Language of document : ECLI:EU:T:2023:816

BESCHLUSS DES GERICHTS (Fünfte Kammer)

11. Dezember 2023(*)

„Nichtigkeitsklage – Humanarzneimittel – Richtlinie 2001/83/EG – Genehmigung für das Inverkehrbringen des Arzneimittels Spikevax – Covid-19‑Impfstoff – Fehlendes Rechtsschutzinteresse – Keine unmittelbare Betroffenheit – Keine individuelle Betroffenheit – Unzulässigkeit“

In der Rechtssache T‑108/23,

UY, vertreten durch Rechtsanwältin R. Holzeisen,

Kläger,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch E. Mathieu und M. Noll-Ehlers als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten J. Svenningsen, des Richters J. Laitenberger (Berichterstatter) und der Richterin M. Stancu,

Kanzler: V. Di Bucci,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens, insbesondere

–        der Einrede der Unzulässigkeit, die die Kommission mit am 11. Mai 2023 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem gesondertem Schriftsatz erhoben hat,

–        des Antrags auf Zulassung zur Streithilfe zur Unterstützung der Anträge der Kommission, den das Parlament am 21. Juni 2023 gestellt hat,

folgenden

Beschluss

1        Mit seiner Klage nach Art. 263 AEUV beantragt der Kläger, UY, erstens die Nichtigerklärung des Durchführungsbeschlusses C(2022) 7163 final der Kommission vom 3. Oktober 2022 zur Erteilung einer Zulassung für das Humanarzneimittel Spikevax – Elasomeran gemäß der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung des Beschlusses C(2021) 94 final, zweitens die Nichtigerklärung des Durchführungsbeschlusses C(2021) 5686 final der Kommission vom 23. Juli 2021 über die Änderung der mit dem Durchführungsbeschluss C(2021) 94 final vom 6. Januar 2021 erteilten bedingten Zulassung des Humanarzneimittels „Spikevax – COVID-19-mRNA‑Impfstoff (Nukleosid-modifiziert)“, drittens die Nichtigerklärung des Durchführungsbeschlusses C(2021) 94 final über die Erteilung einer bedingten Zulassung für das Humanarzneimittel „COVID-19 Vaccine Moderna – COVID-19-mRNA‑Impfstoff (Nukleosid-modifiziert)“ gemäß der Verordnung (EG) Nr. 726/2004, viertens die Nichtigerklärung von Anhang I Teil IV Abschnitt 2.1 letzter Satz der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. 2001, L 311, S. 67) und fünftens die Nichtigerklärung des Anhangs der Richtlinie 2009/120/EG der Kommission vom 14. September 2009 zur Änderung der Richtlinie 2001/83 im Hinblick auf Arzneimittel für neuartige Therapien (ABl. 2009, L 242, S. 3).

I.      Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Am 6. November 2001 erließen das Parlament und der Rat die Richtlinie 2001/83, in deren Anhang I die genauen wissenschaftlichen und technischen Anforderungen an Prüfungen von Humanarzneimitteln festgelegt sind, anhand derer die Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit eines Arzneimittels zu beurteilen sind. Anhang I der Richtlinie 2001/83 wurde durch die Richtlinie 2009/120 geändert, um dem wissenschaftlichen und technischen Fortschritt bei neuartigen Therapien Rechnung zu tragen. So wurde mit der Richtlinie 2009/120 u. a. die Begriffsbestimmung der Gentherapeutika in Anhang I Teil IV Abschnitt 2.1 der Richtlinie 2001/83 geändert. Der letzte Satz dieses Abschnitts schließt Impfstoffe gegen Infektionskrankheiten von dieser Begriffsbestimmung aus.

3        Am 6. Januar 2021 erließ die Kommission auf Antrag der Moderna Biotech Spain SL (im Folgenden: Moderna) und nach Stellungnahme des Ausschusses für Humanarzneimittel der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) den Durchführungsbeschluss C(2021) 94 final, mit dem sie dem Humanarzneimittel „COVID-19 Vaccine Moderna – COVID-19-mRNA‑Impfstoff (Nukleosid-modifiziert)“ eine bedingte Zulassung gemäß der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Unionsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur (ABl. 2004, L 136, S. 1) erteilte (im Folgenden: bedingte Erstzulassung).

4        Am 22. Juni 2021 erließ die Kommission auf einen Antrag gemäß Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 1234/2008 der Kommission vom 24. November 2008 über die Prüfung von Änderungen der Zulassungen von Human- und Tierarzneimitteln (ABl. 2008, L 334, S. 7) und nach einer Stellungnahme der EMA den Durchführungsbeschluss C(2021) 5686 final, mit dem sie die bedingte Erstzulassung dahin änderte, dass das Arzneimittel „Spikevax – COVID-19-mRNA‑Impfstoff (Nukleosid-modifiziert)“ auch bei Personen ab zwölf Jahren zur aktiven Immunisierung zur Vorbeugung von Covid-19 verursacht durch SARS-CoV-2 angewendet wird (im Folgenden: geänderte bedingte Zulassung).

5        Am 3. Oktober 2022 erließ die Kommission nach einer Stellungnahme der EMA den Durchführungsbeschluss C(2022) 7163 final, mit dem gemäß seinem Art. 5 der Durchführungsbeschluss C(2021) 94 final, mit dem die bedingte Erstzulassung erteilt wurde, aufgehoben und ersetzt wurde. Im Einzelnen wurde mit dem Durchführungsbeschluss C(2022) 7163 final in seinem zweiten Erwägungsgrund festgestellt, dass die spezifischen Auflagen der bedingten Erstzulassung erfüllt seien, und nach seinem Art. 1 für das Arzneimittel Spikevax – Elasomeran (im Folgenden: Spikevax) eine Zulassung gemäß Art. 3 der Verordnung Nr. 726/2004 erteilt, die keinen spezifischen Auflagen unterliegt. Anhang I des Durchführungsbeschlusses C(2022) 7163 final enthält die Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels Spikevax.

