Abwägung der Interessen für eine Zurückweisung des Antrags spreche.

Richterliche Würdigung

58
In der vorliegenden Rechtssache kann dahingestellt bleiben, ob der angefochtene Rechtsakt rechtliche Wirkungen zeitigt, die die Interessen der Antragstellerinnen beeinträchtigen; zu prüfen ist, ob die beantragten Maßnahmen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes erlassen werden können, insbesondere, ob sie für die Antragstellerinnen von praktischem Nutzen sein können.

59
In ihrer Antragsschrift beantragen die Antragstellerinnen zunächst, den Vollzug des angefochtenen Rechtsakts auszusetzen, sodann, den Vollzug der gegenwärtigen Einstufung von Kolofonium in Anhang I der Richtlinie 67/548 auszusetzen, und schließlich, der Kommission aufzugeben, dem Regelungsausschuss in seiner nächsten Sitzung die Rückstufung von Kolofonium im Rahmen der neunundzwanzigsten Anpassung der Richtlinie 67/548 an den technischen Fortschritt vorzuschlagen.

60
Jeder dieser Anträge ist getrennt zu prüfen.

61
Was erstens die Aussetzung des Vollzugs des angefochtenen Rechtsakts angeht, so ist dieser Rechtsakt, unterstellt, er ist eine förmliche Entscheidung, unstreitig eine ablehnende Entscheidung.

62
Grundsätzlich ist gegen eine ablehnende Verwaltungsentscheidung ein Antrag auf Aussetzung des Vollzugs nicht gegeben, weil die Anordnung einer Aussetzung keine Änderung der Lage des Antragstellers herbeiführen könnte (Beschluss des Präsidenten der Zweiten Kammer des Gerichtshofes vom 31. Juli 1989 in der Rechtssache 206/89 R, S/Kommission, Slg. 1989, 2841, Randnr. 14; Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 30. April 1997 in der Rechtssache C‑89/97 P[R], Moccia Irme/Kommission, Slg. 1997, I‑2327, Randnr. 45).

63
Im vorliegenden Fall hätte die Aussetzung des Vollzugs des angefochtenen Rechtsakts keinen praktischen Nutzen für die Antragstellerinnen, da sie eine positive Entscheidung über den Vorschlag der Herausnahme von Kolofonium aus Anhang I der Richtlinie 67/548 nicht ersetzen könnte.

64
Daher ist dieser Antrag zurückzuweisen.

65
Was sodann die Anträge der Antragstellerinnen betrifft, im Wege der einstweiligen Anordnung den Vollzug der gegenwärtigen Einstufung von Kolofonium in Anhang I der Richtlinie 67/548 auszusetzen und der Kommission aufzugeben, die Rückstufung von Kolofonium vorzuschlagen, so ist darauf hinzuweisen, dass diese beiden Maßnahmen Folgen hätten, die über die möglichen Rechtswirkungen einer Nichtigerklärung des angefochtenen Rechtsakts im Klageverfahren hinausgingen.

66
Erstens würde die Aussetzung des Vollzugs der gegenwärtigen Einstufung von Kolofonium in Anhang I der Richtlinie 67/548 bis zur Entscheidung über die Klage trotz ihres vorläufigen Charakters erga omnes wirken. Dagegen könnte die von den Antragstellerinnen in ihrer Klageschrift im Ausgangsverfahren erhobene Einrede der Rechtswidrigkeit, ihre Zulässigkeit und Begründetheit unterstellt, nicht zur Nichtigerklärung der Aufnahme von Kolofonium in Anhang I der Richtlinie 67/548, sondern allenfalls zur Nichtigerklärung des angefochtenen Rechtsakts führen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 13. Juni 1958 in der Rechtssache 9/56, Meroni/Hohe Behörde, Slg. 1958, 11).

