Language of document : ECLI:EU:T:2002:45

BESCHLUSS DES PRÄSIDENTEN DES GERICHTS

27. Februar 2002(1)

„Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - Rechtsmittel - Zurückverweisung an das Gericht - Dumping - Entscheidung über die Einstellung der Überprüfung auslaufender Maßnahmen - Keine Dringlichkeit“

In der Rechtssache T-132/01 R

Euroalliages mit Sitz in Brüssel (Belgien),

Péchiney électrométallurgie mit Sitz in Courbevoie (Frankreich),

Vargön Alloys AB mit Sitz in Vargön (Schweden),

Ferroatlántica mit Sitz in Madrid (Spanien),

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte D. Voillemot und O. Prost,

Antragstellerinnen,

unterstützt durch

Königreich Spanien, vertreten durch L. Fraguas Gadea als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Streithelfer,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch V. Kreuschitz und S. Meany als Bevollmächtigte im Beistand von A. P. Bentley, Barrister, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Antragsgegnerin,

unterstützt durch

TNC Kazchrome mit Sitz in Almaty (Kasachstan)

und

Alloy 2000 SA mit Sitz in Luxemburg (Luxemburg),

Prozessbevollmächtigte: J. E. Flynn, Barrister, J. Magnin und S. Mills, Solicitors,

Streithelferinnen,

wegen Aussetzung des Vollzugs des Beschlusses 2001/230/EG der Kommission vom 21. Februar 2001 (ABl. L 84, S. 36), soweit damit das Antidumpingverfahren betreffend die Einfuhren von Ferrosilicium mit Ursprung in der Volksrepublik China, Kasachstan, Russland und der Ukraine eingestellt wird, und wegen Anordnung gegenüber der Kommission, die außer Kraft getretenen Antidumpingzölle wieder einzuführen, hilfsweise wegen Anordnung gegenüber der Kommission, von den Einführern von Ferrosilicium mit Ursprung in diesen vier Ländern zu verlangen, dass sie eine Kaution in Höhe der außer Kraft getretenen Antidumpingzölle hinterlegen und ihre Einfuhren registrieren lassen, oder weiterhin hilfsweise wegen Anordnung gegenüber der Kommission, von diesen Einführern zu verlangen, dass sie ihre Einfuhren registrieren lassen,

erlässt

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

folgenden

Beschluss

Rechtlicher Rahmen

1.
    Artikel 11 der Verordnung (EG) Nr. 384/96 des Rates vom 22. Dezember 1995 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern (ABl. 1996, L 56, S. 1, im Folgenden: Grundverordnung) mit der Überschrift „Geltungsdauer, Überprüfung und Erstattung“ bestimmt in seinen Absätzen 1 und 2:

„(1)     Eine Antidumpingmaßnahme bleibt nur so lange und in dem Umfang in Kraft, wie dies notwendig ist, um das schädigende Dumping unwirksam zu machen.

(2)    Eine endgültige Antidumpingmaßnahme tritt fünf Jahre nach ihrer Einführung oder fünf Jahre nach dem Datum des Abschlusses der letzten Überprüfung außer Kraft, die sowohl das Dumping als auch die Schädigung betraf, außer wenn in einer Überprüfung festgestellt wird, dass das Dumping und die Schädigung bei einem Auslaufen der Maßnahme wahrscheinlich anhalten oder erneut auftreten würden. Eine solche Überprüfung bei Auslaufen der Maßnahme wird von der Kommission von Amts wegen oder auf einen von den Gemeinschaftsherstellern oder in deren Namen gestellten Antrag hin eingeleitet, und die Maßnahme bleibt bis zum Abschluss einer solchen Überprüfung in Kraft.

...“

2.
    Absatz 1 des mit „Gemeinschaftsinteresse“ überschriebenen Artikels 21 dieser Verordnung lautet:

„Die Feststellung, ob das Gemeinschaftsinteresse ein Eingreifen erfordert, stützt sich auf eine Bewertung aller Interessen, einschließlich der Interessen des inländischen Wirtschaftszweigs, der Verwender und der Verbraucher; eine Feststellung gemäß diesem Artikel wird nur getroffen, wenn alle Parteien Gelegenheit erhielten, ihren Standpunkt gemäß Absatz 2 darzulegen. Bei dieser Prüfung wird der Notwendigkeit, die handelsverzerrenden Auswirkungen des die Schädigung verursachenden Dumpings zu beseitigen und einen fairen Wettbewerb wiederherzustellen, besonders Rechnung getragen. Maßnahmen, die sich aus der Feststellung des Dumpings und der Schädigung ergeben, können nicht angewendet werden, wenn die Behörden auf der Grundlage aller vorgelegten Informationeneindeutig zu dem Ergebnis kommen können, dass die Anwendung dieser Maßnahmen nicht im Interesse der Gemeinschaft liegt.“