6        Nach Art. 2 des Durchführungsbeschlusses C(2022) 7163 final unterliegt die Zulassung für das Arzneimittel Spikevax weiterhin der Erfüllung der in Anhang II des Beschlusses aufgeführten Bedingungen, insbesondere für die Herstellung, die Einfuhr, die Kontrolle und die Abgabe.

7        Nach Art. 4 des Durchführungsbeschlusses C(2022) 7163 final beträgt die Gültigkeitsdauer der Zulassung für das Arzneimittel Spikevax fünf Jahre ab dem Tag der Bekanntgabe dieses Beschlusses.

8        Gemäß Art. 6 des Durchführungsbeschlusses C(2022) 7163 final ist dieser an Moderna gerichtet.

II.    Anträge der Parteien

9        Der Kläger beantragt,

–        den Durchführungsbeschluss C(2022) 7163 final für nichtig zu erklären;

–        den Durchführungsbeschluss C(2021) 5686 final für nichtig zu erklären;

–        den Durchführungsbeschluss C(2021) 94 final für nichtig zu erklären;

–        Anhang I Teil IV Abschnitt 2.1 letzter Satz der Richtlinie 2001/83 für nichtig zu erklären;

–        den Anhang der Richtlinie 2009/120 für nichtig zu erklären.

10      Die Kommission beantragt,

–        die Klage als unzulässig abzuweisen;

–        dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

III. Rechtliche Würdigung

A.      Vorbringen der Parteien

11      Die Kommission macht in ihrer Einrede der Unzulässigkeit geltend, die Klage sei gegenstandslos, soweit der Kläger die Nichtigerklärung des Durchführungsbeschlusses C(2021) 94 final beantrage, der durch den Durchführungsbeschluss C(2022) 7163 final aufgehoben und ersetzt worden sei. Gleiches gelte für den Durchführungsbeschluss C(2021) 5686 final, der lediglich zum Gegenstand gehabt habe, die Anhänge des Durchführungsbeschlusses C(2021) 94 final zu ändern. Darüber hinaus verkenne der Kläger die Natur der nach dem in der Verordnung Nr. 726/2004 vorgesehenen zentralen Verfahren erlassenen Durchführungsbeschlüsse zur Zulassung eines Arzneimittels. In Bezug auf diese Beschlüsse habe der Kläger kein Rechtsschutzinteresse. Außerdem fehle dem Kläger die Befugnis, Klage gegen Durchführungsbeschlüsse zu erheben, mit denen ein Humanarzneimittel zugelassen werde. Des Weiteren handele es sich bei den Durchführungsbeschlüssen nicht um Rechtsakte mit Verordnungscharakter im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV.

12      Soweit die Klage auf die teilweise Nichtigerklärung der Richtlinien 2001/83 und 2009/120 gerichtet sei, erkläre der Kläger nicht, inwiefern die angeführten Vorschriften ihn und seine Kinder beschwerten. Daher habe er in Bezug auf diese Richtlinien weder ein Rechtsschutzinteresse noch eine Klagebefugnis dargetan. Jedenfalls sei die Klage nicht innerhalb der in Art. 263 Abs. 6 AEUV vorgesehenen Frist erhoben worden und daher als verfristet abzuweisen, soweit sie auf die teilweise Nichtigerklärung der Richtlinien gerichtet sei.

13      Der Kläger führt in der Klageschrift aus, Vater [vertraulich](1) minderjähriger Kinder zu sein, deren Mutter beim Landesgericht [vertraulich] ([vertraulich], Italien) Klage darauf erhoben habe, ermächtigt zu werden, die Covid-19‑Impfung ihrer gemeinsamen Kinder vorzunehmen, gegen die er sich ausgesprochen habe. Obwohl er einen entsprechenden Antrag gestellt habe, habe das Landesgericht [vertraulich] die Frage der unionsrechtlichen Rechtmäßigkeit der Zulassung für das Arzneimittel Spikevax nicht dem Gerichtshof gemäß Art. 267 AEUV im Wege der Vorabentscheidung vorgelegt. Ebenso wenig habe das Oberlandesgericht [vertraulich] (Italien), bei dem er als letztinstanzliches Gericht Berufung gegen das Urteil des Landesgerichts [vertraulich] eingelegt habe, dem Gerichtshof die Frage der Rechtmäßigkeit der Zulassung für das Arzneimittel Spikevax zur Vorabentscheidung vorgelegt. Somit sei ihm und seinen Kindern der ihnen als Unionsbürger zustehende Rechtsschutz verwehrt worden. Die besondere Dringlichkeit der Rechtssache, in der es um die Gesundheit und sogar das Leben seiner Kinder gehe, rechtfertige die vorliegende Nichtigkeitsklage, für die er nach Art. 263 AEUV klagebefugt sei.