67
Was zweitens den Antrag der Antragstellerinnen angeht, der Kommission im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes aufzugeben, die Rückstufung von Kolofonium vorzuschlagen, so ist zu beachten, dass ein solcher Vorschlag in diesem Stadium des Verfahrens nicht als eine notwendige Folge der Nichtigerklärung des angefochtenen Rechtsakts erscheint und dass es der Kommission obliegt, gemäß Artikel 233 EG die sich aus dem Urteil des Gerichts in der Hauptsache ergebenden Maßnahmen zu ergreifen. Wenn daher diesem Antrag im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes stattgegeben würde, so würde der Kommission aufgegeben, genau bestimmte Folgen aus dem Nichtigkeitsurteil zu ziehen und somit eine Maßnahme angeordnet, die die Zuständigkeiten des Gerichts der Hauptsache übersteigt.

68
Ferner ist zu berücksichtigen, dass, selbst wenn im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes diesem Antrag der Antragstellerinnen stattgegeben werden sollte, der Vorschlag der Rückstufung von Kolofonium nicht ohne weiteres zu der vorgeschlagenen Rückstufung führen würde, da es keine Garantie dafür gibt, dass dieser Vorschlag beim Abschluss des durch Artikel 29 der Richtlinie 67/548 festgelegten Gesetzgebungsverfahrens ohne Änderung verabschiedet würde. Daher hätte eine solche Anordnung, wenn dieser Vorschlag zurückgewiesen werden sollte, keine praktische Wirksamkeit für die Antragstellerinnen, da Kolofonium in Anhang I der Richtlinie 67/548 eingestuft bliebe.

69
Schließlich haben die Antragstellerinnen nicht dargetan, dass der von ihnen geltend gemachte Schaden hinreichend vorhersehbar, schwer und nicht wieder gutzumachen ist. Insbesondere haben sie rechtlich nicht hinreichend dargetan, dass der Erlass der einstweiligen Anordnungen dringlich ist.

70
Hierzu ist zunächst zu beachten, dass es unter Berücksichtigung des Rechts der Kommission, den im angefochtenen Rechtsakt zum Ausdruck gekommenen Standpunkt vor der nächsten für die Anpassung der Richtlinie 67/548 an den technischen Fortschritt vorgesehenen Sitzung des Regelungsausschusses zu ändern, keineswegs feststeht, dass die Herausnahme von Kolofonium aus Anhang I dieser Richtlinie in dieser Sitzung nicht vorgeschlagen würde.

71
Ferner ist zu bemerken, dass die Dringlichkeit eines Antrags auf einstweilige Anordnung danach zu beurteilen ist, ob die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes erforderlich ist, um zu verhindern, dass dem Antragsteller ein schwerer und nicht wieder gutzumachender Schaden entsteht (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 18. November 1999 in der Rechtssache C‑329/99 P[R], Pfizer Animal Health/Rat, Slg. 1999, I‑8343, Randnr. 94). Insbesondere dann, wenn der Schaden vom Vorliegen mehrerer Faktoren abhängt, genügt es, dass er mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit vorhersehbar ist (vgl. insbesondere Beschlüsse des Gerichtshofes vom 29. Juni 1993 in der Rechtssache C‑280/93 R, Deutschland/Rat, Slg. 1993, I‑3667, Randnr. 34, und des Präsidenten des Gerichtshofes vom 14. Dezember 1999 in der Rechtssache C‑335/99 P[R], HFB u. a./Kommission, Slg. 1999, I‑8705, Randnr. 67).

72
Jedoch obliegt es dem Antragsteller, die Tatsachen zu beweisen, die die Erwartung eines solchen schweren und irreparablen Schadens begründen sollen (Beschlüsse HFB u. a./Kommission, angeführt in Randnr. 71, Randnr. 67, und vom 12. Oktober 2000 in der Rechtssache C‑278/00 R, Griechenland/Kommission, Slg. 2000, I‑8787, Randnr. 15).

73
Die Antragstellerinnen machen geltend, ihnen würde, wenn keine einstweiligen Anordnungen erlassen würden, ein nicht wieder gutzumachender Schaden in zweierlei Hinsicht entstehen, zum einen durch geschäftliche Verluste und zum anderen durch den künftigen Erlass von Regelungsmaßnahmen für Kolofonium‑Derivate. Diese beiden Gefahren seien getrennt zu prüfen.