Vorgeschichte des Rechtsstreits

3.
    Endgültige Antidumpingmaßnahmen für die Einfuhren von Ferrosilicium mit Ursprung in mehreren Ländern wurden zum einen durch die Verordnung (EG) Nr. 3359/93 des Rates vom 2. Dezember 1993 zur Änderung der Antidumpingmaßnahmen gegenüber den Einfuhren von Ferrosilicium mit Ursprung in Russland, Kasachstan, Ukraine, Island, Norwegen, Schweden, Venezuela und Brasilien (ABl. L 302, S. 1) und zum anderen durch die Verordnung (EG) Nr. 621/94 des Rates vom 17. März 1994 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von Ferrosilicium mit Ursprung in Südafrika und der Volksrepublik China (ABl. L 77, S. 48) eingeführt.

4.
    Am 10. Juni 1998 veröffentlichte die Kommission eine Bekanntmachung über das bevorstehende Außerkrafttreten bestimmter Antidumpingmaßnahmen (ABl. C 177, S. 4).

5.
    Nach der Veröffentlichung dieser Bekanntmachung beantragte Euroalliages, ein Verbindungsausschuss für die Eisenlegierungsindustrie, gemäß Artikel 11 Absatz 2 der Grundverordnung die Überprüfung der auslaufenden Maßnahmen gegenüber Einfuhren aus Brasilien, China, Kasachstan, Russland, der Ukraine und Venezuela.

6.
    Nach Konsultationen im Beratenden Ausschuss kam die Kommission zu dem Schluss, dass genügend Beweise vorlagen, um eine Überprüfung nach Artikel 11 Absatz 2 der Grundverordnung einzuleiten, veröffentlichte eine Bekanntmachung über die Einleitung eines solchen Verfahrens im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (ABl. 1998, C 382, S. 9) und leitete die Untersuchung ein. Die Dumpinguntersuchung betraf den Zeitraum vom 1. Oktober 1997 bis 30. September 1998. Die Schadensuntersuchung bezog sich auf den Zeitraum von 1994 bis zum Ende des Untersuchungszeitraums.

7.
    Am 21. Februar 2001 erließ die Kommission den Beschluss 2001/230/EG zur Einstellung des Antidumpingverfahrens betreffend die Einfuhren von Ferrosilicium mit Ursprung in Brasilien, der Volksrepublik China, Kasachstan, Russland, der Ukraine und Venezuela (ABl. L 84, S. 36, im Folgenden: streitiger Beschluss).

Der streitige Beschluss

8.
    Im streitigen Beschluss wird dargelegt, dass die Überprüfung die Kommission zu dem Schluss veranlasst hat, dass bei den Ferrosiliciumeinfuhren aus China, Kasachstan, Russland und der Ukraine das Außerkrafttreten der Maßnahmen ein Anhalten oder erneutes Auftreten des Dumpings oder der Schädigung begünstigen würde.

9.
    Der Erwägungsgrund 129 des streitigen Beschlusses lautet wie folgt:

„Angesichts der Feststellungen zur Wahrscheinlichkeit eines Anhaltens oder erneuten Auftretens von Dumping sowie der Feststellung, dass das Volumen der gedumpten Einfuhren mit Ursprung in China, Kasachstan, Russland und der Ukraine im Falle eines Außerkrafttretens der Maßnahmen beträchtlich ansteigen könnte, wird der Schluss gezogen, dass sich die Lage des Wirtschaftszweigs der Gemeinschaft verschlechtern würde. Auch wenn das Ausmaß dieser Verschlechterung schwer zu beurteilen ist, ist ein erneutes Auftreten der Schädigung angesichts der rückläufigen Preis- und Rentabilitätsentwicklung in diesem Wirtschaftszweig dennoch wahrscheinlich. Im Falle Venezuelas sollten die Maßnahmen außer Kraft treten, da eine bedeutende Schädigung unwahrscheinlich ist.“

10.
    Die Kommission prüfte sodann, ob die Aufrechterhaltung der Antidumpingmaßnahmen im Interesse der Gemeinschaft insgesamt läge. Im Rahmen dieser Beurteilung berücksichtigte sie mehrere Gesichtspunkte, nämlich erstens, dass der Wirtschaftszweig der Gemeinschaft weder in der Lage war, ausreichenden Nutzen aus den seit 1987 geltenden Maßnahmen zu ziehen, noch seinen Marktanteil verbessern konnte, nachdem andere Gemeinschaftshersteller aufgegeben hatten (Erwägungsgrund 151), und zweitens, dass die Stahlerzeuger in der Gemeinschaft die negativen Auswirkungen der Maßnahmen in Form zusätzlicher Kosten zu tragen hatten (Erwägungsgrund 152).