14      In seiner Stellungnahme zur Einrede der Unzulässigkeit macht der Kläger zunächst geltend, dass sich die Klage notwendigerweise auf die Durchführungsbeschlüsse C(2021) 94 final und C(2021) 5686 final erstrecken müsse, da diese im Fall der Nichtigerklärung des Durchführungsbeschlusses C(2022) 7163 final wiederaufleben würden. Was die Natur der Durchführungsbeschlüsse zur Zulassung von Humanarzneimitteln angehe, so richteten sie sich zwar formell an den Hersteller des in Rede stehenden Arzneimittels, wendeten sich aber ebenso an Angehörige von Gesundheitsberufen, an die für die öffentliche Gesundheit zuständigen Behörden, an Patienten und an Personen, die sich impfen lassen könnten, da sie in den Anhängen Empfehlungen enthielten, die diese Akteure umzusetzen hätten. Insbesondere ist nach Ansicht des Klägers das Urteil vom 18. Dezember 2003, Olivieri/Kommission und EMEA (T‑326/99, EU:T:2003:351), auf das sich die Kommission zur Stützung ihres Vorbringens berufe, dass das Verfahren zur Zulassung eines Arzneimittels ein rein zweiseitiges Verfahren zwischen der Verwaltung und dem die Zulassung beantragenden Unternehmen sei, an dem daher ein Dritter nicht teilnehmen könne, für die vorliegende Rechtssache unerheblich. Unter diesen Umständen habe der Kläger ebenso wie seine Kinder ein Rechtsschutzinteresse in Bezug auf die Durchführungsbeschlüsse, da deren Nichtigerklärung zur Folge hätte, dass die Mutter seiner Kinder nicht mehr in der Lage wäre, ihnen gegebenenfalls mit richterlicher Ermächtigung und gegen seinen Willen das Arzneimittel Spikevax verabreichen zu lassen, das eine Gefahr für das Leben seiner Kinder darstelle.

15      Außerdem entgegnet der Kläger, er sei von den angefochtenen Durchführungsbeschlüssen, bei denen es sich um Rechtsakte mit Verordnungscharakter im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV handele, unmittelbar betroffen. Die Einstufung des Arzneimittels Spikevax in den angefochtenen Durchführungsbeschlüssen als Impfstoff habe eine allgemeine Geltung. Darüber hinaus habe diese Einstufung eine unmittelbare Wirkung, da sie dazu führe, dass bei der Zulassung des Arzneimittels die für Gentherapeutika geltenden Zulassungsvoraussetzungen nicht eingehalten werden müssten. Insbesondere seien wegen der Einstufung des Arzneimittels Spikevax als Impfstoff weder Gentoxizitäts- noch Karzinogenitätsstudien für die Erteilung einer Zulassung erforderlich. Angesichts dieser Mängel im Verfahren zur Zulassung des Arzneimittels Spikevax seien die Unionsbürger daher in Bezug auf dessen Wirksamkeit und Sicherheit getäuscht worden, was eine Verletzung ihrer Grundrechte auf Leben, Gesundheit und Würde darstelle. Schließlich würden die allgemeine Geltung und die unmittelbare Wirkung der Durchführungsbeschlüsse im Übrigen durch ihre Anhänge verdeutlicht, die Empfehlungen und Anweisungen im Zusammenhang mit der Anwendung des Arzneimittels Spikevax enthielten und sich an Angehörige von Gesundheitsberufen, die das in Rede stehende Arzneimittel verabreichten, sowie an Personen, die bereit seien, es sich verabreichen zu lassen, richteten.

16      In Bezug auf die angefochtenen Vorschriften der Richtlinien 2001/83 und 2009/120 macht der Kläger in seiner Stellungnahme zur Einrede der Unzulässigkeit geltend, dass sie ihn und seine Kinder insoweit beschwerten, als die Richtlinie 2009/120 die Richtlinie 2001/83 geändert habe, um Impfstoffe gegen Infektionskrankheiten von der Begriffsbestimmung der Gentherapeutika in Anhang I Teil IV Abschnitt 2.1 dieser Richtlinie auszunehmen. In diesem Zusammenhang habe die fehlerhafte Einstufung des Arzneimittels Spikevax als Impfstoff dazu geführt, dass bestimmte strenge Voraussetzungen für die Zulassung von Gentherapeutika nicht angewandt worden seien, und zwar zulasten der Gesundheit und des Lebens der Unionsbürger. Unter diesen Umständen hätten er und seine Kinder auch in Bezug auf diese Vorschriften ein Rechtsschutzinteresse. Des Weiteren seien sie von den Vorschriften unmittelbar betroffen. Zum Vorbringen der Kommission, der Kläger habe die gesetzliche Frist für die Anfechtung der streitigen Vorschriften der Richtlinien 2001/83 und 2009/120 nicht eingehalten, macht er im Wesentlichen geltend, die ihnen anhaftende Rechtswidrigkeit sei so offensichtlich, dass das Gericht in der Lage sein müsse, sie von Amts wegen festzustellen.

B.      Würdigung durch das Gericht

17      Gemäß Art. 130 Abs. 1 und 7 der Verfahrensordnung kann das Gericht auf Antrag des Beklagten vorab über die Unzulässigkeit oder die Unzuständigkeit entscheiden. Nachdem die Kommission beantragt hat, über die Unzulässigkeit zu entscheiden, beschließt das Gericht, da es sich durch die Aktenstücke für hinreichend unterrichtet hält, im vorliegenden Fall ohne Fortsetzung des Verfahrens über diesen Antrag zu entscheiden.

