Language of document : ECLI:EU:T:2019:398

URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer)

11. Juni 2019(*)

„Öffentlicher Dienst – Ehemalige Beamte – Untersuchung des OLAF – Sache ‚Eurostat‘ – Übermittlung von Informationen über gegebenenfalls strafrechtlich zu ahndende Handlungen an die Justizbehörden der Mitgliedstaaten – Keine vorherige Unterrichtung der möglicherweise betroffenen Beamten – Angeblich durch das Verhalten des OLAF und der Kommission während des Verfahrens entstandene Schäden – Immaterieller, körperlicher und materieller Schaden – Kausalzusammenhang“

In der Rechtssache T‑138/18,

Fernando De Esteban Alonso, ehemaliger Beamter der Europäischen Kommission, wohnhaft in Saint-Martin-de-Seignanx (Frankreich), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt C. Huglo,

Kläger,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch R. Striani und J. Baquero Cruz als Bevollmächtigte,

Beklagte,

betreffend eine Klage nach Art. 270 AEUV auf Ersatz des immateriellen, körperlichen und materiellen Schadens, der dem Kläger entstanden sein soll,

erlässt

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten D. Gratsias sowie der Richterin I. Labucka und des Richters I. Ulloa Rubio (Berichterstatter),

Kanzler: E. Coulon,

folgendes

Urteil

 Rechtlicher Rahmen

1        Das mit dem Beschluss 1999/352/EG, EGKS, Euratom der Kommission vom 28. April 1999 errichtete Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) (ABl. 1999, L 136, S. 20) ist u. a. damit betraut, in den Organen Verwaltungsuntersuchungen durchzuführen, die dazu dienen, schwerwiegende Handlungen im Zusammenhang mit der Ausübung der beruflichen Tätigkeiten aufzudecken, die eine Verletzung der Verpflichtungen der Beamten und Bediensteten der Union, die disziplinarrechtlich und gegebenenfalls strafrechtlich geahndet werden kann, darstellen können.

2        Die Verordnung (EG) Nr. 1073/1999 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 über die Untersuchungen des [OLAF] (ABl. 1999, L 136, S. 1) regelt die Kontrollen, Überprüfungen und sonstigen Maßnahmen, die die Bediensteten des OLAF in Ausübung ihrer Befugnisse durchführen. Die Untersuchungen des OLAF sind entweder „externe“ Untersuchungen, die außerhalb der Unionsorgane, oder „interne“ Untersuchungen, die innerhalb dieser Organe durchgeführt werden. Diese Verordnung wurde durch die Verordnung (EU) Nr. 883/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. September 2013 über die Untersuchungen des OLAF (ABl. 2013, L 248, S. 1) ersetzt.

3        Der zehnte Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1073/1999 lautete:

„Bei diesen Untersuchungen, die gemäß dem Vertrag und insbesondere dem Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften und unter Wahrung des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften und der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten … durchzuführen sind, müssen die Menschenrechte und die Grundfreiheiten in vollem Umfang gewahrt bleiben; dies gilt insbesondere für den Billigkeitsgrundsatz, das Recht der Beteiligten, zu den sie betreffenden Sachverhalten Stellung zu nehmen, und den Grundsatz, dass sich die Schlussfolgerungen aus einer Untersuchung nur auf beweiskräftige Tatsachen gründen dürfen. Zu diesem Zweck müssen die Organe, Einrichtungen sowie Ämter und Agenturen die Bedingungen und Modalitäten für die Durchführung der internen Untersuchungen festlegen. Die Rechte und Pflichten der Beamten und sonstigen Bediensteten im Zusammenhang mit internen Untersuchungen sind folglich im Statut festzuschreiben.“

4        Im 13. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1073/1999 hieß es:

„Es obliegt den zuständigen einzelstaatlichen Behörden sowie gegebenenfalls den Organen, Einrichtungen sowie Ämtern und Agenturen, auf der Grundlage des [vom OLAF] erstellten Berichts Folgemaßnahmen zu den abgeschlossenen Untersuchungen zu beschließen. Der Direktor des [OLAF] sollte verpflichtet werden, den Justizbehörden des betroffenen Mitgliedstaats unmittelbar alle Informationen zu übermitteln, die das [OLAF] bei internen Untersuchungen über strafrechtlich relevante Sachverhalte zusammengetragen hat.“

5        Der 16. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1073/1999 lautete:

„Damit den Ergebnissen der von den Bediensteten des Amtes durchgeführten Untersuchungen Rechnung getragen wird und die erforderlichen Folgemaßnahmen ergriffen werden können, ist vorzusehen, dass die Untersuchungsberichte in den Verwaltungs- und Gerichtsverfahren der Mitgliedstaaten zulässige Beweismittel darstellen. Sie sind daher unter Berücksichtigung der für die Ausarbeitung der einzelstaatlichen Verwaltungsberichte geltenden Erfordernisse zu erstellen.“

6        In Art. 4 der Verordnung Nr. 1073/1999 hieß es:

„Interne Untersuchungen

(1)      Das [OLAF] führt in den in Artikel 1 genannten Bereichen administrative Untersuchungen innerhalb der Organe, Einrichtungen sowie Ämter und Agenturen durch …

Diese internen Untersuchungen erfolgen unter Einhaltung der Vorschriften der Verträge, insbesondere des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen, sowie des Statuts unter den Bedingungen und nach den Modalitäten, die in dieser Verordnung und in den von den einzelnen Organen, Einrichtungen sowie Ämtern und Agenturen zu erlassenden einschlägigen Beschlüssen vorgesehen sind. Die Organe stimmen die mit diesen Beschlüssen einzuführende Regelung untereinander ab.

(5)      Offenbaren die Untersuchungen die Möglichkeit einer persönlichen Verwicklung eines Mitglieds, Leiters, Beamten oder Bediensteten, so ist das Organ, die Einrichtung oder das Amt oder die Agentur, dem bzw. der er angehört, davon in Kenntnis zu setzen.

In Fällen, in denen aus untersuchungstechnischen Gründen absolute Geheimhaltung gewahrt werden muss oder in denen der Rückgriff auf Untersuchungsmittel erforderlich ist, die in die Zuständigkeit einer innerstaatlichen Justizbehörde fallen, kann diese Information zu einem späteren Zeitpunkt erteilt werden.

…“

7        Art. 9 („Untersuchungsberichte und Folgemaßnahmen“) der Verordnung Nr. 1073/1999 bestimmte:

„(1)      Das [OLAF] erstellt nach einer von ihm durchgeführten Untersuchung unter der Verantwortung des Direktors einen Bericht, aus dem insbesondere der festgestellte Sachverhalt, gegebenenfalls die ermittelte Schadenshöhe und die Ergebnisse der Untersuchung, einschließlich der Empfehlungen des Direktors des [OLAF] zu den zweckmäßigen Folgemaßnahmen, hervorgehen.

(2)      Bei der Erstellung dieser Berichte werden die im Recht des betreffenden Mitgliedstaats vorgesehenen Verfahrenserfordernisse berücksichtigt. Die so erstellten Berichte stellen in der gleichen Weise und unter denselben Bedingungen wie die Verwaltungsberichte der Kontrolleure der einzelstaatlichen Verwaltungen zulässige Beweismittel in den Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren des Mitgliedstaats dar, in dem sich ihre Verwendung als erforderlich erweist. Sie werden nach denselben Maßstäben beurteilt wie die Verwaltungsberichte der einzelstaatlichen Kontrolleure und sind als diesen gleichwertig zu betrachten.

(3)      Der nach Abschluss einer externen Untersuchung erstellte Bericht wird mit allen zweckdienlichen Schriftstücken gemäß der für die externen Untersuchungen geltenden Regelung den zuständigen Behörden der betreffenden Mitgliedstaaten übermittelt.

(4)      Der nach einer internen Untersuchung erstellte Bericht wird mit allen zweckdienlichen Schriftstücken den betroffenen Organen, Einrichtungen, Ämtern und Agenturen übermittelt. Die Organe, Einrichtungen sowie Ämter und Agenturen ergreifen die gemäß den Ergebnissen der internen Untersuchungen erforderlichen Folgemaßnahmen, insbesondere die disziplinarrechtlichen und justiziellen Maßnahmen, und unterrichten den Direktor des [OLAF] innerhalb der von ihm in den Schlussfolgerungen seines Berichts gesetzten Frist über die Folgemaßnahmen der Untersuchungen.“

8        Art. 10 („Übermittlung von Informationen durch das [OLAF]“) der Verordnung Nr. 1073/1999 sah vor:

„(1)      Unbeschadet der Artikel 8, 9 und 11 dieser Verordnung und der Bestimmungen der Verordnung (Euratom, EG) Nr. 2185/96 kann das [OLAF] den zuständigen Behörden der betreffenden Mitgliedstaaten jederzeit Informationen übermitteln, die es im Laufe externer Untersuchungen erlangt hat.

(2)      Unbeschadet der Artikel 8, 9 und 11 übermittelt der Direktor des [OLAF] den Justizbehörden des betreffenden Mitgliedstaats die bei internen Untersuchungen vom [OLAF] eingeholten Informationen über gegebenenfalls strafrechtlich zu ahndende Handlungen. Vorbehaltlich der Untersuchungserfordernisse unterrichtet er gleichzeitig den betreffenden Mitgliedstaat.

(3)      Unbeschadet der Artikel 8 und 9 kann das [OLAF] dem betreffenden Organ, der betreffenden Einrichtung oder dem betreffenden Amt oder der betreffenden Agentur jederzeit Informationen übermitteln, die es im Laufe interner Untersuchungen erlangt hat.“

9        Der Beschluss 1999/396/EG, EGKS, Euratom der Kommission vom 2. Juni 1999 über die Bedingungen und Modalitäten der internen Untersuchungen zur Bekämpfung von Betrug, Korruption und sonstigen rechtswidrigen Handlungen zum Nachteil der Interessen der Gemeinschaft (ABl. 1999, L 149, S. 57) legt in Art. 4 die Modalitäten für die Unterrichtung des Betroffenen wie folgt fest:

„In den Fällen, in denen die Möglichkeit einer persönlichen Implikation eines Mitglieds, eines Beamten oder Bediensteten der Kommission besteht, ist der Betroffene rasch zu unterrichten, sofern dies nicht die Untersuchung beeinträchtigt. Auf keinen Fall dürfen eine dieser Personen mit Namen nennende Schlussfolgerungen am Ende der Untersuchung gezogen werden, ohne dass dem Betroffenen Gelegenheit gegeben wurde, sich zu den ihn betreffenden Tatsachen zu äußern.

In den Fällen, in denen aus ermittlungstechnischen Gründen absolute Geheimhaltung gewahrt werden muss und die die Hinzuziehung einer innerstaatlichen Justizbehörde erfordern, kann dem betreffenden Mitglied, Beamten oder Bediensteten der Kommission mit Zustimmung des Präsidenten bzw. des Generalsekretärs der Kommission zu einem späteren Zeitpunkt Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden.“

10      In Art. 6 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), der das Recht auf ein faires Verfahren betrifft, heißt es:

„(2)      Jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, gilt bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig.

(3)      Jede angeklagte Person hat mindestens folgende Rechte:

a)      innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;

b)      ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;

…“

11      Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) bestimmt:

„Artikel 41

Recht auf eine gute Verwaltung

(1)      Jede Person hat ein Recht darauf, dass ihre Angelegenheiten von den Organen und Einrichtungen der Union unparteiisch, gerecht und innerhalb einer angemessenen Frist behandelt werden.

(2)      Dieses Recht umfasst insbesondere

–        das Recht jeder Person, gehört zu werden, bevor ihr gegenüber eine für sie nachteilige individuelle Maßnahme getroffen wird,

–        das Recht jeder Person auf Zugang zu den sie betreffenden Akten unter Wahrung des berechtigten Interesses der Vertraulichkeit sowie des Berufs- und Geschäftsgeheimnisses,

–        die Verpflichtung der Verwaltung, ihre Entscheidungen zu begründen.