11.
    In den Erwägungsgründen 153 und 154 des streitigen Beschlusses kam sie zu nachstehenden Schlussfolgerungen:

„(153)    Obwohl sich die exakten Auswirkungen eines Außerkrafttretens der Maßnahmen auf den Wirtschaftszweig der Gemeinschaft nicht beurteilen lassen und angesichts der bisherigen Erfahrung nicht sicher ist, dass der Wirtschaftszweig der Gemeinschaft aus einer Aufrechterhaltung der Maßnahmen greifbaren Nutzen zieht, wird der Schluss gezogen, dass die Stahlindustrie lange die kumulierten negativen Auswirkungen der Maßnahmen hinnehmen musste und diese durch eine Aufrechterhaltung der Maßnahmen ungebührlich verlängert würden.

(154)        Daher konnte die Kommission nach einer Bewertung der Auswirkungen einer Aufrechterhaltung bzw. des Außerkrafttretens der Maßnahmen auf alle auf dem Spiel stehenden Interessen gemäß Artikel 21 der Grundverordnung eindeutig den Schluss ziehen, dass eine Aufrechterhaltung der geltenden Maßnahmen dem Interesse der Gemeinschaft zuwiderliefe. Die Maßnahmen sollten deshalb außer Kraft treten.“

12.
    Aus diesen Gründen wird im verfügenden Teil des streitigen Beschlusses das Antidumpingverfahren eingestellt, was das Außerkrafttreten der Maßnahmen hinsichtlich der überprüften Einfuhren zur Folge hatte.

Verfahren

13.
    Mit Klageschrift, die am 16. Juni 2001 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben Euroalliages, Péchiney électrométallurgie, die Vargön Alloys AB und Ferroatlántica (im Folgenden: Euroalliages u. a. oder Antragstellerinnen) nach Artikel 230 Absatz 4 EG Klage auf Nichtigerklärung des einzigen Artikels des streitigen Beschlusses erhoben.

14.
    Mit besonderem Schriftsatz, der am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Antragstellerinnen ferner beantragt, den Vollzug des streitigen Beschlusses auszusetzen, soweit dieser das Antidumpingverfahren betreffend die Einfuhren von Ferrosilicium mit Ursprung in China, Kasachstan, Russland und der Ukraine einstellt, und der Kommission aufzugeben, die durch die Verordnungen Nrn. 3359/93 und 621/94 auferlegten Antidumpingzölle wieder einzuführen, hilfsweise, der Kommission aufzugeben, von den Einführern von Ferrosilicium mit Ursprung in diesen vier Ländern zu verlangen, eine Kaution in Höhe der außer Kraft getretenen Antidumpingzölle zu hinterlegen und ihre Einfuhren registrieren zu lassen, oder weiterhin hilfsweise, der Kommission aufzugeben, von diesen Einführern zu verlangen, dass sie ihre Einfuhren registrieren lassen.

15.
    Die Kommission hat am 5. Juli 2001 zum Antrag auf einstweilige Anordnung schriftlich Stellung genommen.

16.
    Die Parteien haben am 11. Juli 2001 mündlich verhandelt.

17.
    Mit Beschluss vom 1. August 2001 in der Rechtssache T-132/01 R (Euroalliages u. a./Kommission, Slg. 2001, II-2307, im Folgenden: Beschluss vom 1. August 2001) hat der Präsident des Gerichts angeordnet, dass die Einfuhren von Ferrosilicium mit Ursprung in China, Kasachstan, Russland und der Ukraine einem Registrierungsverfahren ohne Sicherheitsleistung durch die Einführer unterworfen werden.

18.
    Mit mehreren im August 2001 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Schreiben und ausdrücklich mit Schreiben vom 30. August 2001 haben die Antragstellerinnen nach Artikel 108 der Verfahrensordnung des Gerichts die Abänderung des Tenors des Beschlusses vom 1. August 2001 im Hinblick auf eine Klarstellung der Rechtslage beantragt, die ihrer Auffassung nach zu diesem Zeitpunkt bestand.