1.      Zulässigkeit der Klage, soweit sie gegen die Richtlinien 2001/83 und 2009/129 gerichtet ist

18      Gemäß Art. 263 Abs. 6 AEUV ist eine Nichtigkeitsklage binnen zwei Monaten zu erheben; diese Frist läuft je nach Lage des Falles von der Bekanntgabe der angefochtenen Handlung, ihrer Mitteilung an den Kläger oder in Ermangelung dessen von dem Zeitpunkt an, zu dem der Kläger von dieser Handlung Kenntnis erlangt hat. Nach Art. 59 der Verfahrensordnung ist eine Frist für die Erhebung einer Klage gegen eine Handlung eines Organs, die mit der Veröffentlichung der Handlung im Amtsblatt der Europäischen Union beginnt, vom Ablauf des 14. Tages nach dieser Veröffentlichung an zu berechnen. Nach Art. 60 der Verfahrensordnung wird diese Frist außerdem um eine pauschale Entfernungsfrist von zehn Tagen verlängert.

19      Diese Klagefrist ist zwingendes Recht und von den Unionsgerichten so anzuwenden, dass die Rechtssicherheit und die Gleichheit der Rechtsbürger vor dem Gesetz gewährleistet sind. Es ist daher Sache des Gerichts, gegebenenfalls von Amts wegen zu prüfen, ob diese Frist gewahrt wurde (vgl. Urteil vom 9. Juli 2014, Al-Tabbaa/Rat, T‑329/12 und T‑74/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:622, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

20      Da die Richtlinien 2001/83 und 2009/120 am 28. November 2001 bzw. am 15. September 2009 im Amtsblatt veröffentlicht wurden, sind die Fristen für Klagen auf Nichtigerklärung dieser Richtlinien am 22. Februar 2002 bzw. am 9. Dezember 2009 abgelaufen. Die vorliegende, am 22. Februar 2023 erhobene Klage ist somit verspätet.

21      In Anbetracht des in der in Rn. 19 angeführten Rechtsprechung hervorgehobenen zwingenden Charakters der Klagefristen kann das Vorbringen, die Richtlinien 2001/83 und 2009/120 seien offensichtlich rechtswidrig, nicht dazu führen, dass die vorliegende Klage für zulässig erklärt wird, soweit sie trotz des Ablaufs der Klagefristen gegen diese Richtlinien gerichtet ist.

22      Folglich ist die vorliegende Klage als unzulässig abzuweisen, soweit sie die Richtlinien 2001/83 und 2009/120 betrifft.

2.      Zulässigkeit der Klage, soweit sie gegen die Durchführungsbeschlüsse C(2021) 94 final und C(2021) 5686 final gerichtet ist

23      Was den Durchführungsbeschluss C(2021) 94 final in der durch den Durchführungsbeschluss C(2021) 5686 final geänderten Fassung betrifft, so steht fest, dass er durch den Durchführungsbeschluss C(2022) 7163 final aufgehoben und ersetzt wurde. Da diese Durchführungsbeschlüsse keine Rechtswirkungen mehr erzeugen, ist gegen sie keine Nichtigkeitsklage gegeben.

24      Nach ständiger Rechtsprechung sind nämlich nur Maßnahmen, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, die die Interessen des Klägers durch einen Eingriff in seine Rechtsstellung beeinträchtigen, Handlungen, gegen die die Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV gegeben ist (Urteile vom 11. November 1981, IBM/Kommission, 60/81, EU:C:1981:264, Rn. 9, und vom 5. Oktober 1999, Niederlande/Kommission, C‑308/95, EU:C:1999:477, Rn. 26).

25      Folglich ist die vorliegende Klage mangels anfechtbarer Handlung unzulässig, soweit der Kläger die Nichtigerklärung der Durchführungsbeschlüsse C(2021) 94 final und C(2021) 5686 final begehrt.

26      Diese Schlussfolgerung wird durch das Vorbringen des Klägers, die Nichtigerklärung des Durchführungsbeschlusses C(2022) 7163 final hätte zur Folge, dass der Durchführungsbeschluss C(2021) 94 final in der durch den Durchführungsbeschluss C(2021) 5686 final geänderten Fassung wiederaufleben würde, nicht in Frage gestellt. Insoweit ist festzustellen, dass jeder Kläger im Hinblick auf den Gegenstand seiner Klage ein Rechtsschutzinteresse darzutun hat, das bei Klageerhebung gegeben sein muss; andernfalls ist die Klage unzulässig (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juni 2007, Wunenburger/Kommission, C‑362/05 P, EU:C:2007:322, Rn. 42). Da im vorliegenden Fall die Durchführungsbeschlüsse C(2021) 94 final und C(2021) 5686 final vor Erhebung der vorliegenden Klage durch den Durchführungsbeschluss C(2022) 7163 final aufgehoben und ersetzt worden waren, erzeugten sie zum Zeitpunkt der Erhebung der vorliegenden Klage keine Rechtswirkungen mehr.

27      Soweit der Antrag des Klägers in Bezug auf den Durchführungsbeschluss C(2021) 94 final in der durch den Durchführungsbeschluss C(2021) 5686 final geänderten Fassung dahin auszulegen ist, dass mit ihm ein Feststellungsurteil über die Rechtswidrigkeit des genannten Durchführungsbeschlusses erwirkt werden soll, ist darüber hinaus in Übereinstimmung mit der Kommission darauf hinzuweisen, dass das Gericht nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen der Rechtmäßigkeitskontrolle nach Art. 263 AEUV nicht befugt ist, Feststellungsurteile zu fällen (vgl. Urteile vom 4. Februar 2009, Omya/Kommission, T‑145/06, EU:T:2009:27, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 13. September 2018, DenizBank/Rat, T‑798/14, EU:T:2018:546, Rn. 135 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28      Daraus folgt, dass die vorliegende Klage auch insoweit als unzulässig abzuweisen ist, als sie die Durchführungsbeschlüsse C(2021) 94 final und C(2021) 5686 final betrifft.