74
Die Antragstellerinnen führen zunächst aus, wenn Kolofonium weiterhin in Anhang I der Richtlinie 67/548 aufgeführt würde, könnten ihre Kunden das Vertrauen in diesen Stoff verlieren und ihn nicht mehr für die Herstellung ihrer eigenen Erzeugnisse verwenden. Der Schaden aufgrund des Vertrauensverlustes sei daher finanzieller Art.

75
Nach ständiger Rechtsprechung kann jedoch ein finanzieller Schaden nur unter außergewöhnlichen Umständen als ein nicht oder auch nur schwer wieder gutzumachender Schaden angesehen werden, da er Gegenstand eines späteren finanziellen Ausgleichs sein kann (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 18. Oktober 1991 in der Rechtssache C‑213/91 R, Abertal u. a./Kommission, Slg. 1991, I‑5109, Randnr. 24; Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 1. Oktober 1997 in der Rechtssache T‑230/97 R, Comafrica und Dole Fresh Fruit Europe/Kommission, Slg. 1997, II‑1589, Randnr. 32, und vom 15. Juni 2001 in der Rechtssache T‑339/00 R, Bactria/Kommission, Slg. 2001, II‑1721, Randnr. 94). Diese Rechtsprechung beruht auf dem Gedanken, dass ein finanzieller Schaden, der nicht allein durch die Durchführung des Urteils über die Klage beseitigt wird, einen wirtschaftlichen Verlust darstellt, der mittels der im Vertrag, insbesondere in den Artikeln 235 EG und 288 EG, vorgesehenen Klagen ausgeglichen werden könnte (Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts, Comafrica und Dole Fresh Fruit Europe/Kommission, Randnr. 38, und vom 20. Juli 2000 in der Rechtssache T‑169/00 R, Esedra/Kommission, Slg. 2000, II‑2951, Randnr. 47).

76
Unter Berücksichtigung der von den Antragstellerinnen geltend gemachten Gefahren wäre der Erlass einstweiliger Anordnungen unter den Umständen des vorliegenden Falles nur dann gerechtfertigt, wenn sich erwiese, dass das Fehlen einer solchen Anordnung die Antragstellerinnen in eine Lage brächte, in der möglicherweise ihre Existenz gefährdet wäre oder ihre Marktanteile irreversibel geändert würden (vgl. entsprechend Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 30. Juni 1999 in der Rechtssache T‑13/99 R, Pfizer Animal Health/Rat, Slg. 1999, II‑1961, Randnr. 138, und vom 11. April 2003 in der Rechtssache T‑392/02 R, Solvay Pharmaceuticals/Rat, Slg. 2003, II‑1825, Randnr. 107).

77
Daher ist zu prüfen, ob die Antragstellerinnen dargetan haben, dass ihnen einer dieser Schäden entstehen könnte.

78
Was, erstens, die Gefahr eines unwiederbringlichen Verlustes von Marktanteilen angeht, so besteht der einzige hierfür im Antrag auf einstweilige Anordnungen vorgelegte Urkundsbeweis in einem Artikel, der nach dem Vorbringen der Antragstellerinnen von einem ihrer Kunden stammt. In diesem Aufsatz heißt es, dass dieser Kunde wegen der Hautreizungen, die Kolofonium oder dessen Derivate hervorrufen könnten, keine Harze natürlichen Ursprungs akzeptieren könne. Die Antragstellerinnen haben jedoch weder das Datum dieses Artikels genannt noch angegeben, welche Bedeutung das Unternehmen hat, das seinen Verfasser beschäftigt. Daher lässt sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die wirkliche Bedeutung dieses Kunden für die Antragstellerinnen nicht beurteilen. Ferner enthält dieser Artikel keinen Beleg dafür, dass die von seinem Verfasser zum Ausdruck gebrachte Ansicht in förmlichem Zusammenhang mit der Einstufung von Kolofonium in Anhang I der Richtlinie 67/548 steht.