19.
    Nach Anhörung der Kommission zu dieser Frage hat der Präsident des Gerichts den Antrag vom 30. August 2001 mit Beschluss vom 12. September 2001 in derRechtssache T-132/01 R (Kommission/Euroalliages u. a., nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht) abgewiesen und die Entscheidung über die Kosten vorbehalten.

20.
    Auf ein von der Kommission eingelegtes Rechtsmittel ist der Beschluss vom 1. August 2001 durch Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 14. Dezember 2001 in der Rechtssache C-404/01 P(R) (Kommission/Euroalliages u. a., Slg. 2001, I-10367, im Folgenden: Beschluss vom 14. Dezember 2001) aufgehoben worden. Mit diesem Beschluss ist die Rechtssache an das Gericht zurückverwiesen und die Entscheidung über die Kosten vorbehalten worden.

21.
    Im Anschluss an die Zurückverweisung an das Gericht haben Euroalliages u. a. die vertrauliche Behandlung bestimmter Angaben in den Akten gegenüber den Beteiligten beantragt, die im Verfahren vor dem Präsidenten des Gerichtshofes als Streithelfer zugelassen worden sind, also gegenüber dem Königreich Spanien, der TNC Kazchrome (im Folgenden: Kazchrome) und der Alloy 2000 SA (im Folgenden: Alloy 2000).

22.
    Der von Euroalliages u. a. gestellte Antrag auf vertrauliche Behandlung ist der Kommission am 14. Januar 2002 übermittelt worden.

23.
    Euroalliages u. a. und die Kommission haben nach Zurückverweisung der Rechtssache an das Gericht am 10. und 25. Januar 2002 schriftlich Stellung genommen.

24.
    Das Königreich Spanien, das als Streithelfer die Anträge von Euroalliages u. a. unterstützt, hat am 15. Februar 2002 Stellung genommen.

25.
    Kazchrome und Alloy 2000, die als Streithelferinnen die Anträge der Kommission unterstützen, haben ihre Stellungnahme am selben Tag eingereicht.

Anträge der Verfahrensbeteiligten nach Zurückverweisung der Rechtssache

26.
    Euroalliages u. a. beantragen,

-     die Registrierung der Einfuhren von Ferrosilicium mit Ursprung in China, Kasachstan, Russland und der Ukraine ohne Sicherheitsleistung durch die Einführer anzuordnen;

-    der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

27.
    Das Königreich Spanien beantragt,

-     die Registrierung der Einfuhren von Ferrosilicium mit Ursprung in China, Kasachstan, Russland und der Ukraine ohne Sicherheitsleistung durch die Einführer anzuordnen;

-    der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

28.
    Die Kommission beantragt,

-    den Antrag auf einstweilige Anordnung abzuweisen;

-    den Antragstellerinnen die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des ersten Verfahrens vor dem Gericht und des Rechtsmittelverfahrens vor dem Präsidenten des Gerichtshofes aufzuerlegen.

29.
    Kazchrome und Alloy 2000 beantragen,

-    den Antrag auf einstweilige Anordnung abzuweisen;

-    den Antragstellerinnen die Kosten der Streithilfe von Kazchrome und Alloy 2000 einschließlich der Kosten ihrer Streithilfe im Rechtsmittelverfahren vor dem Präsidenten des Gerichtshofes aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

30.
    Nach den Artikeln 242 EG und 243 EG in Verbindung mit Artikel 4 des Beschlusses 88/591/EGKS, EWG, Euratom des Rates vom 24. Oktober 1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 319, S. 1) in der Fassung des Beschlusses 93/350/Euratom, EGKS, EWG des Rates vom 8. Juni 1993 (ABl. L 144, S. 21) kann das Gericht, wenn es dies den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung der angefochtenen Handlung aussetzen oder die erforderlichen einstweiligen Anordnungen treffen.

31.
    Nach Artikel 104 § 2 der Verfahrensordnung müssen Anträge auf einstweilige Anordnung die Umstände anführen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt; ferner ist die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen (Fumus boni iuris). Diese Voraussetzungen bestehen kumulativ, so dass ein Antrag auf einstweilige Anordnung abzuweisen ist, sofern eine Voraussetzung nicht vorliegt (Beschlüsse des Präsidenten des Gerichtshofes vom 14. Oktober 1996 in der Rechtssache C-268/96 P[R], SCK und FNK/Kommission, Slg. 1996, I-4971, Randnr. 30, und des Präsidenten des Gerichts vom 1. Februar 2001 in der Rechtssache T-350/00 R, Free Trade Foods/Kommission, Slg. 2001, II-493, Randnr. 32).