3.      Zulässigkeit der Klage, soweit sie gegen den Durchführungsbeschluss C(2022) 7163 final gerichtet ist

29      Schließlich gelten in Bezug auf den gegen den Durchführungsbeschluss C(2022) 7163 final gerichteten Antrag folgende Hinweise.

a)      Rechtsschutzinteresse des Klägers bezüglich des Durchführungsbeschlusses C(2022) 7163 final

30      Nach der Rechtsprechung braucht bei fehlendem Rechtsschutzinteresse nicht geprüft zu werden, ob die klagende Partei im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV unmittelbar und individuell betroffen ist (Urteil vom 18. Dezember 2003, Olivieri/Kommission und EMEA, T‑326/99, EU:T:2003:351, Rn. 66, Beschluss vom 15. Mai 2013, Post Invest Europe/Kommission, T‑413/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:246, Rn. 17, sowie Urteil vom 12. November 2015, HSH Investment Holdings Coinvest-C und HSH Investment Holdings FSO/Kommission, T‑499/12, EU:T:2015:840, Rn. 23).

31      Das Rechtsschutzinteresse ist nämlich die wesentliche und erste Voraussetzung jeder Klage. Eine Nichtigkeitsklage einer natürlichen oder juristischen Person ist somit nur zulässig, soweit die klagende Partei ein Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung besitzt. Das Bestehen des Rechtsschutzinteresses bei einer klagenden Partei setzt voraus, dass die Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung als solche Rechtswirkungen haben kann, dass also die Klage der Partei, die sie erhoben hat, im Ergebnis einen Vorteil verschaffen kann und dass diese ein bestehendes und gegenwärtiges Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung nachweist (Urteil vom 19. Juni 2009, Socratec/Kommission, T‑269/03, nicht veröffentlicht, EU:T:2009:211, Rn. 36, Beschluss vom 15. Mai 2013, Post Invest Europe/Kommission, T‑413/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:246, Rn. 22, sowie Urteil vom 12. November 2015, HSH Investment Holdings Coinvest-C und HSH Investment Holdings FSO/Kommission, T‑499/12, EU:T:2015:840, Rn. 24).

32      Nach der Rechtsprechung hat die klagende Partei ihr Rechtsschutzinteresse nachzuweisen. Sie muss insbesondere ein persönliches Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung darlegen. Es muss sich dabei um ein bestehendes und gegenwärtiges Interesse handeln, wofür auf den Tag der Klageerhebung abzustellen ist (vgl. Urteil vom 12. November 2015, HSH Investment Holdings Coinvest-C und HSH Investment Holdings FSO/Kommission, T‑499/12, EU:T:2015:840, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33      Allerdings überschneidet sich, wenn ein nicht privilegierter Kläger eine Nichtigkeitsklage gegen eine nicht an ihn gerichtete Handlung erhebt, das Erfordernis, dass die verbindlichen Rechtswirkungen der angefochtenen Maßnahme geeignet sein müssen, die Interessen des Klägers durch eine qualifizierte Änderung seiner Rechtsstellung zu beeinträchtigen, mit den Voraussetzungen nach Art. 263 Abs. 4 AEUV (Urteile vom 13. Oktober 2011, Deutsche Post und Deutschland/Kommission, C‑463/10 P und C‑475/10 P, EU:C:2011:656, Rn. 38, vom 16. Oktober 2014, Alro/Kommission, T‑517/12, EU:T:2014:890, Rn. 25, sowie vom 12. November 2015, HSH Investment Holdings Coinvest-C und HSH Investment Holdings FSO/Kommission, T‑499/12, EU:T:2015:840, Rn. 26).

34      Um zu beurteilen, ob der Kläger den angefochtenen Beschluss im Wege einer Klage anfechten kann, ist daher zu prüfen, ob dieser eine Handlung darstellt, die ihm gegenüber verbindliche Rechtswirkungen entfaltet (vgl. Urteil vom 12. November 2015, HSH Investment Holdings Coinvest-C und HSH Investment Holdings FSO/Kommission, T‑499/12, EU:T:2015:840, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35      Für die Feststellung, ob eine Handlung einem Kläger gegenüber Rechtswirkungen erzeugt und seine Rechtsstellung qualifiziert ändert, ist u. a. auf ihren Gegenstand, ihren Inhalt, ihren Sachgehalt und auch auf den tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang, in dem sie steht, abzustellen (vgl. Beschluss vom 10. Juli 2019, Pilatus Bank/EZB, T‑687/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:542, Rn. 16 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36      Im vorliegenden Fall ist zunächst festzustellen, dass der Durchführungsbeschluss C(2022) 7163 final an Moderna gerichtet ist, die dessen alleiniger Adressat ist, so dass der Kläger im Hinblick auf diesen Beschluss als Dritter anzusehen ist. Entgegen dem Vorbringen des Klägers richtet sich der Durchführungsbeschluss C(2022) 7163 final weder an Angehörige von Gesundheitsberufen noch an die für die öffentliche Gesundheit zuständigen Behörden, an Patienten oder an Personen, die sich impfen lassen können. Diese Gruppen können insbesondere nicht als Adressaten der Anhänge des Durchführungsbeschlusses C(2022) 7163 final angesehen werden. Anhang I enthält die Zusammenfassung der Merkmale der in Rede stehenden Impfstoffe, während die Anhänge II und III die Pflichten der Zulassungsinhaber in Bezug auf die Herstellung, die Einfuhr, die Kontrolle, die Abgabe und die Etikettierung dieser Impfstoffe festlegen.