(3)      Jede Person hat Anspruch darauf, dass die Gemeinschaft den durch ihre Organe oder Bediensteten in Ausübung ihrer Amtstätigkeit verursachten Schaden nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen ersetzt, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind.

Artikel 48

Unschuldsvermutung und Verteidigungsrechte

(1)      Jeder Angeklagte gilt bis zum rechtsförmlich erbrachten Beweis seiner Schuld als unschuldig.

(2)      Jedem Angeklagten wird die Achtung der Verteidigungsrechte gewährleistet.“

 Sachverhalt

12      Der Kläger, Herr Fernando De Esteban Alonso, ist ein ehemaliger Beamter der Europäischen Kommission, der u. a. Leiter der Direktion für Informatik, Veröffentlichungen und externe Beziehungen beim Statistischen Amt der Europäischen Union (im Folgenden: Eurostat) war.

13      Seit 1996 nahm Eurostat die Verbreitung der gesammelten statistischen Daten an die Öffentlichkeit über das Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union vor, das ein Netz von Verkaufsstellen namens „Datashops“ (im Folgenden: Datashops) eingerichtet hatte. Die Beziehungen zwischen Eurostat, dem Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union und den einzelnen Datashops waren auf der Grundlage dreiseitiger Vereinbarungen organisiert. Die Datashops sahen einen komplexen Rechnungskreislauf vor, der es Eurostat ermöglichte, bis zu 55 % des in Rechnung gestellten Preises der in Verkehr gebrachten Daten zu erhalten.

14      Im September 1999 kam ein internes Audit zu dem Schluss, dass es Unregelmäßigkeiten bei der finanziellen Abwicklung der von Eurostat mit den Firmen Eurocost, Eurogramme, Datashop, Planistat und CESD Communautaire abgeschlossenen Verträge gebe, die es ermöglicht hätten, eine „Mittelausstattung“ zu finanzieren, die nicht den Haushaltsvorschriften der Kommission unterliege. Im Anschluss an diesen Bericht wurde das OLAF am 17. März 2000 von der für die Finanzkontrolle zuständigen Generaldirektion mit der Sache befasst. Das OLAF leitete mehrere Untersuchungen ein, die sich u. a. auf die von Eurostat mit den Firmen Eurocost, Eurogramme, Datashop, Planistat und CESD Communautaire abgeschlossenen Verträge und die diesen gewährten Zuschüsse bezogen. Während einer dieser Untersuchungen sammelte das OLAF Informationen, um nachzuweisen, dass ein durch die dreiseitigen Vereinbarungen mit den Datashops von Luxemburg (Luxemburg), Brüssel (Belgien) und Madrid (Spanien) eingerichteter Finanzmechanismus es ermöglichte, Beträge, die von Rechts wegen der Einnahmenseite des Haushaltsplans der Union zufließen sollten, dieser zu entziehen.

15      Am 19. März 2003 übermittelte der Generaldirektor des OLAF den französischen Justizbehörden ein Schreiben mit dem Betreff „Übermittlung von Informationen über möglicherweise strafrechtlich relevante Handlungen CMS Nr. IO/2002/0510 – Eurostat/Datashop/Planistat“ (im Folgenden: Schreiben vom 19. März 2003) nebst einem Vermerk zweier Ermittler des OLAF vom gleichen Tag an den Generaldirektor des OLAF mit dem Betreff „Anzeige von möglicherweise strafrechtlich relevanten Sachverhalten CMS Nr. IO/2002/0510 – Eurostat/Datashop/Planistat“ (im Folgenden: Vermerk vom 19. März 2003). Im Anschluss an diese Übermittlung legte der Procureur de la République du tribunal de grande instance de Paris (Staatsanwaltschaft beim Regionalgericht Paris, Frankreich) am 4. April 2003 eine Ermittlungsakte wegen der Tatbestände der Hehlerei und der Beihilfe zur Untreue an.

16      Am 3. April 2003 übermittelte der Generaldirektor des OLAF einen zusammenfassenden Vermerk über die laufenden Untersuchungen betreffend Eurostat an den Generalsekretär der Kommission.

17      Am 10. Juli 2003 erstattete die Kommission beim Procureur de la République du tribunal de grande instance de Paris (Staatsanwaltschaft beim Regionalgericht Paris) Strafanzeige gegen X. Sie trat auch als Nebenklägerin auf.

18      Am 25. September 2003 wurde die interne Untersuchung des OLAF in der Sache „Datashop – Planistat“ abgeschlossen. Der Abschlussbericht der Untersuchung und seine Anhänge wurden der französischen Justizbehörde vorgelegt.

19      Auf Antrag der Staatsanwaltschaft genehmigte die Kommission am 29. Januar 2004 die Aufhebung der Befreiung des Klägers gemäß Art. 17 Abs. 2 des Protokolls Nr. 7 über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union. Anschließend leitete die Kommission ein Disziplinarverfahren gegen den Kläger ein (Nr. 04/001).

20      Am 7. Juli 2008 wurde der Kläger auf Anweisung des Procureur de la République du tribunal de grande instance de Paris (Staatsanwaltschaft beim Regionalgericht Paris) von der französischen Kriminalpolizei zu einer Anhörung wegen eines die Kommission betreffenden Sachverhalts in Durchführung des Rechtshilfeersuchens Nr. 2268/03/19 als Zeuge vorgeladen.

21      Am 9. September 2008 wurde der Kläger während der Anhörung in Polizeigewahrsam genommen, und am darauffolgenden Tag, am 10. September 2008, wurde gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen Untreue eröffnet, weil er „in L[uxemburg], B[elgien] und [Spanien] von 1995 bis 1997 … einen Teil der Mittel aus dem Gemeinschaftshaushalt zur Einrichtung einer schwarzen Kasse im Zusammenhang mit den [Datashops] in L[uxemburg], B[rüssel] und M[adrid] veruntreut [habe], die Verwendung dieser Mittel angeordnet und der Firma [C.] die Ausstellung überhöhter Rechnungen für statistische Arbeiten ermöglicht [habe]“.

22      Im Anschluss an die Eröffnung der Ermittlungen gegen ihn richtete der Kläger am 15. September 2008 ein erstes Beistandsersuchen nach Art. 24 des Statuts der Beamten der Europäischen Union in der auf den Sachverhalt anwendbaren Fassung (im Folgenden: Statut) an die Kommission. Dieses Ersuchen wurde mit Entscheidung der Kommission vom 17. Dezember 2008 abgelehnt.

23      Am 18. Februar 2009 legte der Kläger gemäß Art. 90 Abs. 2 des Statuts Beschwerde gegen die Entscheidung über die Ablehnung des Beistandsersuchens ein. Die Beschwerde gegen diese Ablehnung des Beistands wurde mit Entscheidung der Anstellungsbehörde vom 1. April 2009 zurückgewiesen.

24      Am 21. Januar 2013 erhob die französische Staatsanwaltschaft Anklage gegen alle Personen, gegen die Ermittlungen aufgenommen worden waren, einschließlich des Klägers. Mit Beschluss des Juge d’instruction du tribunal de grande instance de Paris (Ermittlungsrichter beim Regionalgericht Paris) vom 9. September 2013 wurde das Strafverfahren dann eingestellt (im Folgenden: Einstellungsbeschluss).

25      Am 17. September 2013 legte die Kommission als Nebenklägerin gegen den Einstellungsbeschluss Berufung ein.

26      Am 12. Dezember 2013 richtete der Kläger ein zweites Beistandsersuchen nach Art. 24 des Statuts an die Kommission. Dieses zweite Beistandsersuchen wurde mit Entscheidung der Kommission vom 6. Mai 2014 abgelehnt.

27      Mit Urteil vom 23. Juni 2014 entschied die Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris, Frankreich), dass die Berufung der Kommission unbegründet sei, und bestätigte den Einstellungsbeschluss mit der Begründung, dass „die angezeigte Tat …. auf eine Nichteinhaltung der europäischen Haushaltsvorschriften zurückzuführen [sei], die aufgrund von Versäumnissen [bei] den Kontrollen und mangelndem Interesse an der Finanzkontrolle [fortbestanden habe]“, dass „die bloße Nichteinhaltung der Bestimmungen der Finanzkontrolle und der Haushaltsregeln der Gemeinschaft nicht ausreich[e], um einen Fall [der Veruntreuung von Gemeinschaftsmitteln] anzunehmen“, dass „gegen niemanden hinreichender Tatverdacht wegen Untreue [bestehe und] dass die fraglichen Handlungen … mangels Vorsatzes nicht anderweitig als Straftaten, namentlich Urkundenfälschung und Gebrauch gefälschter Urkunden, bewertet werden könn[t]en“.

28      Am 27. Juni 2014 legte die Kommission gegen das Urteil, mit dem die Einstellung bestätigt wurde, Kassationsbeschwerde ein (siehe oben, Rn. 27).

29      Am 28. Juli 2014 legte der Kläger eine auf Art. 24 des Statuts gestützte Beschwerde gegen die zweite Ablehnung des Beistands ein. Diese Beschwerde wurde am 18. August 2014 vervollständigt. Mit Entscheidung vom 21. November 2014 wies die Anstellungsbehörde die Beschwerde des Klägers zurück.

30      Mit Klageschrift, die am 24. Februar 2015 bei der Kanzlei des Gerichts für den öffentlichen Dienst eingereicht wurde (Rechtssache F‑35/15), erhob der Kläger Klage auf Aufhebung der Entscheidung der Anstellungsbehörde vom 21. November 2014, mit der seine Beschwerde betreffend sein Beistandsersuchen nach Art. 24 des Statuts zurückgewiesen worden war, und auf Verurteilung der Kommission zur Zahlung von vorläufig 17 242,51 Euro.

31      Mit Beschluss vom 15. Juli 2015, De Esteban Alonso/Kommission (F‑35/15, EU:F:2015:87), wies das Gericht für den öffentlichen Dienst die Klage ab. Am 16. September 2015 legte der Kläger gegen diese Entscheidung Rechtsmittel ein.

32      Mit Schreiben vom 10. April 2016 teilte das Büro „Untersuchungs- und Disziplinarangelegenheiten“ der Kommission dem Kläger seine Entscheidung mit, das Verfahren gegen ihn einzustellen.

33      Mit Urteil vom 15. Juni 2016 wies die französische Cour de cassation (Kassationsgerichtshof, Frankreich) das Rechtsmittel der Kommission zurück.

34      Mit Urteil vom 9. September 2016, De Esteban Alonso/Kommission (T‑557/15 P, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:456), wies das Gericht das Rechtsmittel des Klägers gegen den Beschluss vom 15. Juli 2015, De Esteban Alonso/Kommission (F‑35/15, EU:F:2015:87), zurück.

35      Am 22. Dezember 2016 stellte der Kläger gemäß Art. 90 Abs. 1 des Statuts einen Antrag auf Ersatz des durch das Verhalten der Kommission entstandenen Schadens. Mit Beschluss vom 3. Mai 2017 lehnte die Anstellungsbehörde diesen Antrag als unbegründet ab.

36      Am 1. August 2017 legte der Kläger gegen diese Ablehnung seines Antrags auf Ersatz des durch das Verhalten der Kommission entstandenen Schadens Beschwerde ein.

37      Mit Entscheidung vom 29. November 2017 wies die Anstellungsbehörde die Beschwerde als unbegründet zurück.

 Verfahren und Anträge der Parteien

38      Mit Klageschrift, die am 28. Februar 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.

39      Im Rahmen der in Art. 89 Abs. 3 Buchst. a und d seiner Verfahrensordnung vorgesehenen prozessleitenden Maßnahmen hat das Gericht die Kommission am 18. Januar 2019 aufgefordert, Fragen zu beantworten und Unterlagen im Zusammenhang mit der Rechtssache vorzulegen. Dieser Aufforderung ist die Kommission am 6. Februar 2019 nachgekommen.