32.
    Angesichts des Akteninhalts ist der Richter der einstweiligen Anordnung der Auffassung, dass er über alle erforderlichen Angaben verfügt, um über den vorliegenden Antrag entscheiden zu können, ohne dass es zweckdienlich wäre, die Verfahrensbeteiligten erneut mündlich anzuhören.

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten nach der Zurückverweisung

33.
    Euroalliages u. a. tragen vor, durch den Beschluss vom 14. Dezember 2001 werde ihr Recht auf einstweilige Anordnungen im vorliegende Fall nicht in Frage gestellt.

34.
    Wie sich aus diesem Beschluss (Randnrn. 68, 71 und 75) ergebe, liege der im Beschluss vom 1. August 2001 begangene Rechtsfehler darin, dass „ausschließlich“ aus der ungewissen Erfolgsaussicht einer eventuellen Schadensersatzklage auf den irreparablen Charakter des Schadens geschlossen worden sei.

35.
    Nach Auffassung der Antragstellerinnen beruhte der irreparable Charakter des Schadens jedoch nicht allein auf dieser Ungewissheit, sondern auf drei besonderen Umständen des Falles, die in den Randnummern 71 bis 74 des Beschlusses vom 1. August 2001 erwähnt seien und zu denen diese Ungewissheit zähle.

36.
    Was zunächst die im streitigen Beschluss erwähnten Einfuhren angehe, so sei die Gefahr, dass die Antragstellerinnen bei Außerkrafttreten der Antidumpingmaßnahmen einen schweren Schaden erlitten, vom Präsidenten des Gerichtshofes nicht in Frage gestellt worden. Da nicht jeder bedeutende Schaden im Sinne des Artikels 3 der Grundverordnung unbedingt auch einen schweren Schaden darstelle (Randnr. 59 des Beschlusses vom 14. Dezember 2001), mache die Anerkennung eines schweren Schadens die Situation der Antragstellerinnen einzigartig und bedeute, dass der Schaden von solchem Gewicht sei, dass er sich kaum wieder gutmachen lasse. Zudem sei die Anerkennung der Schwere des Schadens im streitigen Beschluss selbst äußerst selten.

37.
    Sodann tragen die Antragstellerinnen unter Bezugnahme auf Randnummer 72 des Beschlusses vom 1. August 2001 vor, dass sich der streitige Beschluss insofern tatsächlich von anderen auf das Gemeinschaftsinteresse gestützten Beschlüssen über die Einstellung von Überprüfungen unterscheide, als darin, wie der Präsident des Gerichts erwähnt habe, das Anhalten des Dumpings angeführt werde. Der Beschluss vom 1. August 2001 verweise implizit auf den Erwägungsgrund 129 des streitigen Beschlusses, wonach die Gefahr der Verschlechterung die „Lage“ des Wirtschaftszweigs der Gemeinschaft insgesamt betreffe. Zudem nehme die Kommission im Erwägungsgrund 147 des streitigen Beschlusses für den Fall des Außerkrafttretens der Maßnahmen um 15 % fallende Ferrosiliciumpreise als wahrscheinlich an, was diesen Beschluss mit charakterisiere. Die Schlussfolgerungen der Kommission hinsichtlich des bedeutenden Anstiegs der Einfuhren und der fallenden Preise seien bestätigt worden. Nach den vom Statistischen Amt der Europäischen Gemeinschaften (Eurostat) gelieferten Daten seien nämlich die Einfuhrmengen in Bezug auf Kasachstan, Russland und der Ukraine von 1 739 Tonnen im ersten Quartal 2001 auf 9 354 Tonnen im zweiten Quartal 2001 gestiegen und würden für das dritte Quartal auf 18 469 Tonnen geschätzt. Der Durchschnittspreis der aus diesen drei Ländern stammenden Einfuhren habe im ersten Quartal 2001 um 28,14 % unter dem innergemeinschaftlichen Durchschnittspreis und um 23,7 % unter dem Durchschnittspreis der anderen aus Drittstaaten stammenden Einfuhren gelegen. Der erlittene Schaden sei demzufolge besonders schwer und damit kaum wieder gutzumachen.