79
Ferner haben die Antragstellerinnen keine Beweismittel bezüglich ihrer jeweiligen Stellung auf dem Markt für Kolofonium und dessen Derivate vorgelegt. Sie haben auch nicht hinreichend substanziiert vorgetragen, dass die Einreihung von Kolofonium in Anhang I der Richtlinie 67/548 und die damit verbundenen Kennzeichnungspflichten besonders nachteilige Folgen für die Wahrnehmung und die Gewohnheiten ihrer Kunden hätten.

80
Erstmals in der mündlichen Anhörung haben die Antragstellerinnen erläutert, dass der geltend gemachte Vertrauensverlust und die geltend gemachten geschäftlichen Schäden auf der Anwendung der Richtlinie 67/548 in Verbindung mit den Kennzeichnungspflichten auf der Richtlinie 1999/45 beruhten. Sie haben sich insbesondere auf Teil B Nummer 9 des Anhangs V der Richtlinie 1999/45, wiedergegeben in Randnummer 14, berufen.

81
Da Kolofonium als sensibilisierender Stoff in Anhang I der Richtlinie 67/548 eingestuft worden ist, ist es möglich, dass die Etikette der Zubereitungen, die Kolofonium enthalten, unter bestimmten Umständen die Angaben tragen müssen, dass sie einen die Haut sensibilisierenden Stoff enthalten.

82
Die Antragstellerinnen haben jedoch keine genauen Beweise vorgelegt, die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Beurteilung zuließen, erstens, welcher Teil ihrer Kundschaft von diesen Verpflichtungen tatsächlich berührt wird und, zweitens, in welchem Umfang die Gewohnheiten und die Wahrnehmung dieser Kundschaft davon beeinträchtigt würden. Selbst in der Anhörung haben die Antragstellerinnen nur vage Behauptungen allgemeiner Art in Bezug auf Kunden vorgetragen, deren Identität sie nicht angegeben haben, und damit verhindert, dass im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die tatsächlichen Wirkungen der in Rede stehenden Kennzeichnungspflichten beurteilt werden können.

83
Somit haben die Antragstellerinnen das Bestehen einer Gefahr ernsthafter Verluste von Marktanteilen nicht glaubhaft gemacht.

84
Zudem hätten die Antragstellerinnen, selbst unterstellt, sie hätten glaubhaft gemacht, dass ihnen die Gefahr des Verlustes eines erheblichen Teils ihrer jeweiligen Marktanteile drohe, im Übrigen nicht glaubhaft gemacht, dass Hindernisse struktureller oder rechtlicher Art sie daran hindern würden, insbesondere durch geeignete Werbemaßnahmen einen beträchtlichen Teil ihrer Marktanteile zurückzugewinnen (vgl. Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 11. April 2001 in der Rechtssache C‑471/00 P[R], Kommission/Cambridge Healthcare, Slg. 2001, I‑2865, Randnr. 111). Daraus ist zu schließen, dass sie in rechtlicher Hinsicht nicht hinreichend glaubhaft gemacht haben, dass ihre Marktanteile durch den angefochtenen Rechtsakt und die Anwendung der Richtlinie 67/548 in nicht wieder gutzumachender Weise beeinträchtigt würde.

85
Was, zweitens, die Gefahr angeht, dass die Existenz der Antragstellerinnen in Ermangelung einstweiliger Anordnungen gefährdet würde, so ist diese Gefahr erstmals in der Anhörung geltend gemacht worden.

86
Ferner geht auch aus den Randnummern 78 bis 83 des vorliegenden Beschlusses hervor, dass die Antragstellerinnen in rechtlicher Hinsicht nicht hinreichend glaubhaft gemacht haben, dass ihnen ohne den Erlass einstweiliger Anordnungen schwere Verluste drohten.