40      Nach Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht, wenn keine der Hauptparteien innerhalb von drei Wochen nach Bekanntgabe des Abschlusses des schriftlichen Verfahrens einen Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung gestellt hat, beschließen, über die Klage ohne mündliches Verfahren zu entscheiden. Da sich das Gericht im vorliegenden Fall für durch die Aktenstücke der Rechtssache hinreichend unterrichtet hält und kein entsprechender Antrag gestellt worden ist, hat es beschlossen, ohne mündliches Verfahren zu entscheiden.

41      Der Kläger beantragt im Wesentlichen,

–        das OLAF anzuweisen, „den Vermerk vom 19. März 2003 betreffend die Rechtssache Franchet und Byk/Kommission, T‑48/05, vorzulegen, die Kommission zu verurteilen, ihm den Betrag von 1 102 291,68 Euro für den erlittenen immateriellen, körperlichen und materiellen Schaden zu zahlen“;

–        die Kommission zu verurteilen, den Betrag von 3 000 Euro für nicht erstattungsfähige Aufwendungen zu zahlen und die Kosten zu tragen.

42      Die Kommission beantragt,

–        die Klage insgesamt als unbegründet abzuweisen;

–        dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

43      Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger vor, das OLAF und die Kommission hätten gegen den in der Charta und in der Verordnung Nr. 1073/1999 verankerten Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen sowie die Fürsorgepflicht und die Verteidigungsrechte verletzt. Der Kläger macht im Wesentlichen das Vorliegen von Pflichtverletzungen geltend, die vom OLAF und von der Kommission begangen worden seien, weil er zum einen nicht gehört worden sei, bevor die ihm zur Last gelegten Informationen an die französischen Behörden weitergeleitet worden seien, und weil zum anderen die Kommission seine strafrechtliche Verfolgung unbegründet weiterbetrieben habe. Nach Ansicht des Klägers haben diese Pflichtverletzungen ihm einen schweren materiellen, immateriellen und körperlichen Schaden zugefügt, der einen direkten kausalen Zusammenhang mit den Pflichtverletzungen des OLAF und der Kommission aufweise.

44      Die Kommission tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen.

 Vorbemerkungen

45      Nach ständiger Rechtsprechung hängt die Haftung der Union im Rahmen einer Schadensersatzklage eines Beamten oder Bediensteten davon ab, dass eine Reihe von Voraussetzungen hinsichtlich der Rechtswidrigkeit des den Organen vorgeworfenen Verhaltens, des tatsächlichen Vorliegens des Schadens und des Bestehens eines Kausalzusammenhangs zwischen diesem Verhalten und dem geltend gemachten Schaden erfüllt ist (vgl. Urteil vom 16. Dezember 2010, Kommission/Petrilli, T‑143/09 P, EU:T:2010:531, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung). Diese drei Voraussetzungen sind kumulativ, so dass eine Haftung der Union ausscheidet, wenn eine von ihnen nicht erfüllt ist (Urteil vom 13. Dezember 2018, UP/Kommission, T‑706/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:924, Rn. 72).

46      Die Rechtsstreitigkeiten im Bereich des öffentlichen Dienstes gemäß Art. 270 AEUV sowie den Art. 90 und 91 des Statuts einschließlich der Rechtsstreitigkeiten, in denen es um den Ersatz des einem Beamten oder sonstigen Bediensteten entstandenen Schadens geht, unterliegen besonderen und speziellen Regeln, die sich von denen absetzen, die sich aus den für die außervertragliche Haftung der Union im Rahmen von Art. 268 AEUV und Art. 340 Abs. 2 AEUV geltenden allgemeinen Grundsätzen ergeben. Insbesondere aus dem Statut ergibt sich nämlich, dass der Beamte oder sonstige Bedienstete der Union im Unterschied zu jeder anderen Privatperson an seinen Dienstherrn durch ein Dienstverhältnis gebunden ist, das ein durch die Fürsorgepflicht des Organs gegenüber dem Betroffenen widergespiegeltes Gleichgewicht zwischen den wechselseitigen besonderen Rechten und Pflichten umfasst. Dieses Gleichgewicht ist hauptsächlich dazu bestimmt, das Vertrauensverhältnis aufrechtzuerhalten, das zwischen den Organen und ihren Beamten bestehen muss, um dem Bürger die ordnungsgemäße Erfüllung der im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben zu garantieren, mit denen die Organe betraut sind. Handelt daher die Union als Arbeitgeber, unterliegt sie einer größeren Verantwortung, was sich in der Verpflichtung zeigt, die Schäden zu ersetzen, die ihrem Personal durch jedweden von ihr als Arbeitgeber begangenen Rechtsverstoß entstanden sind (vgl. Urteil vom 16. Dezember 2010, Kommission/Petrilli, T‑143/09 P, EU:T:2010:531, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

47      Im vorliegenden Fall macht der Kläger geltend, die drei in der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen für den Eintritt der außervertraglichen Haftung der Union seien erfüllt. Das Gericht hält es für notwendig, erstens die Voraussetzung der Rechtswidrigkeit des dem OLAF und der Kommission vorgeworfenen Verhaltens, sodann diejenige des Schadens und schließlich diejenige des Kausalzusammenhangs zwischen den beiden vorangegangenen Elementen zu prüfen.

 Zur Rechtswidrigkeit des dem OLAF und der Kommission vorgeworfenen Verhaltens

48      Der Kläger trägt vor, sowohl das OLAF als auch die Kommission hätten Pflichtverletzungen begangen. So hätten sie gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen sowie die Fürsorgepflicht und die Verteidigungsrechte verletzt, wie sie in der Charta und im Beschluss 1999/396 verankert seien.

49      Erstens habe das OLAF seine Verteidigungsrechte verletzt und gegen Art. 4 des Beschlusses 1999/396 verstoßen. Zunächst sei darauf hinzuweisen, dass das Gericht in seinem Urteil vom 8. Juli 2008, Franchet und Byk/Kommission (T‑48/05, EU:T:2008:257, Rn. 124), zu derselben Sache „Eurostat“ ausgeführt habe, dass der vom OLAF an die französischen Justizbehörden übermittelte Vermerk vom 19. März 2003 eine interne Untersuchung darstelle. Der Kläger macht diesbezüglich geltend, dass er, was diesen Vermerk über eine gegen ihn eingeleitete interne Untersuchung angehe, gemäß Art. 4 des Beschlusses 1999/396 und im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichts in der Rechtssache Franchet und Byk/Kommission vor dessen Übermittlung über die ihn betreffenden Tatsachen hätte unterrichtet und gehört werden müssen. Ferner habe das OLAF einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen eine Rechtsvorschrift begangen, die dem Einzelnen nach den Regeln für die internen Untersuchungen des OLAF Rechte einräume, da es die Verpflichtung, dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, nicht mit Zustimmung des Generalsekretärs der Kommission hinausgeschoben habe, wenn die Verwaltung der Ansicht sei, dass die Untersuchung ihm nicht mitgeteilt werden könne.

50      Zweitens habe die Kommission die in der Verordnung Nr. 1073/1999 festgelegten Regeln für Disziplinarverfahren missachtet, indem sie als Nebenklägerin an den Verfahren vor den französischen nationalen Gerichten teilgenommen habe, ohne dass die interne Untersuchung des OLAF eingestellt worden sei.

51      Drittens habe die Kommission das Recht auf eine ordnungsgemäße Verwaltung und die Fürsorgepflicht verletzt, indem sie die gerichtliche Verfolgung des Klägers verlängert und schließlich die Cour de cassation (Kassationsgerichtshof) angerufen habe, ohne ausreichende Beweismittel gegen ihn vorzulegen.

52      Die Kommission macht geltend, sie habe keine Pflichtverletzung begangen, die ihre Haftung begründen könnte; dieser Klagegrund sei daher zurückzuweisen.

 Zur Rechtswidrigkeit des Verhaltens des OLAF

53      Der Kläger meint, er hätte über die ihn betreffenden Fakten unterrichtet und hierzu gehört werden müssen, bevor das OLAF den französischen Justizbehörden den Vermerk vom 19. März 2003 übermittelt habe. Er stützt sein Vorbringen auf das Urteil vom 8. Juli 2008, Franchet und Byk/Kommission (T‑48/05, EU:T:2008:257), in dem das Gericht die vom OLAF durchgeführte Untersuchung als interne Untersuchung bezeichnet und die Auffassung vertreten habe, das OLAF habe dadurch, dass es nicht seiner Unterrichtungspflicht gemäß Art. 4 Abs. 1 des Beschlusses 1999/396 nachgekommen sei, eine hinreichend qualifizierte Verletzung einer Rechtsnorm begangen, die dem Einzelnen Rechte verleihe.

54      Die Kommission macht geltend, der Kläger habe sich in keiner der beiden in Art. 4 des Beschlusses 1999/396 vorgesehenen Situationen befunden, da die Informationen in dem Vermerk vom 19. März 2003, den das OLAF den nationalen Behörden übermittelt habe, ihn weder persönlich betroffen noch mit Namen genannt hätten.

55      Zunächst ist festzustellen, dass die Unterrichtung der von der Untersuchung betroffenen Beamten nach Art. 4 des Beschlusses 1999/396 nur im Rahmen der internen Untersuchungen vorgesehen ist. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass, wie vom Gericht in Rn. 124 des Urteils vom 8. Juli 2008, Franchet und Byk/Kommission (T‑48/05, EU:T:2008:257), festgestellt, die Übermittlung des Vorgangs Datashop – Planistat an die französischen Justizbehörden am 19. März 2003 eine interne Untersuchung betraf. Daher ist diese Bestimmung auch auf den vorliegenden Fall anwendbar.

56      Aus Art. 4 Abs. 1 des Beschlusses 1999/396 ergibt sich, dass der betreffende Beamte rasch über die Möglichkeit seiner persönlichen Implikation zu unterrichten ist, sofern dies die Untersuchung nicht beeinträchtigt, und dass auf jeden Fall am Ende der Untersuchung keine einen Beamten mit Namen nennenden Schlussfolgerungen gezogen werden dürfen, ohne dass dem Betroffenen Gelegenheit gegeben wurde, sich zu den ihn betreffenden Tatsachen zu äußern.

57      Die Verletzung dieser Bestimmungen, die festlegen, wie die Beachtung der Verteidigungsrechte des betroffenen Beamten mit den Erfordernissen der Vertraulichkeit, die jeder Untersuchung dieser Art eigen sind, vereinbart werden kann, würde einen Verstoß gegen die für das Untersuchungsverfahren geltenden wesentlichen Formvorschriften darstellen (Urteil vom 8. Juli 2008, Franchet und Byk/Kommission, T‑48/05, EU:T:2008:257, Rn. 129).

58      Art. 4 des Beschlusses 1999/396 betrifft indessen nicht ausdrücklich die Übermittlung von Informationen an nationale Justizbehörden und legt daher keine Pflicht fest, den betroffenen Beamten vor einer solchen Übermittlung zu unterrichten. Gemäß Art. 10 der Verordnung Nr. 1073/1999 darf das OLAF nämlich (bei externen Untersuchungen) bzw. muss (bei internen Untersuchungen) Informationen an die nationalen Justizbehörden übermitteln. Diese Übermittlung von Informationen kann somit vor den „Schlussfolgerungen am Ende der Untersuchung“ erfolgen, die normalerweise im Untersuchungsbericht enthalten sind (Urteil vom 8. Juli 2008, Franchet und Byk/Kommission, T‑48/05, EU:T:2008:257, Rn. 130).