38.
    Schließlich sei der Umstand in Bezug auf die Ungewissheit einer möglichen Wiedergutmachung des Schadens aufgrund einer Schadensersatzklage vom Präsidenten des Gerichtshofes nicht als solcher in Frage gestellt worden. Dies sei nur insoweit der Fall gewesen, als der Schluss auf den irreparablen Charakter des Schadens offenbar „ausschließlich“ darauf beruht habe, was die Antragstellerinnen bestreiten.

39.
    Das Königreich Spanien teilt weitgehend die Argumentation der Antragstellerinnen. Seiner Ansicht nach wird durch den Beschluss vom 14. Dezember 2001 das Recht der Antragstellerinnen auf eine einstweilige Anordnung nicht in Frage gestellt. Insbesondere sei der schwere und irreparable Charakter des Schadens vor allem angesichts der in der Phase vor Erlass des streitigen Beschlusses mitgeteilten Zahlen und des bedeutenden Anstiegs des Volumens der Ferrosiliciumeinfuhren aus Kasachstan nach Spanien seit Erlass dieses Beschlusses nachgewiesen.

40.
    Die Kommission widerspricht der Argumentation der Antragstellerinnen.

41.
    Im Einzelnen trägt sie erstens vor, die Antragstellerinnen hätten nicht angegeben, inwieweit der Schaden, der sich aus einem Beschluss über die Einstellung einer Überprüfung ergebe, der mit der Begründung erlassen worden sei, dass die Beibehaltung der Antidumpingmaßnahmen nicht im Interesse der Gemeinschaft liege, nicht die notwendige Folge eines solchen Beschlusses sei.

42.
    Sie ist zweitens der Auffassung, die Antragstellerinnen hätten nicht auf der Grundlage eines anderen Kriteriums als desjenigen des ungewissen Erfolges einer eventuellen Schadensersatzklage, das der Präsident des Gerichtshofes abgelehnt habe, nachgewiesen, inwieweit ihr finanzieller Schaden nicht oder kaum wieder gutzumachen sei.

43.
    Kazchrome und Alloy 2000 schließen sich der Analyse der Kommission an. Sie fügen hinzu, dass keine der Antragstellerinnen etwas Neues vorgetragen oder den Ansatz eines Beweises für den behaupteten Schaden erbracht habe, so dass nicht auf den schweren und irreparablen Charakter dieses Schadens geschlossen werden könne. Was speziell die Schwere des Schadens betreffe, so könne nicht angenommen werden, dass die Kommission sie im streitigen Beschluss anerkannt habe. Im Übrigen machen sie geltend, der Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung habe endgültige Wirkungen und laufe einem korrekten Ausgleich der widerstreitenden Interessen zuwider.

Würdigung durch den Richter der einstweiligen Anordnung

44.
    Die Dringlichkeit eines Antrags auf einstweilige Anordnung ist danach zu beurteilen, ob eine vorläufige Entscheidung erforderlich ist, um zu verhindern, dass dem Antragsteller ein schwerer und nicht wieder gutzumachender Schaden entsteht.

45.
    In seinem Beschluss vom 1. August 2001 war der Präsident des Gerichts der Auffassung, dass die Voraussetzung der Dringlichkeit erfüllt sei. Die Gründe dieses Beschlusses, die die Voraussetzung der Dringlichkeit betreffen, sind im Wesentlichen in den Randnummern 26 bis 28 des Beschlusses vom 14. Dezember 2001 wiedergegeben, auf den daher Bezug zu nehmen ist. Es ist jedoch hervorzuheben, dass festgestellt worden war, dass der den Antragstellerinnen entstandene Schaden im Hinblick auf drei besondere Umstände des konkreten Falles irreparablen Charakter aufweise (Randnrn. 70 und 75 des Beschlusses vom 1. August 2001), nämlich erstens weil die Kommission im streitigen Beschluss die Tatsache anerkannt habe, dass die Antragstellerinnen Gefahr liefen, im Fall des Auslaufens der Antidumpingmaßnahmen einen schweren Schaden zu erleiden (Randnr. 71 des Beschlusses vom 1. August 2001), zweitens weil die Kommission im streitigen Beschluss auf ein wahrscheinliches Wiederauftreten der Schädigung, verbunden mit einem wahrscheinlichen Anhalten oder Wiederauftreten des Dumpings im Fall des Auslaufens der Maßnahmen, geschlossen habe (Randnr. 72 des Beschlusses vom 1. August 2001) und drittens weil ein Ersatz des Schadens, der nicht einfach dadurch beseitigt werde, dass die Kommission ein den streitigen Beschluss für nichtig erklärendes Urteil durchführe, nach den Artikeln 235 EG und 288 EG zumindest ungewiss sei (Randnrn. 73 und 74 des Beschlusses vom 1. August 2001).

