Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer) vom 20. Juni 2022 (Vorabentscheidungsersuchen des High Court of Justice [England & Wales], Queen’s Bench Division [Commercial Court] – Vereinigtes Königreich) – London Steam-Ship Owners’ Mutual Insurance Association Limited/Königreich Spanien
(Rechtssache C-700/20)1
(Vorlage zur Vorabentscheidung – Justizielle Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen – Verordnung [EG] Nr. 44/2001 – Anerkennung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung – Gründe für die Nichtanerkennung – Art. 34 Nr. 3 – Entscheidung, die mit einer zuvor in dem Mitgliedstaat, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, zwischen denselben Parteien ergangenen Entscheidung unvereinbar ist – Voraussetzungen – Beachtung der Bestimmungen und der grundlegenden Ziele der Verordnung Nr. 44/2001 durch die zuvor entsprechend einem Schiedsspruch ergangene Entscheidung – Art. 34 Nr. 1 – Anerkennung, die der öffentlichen Ordnung des Mitgliedstaats, in dem sie geltend gemacht wird, offensichtlich widersprechen würde – Voraussetzungen)
Verfahrenssprache: Englisch
Vorlegendes Gericht
High Court of Justice (England & Wales), Queen’s Bench Division (Commercial Court)
Parteien des Ausgangsverfahrens
Klägerin: London Steam-Ship Owners’ Mutual Insurance Association Limited
Beklagter: Königreich Spanien
Tenor
Art. 34 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass ein von einem Gericht eines Mitgliedstaats entsprechend einem Schiedsspruch erlassenes Urteil keine Entscheidung im Sinne dieser Bestimmung darstellt, wenn eine Entscheidung, die zu einem Ergebnis führt, das dem betreffenden Schiedsspruch entspricht, von einem Gericht dieses Mitgliedstaats nicht ohne Missachtung der Bestimmungen und der grundlegenden Ziele dieser Verordnung, insbesondere der relativen Wirkung einer in einen Versicherungsvertrag aufgenommenen Schiedsklausel und der Vorschriften über die Rechtshängigkeit in Art. 27 dieser Verordnung, hätte erlassen werden können. In diesem Fall kann das betreffende Urteil in diesem Mitgliedstaat der Anerkennung einer von einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats erlassenen Entscheidung nicht entgegenstehen.
Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 ist dahin auszulegen, dass in dem Fall, dass Art. 34 Nr. 3 dieser Verordnung auf ein Urteil entsprechend einem Schiedsspruch nicht anwendbar ist, die Anerkennung oder Vollstreckung einer Entscheidung aus einem anderen Mitgliedstaat nicht mit der Begründung versagt werden darf, dass diese Entscheidung im Widerspruch zur öffentlichen Ordnung stehe, weil sie die Rechtskraft dieses Urteils missachte.
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1 ABl. C 110 vom 29.3.2021.