59      Allerdings hat das Gericht in seinem Urteil vom 8. Juli 2008, Franchet und Byk/Kommission (T‑48/05, EU:T:2008:257, Rn. 132), befunden, dass es zum Zeitpunkt der Übermittlung von Informationen an die nationalen Justizbehörden keinen Bericht im Sinne von Art. 9 der Verordnung Nr. 1073/1999 gab, der vom OLAF der Kommission hätte übermittelt werden müssen und der die Kläger in dieser Rechtssache persönlich betroffen hätte. Das Gericht stellte jedoch fest, dass der den französischen nationalen Justizbehörden übermittelte Vermerk vom 19. März 2003 Herrn Yves Franchet und Herrn Daniel Byk „mit Namen nennende Schlussfolgerungen“ enthielt und dass diese vor der Übermittlung des Vorgangs Datashop – Planistat an die französischen Justizbehörden in Bezug auf die sie betreffenden Tatsachen gemäß Art. 4 des Beschlusses 1999/396 hätten unterrichtet und angehört werden müssen (Urteil vom 8. Juli 2008, Franchet und Byk/Kommission, T‑48/05, EU:T:2008:257, Rn. 145).

60      Das Gericht kam in der Rechtssache Franchet und Byk/Kommission zu dem Schluss, dass Art. 4 des Beschlusses 1999/396 zwar für die Fälle, in denen aus ermittlungstechnischen Gründen absolute Geheimhaltung gewahrt werden muss, eine Ausnahme vorsieht, nach der die Erfüllung der Pflicht, den Beamten Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, mit Zustimmung des Generalsekretärs der Kommission hinausgeschoben werden kann, die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Ausnahme jedoch nicht erfüllt waren, und dass das OLAF somit durch Außerachtlassung der ihm obliegenden Unterrichtungspflicht einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen eine Rechtsnorm begangen hat, die dem Einzelnen Rechte verleiht.

61      Im vorliegenden Fall vertritt die Kommission die Ansicht, die angeführte Rechtsprechung sei auf den Kläger nicht anwendbar, da die Informationen in dem Vermerk vom 19. März 2003, den das OLAF den nationalen Behörden übermittelt habe, diesen weder persönlich betroffen noch mit Namen genannt hätten.

62      In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass Art. 4 Abs. 1 des Beschlusses 1999/396 die Modalitäten der Unterrichtung des Betroffenen wie folgt festlegt:

„In den Fällen, in denen die Möglichkeit einer persönlichen Implikation eines Mitglieds, eines Beamten oder Bediensteten besteht, ist der Betroffene rasch zu unterrichten, sofern dies nicht die Untersuchung beeinträchtigt. Auf keinen Fall dürfen eine dieser Personen mit Namen nennende Schlussfolgerungen am Ende der Untersuchung gezogen werden, ohne dass dem Betroffenen Gelegenheit gegeben wurde, sich zu den ihn betreffenden Tatsachen zu äußern.“

63      Diese Bestimmung ist jedoch im Einklang mit Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta so auszulegen, dass sie erstens eine allgemeine Verpflichtung zur Unterrichtung des Betroffenen vorsieht, sobald sich die Möglichkeit seiner „persönlichen Implikation“ während der Untersuchung ergibt, es sei denn, eine solche Mitteilung könnte die Untersuchung beinträchtigen. Zweitens wird diese Unterrichtungspflicht umso wichtiger („auf keinen Fall“), wenn es um „eine[n] Beamten … mit Namen nennende Schlussfolgerungen“ geht. In einem solchen Fall muss dieser sich nämlich zu allen ihn betreffenden Tatsachen äußern können, bevor das OLAF Schlussfolgerungen aus der Untersuchung zieht, in denen er mit Namen genannt wird.

64      Daher ist zu prüfen, ob die in dem Vermerk vom 19. März 2003 an die französischen Justizbehörden übermittelten Informationen die Möglichkeit einer „persönlichen Implikation“ des Klägers erkennen lassen oder ob diese Informationen als den Kläger „mit Namen nennende Schlussfolgerungen“ im Sinne von Art. 4 Abs. 1 des Beschlusses 1999/396 angesehen werden können.

65      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger das Gericht ersucht hat, das OLAF anzuweisen, den in der Rechtssache Franchet und Byk/Kommission, T‑48/05, EU:T:2008:257, zu den Akten gereichten Vermerk vom 19. März 2003 „vollständig und ungekürzt“ vorzulegen. Auch unterstellt, dass der Kläger mit diesem Antrag das Gericht im Kern ersucht, eine prozessleitende Maßnahme gegenüber der Kommission zu erlassen, ist darauf hinzuweisen, dass diese im vorliegenden Fall den Vermerk ihrer Klagebeantwortung beigefügt hat (Anhang B.2) und dass die Liste der dem Vermerk beigefügten Anhänge sowie die betreffenden Anhänge vom Gericht im Rahmen prozessleitender Maßnahmen angefordert wurden.

66      Zunächst ist festzustellen, dass der Generaldirektor des OLAF in dem Begleitschreiben zum Vermerk vom 19. März 2003 ausführte, dass es vorbehaltlich der Beurteilung durch die französischen Justizbehörden „den Anschein [habe], als hätte das OLAF betrügerische Machenschaften zutage gefördert, die dem Gemeinschaftshaushalt Schaden zugefügt haben und die möglicherweise strafrechtlich relevant sind“. Er fügte hinzu: „Die Untersuchung hat ergeben, dass diese Geschehnisse auf die Gründer der Gesellschaft Planistat Europe SA mit Sitz in Paris unter aktiver Beteiligung europäischer Beamter zurückzuführen sind.“

67      Darüber hinaus wurde in dem dem vorgenannten Schreiben beigefügten Vermerk vom 19. März 2003 im Rahmen einer „Chronologie der untersuchten Sachverhalte“ unter Punkt 2.3 („Feststellungen während der Untersuchung“) darauf hingewiesen, dass ein Bericht der Innenrevision von Eurostat vom September 1999 über die Datashops in Brüssel, Luxemburg und Madrid, auf dessen Grundlage die Untersuchung des OLAF begonnen habe, „zahlreiche Unregelmäßigkeiten bei der Bewirtschaftung dieser drei Datashops in den Jahren 1996 bis Ende 1999 aufgedeckt“ habe; weiter hieß es dort: „In diesem Fall wanderte ein großer Teil der von diesen Datashops ‚deklarierten‘ Umsätze – zwischen 50 und 55 % – in eine schwarze Kasse, deren Nutzung von der Erlaubnis eines Beamten [von Eurostat] abhängig war“.

68      Ferner wurde dort ausgeführt: „Die schwarze Kasse diente … auch zur Deckung von Restaurant‑, Hotel‑, Reise- und anderen Kosten bestimmter Beamter von Eurostat, darunter Herr Byk“.

69      Im Rahmen der Beschreibung der in Rede stehenden strafbaren Handlungen wurde in Punkt 3.1 („Untreue“) Folgendes festgestellt:

„Die Schaffung eines Netzes von Wirtschaftsteilnehmern durch bestimmte Gemeinschaftsbeamte, u. a. mit dem Ziel, einen Teil der Einnahmen aus dem Verkauf von Waren oder der Erbringung statistischer Dienstleistungen der Gemeinschaft vor der Kommission zu verbergen, kann eine Unterschlagung von ‚Geld, Wertgegenständen oder irgendeines Vermögensguts‘ im Sinne von Art. 314‑1 des [französischen] Code pénal [Strafgesetzbuch] sein, der die Untreue definiert. Alle Tatbestandsmerkmale der Zuwiderhandlung wurden durch das Zusammenwirken europäischer Beamter, der Leiter der Planistat-Gruppe und der Leiter der betreffenden Datashops verwirklicht. Den Gemeinschaftsbeamten musste die geltende Finanzregelung bekannt sein, die sie verpflichtete, sämtliche Einnahmen auszuhändigen.

Ferner haben dieselben Gemeinschaftsbeamten die betreffenden Beträge für den Gemeinschaftsinteressen fremde Zwecke verwendet, weil dieses Geld offensichtlich dazu diente, im Vertrag der Gesellschaft Planistat Europe SA mit der Kommission nicht vorgesehene Ausgaben oder auch persönliche Ausgaben dieser Beamten zu bezahlen. Die betrügerische Absicht ergibt sich aus dieser Verwendung zu anderen als gemeinschaftlichen Zwecken.“

70      Schließlich hieß es in Punkt 3.3 („Kriminelle Vereinigung“):

„Art. 450‑1 des Code pénal [Strafgesetzbuch] bestimmt: ‚Eine kriminelle Vereinigung ist eine Gruppe oder ein Zusammenschluss, die oder der zum Zweck der durch einen oder mehrere materielle Umstände gekennzeichneten Vorbereitung eines oder mehrerer Verbrechen oder eines oder mehrerer mit mindestens fünf Jahren Gefängnis bedrohten Vergehen gebildet wurde. …‘

Zu prüfen bleibt, ob diese Qualifikation nicht auch im Rahmen des vorliegenden Vorgangs herangezogen werden kann, weil es zur erfolgreichen Plünderung von Gemeinschaftsmitteln des Zusammenwirkens von Beamten, der Leiter von Planistat und der Leiter der Datashops, die an Veruntreuungen beteiligt waren, bedurfte.

…“

71      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass zusätzlich zu der bereits durch das Urteil vom 8. Juli 2008, Franchet und Byk/Kommission (T‑48/05, EU:T:2008:257), getroffenen Feststellung, dass der Vermerk vom 19. März 2003 Herrn Franchet und Herrn Byk „namentlich nennende Schlussfolgerungen“ enthielt, die Verwicklung anderer „Gemeinschaftsbeamter“, einschließlich des Klägers, im Sinne von Art. 4 Abs. 1 des Beschlusses 1999/396 deutlich aus diesem Vermerk ersichtlich ist. Angesichts der in dem Vermerk enthaltenen Aussagen betreffend die „Gemeinschaftsbeamten“ und unter Berücksichtigung dessen, dass der Kläger Direktor der Direktion für Informatik, Veröffentlichungen und Außenbeziehungen und Vorgesetzter von Herrn Byk, einer in dem Vermerk mit Namen genannten Person, war, war nämlich die persönliche Verwicklung des Klägers mehr als wahrscheinlich, weshalb er zumindest rasch vom OLAF hätte informiert werden müssen. Diese Aussage wird dadurch bestätigt, dass der Procureur de la République du tribunal de grande instance de Paris (Staatsanwaltschaft beim Regionalgericht Paris) nach der Übermittlung des Vermerks vom 19. März 2003 durch den Direktor des OLAF an die französischen Justizbehörden am 4. April 2003 eine Ermittlungsakte gegen den Kläger und andere Beamte wegen Hehlerei und Beihilfe zur Untreue anlegte und dass der Kläger nach der Übermittlung dieser Informationen in Polizeigewahrsam genommen und von den französischen Justizbehörden ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eröffnet wurde, ohne dass er vorher informiert oder angehört wurde.

72      Die Kommission macht in diesem Zusammenhang geltend, der Bericht des OLAF sei, indem er sich nur auf die bei Eurostat tätigen „Gemeinschaftsbeamten“ beziehe, hinsichtlich der betroffenen Personen sehr vage, und es sei nicht möglich, einen dieser Beamten persönlich zu identifizieren. Das OLAF habe den französischen Gerichten einen großen Ermessensspielraum hinsichtlich der Weiterverfolgung der übermittelten Informationen eingeräumt, sowohl was den Gegenstand als auch was die Adressaten der Untersuchung betreffe.

73      Es ist darauf hinzuweisen, dass entgegen dem Vorbringen der Kommission sowohl der Gegenstand der Informationen als auch die Identität der Adressaten der Untersuchung im OLAF‑Bericht sehr klar waren und den französischen Gerichten kein großer Handlungsspielraum hinsichtlich der Verwicklung des Klägers gelassen wurde.

74      Was nämlich den Gegenstand der Informationen angeht, waren sie hinreichend detailliert, wie aus dem Titel des Berichts „Anzeige von möglicherweise strafrechtlich relevanten Handlungen“ und dem Inhalt von Punkt 2 („Chronologie der untersuchten Sachverhalte“) des Berichts hervorgeht.