37      Im Übrigen bewirkt der Durchführungsbeschluss C(2022) 7163 final nur, dass Moderna das Inverkehrbringen des Arzneimittels Spikevax auf dem Markt der Europäischen Union gestattet wird und den Mitgliedstaaten untersagt wird, sich seinem Inverkehrbringen zu widersetzen. Dieser Beschluss erzeugt mithin keine wie auch immer geartete Belastung oder Verpflichtung für natürliche Personen und erlegt ihnen keine Impfpflicht auf (vgl. entsprechend Beschlüsse vom 9. November 2021, Amort u. a./Kommission, T‑96/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:804, Rn. 35, vom 9. November 2021, Amort u. a./Kommission, T‑136/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:807, Rn. 34, vom 14. Januar 2022, Alauzun u. a./Kommission und EMA, T‑418/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:39, Rn. 39, vom 7. Februar 2022, Faller u. a./Kommission, T‑464/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:68, Rn. 31, und vom 1. März 2022, Agreiter u. a./Kommission, T‑632/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:135, Rn. 26).

38      Folglich hat jede Pflicht zur Impfung mit dem Arzneimittel Spikevax ihre Rechtsgrundlage notwendigerweise im nationalen Recht des betreffenden Mitgliedstaats. Zudem bedeutet die Erteilung einer Zulassung nicht, dass die Mitgliedstaaten die Anwendung zugelassener Arzneimittel verbindlich vorzuschreiben haben, sondern nur, dass sie sich deren Inverkehrbringen nicht widersetzen dürfen.

39      Was darüber hinaus die besondere Situation des Klägers betrifft, der befürchtet, dass die Mutter seiner Kinder von einem nationalen Gericht ermächtigt werden könne, sie gegen seinen Willen impfen zu lassen, so greift der Durchführungsbeschluss C(2022) 7163 final den auf nationaler Ebene getroffenen Entscheidungen über die Modalitäten der Ausübung der elterlichen Sorge in Bezug auf die Impfung von Kindern in keiner Weise vor.

40      Daher ändert der Durchführungsbeschluss C(2022) 7163 final weder die Rechtsstellung des Klägers noch die seiner Kinder in qualifizierter Weise. Somit kann die Nichtigerklärung dieses Beschlusses als solche ihnen keinen Vorteil im Sinne der oben in Rn. 32 angeführten Rechtsprechung verschaffen.

41      Folglich hat der Kläger in Bezug auf den Durchführungsbeschluss C(2022) 7163 final kein Rechtsschutzinteresse.

b)      Klagebefugnis des Klägers

42      Obwohl der Kläger kein Rechtsschutzinteresse hat, hält es das Gericht im vorliegenden Fall gleichwohl für angebracht, die Zulässigkeit der Klage im Hinblick auf Art. 263 Abs. 4 AEUV zu prüfen.

1)      Keine unmittelbare Betroffenheit

43      Hinsichtlich der unmittelbaren Betroffenheit ist darauf hinzuweisen, dass diese Voraussetzung nur vorliegt, wenn zwei Kriterien kumulativ erfüllt sind, nämlich erstens, dass sich die beanstandete Maßnahme auf die Rechtsstellung der betreffenden Person unmittelbar auswirkt, und zweitens, dass sie ihren Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lässt, ihre Umsetzung vielmehr rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Unionsregelung ohne Anwendung anderer Durchführungsvorschriften ergibt (Urteil vom 13. Oktober 2011, Deutsche Post und Deutschland/Kommission, C‑463/10 P und C‑475/10 P, EU:C:2011:656‚ Rn. 66, sowie Beschluss vom 8. Februar 2019, Front Polisario/Rat, T‑376/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:77, Rn. 27).

44      Das erste Kriterium der Voraussetzung der „unmittelbaren Betroffenheit“ bedeutet u. a., dass sich die in Rede stehende Maßnahme unmittelbar auf die Rechtsstellung der natürlichen oder juristischen Person auswirken muss, die eine Klage nach Art. 263 Abs. 4 AEUV zu erheben gedenkt. Eine solche Voraussetzung ist somit ausschließlich anhand der Rechtswirkungen der Maßnahme zu beurteilen, wohingegen sich ihre etwaigen politischen Wirkungen nicht auf die Beurteilung auswirken (Urteil vom 3. Dezember 2020, Région de Bruxelles-Capitale/Kommission, C‑352/19 P, EU:C:2020:978, Rn. 64).

45      Bereits aus den oben angeführten Rn. 36 bis 40 ergibt sich jedoch, dass der Durchführungsbeschluss C(2022) 7163 final keine Rechtswirkungen auf die Rechtsstellung des Klägers noch auf die seiner Kinder entfaltet, sondern nur auf die von Moderna und gegenüber den Mitgliedstaaten.

46      Der Durchführungsbeschluss C(2022) 7163 final enthält nämlich als solcher keine Verpflichtung des Klägers oder der Mutter seiner Kinder, ihnen das Arzneimittel Spikevax zu verabreichen. Wie bereits oben in Rn. 39 ausgeführt, greift der Durchführungsbeschluss C(2022) 7163 final zudem den auf nationaler Ebene getroffenen Entscheidungen über die Modalitäten der Ausübung der elterlichen Sorge in Bezug auf die Impfung von Kindern in keiner Weise vor.