46.
    Die Beurteilung von zwei (Randnr. 64 des Beschlusses vom 14. Dezember 2001) der drei Umstände ist vom Präsidenten des Gerichtshofes als rechtsfehlerhaft zurückgewiesen worden.

47.
    Dieser vertritt zunächst die Auffassung, dass, „wenn eine Entscheidung zur Einstellung der Überprüfung von Antidumpingmaßnahmen mit der Begründung erlassen [werde], die Aufrechterhaltung dieser Maßnahmen liege nicht im Interesse der Gemeinschaft, der daraus für den Wirtschaftszweig der Gemeinschaft erwachsende Schaden eine Auswirkung darstell[e], die mit einer derartigen Entscheidung untrennbar verbunden [sei]“ (Randnr. 66).

48.
    Er führt sodann aus, dass „die Ungewissheit, die mit dem Ersatz eines finanziellen Schadens im Rahmen einer eventuellen Schadensersatzklage verbunden [sei], selbst nicht als ein Umstand angesehen werden [könne], der im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes die Irreparabilität eines solchen Schadens darzutun [vermöge]“ (Randnr. 71).

49.
    Er gelangt schließlich zu der Schlussfolgerung, dass „der ... Beschluss [vom 1. August 2001] dadurch mit einem Rechtsfehler behaftet [sei], dass sich darin die Feststellung, dass der Schaden nicht wieder gutzumachen sei und mithin einstweilige Anordnungen zu erlassen seien, ausschließlich auf die Ungewissheit des Erfolges einer eventuellen Schadensersatzklage unter Berücksichtigung der Natur der streitigen Entscheidung stütz[e]“ (Randnr. 75).

50.
    Angesichts der Erwägungen des Präsidenten des Gerichtshofes ist zu prüfen, ob der von den Antragstellerinnen behauptete finanzielle Schaden irreparablen Charakter hat.

51.
    Insoweit ist daran zu erinnern, dass der Präsident des Gerichts vor der Berücksichtigung der drei erwähnten Umstände auf die Rechtsprechung hingewiesen hat, nach der ein finanzieller Schaden nur unter außergewöhnlichen Umständen als nicht oder auch nur schwer wieder gutzumachender Schaden angesehen werden kann, da ein späterer finanzieller Ausgleich möglich ist (insbesondere Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 11. April 2001 in der Rechtssache 471/00 P[R], Kommission/Cambridge Healthcare Supplies, Slg. 2001, I-2865, Randnr. 113). Ein solcher späterer finanzieller Ausgleich ergibt sich entweder daraus, dass das betreffende Organ das in der Hauptsache ergangene Nichtigkeitsurteil durchführt (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 14. Oktober 1977 in den Rechtssachen 113/77 R und 113/77 R-INT, NTN TOYO Bearing/Rat, Slg. 1977, 1721, Randnr. 5), oder, wenn dies nicht oder nur teilweise der Fall ist, aus einem Schadensersatz über den in den Artikeln 235 EG und 288 EG vorgesehenen Rechtsbehelf (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 26. September 1988 in der Rechtssache 229/88 R, Cargill u. a./Kommission, Slg. 1988, 5183, Randnr. 18). Da der Präsident des Gerichts im vorliegenden Fall der Auffassung war, dass keine dieser beiden Möglichkeiten den tatsächlichen Ausgleich des finanziellen Schadens erlauben würde, stellte er unter Berücksichtigung der beiden anderen speziellen Umstände fest, dass der Ersatz dieses Schadens nach Erlass des Endurteils zumindest ungewiss sei.

52.
    Aus Randnummer 70 des Beschlusses vom 14. Dezember 2001 ergibt sich jedoch, dass der Gerichtshof in seinen Beschlüssen im Verfahren der einstweiligen Anordnung zwar mehrfach festgestellt hat, dass ein finanzieller Ausgleich im Rahmen einer vom Antragsteller erhobenen Schadensersatzklage erlangt werden könne, dass er aber „niemals die konkreten Erfolgsaussichten einer eventuellen Schadensersatzklage geprüft [hat], die im Fall der Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung erhoben werden könnte“. Aus dieser Randnummer 70 folgt, dass die bloße Möglichkeit der Erhebung einer Schadensersatzklage ausreicht, um den grundsätzlich reparablen Charakter eines finanziellen Schadens zu belegen. Im vorliegenden Verfahren der einstweiligen Anordnung ist deshalb die ungewisse Erfolgsaussicht einer eventuellen Schadensersatzklage - die die Antragstellerinnen erheben könnten, wenn die angefochtene Handlung für nichtig erklärt wird - nicht zu berücksichtigen, um festzustellen, ob der finanzielle Schaden, der den Antragstellerinnen entstehen wird, reparablen oder irreparablen Charakter hat.