75      Was die Verwicklung des Klägers angeht, ist erstens festzustellen, dass der Bericht die direkte Verwicklung von Herrn Franchet, Direktor von Eurostat und Vorgesetzter des Klägers, und von Herrn Byk, Abteilungsleiter und Untergebener des Klägers, hervorhebt. Da der Kläger also hierarchisch zwischen Herrn Franchet und Herrn Byk angesiedelt ist, mussten die französischen Strafverfolgungsbehörden, auch wenn er im Bericht nicht mit Namen genannt wird, zwangsläufig vermuten, dass er in die darin beschriebenen Handlungen verwickelt war. Diese Einschätzung wird auch durch den Einstellungsbeschluss bestätigt, in dem das berufliche Verhältnis des Klägers zu Herrn Byk hervorgehoben wird. In diesem Beschluss heißt es nämlich, dass Herr Byk „ab 1994 unter der Leitung [des Klägers] gehandelt hat“ und dass der Kläger der „Vorgesetzte“ von Herrn Byk war (S. 13 und 21).

76      Zweitens ist die Verwicklung des Klägers aufgrund seiner Aufgaben und seiner Funktion bei Eurostat aus den in dem Vermerk vom 19. März 2003 angezeigten Straftaten ersichtlich und wurde durch den Einstellungsbeschluss bestätigt. In Punkt 2.3 des Vermerks vom 19. März 2003 über die „während der Untersuchung gewonnenen Erkenntnisse“ heißt es nämlich in Abs. 4: „In diesem Fall wanderte ein großer Teil der von diesen Datashops ‚deklarierten‘ Umsätze – zwischen 50 und 55 % – in eine schwarze Kasse, deren Nutzung von der Erlaubnis eines Beamten [von Eurostat] abhängig war“. Wie aus S. 9 des Einstellungsbeschlusses hervorgeht, „hat der kaufmännische Direktor der MESSAGERIES DU LIVRE Eurostat, vertreten durch die Herren …. oder DE ESTEBAN, gebeten, die Genehmigung zur Zahlung der gesendeten Rechnungen einzuholen“. Es ist zu beachten, dass, wie aus der Fallakte ersichtlich, nur fünf Personen diese Genehmigung erteilen konnten, von denen eine in dem Vermerk mit Namen genannt ist und die andere der Kläger ist. Darüber hinaus wird auf S. 15 des Einstellungsbeschlusses erläutert, dass „die Bewegungen im Rahmen der Finanzreserve bis 1998 unter der Kontrolle … [des Klägers], des Direktors von Herrn Byk, erfolgten“. Folglich konnte kein Zweifel an der Identität der Personen bestehen, die in die in dem vom OLAF übermittelten Vermerk beschriebenen Handlungen verwickelt waren. Die gleichen Erwägungen gelten für die behauptete „Schaffung eines Netzes von Wirtschaftsteilnehmern durch bestimmte Gemeinschaftsbeamte u. a. mit dem Ziel, einen Teil der Einnahmen … vor der Kommission zu verbergen“, und die Behauptung, „dieselben Gemeinschaftsbeamten [hätten] die betreffenden Beträge verwendet“ (S. 7 des Vermerks vom 19. März 2013, Punkt 3.1 „Untreue“). Die beschriebenen implizierten Personen hätten nämlich aufgrund ihrer Funktionen innerhalb von Eurostat die Rolle von Wirtschaftsteilnehmern, die in der Lage seien, auch aufgrund ihrer Funktionen über die betreffenden Beträge zu verfügen. Die Verwicklung des Klägers als Direktor der Direktion Informatik, Veröffentlichungen und Außenbeziehungen der Kommission und Vorgesetzter von Herrn Byk ist daher aus den in dem Vermerk vom 19. März 2013 beschriebenen Handlungen ersichtlich.

77      Unter diesen Umständen ist daher festzustellen, dass der Kläger aufgrund der vom OLAF in dem Vermerk vom 19. März 2003 an die französischen Justizbehörden übermittelten Informationen angesichts der von ihm zum Zeitpunkt der Ereignisse ausgeübten Funktionen den in den Schlussfolgerungen des OLAF mit Namen genannten Personen hätte gleichgestellt werden müssen.

78      Was im Übrigen die in Art. 4 Abs. 2 des Beschlusses 1999/396 vorgesehene Ausnahme von der Notwendigkeit der Wahrung der absoluten Geheimhaltung aus ermittlungstechnischen Gründen betrifft, so wurde in den Rn. 148 und 149 des Urteils vom 8. Juli 2008, Franchet und Byk/Kommission (T‑48/05, EU:T:2008:257), festgestellt, dass – obwohl der Generaldirektor des OLAF in dem Vermerk vom 3. April 2003 festgestellt hatte, dass „Beamte von Eurostat und des Amtes für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften impliziert seien, dass dieser Teil den französischen Justizbehörden übermittelt worden sei und dass es sich empfehle, die Unterrichtung der Beamten gemäß Art. 4 des Beschlusses 1999/396 wegen der Notwendigkeit absoluter Geheimhaltung aus ermittlungstechnischen Gründen hinauszuschieben“ – die Kommission in Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichts bestätigte, dass ihr Generalsekretär keine Gelegenheit hatte, seine Zustimmung zur Hinausschiebung der Pflicht zu geben, Herrn Franchet und Herrn Byk zur Stellungnahme aufzufordern.

79      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Kommission auf eine vom Gericht im Rahmen der prozessleitenden Maßnahmen gestellte schriftliche Frage hin bestätigt hat, dass ihr Generalsekretär mit dem Fall des Klägers nicht befasst worden war, weil dieser in den Schlussfolgerungen des OLAF nicht mit Namen genannt war, und dass sein Fall daher nicht unter Art. 4 des Beschlusses 1999/396 falle. Das OLAF sei somit weder verpflichtet gewesen, ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben, noch habe es diese Anhörung des Klägers hinausschieben können. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass, wie oben in Rn. 77 dargelegt, der Kläger angesichts der in dem Vermerk vom 19. März 2003 enthaltenen und vom OLAF an die französischen Justizbehörden übermittelten Informationen als eine in den Schlussfolgerungen des OLAF mit Namen genannte Person im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Satz 2 des Beschlusses 1999/396 hätte behandelt werden müssen.

80      Im Übrigen ist die Pflicht, die Zustimmung des Generalsekretärs der Kommission zu beantragen und zu erhalten, nach der Rechtsprechung keine bloße Formalität, die gegebenenfalls später erfüllt werden könnte. Das Erfordernis, diese Zustimmung einzuholen, würde sonst seine Daseinsberechtigung verlieren, nämlich sicherzustellen, dass die Verteidigungsrechte der betroffenen Beamten beachtet werden, dass ihre Unterrichtung nur in wirklichen Ausnahmefällen hinausgeschoben wird und dass die Beurteilung dieser Ausnahmelage nicht nur Sache des OLAF ist, sondern zugleich das Urteil des Generalsekretärs der Kommission erfordert (Urteil vom 8. Juli 2008, Franchet und Byk/Kommission, T‑48/05, EU:T:2008:257, Rn. 151).

81      Folglich waren die Voraussetzungen für die Anwendung der in Art. 4 Abs. 2 des Beschlusses 1999/396 vorgesehenen Ausnahme, die eine Hinausschiebung der betreffenden Anhörung ermöglicht, auch in Bezug auf den Kläger nicht erfüllt, der implizit, aber notwendigerweise in dem Vermerk vom 19. März 2013 erwähnt wurde.

82      Unter diesen Umständen verstieß das OLAF durch die Übermittlung des Vorgangs Datashop – Planistat an die französischen Justizbehörden gegen Art. 4 des Beschlusses 1999/396 und verletzte die Verteidigungsrechte des Klägers.

83      Auch unterstellt, dass der Kläger nicht einer Person gleichgestellt werden kann, die in den Schlussfolgerungen des OLAF im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Satz 2 des Beschlusses 1999/396 mit Namen genannt wird, ist doch davon auszugehen, dass der Kläger aus allen vorgenannten Gründen zumindest als in den dem vorliegenden Fall zugrunde liegenden Sachverhalt persönlich impliziert hätte angesehen werden und daher rasch unterrichtet werden müssen, da nicht erwiesen war, dass dies die Untersuchung im Sinne von Abs. 1 Satz 1 dieses Artikels hätte beeinträchtigen können.

84      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass aus den Akten keine Gründe ersichtlich sind, die die Unterlassung der Unterrichtung des Klägers durch das OLAF rechtfertigen könnten. Im Gegenteil hatte die Kommission dem der Klagebeantwortung beigefügten Protokoll der 1613. Sitzung der Kommission vom 21. Mai 2003 zufolge davon Kenntnis genommen, dass „das OLAF beabsichtigt, seine laufenden Untersuchungen zu beschleunigen und insbesondere den Beamten, bei denen seiner Meinung nach die Möglichkeit einer Implikation besteht, Gelegenheit zu geben, gehört zu werden“. Diese Aussage zeigt, dass zu diesem Zeitpunkt keine zwingenden Gründe für die Wahrung der absoluten Geheimhaltung der betreffenden Untersuchung erkannt wurden. Darüber hinaus ergeben sich aus den Akten keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger, wenn er über seine mögliche persönliche Verwicklung in den Sachverhalt informiert worden wäre, die Untersuchung hätte beeinträchtigen können.

85      Daher ist davon auszugehen, dass das OLAF der ihm nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 des Beschlusses 1999/396 obliegenden Pflicht zur Unterrichtung des Klägers nicht nachgekommen ist.

86      Die Frage, ob die festgestellten Rechtsverletzungen den vom Kläger geltend gemachten Schaden verursacht haben könnten, wird in den folgenden Rn. 122 ff. geprüft.

 Zur Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Kommission

87      Der Kläger erhebt zwei Rügen. Erstens trägt er vor, die Kommission habe durch ihren Auftritt als Nebenklägerin vor den französischen Gerichten vor Abschluss der vom OLAF durchgeführten Untersuchung gegen die Verordnung Nr. 1073/1999 verstoßen.

88      Zweitens habe die Kommission sein Recht auf eine ordnungsgemäße Verwaltung und ihre Fürsorgepflicht ihm gegenüber verletzt, indem sie die gerichtliche Verfolgung wiederholt verlängert und schließlich die Cour de cassation (Kassationsgerichtshof) angerufen habe, ohne ausreichende Beweismittel gegen ihn vorzulegen.

–       Zur Rüge eines Verstoßes der Kommission gegen die Verordnung Nr. 1073/1999 dadurch, dass sie vor Abschluss der vom OLAF durchgeführten Untersuchung als Nebenklägerin vor den französischen Gerichten aufgetreten sei

89      Die Kommission macht geltend, die genannte Rüge müsse für unzulässig erklärt werden, da sie erstmals in der vom Kläger beim Gerichtshof eingereichten Klageschrift erhoben worden sei, ohne zuvor in der Vorverfahrensphase erwähnt worden zu sein.

90      Nach ständiger Rechtsprechung verlangt der Grundsatz der Übereinstimmung zwischen einer Beschwerde im Sinne von Art. 91 Abs. 2 des Statuts und der darauffolgenden Klageschrift, dass die vor dem Unionsrichter geltend gemachten Klagegründe, die sich unmittelbar gegen eine beschwerende Maßnahme richten, bereits im Rahmen des Vorverfahrens vorgetragen worden sein müssen, so dass die Anstellungsbehörde von den Rügen des Betroffenen gegen die angegriffene Entscheidung Kenntnis nehmen konnte; andernfalls sind sie unzulässig. Dieser Grundsatz ist durch die Zielsetzung des Vorverfahrens gerechtfertigt, das eine einverständliche Beilegung der zwischen den Beamten und der Verwaltung bestehenden Streitpunkte ermöglichen soll (vgl. Urteil vom 5. März 2015, Gyarmathy/FRA, F‑97/13, EU:F:2015:7, Rn. 67 und die dort angeführte Rechtsprechung).

91      In Beamtensachen dürfen die beim Unionsrichter gestellten Anträge demnach nur Rügen enthalten, die auf demselben Grund beruhen wie die in der Beschwerde geltend gemachten Rügen, wobei diese jedoch vor dem Unionsrichter durch Klagegründe und Argumente weiterentwickelt werden können, die nicht notwendigerweise in der Beschwerde enthalten sind, sich aber eng an diese anlehnen (vgl. Urteil vom 5. März 2015, Gyarmathy/FRA, F‑97/13, EU:F:2015:7, Rn. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung).