47      Zum zweiten Kriterium der Voraussetzung der „unmittelbaren Betroffenheit“ ist festzustellen, dass mit dem Durchführungsbeschluss C(2022) 7163 final lediglich eine Zulassung für das Arzneimittel Spikevax erteilt wird und dass die nationalen Behörden der Mitgliedstaaten nicht Adressaten dieser Beschlüsse sind. Hieraus ergibt sich, dass diese Behörden über ein uneingeschränktes Ermessen im Hinblick darauf verfügen, ob es zweckmäßig ist, den Ärzten die Anwendung dieser Arzneimittel aufzuerlegen, erforderlichenfalls auch mittels Zwangsmaßnahmen.

48      Nach alledem ist die Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit des Klägers nicht erfüllt.

2)      Keine individuelle Betroffenheit

49      Nach ständiger Rechtsprechung können andere Personen als die Adressaten einer Entscheidung nur dann individuell betroffen sein, wenn diese Entscheidung sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie dadurch in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten einer solchen Entscheidung (Urteile vom 15. Juli 1963, Plaumann/Kommission, 25/62, EU:C:1963:17, S. 238, vom 13. Dezember 2005, Kommission/Aktionsgemeinschaft Recht und Eigentum, C‑78/03 P, EU:C:2005:761, Rn. 33, sowie Beschluss vom 27. März 2012, Connefroy u. a./Kommission, T‑327/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:155, Rn. 21).

50      Hierzu ist festzustellen, dass der Durchführungsbeschluss C(2022) 7163 final den Kläger oder seine Kinder nicht wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis anderer Personen, die von der Zulassung für das Arzneimittel Spikevax betroffen sind, heraushebender Umstände berührt.

51      Der bloße Umstand, dass der Kläger ein Elternteil minderjähriger Kinder ist, reicht nicht aus, um ihn zu individualisieren oder aus dem Kreis der gesamten Bevölkerung herauszuheben.

52      Darüber hinaus genügt die Behauptung, der angefochtene Beschluss verletze die Grundrechte des Klägers oder seiner Kinder, für sich allein nicht, um die Zulässigkeit der Klage eines Einzelnen herbeizuführen, denn sonst würden die Anforderungen von Art. 263 Abs. 4 AEUV ausgehöhlt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. März 2021, Carvalho u. a./Parlament und Rat, C‑565/19 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2021:252, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dies gilt umso mehr, als der Kläger nicht in der Lage war, zu bestimmen, inwiefern der Durchführungsbeschluss C(2022) 7163 final – und nur dieser – die körperliche Unversehrtheit seiner Kinder beeinträchtigen könnte, da mit ihm nur das Arzneimittel Spikevax zugelassen wird, ohne jedoch eine Impfpflicht aufzustellen.

53      Selbst wenn man unterstellt, der Kläger hätte eine Verletzung seiner Grundrechte oder der Grundrechte seiner Kinder geltend gemacht und daraus eine individuelle Betroffenheit mit der Begründung abgeleitet, dass die körperliche Unversehrtheit und damit die Verletzung der Grundrechte für jede Person einzigartig und unterschiedlich sei, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Durchführungsbeschluss C(2022) 7163 final den Kläger wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, ihn aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und ihn dadurch in ähnlicher Weise individualisiert wie einen Adressaten.

3)      Kein Rechtsakt mit Verordnungscharakter

54      Darüber hinaus ist entschieden worden, dass der Begriff „Rechtsakt mit Verordnungscharakter“ alle Rechtsakte ohne Gesetzescharakter mit allgemeiner Geltung umfasst (vgl. Beschluss vom 8. Juni 2021, Price/Rat, T‑231/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:349, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

55      Der Durchführungsbeschluss C(2022) 7163 final entfaltet jedoch gegenüber Dritten keine Rechtswirkungen, sondern nur gegenüber dem Unternehmen, das das Arzneimittel Spikevax herstellt, nämlich Moderna, so dass er keine allgemeine und abstrakte Geltung hat.

56      Entgegen dem Vorbringen des Klägers wird mit dem Durchführungsbeschluss C(2022) 7163 final keine Einstufung des Arzneimittels Spikevax als Impfstoff vorgenommen, sondern lediglich eine Zulassung für dieses Arzneimittel erteilt. Soweit insbesondere in Anhang I des Durchführungsbeschlusses festgestellt wird, dass es sich bei diesem Arzneimittel um einen mRNA‑Impfstoff handelt, dessen therapeutische Indikation die aktive Immunisierung bei Personen ab sechs Jahren zur Vorbeugung von Covid-19 verursacht durch SARS-CoV-2 ist, ist davon auszugehen, dass sich diese Informationen in die Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels einfügen und damit die erteilte Zulassung konkretisieren. Jedenfalls kann diese Beschreibung der Merkmale nicht deshalb als allgemeingültig angesehen werden, weil die Qualifizierung des Arzneimittels Spikevax als Impfstoff zur Folge hätte, dass die Zulassungskriterien für Gentherapeutika nicht angewandt worden wären. Die auf Humanarzneimittel wie Spikevax anwendbaren Zulassungskriterien werden nämlich allgemein und abstrakt u. a. durch die Richtlinie 2001/83 und die Verordnung Nr. 726/2004 festgelegt, die daher im Gegensatz zum Durchführungsbeschluss C(2022) 7163 final, mit dem diese Kriterien lediglich umgesetzt werden, allgemeine Geltung haben.