87
Macht ein Antragsteller geltend, dass nachteilige Folgen für seine finanzielle Situation geeignet seien, seine Existenz zu gefährden, so sind auf alle Fälle bei der Beurteilung seiner materiellen Lage insbesondere die Merkmale des Konzerns zu berücksichtigen, zu dem er aufgrund der Beteiligungsverhältnisse an seinem Kapital gehört (Beschlüsse des Präsidenten des Gerichtshofes vom 7. März 1995 in der Rechtssache C‑12/95 P, Transacciones Marítimas u. a./Kommission, Slg. 1995, I‑467, Randnr. 12, und vom 15. April 1998 in der Rechtssache C‑43/98 P[R], Camar/Kommission und Rat, Slg. 1998, I‑1815, Randnr. 36).

88
Der Antrag auf einstweilige Anordnungen enthält jedoch keine Ausführungen zur Größe und zur finanziellen Situation der Antragstellerinnen, während die Kommission in ihrer Stellungnahme öffentlich verfügbare Informationen vorgelegt hat, die darauf hindeuten, dass Arizona Chemicals, Eastman Belgium und Cray Valley Iberica großen Konzernen angehören, die jeweils eine weite Palette von Erzeugnissen herstellen. Die Antragstellerinnen haben diesen Vortrag in der Anhörung nicht widerlegt.

89
Was Resinall Europe angeht, so kann aus den Angaben der Kommission nicht darauf geschlossen werden, dass dieses Unternehmen einem großen Konzern angehört, doch ist ihre Muttergesellschaft in Nordamerika stark vertreten. In Ermangelung genauer Angaben, aus denen hervorginge, dass die in Rede stehenden Kennzeichnungspflichten auch in diesem geografischen Gebiet gelten, und da Resinall Europe jedenfalls nicht glaubhaft gemacht hat, dass diese Pflichten eine erhebliche Wirkung auf ihren Absatz hätten, ist zu schließen, dass Resinall Europe nicht glaubhaft gemacht hat, dass ihr Fortbestand ohne den Erlass einstweiliger Anordnungen gefährdet wäre.

90
Schließlich machen die Antragstellerinnen geltend, der Umstand, dass die Kommission Kolofonium nicht zurückgestuft habe, führe im Ergebnis eine Klassifizierungsnorm für alle Kolofonium‑Derivate ein, denn die folgende Phase des Regelungsverfahrens sei logischerweise die Einstufung sämtlicher Derivate von Kolofonium als die Haut sensibilisierende Stoffe, was schwerwiegende Folgen in mehreren Tätigkeitsbereichen zur Folge haben könne.

91
Die Entstehung des behaupteten Schadens, die vom Eintritt einer Reihe von Faktoren abhängt, ist in diesem Stadium rein hypothetisch. Ein Schaden dieser Art kann die beantragten einstweiligen Anordnungen nicht rechtfertigen (Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 15. Juli 1998 in der Rechtssache T‑73/98 R, Prayon‑Rupel/Kommission, Slg. 1998, II‑2769, Randnrn. 22, 26 und 38; vom 8. Dezember 2000 in der Rechtssache T‑237/99 R, BP Nederland u. a./Kommission, Slg. 2000, II‑3849, Randnrn. 57 und 66; vom 15. Januar 2001 in der Rechtssache T‑241/00 R, Le Canne/Kommission, Slg. 2001, II‑37, Randnr. 37).

92
Allgemein ist es den Antragstellerinnen nicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass ihnen ohne den Erlass einstweiliger Anordnungen ein Schaden entstehen würde, der nicht wieder gutgemacht werden könnte, wenn der angefochtene Rechtsakt für nichtig erklärt würde.

93
Somit haben die Antragstellerinnen nicht das Vorliegen von Umständen dargetan, aus denen sich eine Dringlichkeit ergibt, die einstweilige Anordnungen notwendig machen würde.

94
Daher ist der Antrag auf einstweilige Anordnung zurückzuweisen, ohne dass geprüft zu werden braucht, ob die Klage nicht offensichtlich unbegründet ist.


Aus diesen Gründen

hat

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS



beschlossen:

1.
Der Antrag auf einstweilige Anordnungen wird zurückgewiesen.

2.
Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 16. Januar 2004

Der Kanzler

Der Präsident

H. Jung

B. Vesterdorf


1
Verfahrenssprache: Englisch.