92      Da schließlich das vorgerichtliche Verfahren informeller Natur ist und die Betroffenen im Allgemeinen in diesem Verfahrensstadium nicht von einem Rechtsanwalt unterstützt werden, darf die Verwaltung die Beschwerden nicht eng auslegen, sondern muss sie im Gegenteil in einem Geist der Aufgeschlossenheit prüfen. Im Übrigen soll Art. 91 des Statuts den möglichen Rechtsstreit nicht streng und endgültig begrenzen, solange nur die Klage weder den Grund noch den Gegenstand der Beschwerde ändert. Indessen kann das in Art. 91 Abs. 2 des Statuts vorgesehene Vorverfahren seinen Zweck nur erfüllen, wenn die Anstellungsbehörde von den Rügen der Betroffenen gegen die angefochtene Entscheidung hinreichend genau Kenntnis nehmen kann (vgl. Urteil vom 5. März 2015, Gyarmathy/FRA, F‑97/13, EU:F:2015:7, Rn. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung).

93      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass der Kläger sowohl in der Schadensersatzklage als auch in der Beschwerde rechtswidrige Handlungen des OLAF und der Kommission geltend macht, weil sie ihn nicht angehört und über die Übermittlung der OLAF‑Akte an die französischen Justizbehörden informiert hätten und weil die Kommission ihre vor den französischen Gerichten angestrengten Verfahren hartnäckig ohne neue Beweise weiterverfolgt habe, nachdem der Einstellungsbeschluss seine Unschuld bestätigt habe. Sein rechtliches Vorbringen besteht daher im gesamten Vorverfahren aus zwei Teilen, während es in der beim Gericht eingereichten Klageschrift auf drei Rügen gestützt wird. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger sich in seiner am 22. Dezember 2016 bei der Anstellungsbehörde erhobenen Schadensersatzforderung im Rahmen der Rüge betreffend das rechtswidrige Verhalten der Kommission dadurch, dass sie ihn, nachdem seine Unschuld festgestellt worden sei, weiter strafrechtlich verfolgt habe, dagegen wandte, dass „die Kommission als Nebenklägerin aufgetreten [sei], ohne dazu verpflichtet zu sein“ (Ziff. 14 Abs. 2, S. 6, Anhang A 11 der Klageschrift). Darüber hinaus verweist der Kläger in der am 1. August 2017 gegen die Entscheidung der Anstellungsbehörde, seinen Entschädigungsantrag abzulehnen, eingelegten Beschwerde darauf, dass „auf der Grundlage dieser am 25. September 2003 abgeschlossenen Untersuchung der Untersuchungsrichter … diesen Beschluss den untersuchten Personen mitgeteilt hat“ (Anhang A 13, S. 5). Im Übrigen trägt der Kläger in der Beschwerde vor, „die Europäische Kommission [habe] auf dem gegen ihn gerichteten Strafverfahren wahrhaft beharrt“ (Anhang A 13, S. 6).

94      Daraus folgt, dass – auch wenn die Argumente in der zweiten Rüge, die dagegen gerichtet sind, dass die Kommission vor Abschluss der vom OLAF durchgeführten Untersuchung als Nebenklägerin vor den französischen Gerichten auftrat, nicht als eigenständige Rüge in der Beschwerde erhoben wurden – sie auf dem gleichen Grund beruhen wie die in der Beschwerde vorgetragenen Beschwerdegründe und während des gesamten Vorverfahrens geltend gemacht wurden. Darüber hinaus steht dieses Argument in engem Zusammenhang mit der Rüge betreffend das rechtswidrige Verhalten der Kommission dadurch, dass sie den Kläger gerichtlich verfolgt habe, indem sie erstens als Nebenklägerin aufgetreten sei und zweitens die Verfahren gegen den Kläger fortgesetzt habe, ohne über hinreichende Beweise gegen ihn zu verfügen. Es ist daher angebracht, diese Rüge nach der oben in Rn. 91 angeführten Rechtsprechung als zulässig anzusehen.

95      Daher ist zu prüfen, ob die Kommission dadurch, dass sie vor Abschluss der vom OLAF durchgeführten Untersuchung als Nebenklägerin vor den französischen Gerichten auftrat, gegen die Verordnung Nr. 1073/1999 verstoßen hat.

96      In diesem Zusammenhang macht die Kommission geltend, sie habe im Anschluss an die von einem Beamten des Parquet de Paris (Staatsanwaltschaft Paris) erhaltenen Informationen, denen zufolge sie gemäß Art. 113‑8 des französischen Code pénal (Strafprozessordnung) Strafanzeige beim Parquet de Paris (Staatsanwaltschaft Paris) erstatten müsse, damit sich die finanzielle Forderung nicht nur auf die in Frankreich begangene Hehlerei beschränke und sie auch Ersatz für alle in Luxemburg und Brüssel entstandenen Schäden verlangen könne, bei den französischen Gerichten Strafanzeige erstattet und sei dort als Nebenklägerin aufgetreten (siehe Anhang B.11).

97      In diesem Zusammenhang sieht Art. 9 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1073/1999 in Bezug auf interne Untersuchungen Folgendes vor:

„Der nach Abschluss einer internen Untersuchung erstellte Bericht wird mit allen zweckdienlichen Schriftstücken dem betreffenden Organ, der betreffenden Einrichtung oder dem betreffenden Amt oder der betreffenden Agentur übermittelt. Die Organe, Einrichtungen sowie Ämter und Agenturen ergreifen die gemäß den Ergebnissen der internen Untersuchungen erforderlichen Folgemaßnahmen, insbesondere die disziplinarrechtlichen und justiziellen Maßnahmen, und unterrichten den Direktor des [OLAF] innerhalb der von ihm in den Schlussfolgerungen seines Berichts gesetzten Frist über die Folgemaßnahmen der Untersuchungen.“

98      In Bezug auf Disziplinarverfahren stellte das Gericht in der Rechtssache Franchet und Byk/Kommission (T‑48/05, EU:T:2008:257, Rn. 351) fest, dass die Kommission gegen die für das Disziplinarverfahren geltenden Regeln verstoßen habe, indem sie vor Abschluss der internen Untersuchungen des OLAF Disziplinarverfahren gegen Herrn Franchet und Herrn Byk eröffnet habe. Diese Regeln verfolgen insbesondere den Zweck, den betroffenen Beamten zu schützen, indem sie sicherstellen, dass die Anstellungsbehörde, bevor sie ein Disziplinarverfahren eröffnet, über genaue und sachdienliche, insbesondere entlastende Angaben verfügt, die bei der Untersuchung des OLAF, das über weitreichende Ermittlungsmöglichkeiten verfügt, zusammengetragen wurden. Folglich handelt es sich bei den vorstehend genannten Regeln für das Disziplinarverfahren um Rechtsnormen, die dem Einzelnen Rechte verleihen.

99      Darüber hinaus besagt das Statut in Art. 25 des Anhangs IX über Disziplinarverfahren: „Ist gegen den Beamten wegen desselben Sachverhalts ein Strafverfahren eingeleitet worden, so wird seine Rechtsstellung erst dann endgültig geregelt, wenn das Urteil des zuständigen Gerichts rechtskräftig geworden ist.“

100    Im vorliegenden Fall rügt der Kläger jedoch nicht, dass gegen ihn ein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde, sondern dass die Kommission gerichtliche Verfahren gegen ihn eingeleitet hat, ohne dass die OLAF‑Untersuchung abgeschlossen war. Auch wenn es keine ausdrückliche Regel gibt, die es der Kommission verbietet, als Nebenklägerin aufzutreten oder einen Beamten strafrechtlich zu verfolgen, bis das OLAF seinen abschließenden Untersuchungsbericht vorgelegt hat, können die vorstehenden Erwägungen betreffend Disziplinarverfahren für nationale Gerichtsverfahren doch durchaus entsprechend gelten, was im Einklang mit Geist und Buchstaben der Verordnung Nr. 1073/1999 steht.

101    In Art. 9 Abs. 2 und 4 der Verordnung Nr. 1073/1999 heißt es nämlich: „Die … erstellten Berichte stellen in der gleichen Weise und unter denselben Bedingungen wie die Verwaltungsberichte der Kontrolleure der einzelstaatlichen Verwaltungen zulässige Beweismittel in den Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren des Mitgliedstaats dar, in dem sich ihre Verwendung als erforderlich erweist“; weiter heißt es dort: „Die Organe, Einrichtungen sowie Ämter und Agenturen ergreifen die gemäß den Ergebnissen der internen Untersuchungen erforderlichen Folgemaßnahmen, insbesondere die disziplinarrechtlichen und justiziellen Maßnahmen“.

102    Hat das OLAF eine Untersuchung im Sinne der Verordnung Nr. 1073/1999 durchgeführt, so muss das betreffende Organ daher nach diesen Bestimmungen die gemäß dem Untersuchungsbericht erforderlichen justiziellen Maßnahmen ergreifen, soweit dieser ein für das besagte Verfahren erforderliches Beweismittel darstellt.

103    Im Übrigen wies die Kommission in ihrer Sitzung vom 21. Mai 2003 (vgl. Protokoll der 1613. Sitzung der Kommission vom 21. Mai 2003, S. 16 und 17) unter Bezugnahme auf die Sache „Eurostat“ und die Untersuchung des OLAF auf „die Notwendigkeit hin, die Unschuldsvermutung zu respektieren“, und darauf, dass „die ihr vorliegenden Informationen zum jetzigen Zeitpunkt keine Schlussfolgerungen über die betroffenen Beamten zulassen“. Ungeachtet dessen geht aus demselben Protokoll hervor, dass sie beschloss, „als Nebenklägerin in dem nach der Verweisung an das OLAF beim Procureur de la République près du tribunal de grande instance de Paris [Staatsanwaltschaft beim Regionalgericht Paris] eröffneten Verfahren aufzutreten“. Zu diesem Zweck beauftragte sie „die GD HAUSHALT, die Folgemaßnahmen zu den Eurostat-Auditberichten über die Einhaltung der Finanzvorschriften zu analysieren“. Darüber hinaus nahm sie, wie oben in Rn. 84 dargelegt, davon „Kenntnis, dass das OLAF beabsichtigt, seine laufenden Untersuchungen zu beschleunigen und insbesondere den Beamten, bei denen seiner Meinung nach die Möglichkeit einer Implikation besteht, Gelegenheit zu geben, gehört zu werden“. Die Kommission gab ferner an, dass der Generaldirektor des OLAF die Ergebnisse dieser Arbeiten für Ende Juni 2003 erwarte. Schließlich „beauftragte [sie] den Generalsekretär, die verschiedenen Aspekte dieses Vorgangs zu koordinieren und die erforderlichen internen Maßnahmen und Verfahren vorzuschlagen“.

104    Dem besagten Protokoll zufolge war der Kommission zu diesem Zeitpunkt, also am 21. Mai 2003, bekannt, dass die Einhaltung des Grundsatzes der Unschuldsvermutung in dem betreffenden Fall gewährleistet werden musste, da die ihr vorliegenden Informationen nicht die Annahme einer Schuld der im Bericht mit Namen genannten Beamten oder der Beamten, bei denen die Möglichkeit einer Implikation bestand, einschließlich des Klägers, zuließen. Darüber hinaus beschloss die Kommission, als Nebenklägerin aufzutreten, und beauftragte zu diesem Zweck die Generaldirektion Haushalt, die Folgemaßnahmen zu den Eurostat-Auditberichten zu analysieren; sie wies ferner darauf hin, dass das OLAF beabsichtige, seine Untersuchungen zu beschleunigen und die Ergebnisse der Untersuchungen bis Ende Juni 2003 vorzulegen. Zu diesem Zweck beauftragte die Kommission den Generalsekretär, diese Informationen zu koordinieren und die erforderlichen internen Maßnahmen und Verfahren vorzuschlagen.