53.
    Im Hinblick auf das Vorbringen der Antragstellerinnen, mit dem die Dringlichkeit nachgewiesen werden soll, folgt daraus, dass dieser Schaden im vorliegenden Fall nur dann irreparablen Charakter hat, wenn sich erweist, dass sich Euroalliages u. a., sofern die nach der Zurückverweisung beantragte einstweilige Anordnung nicht erlassen wird, in einer Lage befänden, die ihre Existenz vor Erlass des Endurteils gefährden könnte. Da der Zweck des Verfahrens der einstweiligen Anordnungnämlich darin besteht, „die volle Wirksamkeit der künftigen Endentscheidung zu gewährleisten, um eine Lücke in dem vom [Gemeinschaftsrichter] gewährten Rechtsschutz zu verhindern“ (Beschluss vom 14. Dezember 2001, Randnr. 61), ist diese volle Wirksamkeit als gewährleistet anzusehen, wenn die Antragstellerinnen den finanziellen Schaden bis zum Zeitpunkt der richterlichen Entscheidung in der Hauptsache tragen können.

54.
    Im vorliegenden Fall ist daher zu prüfen, ob die Antragstellerinnen nachgewiesen haben, dass ihre Existenz bis zum Endurteil bedroht wäre, wenn die Durchführung des streitigen Beschlusses nicht ausgesetzt würde.

55.
    Dazu ist zu bemerken, dass die Antragstellerinnen die in den Randnummern 67 und 69 des Beschlusses vom 1. August 2001 enthaltenen Gründe, bei denen kein Rechtsfehler festgestellt wurde, nicht in Frage stellen.

56.
    Daher ist erneut festzustellen, dass den Antragstellerinnen nicht der Nachweis gelungen ist, dass ihre finanzielle Lebensfähigkeit derart beeinträchtigt wäre, dass Rationalisierungsmaßnahmen nicht genügen würden, um ihnen die Fortsetzung ihrer Tätigkeit der Ferrosiliciumherstellung bis zum Erlass des Endurteils zu erlauben.

57.
    Zudem können nach feststehender Rechtsprechung bei der Beurteilung der materiellen Situation eines Antragstellers u. a. auch die Merkmale des Konzerns berücksichtigt werden, zu dem er aufgrund seiner Kapitalbeteiligung gehört (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 15. April 1998 in der Rechtssache C-43/98 P[R], Camar/Kommission und Rat, Slg. 1998, I-1815, Randnr. 36, und Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 30. Juni 1999 in der Rechtssache T-13/99 R, Pfizer Animal Health/Rat, Slg. 1999, II-1961, Randnr. 155).

58.
    In dieser Hinsicht haben die Antragstellerinnen in der mündlichen Verhandlung vom 11. Juli 2001 das Vorbringen der Kommission nicht entkräftet, wonach zum einen jede von ihnen einem bedeutenden Konzern angehört und zum anderen ihr Umsatz beim Verkauf von Ferrosilicium im Durchschnitt weniger als 20 % des Gesamtumsatzes der Konzerne, zu denen sie gehören, ausmacht. Unter diesen Umständen könnten die finanziellen Verluste, die den Antragstellerinnen aufgrund der Durchführung des streitigen Beschlusses entstünden, wahrscheinlich innerhalb des Konzerns durch die Vorteile infolge der Verkäufe anderer Erzeugnisse ausgeglichen werden (in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 11. April 2001 in der Rechtssache C-477/00 P[R], Kommission/Roussel und Roussel Diamant, Slg. 2001, I-3037, Randnr. 105) und sind deshalb nicht geeignet, ihre Existenz zu gefährden.

59.
    Da die Voraussetzung der Dringlichkeit nicht vorliegt, ist der Antrag auf einstweilige Anordnung abzuweisen.

Aus diesen Gründen

hat

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

beschlossen:

1.    Der Antrag auf einstweilige Anordnung wird abgewiesen.

2.    Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 27. Februar 2002

Der Kanzler

Der Präsident

H. Jung

B. Vesterdorf


1: Verfahrenssprache: Französisch.

Slg.