57      Nach alledem ist der von der Kommission erhobenen Einrede der Unzulässigkeit stattzugeben und die Klage als unzulässig abzuweisen.

58      Durch die Abweisung der vorliegenden Klage wird der Kläger jedoch nicht in seinem Recht auf wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz beschränkt. Der AEU-Vertrag hat nämlich mit seinen Art. 263 und 277 einerseits und mit seinem Art. 267 andererseits ein vollständiges System von Rechtsbehelfen und Verfahren geschaffen, das die Rechtmäßigkeitskontrolle der Unionshandlungen gewährleisten soll (Urteile vom 23. April 1986, Les Verts/Parlament, 294/83, EU:C:1986:166, Rn. 23, vom 25. Juli 2002, Unión de Pequeños Agricultores/Rat, C‑50/00 P, EU:C:2002:462, Rn. 40, sowie vom 3. Oktober 2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat, C‑583/11 P, EU:C:2013:625, Rn. 92).

59      So sind natürliche oder juristische Personen wie der Kläger, die Handlungen der Union wegen der Zulässigkeitsvoraussetzungen der Nichtigkeitsklage nicht unmittelbar anfechten können, berechtigt, die von den Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit diesen Handlungen erlassenen Maßnahmen vor den nationalen Gerichten anzufechten, indem sie sich auf die Ungültigkeit dieser Handlungen berufen und die nationalen Gerichte veranlassen, dem Gerichtshof Fragen nach der Gültigkeit der Handlungen gemäß Art. 267 AEUV im Wege der Vorabentscheidung vorzulegen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Mai 2019, Pebagua/Kommission, C‑204/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:425, Rn. 67 und 68, und vom 4. Dezember 2019, Polskie Górnictwo Naftowe i Gazownictwo/Kommission, C‑342/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:1043, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).

60      Im vorliegenden Fall macht der Kläger geltend, die Gerichte, die mit der Impfung seiner Kinder befasst gewesen seien, hätten die Frage der unionsrechtlichen Rechtmäßigkeit der Zulassung für das Arzneimittel Spikevax nicht dem Gerichtshof gemäß Art. 267 AEUV im Wege der Vorabentscheidung vorgelegt. Unter diesen Umständen müsse er mit der vorliegenden Klage die Zulassung für das Arzneimittel Spikevax unmittelbar anfechten können, um die dem Gerichtshof nicht zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage nach der Gültigkeit dieser Zulassung nachzuholen und sein Recht auf wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz zu wahren.

61      Zwar sind die in Art. 263 AEUV vorgesehenen Zulässigkeitsvoraussetzungen im Licht des Grundrechts auf wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz auszulegen, diese Auslegung kann aber nicht den Wegfall der in diesem Vertrag ausdrücklich vorgesehenen Voraussetzungen zur Folge haben (vgl. Beschluss vom 9. Juli 2019, VodafoneZiggo Group/Kommission, T‑660/18, EU:T:2019:546, Rn. 114 und die dort angeführte Rechtsprechung).

62      Daraus folgt, dass die Weigerung der nationalen Gerichte, den Gerichtshof nach der Gültigkeit des Durchführungsbeschlusses C(2022) 7163 final zu befragen, es dem Kläger jedenfalls nicht ermöglichen kann, beim Gericht eine Klage auf Nichtigerklärung dieses Beschlusses zu erheben, ohne seine Klagebefugnis nach einer der in Art. 263 Abs. 4 AEUV vorgesehenen Fälle nachzuweisen (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse vom 29. November 2017, Società agricola Taboga Leandro e Fidenato Giorgio/Parlament und Rat, C‑467/17 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:916, Rn. 30, und vom 22. Dezember 2022, Grapevine/Kommission, T‑726/22, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:864, Rn. 14).

63      Nach alledem ist die Klage insgesamt als unzulässig abzuweisen.

IV.    Antrag auf Zulassung zur Streithilfe des Parlaments

64      Erhebt die beklagte Partei nach Art. 130 Abs. 1 der Verfahrensordnung eine Einrede der Unzulässigkeit oder der Unzuständigkeit, so wird gemäß Art. 144 Abs. 3 der Verfahrensordnung über den Antrag auf Zulassung zur Streithilfe erst entschieden, nachdem die Einrede zurückgewiesen oder die Entscheidung darüber dem Endurteil vorbehalten wurde. Außerdem wird die Streithilfe gemäß Art. 142 Abs. 2 der Verfahrensordnung u. a. dann gegenstandslos, wenn die Klage für unzulässig erklärt wird.

65      Da der von der Kommission erhobenen Einrede der Unzulässigkeit im vorliegenden Fall stattgegeben worden ist und folglich der vorliegende Beschluss das Verfahren beendet, hat sich der Antrag des Parlaments auf Zulassung zur Streithilfe zur Unterstützung der Anträge der Kommission erledigt.

V.      Kosten

66      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

67      Da der Kläger mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm seine eigenen Kosten und die Kosten der Europäischen Kommission aufzuerlegen.

68      Nach Art. 144 Abs. 10 der Verfahrensordnung trägt das Parlament seine eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

beschlossen:

1.      Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2.      Der Antrag des Europäischen Parlaments auf Zulassung zur Streithilfe hat sich erledigt.

3.      UY trägt seine eigenen Kosten und die Kosten der Europäischen Kommission.

4.      Das Parlament trägt seine eigenen Kosten.

Luxemburg, den 11. Dezember 2023

Der Kanzler

 

Der Präsident

V. Di Bucci

 

J. Svenningsen


*      Verfahrenssprache: Deutsch.


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