105    Aus der Fallakte geht jedoch hervor, dass die Kommission am 10. Juli 2003 Strafanzeige gegen X erstattete und als Nebenklägerin auftrat, ohne dass die OLAF‑Untersuchung abgeschlossen war und ohne über andere Beweise zu verfügen als die, die das OLAF in dem am 19. März 2003 übermittelten Bericht vorgelegt hatte (siehe Anhang B3, Beschluss der Kommission betreffend Anzeigeerstattung gegen X, Rn. 14).

106    Die Untersuchung des OLAF wurde nämlich am 25. September 2003 abgeschlossen, und anschließend wurden der Abschlussbericht und seine Anhänge der französischen Justizbehörde vorgelegt (siehe Anhang B4, OLAF-Abschlussbericht 295/09/2003). Das OLAF stellte im abschließenden Untersuchungsbericht fest, dass „die Europäische Kommission den Juristischen Dienst ermächtigt hat, Strafanzeige wegen des erlittenen Schadens zu erstatten“, nachdem das OLAF dem Juristischen Dienst der Kommission einen umfassenden Bericht vom 22. April 2003 übermittelt hatte. Allerdings enthält der genannte umfassende Bericht vom 22. April 2003 (siehe Anhang B11, Vermerk an den Juristischen Dienst der Kommission) keine Informationen, Hinweise oder Beweismittel betreffend den Sachverhalt und die in ein Strafverfahren verwickelten Beamten. Der Generaldirektor des OLAF verweist in diesem Schreiben lediglich auf die Übermittlung des Vermerks vom 19. März 2003 an die französischen Behörden und weist darauf hin, dass er von den französischen Gerichten Informationen erhalten habe, aufgrund deren er es gemäß Art. 113‑8 der französischen Strafprozessordnung für notwendig halte, dass die Kommission Strafanzeige beim Parquet de Paris (Staatsanwaltschaft Paris) erstatte, damit sich die finanzielle Forderung nicht nur auf die in Frankreich begangene Hehlerei beschränke und sie somit auch Ersatz für den gesamten in Luxemburg und Brüssel erlittenen Schaden verlangen könne.

107    Überdies ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 87 des französischen Code pénal (Strafprozessordnung) im Hinblick auf den Auftritt als Nebenkläger für den Fall, dass die Staatsanwaltschaft ein gerichtliches Ermittlungsverfahren einleitet, „der Auftritt als Nebenkläger jederzeit während der Ermittlungen stattfinden kann“. Die Kommission hätte daher mit dem Auftritt als Nebenklägerin und der Erstattung einer Strafanzeige warten können, bis die OLAF‑Untersuchung abgeschlossen war. Darüber hinaus war die Kommission, wie aus dem Protokoll vom 21. Mai 2003 ersichtlich, darüber informiert, dass „das OLAF beabsichtigt[e], seine laufenden Untersuchungen zu beschleunigen“ und dass „der Generaldirektor des OLAF die Ergebnisse dieser Arbeiten für Ende Juni 2003 [erwartete]“.

108    Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass die Kommission, um die betroffenen Beamten zu schützen, nicht vor dem Abschluss der OLAF‑Untersuchung betreffend denselben Sachverhalt vor den französischen nationalen Gerichten als Nebenklägerin hätte auftreten und Strafanzeige erstatten dürfen. Nur wenn der Kommission die Schlussfolgerungen der OLAF‑Untersuchung vorgelegen hätten, wäre sie nämlich in der Lage gewesen, eine fundierte Entscheidung unter Berücksichtigung aller vom OLAF gewonnenen Informationen sowie möglicherweise genauer und sachdienlicher Angaben zur Entlastung der betroffenen Beamten zu treffen.

109    Nach alledem ist festzustellen, dass die Kommission gegen die Verordnung Nr. 1073/1999 und insbesondere gegen deren Art. 9 Abs. 4 verstoßen hat, indem sie vor der Abgabe des Abschlussberichts des OLAF als Nebenklägerin vor den französischen Gerichten auftrat und Strafanzeige erstattete, ohne über ausreichende und aussagekräftige Beweismittel zur Entlastung der von dem Vermerk vom 19. März 2003 möglicherweise betroffenen Personen, einschließlich des Klägers, zu verfügen.

110    Die Frage, inwieweit dieser Rechtsverstoß dem Kläger Schaden zugefügt hat, wird in den Rn. 122 ff. geprüft.

–       Zur Rüge der Verletzung des Rechts auf eine ordnungsgemäße Verwaltung und der Fürsorgepflicht der Kommission durch die Verlängerung der gerichtlichen Verfolgung, ohne hinreichende Beweise vorgelegt zu haben

111    In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Befugnis, seine Rechte gerichtlich geltend zu machen, und die darauf beruhende gerichtliche Kontrolle Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes sind, der den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten zugrunde liegt und auch in den Art. 6 und 13 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 sowie in Art. 47 der Charta verankert ist (Urteile vom 15. Mai 1986, Johnston, 222/84, EU:C:1986:206, Rn. 17 und 18, sowie vom 17. Juli 1998, ITT Promedia/Kommission, T‑111/96, EU:T:1998:183, Rn. 60). Da der Zugang zu den Gerichten ein Grundrecht ist und ein allgemeines Prinzip darstellt, das die Wahrung des Rechts sicherstellt, kann die Erhebung einer Klage durch ein Organ nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen als Amtsfehler zu beurteilen sein, der die Haftung der Gemeinschaft auslösen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. September 1999, Frederiksen/Parlament, T‑48/97, EU:T:1999:175, Rn. 97).

112    Unabhängig vom Wortlaut des Einstellungsbeschlusses und des Urteils der Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris) erscheinen die Umstände des vorliegenden Falles nicht als so außergewöhnlich, dass sie zu dem Schluss führen, dass die Berufung und die Kassationsbeschwerde einen Amtsfehler der Kommission im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung darstellen. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger keine Beweise dafür vorgelegt hat, dass die Kommission aufgrund ihres Verhaltens einen solchen Amtsfehler begangen hat.

113    Somit ist der Kläger nicht berechtigt, Ersatz für durch die Anfechtung des Einstellungsbeschlusses bei den französischen Strafgerichten durch die Kommission in der Zeit von 2013 bis 2016 entstandene materielle, körperliche und immaterielle Schäden zu verlangen.

114    Was die Verletzung des Rechts auf eine ordnungsgemäße Verwaltung und der Fürsorgepflicht der Kommission dadurch betrifft, dass sie die gerichtliche Verfolgung des Klägers verlängert hat, so spiegelt die Fürsorgepflicht nach der Rechtsprechung das Gleichgewicht zwischen den wechselseitigen Rechten und Pflichten in den Beziehungen zwischen der Behörde und dem Beamten wider. Dieses Gleichgewicht erfordert insbesondere, dass die Behörde bei der Entscheidung über die Situation eines Beamten sämtliche Umstände berücksichtigt, die geeignet sind, ihre Entscheidung zu beeinflussen, und dass sie dabei nicht nur dem dienstlichen Interesse, sondern auch dem Interesse des betroffenen Beamten Rechnung trägt. Die letztgenannte Verpflichtung wird der Verwaltung auch durch den in Art. 41 der Charta verankerten Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung auferlegt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Dezember 2017, Arango Jaramillo u. a./EIB, T‑482/16 RENV, EU:T:2017:901, Rn. 131 [nicht veröffentlicht], und die dort angeführte Rechtsprechung).

115    Im vorliegenden Fall hat die Kommission, wie oben in Rn. 112 ausgeführt, keinen Amtsfehler dadurch begangen, dass sie vor den französischen Strafgerichten den Einstellungsbeschluss bis zur Kassationsinstanz angefochten hat, um die wirtschaftlichen Interessen des Organs zu schützen. Ebenso kann die Fürsorgepflicht der Verwaltung gegenüber dem Kläger dieser unter keinen Umständen die Verpflichtung auferlegen, nicht die wirtschaftlichen Interessen des Organs zu verteidigen und somit die Entscheidungen der französischen Gerichte nicht anzufechten. Daher ist diese Rüge zurückzuweisen.

 Zum tatsächlichen Vorliegen des angeblich erlittenen Schadens und zum Bestehen eines Kausalzusammenhangs

116    Angesichts des im vorliegenden Fall besonders engen Zusammenhangs zwischen der Frage, ob der Kläger einen ersatzfähigen Schaden erlitten hat, und der Frage des Kausalzusammenhangs zwischen den festgestellten Rechtsverletzungen und dem geltend gemachten Schaden sind diese beiden Fragen gemeinsam zu behandeln.

117    Erstens macht der Kläger geltend, ihm sei ein Vermögensschaden entstanden, der sich aus der Schädigung seines Rufs und seiner Ehre durch die schweren und unbegründeten Anschuldigungen gegen ihn ergebe, sowie ein immaterieller Schaden durch das ihm aufgrund seiner endlosen und rücksichtslosen Verfolgung durch die Verwaltung zugefügte Leid. Seiner Ansicht nach wurden diese materiellen, immateriellen und körperlichen Schäden durch den Verstoß gegen die Regeln für die Untersuchungen des OLAF sowie durch das mutwillige und unverhältnismäßige Verhalten der Kommission ihm gegenüber verursacht.

118    Was insbesondere die materiellen Schäden angehe, seien ihm durch das rechtswidrige Verhalten der Kommission erhebliche Vertretungskosten entstanden. In diesem Zusammenhang verlangt er zum einen den Betrag von 39 293,38 Euro für Anwaltskosten vor den nationalen französischen Gerichten und vor den Unionsgerichten sowie zum anderen den Betrag von 872,74 Euro für während der Gerichtsverfahren angefallene Reisekosten.

119    Zweitens habe ihm die Aufnahme der Ermittlungen gegen ihn und seine fortgesetzte Einbeziehung in ein langwieriges Strafverfahren einen immateriellen Schaden zugefügt. Der Umstand, dass gegen ihn ein Gerichtsverfahren eingeleitet worden sei, obwohl die vom OLAF durchgeführte interne Untersuchung nicht abgeschlossen war, sowie der Umstand, dass seine Unschuld – ohne über hinreichend genaue und sachdienliche Angaben zu verfügen – bis zur Kassationsinstanz in Frage gestellt worden sei, nachdem sie von den französischen Gerichten festgestellt worden sei, hätten seinen Ruf und sein berufliches Ansehen geschädigt. Dem Kläger zufolge führte das Verfahren gegen ihn dazu, dass seine ehemaligen Kollegen und sein Umfeld glaubten, er sei in einen Finanzskandal verwickelt. Daher verlangt er einen Betrag von 500 000 Euro als Ersatz für den immateriellen Schaden, den er durch die rechtswidrigen Handlungen der Kommission erlitten habe.

120    Schließlich macht der Kläger geltend, die der Unionsverwaltung vorgeworfenen schweren Pflichtverletzungen hätten ihm auch einen gesundheitlichen Schaden zugefügt, da die in ihm infolge des gegen ihn eingeleiteten mutwilligen und endlosen Strafverfahrens hervorgerufene Angst zu einer schweren, durch ein ärztliches Gutachten bestätigten Krankheit geführt habe. Aufgrund dessen verlangt er einen Betrag von 500 000 Euro als Ersatz für den durch die Verschlechterung seines Gesundheitszustands entstandenen körperlichen Schaden und von 2 125,56 Euro zur Erstattung aller Kosten für ärztliche Untersuchungen infolge der Krankheit, die sich aus dem unverhältnismäßigen und ungerechtfertigten Verhalten der Kommission ihm gegenüber ergeben habe.

121    Die Kommission tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen.

122    Vorab ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung ein Schaden nur dann ersatzfähig ist, wenn er mit hinreichender Unmittelbarkeit auf das beanstandete Verhalten zurückgeführt werden kann (Urteile vom 4. Oktober 1979, Dumortier u. a./Rat, 64/76, 113/76, 167/78, 239/78, 27/79, 28/79 und 45/79, EU:C:1979:223, Rn. 21, vom 27. Juni 2000, Meyer/Kommission, T‑72/99, EU:T:2000:170, Rn. 49, und vom 8. Juli 2008, Franchet und Byk/Kommission, T‑48/05, EU:T:2008:257, Rn. 397). Außerdem trägt nach ständiger Rechtsprechung der Kläger die Beweislast für das Bestehen des Kausalzusammenhangs (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 30. Januar 1992, Finsider u. a./Kommission, C‑363/88 und C‑364/88, EU:C:1992:44, Rn. 25, vom 30. September 1998, Coldiretti u. a./Rat und Kommission, T‑149/96, EU:T:1998:228, Rn. 101, und vom 8. Juli 2008, Franchet und Byk/Kommission, T‑48/05, EU:T:2008:257, Rn. 397).

123    In diesem Zusammenhang ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die Pflichtverletzungen des OLAF, die die Haftung der Union auslösen können, in der Übermittlung von Informationen an die französischen Justizbehörden ohne vorherige Anhörung oder zumindest Unterrichtung des Klägers bestehen (siehe oben, Rn. 82 und 85). Zum anderen hat die Kommission eine Pflichtverletzung begangen, die die Haftung der Union auslösen kann, indem sie vor Abschluss der OLAF‑Untersuchung als Nebenklägerin auftrat und Strafanzeige gegen den Kläger erstattete (siehe oben, Rn. 108).

124    Der Kläger hat im vorliegenden Fall drei unterschiedliche Schäden – einen materiellen, einen immateriellen und einen körperlichen Schaden – geltend gemacht. Jede dieser Schadensarten ist der Reihe nach zu untersuchen, um zu beurteilen, inwieweit ihr Vorhandensein einerseits und der Kausalzusammenhang zwischen ihnen sowie den dem OLAF und der Kommission vorgeworfenen Verhaltensweisen andererseits festgestellt werden kann.

 Zum materiellen Schaden

125    Der Kläger macht geltend, das rechtswidrige Verhalten der Kommission habe ihm erhebliche Vertretungskosten verursacht. In diesem Zusammenhang fordert er zum einen den Betrag von 39 293,38 Euro für Anwaltskosten vor den nationalen französischen Gerichten und den Unionsgerichten und zum anderen den Betrag von 872,74 Euro für während der Gerichtsverfahren angefallene Reisekosten.

126    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass, wie die Kommission zu Recht feststellt, die Kosten, die der Kläger angeblich für seine Verteidigung aufgewandt hat, keinen materiellen Schaden darstellen, sondern Aufwendungen. Die Aufwendungen der Parteien, die für das gerichtliche Verfahren notwendig sind, können als solche nicht als Schaden betrachtet werden, der sich von der Belastung durch die Kosten des Verfahrens unterscheidet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Juni 1999, Kommission/Montorio, C‑334/97, EU:C:1999:290, Rn. 54).

127    Darüber hinaus ist bei den mit der Durchführung der Verfahren vor den nationalen Gerichten gegebenenfalls verbundenen Kosten zu berücksichtigen, dass sie im Rahmen der vorliegenden Rechtssache nicht erstattet werden können, da kein kausaler Zusammenhang zwischen diesem angeblichen Schaden und den vom OLAF und der Kommission begangenen Pflichtverletzungen besteht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Juni 2004, François/Kommission, T‑307/01, EU:T:2004:180, Rn. 109). Auf jeden Fall fällt die Frage der Erstattung der auf nationaler Ebene entstandenen Kosten in die alleinige Zuständigkeit der nationalen Gerichte, die mangels Harmonisierungsmaßnahmen der Union in diesem Bereich über eine solche Frage unter Anwendung der einschlägigen Bestimmungen des nationalen Rechts zu entscheiden haben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. September 1995, Nölle/Rat und Kommission, T‑167/94, EU:T:1995:169, Rn. 37).

128    Unter diesen Umständen ist der Antrag des Klägers auf Ersatz des angeblich erlittenen materiellen Schadens als nicht begründet zurückzuweisen.

 Zum immateriellen Schaden

129    Der Kläger macht geltend, der Umstand, dass gegen ihn ein Gerichtsverfahren eingeleitet worden sei, obwohl die vom OLAF durchgeführte interne Untersuchung nicht abgeschlossen war, sowie der Umstand, dass seine Unschuld – ohne über hinreichend genaue und sachdienliche Angaben zu verfügen – bis zur Kassationsinstanz in Frage gestellt worden sei, nachdem sie von den französischen Gerichten festgestellt worden sei, hätten seinen Ruf und sein berufliches Ansehen geschädigt. Ihm zufolge führte das Verfahren gegen ihn dazu, dass seine ehemaligen Kollegen und sein Umfeld glaubten, er sei in einen Finanzskandal verwickelt. Daher verlangt er einen Betrag von 500 000 Euro als Ersatz für den durch die rechtswidrigen Handlungen der Kommission erlittenen immateriellen Schaden.

130    Im vorliegenden Fall ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass die Kommission vor den französischen Gerichten als Nebenklägerin auftrat und Strafanzeige gegen den Kläger erstattete, bevor die vom OLAF durchgeführte Untersuchung abgeschlossen war, den Ruf und das berufliche Ansehen des Klägers geschädigt hat. Das Verhalten der Kommission hat dem Kläger nämlich dadurch einen immateriellen Schaden zugefügt, dass es den Eindruck erweckt hat, er habe bei der Ausübung seiner Aufgaben schuldhaft gehandelt, und dass es seinem persönlichen und beruflichen Umfeld den Eindruck vermittelt hat, er sei in betrügerische Handlungen und einen Finanzskandal verwickelt. Daher ist festzustellen, dass dieser Schaden unmittelbar aus dem Verhalten der Kommission folgt und somit ein Kausalzusammenhang zwischen diesem Verhalten und dem besagten Schaden im Sinne der in Rn. 122 angeführten Rechtsprechung besteht.

131    Darüber hinaus hat der Umstand, dass das OLAF den den Kläger betreffenden Vermerk vom 19. März 2003 an die französischen Justizbehörden weitergeleitet hat, ohne diesen gehört oder zumindest unterrichtet zu haben, ihm einen immateriellen Schaden dadurch zugefügt, dass er sich nicht zu den Tatsachen äußern oder verteidigen konnte, auf die sich das Verfahren gegen ihn stützte. Der Umstand, dass er nicht gehört wurde, bewirkte nämlich, dass er sich ungerecht behandelt, machtlos und frustriert fühlte. Es ist zu berücksichtigen, dass diese Schäden auf das rechtswidrige Verhalten des OLAF zurückzuführen sind und somit ein kausaler Zusammenhang zwischen dem behaupteten Schaden und dem begangenen Rechtsverstoß besteht.

132    Was schließlich den immateriellen Schaden betrifft, den der Kläger durch das von der Kommission bis zur Kassationsinstanz verfolgte Strafverfahren erlitten hat, nachdem er von den französischen Gerichten in erster Instanz für unschuldig erklärt worden war, so trifft es zwar zu, dass eine solche Situation der Ungewissheit sich als Störfaktor im Privatleben des Klägers erweisen konnte, der damit einen immateriellen Schaden darstellte, doch bleibt es dabei, dass der Kläger nicht nachgewiesen hat, dass dieses Verhalten rechtswidrig war. Da somit eine der drei Voraussetzungen für die Auslösung der außervertraglichen Haftung der Union für diese Behauptungen nicht erfüllt ist, sind die Schadensersatzforderungen nach der oben in Rn. 45 angeführten Rechtsprechung abzulehnen, ohne dass geprüft werden muss, ob die beiden anderen Voraussetzungen erfüllt sind.

133    Nach alledem hat der Kläger einen immateriellen Schaden erlitten, der zum einen in einer Schädigung seiner Ehre und seines beruflichen Ansehens und zum anderen darin bestand, dass er sich ungerecht behandelt, machtlos und frustriert fühlen konnte. Daher ist nach billigem Ermessen zu entscheiden, dass eine Entschädigung in Höhe von 62 000 Euro eine angemessene Wiedergutmachung für diesen Schaden darstellt.

 Zum körperlichen Schaden

134    Der Kläger macht geltend, die der Unionsverwaltung vorgeworfenen schweren Pflichtverletzungen hätten ihm einen gesundheitlichen Schaden zugefügt, da die in ihm infolge des gegen ihn unbedacht eingeleiteten langen Strafverfahrens hervorgerufene Angst zu einer schweren, durch ein ärztliches Gutachten bestätigten Krankheit geführt habe. Unter diesen Umständen verlangt er einen Betrag von 500 000 Euro als Ersatz für den durch die Verschlechterung seines Gesundheitszustands entstandenen körperlichen Schaden und von 2 125,56 Euro als Ersatz für sämtliche Untersuchungskosten.

135    Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers, wie er selbst in seinen Schriftsätzen eingeräumt hat, erst nach Eröffnung des Ermittlungsverfahrens gegen ihn am 10. September 2008 bis zum 15. Juni 2016, dem Tag, an dem das Urteil der Cour de cassation (Kassationsgerichtshof) erging, verschlechtert hat. Selbst wenn die vom Kläger vorgelegten Beweise jedoch belegten, dass sich sein Gesundheitszustand durch das gegen ihn eingeleitete Strafverfahren verschlechtert hat, kann dies nicht den Umstand entkräften, dass der Kläger – wie sich aus dem vorliegenden Urteil ergibt – nicht rechtlich hinreichend dargetan hat, dass das Verhalten der Kommission im Zusammenhang mit der Anfechtung des Einstellungsbeschlusses im Berufungs‑ und dann im Kassationsverfahren rechtswidrig war.

136    Da eine der drei Voraussetzungen für die außervertragliche Haftung der Union somit nicht erfüllt ist, sind diese Schadenersatzforderungen im Einklang mit der oben in Rn. 45 angeführten Rechtsprechung zurückzuweisen, ohne dass geprüft werden muss, ob die beiden anderen Voraussetzungen erfüllt sind.

 Kosten

 Zu den Anträgen betreffend „nicht erstattungsfähige Aufwendungen“

137    Der Kläger hat beantragt, die Kommission zur Zahlung von 3 000 Euro für „nicht erstattungsfähige Aufwendungen“ zu verurteilen.

138    Die Kommission hat sich hierzu nicht geäußert.

139    Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger die Art der geltend gemachten nicht erstattungsfähigen Aufwendungen nicht angibt. Betrifft das Vorbringen des Klägers jedoch den Ersatz von Aufwendungen, die für das Verfahren notwendig waren, so ist anzumerken, dass derartige Aufwendungen gemäß Art. 140 der Verfahrensordnung in die Kosten einbezogen werden (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 18. November 2013, Trabelsi/Rat, T‑162/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:619, Rn. 32 bis 36).

140    Sie müssen daher im Zusammenhang mit dem Antrag auf Verurteilung der Kommission zur Tragung der Kosten geprüft werden.

 Zur Kostenentscheidung

141    Nach Art. 134 Abs. 3 der Verfahrensordnung trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, jede Partei ihre eigenen Kosten. Das Gericht kann jedoch entscheiden, dass eine Partei außer ihren eigenen Kosten einen Teil der Kosten der Gegenpartei trägt, wenn dies in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt erscheint.

142    Im vorliegenden Fall hat die Kommission, da der Schadensersatzklage im Wesentlichen stattgegeben wurde, bei gerechter Würdigung und unter Berücksichtigung des besonderen Kontexts der Rechtssache ihre eigenen Kosten sowie die Kosten des Klägers zu tragen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Europäische Kommission wird verurteilt, Herrn Fernando De Esteban Alonso 62 000 Euro als Ersatz des ihm entstandenen immateriellen Schadens zu zahlen.

2.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.      Die Kommission trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten von Herrn De Esteban Alonso.

Gratsias

Labucka

Ulloa Rubio

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 11. Juni 2019.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Französisch.